Kira gegen den Rest der Welt von Riyuri ================================================================================ Kapitel 4: Worlds ----------------- „Hallo.“ Anschließend schweigend nahm Light auf einem der freien Schreibtischstühle Platz. Als ich nachmittags zurück gekommen war, war L längst wieder fit und begutachtete ein Video. Nicht irgendein Video: Das Video eines sterbenden FBI-Agenten. Raye Penber…! Seufzend schloss ich die Augen. Die Couch, auf der ich saß, war bequem, dennoch stand ich missmutig auf. Light war jetzt hier statt zu Hause, also würde Misa ihn nicht dort antreffen. So weit war mein Plan perfekt. Aber… Ich hatte wohl vergessen, dass ich nun einen ganzen Abend mit Light verbringen musste. Bei diesem Gedanken lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Wie sollte ich denn bitteschön diesen Abend überleben, wenn ich Kira abgrundtief hasste!? Die anderen fassten meinen erneuten Seufzer wohl als Langeweile auf. „Tut mir Leid, ich bin gleich fertig.“, kam es von Light. Am Liebsten hätte ich ihm an dieser Stelle eine reingehauen. Blöder Weiberheld! Langsam schlich ich zu ihm rüber, um wenigstens ein wenig zu tun zu haben. Eine lange Liste erstreckte sich scheinbar über mehrere Seiten auf dem Computer. Hauptsächlich Männernamen fand ich dort vor. Ist wohl Zufall., dachte ich. Hastig wurde die Liste durch einen kurzen Mausklick geschlossen. „Bin fertig.“ Stöhnend lehnte er sich zurück, worüber ich ehrlich gesagt grinsen musste. Als Light mich anschaute, verkniff ich es mir so gut es ging und wandelte es in ein Lächeln um. Was mussten andere bei dem Anblick von mir wohl denken? Moment mal…! Wussten die anderen Mitglieder der Sonderkommission eigentlich, dass Light und ich jetzt ein Date hatten? Selbst wenn, war ja nicht sonderlich wichtig. Einfach nur ein Kennenlerntreffen, redete ich mir ein. Oder vielleicht ein bisschen mehr. Aber nicht viel mehr. Nur ein Ticken. Ach, verdammt! Worüber machte ich mir im Moment eigentlich Sorgen?! Lächelnd trat ich einen Schritt zurück, um Light Platz zum Aufstehen zu machen. „Also, Ryuzaki. Wir sind dann beide weg.“, erklärte er dem nicht einmal aufsehenden L. Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er ein Stückchen voraus, drehte sich dann um, um auf mich zu warten. „Kommst du?“ Hastig stolperte ich vorwärts, bis ich neben ihm in Richtung Ausgang zulief. An der frischen Luft bogen wir gleich rechts ab. Auf den Straßen tummelten sich wieder einmal massig Leute. Ich fragte mich, ob das Tag und Nacht so war. „Wie kommt es eigentlich, dass du keine Sachen hattest? Ich meine, du musst doch irgendwo gewohnt haben.“ Mhm, ja… Eigentlich hatte ich noch nicht darüber nachgedacht, was ich in so einer Situation sagen würde. Jetzt hatte ich den Salat! „Na ja, ich habe schon Sachen, aber…“ Ich hatte die Idee! Damit wären zwei Probleme auf einmal aus der Welt geschafft. „Die sind alle bei meinem Freund. Wir haben uns zerstritten und ich wollte ihn dann nicht mehr sehen.“ Ich fand, das war eine ziemlich logische Lösung. Wer würde nicht so fühlen. „Oh, das tut mir Leid. Weshalb habt ihr euch den gestritten?“ …Okay, was nun? „Öhm…“, stotterte ich. Warum mussten andere Menschen immer so neugierig sein? Verzweifelt senkte ich den Kopf – zu meinem Glück, denn Light fasste dies als eine Ich-will-nicht-darüber-reden-Bewegung auf. „Schon gut. Sag mal, wo möchtest du eigentlich hin?“ Light war in letzter Zeit so beschäftigt gewesen, dass ich vergessen hatte, ihn darüber auszufragen. Mist, eigentlich wollte ich mir von ihm die Stadt zeigen lassen, aber nach meiner Notlüge war das wohl kaum noch möglich. Ich zuckte mit den Achseln, während ich noch immer zu Boden schaute. Schade das L so ein Einzelgänger war, ich wäre viel lieber mit ihm ausgegangen. Trotzdem, es war ja alles nur für sein Wohl! „Hey!