Blue Diamond von Edphonse15 (Die Urversion!) ================================================================================ Kapitel 4: (1-4) Ein eigenartiges Treffen ----------------------------------------- (1-4) Ein eigenartiges Treffen Früh am nächsten Morgen weckte mich das Klingeln meines Handys. Verschlafen griff ich nach dem Gerät, welches auf dem Nachtkästchen platz gefunden hatte und sah auf das Display. Schlagartig war ich hellwach und nahm den Anruf entgegen. „Guten Morgen, Kenzaki-san!“ Warum rief mein Chef so früh an? „Morgen, Iro-san. Hören Sie. Es hat sich gestern etwas neues ergeben und ich würde Sie gern bitten, kurz nachzusehen und alles Dingfest zu machen.“ Natürlich. Was denn sonst? „Ist gut. Und wo muss ich hin?“ Ich rieb mir die Augen und versuchte ein Gähnen zu unterdrücken. „Nun. Ich weiß gerade nicht, wer der Ansprechpartner dafür ist, aber Sie müssen sich dafür ins ‚Togu Royal’ begeben. Das ist ein Hotel in der Innenstadt. Man kann es eigentlich kaum übersehen.“ „Und wann genau?“ Auch wenn es mich mehr als nur ärgerte, blieb mir nichts anderes übrig. Es war schließlich mein Job... „Am besten so Früh wie Möglich. Bleiben Sie ruhig noch eine Nacht!“ Dieser...! „Einverstanden“, gab ich nur noch mühselig von mir, verabschiedete mich und legte das Telefon beiseite. Als ob ich nichts besseres zu tun hätte, oder? Ich seufzte tief. Ich wollte nicht. Ich wollte Nachhause. Ein Blick auf die Uhr verriet, das es mittlerweile schon nach Neun war. Sich noch einmal hinzulegen würde also nichts bringen, also stand ich auf und nahm noch eine Dusche, ehe ich mich anzog und mir am Buffet noch schnell einen Imbiss holte. Anschließend fuhr ich mit dem Taxi zu besagtem Hotel, bei welchem wir nach zwanzig Minuten ankamen. Wegen des Verkehrs hatte ich darum gebeten, etwas früher rausgelassen zu werden. Der Stau zog sich schon zu lange hin und ich hatte nun wirklich nicht mehr die Zeit und Geduld noch länger in diesem Wagen zu warten. Ich verabschiedete mich höflich, gab dem Taxifahrer das Geld samt Trinkgeld und stieg aus. Ganz wie der Chef sagte, konnte man das Gebäude wirklich nicht übersehen. Es war Höher als alle anderen Bauwerke der Umgebung. Man konnte kaum die Spitze erkennen. Nun war mir aber noch immer unklar wohin ich jetzt genau musste. Es war mir ein Rätsel. Geschäfte aushandeln und dann keine genauen Informationen einholen. So Typisch... Genervt ging ich nun die Straße entlang. Ein Laden nach dem anderen zierte die Einkaufsmeile. Sie war sehr prunkvoll gestaltet und konnte einem durchaus Angst einflößen. Ich blieb kurz stehen, um mir das Hotel noch einmal im ganzen anzusehen, reichte es doch wirklich bis zu den Wolken. Faszinierend, dass es mitten in der Stadt ein solches Gebäude geben konnte – und das überall auf der Welt. Ich wollte gerade meinen Weg fortsetzen, als mir ein junger Mann entgegenkam, bepackt mit zwei großen Schachteln, wohl aus einer Konditorei stammend. Da er scheinbar nicht sehen konnte, wo er lang ging – was sehr unvorsichtig war -, trat ich einen Schritt zur Seite. Und kaum hatte ich einen Fuß vor den anderen gesetzt, da geschah es: Der junge Mann verlor sein Gleichgewicht und beide Schachteln fielen in meine Richtung. Auszuweichen war mir nicht mehr Möglich gewesen. Nun saß ich auf dem Asphalt, von süßem Kuchen eingehüllt. ‚Oh Mann. Das musste ja passieren...’, dachte ich mir etwas entnervt. „Oh Gott! Entschuldigung! Tut mir Leid! Sie haben sich doch nicht verletzt?!“ Der junge Mann, wohl an die zweiundzwanzig Jahre alt, beugte sich zu mir herunter und reichte mir die Hand. Ich nahm diese an und stellte mich wieder auf. „Nein, keine Sorge.