Blutschuld von abgemeldet (Seine Bestimmung war es Vampire zu jagen, nicht sie zu lieben) ================================================================================ Kapitel 15: Flucht ------------------ 15. Flucht Geborgen nahm er den angenehmen Duft von Ivens Haaren auf. Seine Haut genoss die Nähe des Anderen. Er spürte Wärme, in der er für immer verweilen wollte. Wehmütig schlug er seine grünen Augen auf und ließ noch einmal die Schönheit auf sich wirken. Liebevoll strich er über das schlafende Gesicht. Seine Hand glitt hinab und verweilte auf der makellosen Brust des Vampirs. Aufmerksam folgte er dem intensiven Gefühl des gleichmäßigen Herzschlags. Er schämte sich jede Grenze überschritten zu haben. Doch war es das gewesen, was er wollte und er hatte nicht die Kraft aufbringen können zu widerstehen. Er musste gehen. Wenn er länger blieb, war er für immer verloren und auf ewig an die Dunkelheit gebunden. Er zog seine Hand zurück. Ein leichtes Ziehen der Wunde ließ ihn tadelnd seine Knöchel in Augenschein nehmen. Immer noch konnte er Ivens feuchte Zunge darauf spüren. Zart nahm sie jeden Tropfen auf und trieb ihn mit jeder Berührung in den Wahnsinn. Fest kniff Luc seine Augen zusammen. Er war viel zu sorglos gewesen. Ivens Zärtlichkeiten hatten ihn so sehr betört, dass er selbst die Vereinigung im Blute zugelassen hätte. Der Jäger wusste, dass es nichts mit Glück zu tun hatte, jetzt noch menschlich zu sein. Wut gesellte sich zu seiner Scham. Nie hätte er gedacht so vollkommen die Kontrolle zu verlieren. Er hatte sich von dem Prinzen führen lassen und wäre letzte Nacht jeden Weg mit ihm gegangen. Dankbar die Situation nicht ausgenutzt zu haben, hauchte er einen Kuss auf die sanften Lippen des Schlafenden. Er musste einen Schlussstrich ziehen. Alles hinter sich lassen und von vorne beginnen. Als er raus in das Tageslicht trat, war es, als ob er aus einem Traum erwacht wäre. Traurigkeit fing ihn ein. Er wusste, dass er das Richtige tat. Seine Bestimmung war es Vampire zu jagen, nicht sie zu lieben. Doch was wollte sein Herz? Unermüdlich schlug es verlangend gegen seine Brust. Er war zu weit gegangen, um seine Gefühle länger zu verleugnen. Die Emotion die sich um Iven drehten, hätte er mit so vielen Worten beschreiben können. Doch nichts würde sie fassbar machen. Es war mehr als nur Anziehungskraft, die unbändige Sehnsucht in ihm schürte, sobald er sich von Iven entferne. Es war das Gefühl angekommen zu sein. Einen Teil von sich gefunden zu haben, der bislang fehlte. Einzig Liebe konnte es treffen. Er hatte sich hingegeben. Seinen Körper der Hitze der Leidenschaft ausgesetzt. Er wollte es geschehen lassen, seinem Herz die Freiheit schenken, lieben zu können, wen es begehrte. Doch was würde dann folgen? Nach seinem Körper? Seinem Herz? Würde er dem Prinzen folgen, wäre seine Seele früher oder später unweigerlich in der Verdammnis verloren. Bereits jetzt klammerte sie sich an den Frieden, der sich um ihn legte, sobald er Ivens Gegenwart verspürte. Frieden ausgerechnet bei einem Vampir. Er brauchte Iven nicht wirklich, um sich zu verdammen. Er rannte. Nicht weil er sich eilen musste, sondern weil er sich der lächerlichen Hoffnung hingab, so auch vor seinen Gefühlen flüchten zu können. Einzig auf seinen Atem konzertiert, jagte er