Noch eine Chance von Niekas ================================================================================ Kapitel 9: Flucht zurück ------------------------ Raivis auf seinem Schoß war mittlerweile wieder eingedöst, doch der Sturm draußen war kaum schwächer geworden. Ivan seufzte leise und betrachtete das kleine Häuflein Schnee, das sich neben der lose gegen den Rahmen gelehnten Tür gebildet hatte. Wenn es den ganzen Tag über schneite, würden sie es auch heute nicht in die Stadt schaffen. Er hatte seit Tagen nichts mehr gegessen. Zwar konnte ein Mensch es bis zu zwei Monate lang ohne Nahrung aushalten und eine Nation wie er theoretisch... nun, wie lange? Er hatte es noch nicht ausprobiert und hatte es auch eigentlich nicht vor. Sein Hunger war nicht so stark wie der, den er gespürt hatte, als es noch Hungersnöte unter seinen Kindern gegeben hatte. Das war noch gar nicht so lange her, wie es einem Menschen vorkommen mochte. Es gab Hunger, der vom Magen ausging, und solchen, der aus der Seele kam. Den aus dem Magen konnte er getrost ignorieren, dachte Ivan, zumindest so lange, bis sein Stoffwechsel ihn komplett im Stich ließ. Körperlicher Hunger war nicht so wichtig. Hinter sich hörte er ein leises Seufzen und Yekaterinas Stimme erklang. „Vanya?“ „Guten Morgen“, sagte Ivan und sah sich lächelnd zu ihr um. Yekaterina rieb sich die Augen und blinzelte ebenfalls in das Licht, das durch den Spalt neben der Tür fiel. „Schneit es immer noch?“ „Ja“, antwortete Ivan, folgte ihrem Blick und zog die Augenbrauen hoch. „Aber ich glaube, es ist weniger geworden.“ „Gegen Mittag wird es wohl aufhören.“ „Rätst du das, oder weißt du es?“, fragte Ivan schmunzelnd. „Ich bin recht gut im Raten“, erwiderte Yekaterina und lächelte. Sie setzte sich auf, betrachtete einen Moment lang Natalia neben sich und deckte sie zu. Natalia schüttelte leicht den Kopf, wachte aber nicht auf. „Wir sind alle mit unseren Kräften am Ende“, sagte Ivan leise und betrachtete Eduard und Toris, die sich noch immer im sicheren Abstand zu ihm auf dem Boden aneinander kauerten. „Ja“, sagte Yekaterina. „Aber bis in die Stadt werden wir es noch schaffen.“ „Und weiter?“ „Wenn du es weiter schaffst, werden wir dir folgen“, sagte Yekaterina und legte besorgt den Kopf schief. „Glaubst du, du schaffst es?“ „Ja“, sagte Ivan überzeugt. Ihm war kalt und sein Magen war leer, aber fiebrig fühlte er sich nicht mehr. Ein wenig Kraft war zu ihm zurückgekehrt, in der vergangenen Nacht oder schon über den letzten Tag, ohne dass er es bemerkt hatte. Es hatte zu viel anderes gegeben, um das er sich hatte kümmern müssen. „Das beruhigt mich“, sagte Yekaterina leise, aber für Ivans Geschmack sah sie noch immer zu besorgt aus. Das war Yekaterina, dachte er. Immer zu besorgt. Tatsächlich legte sich der Schneesturm gegen Mittag. Bis dahin waren alle aufgewacht und Raivis war von Ivans Schoß aufgestanden, um sich in der Hütte ein wenig die Beine zu vertreten. Es gefiel Ivan nicht richtig, ihn loszulassen, und er war froh, als sie wieder aufbrechen konnten. In der Nacht war so viel Schnee gefallen, dass die Straße endgültig nicht mehr zu erkennen war. Sie konnten sich gut an der Silhouette der Stadt orientieren und geradewegs darauf zu laufen, doch das Gehen war wesentlich beschwerlicher als auf der Straße. Wahrscheinlich liefen sie gerade über ein Feld oder eine unebene Wiese, dachte Ivan. Er sinnierte gerade darüber, wie lustig es eigentlich war, dass man unter dem Schnee nichts mehr davon erkennen konnte, als er hinter sich einen leisen Aufschrei hörte. „Was ist passiert?