Courage von Yurippe ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Sobald sie aus dem Zug gestiegen und die Erstklässlerinnen in Hagrids Richtung verwiesen hatte – nicht dass man ihn hätte übersehen können -, ging Eleanor hinüber zu den Kutschen, welche die älteren Schüler zum Schloss brachten. Wenn sie schnell genug war, konnte sie vielleicht eine ruhige Fahrt mit ein paar anderen „Übriggebliebenen“ verbringen, wo jeder jeden in Frieden ließ. Zu ihrem Pech waren die meisten Kutschen schon voll, und die wenigen mit freien Plätzen schienen mit Cliquen besetzt und wenig einladend zu sein. Seufzend ging Eleanor im Kopf ihre Optionen durch und entschied sich dann für eine, die einige Slytherins aus ihrem Jahrgang beherbergte, welche sich nie großartig für sie interessiert hatten. Mit einem knappen „hallo“ kletterte sie hinein und holte ihr Lehrbuch von vorher heraus, um zu signalisieren, dass sie wirklich nicht in die Konversation miteinbezogen werden wollte. Nichtsdestotrotz kam sie jedoch nicht umhin zuzuhören, vor allem da es schon zu dunkel war, um tatsächlich zu lesen. „Mann, ich bin am Verhungern“, beschwerte sich der Junge ihr gegenüber. „Hätten die ihre blöde Befragung nicht machen können, während der Zug weiterfährt?“ „Viel besser wäre doch, wenn sie uns das Ding gleich erspart hätten. Als ob irgendwelche Muggelstämmigen sich jetzt in die Schule trauen würden“, meinte das Mädchen neben Eleanor. „Mit allem, was in letzter Zeit passiert ist, müssen die sich alle fürchten, sofort in Askaban zu landen, wenn sie erwischt werden, oder schlimmer.“ Eleanors Vorstellung dieses „Schlimmeren“, auf das Belinda – so hieß das Mädchen, wenn sie sich recht erinnerte - anspielte, ließ sie erschaudern. Dummerweise erregte ihre Bewegung die Aufmerksamkeit eines grobschlächtigen Jungen in der entgegengesetzten Ecke des Wagens, den sie beim Einsteigen nicht gesehen hatte, sonst hätte sie es sich sicher zweimal überlegt. „Der Unterricht hat doch noch nicht mal angefangen und du hast schon die Nase in einem Buch, Foster? Willst wohl die neue Oberstreberin werden, jetzt wo das Schlammblut Granger nicht mehr da ist?“, spottete er und fixierte sie mit seinen schmalen dunklen Augen. Bevor sie antworten konnte, sagte jedoch eine Stimme hinter Belinda: „Dein eigener Blutstatus verbessert sich sicher nicht, indem du andere als 'Schlammblut' bezeichnest, Wilkinson.“ Eleanor erkannte die Stimme als die von Jonathan Owens, einem Jungen, mit dem sie während ihrer früheren Hogwarts-Jahre ab und zu einige freundliche Worte gewechselt hatte. „Das kannst du leicht sagen, Owens“, blaffte der Junge namens Wilkinson. „Aber über mich wird immer noch das Gerücht verbreitet, ich sei ein Halbblut.“ „Was du ja auch bist“, kommentierte der erste Junge, der inzwischen auf einem Schokoladen-Frosch herumkaute. „Nicht dass wir uns darum scheren würden.“ „Bin ich nicht!“, beharrte Wilkinson. „Hör auf, Außenseitern komische Ideen einzupflanzen!“ Er schielte unsicher in Eleanors Richtung. „Ach, komm schon, als ob sie sich darum kümmert, ob du ein Reinblut oder ein Troll bist.“ Das dunkelhaarige Mädchen, welches zwischen Wilkinson und Irving saß, warf Eleanor einen entschuldigenden Blick zu. Wilkinson ließ jedoch nicht so leicht locker. „Was heißt hier, 'komm schon', Ava! Vielleicht ist es dir entgangen, aber die war früher genauso penibel, was das Wort 'Schlammblut' angeht, wie Owens. Und dann, sobald Potter verkündet, der Dunkle Lord sei zurück, lässt sie das plötzlich durchgehen? Woher willst du denn wissen, dass sie nicht einfach nur eine Opportunistin ist und versucht, uns an die Todesser zu verpfeifen, um selbst besser dazustehen?