Short Stories von Salamandra ================================================================================ Kapitel 2: 1000 Gesichter ------------------------- „Warum ziehst du nicht wieder bei mir ein?“ Und so kam es, das Miyata wieder bei Kevin einzog. Seit Miyata von der Uni geflogen ist schlägt er sich mit Gelegenheitsjobs durch. Da er sehr schnell zornig wird hält er es nicht lange an einer Arbeitsstelle aus und hat keinen festen Wohnsitz mehr. Im Vergleich zu Kevin ist Miyata nicht sehr groß und maskulin. Seine Arm- & Beingelenke hat er meist mit langen Ärmeln oder Schweißbändern bedeckt. Er trägt diese nicht gern offen. Sein grimmiger Blick hält Leute auf abstand. Miyata gibt es nicht zu, aber er hasst es auf seine Größe angesprochen zu werden und kompensiert das durch Lautstärke und Schlägereien. Kevin hingegen ist eher groß und grazil. Er hat ein durch und durch freundliches Wesen und begegnet allen mit einem lächeln. Er ist Hobbyfotograph, organisiert aber bereits eigene Ausstellungen. Er und Miyata haben sich auf der Uni kennen gelernt. Sie hatten kein enges Verhältnis, aber man kannte sich. Miyata ist von der Uni geflogen weil er während einer Vorlesung angefangen hatte sich mit seinem Sitznachbarn zu prügeln und als der Dozent einschreiten wollte hat Miyata auch ihm einen Hacken verpasst. Kevin weiß nicht weshalb die Schlägerei angefangen hat. Er muss nicht wissen das der andere Miyata provoziert hat in dem er sich über Kevin lustig gemacht hatte. „Sorry meine Wohnung ist im Moment etwas chaotisch“ erklärt Kevin als die Zwei über ein paar Kisten hinweg in die Wohnung stiegen. „Aber ich bin momentan wieder dabei Fotos für eine Ausstellung zusammen zu suchen.“ Miyata kannte das Chaos in Kevins Wohnung. Es sah auch so aus wenn er gerade keine Ausstellung vorbereitete. Dann standen Kisten rum, in denen das Zeug von einer Ausstellung war die beendet wurde. Eigentlich ist Kevin immer dabei eine Ausstellung zu organisieren oder sie wieder abzubauen. Daher sieht seine Wohnung immer nach Umzug mit den Vollgestellten Kisten aus. Das war nichts Neues. Auch wenn Kevin behauptete das Chaos sei nur vorübergehend. Er merkte es gar nicht mehr. Es war nicht das erste mal das Miyata bei Kevin einzog. In den Monaten vor seinem Rauswurf wurden die beiden so etwas wie Freunde. Damals kam Kevin mit einer alten Polaroidkamera in die Uni. Er machte Fotos von Schülern auf dem Flur. Auch von Miyata. Miyata hatte ihn damals gefragt wieso er das alte Ding mit sich rum schleppte und Kevin erklärte ihm, das er „das alte Ding“ mochte. Man sieht sofort die Fotos, hat aber keine zweite Change, da man die Bilder nicht wie bei einer Digitalkamera einfach löschen kann. Kevin begann wie am Wasserfall zu reden und über die Kamera zu schwärmen. Erzählte Miyata wie schwer es war noch so eine Kamera und die Filme zu finden und wie teuer sie gewesen war. Miyata, dem das eigentlich gar nicht interessierte hörte trotzdem zu, da er nichts Besseres zu tun hatte. Das war ihr erstes gemeinsames, längeres Gespräch, obwohl eigentlich die meiste Zeit nur Kevin redete. Noch am selben Tag versuchte Miyata die Kette eines Fahrrades von einem Kumpel zu reparieren. Während er sich mit der Kette beschäftige bekam er etwas gegen den Hinterkopf geschleudert. Die Fahrradkette hatte ihn bereits genug gereizt als das er noch dumme Streiche vertragen konnte. Als er nach dem Gegenstand blickte, der ihn getroffen hatte, war es die alte Polaroid von Kevin. Total demoliert. Er nahm sie in die Hand und ging in die Richtung aus der sie geflogen kam. Drei Typen die er nicht kannte gingen gerade lachend von Kevin weg. Der schaute den Typen nur nach. „Hey“ Kevin blickte sich um. Er sah Miyata mit der Kamera auf ihn zu kommen. „Hey“ antwortete Kevin und lächelte dabei. „Waren die Typen das?