Rainbow Alliance von VenusKaio (The last Gods on Earth) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Es war bereits Nacht in Berlin, und auf dem Flughafen Schönefeld, von dem sonst in kürzesten Abständen Maschinen in fast alle Richtungen der Welt starteten, war der Betrieb außerplanmäßig eingestellt worden. Es war ungewöhnlich ruhig, und unter einem traurig grauen Himmel lag das kantige Flughafengebäude, aus dessen hell erleuchteten Abflughallen die Augen wartendender Reisender auf das gerichtet waren, was sich im Schummerlicht auf der Startbahn Nummer 4 abspielte. Dort standen drei Menschen auf der dunkelgrauen Bahn, mitten zwischen den weißen Markierungen, die es den Flugzeugen erleichtern sollten sich zu orientieren. Das hoch gewachsene, blonde Mädchen in der Mitte trug ein seltsames Kostüm mit einem gelben Faltenrock, gelben Halbschuhen und einem schwarzen Oberteil, unter dem man eine weiße Bluse sehen konnte, und auf dem Kopf saß eine schwarze Baskenmütze mit einem regenbogenfarbenen Abzeichen. Sie hatte die Hände zu Fäusten geballt. Der Wind wehte eiskalt und ließ ihre langen Haare wie Meereswellen schwingen. Die gestrandeten Flugreisenden standen dicht gedrängt an den großen Glasfenstern und fragten sich, warum dieses Mädchen in so einem Aufzug am Flughafen war, da würde sie sich doch den Tod holen, und jeder, der jetzt draußen unterwegs war und in einem dicken Wintermantel steckte, war froh darüber. Die Temperaturen lagen nur knapp über dem Gefrierpunkt und der Wind verlieh der Kälte noch mehr Kraft. Lena aber blickte starr geradeaus. Sie stand mit dem Rücken zu Juliana und Vincent, die sich voller Erwartung an den Händen hielten. Was würde das ernste Mädchen mit den langen blonden Haaren jetzt wohl tun? Sie war die Hoffnung der Menschheit, sie allein hatte die Macht, das drohende Unheil abzuwenden. Doch davon ahnten die Zuschauer des Geschehens am Flughafen nichts. Sie hofften einfach, dass sie bald weiterreisen konnten und dass alles seinen gewohnten Gang nehmen würde, denn noch wussten sie nicht wie dramatisch die Lage tatsächlich war weil die Nachrichtensender, die auch pausenlos auf den Monitoren im Flughafen liefen, sich des Themas noch nicht angenommen hatten. Wahrscheinlich, weil die Ratlosigkeit dieser unbekannten Gefahr gegenüber zu groß war und niemand Panik verbreiten wollte. Lena schloss für einen Moment die Augen und sie atmete tief durch. "Macht euren Mist alleine, ich werde euch nicht helfen." Ohne sich noch einmal umzudrehen, marschierte sie an den großen Flugzeugen vorbei, die an den Gates parkten, und war hinter dem nächsten Shuttlebus verschwunden. Die eisige Nacht hatte sie verschluckt. Juliana, die sich sonst nicht so leicht vor den Kopf stoßen ließ, fand ihre Sprache kaum wieder. Ihre streng zusammengebundenen hellbraunen Haare klebten fast bewegungslos an ihrem Körper, doch ihre Jacke flatterte wild umher. Erst langsam realisierte sie, was Lenas Worte für die jetzige Situation bedeuteten. Auch ihr Mann Vincent, der sich seinen dicken Schal fester um den Hals wickelte, blickte Lena noch fassungslos hinterher, als sie längst nicht mehr zu sehen war. So war das nicht geplant gewesen. Eine Katastrophe! Mit einem geübten Handgriff zog Juliana ihr Handy aus der Tasche und wählte mit finsterem Blick eine Nummer. "Starten Sie den Helikopter, wir treffen uns in fünf Minuten am Osteingang!" Sie gab Vincent ein Zeichen, ihr zu folgen, und sprach weiter in das Handy. "Wir müssen sofort nach Weimar zurück. Hier ist was schief gelaufen." Mit einem lauten Schnappen klappte sie das Handy zu und drückte es in ihrer Faust zusammen, bis es knackte. Noch mal würde sie sich das nicht bieten lassen. Wie die Lichter Berlins ihr entgegenfunkelten, bekam Lena kaum mit, sie setzte einen Fuß vor den anderen und bemühte sich, nicht das Bewusstsein zu verlieren. Langsam löste sich ihre gelbe Uniform auf, was blieb, waren ein schlichtes T-Shirt und eine Jogginghose. Ihre Füße steckten in ein paar