“ Ausgerechnet von einem Slytherin als Opportunistin bezeichnet zu werden gefiel Eleanor überhaupt, aber sie behielt diesen Kommentar lieber für sich, um nicht die gesamte Belegschaft der Kutsche gegen sich aufzubringen. Aber es schockierte sie, dass jemand so von ihr denken konnte, als würde sie ihre Mitschüler ausspionieren und verraten, ohne mit der Wimper zu zucken. Das war doch sicher nicht die allgemeine Meinung über sie? Ihr Herz sank als Belinda in ihrem Sitz von ihr wegrutschte. Doch wenn sie ehrlich war, verstand sie Wilkinsons Sorge. In den letzten zwei Jahren hatte sie tatsächlich den Kontakt mit Anderen so weit wie möglich gemieden. „Vielleicht hat sie einfach aufgegeben, weil du hoffnungslos bist?“, warf der hungrige Junge namens Irving zwischen zwei Happen seines nächsten Schokoladenfrosches in die Runde. „Du bist ein hoffnungsloser Vielfraß“, gab Wilkinson zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Aber bitte, glaubt doch, was ihr wollt. Kommt aber bloß nicht heulend zu mir, wenn die euch verrät. Ernsthaft, das Mädchen hat nicht ein Wort gesagt, um sich zu verteidigen; ich wette, sie macht sich im Kopf Notizen über uns.“ „Mit der Notiz zu dir als 'nicht ganz richtig im Kopf', wette ich“, kommentierte Ava und rollte mit ihren grauen Augen, bevor sie wieder zu Eleanor sah. „Womit er Recht hat, ist aber dein plötzlicher Gesinnungswandel. Wie kam's?“ „Dazu gibt es nicht viel zu sagen“, erwiderte Eleanor und bemühte sich, dem stechenden Blick des Mädchens standzuhalten. Zwei Befragungen, erst von Todessern, dann von Schulkameraden, bevor das Schuljahr überhaupt angefangen hatte, waren keine angenehme Erfahrung. Und während sie die erste noch irgendwie erwartet hatte, hatte letztere sie überrascht. Immerhin hatte sie doch die letzten zwei Jahre in Hogwarts relativ unbehelligt verbracht und kaum mehr als das Nötige an Konversation mit den anderen Schülern betrieben. Wirkte ihr Verhalten wirklich so verdächtig? „Ich wollte einfach nur für mich sein und lernen, wisst ihr, erst für die ZAGs und dann für die UTZs.“ An dieser Stelle konnte sie aus Wilkinsons Husten eindeutig das Wort „Streberin“ hinaushören, wofür Ava ihm den Ellbogen in die Seite rammte. „Ich frage mich, ob wir überhaupt dazu kommen, die UTZs zu machen, jetzt wo Professor Dumbledore... nicht mehr da ist. Es waren schon Todesser im Zug, wer sagt denn, dass nicht noch mehr in Hogwarts sein werden?“, fragte Belinda, die ein Stück zurück in Eleanors Richtung gerutscht war, und lenkte somit von der Befragung ab. „McGonagall würde keine Todesser in Hogwarts erlauben“, erklärte Ava, doch ihr Gesichtsausdruck wirkte weit weniger überzeugt als ihr Tonfall. Wilkinson schnaubte. „Und was ist dann Snape?“ „Glaubt ihr wirklich, Snape hat Dumbledore ermordet?“, fragte Irving. „Ich kann mir das einfach nicht vorstellen. Ich meine, ich kann mir generell niemanden vorstellen, der Dumbledore umbringen kann, aber Snape...“ „Er ist der einzige Lehrer in Hogwarts, der für Slytherin ist und nicht gegen uns. Dumbledore war sicher ein großer Zauberer und so, aber er hat immer Gryffindor bevorzugt. Es ist einfach nicht fair.