Blutschuld von abgemeldet (Seine Bestimmung war es Vampire zu jagen, nicht sie zu lieben) ================================================================================ Kapitel 40: Vollstreckung ------------------------- 40. Vollstreckung Sie standen vor einer schmucken weißen Villa. Knochige Bäume ragten im blassen Mondschein bedrohlich in die Höhe. Die kahlen Geäste warfen als Schatten unheilvolle Fratzengebilde auf den kargen Winterboden. Ein weißer Hauch der Kälte entströmte seinen Lippen. Mühevoll verbarg er das unruhige Zucken seiner Hände. Die Furcht auf das bevor stehende Szenario, legte sich krampfend auf seine Körpermitte. Die Hand, die seine Schulter umschloss, ließ den Soldaten unvermittelt zusammenzucken. „Was fürchtest du, Vernon?“ „Alles. Ich habe Angst davor, was meine Augen sehen werden.“ „Ein sterbender Vampir sollte nichts sein, was dein Gemüt erschrecken könnte, oder?“ Schweigend ging der dunkle Vampir an Vernon vorbei und verschmolz mit den Schatten der Fratzen. Ein kurzes Zaudern legte sich abermals auf seine Glieder, bevor er Iven folgte. „Nein, das sollte es nicht“, hauchte er in dunstigen Wolken. Nichts deutete im Inneren der Villa auf Leben hin. Stille wog schwer zwischen den hohen und dunklen holzvertäfelten Wänden und schaffte, zusammen mit dem scheinbar alles in sich verschluckenden schwarzen Marmorboden, eine bedrückende Atmosphäre. Die wenigen eingelassenen Fenster, sperrten hinter dicken dunkelroten Vorhängen verborgen, auch das letzte Mondlicht aus. Einzig das dämmrige Licht des edlen Kronleuchters, der in der Mitte der Empfangshalle von der Decke hing, zeugte von etwas andrem als tote Finsternis. Der warme Schein der Kerzen legte sich kegelförmig auf die Mitte der Halle und golden schimmernd auf das dunkel glänzende Holz der einladenden Wendeltreppe, die zu einer offenen, fast völlig im Schatten daliegenden, Galerie führte. Fragend musterte der Soldat den Prinzen. Mit einem leichten Nicken deutete Iven zu seiner Linken. „Ich kann Xeis Gegenwart spüren.“ Vernon schluckte. Dann war es soweit. „Wenn du dich um Luc kümmern möchtest, dann gehe nach oben.“ Ohne weiteres ging der Vampir zu der bereits angedeuteten Richtung und verschwand hinter der mit filigranen Schnitzereien versehenden Flügeltür. Ein letzter Ruf nach Vernunft blieb in seinem Hals stecken. Es wäre sinnlos. Schluckend wanderte sein Blick zu der Empore. Die Gewissheit, seinen Freund abermals als Geschöpf der Nacht erblicken zu müssen, wiegte schwer auf seiner Seele. Angestrengt schob er das letzte Zaudern beiseite und ging mit bangem Herzen die knarzenden Stufen nach oben. Auf der Galerie angelangt, setzte sein Atem kurzzeitig aus. Die Wahrheit schreckte ihn zum zweiten Mal. „Luc!“ „Bist du gekommen mich zu richten, Freund?“ Betrübt verzog Vernon das Gesicht. „Nein, ich wollte dein Vorhaben, dich in die Verdammnis zu begeben, verhindern. Doch ich komme zu spät.“ „Dann solltest du gehen. Ich verdiene deine Sorge nicht länger.“ Ruhig schritt der dunkelblonde Vampir an dem Soldaten vorbei. „Warte Luc! Das hier wird dir keine Befriedigung verschaffen. Iven hat in deinem vorgezeichneten Weg längst seine eigene Richtung eingeschlagen. Es wird kein Heil sein, das dir bleibt, sondern bittere Enttäuschung.“ Traurig wandte Luc seinen Kopf um. „Hier geht es doch längst nicht mehr um mein Heil. Ich will nur, dass er leidet. Er soll sterben oder sein Licht selbst vernichten, so wie ich das meine. Durch ihn, für ihn. Ich mache mir keine Illusionen mehr. Ich werde meine Rache nicht bekommen. Dazu müsste ich tun, was ich nicht kann und ihn selbst dem Tod übergeben und nicht feige in den Kampf treiben. Aber er soll in meinem Hass brennen. Auch wenn es die Flammen der Liebe sind, die ihn verzehren werden.