Blutschuld von abgemeldet (Seine Bestimmung war es Vampire zu jagen, nicht sie zu lieben) ================================================================================ Kapitel 13: Blonder Engel ------------------------- 13. Blonder Engel Von Schande getrieben von Schuld gejagt, wanderte der Jäger von einer Stadt zur anderen. Schnell drangen Gerüchte an sein Ohr, dass die Gilde nach ihm suchte. Bislang wurde er nicht wie befürchtet für vogelfrei erklärt. Dafür wurden nun Worte wie Deserteur und Dieb in einem Atemzug mit seinem Namen genannt. Er war ein Geächteter. Nirgends blieb er lange. Ständig war er in Bewegung. Wie eine ruhelose Seele, wanderte er von einem Ort zum nächsten, ständig auf der Flucht. Der Winter hatte längst seine weiße Decke über die Erde gelegt. In der Weihnachtsnacht waren seine Alpträume, wie so oft, die einzige Gesellschaft in seiner Einsamkeit. Träume von dem Massaker in seinem Heimatdorf, begleitet von Tod und Verzweiflung. Träume von Iven, die ihn in den Wahnsinn trieben. Er haderte mit sich. Jeden Tag aufs Neue, unermüdlich gegen seine Gefühle kämpfend. Er versuchte sie zu beschwichtigen, hinter ihr Geheimnis zu kommen. Vergeblich. Sie schwiegen nicht und ihre Existenz blieb für seinen Geist unergründlich. Hartnäckig, ohne Berechtigung, schlugen sie ihre Wellen. Es war gegen alle Vernunft. Wider seines Leids aus Kindestagen. Wider seiner Lebenseinstellung als Jäger. Unnachgiebig hatte die Machtlosigkeit nach ihm gegriffen und nun ließ sie ihn nicht mehr los. Dabei waren es nur wenige Augenblicke gewesen, die sein Herz berührt und zum Beben gebracht hatten. Warum? Die Faszination, die Ausstrahlung, die Anziehung, alles nur Äußerlichkeiten, die ihn gefangen nahmen. Er hatte keine Ahnung, was hinter der Fassade lag. Oberflächlichkeit die nichts über liebenswerte Charaktereigenschaften offen legte. Einzig von dem Tier, der erbarmungslosen Bestie in ihm, wusste er. Sein Herz schien es nicht zu kümmern. Es befragte weder Verstand noch Vernunft. Es gab die Richtung seiner Seele vor, leitete sein Handeln und trieb ihn in Empfindungen vorwärts. Der Kampf den sein Geist führte, sein eigener. Der Feind, sein Spiegelbild. Der Todesstoß der folgen musste, letztendlich einer, der sein eigenes Herz durchbohren würde. Ein Geflecht von Selbstbetrug. Gesponnen in Blindheit, mit den Fäden der Verwirrung. Die Webfehler waren nur zu gegenwärtig. Kleine Laufmaschen, die zu immer größeren Löchern aufrissen. Es war der Abgrund seines Lebens, in dem er sich unweigerlich wieder fand. Einer, der in Ivens schwarzen Augen begann und endete. Nie hatte er geglaubt, dass er im Stande war, so große Sehnsucht zu fühlen. Sein Herz schmerzte auf eine Art, die er weder verstand, noch leugnen konnte. Zeitweise machten ihn seine Emotionen handlungsunfähig und er verkroch sich, wie ein geschlagenes Tier. Instinktiv trieb ihn dann seine Angst, sich endgültig zu verlieren, wieder nach draußen. Er wusste, dass er auf einem schmalen Grad Richtung Irrsinn wanderte. Teilweise suchten ihn selbst Tagträume heim, aus denen er sich kaum lösen konnte. Hinter jedem Schatten, sah er Iven. Hoffte und rief sich wieder zur Vernunft. Oft wollte er dem inneren Drang nachgeben, sein Sehnen stillen. Doch er blieb standhaft. Der Winter verstrich und machte den ersten warmen Sonnenstrahlen platz. Bunte Krokusse kämpften sich vorwitzig empor, um zusammen mit dem Zwitschern der Vögel den Frühling anzukündigen. Lebenslust und Frohsinn erfüllte nunmehr die Straßen. Luc bemühte sich dem bunten Treiben Freude abzugewinnen, doch jeder Tag verstrich so trübe, wie der letzte zuvor. Manchmal glaubte er die Einsamkeit nicht mehr ertragen zu können. Dann ging er in Spelunken, betrank sich und beendete den Abend mit einer wilden Rauferei, in der er sich meist zurückhielt und jeden Schlag als Zeichen seiner Existenz bereitwillig empfing. Die Abscheu für sich selbst, wuchs mit jedem Tag. Und mit ihr die Untätigkeit, sein Leben zu gestalten. So konnte es nicht mehr weiter gehen. Er musste etwas tun. Für sich selbst kämpfen. Sich aus der Resignation frei strampeln. Er alleine war für sein Leben verantwortlich und im Begriff es wegzuwerfen. Es dem Schmerz, mit all seiner Bitterkeit zu überlassen. Lucs Entschluss stand fest. Er würde zurückkehren. Nicht um Iven zu sehen. Auch hatte er nicht vor, bei der Gilde um Vergebung zu bitten, um sein aus den Fugen geratenes Leben wieder in die rechte Bahn zu bringen. Es wäre verlorene Liebesmüh. Alleine der Wunsch das einzig Gute und Reine in seinem Leben wiederzusehen, trieb ihn an. Er wollte zurückkehren, um Sarah rechtzeitig zu ihrem vierzehnten Geburtstag gratulieren zu können. Sarah. Sie war sein