“ Auf Belindas Worte hin schwiegen sie alle für eine Weile. Eleanor taten ihre Mitschüler leid. Während sie als eher stille Ravenclaw auch nie besonders viel Aufmerksamkeit bekommen hatte, vor allem im Vergleich mit den lauten Gryffindors, war es für die Slytherins sicher besonders schwer. Ständig wurden sie vom beliebteren Haus in die Rolle der Antagonisten gedrängt. Wenn sie sich an vergangene Quidditschspiele zurückerinnerte, hatten sie auch kaum jemals Unterstützung von den anderen Häusern erhalten, und zu den meisten Spielen von Gryffindor gegen Slytherin hatten sowohl Ravenclaw als auch Hufflepuff die rote Seite unterstützt. „Mag ja sein, aber Leute als 'Schlammblüter' zu bezeichnen, macht unsere Situation nicht gerade besser.“ Eleanor hatte sich schon gewundert, ob Jonathan Owens noch irgendetwas sagen würde, bevor ihre Fahrt beendet war. „Auch wenn es nur einige von uns tun, ruiniert es doch den Ruf des ganzen Hauses“, sagte er ruhig. „Da gibt es ja nicht mehr viel zu ruinieren, oder?“ erwiderte Wilkinson ebenso ruhig. Bevor jemand von ihnen antworten konnte, kam die Kutsche zum Stillstand und die sechs Schülerinnen und Schüler kletterten hinaus, um die letzten paar Meter zum Schloss zu laufen. Eleanor war zu sehr in die Konversation vertieft gewesen, um wie sonst aus dem Fenster zuzusehen, wie sich ihr Ziel näherte. Vielleicht war es nur ihre Einbildung, aber Hogwarts erschien ihr dunkler, als sie es aus den Vorjahren in Erinnerung hatte. Vielleicht war es aber auch einfach das Licht, immerhin waren sie ja auch später als sonst angekommen. Während alle anderen auf das Tor zueilten, vermutlich schon halb verhungert, ließ Eleanor sich etwas zurückfallen. Sie war immer gern zur Schule gegangen, aber nun, da sie nicht wusste, was sie hinter den hohen hölzernen Türen erwartete, graute es ihr sogar etwas davor. Sie bezweifelte zwar, dass der Dunkle Lord höchstpersönlich sich selbst zum Direktor ernannt hatte und nun in der Großen Halle saß, aber selbst wenn nicht, würde es sich durch seine Übernahme des Ministeriums so anfühlen. Für einen Moment überlegte sie, an Ort und Stelle umzukehren und nach Hause zu fahren, doch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, hatte sie den Eingang erreicht und wurde von Filch, der hinter ihr die Tür schließen wollte, hineingestikuliert. Die Große Halle wirkte im Vergleich zu den Vorjahren leer und leblos. Eine große Anzahl von Schülern fehlte, wobei Slytherin noch die geringsten Verluste zu verzeichnen hatte. Anscheinend waren dort weniger Muggelgeborene unter den Schülern gewesen als in den anderen Häusern, was Eleanor in Anbetracht der Einstellung mancher – wenn auch nicht aller – Slytherins nicht verwunderte. Auch aus ihrem Jahr fehlten einige Schüler, darunter ein Mädchen und zwei Jungen aus Ravenclaw. Eleanor fragte sich, wo sie wohl nun waren, da ihre eigene Schule, ihre eigene Gesellschaft es deutlich gemacht hatte, dass sie nicht mehr willkommen waren und bestraft werden würden, falls man sie aufgriff. Um sie herum flüsterten alle aufgeregt untereinander, bemüht an Informationen zu fehlenden Freunden und Klassenkameraden zu kommen. Von dem üblichen Gelächter, welches sonst das Fest zum Schuljahresbeginn begleitete, war nichts zu hören; stattdessen wanderten viele ängstliche Blicke hinauf zum leicht erhöhten Frontteil, wo das Lehrpersonal saß. In der Mitte, auf Dumbledores ehemaligem Stuhl, saß Professor Snape und trug seine übliche düstere Miene zur Schau. Eleanor blickte zu Professor McGonagall, die an der Tür zum Nebenraum stand und sich keine Mühe gab, ihren offensichtlichen Missmut mit dieser Entwicklung zu verbergen. Dann stand Snape langsam auf, und in der Halle wurde es leise. „Schüler von Hogwarts, willkommen zurück im neuen Schuljahr.