Blutschuld von abgemeldet (Seine Bestimmung war es Vampire zu jagen, nicht sie zu lieben) ================================================================================ Kapitel 39: Nachwirkung ----------------------- Hallo zusammen, nach einer für meine Verhältnisse etwas längeren Pause wird „Blutschuld“ in regelmäßigeren Abständen fortgesetzt. Ich wünsche weiterhin viel Lesevergnügen! Liebe Grüße Teedy ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ 39. Nachwirkung Er konnte seine Haut noch so lange wund scheuern, sie mit heißem Wasser peinigen, die letzte Nacht blieb haften. Einzig Ivens Geruch verschwand unter seiner rücksichtslosen Behandlung. Von seiner Haut, nicht aus seinem Geist. Er zitterte. Sein Spiegelbild im Wasser war anklagend. Er war verdorben. Wie konnte er nur seine Ehre verlieren? Seine Liebste an den Rausch des Moments verraten? Sich der Erbärmlichkeit in voller Schande hingeben? Er wollte Iven für diese Schmach hassen. Doch er war bereits viel zu sehr damit beschäftigt sich selbst zu verachten. Der Zorn in ihm bebte. Er wurde gewarnt. Mehr als einmal. Überaus deutlich. Er hatte es ignorierte. Folgte willens. Die Verfehlung war schlimm genug. Doch mehr als sein Gewissen plagten ihn seine verletzten Empfindungen. Das Wissen, einzig der Rache gedient zu haben, schmerzte. Dabei sollte er sich einzig schämen. Für Babette, für Luc, für sich. Nahrung die er zu sich nahm, suchte ihren Weg nach draußen. Die Übelkeit kam nicht des Geschmackes wegen. Alleine Ekel über sich selbst, die Abscheu für seine Schwäche, waren schuld daran. Was hatte er nur getan? Überreizt ging er in das Gemach der Schande zurück. Als er die Tür öffnete, blieb er stockend stehen. Der schwere süße Geruch verursachte ihm abermals Übelkeit und haftete wie ein kaltes Tuch aus Verzweiflung auf seiner Haut. Standhaft versuchte er seinen Magen zu beherrschen, während sein Geist lustvoll in Erinnerungen schwelgte. Wie von selbst trugen ihn seine Beine in Ivens Nähe. Ein einziger dünner Lichtschimmer brach sich sanft durch die dicken Brokatvorhänge und schluckte dennoch mühelos den zuvor herrschenden warmen Kerzenschein. Musternd verweilte Vernons Blick auf dem Vampir. Der Prinz wirkte im ruhigen Schlaf verletzlich und hilflos. Was wenn er einfach der Sonne Einlass gewähren würde? Ein Gefallen für Luc. Vergeltung, die sein Freund nicht üben konnte. Vernichtung, die längst hätte vollzogen sein müssen. Ein Dienst für sich selbst. Rache für die letzte Nacht. Tod des Gewissens. Angezogen wie von Feuer in eisiger Winternacht trat er dichter an den Schlafenden. Er hatte sich nicht nur daran erwärmt, sondern verbrannt. Und nun verharrte er wie ein Erfrierender davor, bittend, dass die Kälte abfallen würde. „Welche dunklen Sehnsüchte hast du nur in mir geweckt?“ Tränen trieben in seinen braunen Augen. Die Schwäche in ihm lockte, die Stärke vor ihm zog an. Wehmütig strich seine zaghafte Hand über das seidige Haar. Seine Lippen schmeckten Samt. Er kannte die Liebe und sie war es nicht, die ihm diese Leidenschaft bescherte. Konnte die Natur wirklich so grausam sein, dass sie solche Geschöpfe hervorbrachte? Wieso nur mussten seine Sinne an ihm versagen, wie an noch keinem anderen Vampir zuvor? Ausgerechnet an ihm. Das Wesen, das seinen besten Freund auf tragische Weise ins Unglück stürzte. Er war gekommen Luc zu helfen und nun würde er seinem Freund auch Schmerz zufügen. Auf eine Art, wie sie tückischer nicht sein konnte. Verräter. Sein Kopf pochte. Kraftlos ließ sich er sich neben dem Vampir nieder. Er war wie betäubt. Schon bald würden sich ihre Wege trennen. Bis es soweit war, wollte er die Schuld auskosten. Sie in jeden Winkel seines Gedächtnisses brennen. Sich an erfüllter Sehnsucht laben. Gestik und Mimik der Vollkommenheit erfassen und sie tief in sich verschließen. „Du hast dein einstiges Versprechen gehalten, Prinz. Du hast mich in die Hölle geschickt.