Unumkehrbar von Alaiya (Story of Shen [KFP]) ================================================================================ Akt III, Szene II – Am Lager – Eine falsche Entscheidung -------------------------------------------------------- Als der nächste Morgen graute, war auch der Nebel lichter geworden. Trotzdem fielen die Strahlen der Sonne nur müde auf das blutbefleckte Dorf hinab, auf dessen einziger Straße (wenn man den Trampelpfad zwischen den Häuschen überhaupt so nennen wollte) die Leichen der ehemaligen Bewohner lagen. „Was machen wir nun, Lord Shen?“, fragte der Anführer der Wölfe, während sich die anderen Wölfe langsam sammelten. Ihre Laune war um ein vielfaches besser, als am Vortag. Sie hatten gegessen und die Nacht in der trockenen Wärme der Häuser verbringen können. Außerdem war das kleine Massaker, das sie am Tag vorher angerichtet hatten, zumindest für einen Teil der Wölfe durchaus aufmunternd gewesen, nachdem sie schon seit dem Rauswurf aus der Stadt immer mehr Wut in sich aufgestaut hatten. „Zündet die Häuser an“, erwiderte Shen. „Sehr wohl, Sir.“ Der Wolf salutierte und gab seinem Rudel Anweisungen, die diese grinsend befolgten. Da bemerkte der junge Lord den Blick der Glanzhenne, vom Licht der Flammen erhellt. Es war derselbe Blick, den sie ihm am Abend zuvor geschenkt hatte. „Was siehst du mich so an, Yimu?“, fragte er spöttisch. „Willst du mich noch immer zum Umkehren bewegen?“ „Ich versuche zu verstehen, Shen“, erwiderte sie. „Ich versuche zu verstehen, was dich zu all dem angetrieben hat. Wann bist du so geworden?“ „Oh, gibst du denn nie auf?“ Er wandte sich wieder ab, als eine weinerliche Stimme zu hören war. Er fuhr suchend herum. „Was war das?“ „Oh nein, bitte“, jammerte die Stimme weiter, als einer der Wölfe eine junge Gans am Hals herbei trug. „Der Kleine hier hat sich zwischen den Büschen versteckt“, erklärte der Wolf. „Ist das so?“ Shen sah zu dem grauhälsigen Gänserich, der gerade einmal ein Jugendlicher war, hinüber. Das Jungtier zitterte am ganzen Leibe und sah ihn unentschlossen an. Es versuchte sich nicht mal aus dem Griff des Wolfes zu winden. Stattdessen jammerte es die ganze Zeit weiter. „Bitte, nein, bitte, bitte...“ Aus mehr Worten schien sein Wortschatz nicht zu bestehen. Mit einem bitteren Amüsement sah Shen den Gänsejungen an. „Und warum hast du dich versteckt.“ „Ich... Ich...“, setzte dieser an. „Ich hatte Angst.“ „Angst ist e in Zeichen von Schwäche“, erwiderte Shen, seinen Speer locker im Flügel haltend. „Willst du sagen, dass du schwach bist.“ Der Junge schwieg erst. „Ja, Sir“, gab er dann schwach zu. Doch bevor Shen etwas darauf erwidern konnte, hörte er tiefere Stimmen. „Da sind sie!“, rief eine. „Der Kleine hatte Recht.“ Eine andere. Und als sich der junge Pfauenlord und seine Wölfe umdrehten, sahen sie sieben kräftige Wildschweinsoldaten den Pfad aus dem nächsten Tal hinaufeilen. Alle sieben waren mich schweren Kriegshämmern bewaffnet, doch das änderte nichts daran, dass sie gegen die mehr als dreifache Anzahl an Wölfen in der eindeutigen Minderzahl waren. „Sieh einer an“, zischte Shen und sah wieder zu dem Jungen. „Es sieht an, als hätte hier jemand versucht Hilfe zu holen.“ Yimu sah den Ausdruck in den Augen des Pfaus und lief zwischen ihn und den Wolf, der das Jungtier hielt. „Shen! Junger Lord, Ihr könnt nicht wirklich... Du kannst nicht daran denken den Kleinen...“ Sie konnte sich vor lauter Aufregung kaum formulieren. „Er ist noch ein Kind!