Kiss me ~ Devil von Ricchan (~Kuro OS Sammlung~) ================================================================================ Kapitel 2: Death Kiss (C x L) ----------------------------- Anm. des Autors: Dieser Oneshot hat nichts mit dem vorherigen zu tun! Bitte berücksichtigt das beim lesen und erwartet keine Fortsetzung von First Kiss - auch wenn es noch eine geben wird. Vielen Dank :D Death Kiss [Ciel’s POV]   Zeit heilt alle Wunden, sagt man doch… Aber ich frage mich, ob das wirklich so ist. Es sind erst zwei Jahrzehnte vergangen, seitdem ich von den Spielfiguren und den Menschen Abschied genommen habe. Zwei Jahrzehnte, die ich nun schon als Dämon durch die Hölle wandere, doch meine Wunden sind noch längst nicht verheilt. Immerzu muss ich an sie denken…meine einstige Verlobte Elizabeth. Ob sie wohl immer noch um mich weint? Und ob die drei Chaoten, die mir als Diener unterstanden, bereits einen neuen Herrn gefunden haben? Ob sie wohl alle glücklich sind? Sie alle waren nur Figuren in meinem Spiel, die nun den Preis für meinen Sieg zu bezahlen hatten. Einen viel zu hohen Preis. Doch die Figur, die wohl am meisten unter meinem Sieg leidet und es bis in alle Ewigkeit tun wird, weil sie als einzige am Ende des Spieles das Spielfeld nicht verlassen durfte, ist mein Butler: Sebastian. Man könnte sagen, dass mein Sieg gleichzeitig seine Niederlage war. Erst jetzt zeigt sich, wie teuer ihm meine Seele gewesen sein muss und wie hoch der Verlust dieser war. Ich könnte ihn fragen, ob es eine Möglichkeit gibt das Geschehene rückgängig zu machen, damit er meine Seele als gerechten Lohn erhalten kann, doch ich tue es nicht. Damals war ich bereit gewesen, diesen Preis zu bezahlen, aber nun kann etwas in mir diese Existenz nicht mehr aufgeben. Oder vielleicht ist meine Seele auch schon längst verloren… Zwei Jahrzehnte… Lizzy müsste nun bereits verheiratet sein, vielleicht hatte sie sogar Kinder? „Ich würde sie gerne sehen…“ „My Lord?“ Sebastian blickte zu mir hinab, die Augen so kalt und leer, wie seit dem Tag an dem meine Seele für ihn unerreichbar wurde. „Ich möchte Elizabeth sehen!“, wiederholte ich mit Nachdruck und kam nicht umher, dass Königsblau meiner Augen in das tiefe Violett der Grausamkeit zu brennen. Sein Arm legte sich wie von Selbst vor seine Brust als er sich leicht verbeugte, wie ein Butler vor seinem Herrn es zu tun pflegte. „Sehr wohl.“ Es war grausam von mir ihn so an mich zu binden. Das Spiel hatte sich an diesem Schicksalshaften Augusttag gewendet. Wenn ich ihm nicht vorher den einen Befehl gegeben hätte, der ihn nun an mich kettete… Wer weiß ob er dass Spiel dann nicht schon lange beendet hätte. Ich schloss die Augen, den Gedanken so verscheuchend, denn er brachte mir ja doch nichts. Ich konnte nicht ändern, was geschehen war. Diese Macht besaß ich nicht. Und ich war nicht gewillt etwas für die Zukunft des Dämons zu tun, in dem ich ihm meine schwarz verseuchte Seele auf dem Silbertablett da bot. Als ich meine Augen wieder aufschlug, war Sebastian bereits den Schritt durch die Schatten gegangen, der uns aus der Hölle in die Menschenwelt brachte. Es musste so sein, denn die Sonne lachte schallend von oben auf mich herab und bereitete mir Kopfschmerzen von denen ich nicht gedacht hätte, dass ich sie noch einmal haben würde. „Ist das normal?“, fragte ich und hielt eine Hand schützend über meine Dämonenaugen. „Wie meinen?“ „Das die Sonne mir Schmerzen zu fügt. Ist das normal?“ Sebastian überlegte einen Moment, während sein Körper sich langsam durch die Schatten der Bäume bewegte und mich somit aus dem grellen Licht heraus brachte. „Vielleicht.“ Ich starrte ihn an, fassungslos, dass Mr. Perfect auf eine meiner Fragen keine Antwort besaß. „Ihr seit der erste Mensch den ich kenne, der zu einem Dämon geworden ist… Vielleicht ist das also für euren Fall normal.