“ Fragte Miyata und hielt Kevin die Kamera entgegen. „Ja.“ Er nahm ihm die Kamera aus der Hand. „Total demoliert. Tja, da kann man nichts machen“ fügte er hinzu und lächelte Miyata wieder an. „Du lachst obwohl sie gerade deine Polaroid demoliert haben, von der du mir vorhin noch vorgeschwärmt hast?“ „Ja. Das lässt sich doch sowieso nicht mehr ändern“ Kevin zuckte mit den Schultern. Komischer Kauz, dachte Miyata. Kevin lies es sich nicht anmerken, aber er war sehr traurig über den frühen Verlust seiner neuen Kamera. Nach diesem Vorfall laberte Kevin Miyata so gut wie immer zu wenn er ihn sah. Er drängte ihm zu einem gemeinsamen Mittagessen, schleppte ihn auf seine Fototouren mit oder schoss von Miyata Fotos in den unmöglichsten Situationen. Dabei lachte Kevin immer und schien viel Spaß zu haben. Irgendwann zu dieser Zeit blieb Miyata nach einer Party das erste mal bei Kevin übernacht. Und bald darauf blieb er für ein paar Wochen bei ihm um dann von dem einen Tag auf dem anderen wieder zu verschwinden. Miyata war ein Streuner, wenn man es so nenne will. Er hielt es nie lange wo aus. Seine Zimmergenossen in der WG fand er am Anfang cool, aber dann gingen sie ihm auf die Nerven. So ist das bei allem. Darum verbringt er mal mehr, mal weniger Zeit mit Kevin. Je nachdem wie lange er es bei ihm aushält. Kevin weiß das. Und obwohl er das erste mal, als Miyata plötzlich spurlos aus seiner Wohnung verschwunden war, sehr erschrocken ist, legte sich sofort wieder ein lächeln auf seine Lippen als er ihn seelenruhig an der Uni in einer Vorlesung sah. Und nun war er also wieder bei Kevin eingezogen. „Eingezogen“, wenn man das so nennen konnte, da Miyata nicht mehr zu Kevin mitbrachte, als das was er trug. Zwischen all den Kartons stand ein kleiner Tisch im Raum auf dem sich alles Mögliche zu beiden Seiten stapelte. Darauf befanden sich unter anderem ein Laptop sowie seine Kamera und verschiedene Objektive. Das war sein „Schrein“, sein Arbeitsplatz, seine Höhle. Wenn Kevin vor diesem Tisch kniete, zwischen all den Fotoalben, entwickelten Bildern, Kabeln und was sich sonst noch so darauf türmte, dann vergas er die Welt um sich herum. Ein Kind könnte schreiend durch die Wohnung rennen oder das Haus abbrennen. Kevin würde es nicht bemerken, so vertieft war er immer in seiner Arbeit. Oft saß Miyata auf dem großen Bett hinter ihm, auf dem sich Tagsüber auch alles Mögliche stapelte, redete mit Miyata und kam erst dann eine antwort wenn er Kevin mit dem Fuß in den Rücken boxte. Kevin drehte sich dann immer mit einem lächeln um und man merkte das er einem nicht zugehört hatte. Solche Situationen führten öfters dazu das Kevin einfach aufstand, die Wohnung verließ und erst Stunden später wieder auftauchte. Vermutlich würde es jetzt nicht anders ablaufen. Aber die beiden hatten sich damit arrangiert. Außerdem war beiden Klar das Miyata nicht für ewig hier bleiben würde. „Hast du Hunger? Ich glaub ich hab noch Nudeln da.