Schatz, sein Augapfel. Ihr liebreizendes Wesen, war das Letzte und Wichtigste was ihm geblieben war. Das Kostbarste was er besaß. Immer unter Verschluss gehalten. Vor sich und der Welt. Tief in sich hatte er die zärtlichen Gefühle für sie versiegelt. Weit abseits von seiner Verzweiflung. Nie hatte er sich in seiner Abwesenheit gestattet an sie zu denken. Nichts sollte die Reinheit seiner Erinnerungen an sie beschmutzen. Er rang endgültig die Sorge nieder, Schatten auf ihre Unschuld zu werfen. Er musste nach der Vollkommenheit greifen, um nicht endgültig in der Verdammnis zu vergehen. Der Gedanke, sie bald wieder in seine Arme schließen zu können, erwärmte sein Herz. Sicher würde sie wütend sein, solang nichts von ihm gehört zu haben. Die Vorfreude ihr strahlendes Lächeln mit den großen blauen Augen und den zarten Pfirsichbäckchen wieder zu sehen, erfüllte ihn mit Glück, das er bereits verloren geglaubt hatte. Die Mittagssonne stand hoch am azurblauen Himmel, als er das Kloster auf einer kleinen Hügelerhöhung erreichte. Spielerisch brachen sich die goldenen Sonnenstrahlen zwischen den dunkelgrünen dichten Blätter der Bäume und vollführten im Einklang mit deren Schatten, einen Tanz der Sinnlichkeit, auf dem mit Gras bewachsenen Boden auf. Bewundernd ließ er seinen Geist noch einen Moment in dieser Harmonie verweilen. War es ihre Gegenwart, dass er so einfache Dinge in ihrer idyllischen Pracht wieder schätzen konnte? Er klopfte und wurde sogleich von einer Ordensschwester, deren Gesicht mehrere Lachfalten zierte, in Empfang genommen. „Sie wünschen?“ „Mein Name ist Luciel Baldur. Ich möchte gerne Sarah Robias einen Besuch abstatten. Genauer gesagt, meine herzlichste Gratulation zum Geburtstag aussprechen.“ Die Nonne schüttelte bedrückt den Kopf. „Tut mir leid. Die Mutter Oberin hat ausdrücklich euren Besuch untersagt. Ich kann euch weder anmelden, noch einlassen.“ Luc war wie vor den Kopf gestoßen. „Aber warum? Ich komme seit Jahren und bin ein guter Freund.“ „Hören sie, ich weiß wer ihr seid und es tut mir leid. Aber habt ihr eine Ahnung, wie sehr sich das kleine Ding die Augen nach euch ausgeweint hat? Ihr habt den ganzen Winter lang kein Lebenszeichen von euch gegeben. Kein Besuch, kein Brief, nicht einmal zu unserem heiligen Fest Christi. Sarah hat sich damit abgefunden, dass ihr sie im Stich gelassen habt. Sie nicht mehr liebt. Bitte, belasst es dabei und reißt ihre Wunden nicht erneut auf.“ Mit einer letzten entschuldigenden Geste wandte sich die Schwester ab und wollte die Tür schließen. „Nein ich bitte euch! In Gottes Namen, lasst mich zu ihr. Ich muss sie sehen!“ Bekümmert hielt die Frau inne. „Sarah ist nunmehr im heiratsfähigen Alter. Ihr Vater wird sie sicher bald aus der Obhut des Klosters nehmen und einem Mann versprechen, wenn dies nicht schon veranlasst wurde.“ Luc hatte einen Kloß im Hals. „Aber sie ist doch noch so jung. Sie steht gerade in der Blüte ihres Lebens.“ „Dann seid ihr nicht gekommen um zu werben?“ Luc fühlte sich gekränkt. „Nein. Ich liebe sie, aber ich kam nicht in der Absicht sie fortzureißen oder in den Bund der Ehe zu führen.“ Die Miene der Nonne schien sich aufzuhellen und ließ Luc hoffen. „Nun gut. Ich sehe keine Lüge in euren Augen. Der Herr selbst weiß, dass es manchmal Umwege bedarf, um an sein Glück zu kommen. Ich kann euch nicht einlassen, aber ich werde euch eine Adresse geben, die euch weiter bringt. Habt einen Augenblick Geduld.“ Erleichtert wartet Luc eine Weile vor dem Kloster. Herrn Robias' Absichten, Sarah bereits jetzt zu verheiraten, konnte er nicht gutheißen. Sie war noch viel zu unbedarft für den Bund der Ehe. Der Gedanke daran, sie an einen Mann und in der Verkommenheit der Gesellschaft zu verlieren, schmerzte Luc. Er war sich stets bewusst, dass die Unschuld des Kindes und des unbefleckten Geistes in ihr, nicht für immer bewahrt bleiben würde. Das Leben im Kloster konnte nicht auf immer ihr Schutz sein. Dennoch, es war zu früh. Die Schwester kam zurück und drückte ihm zwinkernd einen Zettel in die Hand. „Es ist eine Wohltätigkeitsveranstaltung und Sarah wird in dem Ensemble die Harfe spielen. Mit ihren langen blonden Locken erinnert das Kind immer an einen Engel, wenn sie die Seiden spielt. Ich bin nur eine Schwester, die ihr bestes Alter überschritten hat. Aber wenn ihr dem Kind Kummer macht, dann werde ich euch persönlich dafür zur Verantwortung ziehen.“ Luc nickte. Es tat gut zu wissen, dass die Schwester sich so besorgt um Sarah kümmerte. „Die Karten sind bereits ausverkauft. Am besten wendet ihr euch an Schwester Dominka. Sagt ihr Schwester Maria schickt euch und ihr dürft hinter der Bühne auf Sarah warten. Der Auftakt ist für sieben Uhr Abends angesetzt.