“ Light blieb abrupt stehen, woraufhin ich mich irritiert zu ihm umdrehte. „Was…!?“ Er umklammerte mich, drückte mich an sich, und hielt verkrampft meinen Kopf nahe bei seinem. Entsetzt riss ich die Augen auf. Panisch stieß ich ihn von mir weg und verdeckte meinen Mund mit der Handfläche. Er… hat mich geküsst – einfach so…! „Du liebst mich doch, oder?“ Ich lief rot an – nicht vor Peinlichkeit, sondern vor Wut. „Spinnst du!? Wie kommst du auf so einen absurden Gedanken!“ Light öffnete seine Augen aus Überraschung ebenfalls ein wenig. „…Nicht?“ Ich holte weit aus und klatschte ihm eine. Anschließend rannte ich los, teilweise um einfach der kommenden Situation zu entkommen. Ich hasse Light, ich hasse ihn! Keuchend blieb ich nach einiger Zeit stehen. Als ich mich umdrehte, konnte ich ihn nirgendwo mehr entdecken. Schien, als hatte ich ihn abgehängt. Völlig außer Atem ging ich die überfüllte Straße entlang. Irgendwie fühlte ich mich einsam, verlassen. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wo genau ich mich befand. Ohne einen Partner war ich hier völlig aufgeschmissen. „Entschuldigen Sie bitte!“ Wie schon einmal tippte ich einfach einem Passanten auf die Schulter und verbeugte mich höflich. Auf die Frage, wo ich mich befand und wo die nächste Bushaltestelle war, antwortete der Mann jedoch nicht. „すみません。 私はスペイン語を話すないです。“* Eh? Was ist los? Okay, dass ‚Sumimasen’ Entschuldigung heißt, konnte selbst ich mit meinem Wissen zusammenkratzen. Aber… Warum zum Teufel verstand ich diesen dämlichen Kerl nicht?! Dieser ging einfach weiter und ließ mich kaltherzig zurück. „He!“, rief ich ihm hinterher, doch mein Rufen wurde durch die vorbeifahrenden Autos unachtsam übertönt. Was war das gerade bloß? Neuer Versuch, neues Glück – so hieß es zumindest, aber ich würde es auch allein schaffen. Dann blieb mir wenigstens noch genug Zeit, über alles Mögliche nachzudenken und außerdem wollte ich kein zweites Mal so konfrontiert werden. Tatsächlich fand ich nach einer Weile ziellosem Umherirrens eine Bushaltestelle. Dankbar darüber, dass der richtige Bus bereits dort stand, stieg ich ein. „Fahrkarte?“, begrüßte mich der unfreundliche Fahrer direkt. Zögernd zog ich ein Jahresticket aus der Hosentasche – Matsuda hatte es für mich besorgt. Grimmig ließ mich der Mann passieren. Ich setzte mich auf einen freien Platz ziemlich weit hinten. Völlig geschockt saß ich plötzlich kerzengerade da, als mir ein bestimmter Punkt auffiel. I-Ich habe ihn verstanden…! Seufzend drückte ich mich weiter in den Sitz, als der Bus endlich begann loszufahren. Die Busfahrt dauerte elendig lange, schon allein aus dem Grund, dass man draußen ständig nur das gleiche sehen konnte: Auto, Straße, Haus, Menschen. Zum zehntausendsten Mal an diesem Tag fragte ich mich, ob ich diese Szenerie ab nun für immer sehen würde. Oder konnte ich jemals zurück? Lachend winkelte ich meine Beine an. Die einzelne Träne, die ich bemerkte, wischte ich mir schlicht und einfach weg. Weiter versuchte ich es gar nicht, denn dieser einen Träne folgten noch hundert weitere. Mit einem Lächeln im Gesicht flossen sie mir die Wangen hinunter, bis sie schließlich auf meine Jeans tropften. Werde ich sie je wiedersehen? Meine Familie…? „Haltestelle…“, brüllte jemand ins Mikro. Den Rest des Satzes verstand ich nicht, ich wusste aber auch so, dass ich dort aussteigen musste. Gesenkten Blickes machte ich mich auf den Weg durch den Vordereingang, der blöde Busfahrer hatte die hintere Tür nicht aufgemacht. Ich wollte gerade an ihm vorbeigehen, als er mir mit seinem Arm den Durchgang versperrte und mich besorgt anblickte. Er hielt mir ein frisches Taschentuch hin, welches ich dankbar annahm. „Alles in Ordnung?