“ Erkundigte sich Kevin. „Wär nicht schlecht…“ antwortete Miyata als er über einen weiteren Haufen in Kevins Wohnung stieg. Kevin war derweil in die kleine Kochnische gehüpft um die Nudeln warm zu machen. Als die Nudeln fertig waren reichte Kevin Miyata eine Schüssel, dieser setzte sich wie üblich im Schneidersitz auf das Bett und begann die Nudeln runter zu schlürfen, während Miyata seinen flachen Tisch ansteuerte um die Fotos, die er heute gemacht hatte auf den Laptop zu laden. So war das. Nicht einmal zum essen nahm sich Kevin richtig Zeit. Er hatte nur seine Fotos und die nächste Ausstellung im Kopf. „Planst du wieder eine Ausstellung“? Fragte Miyata während er sich die nächsten Nudeln in den Mund schob. „Ja, sie soll das Thema ’tausend Gesichter’ haben.“ Er drehte sich dabei nicht um sondern klickte die Bilder durch um sie sich anzusehen. Nebenbei blätterte er immer wieder in großen Alben oder Heften um seine Bilder mit denen anderer Fotographen zu vergleichen. „Aha“ erwiderte Miyata nur, stellte seine Schüssel weg und ging ins Bad. Das Bad war der einzige Raum in der Wohnung das aufgeräumt und sauber war. Eine Freundin würde es nicht lange bei Kevin aushalten. Aber für eine solche hatte er sowieso keine Zeit. Kevin würde nicht mal ein hübsches Mädchen bemerken das er fotografierte und ihn dabei anflierete. Vermutlich würde er noch sagen das sie ein hübsches Gesicht hat, sich über das Foto freuen und weiter gehen. Er war mit seiner Kamera verheiratet. Genau genommen sogar mit mehreren. Fehlte nur noch, dass er ihnen Namen gab. Miyata kam gerade wieder aus dem Bad als ihn Kevin mit der Kamera blitze. „Du sollst das lassen“ entgegnete Miyata nur, während er das Bett ansteuerte. „Wieso? Ich mag dein Gesicht, es lässt sich gut fotografieren.“ Erwiderte Kevin und lies sich ebenfalls auf das Bett fallen. Miyata wusste das. Er war es auch gewohnt das Kevin ihn ständig mit der Kamera überfiel. Aber er mochte es nicht wenn Kevin ihn ablinste während er – wie eben – gerade aus dem Bad kam. Miyata lag auf der rechten Seite des Bettes, nahe der Türe, während Kevin die Seite auf dem Bad hatte. Sie schliefen immer gemeinsam in dem Bett. Es war groß genug und Platz für eine Couch war in der Wohnung – dank Kevins Kisten – nicht. Kevin, der auf dem Bauch lag, schoss noch mal ein Foto von Miyata. Dieses mal ignorierte Miyata es. Er rollte sich zur Bettkante und wollte mit einem „Gute Nacht“ schlafen. „Am 16. nächsten Monat fängt meine Ausstellung an.“ Begann Kevin während er die eben gemachten Bilder auf der kleinen Digitalkamera ansah. Kevin benutzte nicht nur große Spiegelreflexkameras, sondern er machte auch gerne mit kleinen Kameras Fotos. Er liebt die Abwechslung und probiert gerne rum. „Vielleicht hast du Lust vorbei zu schauen…“ „Vielleicht.“ Am nächsten Morgen war Kevin wie immer bereits wach und saß an seinem Tisch während Miyata gerade erst aufwachte. „Morgen…“ „Morgen! Und, gut geschlafen in meinem weichen Bett?“ „Wie immer…“ antwortete Miyata und schälte sich aus dem Bett. Es stimmte, Kevins Bett war wirklich verdammt weich. Wenn man sich die Wohnung ansah, war neben seinen Kameras das Bett das einzige das sich Kevin wirklich geleistet hatte. „Ich muss später noch zur Uni, wie sieht’s aus, hast du Lust mitzukommen?“ „Und was soll ich dort?“ „Keine Ahnung, mich begleiten?“ so früh am Morgen strotze Kevin schon vor Euphorie und strahlte übers ganze Gesicht. Fehlte nur noch das er anfing zu summen. „Nur zur Erinnerung, ich bin von der Uni geflogen.“ „Ja, aber du hast kein Verbot das Grundstück nicht wieder betreten zu dürfen.“ „Wieso willst du unbedingt das ich mitkomme?“ „Weils zu Zweit viel lustiger ist.