“ Irgendwie fühlte Eleanor sich nicht besonders willkommen. „Wie Sie vielleicht erwartet haben, gibt es einige Personaländerungen, über die ich Sie nun informieren werde. In Folge von Professor Dumbledores Ableben wurde ich zum neuen Leiter von Hogwarts ernannt.“ Mehrere Schüler stießen überraschte Laute aus, und wer von der Nachricht nicht zu schockiert war, diskutierte sie mit seinen Nachbarn. „Ruhe!“, donnerte Snape. In der Halle wurde es wieder still, aber gerade als der neue Schulleiter seinen Mund öffnete und wieder zum Sprechen ansetzte, rief jemand: „Mörder!“ Wieder wurden Laute der Überraschung ausgestoßen und murmelnd Gespräche begonnen, doch dieses Mal drehte sich jeder in Richtung des Gryffindortisches um. Neville Longbottom war aufgestanden und sah Snape wütend an. „Erst bringen Sie Dumbledore um, und jetzt wagen Sie es, seinen Platz einzunehmen?“ Einen Moment lang starrten Snape und Neville sich gegenseitig an. Niemand sagte ein Wort, und einige Schüler hielten sogar den Atem an. Dann sagte Snape in seinem üblichen knurrenden Ton: „Wenn ich Sie wäre, Longbottom, würde ich Anschuldigungen, die ich nicht beweisen kann, für mich behalten. Wir wollen ja nicht, dass Sie nachsitzen müssen, bevor der Unterricht überhaupt angefangen hat. Das Gleiche gilt für Sie, Weasley“, fügte er mit einem Blick auf Ginny Weasley hinzu, die neben Neville aufgestanden war. „Und für Sie“. Dieses Mal sah er zum Ravenclawtisch hinüber, wo Luna Lovegood sich ebenfalls erhoben hatte. „Setzen Sie sich, alle. Ich werde Ihre Fehltritte heute Ihren leeren Mägen zuschreiben und alle weiteren Ankündigungen auf nach dem Essen vertagen, wo ich erwarte, dass sie schweigend aufgenommen werden. Dasselbe gilt für die Häuserauswahlzeremonie. “ Er setzte sich wieder auf seinen – oder Dumbledores – Stuhl und Professor McGonagall winkte die Erstklässler auf die Bühne. Eleanor folgte dem Geschehen nicht sehr aufmerksam, und bevor sie wusste, dass es vorbei war, erschienen mit Essen beladene Teller auf den Tischen. Nicht jeder bediente sich jedoch. Einige waren beschäftigt damit, die neuesten Geschehnisse zu besprechen, und andere, wie Eleanor, hatten schlicht und einfach den Appetit verloren. Nachdem sie wenigstens genug hinuntergewürgt hatte, um nicht mitten in der Nacht hungrig aufzuwachen, stand Snape wieder auf, um die 'weiteren Ankündigungen' zu machen, von denen er gesprochen hatte. „Hiermit stelle ich die zwei neuen Vizerektoren von Hogwarts, Alecto und Amycus Carrow, vor.“ Kein Wunder, dass McGonagall aussah, als würde sie auf einer Zitrone kauen. Sie, die eigentlich die neue Direktorin hätte werden müssen, war nun nicht einmal mehr Vizerektorin. Eleanor kam nicht umhin ihre Lehrerin, die sie immer aufgrund ihrer Fairness gegenüber allen Schülern geschätzt hatte, zu bemitleiden. „Professor Alecto Carrow wird dieses Jahr Mugglekunde übernehmen und ersetzt damit Professor Burbage. Das Fach ist für alle Schüler obligatorisch.“ Lautes Stöhnen und Proteste ertönten in der Halle, bis Snape wieder für Ruhe sorgte. „Verteidigung gegen die Dunklen Künste wird von Professor Amycus Carrow unterrichtet werden.