“ Verletzt hatte ich mich zwar nicht, dafür aber war ich jetzt von Kopf bis Fuß mit Tortenguss übersät. So konnte ich doch nicht zu dem Termin erscheinen... Was machte ich denn jetzt? Der junge Mann schien mich panisch zu mustern. „Oh Nein! Ihr Anzug! Was... Was mach’ ich jetzt nur?! Ich wusste es selber nicht so genau, aber... „Das ist nicht so schlimm. Ich... werde mich einfach umziehen. Den Anzug kann man waschen. Aber was ist mit dir? Der Kuchen war doch sicherlich für einen bestimmten Anlass?“ Ich kniete mich hin und sammelte die Überreste auf, um diese zurück in die Schachteln zu legen. Viel zu retten war allerdings nicht mehr. „Der... Kuchen...“, stammelte mein Gegenüber geschockt und kniete sich ebenfalls hin. „Er... wird mich töten...“ Bei diesen Worten kam ich nicht umhin, ihn fragend anzusehen. „Ikeda? Was kriechst du da auf dem Boden herum?“ Eine tiefe Stimme konnte ich noch vernehmen, als ein Mann aus dem Hotel geschritten und uns näher kam. Er war groß gewachsen, hatte braune Haare und elegante Mandelaugen. Ich kannte ihn nicht, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, ihm schon einmal begegnet zu sein. „T-Toju..!?“ Kreidebleich war der Mann neben mir geworden, als er den Anderen kommen sah. Nur langsam drehte er sich zu diesem um. „Dich kann man echt keine Sekunde aus den Augen lassen.“ „D-Das war ein Unfall!“, versuchte er sich zu verteidigen und stand auf. Doch sein Gegenüber schien das nicht mehr zu interessieren. Sein Blick fiel nun auf mich. „Verzeihen Sie mir sein Ungeschick. Selbstverständlich werde ich Ihnen den Anzug ersetzen.“ Seine Stimme, tiefer als man vermuten mochte, sah er doch noch sehr jung aus, gab einem das Gefühl, ganz klein zu sein. ‚Das kenne ich doch ...?’ Ich schüttelte nur den Kopf und stand nun auch auf. „Ah, nein. Mach dir wegen mir nur keine Umstände...!“ Schließlich konnte ich doch von einem Jüngeren nichts derartiges annehmen. „Keine Wiederworte! Der Anzug wird Ihnen ersetzt. Kommen Sie.“ Ich wusste nicht, was hier gerade geschah. Sein Blick übte eine ungeahnte Faszination aus, derer ich mich nicht entziehen konnte. Der Mann ging also, ohne auf seinen Freund zu warten, zurück in das Hotel Ich wusste nicht so recht, ob ich das guten Gewissens annehmen konnte, ging aber dennoch hinter ihm her. Die Hotellobby war riesig und nobelst ausgestattet. Glänzende Fließen, ein sauberer roter Teppich, ein Glastisch in der Mitte, dazu teure Ledermöbel. Ein Kronleuchter aus Gold, mit facettiertem Glas an der Decke., Dazu der große Tresen auf der rechten Seite und die edel verkleideten Fahrstühle am anderen Ende des Raumes. In welcher Welt war ich plötzlich gelandet? „Togu! Jetzt warte doch mal!“ Der Kleinere der Beiden hetzte dem Mann namens Togu hinterher. ‚Togu...?’ Da klingelte es bei mir. Konnte es etwa sein, dass dieser Mann etwas mit dem Hotel, in dem wir uns soeben befanden, zu tun hatte?` Wäre ich doch im Bett geblieben... Wir stiegen in einen der Fahrstühle ein und fuhren in den sechzehnten Stock. Mir machte es den Anschein, als sei das eine private Etage, war doch der Knopf vergoldet gewesen. Auch hier war alles sehr prunkvoll eingerichtet. Ich traute mich kaum, dem Mann zu folgen. Togu führte mich schnurstracks in ein Zimmer, welches sich als riesiges Kleidungszimmer herausstellte. Hunderte von Anzügen, Schuhe, Krawatten, Kleider und Damenmode. Man könnte meinen, das hier sei eine Boutique. „Welche Größe haben Sie denn?“ Diese Frage riss mich aus meinen Gedanken, weswegen ich ein wenig nervös wurde. „A-also...