“ „Habt Dank, Schwester Maria. Ich stehe tief in eurer Schuld.“ Luc tat sich schwer die Stunden bis zum Abend abzuwarten. Gerne hätte er Phil oder Vernon einen Besuch abgestattet. Doch außer Vorwürfe hatte er nichts zu erwarten. Womöglich würde er sie sogar in Gewissenskonflikte stürzen. Immerhin war die Gilde mittlerweile über seine Verfehlungen unterrichtet und als Mitglied der Garde hatten sie beide die Pflicht, einen Abtrünnigen der Obrigkeit zu übergeben. Es war besser sich verdeckt zu halten und kein Aufsehen zu erregen. Er hatte keinen Appetit. Dennoch zwang er sich das magere Mahl hinunterzuwürgen. Er zahlte die Zeche und ging zu der Adresse, die ihm Schwester Maria anvertraut hatte. Das Konzert hatte bereits begonnen, als Luc von Schwester Dominka hinter die Bühne geführt wurde. Luc genoss die liebliche Musik, die sich schmeichelnd auf sein Herz legte. Es war lange her, dass er einen Hauch von Frieden verspürt hatte. Sarahs Auftritt erfüllte ihn mit Stolz. Es gab viele hübsche Mädchen auf der Bühne, doch an ihren Liebreiz reichte keines heran. Ja, sie war wie ein Engel, der alle in Entzückung versetzte. Süß und lieblich, wie eine Blume. Eine Kostbarkeit die behütet werden musste. Der Vorhang fiel und der Auftritt wurde mit lautem Beifall quittiert. Plaudernd und aufgeregt drückten sich die Mädchen, wie eine Schar zwitschernder Vögle, an Luc in die Umkleide vorbei. Suchend schweiften seine Augen über die bunte Menge, um den blond gelockten Engel auszumachen. „Luc? Bist du das?“ Erfreut drehte er sich um. Zwei schallende Ohrfeigen waren seine Begrüßung. „Wie kannst du es wagen, mir noch einmal unter die Augen zu treten?!“ Lächelnd schloss er das aufgebrachte Mädchen in seine Arme. „Alles Gute zum Geburtstag, Sarah.“ Der Wut in der jungen Frau wich augenblicklich Freude und die Umarmung wurde erwidert. Dicke Tropfen kullerten über zartrosa Wangen. „Wie konntest du mich nur so im Stich lassen? Ich dachte du hättest mich vergessen.“ Sanft strich Luc über den blonden Schopf. „Ich könnte dich nie vergessen. Du weißt, dass du immer in meinem Herzen bist. Ich musste weg und wusste selbst nicht wohin mich meine Reise trägt. Aber zu deinem Geburtstag konnte ich nicht länger fern bleiben. Nun sei nicht mehr sauer. Wisch dir die Tränen aus deinem hübschen Gesicht, wir haben etwas zu feiern.“ Sarah nickte glücklich. Sie konnte Luc einfach nicht nachtragend sein, dafür hatte sie ihn viel zu gern. Gedankenverloren wartete Luc auf Sarah. In ihrer Gegenwart wusste er wieder, weshalb es sich lohnte, sich seinem Leben jeden Tag aufs Neue zu stellen. Wie konnte er nur die Schönheit der Welt in seiner Verzweiflung vergessen? Den Frohsinn unter Schwermut begraben? Vielleicht hätte er schon viel früher zurückkehren sollen. Laute Schreie rissen ihn plötzlich aus seinen Gedanken hoch. Es waren die Schreie von Panik und von Schmerz. Luc rannte zur Umkleide und stockte. Entsetzen formte das Bild. Fassungslosigkeit die Situation. Eine Schar Vampire machte sich wie in einem Albtraum über die jungen Mädchen her. Gefräßige Habichte, die sich auf hilflose Jungvögel stürzten. „Nein!“ Panisch suchten seine Augen nach Sarah. Sein Körper agierte nur noch. „Sarah!“ Angst und blinde Wut führten ihn. Immer wieder trieb er den geweihten Dolch in einen neuen Gegner, während er sich seinen Weg durch den Raum kämpfte. Angespannt lauschten seine Sinne auf ihre Stimme, auf ein Lebenszeichen. Dann hörte er sie. Ein Schrei, der ihn tief ins Mark fuhr. Ein Vampir hielt Sarah fest in seinen begierigen Armen umklammert. Krallen des Todes, die nach der Beute trachteten. Die Zähne tief in ihr Fleisch gesenkt. „Nein!“ Luc war von dem Schock wie versteinert. Grinsend ließ der gestörte Vampir von Sarah ab. Theatralisch, mit falscher aufgesetzter Miene, ließ er ihren ohnmächtigen Körper achtlos zu Boden sinken. Der Spott stach tief in Lucs Herz. Machtlosigkeit wich Verzweiflung. Verzweiflung strömte zu Hass. Ehe Luc der Raserei in ihm folgen konnte, traf ihn ein heftiger Schlag auf den Kopf. Erbarmungslos umfing ihn Besinnungslosigkeit. Als er mit wackligen Beinen wieder zu sich kam, bemerkte er zunächst, dass sein Gewicht, von den in die Höhe gestreckten Armen gehalten wurde. Seine Schultern brannten und die Fesseln schnitten unnachgiebig in seine Armgelenke. Ein dumpfes Pochen hallte in seinem Kopf schmerzhaft wieder. Nur langsam klärte sich das verschwommene Bild vor seinen Augen. Er war in einem Kerker gefangen. Sarah! Furcht erfüllte sein Herz. „Luc?“ Es war nur ein schwaches Flüstern, aber es reichte um sein Gemüt etwas zu beruhigen. Sie lebte. „Sarah?“ „Ich bin hier.