“ Vielleicht aber auch nicht – waren die unausgesprochenen Worte, die zwischen uns standen und Sebastian zum Nachdenken anregten. Der Wald wurde lichter und verwandelte sich bald in Wiesen und Alleen, bepflasterte Straßen, Zäune und Häuser. Ich fragte nicht, woher mein Butler den Weg kannte, auch wenn ich es insgeheim gerne gewusst hätte, denn ich war mir sicher, dass es nicht der zu meiner Villa war. Aber auch nicht der zum Anwesen der Middlefords. Die Straße, der wir folgten, machte eine Biegung und endete an einem hohen eisernen Thor, an dem in vergoldeten Lettern ein Name geschrieben stand. Doch bevor ich ihn lesen konnte, hatten wir das Hindernis bereits hinter uns gelassen und folgten nun einem steinernen Weg an wunderschön gepflegten Gärten und kleinen Seen und Teichen vorbei. Finny hätte dieser Anblick sicherlich gefallen, dachte ich und hasste mich selbst für die Melancholie, die mein Herz im Klammergriff hielt. „My Lord?“, hörte ich Sebastians Stimme wie aus weiter Ferne an mein Ohr dringen. Plötzlich berührten meine Füße weichen Boden als er mich absetzte und ich seit langem wieder auf eigenen Beinen stand. „Wir sind da, my Lord.“ „Wo?“, fragte ich. Wofür waren hier her gekommen? Was hatte ich gesucht? „Lady Elizabeth, my Lord. Ihr wolltet sie sehen.“ Ich wandte mich aus den Armen, die noch immer meinen schmächtigen Körper schützend hielten und blickte zu der kleinen Villa hinüber, die so aussah, als wäre sie einem der Märchenbücher entsprungen, die Lizzy immer so geliebt hatte. Die grüne Stille, die den weißen Stein umrahmte gab dem Anwesen einen Hauch Surrealität und wirkte gleichzeitig so lebendig, dass ich das Gefühl hatte es würde Atmen. „Lizzy…“, ich machte einen Schritt nach vorne, „… lebt also hier?“ Hätte ich ihr das alles bieten können, wenn ich vor zwanzig Jahren nicht gestorben wäre? Hätte ich ihr einen solchen Traum schenken können? „My Lord!“ Sebastians Stimme riss mich aus meinen Gedanken als seine Hand plötzlich um meine Brust fuhr und mich zurück in den Schatten der Bäume zog, mit denen wir verschmolzen. Es dauerte noch nicht einmal eine Sekunde, da flog die Eingangstür auf und Lachen erfüllte die Luft als das Mädchen heraus gestürmt kam. Ihre goldblonden Locken fielen ihr in einem offenen Pferdeschwanz über den Rücken und ihre blauen Augen lachten wie die Sonne selbst. Ein Seufzer der Freude und Überraschung entglitt meiner Kehle: „Eliza-“ „Lady Sofia!“ Erklang der Ruf von der Tür her und ich wandte meinen Kopf zu der mir vertrauten Stimme. Das konnte nicht sein… „Bitte! Das Kleid ist doch noch überhaupt nicht fertig!“ Verzweifelt eilte sie dem Mädchen hinterher und versuchte dabei nicht die Treppen hinunter zu stolpern, wie sie es doch sonst immer getan hatte. Ihr rechtes Brillenglas hatte noch immer den kleinen Sprung und ihre roten Haare waren ebenso verzaust, wie sie es damals immer waren. Die zwanzig Jahre schienen Meirin kaum verändert zu haben, stellte ich mit einem Anflug von Sehnsucht fest. Sie rannte an der Stelle vorbei, in deren Schatten Sebastian und ich gehüllt standen und holte schnell das Mädchen ein, das nun ihre Lippen zu einer Schnute verzog. „Aber es ist doch schon so wunderbar.“ Sie drehte sich auf der Stelle und sofort tanzte der Rock in dem aufkommenden Windzug. „Warum lassen wir es nicht so?“ „Weil euer Vater etwas prachtvolleres für eure Verlobungsfeier haben möchte, Lady Sofia.“, entgegnete Meirin strickt und packte das Mädchen bei ihrem Handgelenk. „Reicht es nicht bereits, dass ich mir meinen Ehemann nicht selbst aussuchen darf? Muss mein Vater nun auch noch über meine Garderobe entscheiden?!“, keifte Sofia und wandte sich aus Meirins Klammergriff. „Aber…my Lady…“ „Macht sie wieder ärger?