“, fragte Eduard. Ivan drehte sich um und sah, dass Natalia mit einem Bein fast bis zur Hüfte im Schnee versunken war. Yekaterina griff gerade nach ihrem Arm, um ihr wieder aufzuhelfen. „Was ist los, Bela? Hast du dir was getan?“ „Es geht schon“, erwiderte Natalia, klopfte Schnee von ihrem Mantel und versuchte, aufzutreten. Ihre Lippen wurden schmal, aber sie machte ohne größere Probleme einige Schritte vorwärts. „Verdammter Boden hier. Wir sollten die Straße wiederfinden.“ „Sie ist nicht zu sehen“, sagte Ivan. „Anstatt sie zu suchen, sollten wir lieber unsere Kräfte darauf verwenden, in die Stadt zu kommen. Geht es, Bela?“ „Alles in Ordnung“, sagte Natalia und nickte ihm kurz zu. „Ich könnte dich stützen“, schlug Toris ein wenig zu beiläufig vor. „Nicht nötig“, erwiderte Natalia und murmelte etwas, das wie „Schlappschwanz“ klang. „Gehen wir weiter?“ Ihr Ärger wirkte nicht echt, dachte Ivan. Nicht einmal ihre Abweisung Toris gegenüber hatte so kühl geklungen wie sonst. Sie hatte Angst, dachte er. Eine Verletzung in dieser Situation wäre das Schlimmste, was passieren konnte. Aber noch war nichts passiert. Noch kamen sie sehr gut voran, und solange sie vorsichtig waren, würden sie keine Probleme haben, die Stadt zu erreichen. „Passt auf, wo ihr hintretet“, sagte er, an alle gewandt. „Wir gehen weiter.“ Der Weg zog sich länger hin, als Ivan gedacht hatte. Als sie das erste Haus passierten und alle aufatmeten, begann die Sonne schon wieder zu sinken. Einige Meter weiter stießen sie wieder auf die Straße, die geräumt worden war. Das schien zwar bereits vor dem Schneesturm geschehen zu sein, aber immerhin war die Schneedecke so dünn, dass man die Straße wieder erkannte. Sie folgten dem Streifen, motiviert von dem ebenen Untergrund und der Aussicht, bald da zu sein. Die Häuser links und rechts wurden zahlreicher, die ersten Geschäfte und Straßenschilder tauchten auf. Andererseits wurde es zunehmend dunkler. Ivan war froh, als die Straßenlaternen angingen – sie spendeten Licht und waren für ihn ein eindeutiger Hinweis darauf, dass sie ihr Ziel erreicht hatten. „Da sind wir“, murmelte er, eher an sich selbst als an irgendjemanden sonst gerichtet. „Ja“, sagte Yekaterina. „Was machen wir jetzt?“ „Es sind kaum Menschen auf den Straßen“, sagte Eduard leise zu Toris und sah sich um. „Nun, es ist schon fast dunkel und eiskalt. Ich wüsste nicht, warum jemand auf den Straßen sein sollte.“ „Das ist nicht gut“, murmelte Eduard. „In einer Menschenmenge hätten wir leicht untertauchen können. Wahrscheinlich werden wir gesucht.“ „Wenn nicht, ist das jedenfalls ganz schön dumm von ihnen“, stimmte Raivis zu und kaute besorgt auf seiner Unterlippe. „Das stimmt wohl“, sagte Ivan. „Ich würde ungern an eine Polizeistreife geraten, als Fremder ohne Papiere. Man weiß ja nie.“ „Polizeistreife?“, fragte Yekaterina erschrocken. „Glaubst du, hier gibt es...“ „Ja. Da vorne zum Beispiel.“ Er deutete auf zwei dunkle Gestalten, die am Ende der Straße näher kamen. „Lassen wir uns lieber nicht sehen. Wer weiß, was sie davon halten, dass wir zwielichtigen Gestalten uns nach Einbruch der Dunkelheit hier herumtreiben...“ „Können wir ja nichts dafür, dass es um fünf schon dunkel ist“, sagte Raivis und zupfte seine Kapuze zurecht. „Still jetzt. Kommt hier rein.