“ Sie trat in der Zelle neben an, an die Gitterstäbe. Ihre Augen waren gerötet. Bevor er etwas sagen konnte, sprudelte es nur so aus der jungen Frau heraus. „Es ist also war. Die Schauergeschichten, mit denen du mich als Kind erschreckt hast sind wahr! Genauso wie meine Alpträume. Es waren diese Wesen, die einst meine Heimat auslöschten, habe ich recht?“ Luc war überfordert. „Du warst noch fast ein Baby, wie kannst du dich da erinnern?“ „Ich weiß nicht, ob ich mich erinnere, aber diese Träume waren immer so real. So, als ob es tatsächlich passierte. Ich war nicht nur Zuschauer, sondern ein Teil davon. Immer fühlte ich, dass da etwas in meiner Vergangenheit war, von dem jeder nur schwieg. Weil ich keine Ruhe gab, erzählte mir Mutter Sofia alle Mythen über diese Wesen, die sie kannte und auch, dass man für ewig verdammt war, wenn man von einem gebissen wurde. Ich werde nicht in die Verdammnis gehen, Luc.“ Sarah schluchzte. „Lieber wähle ich den Freitod und schmore im Fegefeuer, als dass diese Bestien meine Seele verderben!“ Entschlossen griff Sarah nach dem Amulett, welches an einer goldenen Kette um ihren Hals hing. Luc ahnte nichts Gutes. „Was ist das?“ Eine Träne rollte über Sarahs Wange. „Gift. Eine Komposition des Schlafes, deren letzter Ton den Tod einläutet. Es wird mein Blut warm halten und sie werden gar nicht merken, dass ich nicht mehr lebe. Was meinst du, Luc. Kann ich einen von ihnen mit mir in den Tod reißen, wenn er von mir trinkt, während das Gift meine Adern ausfüllt?“ Ja, das würde sie so wohl. Aber bei Gott, er würde alles versuchen, dass es nicht soweit kommen musste. „Mutige kleine Sarah“, flüsterte der Jäger. „Du wirst das nicht tun nicht.“ Lucs Tonfall duldeten keine Widerworte. Sarah schluckte ihre Gegenwehr herunter, doch ihre Augen sprachen Bände. „Nicht, solange nicht alles verloren ist. Versprich es mir!“ Zaghaft nickte der blonde Engel Luc zu. „Wie rührend! Hört auf mich und macht euch besser keine Hoffnungen. Es gibt keinen Ausweg für euch.“ Luc suchte in der Dunkelheit nach der rauen Frauenstimme. Sie trat ins Licht. Eine Frau mittleren Alters, die sicher hübsch gewesen wäre, wenn ihre Gesichtszüge nicht vollkommene Bitternis widerspiegelt hätten. Deutliche Bissmale waren an Hals und Armen erkennbar. Mit mürrischer Miene sperrte sie Lucs Zellentür auf und trat auf ihn zu. „Ihr seid auf der Burg des Herzogs Sephilon und ihr wurdet als Geschenk und Attraktion zu seinem Ehrentag auserwählt. Die Festgesellschaft wird euch einer Meute hungriger Vampiren ausliefern und von ihrem Podium aus euer Leid genießen. Tut mir leid, aber ihr befindet euch in der Hölle.“ Ja, er war in der Hölle. Offensichtlich hatte das Schicksal Spaß daran, ihn von einer in die nächste zu schicken. Ohne Unterlass. Ein Schimmer des Lichts, bezahlt mit Pein. „Aber vielleicht steht ihr ja nicht allein“, fuhr die Frau mit milderem Ton fort. „Ihr habt einen Gönner unter den Gästen. Einer der hohen Herren, schickt euch das als Zeichen seiner Zuneigung.“ Luc glaubte sich zu irren. Aber es gab keinen Zweifel. Die Inschrift auf der Klinge und das Wappen am Griff waren unverkennbar. Es war der geweihte Dolch. Die Frau steckte ihn samt Scheide hinter seinem Rücken in den Gürtel. Sorgfältig legte sie sein Hemd darüber und schob es zurück in die Hose, um jede Spur von der Waffe darunter zu verbergen. „Ich wünsche euch Glück, wirklich.“ „Wer schickt euch?“ Die Frau schüttelte den Kopf. „Kann ich euch nicht sagen. Es war nur ein Mittelsmann, mit dem ich sprach.“ Sie schloss die Tür und ging zu Sarah. „Tut mir leid, aber ihr müsst mit mir kommen. Werdet ihr mir Schwierigkeiten machen?“ Ängstlich krallte sich die Gefangene in die Gitterstäbe. „Luc!?“ „Bitte macht mir keine Szene. Wenn ihr nicht freiwillig mit mir kommt, werde ich einen der Vampire holen müssen. Und glaubt mir, sie würden nicht gerade zimperlich mit euch umgehen.“ „Bitte lasst mich Abschied nehmen“, flehte sie. Barsch griff die Frau nach den schmalen Armen der Blonden. „Nein. Ich habe schon zu viel getan.“ Luc versuchte Sarah zu ermutigen. „Sarah, bitte fürchte dich nicht und habe vertrauen.“ Sie zitterte, aber dennoch war ihre Stimme fest, als sie antwortete. „Ich werde nicht in die Verdammnis gehen. Niemals.