über die saftigen Wiesen. Der warme Frühlingsduft hing süß in der Luft. Immer hastiger sog er ihn in seine Lungen. Schweiß perlte von seiner Stirn. Ein frischer Windhauch erfreute ab und an seinen Körper. Seine Waden schmerzten bereits, doch er ignorierte es. Stur blickten seine Augen nach vorne. Er wollte alles hinter sich lassen. Die Erinnerung an seine Vergangenheit. Den Schmerz. Den Hass. Die Einsamkeit. Die Verzweiflung. Den Kampf. Den Verlust. Die Liebe. Nichts sollte bleiben und doch war jede Emotion, jedes Erlebnis und sei es noch so grausam, ein Teil von ihm. Er konnte nicht einfach alles verbannen. Er musste es ertragen, wie stets. Erschöpft ließ er sich in das hohe Gras fallen. Hart hämmerte sein Herz gegen seine Brust, den Takt des Lebens angebend. Er lauschte der Kraft und versank sehnsüchtig in dem Blau des Himmels. Sarah. Wie er sie vermisste. Das letzte Glück, verloren an die Dunkelheit. Tränen bahnten sich ihren Weg. Er weinte nicht um seinen Schmerz, sondern um ihren Verlust. Nie würde sie die Sonne wieder sehen, den kalten Schnee des Winters fühlen, andere Menschen mit ihrem Lächeln erfreuen, in den Armen eines Mannes glücklich werden können oder Kindern das Leben schenken. Es war nicht gerecht, dass ihr die Zukunft versagt blieb. Sie war zu jung, um zu gehen. Nun musste er für sie beide leben. In sanftem Violett begrüßte ihn die Morgenröte, bevor sich die Sonne erhaben am Horizont erhob. Luc hatte nicht viel geschlafen. Quälende Träume und wirre Gedanken hielten ihn viel zu sehr gefangen, als dass er Ruhe finden konnte. Er war den ganzen Tag durchgelaufen, bis sich gegen Abend ein reisender Händler erbarmte und ihn auf seinem Fuhrwagen mit zur nächsten Stadt nahm. Die wenigen Münzen die er bei sich trug, reichten gerade für einen frischen Krug Milch, etwas Brot und Käse, sowie einer unbequemen Nacht auf dem Speicher des Gasthauses. Der junge Morgen weckte nun mühelos seine Lebensgeister. Dankbar nahm er die Schüssel Wasser und ein Stück Seife entgegen, die ihm die Wirtsfrau mit einem mütterlichen, „so kann man euch ja nicht auf die Straße lassen“, brachte. Erfrischt und mit einer knappen Wegbeschreibung in der Hand, schickte er sich an, seinem Leben eine neue Aufgabe zuzuordnen. Unschlüssig stand er vor der Kaserne. Er hatte keinerlei Empfehlungen vorzuweisen. Er konnte sich kaum damit vorstellen, dass er über Jahre hinweg für die Jagd auf Vampire ausgebildet wurde. Sie würden ihn für verrückt halten und die Gilde wäre gezwungen nach dieser Preisgabe, endgültig Attentäter auf ihn ansetzen. Vielleicht hatte Luc die Grenze vom Geächteten zum Vogelfreien auch schon überschritten. Eigenmächtiges Handeln unterlag strengster Bestrafung. Die Ermordung des Grafen Sephilon, begleitet von einer stattlichen Anzahl anderer Vampire, hatte sicher bereits die Runde gemacht. Der General würde keine Mühe haben, die Fragmente aus dem zweimaligen Versagen seines besten Elitejägers, Vernons Berichtserstattung und dem nun verübten Massaker, welchem ausgerechnet der Prinz nicht zum Opfer gefallen war, zu einem Bild zusammenzufügen. Luc machte sich keine Illusionen mehr. Die Tür der Garde würde für ihn nun für immer verschlossen bleiben. Einzig den Tod hatte er zu erwarten, wenn er es wagen sollte sie zu öffnen. Aber er musste seinen Lebensunterhalt bestreiten und er hatte es satt von einem Ort zum nächsten zu ziehen. Er war kein Pilger, sondern ein Kämpfer. Er wollte schützen und beherrschte das Kriegshandwerk. Als Mitglied der Stadtwache hatte er die Möglichkeit beides zu vereinen. „Hey, was haltet ihr hier Maulaffen feil?! Verschwindet gefälligst! Bettler habe hier nichts zu suchen!