einfachen, braunen Schuhen, die viel zu dünn waren für die frostigen Temperaturen in der Nacht. Als sie einige Zeit gelaufen war, erschien wenige Meter vor ihr am Haus eines Cafés ein buntes, leuchtendes Reklameschild. Für einige Momente versank Lenas Blick in den Farben, sie machten sie froh und traurig zugleich. Sie sah, dass das Café noch geöffnet hatte, also trat sie ein und setzte sich an einen der kleinen runden Tische in der hintersten Ecke. Sie fühlte sich hin und her gerissen zwischen etwas, das sie noch nicht einsortieren konnte. Es war leicht gewesen, Juliana und Vincent vor den Kopf zu stoßen und den Kampf zu verweigern. Viel schwieriger war es, jetzt damit ins Reine zu kommen - den Standpunkt aufrechtzuhalten, obwohl sie innerlich vor Angst weinte. Lena schaute sich halbherzig im Laden um. Viele Waren lagen nicht mehr in der Theke, aber sie wollte auch nichts bestellen. Die Verkäuferin mit den stacheligen, schwarzen Haaren nahm es ihr nicht übel. Wenn jemand so kurz vor Ladenschluss hier auftauchte und so einen trübsinnigen Blick hatte, durfte man ihm ein stilles Plätzchen an einem Tisch nicht verwehren, solange bis er wieder Mut gefasst hatte, um weiterzugehen. Was die Verkäuferin nicht wusste, war, dass wenige Kilometer entfernt am Flughafen Schönefeld ein furchtbares Ungetüm tobte, und dass die Person, die das Wesen bekämpfen konnte, vor ihr saß und sich nicht vom Fleck rührte. Um ein Uhr nachts kamen Juliana und Vincent auf dem improvisierten Hubschrauberlandeplatz des Geländes von Schloss Belvedere an. Im Internatsgebäude waren bereits alle Lichter gelöscht. Doch Juliana war die Nachtruhe in diesem Moment egal, sie stürmte mit lauten Schritten durch die langen Flure, bis sie eines der hinteren Zimmer erreichte. Sie öffnete die Tür und fragte ins Dunkel hinein: "Katharina? Bist du wach?" Nichts rührte sich. "Es gibt Probleme!" Auf der Stelle kroch die 12jährige Katharina unter der Decke hervor, sie trug keinen Schlafanzug, sondern war schon fertig für die kalte Nacht angezogen. Sie schlüpfte rasch in die Schuhe hinein und lief ihrer finster dreinblickenden Mutter entgegen. "Was ist passiert?" "Member Yellow verweigert den Kampf." Katharina musste schlucken. Schnell wühlte sie im Dunkeln in einer ihrer Schubladen und kramte aus einem Kästchen einen funkelnden Schlüssel hervor. "Damit hätte ich nie gerechnet! Dass so etwas passieren kann, haben sie in der Prophezeiung nicht geschrieben!" Katharina schüttelte während sie sprach den Kopf, dann reichte sie ihrer Mutter die Hand und beide rannten los, wieder hinaus in die Nacht. Gerade hatte ein leichter Nieselregen eingesetzt. Beide überkam ein Schauer als sie das schützende Gebäude verließen. Die Temperaturen lagen jetzt leicht unter dem Gefrierpunkt und bald würde aus dem Regen Schnee werden. Katharinas und Julianas Weg führte vom Schüler-Wohntrakt am Hauptschloss vorbei in den angrenzenden Park, er war riesig und verwinkelt und schloss sich direkt an das Internatsgelände an. Doch die beiden wussten genau, wohin. Immerhin waren sie denselben Weg heute früh schon einmal gelaufen. Am Morgen hatten sie den mysteriösen Brief erhalten, mit dem sie eigentlich jeden Tag ihres Lebens gerechnet hatten, auch wenn sie ihn doch nie bekommen wollten. Der Brief, der automatisch von einer schwarzen Brieftaube überbracht wurde, enthielt nur zwei Sätze. Es ist soweit. Weckt sie auf. Seit Jahrhunderten war der Schlüssel, den Katharina jetzt in ihrer Hand hielt, im Besitz der Familie Bianchi gewesen, er war stets weitergereicht worden an das nächste Familienmitglied, zusammen mit dem Wissen, wie er einzusetzen war und welche Regeln für den Schlüsselwächter und die schlafenden Kriegerinnen galten. Juliana, Rektorin der Belvederer Akademie, mit dem stetig ernsten Blick, war Teil dieser Familie und kannte das Geheimnis um das mysteriöse Erbstück. Vor einem Jahr hatte sie beschlossen, ihre Tochter mit diesem Geheimnis vertraut zu machen und ihr den Schlüssel zu übergeben. Nun