“ Miyata verdrehte die Augen. „Na gut, überredet“ Auf dem Weg zur Uni blieb Kevin immer wieder stehen um Fotos zu machen. Miyata war das gewohnt. Kevin auch. Darum plante er immer mehr Zeit ein um pünktlich zu seinen Treffen zu erscheinen und trotzdem Fotos machen zu können. Kevin ging nie ohne nicht mindestens einer seiner Kameras aus dem Haus. Kevin ohne Kamera war kein vollständiger Mensch. Als sie das Unigelände betraten verschlechterte sich Miyatas Stimmung. Er wollte all diese Gesichter nie wieder sehen. Er war hier an der Uni bekannt. So gut wie jeder kannte ihn und so gut wie jeder wusste das er geflogen ist. Er war nur mitgekommen weil Kevin ihn überredet hatte. Weil er keinen Gefallen von Kevin ablehnen konnte. Kevin hatte ihn mit seiner freundlichen Ausstrahlung total in der Hand, so ungern er das zugeben wollte. Kevin klopfte an eine Tür. Miyata wusste wessen Büro das war. Der Professor öffnete die Tür, bat Kevin herein und sah Miyata ziemlich überrascht an, dieser jedoch setzte sich lediglich auf einen Stuhl der auf dem Gang stand. Es war der Professor der dafür gesorgt hatte das er von der Uni verwiesen wurde. Er hatte weder etwas von der Schlägerei gesehen noch hatte er die nötige Autorität um den Schein zu unterschreiben, aber er hatte sich am lautesten über diesen Vorfall aufgeführt was dazu führte – um wieder ruhe einkehren zu lassen – das Miyata sein Studium nicht fortsetzten konnte. Zumindest nicht an dieser Uni. Ein paar Studenten kamen den Gang entlang. Darunter auch ein Kumpel von Miyata. „Hey Miyata! Das du dich hier mal wieder blicken lässt!“ „Ich freu mich auch dich zu sehen“ „Was machst du hier, willst du dich beim Prof. einschleimen um wieder aufgenommen zu werden?“ „Träum weiter“ Miyata lies seine Hände tief in seine Hosentaschen verschwinden. Er wusste das sein Kumpel nur spaß machte, aber ihn regten diese Scherze auf. Er war gerade dabei wieder etwas zu sagen als die Tür des Professors auf ging und Kevin mit ihm heraus trat. Mit einem „Haben Sie vielen Dank Professor.“ Verabschiedete sich Kevin von ihm. Miyata stand auf und folgte Kevin wortlos und lies seinen Kumpel stehen. Auch auf dem Rückweg nutze Kevin jede kleine Gelegenheit um Fotos zu machen. „Was hast du mit dem Prof. besprochen?“ „Er hilft mir wegen der Organisation der Ausstellung. Ich hab dieses mal den kompletten unteren Bereich der Stadthalle gemietet, wird also eine etwas größere Ausstellung.“ „Aha…“ Wieder schoss Kevin ein Foto von Miyata. „Du kommst doch, oder?“ „Mal sehen.“ Wieder ein Foto von Miyata. „Du musst kommen.“ „Ich wills nicht versprechen.“ Noch ein Foto. „Du würdest mir damit einen großen Gefallen tun.“ „Ich werds mir merken.“ Und noch eins. „Jetzt hör endlich auf mein Gesicht nach jedem Satz zu fotografieren! Das grenzt ja an Belästigung!“ „Als ob man dich Belästigen könnte“ Noch ein Foto. Miyata greift mit der Hand vor die Linse um sie zu verdecken. „Hey, pass auf, die ist empfindlich!“ „Ich auch!“ „Ja klar“ Kevin zieht die Kamera weg und schießt noch ein Foto von Miyata. „Okay, jetzt reichts!“ Genervt geht Miyata schnellen Schrittens voran. „Man, jetzt sei doch nicht eingeschnappt!“ witzelt Kevin als er Miyata nachläuft. Zurück in der Wohnung begann Kevin sofort die Fotos auf seinen Laptop zu laden. Miyata kniete sich hinter ihm und sah ihm über die Schultern während Kevin die Bilder durch sah. „Mann, du hast ja fast nur mich fotografier… Du solltest dir dringend ein neues Gesicht suchen…“ „Wieso, ich mag dein Gesicht!“ „Du wiederholst dich.“ Miyata erhob sich um ins Bad zu gehen und anschließend zu schlafen. Als Kevin endlich ins Bett ging schlief Miyata bereits fest. Er beugte sich über ihn und machte ein Foto von Miyatas schlafenden Gesicht. „Du musst zur Ausstellung kommen, hörst du?