“ Der blonde Mann der Luc entgegen trat, war in einer stattlichen Uniform aus rot und orange gekleidet. Entschlossen ruhte dessen Hand auf dem Knauf des Schwertes, welches mit einem Gürtel um die Hüfte befestigt war und in einer verzierten Scheide steckte. „Verzeiht der Herr, ich wusste nicht recht, bei wem ich mich melden soll. Ich will um eine Posten in eurem Regiment ersuchen.“ Der Blonde lachte spitz auf. „Glaubt ihr etwa, dass jeder dahergelaufene einen ehrenwerten Posten in der Stadtwache bekleiden darf? Schert euch zum Teufel!“ Luc hätte sich entschuldigen und von neuem ansetzen sollen. Doch die arrogante Art, mit der der Blonde an ihm abfällig vorbei stolzierte, war zu viel. „Ich denke nicht, dass ihr das zu entscheiden habt. Also führt mich zu eurem Befehlshaber.“ Die stahlblauen Augen des Soldaten verengten sich zu Schlitzen. „Woher nimmt ihr euch das Recht heraus, so mit mir zu sprechen? Ihr wollt zum Kommandanten, dann versucht an mir vorbei zu kommen!“ Nur zu gerne nahm Luc die Herausforderung an. Er zog sein Schwert gerade rechtzeitig, um den ersten Schlag abzufangen. Weitere Hiebe folgten, die Luc leichtfüßig abtat. Sein Gegner war gut, kämpfte aber längst nicht in seiner Klasse. Er würde das Duell schnell für sich entscheiden können. Ein paar Sekunden später hatte er den Blonden auch schon entwaffnet und die Spitze seiner Kling auf dessen Brust gesetzt. „Wenn ihr dann nun so freundlich wärt.“ Luc deutete mit einer Geste an, den Weg zu weisen. Zähneknirschend tat der Geschlagene wie versprochen und führte Luc zum Kommandanten. Zufrieden schob der Jäger sein Schwert zurück und folgte ihm. „Geht ab hier allein. Folgt dem Gang bis ihr ans Ende gelangt. Und wartet bis er euch Einlass gewährt, ansonsten wirft er euch gleich wieder im hohen Bogen hinaus.“ Die Warnung hätte der Soldat nicht äußern müssen. „Danke.“ Der Blonde ging nicht darauf ein und verschwand ohne Worte. „Wartet bitte! Nennt mir euren Namen.“ „Wozu?!“, rief der Blonde, ohne sich umzudrehen oder stehen zu bleiben. 'Wozu?', schoss es Luc durch den Kopf. Na der machte ihm Spaß. Er brauchte eine Referenz und der Sieg in diesem Kampf war eine. Der Soldat war jedoch verschwunden, bevor er sich erklären konnte. Kurz überlegte er ihm nachzugehen, unterließ sein Vorhaben aber dann. Der Blonde wäre sicher viel zu hochmütig gewesen, um sich von ihm vorzuführen zulassen. Luc klopfte und wartete ungeduldig auf eine Antwort. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Schon glaubte er, dass der Andere ihn nur zum Narren gehalten hatte, als eine kräftige Stimme „Ja!“ rief. Dann mal los. Du hast nichts und kannst zugleich alles bieten. Du musst dich nur gut verkaufen. Entschlossen trat Luc in das muffige Büro. „Ihr wünscht?“ Ein kantiges, mit dichtem grauem Bart umrahmtes Gesicht, musterte ihn intensiv. Kommandant der Stadtwache Esgard Mancius, prangte in schwarzen Lettern auf dem goldenen Schild des Schreibtisches. „Mein Name ist Luciel Baldur und ich ersuche euch um eine Anstellung.