“ Ich nickte, gleichzeitig rutschte mir jedoch ein leiser Schluchzer raus. Reiß dich zusammen! Ich lächelte den Mann mit einem Strahlen an und erklärte mit einer Stimme, die sich nichts anmerken ließ: „Ja, danke für das Taschentuch.“ Langsam verbeugte ich mich, während das Lächeln aus meinem Gesicht verschwand. Ohne großartig aufzusehen sprang ich die letzten Stufen aus dem Bus. Emotionslos wischte ich mir den Wasserfall aus den Augen. Wie gut, dass ich Schminke hasste, jedes andere Mädchen wäre an meiner Stelle ein Panda gewesen. Schweigend schlich ich die Straße entlang. Nur noch ein paar Meter bis zum Hauptquartier. Um die Zeit bis dahin noch ein wenig mehr hinauszuzögern, verlangsamte ich mein Schritttempo noch mehr, weshalb mich wahrscheinlich jede Schildkröte hätte überholen können. Am Liebsten hätte ich mich in irgendeiner Ecke verkrochen, denn ich musste wirklich furchtbar aussehen. Bereits als ich durch die Tür hinein kam, stürmte Matsuda auf mich zu. Gut, wenn Matsuda überreagiert hat das nicht viel zu bedeuten, aber auch L starrte mich mit weit geöffneten Augen an. Irgendwie war es mir unangenehm, die Blicke so auf mich zu ziehen, also versuchte ich, so gut es ging ein Pokerface zu machen oder vielleicht sogar zu lachen. Erstaunlicherweise gelang mir ein erneutes exzellentes Lächeln. Meine Gefühle im Tiefsten Inneren verborgen, setzte ich mich auf die Couch. Ich starrte einfach nur den Tisch vor mir an, nicht mehr. Allerdings vertraute Watari meiner Freude nicht ganz über den Weg. Er stellte einen Tee vor mir auf den Tisch und setzte sich anschließend neben mich, wobei er mir die Hand auf die Schulter legte. Sofort brach ich wieder in Tränen aus und ließ mich auf Watari fallen. Ein Schluchzer nach dem nächsten entwich meinem Mund, ohne dass ich etwas dagegen hätte tun können. Nach meinem kleinen Anfall bin ich zurück auf mein Zimmer gegangen. Explizit habe ich den anderen gesagt, nicht per Kamera beobachtet werden zu wollen, daher sollte ich relativ allein sein. Meine geröteten Wangen kühlte ich mit eiskaltem Wasser ab und meine Augen waren, wie ich leider feststellen musste, leicht geschwollen. Wieso musste ich auch plötzlich anfangen zu heulen? Und dann auch noch in der Öffentlichkeit und in Sonderkommission und – was noch viel schlimmer war – vor L. Wieso musste dieser verdammte Kerl mir eigentlich so wichtig sein?! Lieblingschara hin oder her, man sollte es nicht übertreiben. Das war wohl Regel Nummer Eins in der Animewelt. Regel Zwei lautete: Lass dir deine Gefühle nie von anderen anmerken, das würde auf Dauer peinlich sein. Seufzend ließ ich mich auf mein Bett fallen. Kaum vorstellbar, dass ich in so dreckigen Verhältnissen so lange ausharren konnte. Wenn ich jetzt darüber nachdachte, konnte ich nicht mal einen Monat in diesem einen Stockwerk bleiben. Ich drehte mich auf den Bauch und betrachtete schweigend die Bettdecke. Kein besonderes Muster, einfach nur weiß. Stinknormal. So würde ich auch gerne sein… Stattdessen war ich eher ‚das Mädchen mit den besonderen Kräften’ oder ‚Anime-Girl’ oder so etwas in der Richtung. Leider nur nicht freiwillig. Anfangs war es ja noch ganz nett, aber mittlerweile ging mir so einiges auf den Keks. Zum Beispiel würde ich echt gerne mal wieder etwas Deutsches hören. Aufgrund meiner seltsamen Laune sprang ich auf und rannte zum Schreibtisch innerhalb meines Zimmers, auf welchem ein zusammengeklappter Laptop lag. Vorfreudig