“ Sie bogen in eine Seitengasse ab, liefen weiter in die Dunkelheit und blieben am hinteren Ende hinter einem geparkten Auto stehen. Ivan hörte die Schritte der beiden Männer in einiger Entfernung auf dem Pflaster. Sicher würden sie nichts bemerken, dachte er. Sie hatten es in die Stadt geschafft, das war das oberste Ziel gewesen. Jetzt sollten sie ein wenig verschnaufen und sich ein neues Ziel suchen. „Ich glaube, sie sind weg“, sagte Ivan leise, nachdem die Schritte verklungen waren. Er drehte sich um und machte einen Schritt in Richtung der Straße, als er plötzlich das Gleichgewicht verlor. Hastig streckte er die Arme aus und stützte sich an der Wand ab. „Vanya!“, sagte Yekaterina erschrocken. „Was ist denn los?“ Nachdem die akute Gefahr, zu erfrieren oder verhaftet zu werden, fürs Erste gebannt war, meldete sich Ivans Krankheit wieder zurück, als wolle sie sagen, dass er seinen Körper lange genug vernachlässigt hatte. Er schüttelte den Kopf und lachte atemlos. „Ich glaube, so fühlt es sich an, wenn einem das Adrenalin ausgeht.“ „Du bist krank, Vanya“, sagte Natalia und griff nach seinem Arm. In ihren Augen lag mehr als Sorge, dachte Ivan verblüfft. Es war ein Ausdruck, den er nicht kannte. Zumindest nicht an Natalia. „Ich schaffe es trotzdem“, sagte er beruhigend und lächelte. „Ich bringe uns in Sicherheit, Bela. Wir haben es doch in die Stadt geschafft, oder?“ „Und jetzt?“, fragte sie und schüttelte den Kopf. „Wo wollen wir jetzt hin? Wir sind noch immer auf der Flucht, Vanya. Wir können nirgendwo unterkommen. Wir können nirgendwo sicher sein.“ „Wir gehen zu Feliks, dort können wir sicher sein.“ „Bis zu Feliks schaffen wir es niemals!“, schrie Natalia und schlug sich im nächsten Moment die Finger vor den Mund. „Du schaffst das nicht, Vanya“, fuhr sie leiser fort, und Ivan bemerkte überrascht, dass ihre Stimme zitterte. „Wir alle schaffen das nicht. Onkelchen lässt uns sicher schon suchen. Wenn wir jetzt zurückgehen, wird er uns verzeihen, Vanya. Wenn wir es nur nicht mehr länger hinauszögern...“ „Wir werden uns nicht stellen, Bela“, sagte Ivan fassungslos. „Das können wir nicht!“ „Warum nicht? Diese Flucht führt zu nichts. Wir können doch nicht vor unseren eigenen Leuten weglaufen, Vanya. Wir sollten auf sie zugehen und uns entschuldigen.“ Natalia holte tief Luft und strich sich mit leicht bebenden Fingern eine Haarsträhne hinter das Ohr. „So kann es doch nicht weitergehen, Vanya. Unsere Leute werden uns nichts tun. Wir können wieder zurückgehen und alles kann wieder wie früher sein.“ „Wie früher? Aber genau das will ich verhindern, Bela! Ich will nicht mehr, dass alles wie früher ist. Ich will, dass sich etwas verändert!“ „Verändert! Und wenn diese Veränderung nicht zum Guten, sondern zum Schlechten ist, Vanya? Was dann?“ Ivan sah sie ratlos an. Noch immer war da dieser Ausdruck auf ihrem Gesicht, den er nicht kannte – doch, er kannte ihn, aber nicht bei Natalia. Es war etwas, das Yekaterina viel zu oft an sich hatte, auch Raivis oder Toris, wenn er einen schlechten Tag hatte... und plötzlich erkannte er, was es war. „Du bist schwach, Bela“, flüsterte er, immer noch in der Hoffnung, es wäre nicht wahr. „Du hast Angst vor Veränderungen.“ Natalia starrte ihn an und ballte die Fäuste an ihren Seiten. „Wir müssen uns stellen, Vanya. Es gibt keine andere Möglichkeit.“ „Du willst, dass alles bleibt, wie es ist“, sagte Ivan. „Nicht wahr? Du verkriechst dich in dem, was du kennst, und fürchtest dich davor, etwas Neues auszuprobieren.