“ „Euer Name ist mir nicht bekannt. Ich kann mich nicht entsinnen, ein Werbungsschreiben von euch erhalten zu haben.“ „Nein, ich habe mich nicht angekündigt.“ Der Blick des Kommandanten wurde eindringlicher. „Soweit ich es erkennen kann, tragt ihr auch keine Unterlagen bei euch. Welche Referenzen habt ihr? Empfehlungsschreiben, Zeugnisse? Bei wem habt ihr gelernt und gedient?“ Luc wurde unsicher. „Ich habe nichts. Meine Vergangenheit hat mich viel gelehrt, aber ich bin hier um sie hinter mich zu lassen. Stellt mich auf die Probe, wenn ihr es wünscht. Aber eure Fragen kann ich nicht beantworten.“ Die Faust des Bärtigen donnerte laut auf den Tisch. „Wer von meinen Männer hat euch zu mir gelassen und mir diese Zeitverschwendung beschert?!“ Das war's. Er würde in die nächste Stadt reisen und weiter suchen müssen. „Unsere Klingen haben sich zu schnell gekreuzt, als dass wir und einander vorgestellt hätten. Bitte verzeiht die Störung.“ Luc wandte sich zum Gehen. Ein raues Lachen ließ ihn innehalten. „Ihr gefällt mir Baldur. Ihr hättet mich um eine Gegenüberstellung ersuchen können. Dass ihr es nicht tatet, zeigt mir, dass Kameradschaftsgeist in euch steckt. Ich kann keine Eigenbrötler gebrauchen. Setzt euch.“ Luc kam der Aufforderung erleichtert nach. „Ihr habt Schneid, euch ohne Papiere zu bewerben. Aber eure Vergangenheit soll mich nicht interessieren. Was ich wissen will ist, was euren Charakter ausmacht. Weshalb ihr der Stadtwache beitreten wollt und warum ihr glaubt geeignet zu sein.“ „Ich habe in meinem Leben viel verloren und ich spreche nicht von materiellen Gütern. Ich will Menschen davor bewahren, dieses Leid erfahren zu müssen. Ich habe gelernt das Schwert zu führen. Den Bogen zu spannen und zu treffen. Mit Fäusten gegen scharfe Waffen zu bestehen. Leise wie ein Schatten und geschwind wie der Wind zu sein. Ich kann stark wie Feuer reagieren und zugleich einfühlsam wie Wasser agieren. Ich lese in gegnerischen Handlungsweisen, weiß sie zu verstehen und in Vorteile ummünzen. Mein Verstand ist scharf und meine Auffassungsgabe lässt mich Zusammenhänge taktisch begreifen und neue Dinge schnell erlernen. Aber meine Fähigkeiten sind verschwendet, wenn ich sie nicht in den Dienst des mir am höchsten Guts stellen kann. Der Gerechtigkeit und dem Wunsch Unschuld zu bewahren.“ Der Bärtige nickte zufrieden. „Ihr werdet vier Wochen auf die Probe gestellt. Ich werde euch viel abverlangen und an manchen Aufgaben werdet ihr scheitern. Seid ihr in meinen Augen unfähig und nur ein großer Redner, werdet ihr auf allen Vieren vom Hof nach draußen kriechen. Seid ihr es hingegen Wert ein Teil unserer Gemeinschaft zu sein, dann reiche ich euch gerne meine Hand und heiße euch willkommen.“ „Ich danke euch für diese Chance.“ Ein Klopfen auf die Schulter folgte, das Luc sehr an Phils Wärme erinnerte. „Folgt mir, ich stelle euch der Truppe vor.