“ Grob bugsierte die Frau Sarah nach draußen. Lucs Augen brannten. Inständig hoffte er, dass sein Liebling nicht voreilig handeln würde. Er hatte nun eine Chance, auch wenn sie gering war. Wieder ein Schimmer des Lichts. Welcher Preis würde dafür folgen? Bitterkeit belebte seinen tiefen Hass mit neuem Gefühl. Ungerechtigkeit, die immer nach der Unschuld griff. Vampire die sich immer quälend in sein Leben drängen mussten. Warum Sarah? Gab es kein Erbarmen? Der Gedanke, seine dunkle Welt mit in ihre getragen zu haben, bedrückte sein Herz. Es war Unsinn. Dennoch schwieg die Flut von Vorwürfen nicht. Es war ein Vampir, der ihn aus seinen eigenen Anklagen befreite. Scharf bewerteten die Jägeraugen die hoch gewachsene Gestalt, die seine Kerkertür öffnete. Der Vampir hatte schulterlanges kastanienbraunes Haar, welches streng nach hinten gekämmt und mit einem Band zusammen gebunden war. Mit aufrechtem Gang trat er in die Zelle. Die gebräunte Haut umschmeichelte die bernsteinfarbenen Augen, die den Gefangenen interessiert zu mustern schienen. „Du bist also das Geschenk, das man mir versprochen hat. Du und dieses blonde Püppchen. Ich bin gespannt, ob du halten kannst, was Konos mir bereits angekündigt hat.“ Das war also Sephilon. Das süffisante Grinsen machte Luc rasend. „Bevor ich dich da raus und in den Tod schicke, verrate mir deinen Namen!“ Luc hasste die Hand die sich langsam ihren Weg von seiner Wange, zum Hals und weiter runter zur Brust bahnte. Neugierig beäugte der Vampir das seidene Tuch, welches um Lucs Hals gebunden war. Spielerisch wanderte die Vampirhand wieder nach oben, das Geheimnis zu erkunden. „Warum sollte ich?“, fragte Luc herausfordernd. Verärgert ließ der Herzog von Luc ab. Die bernsteinfarbenen Augen funkelten böse. „Wie du willst, sei widerspenstig solange du noch kannst. Wenn du dann dem Tod gegenüber stehst, solltest du dich aber fragen, ob du zu mir nicht etwas netter hättest sein sollen.“ Luc konnte nicht an sich halten. Die Abscheu war zu groß. „Macht mich los und ich zeige euch, wie nett ich wahrhaftig sein kann!“ Sephilon schien es sichtlich nicht gewohnt zu sein, Gegenwehr zu erhalten. Er war der typische hohe Vampir, der stolz und selbstherrlich die Nacht beherrschte und stets Ergebenheit gewohnt war. Fest griff er nach Lucs Hals. Die langen Fingernägel gruben sich durch den dünnen Stoff schmerzhaft in seine Haut. „Ich bin gespannt zu sehen, ob hinter diesen starken Worten auch Taten oder nur Dummheit steckt!“, zischte ihm der Vampir entgegen. Dann verschwand Sephilon. Luc wollte schon dankbar für die einkehrende Einsamkeit sein, als zwei bewaffnete Vampire die Stille durchbrachen und ihn in Handschellen hinaus auf den Hof schleiften. Er fand sich auf einer Art Kampfplatz wieder. Fackeln leuchteten kreisrund die Manege aus und tauchten die Umgebung in ein goldenes Licht. Seine Handschellen wurden an einem Balken auf Brusthöhe befestigt. „Willkommen!“, rief eine Stimme von dem mit bunten Tüchern ausgeschmücktem Podium herunter. Luc erkannte sofort den Vampir, der Sarahs unschuldiges Blut raubte. Neben ihm saß Sephilon und einigen anderen Vampire dahinter, die der Jäger auf die Entfernung und in dem spärlichen Licht nicht ausmachen konnte. „Wir haben da etwas, dass du bestimmt gerne zurück haben möchtest.“ Sarahs Schrei schnitt in seine Ohren. Sie wurde auf der anderen Seite von zwei Vampiren ins Freie gezerrt und auf einem kleinen Podest an einen Marterpfahl gebunden. Langsam, wie bei einem grausamen Ritual, wurden Holzscheite um den Pfahl gelegt, bis sich allmählich ein Scheiterhaufen um die junge Frau erhob. Blaue Augen weiteten sich zusehends in Schrecken. Die Vampire schienen ihre Angst förmlich in sich einzusaugen. Furcht griff nach seinem Herz. Fest und unnachgiebig. Er durfte sie einfach nicht verlieren. Die Hilflosigkeit verfluchend, zerrte er vergeblich an seinen Handschellen. „Nur nicht so ungeduldig. Du kannst sie haben, aber du solltest dich beeilen, wenn du nicht willst, dass sie von einem Vampir ausgesaugt oder wie eine Hexe verbrannt wird. Lasst das Schauspiel zu Sephilons Ehren beginnen!“ Sarah zitterte am ganzen Leib. Ihre schönen himmelblauen Augen waren von Panik erfüllt. Sie hatte immer Angst vor Feuer gehabt. Ihre Angst hilflos mit ansehen zu müssen, machte Luc rasend. „Sarah, ich werde nicht zulassen, dass dir etwas geschieht, hörst du?!“ Verzweifelt unterdrückte sie ein Schluchzen und blickte in seine Richtung. „Vertraust du mir?“ Sie nickte. „Ja, ich vertraue dir.“ Eine Fackel wurde gebracht. Furchtsam rang die junge Frau nach Atem. Das Gesicht mit Grauen erfüllt. Erstarrt hing ihr Blick am Feuerschein der Fackel. Luc wusste, dass sie jeden Moment wahnsinnig vor Angst werden würde. „Sieh mich an! Sarah, sie mich an!“ Es kostet sie enorme Selbstbeherrschung doch sie zwang sich dazu, in Lucs grüne Augen zu blicken. Grün und leuchtend wie Jade. Beruhigende wie ein tiefer Waldsee. Noch einmal wollte sie seine Liebe sehen, daran in Glück festhalten. „Ich liebe dich, mein Engel.