“ Togu blickte mich scharf an. Mir verschlug es daraufhin die Sprache. Nur warum? Er war doch so viel Jünger als ich...! „Nun. Wenn Sie mir nicht antworten wollen...“ Er schnipste mit den Fingern., woraufhin ein Mann Mitte Vierzig den Raum betrat und sich vor ihm verbeugte. „Sir?“ ‚Sir?!’ Perplex betrachtete ich nun das Schauspiel vor meinen Augen. „Wir benötigen einen neuen Anzug. Kümmern Sie sich darum.“ „Sehr wohl.“ Der Mann kam mit prüfendem Blick auf mich zu, während er im selben Atemzug ein Maßband zückte. „Das ist doch wirklich nicht nötig...“, brachte ich gepresst hervor, als mir mein Jackett auch schon abgenommen und beiseite gelegt wurde. Auch meine Krawatte fand ihren Platz auf dem kleinen Beistelltisch. Der Mann nahm nun konzentriert von Brust, Schultern und Armen maß, widmete sich anschließend noch Hüfte, Beinen und meiner Gesamtgröße. Er notierte alles auf einem kleinen Block, den er aus seiner Brusttasche gezogen hatte und überflog alles noch einmal kurz. Dann steckte er den Block wieder ein und verschwand in einem kleinen Zimmer auf der linken Seite des Raumes. Nach wenigen Minuten kam er mit einem dunkelgrauem Nagelstreifenanzug, dunkelblauer Krawatte und passenden, hochglänzenden Schuhen zurück. „Dieser wird Ihnen sicher hervorragend stehen“, gab der Schneider zu verstehen und hielt das Kleidungsstück an einen Körper. „Wunderbar. Probieren Sie ihn doch gleich an, Iro-san.“ Verwundert blickte ich Togu an. Woher wusste er wie ich heiße? Meinen Namen hatte ich doch noch gar nicht genannt? Zu schnell war alles abgelaufen... Lange konnte ich mich aber darum nicht kümmern, ruhten doch so viele Blicke auf mir. Ich blickte dann von Togu, auf seinen Freund zum Schneider, ehe ich den Kleiderbügel ergriff. „Dort hinten ist die Umkleide“, bemerkte Togu und zeigte auf einen weiteren kleinen Raum, diesmal aber hinter mir. Es war mir mehr als nur unangenehm, von so vielen Leuten angesehen zu werden, also begab ich mich zügig in diese Umkleide. Jetzt hatte ich also diesen neuen Anzug in der Hand. Er war aus Seide und fühlte sich dementsprechend gut an. Ich fragte mich, ob ich den wirklich annehmen konnte. ‚Und woher kannte er denn nun meinen Namen?’ Irgendwie kam mir das alles mehr als suspekt vor. Jetzt aber einfach zu gehen, nachdem Togu solche Mühen auf sich genommen hatte, wäre zu unhöflich gewesen. Zudem durfte ich doch den Termin auch nicht einfach absagen. Mir blieb also nichts anderes üblich, als mich seinem Willen zu fügen und den neuen Anzug anzuprobieren. „Und du pass beim nächsten Mal gefälligst besser auf!“, schimpfte Togu und sah seinen Freund gereizt an. „T-tut mir Leid! Ich habe das Gleichgewicht verloren...“ Nahezu demütig verbeugte er sich vor Togu. „Ich geh’ neuen Kuchen holen...!“ Doch noch bevor er sich auf den Weg machen konnte, wurde er vom Anderen am Arm gepackt und zurückgehalten. „Du bleibst schön da. Wir haben schließlich einen Gast.“ „A-aber...“ „Deine Strafe bekommst du natürlich trotzdem.“ Ein wenig verängstigt blickte Ikeda den Größeren an, als dieser ihn an sich zog und unsanft küsste. Gegenwehr brächte ihm nichts; zu fest hatte Togu ihn im Griff. Sekunden später löste sich Togu vom Anderen und leckte sich genüsslich über die Lippen. „Den Rest bekommst du später zu spüren.“ Tief holte Ikeda Luft, als er die Andeutung seines Freundes vernahm und daraufhin verlegen den Kopf senkte. Kleider machen Leute. Kaum hatte ich den neuen Anzug an, wirkte ich wie jemand ganz anderes. Das war schon etwas merkwürdig... Ich atmete noch einmal tief durch, ehe ich die Umkleide verließ, um mich den Anderen zu präsentieren. Doch kaum den Hauptraum betreten, sah ich etwas, das ich lieber nicht gesehen hätte. ‚Er hat ihn geküsst!’ Überrascht wie ich war, konnte ich mich kaum rühren. Was hatte das zu bedeuten? „Ah! Iro-san. Treten Sie doch näher.” Den dicken Kloß in meinem Hals schluckte ich herunter und trat hervor. Ganz gleich was diese Männer miteinander hatten – oder auch nicht -, es ging mich nichts an. „Steht Ihnen wirklich ausgezeichnet! Ochiai-san!“ Der Schneider trat erneut an mich heran und kontrollierte den Sitz den Anzugs. „Passt hervorragend, Togu-sama.“ ‚Sama?’ Ich fragte mich ernsthaft, wer dieser Togu war. „Sehr gut. Nun. Dann wollen wir weiter. Folgen Sie mir.“ Ich kannte diesen Ton. Und so langsam wurde mir auch klar, woher. Das Bild eines schwarzhaarigen Mannes drängte sich mir auf. ‚Washi-san... Aber wie könnte das sein...?’ Zusammen mit Ikeda folgte ich also dem jungen Mann. Togu war bereits in den Aufzug gestiegen und wartete. Ich hatte gedacht, dass wir wieder nach unten fahren würden, doch dem war nicht der Fall. Stattdessen ging es weiter hinauf, bis wir im zweiunddreißigstem Stock ankamen. „Hier entlang, Iro-san.“ Ich war von der Einrichtung, die ebenso edel war wie die Lounge, fasziniert. Der Ausblick auf die Stadt, der sich durch eine riesige Fensterfront am Ende des Ganges bot, war einfach atemberaubend. Doch was sollte ich hier? „Ähm... Entschuldigung? Togu-kun?“ Der Angesprochene drehte sich zu mir um und sah mich an, als missbillige er, wie ich ihn ansprach. “Ja?“, fragte er schließlich mit tiefer Stimme. „Es war wirklich freundlich von dir, mir den Anzug zu überlassen. Danke dafür. Aber ich müsste zu einem Termin, den ich nicht versäumen darf.“ Ich verbeugte mich noch leicht und hoffte, dass ich nun gehen durfte. Ich erntete dafür einen bösen Blick, der sich dann aber schlagartig änderte. Togu lächelte mich nun freundlich an. „Wissen Sie denn nicht, zu wem Sie müssen?“ Ich blinzelte. Was meinte er damit? „Nun, das sieht Maki-san ja ähnlich.“ „Du kennst meinen Chef?“, konnte ich nur erstaunt fragen. Mittlerweile verstand ich gar nichts mehr. „Iro-san. Diesen Termin haben Sie bei mir.“ Mir fehlten die Worte. „Was...?“ „Und bitte, duzen Sie mich nicht.“ Sein Blick war herablassend und keineswegs der eines jungen Mannes. „Setzen wir unser Gespräch doch lieber in meinem Büro fort. Ikeda, du holst uns schon mal den Kaffee.“ Der Begleiter nickte nur und verschwand in einem der Zimmer auf der linken Seite. Togu führte mich währenddessen in sein Büro, welches am anderen Ende des Ganges lag. Es war schlicht eingerichtet, aber wohl eines der größten Büros, die ich bislang gesehen hatte. Auf der linken Seite befanden sich einige Regale mit Büchern und Ordnern darin, wohingegen auf der rechten Seite ein kleines Sofa und daneben eine Vitrine ihren Platz gefunden hatten. Und direkt vor der großen Fensterfront, mit Blick auf ein riesiges Parkgelände, stand ein übergroßer, dunkelfarbener Schreibtisch. Es war wohl das ganze Hotel so luxuriös eingerichtet worden. Togu bot mir einen Stuhl, vor dem Schreibtisch stehend, an und begab sich daraufhin auf seinen Platz. Es faltete seine Hände und legte diese auf die Tischplatte. „Dann will ich mich mal vorstellen. Mein Name ist Misaki Togu und ich bin das zweiundzwanzigste Oberhaupt der Togukawa-Familie. Hier, meine Visitenkarte.“ Ganz wie es den Sitten entsprach, tauschten wir unsere Visitenkarten aus. ‚Togukawa...? Den Namen kannte ich doch? Waren das nicht diese... Yakuza?’ Noch bevor ich etwas erwidern und mich selber vorstellen konnte, sprach mein Gegenüber weiter. „Ich vermute, Sie ahnen nun, wer vor Ihnen sitzt. Aber keine Sorge. Wir sind nur wegen der Geschäfte hier. Na ja...