“ Die schwarzen Spiegle der Nacht öffneten sich und boten einen verführerischen Kontrast zu der weiß schimmernden Haut. Ob Hölle oder nicht, Vernon sah dem Himmel entgegen. „Verweilst du schon lange an meiner Seite, Vernon?“ Die Bitterkeit in dem bronzenen Gesicht war nur ein Schatten des gewaltigen Gefühls davon. „Viel zu lange. Jede Sekunde in deiner Gegenwart war zu viel.“ Milde lächelnd erhob sich der Vampir. „Du bereust, bedauerst aber nichts.“   Zustimmend schluckte er hart. Er fühlte die erdrückende Verantwortung seines Schuldbewusstseins. Seine Moral verurteilte die Tat aufs Tiefste, während er die Handlung nicht beklagen konnte. Die ungeschönte Wahrheit mit der ihn Iven bewertete, trieb abermals Verzweiflung und Wut durch seine Adern. Reichte es Iven nicht, dass er bereits letzte Nacht dessen Untergebener war? Musste der Vampir ihn willentlich so weiter quälen? Dabei hatte er eben die Macht gehabt, sich aus dieser Situation zu befreien. Der auflodernde Zorn ließ ihn beben. „Die Ignoranz, mit der du mir dein Leben bereitwillig anvertraut und ausgeliefert hast, macht mich wahnsinnig! Ich hätte dich samt deiner Überheblichkeit dem Sonnenlicht übergeben sollen!“ „Warum tatest du es dann nicht?“ Süße Stimme, herbe Worte. Gedanken ätzten sich ihren Weg. Erbärmlich. Nutzlos verstrichen. Schändlich versagt. Das kurze Aufbegehren kratze an seinem Stolz. Stolz der nun lächerlich geworden war. Sein Gegner spielte in einer anderen Liga. Einsichtig widerstand er der Herausforderung. Er würde sich nicht auf so ein Kräftemessen einlassen. Nichts geschah ohne des Prinzen Kalkül. Eine Lektion, die er binnen Stunden in süßer Bitternis erlernt hatte. Widerwillig folgte er der Besonnenheit. „Woher wusstest du, dass ich es nicht tun würde? Sind meine Gefühle für dich wirklich so ein offenes Buch? Wenn ja, dann erkläre sie mir! Ich verstehe sie nicht.“ Seine Verwirrung weiter schürend, legte sich ein Hauch von einem Kuss auf seine Lippen. Gefühle der letzten Nacht krochen lebhaft in Vernon hoch. Beißend an seiner Würde, reißend an seinem Stolz. Ivens Stimme nahm ihn gefangen. Bekanntes Gefühl. Behaglicher Schauer. „Die Leidenschaft die ich dir gab, verfliegt nicht binnen Stunden. Sie klebt an dir, wie ein Fluch.“ Ja, wie jede einzelne Berührung, die er immer noch gegenwärtig spürte und ihn machtvoll in den Wahnsinn trieb. Resigniert wagte er einen Blick in verdammendes Schwarz. „Dann hast du mehr getan, als mir nur gestern deine Macht aufzuzwingen.“ „Ich habe nichts erzwungen, Vernon. Nichts, was nicht deinem Begehren entsprach.“ Die Worte stachen. Abermals nackte Erkenntnis, die seinen Verstand strafte. „Und nun? Wirst du mich Luc als Trophäe vorführen?“ Iven stand auf. Vernon war dankbar für den Abstand, den er somit gewann. Einen, den er selbst nicht im Stande war zu schaffen. Zu groß war die Anziehung, zu überwältigend das Gefühl von Sehnsucht. „Nein nicht direkt. Luc wird selbst in dir lesen können, ohne dass ich dem etwas hinzufügen müsste.“ Wieder diese Selbstgefälligkeit. „Wie kannst du dir nur so sicher sein, dass ich bleibe?“ Herzloses Lachen schlug ihm entgegen, das ihm die Grausamkeit der Situation schonungslos aufzeigte. „Du tust es doch noch. Ob nun wegen mir, wegen ihm oder einzig, um nicht wegzulaufen. Es ist einerlei. Das Resultat ist für mich von Belang.