“ Er legte die Kamera weg und legte sich ebenfalls schlafen. Am nächsten Morgen machte Kevin bereits Spiegeleier. „Du machst Frühstück?“ „Sieht so aus!“ „Hab ich was verpasst?“ „Nein, wieso?“ „Na ja, Normalerweise besteht dein Frühstück aus Luft.“ „Ah, darum hatte ich morgens immer so einen Hunger!“ „Knallkopf.“ Mit einem geschickten schwenk steuerte Kevin mit der Pfanne 2 Teller an die er bereits hergerichtet hatte. „Ich hoffe du magst Spiegelei.“ „Klar.“ „Gut!“ Dieses dauer-gegrinse von Kevin konnte manchmal – besonders morgens – ziemlich anstrengend sein. Noch als sie beim Essen waren läutete Kevins Handy. „Ah, das ist bestimmt der Prof.!“ Miyata verschlang weiterhin seine Spiegeleier als Kevin den Hörer abnahm. „Ja bitte?“ Während des Telefonats ging Kevin unruhig die kleine Küche auf und ab. Als er schließlich auflegte und sich wieder an sein Frühstück machte sah er leicht säuerlich aus. „Der Professor?“ Erkundigte Miyata sich. „Nein.“ „Alles klar?“ „…“ „So angefressen hab ich dich noch nie gesehen.“ „…“ „okay, du willst es mir nicht sagen, schon verstanden.“ „Sorry, Familienangelegenheit.“ „Du musst dich vor mir nicht rechtfertigen. Es ist deine Wohnung.“ Familie. Das war eins der Dinge über die sie nicht sprachen. Sie wussten nichts über die Familienverhältnisse des andere. Am Nachmittag konnte Kevin Miyata dazu überreden für ihn Model zu sitzen. Neben dem Fotografieren schwingt Kevin auch mal den Pinsel. Das Fotografieren ist zwar mehr seine Leidenschaft und darin war er auch wesentlich geübter als im malen aber auch das bereitete ihm große Freude. Er setzte Miyata auf einen kleinen Hocker, setzte ihm eine Indianerkrone auf und eine große Kette aus Federn und Perlen um den Hals. Miyata fand das mehr als albern, aber wie gesagt, er konnte Kevin keinen gefallen abschlagen und so saß Miyata einige Zeit vor Kevin der ihn akribisch begutachtete und ihn auf Leinwand bannte. Noch am selben Abend begannen die Zwei zu Streiten. Sie hatten bereits vergessen worum es eigentlich ging und schrieen sich nur noch an. „Mach doch was du willst, ich hau ab!“ brüllte Miyata, packte seine Jacke und verschwand durch die Tür. Es war bereits der 16. des Folgemonats. In der Zwischenzeit schlief Miyata mal hier, mal da, je nachdem wo er unterkam, oder auch nicht. Mit Kevin hatte er seither nicht mehr gesprochen. Auch wenn er nicht vorhatte ihn zu sehen und erst recht nicht mit ihm sprechen wollte ging er in die Stadthalle. Heute hatte seine neue Ausstellung geöffnet. Die Stadthalle war groß genug damit es für ihn kein Problem werden sollte Kevin aus dem Weg zu gehen. Miyata ging hinein und schnappte sich im vorbeigehen noch einen Flyer. Vorne drauf stand groß „1000 Gesichter“, darunter die Daten der Ausstellung und Kevins Name. In der Innenseite war ein Bild von Kevin mit seinem üblichen Gegrinse. Darunter ein kurzer Text über ihn. Auf den weiteren Seiten des Flyers war nur Text zu der Ausstellung und dem Thema. Miyata interessierte das nicht und stopfte den Flyer in seine Tasche. Langsam schlenderte er durch den ersten Teil. „1000 Gesichter“ hieß die Ausstellung, doch hier sah man nur Gesichtsausschnitte. Mal einen grimmigen Mundwinkel, mal eine Stirn die in Falten gezogen war, mal nur die Nahaufnahme eines Auges. Unter jedem Bild war ein kleines Schild mit einem Titel angebracht. Einige weiter Leute waren in dem Raum und widmeten jedem einzelnem Bild mehr Aufmerksamkeit als Miyata. Miyata ging weiter zum nächsten Raum mit weiteren Bildern. Hier wurden die