Eiskalter Engel von Calafinwe (Loki/Jane Foster) ================================================================================ Kapitel 2: Puente Antiguo ------------------------- „Jane, schalte doch mal einen Gang runter!“, tönte es aus dem Lautsprecher, „Du brauchst einfach eine Pause.“ „Ich weiß auch nicht. Ich kann jetzt nicht aufhören, Erik, ich bin so nah dran.“ Die Astrophysikerin Jane Foster war von ihrem Arbeitstisch zum Bildschirm gegangen, auf dessen Mattscheibe sich das Konterfei des Forschers abbildete. Die beiden telefonierten via Skype über den letzten Stand ihrer Arbeit. Seit drei Jahren versuchte Jane nun, einen Weg nach Asgard zu finden. Sie hatte mit der Hilfe von Erik Selvig beträchtliche Fortschritte gemacht. Doch nach und nach hat sich herauskristallisiert, dass es ihnen vor allem an einer verlässlichen Energiequelle fehlte, um auch nur ein Wurmloch bis zum Mond zu öffnen. „Ich glaube, ich werde nie einen Weg finden...“, murmelte die junge Frau. „Hör mal, wieso machst du nicht ein paar Tage Urlaub und besuchst mich in Santa Fe? Nächste Woche findet hier ein Musikfestival statt, das wäre doch bestimmt interessant.“, schlug Erik vor. „Vielleicht...“ Jane dachte über sein Angebot nach. Natürlich wusste sie, dass es nur ein Versuch seinerseits war, sie allgemein von dem Thema abzubringen. War Erik vor drei Jahren selbst noch ganz versessen darauf, in eine andere Welt zu reisen, hatte seine Begeisterung mit der Zeit nachgelassen. Der Forscher unterstützte sie zwar nach wie vor bei ihrem Projekt, versuchte aber auch immer wieder, sie davon abzulenken. „Mal schauen, ich muss jetzt Schluss machen. Darcy kommt zu Besuch und wir wollten uns in einer halben Stunde treffen.“, erzählte sie, „Ich melde mich wieder bei dir!“ Erik warf ihr noch mal einen bekümmerten Blick zu und verabschiedete sich dann. Jane seufzte und fuhr den Computer herunter. Eigentlich hatte er Recht. Nachdem sie ziemlich bald eine Theorie aufgestellt hatte, wie sie einen Weg nach Asgard öffnen könnte, war das Problem der konstanten Energieversorgung nach und nach deutlich geworden. Die technischen Möglichkeiten sowie die vorhandenen Materialien ließen eine stabile Vorrichtung zur Öffnung eines Wurmlochs nicht zu. Etwas piepste und die Forscherin machte ihr Handy als Ursache aus. Eine SMS. Sie war von Darcy, einer jungen Studentin, die mittlerweile ihr Grundstudium in Politikwissenschaften abgeschlossen haben musste. ‚Na dann auf zu Izzy...’, dachte Jane. ~ „Wie geht’s dir so?“, fragte Darcy. Sie war aufgestanden und hatte Jane umarmt, als diese in das kleine Restaurant an der Hauptstraße gekommen war. Jetzt saßen die beiden Frauen an einem Tisch beim Fenster. „Gut, aber ich komm nicht weiter...“ Darcy nickte verstehend. „Noch immer kein Zeichen von ihm?“, fragte sie. „Nein.“, antwortete Jane, „Aber genug von mir, wie sieht es bei dir aus? Hast du dein Studium erfolgreich abgeschlossen?“ „Ja, ich bin jetzt offiziell Bachelor of Science mit B+.“ „Glückwunsch!“ Es war offensichtlich, dass Jane sich sehr für Darcy freute. Anfangs hatte sie mit ihrer damaligen Praktikantin etwas Schwierigkeiten gehabt, aber durch die Sache mit Thor waren die beiden Frauen zusammengewachsen. „Und willst du weitermachen?“, fragte die Astrophysikerin. „Auf jeden Fall! Ich hab schon einen Platz an der Universität von Albuquerque und werde im Winter anfangen können.“ „Das freut mich. Aber erzähl mal, wie geht es dir sonst so?