“, begann er seinen Satz und schmunzelte. „und weil mir von Ihnen erzählt worden ist.“ „Wie meinen?“ Wer hatte da war über mich erzählt? Das war mir wirklich nicht geheuer. „Das ist im Moment egal. Kommen wir lieber zum eigentlichen Punkt, weswegen man Sie heute hierher geschickt hat. Maki-san wünscht also mehr Investoren?“ Ich nickte daraufhin zögerlich. Am besten war es wohl, wenn ich das schnellt hinter mich bringen würde und bald nach Hause fahren könnte. „Ganz recht. Er möchte wohl expandieren, hat aber noch nicht das nötige Kleingeld dafür...“ Ich seufzte innerlich auf. Es war dumm von meinem Chef, auf gut Glück die Firma zu vergrößern. „Dass wir momentan rote Zahlen schreiben, scheint ihn dabei weniger zu interessieren...“ „Davon höre ich zum ersten Mal“, kommentierte Togu und griff nach ein paar Unterlagen. Just in dem Moment klopfte es an der Tür und Ikeda trat herein. „Der Kaffee.“ Er kam mit freundlichem Lächeln an den Schreibtisch heran und schenkte Togu und mir je eine Tasse ein. „Milch oder Zucker, Iro-san?“ „Milch, bitte“, antwortete ich knapp und beobachtete den jungen Mann weiter. Nachdem er in meine Tasse noch einen Schluck Milch getan hatte, süßte er die Tasse Togus mit zwei Stückchen Zucker – ohne dass dieser etwas zu sagen brauchte. Es schien, als würden sie sich schon einige Zeit kennen und erneut stellte sich mir die Frage, in welcher Beziehung sie zueinander standen. Anschließend rührte Ikeda den Kaffee noch um und stellte die Tassen vor uns auf den Tisch. „Danke“, antwortete ich lächelnd, woraufhin sich Ikeda verbeugte und den Raum, mitsamt des Kaffeegeschirrs verließ. „Gut“, gab Togu zu verstehen und nahm einen Schluck des schwarzen Gebräus zu sich. Kurz noch überflog Togu die Papiere, wandte sich dann wieder mir zu. „Nennen Sie mir doch einen plausiblen Grund, warum ich diese Firma unterstützen sollte, wenn sie doch – wie Sie sagen -, rote Zahlen schreiben.“ Er sah mich dabei eindringlich an. „...“ Was darauf antworten? Ich kannte die genauen Absichten meines Chefs nicht. Er hatte mir immer nur das nötigste erzählt gehabt. Dass ich nun vom jetzigen Stand der Dinge wusste, war auch eher ein Zufall gewesen. „Wenn ich ehrlich sein darf...?“ „Natürlich.“ „Ich würde nicht in eine Firma investieren, bei der kein deutlich besserer Absatz in Aussicht ist. Unsere Leute geben alle ihr bestes und die Qualität stimmt auch, aber meinen Recherchen nach ist der Markt ausgeschöpft. Wir müssten eher mit einer neuen Idee ankommen, doch die ist nicht in Sicht.“ „Hm.“ „Halt! Sie können da jetzt nicht rein!“, hörte man Ikeda rufen, als die Tür auch schon aufgerissen wurde. „Na? Was habe ich dir gesagt?“ Ich drehte mich um, als ich eine Stimme vernahm, dir ich bereits kannte. Wen ich sah, überraschte mich sehr. ‚Washi-san?!’ “Yuu-san! Du hattest völlig recht! Er ist genau so, wie du ihn beschrieben hast.“ „Auf mein Gespür ist eben verlass.“ Er grinste und trat an den Tisch heran. Ich sah perplex zwischen den beiden Männern hin und her, als der Jüngere der Beiden zu erklären begann. „Washi Yuudai-san kennen Sie ja bereits. Er ist mein Großonkel mütterlicherseits und so etwas wie ein großer Bruder für mich. Er hatte mir nach Ihrem Gespräch mit ihm von Ihnen erzählt. Wie Sie sich verhalten hatten und waren dann beide der Ansicht, dass Sie der perfekte Kandidat seien.“ Zumindest war jetzt nun geklärt, warum mir Togu so seltsam bekannt vorkam. „Und... für was bitte?“ Warum sprachen in letzter Zeit nur alle in Rätseln? Das gefiel mir nicht. „Nun. Wie soll ich das erklären? Yuu-san?“ „Es ist doch eigentlich ganz einfach. Du sollst so etwas wie unser interner Spion werden.