“ An dieser Stelle blickte Snape selbst etwas säuerlich drein. Jeder wusste, dass er den Posten schon immer haben wollte, und nun, wo er ihn endlich im Vorjahr errungen hatte, musste er ihn wieder aufgeben. Er schien jedoch niemandem besonders leid zu tun, nicht einmal den Slytherins. Die Veränderungen, die er angekündigt hatte, kamen bei den Schülern Hogwarts' nicht besonders gut an. „Ich empfehlen Ihnen dringend, auf Ihre Lehrer zu hören und sich nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Falls doch, wird die Bestrafung streng ausfallen. Wenn die Präfekte jetzt bitte ihre Häuser in die Gemeinschaftsräume geleiten würden – das Fest ist beendet.“ Ebenso beendet war Snapes Rede, und die Schüler standen alle auf und folgten ihren Präfekten aus der Großen Halle. Dieses Mal ließ Eleanor sich nicht zurückfallen – sie wollte so schnell wie möglich weit weg von Snape und den neuen Virerektoren. Diesen Gedanken schien nicht nur sie zu haben, und so gab es allerdings Gedrängel und Geschubse, bis die Ravenclaws sich endlich auf den Weg zu ihrem Turm machen konnten. Als sie einen Korridor entlangliefen, der zu ihrer Wendeltreppe führte, fand Eleanor sich neben dem kleineren der Mädchen wieder, welche zuvor ihr Abteil im Zug geteilt hatten. „Ich wurde nach Ravenclaw sortiert. Na ja, das ist wohl offensichtlich, oder?“ Sie zwiebelte ihr blondes Haar um einen Finger. „Das freut mich. Ich bin sicher, du wirst dich gut eingewöhnen“, sagte Eleanor und versuchte, gleichzeitig freundlich und distanziert zu klingen. Ihr stand gerade wirklich nicht der Sinn nach Gesellschaft. Leider schien das jüngere Mädchen dies nicht zu bemerken. „Ich habe mich gefragt, ob du mir nicht noch ein paar Fragen zu Hogwarts und Ravenclaw insbesondere beantworten könntest, und zu meinen Fächern, falls ich später welche habe, und ich werde sicher welche haben. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass ich mich morgen verlaufen werde.“ Sie blickte Eleanor schüchtern an. „Weißt du, Sarah – so heißt du doch? -, es ist so: Ich bin ziemlich müde, also werde ich gleich ins Bett gehen. Vielleicht fragst du einen der Präfekte? Die sind auch wesentlich besser in solchen Sachen.“ Es tat ihr zwar etwas weh, das Mächen zu enttäuschen, aber ihr war wirklich nicht nach einer langen Fragestunde zumute. „Es tut mir Leid“, fügte sie hinzu, als sie den enttäuschten Ausdruck auf Sarahs Gesicht sah. „Aber die Präfekte sind wirklich sehr nett.“ „Wenn du es sagst. Tut mir Leid, wenn ich dich gestört habe.“ Sarah beschleunigte ihre Schritte und schloss zu einem der Präfekte auf, die weiter vorne liefen, mit dem sie sich dann unterhielt. Eleanor seufzte leise, bevor sie den Rest der Treppe hochstieg und endlich den Gemeinschaftsraum der Ravenclaws betrat. Anstatt wie die meisten anderen dort zu verweilen, begab sie sich direkt in Richtung der Mädchenschlafsäle und in das Zimmer, das sie sich mit den anderen Sechstklässlerinnen teilte.Ihr Gepäck wartete schon neben ihrem Bett und ihre Katze miaute laut aus ihrer Transportkiste heraus, sobald sie ihre Besitzerin erblickt hatte. „Tut mir Leid, dass ich dich habe warten lassen, Bluebell“, sagte Eleanor, während sie die Box öffnete. Bluebell sprang ihr sofort entgegen und streckte sich einige Male, bevor sie erneut laut miaute und ihren Kopf an den Beinen des Mädchens rieb. „Du hast Hunger, hm?