“ Der straff organisierte Tagesplan ließ trübe Gedanken kaum zu. Keine Aufgabe, die der Kommandant ihm stellte, war Luc zu schwer. Im Fechten blickten bald viele seiner Kameraden zu ihm auf. So wurde es leicht, schnell ein Teil der Gruppe zu sein. Nur der Blonde schien ihn von ihrer ersten Begegnung an nicht leiden können. Ständig ging er Luc aus dem Weg und sprach außer Befehle, die dessen Stellung als Gruppenführer mit sich brachten, kein Wort mit ihm. Die ersten drei Wochen waren bereits vergangen und viele der Männer zog es am Sonntag nach Hause zu Ihren Familien. Neckisch wurde Luc in die Seite gestoßen. „Hey Luc, willst du nicht auch mal was anderes sehen? Der Kommandant hat dich ganz schön ran genommen. Ein bisschen Abwechslung wird dir sicher gut tun.“ Luc mochte den kleinen Utz sehr gerne. Das mit Sommersprossen übersäte Gesicht strahlte stets vor Lebensfreude. „Ich wüsste nicht, wohin ich gehen sollte, Utz. Eine Familie habe ich nicht mehr.“ „Ach komm schon“, grub der Rothaarige weiter, „du wirst doch wohl ein Mädchen haben, bei deinem Aussehen.“ Luc schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein, ich muss dich enttäuschen.“ „Mach mir nichts vor. Auch wenn du den Kühlen gibst, ich sehe wie du jeden Abend in den Nachthimmel schaust. So als ob du genau weißt, dass deine Liebe da draußen auf dich wartet und dich ruft.“ Lucs Herz krampfte. „Ich sagte schon, ich wüsste nicht wohin ich gehen sollte. Hab viel Spaß bei deinen Lieben.“ Auffordert tätschelte Luc die Schulter des Kleineren. „Gut, ich gehe. Aber lass dir eins gesagt sein. Du trägst viel Trauer und Schmerz in dir. Wenn du jemanden gefunden hast, der dein Herz zum Lachen bringt, dann kämpfe um dieses Glück, so wie du hier kämpfst. Und bis dahin könntest du dich zumindest mal mit einer anderen Frau ablenken und in ihrem Schoß Freude suchen.“ Es sollte aufmunternd klingen, doch Luc empfand nur Wehmut. „Ich würde sie nicht finden, die Freude. Aber hab Dank für deine offene Art.“ „Wie du meinst. Hauptsache du lässt dich nicht unterkriegen. Bis denn!“ Zwinkernd verließ Utz mit den gepackten Sachen den Schlafraum. Leere umfing Luc und die Einsamkeit griff nach ihm. Seufzend ging er Richtung Stall. Das Wetter war zu schön um drinnen zu verweilen. Er würde ausreiten und die Wärme der Sonne genießen. Eine schlanke Gestalt lehnte mit verschränkten Armen vor dem Stall und versperrte den Eingang. Das blonde Haar glänzte leicht golden in der Sonne. „Wie es scheint, hast du niemanden der sich über dein Kommen freuen würde.“ Luc wusste wirklich nicht, was für ein Problem Gerald mit ihm hatte. So nachtragend konnte man als gestandener Mann doch wirklich nicht sein. „Damit bin ich wohl nicht allein“, konterte Luc. Eisig wurde der Jäger von stahlblauen Augen durchbohrt. „Was ist, willst du mich mit deinen Blicken aufspießen? Vielleicht solltest du es besser mit einer Klinge versuchen. Wenn nicht, dann geh beiseite.“ „Du hast nicht bitte gesagt.“ Luc trat dicht vor den Blonden. Diesem war die Nähe sichtlich unangenehm. „Würde es dich denn zufrieden stellen? Ist es nicht vielmehr dein Wunsch, dass ich mich vor deine Füße werfe und zu dir aufblicke, wie alle es tun?“ Leichte Röte schlich sich in Geralds Gesicht und betonte die hohen Wangenknochen. Ein leichtes Zucken huschte über die schmalen Lippen. Luc rief sich zur Vernunft. Die Situation durfte nicht eskalieren. Er wollte bleiben und den Gruppenführer zum Kampf zu fordern, wäre sicher nicht folgenlos. Auch wenn es ihm zu wider war, er musste einlenken. „Bitte.“ Es klang ohne Spott, schlicht und einfach. Überraschenderweise trat Gerald zur Seite. „Du solltest nicht zu weit reiten, Baldur. Heute Nachmittag wird ein Unwetter aufziehen.