“ Jane wollte noch nicht wieder auf ihre eigenen Probleme zurückkommen. Sie hoffte, dass Darcy das verstand. Abgesehen davon war es der Forscherin auch unangenehm, in Izzys Restaurant über ihr Projekt zu sprechen. Nach der Sache mit S.H.I.E.L.D. damals war sie gegenüber jedem misstrauisch. „Na ja, ich bin nicht mehr mit meinem Freund zusammen.“, erzählte Darcy. „Ach echt? Wieso das?“ „Wir haben uns einfach auseinander gelebt. Abgesehen davon möchte er zum Studieren nach Harvard gehen, aber dafür reicht mein Schnitt leider nicht.“ „Das ist aber schade.“ Die beiden Frauen schwiegen und Izzy kam, um ihnen Kaffee nachzuschenken. „Alles klar, Mädels?“, fragte sie, wartete eine Antwort aber nicht ab und ging zum nächsten Tisch. „Na, es freut mich in jedem Fall, dass du ein paar Tage bleiben kannst.“, eröffnete Jane, „Nachdem Erik vor einem halben Jahr abgereist ist, ist das Leben ziemlich eintönig geworden.“ „Das glaube ich gerne. Aber du hast doch sicher noch Kontakt zu ihm?“, vergewisserte sich Darcy. „Ja, wir telefonieren mindestens einmal die Woche. Aber er ist nicht gerade hilfreich.“ Die junge Studentin kicherte. Sie erinnerte sich noch gut an das Gespräch, das Erik mit Jane über die Geschichten aus seiner Kindheit geführt hat. Darcy war der Forscherin damals zur Seite gesprungen und gemeinsam hatten sie ihren Kontrahenten davon überzeugt, Thor zu befreien. „Und sonst hast du keine Kontakte geschlossen?“, fragte Darcy. „Nein. Aufgrund meiner ... Suche und dem, was damals geschah, bin ich ziemlich vorsichtig geworden.“, antwortete Jane. „Ist vermutlich besser so.“ Eine Weile betrachteten die beiden Frauen, was draußen vor sich ging. Puente Antiguo war ein verschlafenes Örtchen mit knapp 2.000 Einwohnern. Es lag ziemlich abseits zwischen Albuquerque und Las Vegas und die Bewohner bekamen vom Leben außerhalb nicht sehr viel mit. Immerhin gab es ein kleines Krankenhaus, doch für kompliziertere Operationen mussten die Patienten meist in eine Klinik nach Albuquerque oder Santa Fe gebracht werden. Letztendlich war das aber ziemlich egal, da sich beide Städte etwa gleich weit weg befanden. Auch sonst hatten die Bewohner alles, was sie zum Leben brauchten; eine Tankstelle, einen kleinen Supermarkt, eine Polizeistation sowie ein Postamt und nicht zu vergessen der Tierbedarfsladen. „Möchtest du noch was trinken?“, fragte Jane. „Nein, ich fürchte, nach meinen drei Kaffee wirst du mich jetzt schon nicht mehr aushalten können.“, antwortete Darcy. Trotz allem schien die Studentin aber nicht mehr so nervig zu sein, wie sie es früher war. Jane glaube sogar, ein paar einzelne graue Haare in der dunkelbraunen Mähne entdeckt zu haben, sah aber nicht genauer hin. „Du kannst auch bei mir pennen, ich habe jetzt eine zusätzliche Couch.“, meinte Jane. „Ach tatsächlich?“ „Ja. Na ja, ich brauch ab und zu eine Pause und während dem letzten Winter hatte es oft geschneit, da konnte ich dann nicht aufs Dach rauf. Außerdem hat Erik da geschlafen, während er hier war.“ „Oh.“ „Du hast hoffentlich nichts dagegen?“ „Nein nein... Na dann lass uns mal aufbrechen, bevor wir hier noch Wurzeln schlagen.“ Jane legte ein paar Dollarscheine auf den Tisch, um für sich und Darcy zu bezahlen und die beiden verließen das Restaurant. Die Sonne knallte regelrecht vom Himmel. Seit einigen Tagen erlebte New Mexico eine Hitzewelle, die vom anderen Stern zu sein schien. Die Tornadosaison war glücklicherweise seit einigen Wochen vorbei, trotzdem machte das Wetter den Menschen zu schaffen. Es gab bereits ein Opfer, das wegen Dehydrierung gestorben war und Jane schloss nicht aus, dass weitere folgten, wenn das heiße Wetter anhielt. „Ich hab mein Baby gleich hier drüben.