“ Sie lächelte, als das Feuer entfacht wurde. Kaum in Brand gesetzt öffneten sich links und rechts neben dem Jäger zwei Tore und je zwei Vampire wurden mit Seilen in Zaum gehalten, nach draußen gebracht. Sie hatten einen wilden Ausdruck in ihren Augen. Einzig der Hunger schien sie zu beherrschen. Während sich ein Bediensteter anschickte, seine Handschellen zu lösen, sauste vom Podium aus, ein Schwert herunter und blieb wenige Meter neben dem Jäger im Sand stecken. Gleichzeitig wurden die Seile der vier Vampire losgelassen. Angespannt nahm der Jäger einen tiefen Atemzug. Er schenkte Sarah einen letzten liebevollen Blick, dann eilte er zu dem Schwert. Seine linke Hand fuhr auf den Rücken, nach dem Dolch unter seinem Hemd greifend, während seine rechte nach dem Schwert fasste. Gewappnet wandte er sich um. Gerade rechtzeitig um einem der angreifenden Vampire den Bauch aufzuschlitzen. Mit einem Dolchstoß in den Hals setzte er nach. Ein Gegner weniger. Die anderen Vampire kreisten ihn nun ein. Tiere die ihre Beute anvisierten. Dann griffen sie an. Ihre scharfen Krallen gruben sich schmerzhaft in sein Fleisch. Er ignorierte die Wunden und eilte sich, seine Feinde zum Erliegen zu bringen. Er war wie im Rausch. Sarah, er musste sie befreien und er hatte nicht viel Zeit. Wie von selbst erwies ihm sein Körper den Dienst des Kampfes. Blut benetzt sein Gesicht, als er die Fratze einer Bestie vom Scheitel trennte. Einen Augenblick später bohrte sich sein Dolch unnachgiebig in die Brust eines anderen Vampirs. „Woher hat er diese Waffe!“, donnerte Konos vom Podium herunter. Er wollte eingreifen. Sein vermasseltes Schauspiel unterbrechen. Doch Sephilon wiegelte ab. „Nein, ich will sehen was er kann. Schicke unsere zwei Besten und David.“ „Gut, es ist euer Geschenk.“ Konos gab sofort Anweisung dem Wunsch des Herzogs zu entsprechen und zwei der besten Kämpfer und David zum Kampfplatz zu schicken. Luc schickte sich währenddessen an, auch den letzten Vampir mit dem geweihten Dolch in die Hölle zu befördern. Keuchend eilte er zu Sarah. Das Feuer stand bereits sehr hoch und die junge Frau hustete stark. Ohne zu zögern sprang er durch dich Flammen und befreite sie von den Fesseln. Er ignorierte den beißenden Schmerz an seinen Beinen abermals, als er seinen Engel durch die Flammen trug. Sanft legte er sie zu Boden und beugte sich über sie. „Alles in Ordnung?“, fragte er besorgt. Sie lächelte leicht. „Ja, ich habe ganz fest an deinen Mut gedacht und habe versucht tapfer zu sein.“ „Du hast nicht einmal geschrien“, flüsterte Luc ihr zu und strich liebevoll über das blonde Haar. Tränen sammelten sich in den blauen Augen. „Nein.“ Ihre stimme Klang gebrochen. „Ich liebe Dich Luc, schon immer.“ Schluchzend klammerte sie sich an seine starke Brust. „Bring uns hier weg. Mach, dass dieser Albtraum aufhört!“, flehte sie verzweifelt. Beruhigend strich er über ihre nassen Wangen. „Scht, es wir alles wieder gut.“ Lucs hasserfüllter Blick wanderte nach oben zu den Vampiren. Er richtet sich auf, bereit für ihre Freiheit alles zu geben. Abermals wurden die Tore geöffnet. Die Muskeln des Jägers spannten sich, bereit erneut den Kampf aufzunehmen. Zwei mit Schwertern bewaffnete Vampire traten ihm entgegen. Beide Vampire hatten eine ganz andere Präsenz, als seine Gegner zuvor. Es waren keine hungrige Tiere, sondern durch und durch kaltblütige Killer. Luc stellte sich vor Sarah. Es würde schwer werden, beide zur selben Zeit in Schach zu halten. Der Vampir zu seiner Rechten bedachte ihn mit einem eisigen Lächeln, während der andere hitzig den Kampf suchte und auch zuerst angriff. Die Wucht mit der beide Klingen aufeinander trafen, betäubte seinen Arm. Gewandt griff er mit seiner Linken an, um den Dolch abermals in totes Fleisch zu versenken, doch der hitzige Vampir war geschickt und kassierte lediglich eine harmlose Wunde. Von hinten sauste derweilen die Klinge des nüchternen Angreifers bedrohlich auf ihn herab. Mit einer Rolle entging er dem Schlag und platzierte im Gegenzug sein Schwert mit voller Längsseite auf dem Rücken des Vampirs. Dunkelrotes Blut tränkte das beige Hemd seines Gegners. Kalt funkelten die verblüfften Augen. Luc wollte nachsetzen, doch er wurde von dem anderen Vampir aufgehalten und in ein wildes Kräftemessen gezwungen. Sein Körper vibriert bei jedem Schlag. Doch er hielt stand. Leichtfüßig wich er jedem Angriff aus oder parierte zu seinem Vorteil. Rasch erkannte er die Schwachstellen seines Gegners und nutzte sie aus. Gerade schnell genug, um sich vollends auf den bereits verletzten Vampir konzentrieren zu können, rammte er erbarmungslos seinen Dolch in das Herz seines Gegners. Augenblicklich sackte dieser zu Boden. Behände wich der Jäger den Attacken des kühlen Vampirs aus und platzierte seine Angriffe gekonnt gefährlich. Der Vampir war zäh, doch Luc hatte ihm bereits mehrere Wunden versetzt. Einige davon mit dem geweihten Dolch, so dass sie nicht so schnell heilen konnten, wie gewöhnliche Verletzungen. Ein letzter erlösender Stoß und der Vampir sank röchelnd zu Boden. Luc rang schwer nach Atem. Was würde nun noch auf ihn zukommen? „Aaah!