Gesichtsauschnitte etwas größer. Aber recht viel mehr konnte man auch nicht erkennen. Miyata hatte keinen Blick und kein Interesse für solche Art von Kunst. Inmitten dieses Raumes stand noch ein weiteres Bild an einer Leinwand. Es war das Gemälde das Kevin von Miyata an dem Nachmittag machte als sie sich stritten. Das Bild war mit Acryl gemalt und zeigte ihn nur bis zum Oberkörper. Auf dem Gemälde sah man nicht das er noch eine Jeans trug. Der Federschmuck und die Halskette strahlten heraus. Sein Blick wirkte kühl. Wenn er nicht wüsste das er es war auf dem Gemälde, würde er denken es handelt sich um eine fiktive Person aus einem Mythos. Miyata fragte sich, ob er wirklich diesen Ausdruck in den Augen hatte. Neben ihm stand eine Frau und ein kleines Kind das sich ebenfalls das Bild ansahen. Das Mädchen sah ihn an und zog dann an den Rockzipfel der Mutter: „Mama guck mal!“ „Lass das Liebling.“ „Aber Mama, guck doch!“ Das Mädchen deutete auf Miyata als die Frau dem Finger ihrer Tochter folgte. Ihr entwich ein „Oh“ als sie Miyata erkannte. Mit einem „Hmpf“ ging Miyata weiter. Er hatte genug gesehen. Er wollte raus. Doch anstatt zum Ausgang kam er zum nächsten Raum. In diesem Raum sah man wieder mehr Gesichtsauschnitte. Jetzt war sogar Miyata in der Lage das Gesicht zu erkennen. Es war seins. Immer und immer Wieder. Überall auf den Fotos. Die Frau war nicht überrascht weil er das Gesicht auf dem Portrait war, sondern das Gesicht aller Fotos. Jetzt wollte er wirklich raus. Aber das stellte sich als schwerer heraus als Gedacht. Den Miyatas Orientierungssinn in Gebäuden war nicht sehr ausgeprägt, vor allem nicht wenn sie, wie im Falle einer Ausstellung, alle Räume fast gleich aussehen. Deshalb irrte Miyata erst etwas umher bis er in einer Sackgasse landete an dessen ende an der Wand nur ein einziges großes Foto hing. Langsam und widerwillig ging er darauf zu. Es war im Querformat. Eins der wenigen in dieser Ausstellung. Es zeigte ihn mit geschlossenen Augen und ruhigem Ausdruck im Gesicht. Er schlief. Wann hatte er das gemacht? Fragte sich Miyata. Er wusste es nicht. Er blieb noch einen Moment stehen ehe er umkehrte und den Ausgang suchte. Zwei Wochen sind vergangen seit Miyata die Ausstellung besucht hatte. Es war kalt geworden. Er vergrub seine Hände in den Hosentaschen als er über die Dächer blickte. „Da bist du ja, ich hab dich gesucht!“ Kevin trat hinter ihm. Langsam drehte Miyata sich um und sah ihn an. „Ich hab mir schon sorgen gemacht weil ich dich gar nicht mehr gesehen hab. Alles klar bei dir?“ „Klar.“ Antwortete Miyata knapp. Er hatte keine Lust auf Smaltalk. „Wo hast du gesteckt?“ Miyata zuckte nur mit den Schultern. „Gestern ist meine Ausstellung zu ende gegangen.“ „Aha“ „Waren echt viele Leute da! Damit hatte ich gar nicht gerechnet.“ „Freut mich“ „Schade das du nicht da warst…“ „…“ „Wo wohnst du zurzeit?“ Wieder zuckte er mit den Schultern. „Mal hier mal da.“ „Komm doch wieder zu mir. Es ist so öde alleine.“ So kam es, das Miyata wieder bei Kevin einzog. Er wusste das Kevins Begründung ziemlich lasch war da er Miyatas Anwesenheit nur gering bis gar nicht wahrnehmen würde aber die Sache mit dem Abschlagen kennen wir bereits. „Tut mir leid wegen den ganzen Kisten, ich muss die Kartons aus der Ausstellung erst noch verräumen.“ Manchmal fragte sich Miyata wohin Kevin die ganzen Kartons immer brachte. Er musste ein Lagerhaus gemietet haben um all die Fotos unterbringen zu können. „Kein Problem. Bin’s gewohnt.