“ „Spi-Spion?!“ „Das ist etwas übertrieben, aber der eigentliche Sinn doch ähnlich“, antwortete Togu und nahm einen Schluck von seinem Kaffee. „Es steht der Verdacht im Raum, dass einige unserer Mitarbeiter auffällig geworden sind. Einige sollen sogar Geld unterschlagen haben. Bislang konnten wir aber noch nichts beweisen.“ „U-und was hat das mit mir zu tun?“ „Sehen Sie. Sie sind ein mutiger, aufgeschlossener Mensch. Mit Ihren Charakteristika gewinnen Sie sicher leicht das Vertrauen anderer. Wir würden Ihre Fähigkeiten dazu nutzen, unlautere Angestellte und deren Machenschaften auszudecken, wenn Sie bei uns einsteigen“, beantwortete Washi-san meine Frage und sah mich eindringlich an. Ich verstand noch nicht so wirklich, was die beiden Männer von mir wollten... „Iro-san. Ich biete Ihnen diese Arbeit an, weil Sie genau das mitbringen, wonach wir suchten. Sie können sofort bei uns anfangen, bekämen ein ordentliches Gehalt und Ihre Arbeitszeiten wären flexibel.“ Togu lächelte selbstsicher und schob mir einen Vertrag vor die Nase. Sie wollten mich also wirklich haben? Und das als „internen Spion“? Das Ganze klang sehr abstrus, wie in einem Film und doch reizte es mich. Hatte ich nicht schon länger vorgehabt zu kündigen? Mein altes Leben zu beenden und ein Neues anzufangen? So schlecht klang es auch nicht, wenn man es sich mal überlegte. Und wirklich Illegal, wie Anfangs gedacht, war es auch nicht – wenn es nur um firmeninterne Mitarbeiter ging. Ich nippte nun an meinem Kaffee und griff dann nach dem Vertrag, um mir diesen zumindest einmal durchzulesen. Die Arbeitsbedingungen passten und die Stellenbeschreibung entsprach der, wie Washi-san und Togu es mir beschrieben hatten. Was sprach nun noch dagegen? „In Ordnung. Aber was ist mit meinem jetzigen Job?“ Ich blickte auf und sah zwei erstaunte Gesichter. „Machen Sie sich darum keine Sorgen. Das haben wir bereits alles geregelt.“ Ein wenig skeptisch sah ich den jungen Mann an. „Okay...“, murmelte ich leise. „Moment. Hier habe ich einen Stift.“ Ich nahm den mir gereichten Kugelschreiber in die Hand und setzte anschließend meine Unterschrift auf das Dokument. „Sehr schön. Den Anzug dürfen Sie übrigens behalten. Als kleines Willkommensgeschenk sozusagen.“ „... Vielen Dank.“ „Sie brauchen nicht so zögerlich zu sein.“ „Gut. Ähm... Eine Frage hätte ich aber noch...“ Neugierige Blicke trafen mich. „Washi-san? Verstehe ich das richtig? Sie haben drei Jobs?“ Kurz sah mich der Schwarzhaarige erstaunt an, ehe er zu lachen begann. „Ahahahaha! Sie sind wirklich...! Nein, nein. Ich helfe nur meinem Neffen, der diese Position noch nicht lange inne hat.“ „Verstehe...“ Ich hatte noch immer Schwierigkeiten, seinen Charakter zu deuten. Aber das würde sich in nächster Zeit wohl ehe erübrigen. „Schön. Dann wollen wir hier mal beenden. Es freut mich, Sie bei uns begrüßen zu dürfen. Ich werde Sie in den nächsten Tagen abholen lassen. Auf gute Zusammenarbeit.“ Togu reichte mir seine Hand, welche ich freundlich lächelnd entgegennahm. „Auf gute Zusammenarbeit.“ Auch Washi-san schüttelte ich noch die Hand, ehe ich den Raum, mit den Dokumenten unterm Arm, verließ. „Wiedersehen“, verabschiedete mich auch Ikeda, der vor dem Büro zu warten schien. „Ja. Auf Wiedersehen.“ Damit verließ ich dieses Stockwerk und bald darauf auch das Hotel. Ein paar Schritte war ich gegangen, als ich mich umdrehte und mir den Gebäudekomplex noch einmal ansah. Nun würde für mich ein neues Leben beginnen. Aber es war gut so. Am selben Abend noch stieß ich im Blue Diamond auf die Zukunft an. ~ Fin ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)