“ Auf diese Worte hin zuckten Shens Lider nur. „Es macht keinen Unterschied für mich, wer oder was jemand ist, wenn dieser in meinem Weg steht“, antwortete er mit tödlicher Ruhe. „Und im Moment stehst du in meinem Weg.“ Derweil waren die Soldaten kurz vorm Dorf stehen geblieben. „Lord Shen von Gongmen City“, rief ihr Anführer, dessen Rüstung rot beschlagen war. „Ergebt Euch, damit wir Euch Eurem Schicksal überführen können.“ Da begann der Pfau zu lachen. Er lachte lang und freudlos. „Schicksal?“, fragte er schließlich. „Schicksal? Ihr dummen, dummen Schweine, was wisst ihr denn schon von meinem Schicksal?“ Mit diesen Worten, wandte er seine Aufmerksamkeit zu den Wölfen. „Kümmert euch um um sie“, befahl er dann kurz. Die Wölfe, teilweise sogar grinsend, begannen zu knurren und gingen in die Hocke, während die Wildschweine ihre Waffen bereit hielten. Dann, wie auf ein unsichtbares Kommando hin, sprangen die Wölfe auf ihre Gegner zu, die sich zumindest gegen den ersten Schlag erstaunlich gut verteidigten. Shen wandte seine Aufmerksamkeit von dem Kampf ab und erneut dem jungen Gänserich und dem Wolf, der diesen hielt, zu. „Worauf wartest du?“, fragte er dann den Wolf. „Willst du nicht deinen Brüdern in ihrem Kampf beistehen.“ Der Wolf nickte. „Natürlich, Sir“, beeilte er sich zu sagen, setzte das Jungtier ab und sprintete zu der recht übersichtlichen Schlacht hinüber. Derweil betrachtete Shen das zusammengekauerte Jungtier und die Glanzhenne, die nun mit schützend ausgebreiteten Flügeln vor diesem stand und ihren Lord mit festem Blick ansah. „Geh zur Seite, Yimu“, befahl er scharf. „Ich werde dich kein unschuldiges Kind töten lassen, Shen“, erwiderte sie. „In meinen Augen ist auch ein Kind, wenn es Soldaten in feindlicher Absicht zu mir führt, nicht mehr unschuldig“, antwortete er kühl. „Davon abgesehen ist dieser Gänserich bereits fast in seinem Mannesalter, er ist kein Kind mehr.“ „Shen, glaubst du wirklich, dass eine Straße voller Blut und Leichen dich zu deinem Glück führt.“ Ihr Tonfall war nicht minder scharf als der seine. Auf diese Frage erwiderte er nichts, sondern wartete nur mit seiner Waffe in der Hand. Mittlerweile hatte der Junge sogar aufgehört zu jammern und sah mit vor Furcht geweiteten Augen zu Yimu und dem weißen Pfau hinauf. „Shen“, begann die alte Henne erneut. „Wenn du jetzt umkehrst, macht es vielleicht weder deine Sünden ungeschehen, noch wäscht es das Blut aus deinem Gefieder, aber du könntest zumindest in Frieden leben.“ „Frieden?“, entgegnete er. „Frieden vielleicht. Aber der Frieden wäre der Frieden der Schwachen, der Frieden der Rückradlosen.“ Er sah sie an. „Ich bin weder schwach, noch rückradlos. Und nun geh mir aus dem Weg, Yimu.“ „Nein!“, widersprach sie fest. „Shen“, versuchte sie es dann ein letztes Mal. „Ich will nur, dass du glücklich wirst, wie es auch deine Eltern wollten.“ Und ehe sich Shen beherrschen konnte zuckte eins seiner Messer durch die Luft und durchbohrte die Brust der Henne. Blut färbte ihr Gefieder rot, als sie auf dem Boden zusammenbrach und der junge Gänserich wieder zu Sinnen kam und versuchte davon zu laufen. Jedoch kam er nicht weit. Mit den Flügeln schlagend setzte Shen ihm nach und kam nur wenige Schritt weiter wie ein Adler auf den Jungen hinab, nagelte diesen mit seinen Klauen auf den Bogen. „Du bist es selbst in Schuld“, zischte er voller Hass. „Wärst du geflohen, wie all die anderen armen Trottel, so hättest du Leben können.“ Damit sauste die Klinge des Guandao auf den dünnen Hals der Gans hinab. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)