“ „Etwas Neues? Ja, hier haben wir etwas Neues, Vanya! Und? Gefällt es dir? Ständig auf der Flucht zu sein, ständig gehetzt, sich keine Sekunde lang entspannen zu können, gefällt dir das etwa? Was war so schlimm an dem, was wir vorher hatten?“ „Was so schlimm daran war?“, wiederholte Ivan fassungslos. „Es war erträglich, wie es war. Mehr muss es nicht sein.“ „Doch, Bela“, sagte Ivan. „Es geht besser als nur erträglich. Glaub mir.“ „Aber es geht auch wesentlich schlechter“, murmelte Natalia. „Bitte, Vanya. Du bist krank. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sie uns kriegen. Warum sollten wir uns allen nicht den Stress ersparen? Wenn wir freiwillig zurückkommen, werden sie uns sicher verzeihen.“ „Uns verzeihen? Glaubst du, es wäre verzeihlich, was wir getan haben?“ „Ich weiß es nicht“, sagte Natalia und biss sich auf die Lippe. „Aber besser so als anders, Vanya. Du quälst dich doch nur, wenn du in diesem Zustand versuchst, weiter zu fliehen. Wenn man keine Chance hat, ist es besser, aufzugeben.“ „Erstens“, flüsterte Ivan, „ist es manchmal besser, etwas zu tun, obwohl es völlig nutzlos ist, obwohl man keine Chance hat – nur, damit man sich später nicht vor sich selbst schämen muss.“ „Und zweitens?“, fragte Natalia, ohne mit der Wimper zu zucken. „Zweitens haben wir eine Chance, Bela! Wir müssen es zu Feliks schaffen, er kann uns sicher helfen. So wie ich ihn kenne, weiß er, wo er uns verstecken kann. Und danach...“ „Irgendwann kriegen sie uns, Vanya“, unterbrach Natalia ihn. „Irgendwann kriegen sie uns doch sowieso.“ „Bist du mit dieser Einstellung auf die Flucht gegangen? Irgendwann kriegen sie uns ja sowieso?“ „Ich bin um deinetwillen mitgegangen, Vanya. Weil ich dich liebe. Und jetzt werde ich diese Flucht abbrechen... weil ich dich immer noch liebe.“ „Das kannst du nicht tun!“, rief Ivan und musste sich erneut an der Hauswand abstützen, um nicht hinzufallen. „Du kannst jetzt nicht alles hinwerfen, Bela! Wir sind so weit gekommen!“ „Aber weiter geht es nicht“, sagte Natalia. „Sieh es ein, Vanya. Wir hatten von Anfang an keine Chance.“ Ivan rang nach Luft und versuchte, sich zu beruhigen. Warum Natalia? Warum war es ausgerechnet sie, die sich dagegen sträubte, ihm weiter zu folgen – sie, die er am wenigsten von allen verletzen konnte, um sie dazu zu zwingen, weiter mitzukommen? Natalia war sein schwächster Punkt, dachte Ivan, auf die eine oder andere Art. Bei ihr hatte er sich darauf verlassen, dass sie ihm immer und überall hin folgen würde. Sie war sehr fixiert auf Personen, die mächtiger waren als sie – zu sehr und auf die falschen Personen fixiert, dachte er. Auf andere als die, von denen er ausgegangen war. Er wusste nicht, was er tun sollte. Zum ersten Mal seit dem Beginn ihrer Flucht wusste er wirklich keinen Rat mehr. „Bela“, meldete sich Yekaterina schüchtern aus dem Hintergrund. „Was willst du tun?“ „Wir müssen zur nächsten Polizeiwache gehen und uns dort melden. Sie können uns wieder nach Hause bringen.“ „Natürlich können sie das!“, erwiderte Ivan aufgebracht, doch Yekaterina griff beruhigend nach seinem Arm. „Wir werden weitergehen, Bela“, sagte sie leise. „So weit, wie es geht. Du solltest mit uns kommen.“ „Ich werde nicht mitkommen“, erwiderte Natalia fest. „Ich werde...“ „Da kommt jemand“, flüsterte Raivis plötzlich. „Wo?