war junge Katharina die Schlüsselwächterin. Sie musste im Fall einer Katastrophe, die nun eingetreten zu sein schien, die Türen der uralten Burgruine öffnen, die tief im Schlosspark verborgen lag. Der unscheinbare Eingang in die verlassene Burg war überwuchert mit Sträuchern und jungen Bäumen, und schon lange hing ein Schild mit der Aufschrift "Einsturzgefahr" gut lesbar über dem Eingang. Doch selbst ohne dieses Schild hätte kaum jemand gewagt, einen Fuß in das Gemäuer zu setzen, das sich wirklich in einem erbarmungswürdigen Zustand befand. Die Wurzeln unzähliger Pflanzen hatten über die lange Zeit nach und nach den harten Stein erobert und drohten ihn an vielen Stellen zu sprengen. Auch der Umriss der Burg war über die Jahrhunderte weich geworden, die Witterung hatte sich hungrig an allem zu schaffen gemacht, was ihr zur Verfügung stand und auch nicht vor der alten, malerischen Burg Halt gemacht. Drinnen bahnte sich Katharina einen Weg über die Steinbrocken, die bereits von der Decke gefallen waren. Mit einem alten Haargummi hatte sie ihre schulterlangen hellbraunen Haare zusammengebunden, nichts durfte ihre Sicht beeinträchtigen. Sie suchte mit Hilfe ihrer Taschenlampe ein bestimmtes Loch in der Wand. Das Regenwasser war schon bis hier her durchgedrungen und hatte das Moos auf den alten Steinen aufquellen lassen, alles war glitschig und in höchstem Grade ungemütlich. "Beeil dich! Jede Minute kann ein Menschenleben kosten!" Juliana umklammerte sich selbst, als sie die langsam aufsteigende Kälte fühlte, sie hatte immer noch die dünne Jacke an, die sie auf dem Flughafen in Berlin getragen hatte. Von der Decke tropfte Wasser, das über ihre Nasenspitze lief und dann lautlos auf dem Steinboden aufkam. Auch ihre Haare waren bereits nass. Mit zitternden Fingern tastete Katharina weiter die feuchte Wand ab. Die ganze Nacht hatte sie schon wach gelegen und auf Erfolgsmeldungen von ihren Eltern gewartet. Eigentlich wollte sie das Geschehen im Fernsehen verfolgen, aber im Internatsalltag war der Fernseher ab 21 Uhr tabu, und der Fernsehraum blieb bis zum nächsten Tag verschlossen. Woher sollten die Lehrer auch wissen, was sich an diesem Abend in Berlin abspielen würde? Sie waren nicht eingeweiht in die Vorgänge und vollführten einfach ihren Dienst nach Vorschrift. Es war für Katharina zwar eine große Ehre gewesen, dass sie nun eine der größten Geheimnisträgerinnen in der Schule geworden war, aber ein Geheimnis war nicht so süß und verführerisch, wenn man wusste, dass es wirklich absolut niemand erfahren durfte. Es konnte zu einer richtigen Last werden, und Katharina hoffte, dass es nicht der Grund war, der ihre Mutter zu einem so ernsten Menschen gemacht hatte. Katharina wischte den Gedanken beiseite, im Moment gab es wichtigeres. Sie gab es auf, im schwachen Dämmerlicht nach dem Loch zu suchen, sie schloss die Augen und versuchte, sich auf ihre anderen Sinne zu konzentrieren. Irgendwo hier war es gewesen, eine unscheinbare Vertiefung in der Wand, die kein ungebetener Besucher in der alten Burg je bemerken würde. Irgendwo war sie zu finden. Dann glitt ihr kleiner Finger tatsächlich in eine Einbuchtung, die genau zu ihrem Schlüssel passte. "Ich hab's wieder gefunden!" Mit etwas mehr Gewalt als beabsichtigt rammte sie den alten Schlüssel in das Loch und drehte ihn mit beiden Händen um. Mit einem knirschenden Geräusch öffnete sich die bis dahin unsichtbare Tür. Schnell verschwanden Juliana und Katharina hinter ihr und stiegen die Stufen hinab. Hier war alles trocken, kein einziger Regentropfen hatte es bis hierher geschafft. Jetzt war nur noch das hektische Atmen der beiden zu hören, sonst blieb alles still. Der lange Gang wurde von kleinen Kerzen in ein schummeriges Licht getaucht. Katharina fragte sich, ob diese Kerzen eigentlich nie ausgingen? Heute Morgen waren die Kerzen genauso groß gewesen. Gab es jemanden, der sie auswechselte und neu anzündete? Eine unheimliche Vorstellung... "Welche Tür sollen wir jetzt öffnen?" Juliana