“ Kevin lächelte und bahnte sich bereits wieder einen Weg zu seinem Tisch. Genau genommen sah Miyata die meiste Zeit nur Kevins Rücken. „Wenn du willst kannst du dir die Bilder von der Ausstellung ansehen.“ Miyata hatte nicht wirklich Lust die Bilder aus den Schachteln zu nehmen. Nicht zuletzt weil er bereits wusste was er sehen würde. „Es ist echt verdammt schade das du nicht da warst“ „Ich war da.“ „Was hast du gesagt?“ „Ich sagte, ich war da.“ Kevin drehte sich um „Du warst da?“ „Ja.“ „Warum bist du nicht zu mir gekommen?“ „Du warst beschäftigt.“ „War ich nicht.“ Miyata zuckte mit den Schultern. „Ist doch jetzt auch egal.“ „Ist es nicht! Ich wollte deine Meinung hören!“ „…“ „Also, wie fandest du es?“ „…“ Kevin kam zu Miyata auf das Bett. „Was… sagst du dazu?“ „Was soll ich schon dazu sagen. Da war überall mein Gesicht.“ „Ja… Hätte ich es dir sagen sollen?“ „Vermutlich.“ „Tut mir leid… Ich… Na ja, ich hatte angst wie du darauf reagieren würdest.“ „Wann hast du das Foto gemacht als ich schlief?“ „Das, verrat ich dir nicht!“ „Interessiert mich eh nicht wirklich!“ keifte Miyata zurück. Er war eingeschnappt. „Tut mir leid…“ Kevin lies den Kopf hängen. „Hey…“ „Hmn?“ „Ich fand die Ausstellung ganz okay.“ „Wirklich?“ Sofort war die Euphorie in Kevins Stimme zurück, und auch sein Elan, er hob den Kopf so schnell das er mit dem von Miyata zusammen schnellte. „Auuu…“ „Aber ich versteh nicht wieso du sie 1000 Gesichter genannt hast.“ „Haha Na weil DU 1000 Gesichter hast!“ „Verarschen kann ich mich selbst.“ „Nein wirklich, ich liebe dein Gesicht!“ „Du wiederholst dich“ „Aber es ist so! Dein Gesicht spiegelt tausend Emotionen wieder. Man sieht wenn du sauer bist, nachdenkst oder gelangweilt bist. Das hat mich schon immer an dir fasziniert!“ „Knallkopf, so was sagt man nicht.“ Kevin sah Miyata an. „Wieso?“ „Weil man’s eben nicht sagt...“ "Aber dein Gesicht ist eben wie ein Buch. Deine Augen blitzen auf, wenn du wütend wirst,“ Kevin schaut ihm direkt in die Augen. „Deine Kiefermuskulatur…“ Er fährt mit der Hand den Kiefer entlang, „spannt sich an, jedes mal wenn du dir eine bissige Bemerkung verkneifst. Und“ Er berührt seine Lippen, „Du presst deine Lippen zusammen, wann immer du gerne lächeln würdest. Denn dein Lächeln teilst du mit niemandem." Kevin fährt an Miyatas Mund entlang, lässt die Hand sinken. „Dein lächeln ist das einzige, was ich von dir niemals einfangen konnte." Er hält den blick gesenkt, Miyata setzt zum sprechen an: "Du lächelst für uns beide genug." Vorsichtig küsst Kevin Miyata auf die Lippen. Noch einmal. Und noch einmal. „Ich glaube, wir haben soeben die Grenze überschritten, die wir nie überschreiten wollten.“ Sagte Miyata schließlich. „Ja…“ antwortet Kevin. „Gut, ich wollte diese Mauer sowieso schon lange nieder reisen.“ Erwiderte Miyata und küsste dieses mal Kevin. „Nächstes Wochenende bin ich nicht da.“ „okay“ „Wirklich?“ „Klar...“ „Und du gehst nicht ein vor Langeweile? „Sollte ich?“ „Na ja…“ Kevin hatte schon recht, Alleine langweilte sich Miyata meist zu Tode, was auch mitunter ein Grund war weshalb er es nie lange an einem Ort aus hielt. „Ich werd Donnerstagabend abhauen und erst wieder am Montag da sein.“ „okay.“ „Und du bist sicher d-„ „Hey, ich bin kein kleines Kind mehr!“ „Aber“ „Nichts Aber, verschwinde einfach, okay?!“ „Okay!“ grinste Kevin und verschwand in die kleine Kochnische. Am Donnerstagabend schnitt Kevin das Thema noch mal an. „Ich fahr nachher zu meiner Familie, okay?“ „Ja doch…“ „Ich wünsche meine Mutter würde nicht so drauf pochen das ich komme…“ „Sei lieber froh das sie dich noch sehen will, nachdem du dich nie bei deiner Familie meldest.