“ Eleanor holte einen kleinen Beutel mit Futter und ein Schälchen heraus und servierte es der hungrigen Katze. Normalerweise streiften Haustiere frei über die Ländereien und bedienten sich an bereitgestellten Futterquellen, aber die Hauselfen ließen niemals Tiere aus Transportkisten oder Käfigen, sodass sie für die erste Nacht immer etwas Futter mitbrachte. Während sie Bluebell dabei zusah, wie sie ihr Futter hinunterschlang, wurde Eleanor von der Ankunft zwei ihrer Mitbewohnerinnen unterbrochen, die tief in ihr Gespräch vertieft zu sein schienen. „Ich kann nicht glauben, dass Chris dieses Jahr nicht hier ist“, sagte die eine von ihnen. „Und das nur, weil er muggelstämmig ist? Das habe ich nicht mal gewusst, so wenig hat der Blutstatus mit magischen Fähigkeiten zu tun – er war brillant, und wer weiß, wann oder ob ich ihn wiedersehen werde. Dabei hatte es gerade angefangen, gut zwischen uns auszusehen...“ Sie fing an zu schniefen. „Aber, aber, Nicky, beruhige dich. Ich bin sicher, es geht ihm gut und er hat sich irgendwo in Sicherheit gebracht.“ Das andere Mädchen, Rebecca, legte einen Arm um Nickys Schultern und setzte sie auf ihr Bett. „Ob wir ihn jemals wiedersehen ist natürlich eine andere Frage...“ Nicky begann nun wirklich zu weinen und Eleanor kam nicht umhin, sie zu bemitleiden, auch wenn sie sie nie besonders gemocht hatte. Genau in diesem Moment beendete Bluebell ihr Abendessen und sprang auf Eleanors Schoß, wo sie sich zusammenrollte und laut zu schnurren begann. „Oh, wir haben gar nicht gemerkt, dass du hier bist“, sagte Rebecca. „Wenn Chris auch nur halb so gut im Unsichtbarmachen wäre wie du, hätte er sich wohl trotz seiner Mugglestämmigkeit nach Hogwarts schmuggeln können.“ „Möglich“, erwiderte Eleanor kurz angebunden. Die Unterhaltung hatte eine Richtung angenommen, die ihr nicht gefiel. „Also wird Christopher dieses Jahr nicht hier sein, und Fiona wohl auch nicht“, sagte sie mit Blick auf ein leeres Bett in einer Ecke des Zimmers. „Ebenso wenig wie Mark. Es ist eine Schande, wirklich, vor allem was Fiona angeht. Hätten die nicht lieber ein Gesetz erlassen können, mit dem wir sie behalten können, aber Loony Lovegood loswerden?“, fragte Nicky, die inzwischen wohl genug geweint hatte, verächtlich. „Wir können ja ihre Sachen verstecken“, schlug Rebecca vor. „Warum nicht jetzt gleich, solange sie noch unten ist und was-auch-immer tut und wir an ihr Zeug rankommen?“ Mit einem boshaften Grinsen stand sie auf und schlenderte hinüber zu Lunas Gepäck neben ihrem Bett. „Na los, Nicky, danach fühlst du dich sicher besser.“ Nicky zuckte mit den Schultern, schnäuzte sich und stand dann auf, um mit ihrer Freundin mitzumachen. „Aber lass uns dabei im Ravenclaw-Turm bleiben. Ich will wirklich nicht rausgehen, wenn diese Carrows da rumspazieren.“ Eleanors neugewonnenes Mitleid für das Mädchen wurde wieder zu Abscheu, als sie und Rebecca Lunas Koffer öffneten und verschiedene Gegenstände herausholten, die sie danach an die Zimmerdecke zauberten oder unter Fionas leerem Bett verstecken. Wieder einmal verfluchte sie sich innerlich für ihren Mangel an Courage, um die Mädchen von ihren gemeinen Streichen abzuhalten. Aber sie hatte beschlossen, sich so unauffällig wie möglich zu verhalten, und dieses Jahr war nun wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, von dem Entschluss abzuweichen. So leise wie möglich setzte Eleanor Bluebell ans Fußende ihres Bettes, zog ihren Schlafanzug an und kletterte ins Bett. Bis sie tatsächlich einschlief, dauerte es jedoch noch einige Stunden, und als es endlich soweit war, hatte sie keinen besonders friedlichen Schlaf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)