startete ich ihn und rief letztendlich im Internetbrowser YouTube auf. Gerade als ich etwas eintippen wollte, hielt ich inne. Dieses ‚etwas’ störte mich. Wo hörte man den viel Deutsch? Nach reichlicher Überlegung kam ich auf Animes, von denen ich jedoch nur allzu verständlich die Schnauze voll hatte. Hastig tippte ich doch noch etwas ein, nämlich den Titel von meinem Lieblingsfilm. Nachdem ich noch ‚Hörspiel’ hinzugeschrieben hatte, hatte ich sofort einige Treffer. Gespannt wartete ich, während das Video für meinen Geschmack viel zu lange lud. Mit einem Klick startete ich das Video – und damit auch die Katastrophe. Zwar kam Ton aus dem Laptop und auch Bild war zu sehen, jedoch half mir beides nicht wirklich. Ich verstand nur Bahnhof von dem Gelaber. Entsetzten breitete sich auf meinem Gesicht aus, bevor ich geschockt alles schloss und eine Weile einfach nur wie eine leblose Hülle auf dem Stuhl hing. Deutsch. Das Video war deutsch…! Trotzdem hatte ich kein Wort verstanden, es klang einfach nur fremd in meinen Ohren. Was zur Hölle war nur mit mir passiert? Schon wieder seufzte ich, klappte dann den Laptop enttäuscht zu. Ich musste definitiv etwas an meiner jetzigen Situation ändern. Ich fragte mich, was wohl passieren würde, wenn ich einen Sprachkurs für Deutsch machen würde und letztendlich nicht mehr Akio sein würde. Eigentlich müsste ich dann Deutsch können, aber da es ja eigentlich meine Muttersprache war, musste ich es doch sowieso können!? Man, alles war plötzlich so verwirrend für mich. Scheinbar befand ich mich weder in meinem Körper noch in meiner ‚Welt’. Welt war nicht gerade ein passendes Wort, aber fand mal ein besseres! Du bist nicht mehr Michelle, du bist jetzt Akio…!, redete ich mir ein. Verzweifelt klang sie, meine Stimme, sogar in Gedanken. Ein Klopfen schreckte mich aus meinen Gedanken. „Ja? Es ist offen.“ Die Tür öffnete sich langsam und ein Junge mit erstaunlich schlechter Haltung betrat den Raum. Hastig setzte ich mich normal aufs Bett, entschloss dann aber doch aufzustehen. „Ist etwas?“ L blickte mich müde an – jedenfalls sah es so aus – und vergrub abwesend die Hände in den Taschen. „Nein. Ich wollte nur gucken.“ Was bitteschön meinte er mit gucken?! Lächelnd bot ich ihm an, sich hinzusetzen, was er sogleich tat. Ich nahm ihm gegenüber Platz. Natürlich wunderte es mich nicht, dass er so seltsam dort hockte, aber gewöhnungsbedürftig war es dennoch irgendwie. Nicht, dass ich es nur verdammt selten gemacht hatte, im Gegenteil. Jetzt wusste ich auch, warum sich meine Freundin immer so darüber aufgeregt hatte. Schweigend verbrachten wir unsere Zeit. Keiner von uns machte Anstalten sich zu bewegen oder etwas zu sagen, weshalb ich nach kurzer Zeit mies gelaunt war. „Also…“, versuchte ich ein Gespräch anzufangen. „Warum genau bist du hier?“ „Hab ich dir doch gesagt.“ Gelangweilt kaute er auf seinem Finger herum. Ich hingegen blickte in ernst und mittlerweile etwas zornig an. „Watari macht sich Sorgen um dich.“ Er gähnte laut, weshalb ich darauf schloss, dass es ihn nicht im Geringsten interessierte, wie es mir ging. Seltsamerweise spürte ich nun etwas wie Trauer in mir. Unerklärlich für mich, weil ich genau das Gegenteil vorher verspürt hatte. Am Liebsten hätte ich es nicht geglaubt, aber es stand mir beinahe aufs Gesicht geschrieben. Du bist wohl tatsächlich in ihn verknallt…! * Romaji: „Sumimasen. Watashi wa Supeingo o hanasu naidesu.“ Übersetzung: „Tut mir Leid. Ich spreche kein Spanisch.“ (Ich kann nicht garantieren, dass das richtig ist, da ich noch nicht so lange Japanisch mache. Danke für Verständnis ;)) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)