knirschte vor Nervosität mit den Zähnen. "Die erste Tür hat uns kein Glück gebracht. Schau dich um, und entscheide dann." Den Schlüssel fest in der Hand, ging Katharina den Gang entlang. Heute Morgen, als sie die Ruine das erste Mal in aller Hektik betreten hatten, hatte sie sich keine Zeit genommen, den langen Gang mit den vielen verschlossenen Türen zu erkunden. Jede der steinernen Türen war in einer anderen Farbe gestaltet, jede mit unverwechselbaren, kunstvollen Verzierungen. Auf allen waren Reliefs mit jungen Frauen in langen Kleidern abgebildet und an manchen Stellen war der helle Stein schon so verwittert, dass man die Gesichter der Figuren kaum mehr erkennen konnte, einige wirkten wie Gespenster. Ganz am Ende des langen dunklen Ganges schien eine Treppe hinunterzuführen. Was sich dort wohl verbarg? Doch das war jetzt nicht wichtig, denn die Zeit drängte. Als Katharina einige Türen passiert hatte, erschrak sie. Die orangene Tür war vollkommen zerstört, Spinnweben hatten bereits die Überreste bedeckt. Das steinerne Bett in der Mitte des fensterlosen Raumes, auf dem eigentlich eine der legendären Kriegerinnen in ihrem ewigen Schlaf liegen sollte, war leer. Am Boden lagen nur die Überreste eines staubigen Kleids, das kaum noch als solches zu identifizieren war. "Member Orange ist ...", Katharina hörte für einen Moment auf zu atmen, "... tot." Auch Juliana stand jetzt hinter ihr und schaute in den Raum. "So furchtbar das ist, wir haben jetzt nicht die Zeit dafür. Such dir eine andere aus!", drängte sie. Katharina lief drei Türen zurück, holte Luft und steckte den Schlüssel in das Schlüsselloch der roten Tür. Mit einem lauten Klacken, das mehrfach im langen Gang widerhallte, sprang die Tür auf. Diesmal stimmte das Bild. Genau wie am Morgen, als sie die gelbe Tür geöffnet hatten, lag eine durchsichtige Gestalt auf dem großen Bett aus Stein. Die Wände, die den Raum umgaben, waren aus riesigen Felsblöcken gemauert. Einige schwere, uralte Vorhänge erweckten den Eindruck, als ob Fenster dahinter steckten. Sie waren aber nur Dekoration und bis auf das schummerige Kerzenlicht war der Raum unendlich finster. An der Wand hing in einem trüb gewordenen Glaskasten ein ringförmiger Gegenstand. Juliana öffnete den Kasten unsanft und holte das seltsame Objekt heraus. Sie wusste genau, wozu es diente. Dann drehte sie sich um, zu dem gläsernen Mädchen, auf das sie ihre Hoffnung setzten. Katharina stand schon dicht bei ihr und setzte einen Zeigefinger auf die Stirn der gläsernen Gestalt. Wie sie es bei Member Yellow getan hatte, zeichnete sie mit dem Finger einen Halbkreis nach und wiederholte es zweimal, es stellte ein stilisiertes Symbol eines Regenbogens dar und erst dieser Vorgang würde das Mädchen wieder zum Leben erwecken. Das Gesicht, das erst vollkommen ausdruckslos und wie tot war, schien nun Farbe zu bekommen und das Gesicht einer Schlafenden zu sein, und nach und nach wurde sie tatsächlich wach. Katharina erwartete, dass sie eine ähnlich imposante Kriegerin und Schönheit wie Member Yellow werden würde. Doch als sie sich langsam dem Bett näherten, um dem Mädchen beim Aufstehen zu helfen, stutzten sie für einen Augenblick. Das Mädchen war kleiner als Member Yellow, hatte die zu ihrer Türfarbe passenden feuerroten Haare und eine Menge Sommersprossen. Ihr Gesicht wirkte längst nicht so anmutig und edel wie das von Lena. Insgesamt war sie auf den ersten Blick eine Enttäuschung. Die Wimpern waren farblos, die Augenbrauen ebenso, die Lippen blass und kaum weiblich, sie sah aus wie ein Mädchen, das in der Schule immer gehänselt werden würde. Nichts von der Vorstellung der großen Retterin der Menschheit fand sich in ihr wieder. Dieses Mädchen, das gerade mal zwei Jahre älter als sie selbst zu sein schien, sollte nun vor so eine große Aufgabe gestellt werden? Katharina hoffte, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, und zweifelte schon an ihrem Entschluss. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)