“ Die lauten Schritte auf dem blanken Marmor ließen den weißhaarigen Vampir endgültig das Buch der Bücher beiseite legen. Er hatte Ivens Nähe bereits zuvor verspürt. Nun erfüllte die machtvolle Präsenz das ganze Lesezimmer und schaffte eine vertraute wie bedrohliche Atmosphäre. Das sachte Knistern des Kaminfeuers hing wie brennendes Laub in der Luft, angereichert von dem stockenden Geruch eines nahenden Gewitters. „Du weißt weshalb ich gekommen bin.“ Die Schwermut nur geringfügig überspielend, richtet sich Xei auf und starrte direkt in die schwarzen Augen des Prinzen. „Genau wie du weißt, weshalb ich dich erwarte.“ Stumm sprachen Blicke von Enttäuschung und Reue. Ein letztes Mal formten blutrote Lippen Worte, bevor Taten folgen sollten. „Ich liebe dich.“ „Ich weiß.“ „Dann gibt es nichts mehr zu sagen.“ „Nein.“ Er wandte den Kopf verletzt zu Boden. Die schmerzerfüllte Schwärze traf ihn tief. Er war geschlagen, bevor er selbst zum tödlichen Stich ausgeholt hatte. Entschlossen, dieser zerstörerischen Emotion endlich entkommen zu können, umschlossen seine Finger den geweihten Dolch, den er nicht länger verborgen hielt. Die Furcht den ersten Schritt zu tun, verlor sich in der schemenhaften Wahrnehmung seiner Augenwinkel. Dankbar, nicht den ersten Schritt gehen zu müssen, lächelte er seinem sich geschwind nähernden Rivalen entgegen. Der Schatten griff an und das Licht schlug zurück. Betroffen trat er direkt zu seinem Freund. Der Kummer schien Luc bereits jetzt vollends zu beherrschen. Seine Bedenken, dem Vampir zu nahe zu kommen, schob er beiseite. Er konnte Luc nicht helfen, aber zumindest mit einer Umarmung Trost spenden. Ohne zögern, zog er Luc zu sich. Überrascht ließ es der Vampir schweigend geschehen. Nur langsam löste Vernon die freundschaftliche Geste auf. „Du und Iven, ihr seid euch so nah, und gleich so fern. Luc, falls er Xei tötet, dann als Herrscher, nicht als Liebender. Es wird seine Genugtuung sein, nicht die deine.“ Die grünen Augen des Vampirs verengten sich zu funkelnden Schlitzen, die in dem dämmrigen Licht schweigend von Bedrohung sprachen. „Du scheinst ihn ziemlich gut kennen gelernt zu haben. Erschreckend dabei ist, dass dich sein Gefühlsleben scheinbar kümmert.“ Abweisend hob Vernon die Hände. „Nein. Aber ich verstehe es. Er hat schlicht Angst. Genau wie du. Wie Xei. Ihr dreht euch im Kreis.“ Ein Poltern, ausgelöst von zwei unerbittlich miteinander ringenden Silhouetten, durchdrang die Vorhalle. Während Luc das Treiben nicht weiter zu beachten schien, folgte der Soldat gebannt dem Kampfgeschehen, während seine Finger angestrengt und nach Halt suchend die Brüstung umklammerten. Die fordernde Stimme in seinem Nacken riss ihn jäh zu dem nach Beachtung verlangenden Vampir neben sich zurück. „Angst? Wie nah seid ihr euch gekommen, dass du von so einem umfassenden Gefühl in ihm sprechen kannst? Eines, welches er dir sicherlich nicht auf einem silbernen Tablett serviert hat.“ Bevor Vernon darauf antworten konnte, ließ ein Aufschrei des Prinzen beide zusammenzucken. Blut benetzte den Boden. Mit aufgerissenen Augen fasste sich Iven an die Brust. Lucs scharfe Vampiraugen erkannten, dass der Herrscher verwundet, aber noch lange nicht besiegt war. Sie sahen dies und mehr. Sorge in braunen Augen. "Vernon?" Bestimmt fasste Luc nach Vernons Schulter. Grob forderte er die Aufmerksamkeit seines Freundes zurück, der nur widerwillig nachgab. Angesicht in Angesicht. Es war keine Täuschung. Misstrauen erfüllte Lucs Herz und unterwarf die Freundschaft den Zweifeln. "Du sorgst dich um ihn?!" Die Stimme des jungen Vampirs glich einem verletzten Fauchen. Die Furcht verschwand umgehend aus den braunen Augen, geflissentlich verborgen in gespielter Beschwichtigung. "Nein, warum sollte ich?" Hartnäckig verlangte Lucs Herz nach der Wahrheit, die Lüge in seinem Freund deutlich erkennend. "Ich sehe ihn in dir." Nüchtern feststellende Erkenntnis, die Wahrheit ans Licht zerrte. Er wurde betrogen. Schuldigkeit legte sich sichtbar auf die bittenden Züge seines bekümmernden Freundes. "Es tut mir leid, Luc. Ich verstehe dich nun." Es tat weh. Der durchdringende Schmerzensschrei unter ihnen, hätte sein eigener sein