“, meinte Darcy. Sie waren nach links abgebogen und die junge Studentin zeigte in die Seitenstraße, die hier wegführte. Dort stand ein kleines rotes Auto. „Ein Chevrolet?“, fragte Jane. „Ja. Ist aber von meiner Mutter geliehen. Dafür mit Klimaanlage.“ „Ich fürchte, die wird bei den derzeitigen Temperaturen den Geist aufgeben.“ „Gut möglich.“ Darcy schloss das Auto auf und sie öffneten erst einmal beide Türen, um die größte Hitze entweichen zu lassen. Nach fünf Minuten stiegen sie ein und die Studentin lenkte den Wagen auf die Hauptstraße hinaus und bog an der Kreuzung bei der Tankstelle rechts ab. Ganz am Ende lag das Forschungslabor von Jane. „Musst du noch irgendwo hin?“, fragte Darcy. „Nein, ich habe die Einkäufe schon heute Vormittag erledigt.“ „Gut, dann ab nach Hause, sozusagen.“ Darcy tuckerte gemütlich dahin und hielt an der einzigen roten Ampel im Ort. Viel war nicht los auf den Straßen, die Leute suchten Schutz in den Gebäuden. Als die Ampel auf grün sprang, fuhr die Studentin ruckelnd an und kam zehn Minuten später zwischen dem Forschungslabor und Janes Wohnwagen zum stehen. Die Klimaanlage war bei der Hitze nicht mal angesprungen. „Da wären wir.“, meinte Darcy, „Irgendwie hat sich nichts verändert.“ „Na ja, ich habe einige Geräte mehr, die sich mit Energiegewinnung befassen, aber nichts wirklich Brauchbares.“ Sie verließen den Chevrolet und Darcy holte eine kleine Reisetasche aus dem Kofferraum. Jane schloss die Tür auf. Seit dem Vorfall mit S.H.I.E.L.D. vor ein paar Jahren war sie vorsichtig geworden. Aber eine abgeschlossene Tür würde einen Dieb wohl auch nicht lange aufhalten. „Ich verschwinde mal kurz...“, meinte Darcy. Sie lief Richtung Toilette und Jane ging zum Anrufbeantworter hinüber, an dem ein rotes Licht fröhlich vor sich hinblinkte. Sie drückte auf Play und das Gerät setzte sich mit einem Kratzen in Bewegung. „PIEP! Hier ist der Anschluss von Jane Foster, ich bin leider nicht zu erreichen. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht. PIEP! ‚Jane, das wird dich vermutlich interessieren. John und Grace haben in der Wüste einen Verrückten aufgelesen und ihn ins Krankenhaus gebracht. Nach dem, was er an hatte, ist er bestimmt ein Bekannter von Thor. Aber du solltest dich beeilen, die Polizei scheint schon unterwegs zu sein.’ PIEP!“ Die Physikerin war stocksteif geworden und starte auf den Anrufbeantworter. Sie hatte Barry sofort an der Stimme erkannt. Er war Izzys Sohn und mit einer Krankenschwester liiert, soweit Jane wusste. Darcy kam zurück. „Los, wir müssen sofort ins Krankenhaus!“, rief Jane. Sie lief los, packte ihre Besucherin am Arm und zerrte sie wieder hinaus in die glühende Sonne. „Was ist denn los?“, fragte Darcy verwirrt. „Erzähl ich dir gleich... Los, steig ein!“ Beide schlüpften schnell hinter die Frontschreibe. In der Eile vergaß Jane sogar, ihr Labor abzuschließen. „Ist etwas passiert?!“, fragte Darcy besorgt, während sie den Motor anließ. „Es kam wieder einer hindurch.“, meinte Jane nur. „Ah.“ Darcy brauchte nur einen Blick auf Jane zu werfen, die jetzt wie ein aufgescheuchtes Reh aus dem Auto sah. Die Studentin gab Gas und hetzte zum Krankenhaus. Auf dem Weg dort hin hätte sie fast eine rote Ampel überfahren, war aber im letzten Moment noch auf die Bremse getreten. „Bist du verrückt? Wir müssen uns beeilen, sonst kommt uns S.H.I.E.L.D. womöglich zuvor!