“ Das waren die vielleicht ersten Worte, die ohne Befehl und freundlich an Luc gerichtet waren. Zum Dank schenkte er dem Blonden ein offenes Lächeln. „Ich sehe keine einzige Wolke.“ „Nein, aber selbst wenn der Himmel schwarz davon wäre, würdest du keinen Rat von mir annehmen.“ Der Vorwurf irritierte Luc. „Wie kommst du darauf?“ „Du scheinst meine Position in keinster Weise zu respektieren. Ich sehe die Belustigung in deinen Augen, wenn ich dir etwas auftrage. Jeden meiner Befehle führst du mit Verachtung aus. Und zu allem Überfluss wagst du es, mich in Frage zu stellen.“ Luc wollte widersprechen, doch Geralds harsche Handbewegung gebot ihm zu schweigen. „Doch, genau das tust du. Nicht offen vor versammelter Mannschaft. Du bist viel zu schlau, als dass du mir dadurch einen Grund geben würdest, dich beim Kommandanten in Misskredit zu bringen. Hinter meinem Rücken wagst du es den anderen deine Fechttechniken zu zeigen, deine taktische Vorgehensweise meiner entgegen zu stellen. Du magst in vielem besser sein als ich, aber dennoch solltest du dir darüber im Klaren sein, dass ich mir meine Stellung hier hart erarbeitet und gefestigt habe. Mir gebührt dein Respekt, gleich was du vorher warst.“ Gerald hatte recht. Nur zu gerne, hatte er den Lehrmeister gegeben. „Es tut mir leid. Ich wollte deine Autorität nicht in Frage stellen. Aber deine Arroganz macht es mir nicht einfach, mich demütig zu fügen. Meine Belehrungen sollten dich nicht kränken, sondern den anderen helfen. Ich werde mich zukünftig zurückhalten.“ Die Kälte in den stahlblauen Augen wich. „Nun, lassen wir es auf einen Versuch ankommen.“ Die angebotene Hand nahm Luc nur zu gerne entgegen. „Willst du mich begleiten?“ „Ich denke nicht, dass ich darauf erpicht bin, nass zu werden.“ Luc zwinkerte, als er sich zu einem der gesattelten Pferde wandte. „Dann ist unser Gruppenführer also aus Zucker?“ Gerald sprang zur Seite, als Luc auf einer braunen Stute nach draußen galoppierte. Er genoss das Gefühl von Freiheit, als er die Stute über den Kasernenhof Richtung Wälder jagte. Es dauerte nicht lange bis er das Donnern von Hufen hinter sich hörte. Luc brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer ihm folgte. Als die ersten Bäume die Reiter in Empfang nahmen, hatte Gerald ihn eingeholt. „Hast du auch ein Ziel!“, rief ihm der Blonde zu. „Nein, nur die Schönheit Natur!“ Sie ritten quer durch den Wald, dann über Felder an einem Bach entlang. Die Sonne brannte heiß herunter und Luc sehnte sich nach dem schützenden Schatten der Bäume. Er wurde langsamer und stieg schließlich ab, um seinem Pferd eine Pause und sich einen Schluck Wasser zu gönnen. Ein böiger Wind trocknete den Schweiß auf seinem Körper. „Wir sollten allmählich umkehren.“ Gerald hatte jede Steifheit verloren und auch sein hochmütiges Gehabe kam Luc nicht mehr lästig, sondern interessant vor. „Ach ja, ich vergaß, das orakelte Gewitter.“ „Ich kenne die Wetterverhältnisse in dieser Gegend. Orakelt habe ich alleine, dass du meinen Ratschlag nicht annehmen wirst.“ „Ich hatte bereits einen deiner Ratschläge befolgt und war dankbar dafür.“ Ein Anflug von Wärme huschte über das markante Gesicht des Blonden. Gerald ließ sich neben Luc ins Gras sinken. „Was führte dich zu uns?