“ „Genau wie letzte Nacht, habe ich recht?“ Ein sanfter Ausdruck legte sich auf das schöne Gesicht des Vampirs. Beinahe konnte es als Mitgefühl interpretiert werden. „Du hattest die Kaltschnäuzigkeit die Gewissheit bereits gestern beim Namen zu nennen. Ohne Skrupel warst du ihr ergeben. Und jetzt hoffst du auf Zuneigung, die über meine Interessen hinausgeht? Dein Verstand sollte dich besser leiten, Soldat. Gestriges Verlangen ist für mich nichts Neues. Genauso wenig wie die Befriedigung zu finden. Beides altbekannt und hunderte Male zuvor in vollen Zügen ausgereizt und gekostet. Willst du wirklich weitere Deutlichkeit, um deinen Kopf klar zu bekommen?“ Nein es reichte. Der Schmerz war auch so groß genug. Die Hoffnung auf Gefühl in blanken Worten zerschmettert. Es war berechnend. Er war unbedeutend. Lediglich Mittel zum Zweck. Ausgenutzt und Beschmutzt. An den Rand des Selbsthasses getrieben. Der Stoß würde gewiss folgen. Für Luc. Gegen Luc. Dankbar allein, konnte er in der nicht empfundenen Liebe sein. „Wie ist es bei Luc? Kannst du auch ihn wie gebrauchte Kleidung ablegen? Oder willst du ihm bis in alle Ewigkeit weiteren Schmerz zufügen, alleine um deine Macht zu behaupten? Erbärmlichkeit die zum Himmel schreit!“ Das kalte Funkeln in den Augen des Prinzen drohte ihm. Wie Eis bohrte sich der Blick in den Soldaten. „Deine Dreistigkeit wird dich früher oder später noch den Kopf kosten.“ „Denkst du wirklich, dass ich noch Respekt vor dir hätte? Nicht nur ich habe mich entblößt, Iven. Ob nun von dir hunderte Male zuvor erfahren oder nicht. Ich habe dich kennen gelernt. Dich in Emotionen erlebt. Gestern sprachst du noch freimütig von deinen Gefühlen. Einzig die Sorge erkannt zu werden, lässt dich jetzt hart und unzugänglich werden.“ Vernon hatte nach dieser Anmaßung einen Ausbruch erwartet. Kalte Tobsucht oder vernichtenden Jähzorn, der ihn eisern in seine Schranken weisen würde. Das Gegenteil war der Fall. Es war wie gestern. Der Prinz wirkte verletzlich. Hatte Liebe doch soviel Einfluss auf dessen Gemüt? Das sanfte Zucken der Mundwinkel bejahte die unausgesprochene Frage. „Du siehst mich an, als ob du mich bedauerst. Dabei sollte Furcht deine Augen zeichnen. Die Wut deine Zunge führen, nicht Verständnis. Deine Erkenntnis sticht tief. Von Unbedeutsamkeit so vorgeführt zu werden, zeigt mir die Grenzen meiner Autorität auf. Verloren an der Schwäche der Liebe. Nein, wenn ich dieses Gefühl für Luc wie Kleidung ablegen könnte, würde ich nackt in Eis gehen. Wenn es meine Haut wäre, würde ich sie in Fetzen abziehen. Wenn es Blut wäre, würde ich es bis zum letzten Tropfen vergießen. Alles was es greifbarer macht, würde ich lieber hinnehmen. Aber ein Gefühl ist nicht fassbar. Ich kann es nicht bändigen, gleich welche Macht ich auch ausübe. Es entschwindet meinem Willen, nur um vor meinem Geist zu tanzen.“ Da war sie wieder, die Vertrautheit. Ohnmächtig hing er an Ivens Lippen, wie die Nacht zuvor. "Ich brauche Stärkung bevor ich Xei aufsuche. Wie steht es nun Soldat. Wirst du mich begleiten. Zeuge des Unvermeidbaren sein?" "Wenn ich Luc überzeugen kann, würdest du dann von der Zerstörung ablassen?" Belustigt schweiften tiefschwarze Augen über seinen Körper. Er fühlte sich gemustert. Bis ins kleinste Detail studiert. Gereizt. "Überzeugen, von was?" Vernon schluckte trocken. Mühsam versuchte er sich nicht von den schwarzen Blicken ablenken zu lassen. "Von dem Irrglauben abzukommen. Euer sinnloser Kampf, dein Schmerz, dich gegen Xei zu wenden und ihn in Rage und aus Stolz zu töten. Unsinn ohne Substanz. Dieser Kampf wird Luc nicht glücklich machen. Vergangenes nicht ungeschehen. Im Gegenteil. Mag sein, dass sich Lucs Wesen mit jedem Schicksalsschlag, mit jedem Schritt in deine Nähe, verhärtet hat. Aber dennoch kenne ich ihn. Hinter all der Lügen, seinem Betrug und der Selbstaufgabe, steht nur sein Unvermögen, dich selbst richten zu können. Luc war bei all seinem Schmerz nie grausam.