“ Sarahs schriller Schrei gellte durch die Nacht. Luc fuhr herum. Ein junger Vampir, mehr Kind als Jüngling, hatte seine Zähne in ihren Hals gegraben. Als er dem Jäger entgegen blickte, ließ er augenblicklich von ihr ab. Luc war bestürzt, dass er nicht achtsam genug war. Gleichzeit schockierte ihn der Knabe zutiefst. Er war vielleicht gerade zehn, als er gewandelt wurde. Seine Augen verrieten auch kein höheres, in der Unsterblichkeit gelebtes Alter. Er war vollkommen Kind. „Ich will sie zur Freundin“, tat er mit einer Unbefangenheit kund, die Luc erschaudern ließ. Dann wollte dieser Vampirjunge eben seine Sarah, seinen Schatz, zu wandeln. Sein Herz stach, als er Sarah gebrochen am Boden sitzen sah. Seine Augen brannten, verwischten das Bild eines blonden Engels, dem man die Flügel gestutzt hatte. Sie wusste, dass der Junge nicht nur von ihr getrunken, sondern sie auch ein Stück in seine Welt gestoßen hatte. Langsam ging Luc näher. Sarah hatte ihr Gesicht in ihre zitternden Händen vergraben und weinte bitterlich. Beschwichtigend, als ob er nichts Schlimmes getan hätte, erklärte sich der Junge. „Ich werde gut zu ihr sein, ich verspreche es.“ Pure Unschuld, gepaart mit der Grausamkeit eines Vampirs. „So wie ich zu dir“, flüsterte der Jäger kalt und holte aus. „Nur das Beste, was ich zu bieten habe!“ Dumpf schlug der Kopf im Sand auf. Es kümmerte Luc nicht. Er fühlte weder Schuld noch Hass. Einzig Traurigkeit und die Gewissheit was folgend würde blieben. Schweigend kniete er sich zu seinem Herz. Traurig nahmen blaue Augen Abschied. „Sie haben mich vergiftet“, waren ihre letzten geflüsterten Worte. Dann blickte ihn Sarah ausdruckslos an. Jegliches Leben war aus ihren Himmelsaugen gewichen, bevor sie geschlossen wurden. Luc küsste ihre Stirn. „Ich liebe dich auf ewig, mein Engel.“ Er wehrte sich nicht, als er von zwei Bediensteten in die Höhe gezerrt wurde. „Sie ist ohnmächtig“, stellte einer der Diener gleichgültig fest. Sarah wurde weggetragen, während Luc die Waffen abgenommen und die Hände auf den Rücken gebunden wurden. Sie brachten ihn in einen Saal, in dem ein großes Bankett aufgebaut war. Schätzungsweise acht Vampire saßen an dem großen Tisch. Neugierige Köpfe die ihn anstarrten. Strahlende Präsenzen, jede auf eine ganz besondere Art. Unter anderen Umständen wäre Luc sicher berauscht von der Schönheit gewesen, die ihn umgab. Doch er konnte nur an Sarah denken und war blind und taub für alles um ihn herum. So nahm er lediglich dunkle Schemen war, die an ihm vorüberzogen, als er fordernd weiter in den Saal getrieben wurde. Am Kopfende des Tisches saß der Herzog Sephilon, der mit einer herrischen Geste auf den rechten Stuhl neben sich wies. Ehe es sich Luc versah, wurde er von einem Diener in den zugewiesenen Stuhl gepresst und seine Handgelenke gefesselt. Der Herzog ergriff sogleich das Wort. „Nun, ich denke das Schauspiel war für uns alle etwas unerwartet“, sprach er in die Runde. „Für diese Leistung sollte unser Gast mit einem Festmahl belohnt werden. Woher habt ihr nur diesen überaus mächtigen Dolch?“ Luc starrte auf die Waffe, die vor sein Gesicht gehalten wurde, schwieg aber. „Ihr wollt also mal wieder ein Geheimnis für euch behalten. Nicht einmal seinen Namen wollte er mir bislang preisgeben“, verkündete er den Gästen. „Nachdem du nun aber überlebt hast“, wandte sich der Vampir wieder an Luc „werde ich dich den Widerspenstigen nennen.“ „Tut, was ihr nicht lassen könnt“, gab Luc trocken zurück. „Na also, der Name passt!“ Schallendes Gelächter erfüllte den Raum. In Luc zog sich alles zusammen, als er Ivens Stimme unter dem Gewirr ausmachte. Er wollte in die Runde blicken, um sich zu überzeugen, doch sein Kopf wurde plötzlich ruckartig in die Höhe gezerrt. Bernsteinfarben Augen funkelten ihn begierig an. „Euch beide, ein liebendes Paar, in dieser ausweglosen Situation zu sehen, war wahrhaftig delikat. Du leidest köstlich mein Freund“, raunte Sephilon in sei Ohr. „Und ich will mehr davon.“ Mit einem Schlag ins Gesicht ließ er von Luc ab. „Bringt uns seine Geliebte!“ Ein Diener brachte die noch immer regungslose junge Frau und legte sie in die Mitte des Tisches. Luc musste sich beherrschen nicht den Verstand zu verlieren. Sie hier liegen zu sehen war unerträglich. „Weißt du, du hast da eben meinen kleinen Liebling David, nicht sehr gut behandelt und ich gedenke dir zu zeigen, wie es sich anfühlen kann, wenn man seinen Liebling verliert.