können. Xei lag von dem Prinzen unterworfen auf dem schwarzen Marmor der Diele. Blitzender Stahl zeigte die Niederlage auf und kündigte, gefährlich auf den Weißhaarigen gerichtet, den Todesstoß an. „Sieh mich an!", forderte Luc eindringlich, den Blick bestürzt nach unten gerichtet. Graue Augen nicht wahrnehmend, einzig auf schwarze fixiert. Er sah Bestätigung. Eine die es nicht bedurft hatte. Eifersucht vergiftete sein Blut. Ätzend trieb sie in seinen Adern. Eine neue Not. Erfahrung, die ihn abermals die Hölle auf Erden erleiden ließ. Die auferlegte Taubheit seiner Gefühle schützte nicht mehr. Blanker Schmerz durchdrang ihn. Sein Herz glaubte zerspringen zu müssen. Sein Herz brach. Zersplitterte in kleine Teile von Enttäuschung. Entließ Scherben von vertaner Hoffnung. Dabei hatte er so fest geglaubt. An jedem kleinen Schimmer eisern festgehalten. Er war dem Tode nahe. Sein Henker weilte über ihm. Er würde sterben. Einzig für ihn. Und es kümmerte nicht. Kein Bedauern, keine Angst vor seinem Verscheiden. Einzig Hass, in der Eifersucht der Liebe gebunden, spiegelte sich auf der Mimik seines Geliebten. Gefühle die nicht für ihn bestimmt waren. Kein einziges davon. Kein Funke für ihn bleibend. Der Vertrauensbruch kam, bevor es Treue gab. Über alles hatte er an die Liebe geglaubt. Naiv. "Luc, braucht deine Führung. Ohne sie ist er verloren. Ich gebe dich frei, Xei. Sei sein Licht, so wie du meines warst." Die gesprochenen Worte seines Nebenbuhlers legten sich nur langsam in sein taubes Bewusstsein. Der Todesengel wich von ihm. Das Werkzeug milde beiseite gelegt. Wozu? Weshalb Erbarmen? Er hatte keinen Lebensgrund mehr. Er wäre gestorben, für Luc. Aus reiner Liebe. Wahrhaftig, hingebungsvoll ihr ganz ergeben. Doch Luc wollte sie nicht. Beachtete sie nicht. Nichts was blieb. Bestätigt sah er in grüne Seen, die immer noch in schwarzer Nacht weilten. Vertrautheit, die mit jedem von Lucs Schritten zu Iven an Kraft gewann. Offener Schmerz legte sich auf Lucs trauriges Gesicht. Die Bitterkeit darin verschwand, in Sehnsucht gebannt. Jede Gestik, jede Mimik seines Geliebten nicht für ihn bestimmt. Einzig Iven entgegen tragend. Liebeskummer herrschte, anstatt Todesangst. Er blieb außen vor. Ausgeschlossen, verbannt. Nichtbeachtung, die jedes Gefühl in ihm mit Belustigung strafte. Alles Zarte im Zorn versengte, als giftiger Nebel die Seele verschlang. Sein Geist verzerrte sich, sein Herz tobte. Eifersucht erlangte die Oberhand, als rasendes Fieber nach Beendigung schreiend. Die Besessenheit forderte kalt ihren Tribut. Dem Wahn ergeben griff er nach dem Dolch. Sein Leib erhob sich im blinden Rausch, mitgerissen von dem Strom der Manie. Wenn nicht ein liebendes Herz, dann ein totes. Die Bewegung entging dem Prinzen nicht, genauso wenig wie die kalte Entschlossenheit, die ihn alarmierte. Xeis silberner Blick wies zu der offene Tür in die Unberechenbarkeit. Eisern mit Wahnsinn unterlegt. „Luc!“ Ein Warnruf der zu spät erfolgte. Die Tat einzig durch Handlung noch abwendbar. Kein Zögern. Gewissheit die Realität wurde. Sein Herz war durchbohrt. Endlich war das Gefühl fassbar. „Nein!“ Xei keuchte erschrocken auf. Fassungslos starrte er der grausam geschaffenen Realität ins Auge. Er konnte sie fühlen, die Wahrheit die sein Herz abermals zerriss. Blut lief warm über seinen Handrücken. Starr folgte er dem roten Rinnsal. „Bitte nicht.“ Sein gebrochenes Flüstern hallte dröhnend in seinem Kopf wider. Sanft wurde seine zitternde Hand umschlossen und die steifen Finger behutsam von dem Griff gelöst. Das milde Schwarz in dem liebevollen Gesicht reflektierte Vergebung. Absolution die er nicht verdiente. Sein Bruder sank auf die Knie. Die schweren Atemzüge ließen keine Zweifel zu. Der ausgeführte Stoß war tödlich. „Warum?“ Lucs Flüstern ließ Xei verzweifelt beiseite treten. Die Frage galt nicht ihm. Er war unwichtig. Genau wie zuvor. Herzlos der Gleichgültigkeit übergeben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)