“ Luc war sich nicht sicher, ob er Gerald an seiner Vergangenheit teilhaben lassen wollte. Er mochte ihn auf eine gewisse Art leiden und hoffte auf eine größere Verbundenheit. Dennoch wusste Luc nicht, ob er dem kühlen Blonden trauen konnte. „Da gibt es viele Gründe. Der größte unter ihnen ist, dass ich eine Aufgabe brauche, die mich erfüllt.“ „Und, hast du sie gefunden?“ „Ich will dir deine Position nicht streitig machen, falls du darauf hinaus willst.“ Das warme Lächeln überraschte Luc. „Du kannst gut in Menschen lesen. Aber blicke nicht zu tief.“ „Wieder ein Rat?“, neckte Luc. „Nein, eine Warnung.“ Ein donnern durchbrach die Stille, die folgte. Dicke Tropfen fielen auf die Erde und kündigten als Vorboten das nahende Gewitter an. „Wir haben zu lange gewartete.“ „Ja, wir sollten zurückreiten.“ „Dafür bleibt keine Zeit, wir müssen Unterschlupf suchen, bevor sich das Gewitter entlädt und und die Pferde durchgehen.“ Luc wagte nicht zu widersprechen. Gerald hatte mit seiner Vorhersage bereits recht behalten. Er setzte sich auf. „Und wo?“ „Am Ende des Waldrandes gab es eine Höhle.“ Gerald stieg in den Sattel und gab die Richtung vor. Stechend prasselte kaltes Nass auf die Reiter nieder, während sich die Farbe des Himmel endgültig in drückendes Sturmgrau legte. Dem größten Unwetter entkommend, erreichend sie bis auf die Haut durchnässt, die Höhle. Der Unterschlupf war nicht sehr groß, aber auch die Pferde fanden zwischen den hohen Felswänden Platz. Die Höhle schien bereits zuvor Wanderer beherbergt zu haben. Die benutzte Feuerstelle war noch nicht bis zum letzten Scheit abgebrannt gewesen, als das Feuer gelöscht wurde. Luc schickte sich an das Feuer in Gang zu bringen, während sich der Blonde seinen nassen Sachen entledigte. Er war gut gebaut und Luc ertappte sich dabei, wie sein Blick langsam über den zur Schau gestellten Körper glitt. Es war nicht wie sonst. Kein vergleichender Blick unter Männern, sondern ein interessiertes einsaugen der Attraktivität. Die Scham brannte in seinen Adern. Sicher lag es an jener Frühlingsnacht, dass er Männer nunmehr in einem anderen Licht wahrnahm. Gerald legte sich neben das Feuer und ließ die Wärme auf sich wirken. „Was denkst du, wie lange das Gewitter anhalten wird?“, fragte Luc um dem unangenehmen Schweigen zu entgehen. „Lange genug um nicht in den nassen Sachen auszuharren.“ Als Luc die nassen Kleider ablegte, spürte er Geralds Blicke auf seiner nackten Haut. Sie waren gleich den seinen, was die Situation nur prekärer machte. Schweigend legte er sich auf die andere Seite und wünschte sich die Feuerstelle größer. Die Hand die nach seinem Hals griff, machte ihm bewusst, dass der Abstand zwischen ihnen nicht nennenswert war. „Was ist mit deinem Tuch? Legst du es nie ab?“ Iven kam Luc wieder in den Sinn. Intensiv blickte er in die stahlblauen Augen um schwarze zu vergessen. „Nein, es ist ein Andenken. Ein Teil von mir.“ Der Blonde zog seine Hand vom Hals zurück und führte sie an Lucs feuchte Haarspitzen. Spielerisch griff er von einer Strähne zur nächsten. „Du bist reichlich sonderbar, Luciel. Auf eine bezaubernde Art.