“, rief Jane aufgeregt. „Ich riskiere aber nicht meinen Führerschein!“, erwiderte Darcy. Sie trat das Gaspedal durch, als die Ampel auf orange sprang und fegte über den Asphalt. ~ Helles Licht strahlte von der Decke und es sah trostlos aus in dem Raum. Er war zweifelsohne verlegt worden, denn in dem Zimmer gab es nicht so viele Geräte wie anfangs, als er hier her gebracht wurde. Loki sah sich interessiert um. Ein Landschaftsgemälde hing an der Wand und rechts hinter ihm gab es einen Apparat, der aber nicht zu arbeiten schien. Der junge Mann fühlte sich seltsam ruhig. Ein flaues Gefühl in seiner Magengegend verdeutlichte ihm, dass er dringend etwas zwischen die Zähne brauchte, aber ansonsten fühlte er sich wohl. Von der Erschöpfung, die ihn draußen in der Wüste geplagt hatte, keine Spur. ‚Na dann wollen wir mal...’, dachte er und versuchte, sich aufzurichten. Es gelang ihm nicht. Etwas zerrte an seinem Oberkörper, als er sich aufrichten wollte und auch die Arme konnte er nicht bewegen. Der Magier sah an sich herab und bemerkte schwarze Gurte, die ihn auf dem Bett fixierten. ‚Das darf doch nicht... Was erlauben die sich eigentlich?’ Ob die das mit Thor damals auch gemacht haben? Loki ließ sich zurück sinken und dachte über seine Situation nach. Für ihn war es kein Problem, unbemerkt aus diesem so genannten Krankenhaus zu entkommen, aber dafür musste er sich erst einmal frei bewegen können. Als er sich erneut umsah, fiel ihm auf, dass seine Kleidung zusammengelegt auf einem Stuhl an der Wand lag. ‚Haben die etwa...?’, dachte er. Tatsächlich. Loki trug nur noch einen dünnen Kittel in weiß. ‚Jetzt reicht’s!’ Er lehnte sich zurück, schloss die Augen und konzentrierte sich auf den Gurt, der seine Brust sowie seine Arme am Bett festband. Schnell hatte er das Gewebe dazu gebracht, sich zu destabilisieren. Es wurde weich wie Gummi und Loki konnte seine Hand hindurch ziehen. Doch weiter kam er nicht. Die Tür ging plötzlich auf und eine Krankenschwester kam herein. Der Patient schreckte hoch, soweit ihm das in seiner Lage möglich war und legte seinen rechten Arm dann unauffällig zurück auf das Bett. Vielleicht fiel ihr es ja nicht auf, dass er sich befreit hatte. Es war eine etwas dickliche Frau und ihre seltsam gelben Haare waren in einem Zopf zusammen gebunden. Sie wirkte unangenehm auf Loki und er hielt den Mund. „Ah, Sie sind ja doch schon wach.“, sagte sie. Erst jetzt sah er, dass die Frau ein Tablett vor sich her balancierte. Sie stellte es auf ein kleines Seitentischchen und betrachtete ihn dann. „Nanu? Da war wohl jemand nicht sorgfältig genug.“ Der Schwarzhaarige sah sie enttäuscht an, als sie seinen rechten Arm wieder in die Schlinge band. Solche Übungen waren für ihn ein Klacks, aber er hatte keine Lust, sie wiederholen zu müssen. „Gleich kommt der Onkel Doktor und dann gibt es Essen!“, verkündete sie fröhlich. Der junge Mann brummte nur zur Antwort. Er hatte schon darüber nachgedacht, den Geist der Krankenschwester zu verwirren, aber wenn gleich noch jemand kam, konnte er sich das abschminken. Es würde nicht unbemerkt bleiben, wenn das Personal sich anders als sonst verhielt. Um Nebel zu erzeugen, in dem er verschwinden konnte, brauchte Loki seine Hände. Außerdem zweifelte er daran, dass er es mit dieser Taktik überhaupt hinaus aus dem Gebäude schaffen würde. Loki schloss die Augen. Ohne Hilfe würde er hier wohl nicht heraus kommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)