“ Er deutete nach vorn zur Hauptstraße. Im Licht der Straßenlaternen kamen zwei Schatten langsam der Querstraße näher. Schon wieder die Polizisten auf Streife, dachte Ivan. „Keine Angst. Wenn wir wieder still sind, werden sie uns auch diesmal nicht...“ „Bela!“ Yekaterina wollte nach Natalias Ärmel greifen, doch sie zog ihn im letzten Moment aus ihren Fingern. Natalias Blick war kühl und zu allem entschlossen. „Es ist um deinetwillen, Vanya“, murmelte sie kaum hörbar und machte sich mit zügigen Schritten auf den Weg, auf die näher kommenden Schatten zu. „Bela!“, keuchte Yekaterina und wollte ihr nach, doch Ivan griff nach ihrem Arm und zog sie wieder neben sich. Sein Herz schlug schnell. Sie durften nicht gesehen werden, auf keinen Fall. „Haltet sie auf“, zischte er und sah zu, wie die Schatten näher kamen. „Eduard. Toris. Irgendjemand. Haltet sie auf.“ Selbst wenn er die Kraft dazu gehabt hätte, hätte er Natalia nicht selbst zurückhalten können. Er hätte ihr nicht wehtun können. Eduard fingerte nervös an seiner Brille herum und drückte sich zusammen mit Raivis gegen die Wand, doch Toris kam dem Befehl nach. Er lief hinter Natalia her, rannte einige Schritte, um sie einzuholen, und erreichte sie. Sie fuhr herum, als er nach ihrem Arm griff, und funkelte ihn wütend an. Einen Moment lang fürchtete Ivan, sie würde schreien und die beiden Polizisten auf sich aufmerksam machen, doch sie tat es nicht. Toris drehte sie herum, drückte sie mit dem Rücken gegen die nächste Hauswand und küsste sie. „Der älteste Trick der Menschheit“, flüsterte Eduard irgendwo hinter ihm, und Ivan konnte nicht anders, als ihm stumm zuzustimmen. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Jeden Moment rechnete er damit, dass Natalia Toris wegstoßen und ihn anschreien würde, doch sie tat es nicht. Sie hob die Hände, verschränkte die Finger in seinem Nacken und ließ ihre Lippen noch immer auf seinen. Erstaunlich, dass sie nicht langsam Luft holen musste, dachte Ivan. Und noch erstaunlicher, dass sie Toris, den sie so sehr verachtete, nicht die Augen auskratzte, was er eigentlich von ihr erwartet hatte. Die Schatten wurden von ihren Verursachern eingeholt. Die beiden Polizisten bemerkten das Paar in der Seitenstraße gar nicht, oder wenn sie es bemerkten, sahen sie diskret darüber hinweg, ohne eine Miene zu verziehen. Wenige Sekunden später waren sie mitsamt ihren Schatten wieder verschwunden. Natalia löste sich von Toris und sah ihn prüfend an. Es sah fast aus, als lächle sie, bevor sie ihm etwas zuflüsterte. Ivan spitzte die Ohren, doch er verstand kein Wort. Toris wollte anscheinend noch etwas sagen, doch sie schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab und nickte zu Ivan und den anderen hinüber, die sich noch immer im Dunkeln versteckt hielten. Langsam nickte Toris, gab sich einen Ruck und kam wieder zurück. „Was ist passiert?“, fragte Ivan atemlos, sobald er vor ihnen stand. „Was sollte das gerade?“ „Natalia sagt, dass sie gehen und sich stellen wird“, antwortete Toris mit überraschend fester Stimme. „Aber sie wird uns nicht verraten und versuchen, uns so viel Zeit wie möglich zu verschaffen. Ivan... ich soll Ihnen ausrichten, dass sie Sie liebt.“ Ivan riss den Kopf in die Höhe, um an Toris vorbei zu sehen. Er erkannte gerade noch, wie Natalia um die Ecke auf die Hauptstraße einbog. Ihre Schritte waren entschlossen. Im nächsten Moment war sie nicht mehr zu sehen. Neben ihm begann Yekaterina leise zu weinen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)