“ „Er war noch ein Kind“, sagte Luc um Zeit zu gewinnen. Mühevoll versuchte er unbemerkt seine Fesseln zu lösen. „Ja und du hast ihn auf dem Gewissen!“, fauchte der Herzog. Lucs Augen hatten währenddessen Iven gefunden. Er konnte den Blick in den tiefschwarzen Augen, die ihn musterten, nicht definieren. „Nicht ich habe seine Verdammnis gewählt, sondern ihr“, wandte Luc ein. „Tatsächlich. Dann trennte das Schwert also von alleine seinen unschuldigen Kopf von den Schultern?“, fragte der Vampir gehässig. So sehr er sich bemühte, er konnte nicht länger ignorieren, dass Sarah direkt vor ihm lag. Die Worte des Herzogs nahm Luc nur noch vage wahr. Er hatte nicht die Stärke weiter zu protestieren. Der Kampf mit seiner Selbstbeherrschung verlangte ihm alle Kraft ab. „Also mein Widerspenstiger, was hältst du von unserem Festmahl?“ Spöttisches Lachen hallte in Lucs Kopf wieder. Er hatte gewusst was folgen würde. Dennoch traf ihn das Grauen mit unerwarteter Gewissheit. „Bedient euch, meine Gäste. Ich bin mir sicher, dass sie ausgezeichnet mundet. Und das Leid ihres geliebten Kämpfers hier, wird uns den Geschmack versüßen.“ Luc drehte sich der Magen um. Übelkeit kroch unerbittlich in ihm hoch. Er musste all seine Stärke und Standhaftigkeit aufbringen, um sich nicht zu übergeben. Sei tapfer, wie sie es war, rief er sich selbst zu. Der Herzog ließ es sich nicht nehmen, zuerst ihr zartes Fleisch zu schänden und ihr Blut begierig in sich aufzusaugen. Unwillkürlich versuchte Luc Ivens Augen noch einmal einzufangen. Es gelang, als dieser eben Sarahs linken Arm an seinen Lippen führte. Wieder einmal wusste der Jäger nicht warum er so handelte. Gerade jetzt, hätte es ihm egal sein sollen. Doch es war wie ein Impuls der ihn dazu trieb, Iven einen mahnenden Blick zuzuwerfen. Einen der keine Anklage, sondern nur Warnung in sich hatte. Der Prinz schien zu verstehen und hielt sich zurück. Als Luc seine Augen von den schwarzen Höhlen abwandte, wollte er nur schreien. Zu sehen, wie diese Bestien Sarahs schönen Körper entstellten, wie Ratten an ihr hingen, machte ihn krank. Der Ekel nagte unerbittlich in jeder Zelle seines Körpers. Gänsehaut stellte sich wie spitze Nadeln auf seiner Haut auf. Frösteln durchzog seinen Leib. Eis, das ihn erstarren ließ. Schauderhaftes Grauen, peinigend und zerreißend. Mit Freuden hätte er sich jeder anderen Qual hingegen, nur um diesen Horror nicht ertragen zu müssen. Es war Grausamkeit, die über seine Vorstellungskraft hinausging. Der Herzog würgte und Luc wusste, dass er sich nun befreien konnte. Geschickt schaffte er es, sich seinen Fesseln endgültig zu entledigen. Er stand auf, froh dass ihm seine Beine den Dienst nicht versagten und beugte sich nun seinerseits zu dem verkrampften Herzog herunter. „Was denn Freund, schmeckt euch der gute Tropfen etwa nicht?“, fragte Luc voller Abscheu. „Was zur Hölle?“, stieß Sephilon hervor. „Ja, die Hölle. Sie war mein Engel und nun ist sie der eure. Euer Todesengel.“ Luc griff nach dem geweihten Dolch, der auf dem Tisch lag und durchtrennte die Halsschlagader des Vampirs. Genüsslich folgte er dem roten Strom, der sich auf Tisch und Boden ausbreitete. Entsetzen zeichnete die Gesichter der anderen Vampire die mühevoll nach Luft rangen und von Krämpfen geschüttelt wurden. Einige von ihnen versuchten zu fliehen, doch Luc blieb ruhig. Kaltblütig verrichtete er seine Arbeit. Kurz hatte er die Befürchtung, dass sich Iven einmischen würde und er mit seiner Warnung eben einen großen Fehler begangen hatte, doch der Prinz ließ ihn gewähren. Erst als Luc auch den letzten Vampir für immer in Jenseits geschickt hatte und selbst kraftlos auf den Boden sank, mischte er sich ein. „Du kannst nicht hier bleiben. Wir müssen gehen“, flüsterte er behutsam. Luc nickte und stand mühsam auf. Als er Sarah noch einmal geschunden und leblos auf dem Tisch liegen sah, konnte er nicht mehr an sich halten. Seine Selbstbeherrschung verlor sich, seine Kraft entwich und er brach zusammen. Immer wieder entleerte er seinen Magen, so lange, bis es bereits schmerzte. Zitternd rang er nach Fassung. Er wollte in seinem Schmerz vergehen, in der Trauer versinken. Iven reichte ihm ein Taschentuch und richtet ihn gegen seinen Willen wieder auf. „Wo ist dein Kampfgeist, Jäger? Reiß dich zusammen!“ Die Worte wirkten. Er musste stark sein, trauern konnte er später. „Ich gehe nicht ohne sie.“ Missbilligung zeichnete sich deutlich auf Ivens Gesicht ab. Dennoch kam er der Aufforderung nach und legte den Leichnam der jungen Frau über seine Schulter. Ein harscher Blick ermahnte Luc zur Eile. Führungslos folgte er dem Vampir. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)