“ Lucs Herz schlug schneller. Gerald versuchte ihn eindeutig zu umschmeicheln. Er reagierte zu spät, als die Haarspitzen frei gelassen und die Finger zärtlich über sein Schlüsselbein strichen. Gänsehaut befiel ihn. Ob er sich noch einmal einem Mann hingeben sollte? Luc schauderte. Es verstoß gegen jede Moral. Die Gewissensberuhigung, dass die körperliche Vereinigung mit einem Vampir etwas anderes war und ohnehin keine ethischen Regeln in sich hatte, konnte er hier nicht anführen. Nicht einmal unter den Mantel der Liebe konnte er seine aufkeimende Lust legen. „Dir scheint kalt zu sein. Willst du nicht näher kommen? Die Hitze in mir, wird uns beide wärmen.“ Verlangen spiegelte sich in den stahlblauen Augen. Ja, er wollte es. Wärme spüren und seine ständig quälenden Gedanken vergessen. „Ich verbrenne mich gerne und sollte besser Abstand halten.“ Wenn er seine Gefühle je wieder beherrschen wollte, musste er zuerst seinen Körper kontrollieren. Luc setzte sich auf, um weniger Angriffsfläche zu bieten. Er hatte genug mit sich zu kämpfen. Seine Moral würde er nicht auch noch auf das Schlachtfeld schicken. Die eisige Kälte kehrte wieder in Geralds Wesen zurück. Ob er von Beginn an, von ihm angetan war? Die Zeit verging ohne, dass sich einer von ihnen regte. Gerald hatte die Augen geschlossen und schien zu schlafen, während Luc still ins Feuer sah. Er war sich nur zu gut bewusst, den Blonden gekränkt zu haben. Wie sehr, würde die Zeit zeigen. Das Donnern verstummte und die letzten Regentropfen vielen schwer vom Himmel. Allmählich kehrte die Sonne zurück und vertrieb die letzten grauen Wolken. Luc schickte sich an seine Sachen zu holen. Als er nach ihnen langte, berührte er ungewollt Geralds Hand. „Vorsicht, du könntest dich verbrennen.“ Luc vermochte nicht zu deutend, ob die Worte neckisch, verletzt oder bedrohlich klingen sollten. Vielleicht von allem etwas. Er hielt es für klüger zu schweige und zog sich an. Die Anspannung zwischen ihnen war deutlich zu spüren und mehr als unangenehm. Gerald saß zuerst im Sattel und ritt los ohne auf Luc zu warten. Hastig versuchte der Jäger den Blonden einzuholen. Er konnte den Tag nicht so stehen lassen. „Gerald!“ Er gab seiner Stute die Sporen. „Bitte warte!“ Der Blonde schien gar nicht daran zu denken. Immer unbarmherziger trieb er seinen Rappen an und vergrößerte den Abstand. Erst als die Kaserne in der Dämmerung in Sicht kam, gelang es Luc den Gruppenführer einzuholen. „Meinst du nicht, wir sollten darüber reden?“ Beißende Arroganz schlug Luc entgegen. „Ich habe nicht vor, Worte an dich zu verschwenden!“ „Schön, dann sind wir also wieder da, wo wir vorher waren.“ Ohne darauf einzugehen schickte sich der Blonde an Abstand zu gewinnen. Es tat Luc leid, dass der Ausritt so enden musste. Als er in der Kaserne ankam und erschöpft von seiner Stute abstieg, hielt im Gerald seine Zügel entgegen. „Kümmere dich darum.“ Automatisch griff Luc nach dem Leder und ärgerte sich sogleich. „Dir ist hoffentlich klar, dass ich heute nicht im Dienst stehe und deine Befehle ins Leere laufen.“ Gerald lachte spöttisch. „Dann sieh es als eine Bitte an.“ Der Blonde wandte sich ab, als ob die Sache für ihn damit erledigt wäre. „Du hast mich aber nicht gebeten!“, rief Luc ihm trotzig, aber sinnlos hinterher. Verärgert versorgte er die Pferde und schluckte seine Wut. Gerald war ein widerlicher Bastard. Was an ihm, fand er vorhin nur attraktiv? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)