“ „Jaa da hast du allerdings Recht!“ Er sprang zu Miyata aufs Bett. „Und, wirst du mich vermissen?“ „Träum weiter“ „Na gut, dann kann ich auch länger weg bleiben! Mein Bruder freut sich bestimmt!“ „Du hast einen Bruder?“ „Ja, einen jüngeren, und eine ältere Schwester.“ „Aha. Versteht ihr euch gut?“ „Mein Bruder und ich schon… Das Verhältnis zu meiner Schwester ist… na ja, seit dem Unfall kompliziert.“ Miyata fragte nicht nach welchen Unfall. Familie war immer noch ein Tabuthema. Für beide. Bevor Kevin die Wohnung verließ verabschiedete er sich noch von Miyata. „Also ich fahr dann!“ „Ja doch“ „Am Montag bin ich wieder da.“ „Wovor hast du eigentlich Angst? Denkst du ich zerleg deine Bude oder was?“ „Zum Beispiel…“ „Keine Sorge, du wirst sie so unordentlich vorfinden wie du sie jetzt verlässt.“ „Wenn du das sagt…“ „Jetzt hau endlich ab!“ „okay okay, also bis Montag! Und lass keine Fremden ins Haus ja?“ Ein Buch flog Kevin entgegen als dieser die Tür schloss. Miyata war gereizt. Nicht nur weil Kevin nervte, sondern weil er vermutlich auch noch dachte er würde nicht wissen das dieses Wochenende Kevins Geburtstag war. Vermutlich wollte deswegen seine Mutter das er unbedingt kommt. Die Tür wurde aufgeschlossen und Kevin kam mit seinem Reisekoffer herein. „Bin wieder da!“ „Brüll nicht so rum.“ „Wow du hattest Recht! Die Wohnung sieht noch genau so aus wie ich sie verlassen habe.“ „Sicher? Möchtest du nicht zuerst noch alles kontrollieren?“ Kevin sah Miyata an, der auf dem Bett lag und ein Buch las. „Sag mal, hast du dich die letzten Tage eigentlich bewegt?“ Miyata sah Kevin über das Buch hinweg modrig an. „Du liegst immer noch so da wie ich dich am Donnerstag zurück gelassen hab.“ „Das bildest du dir ein.“ „Eigentlich bin ich mir ziemlich sicher.“ „Die lange fahrt hat dir wohl geschadet.“ Kevin lies sich neben Miyata auf das Bett plumpsen. „Hast du mich den gar nicht vermisst?“ „Kein bisschen.“ Das war natürlich gelogen. Miyata war stinklangweilig und er hatte sich wirklich nur aus dem Bett erhoben wenn es wirklich sein musste. „Na dann!“ Kevin sprang wieder auf: „Dann nehm ich erstmal ein Bad.“ „Mach das, du stinkst furchtbar.“ „Das ist dein eigener Gestank den du da riechst.“ Kevin kam gerade wieder aus der Dusche und trocknete sich seine Haare mit einem Handtuch. Miyata lag immer noch auf dem Bett als Kevin an seinem Tisch vorbei ging und darauf ein Päckchen entdeckte. Es war eine Schachtel, nicht größer als ein Schuhkarton, aber nicht so lange. Fast Quadratisch. In Packpapier eingewickelt. Ohne Aufschrift. „Von wem ist das?“ fragte Kevin und nahm das Päckchen in die Hand. Miyata antwortete nicht. Vorsichtig riss Kevin das Papier von der Schachtel. Zum Vorschein kam ein Karton für Kaffeetassen. Da Kevin die Tassen in seiner Küche hatte bezweifelte er das sich diese darin befanden. Aber zumindest war er sich nun sicher das das Päckchen von Miyata war. Er ging zu Miyata zum Bett, setzte sich und machte die Schachtel vorsichtig auf. In der Schachtel war eine Polaroidkamera sowie mehrer Packungen an Filmen. Kevin sah Miyata an. „Dachtest du wirklich ich vergesse deinen Geburtstag?“ „Na ja… Ich dachte eigentlich immer das du auf so was nicht viel Wert legst.“ Das tat Miyata für gewöhnlich auch nicht. „Freu dich einfach drüber, okay?“ Kevin krabbelte näher zu Miyata und küsste ihn auf die Wange. „Danke.“ Das erste Foto wurde mit der Polaroid geschossen. Ein gemeinsames Foto von Kevin und Miyata. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)