“ „Dann ist es also nicht grausam, dass er Xei benutzt, um mir zu schaden? Blicke hinter deine Loyalität, Vernon. Seine Rachsucht vernichtet gnadenlos und wird alles zarte Gefühl in meinem Bruder zerstören. Bewusst und willentlich. Mein Werk wird nur das seinige beenden.“ Trotzig schüttelte Vernon seinen braunen Schopf. „Nein, ich bin mir sicher, dass er niemals Gefühle mit Füßen treten wollte oder dieses Ende wirklich will. Verstehst du denn nicht? Er steht mit dem Rücken zur Wand und sah keinen anderen Ausweg, als diesen Irrsinn zu beginnen. Dich sein Leid spüren zu lassen ist ein Hilfeschrei. Der Ruf nach einer Hand, die ihn aus diesem Unglück führt. Der Wunsch nach Liebe, die ihn aus dem Hass entlässt. Nicht mehr." „Deine Worte klingen schön. Zu gerne würde ich an ihnen festhalten. Doch hast du sämtliche Hässlichkeit aus ihnen verbannt. Mich. Gleich ob Luc einlenkt, er hat den Weg geebnet. Und gleich welchen Weg ich stets ging, ich ging ihn für mich. Mir geht es hierbei nicht um Lucs Glück oder Unglück. Nicht einmal um seine Vergeltung. Wenn er Rache will, kann er sie an mir haben. Aber dieser Weg ist nicht der seine, sondern der meine. Es sind meine Abdrücke, die Spuren im Staub hinterlassen werden. Ich stehe nicht zwischen den Fronten, falls du das glaubst. Mein Leid über die Schuld, Xeis Leben selbst ein Ende zu setzen, wäre für mich tragbar. Reue ist ein Gefühl, das ich nie sonderlich begriffen habe. Mir geht es um Kontrolle. Nicht um die Liebe, die mir Luc verweigert. Es sind Demütigung und Verrat, die ich nicht hinnehme kann. Welche Essenz Luc daraus zieht, ist für mich im Moment nicht von Belang. Meine wird der Tod sein. Willentlich selbst geschaffen. Nicht aus Liebe oder verletztem Gefühl. Einzig aus Egoismus. Gebieter über mich selbst." „Du bist fanatisch. Besessen von Selbstsucht. Dabei gehen deine Gefühle für Luc doch so tief. Wie kannst du deine Eigenliebe über die Liebe zu ihm stellen? Und Xei? Der Kummer in deinen Worten straft dich bereits jetzt. Du trauerst um seinen Verlust und dennoch wirst du ihn herbeiführen, alleine für dein Wertgefühl?“ „Was bleibt mir übrig, als mich selbst zu lieben und zu achten, wenn es niemand sonst tut?“ „Aber“, er wollte widersprechen. Doch er konnte weder Xeis noch Lucs Liebe als Gegenargument anführen. Beide hatten sie ihn verraten. Der eine aus Liebe, der andere aus Hass. Er schluckte die letzten Gedanken. Er würde bleiben. Zeuge der Tragödie werden, die nicht besser war als eine Posse. Er würde seinem Freund Halt bieten, wenn dieser an seinem Lachen erstickte. Iven schien einen Entschluss längst erkannt zu haben. Der Gesichtsausdruck des Prinzen war viel sagend, aber für Vernon unverständlich. Er glaubte einen kurzen Blick in Ivens Gefühlsleben erhalten zu haben und dennoch war es einzig unergründlich. Ein Sumpf in dem auch er sich verloren hatte und nun Stück für Stück darin weiter einsank. Der Vampir ging, Stärke für das bevorstehende Szenario zu sammeln. Der Soldat verfluchte untätiges Warten auf unausweichliches Geschehen. Atemzug für Atemzug, schwerer, trockener, endgültiger. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)