“, fragte eine tiefe Stimme aus Richtung der Gärten. „Nein, alles in Ordnung, Finny.“ Mein Kopf flog herum und ich japste nach Luft als ich den Mann erblickte. Er war groß, breitschultrig und seine Haut war von der vielen Arbeit im Freien gebräunt, seine blonden Haare ausgebleicht. Nur die blauen Kinderaugen verrieten ihn, denn sie waren das einzige, was an den Finnian erinnerte, den Sebastian vor mehr als zwei Jahrzehnten in meine Villa gebracht hatte. Wenn Meirin sich kaum verändert hatte, so war Finny nicht mehr wiederzuerkennen. Er war der Beweis dafür, dass die Zeit nicht stehen geblieben war. Ich hasste mich selbst dafür, dass ich dieses Mädchen einen Augenblick für Lizzy gehalten hatte. Es war unmöglich dass sich Lizzy in den letzten zwanzig Jahren nicht zu einer Frau entwickelt hatte. Doch dieses Mädchen war auch kein Kind mehr. Sie war mindestens sechzehn und stand in der Blühte ihrer Schönheit. Und sie sah Elizabeth so ähnlich, dass der Fehler doch eigentlich verständlich war... Ich schluckte hart als die Gewissheit  mich wie ein Schlag im Magen traf: Sie war Lizzys Tochter. Und sie hätte meine Tochter sein können… Ich fühlte wie Sebastians Finger sich fest um meine Schultern schlossen als hätte er meine Gefühle gelesen oder war seine Aufmerksamkeit nur auf etwas anderes gerichtet, dass ihn dazu brachte, an mir Halt zu suchen? Was wusste er, was ich noch nicht bemerkt hatte? „Wo finde ich Elizabeth?“, wisperte ich, obwohl die Schatten keine Geräusche nach außen dringen ließen und die Menschen uns somit nicht hören konnten. Ich legte meinen Kopf in den Nacken und blickte Sebastian so an. Er schloss die Augen, ließ meine Schultern los und legte eine Hand auf die meine und hob sie so an meine Brust. „Denkt an sie, my Lord. Lasst euch von euren Gefühlen für sie leiten und treten nach vorne, so werdet ihr sie finden.“ War es das, was er immer getan hatte, um mich zu finden? Ich war schon öfter den Schritt durch die Schatten gegangen, doch nie hatte ich mich dabei von meinen seelenlosen Gefühlen leiten lassen. Wie konnte ich also wissen, ob ich es richtig tat oder nicht? Seine Hand glitt von meiner Haut, ein Windhauch fuhr an mir vorbei und plötzlich war ich allein. Dieser Bastard eines Teufels...! Ich atmete aus und blickte zu den lachenden Gesichtern hinüber. Lizzys Tochter hielt sich eine Hand vor die Lippen um nicht laut los zu prusten, während Finny mit weitausgeholten Gesten eine Show zum Besten gab, die ich nicht verstand. Was würde passieren, überlegte ich, wenn ich nun hinaus trat aus den Schatten? Wenn ich hinüber ginge zu ihnen? Ich, der gestorben war und sich doch nicht verändert hatte. Würden sie Angst haben? Würden sie sich freuen? Das glockenhelle Lachen dieser fröhlichen Menschen legte sich schwer um mein kaltes Herz und so wandte ich mich ab. Ich konnte ihnen diesen Schock nicht an tun. Nicht ihnen… Nur Lizzy… nur ihr allein würde ich mich zeigen, dass wusste ich nun. Und so trat ich nach vorne und ließ mich von den Schatten tragen, wohin mein Herz mich führte.   ~*~   [Lizzy’s POV]   Die Sonne lachte in mein Fenster und versprach einen schönen Tag… Doch ich glaubte ihr nicht, vertraute nicht auf ihre sorgenlosen Worte, die doch nichts anderes taten als zu Lügen. Denn das war es, mein Leben, eine einzige Lüge. Seit zwanzig Jahren lebte ich mit ihnen, seit dem Tag im August des Jahres 1889, an dem ich die schwarze Trauerkarte erhielt, die mich über den Tod meines geliebten Cousins und Verlobten Earl Ciel Phantomhive unterrichtete. Ich glaubte den Worten nicht. Konnte ihnen nicht glauben. Denn die Trauer über diesen Verlust würde mein Herz und meine Seele in so winzige Stücke zerreißen, dass niemand sie wieder zusammen setzen können würde. Und so verschloss ich meine Hoffnung und meinen Glauben daran, dass Ciel lebte und eines Tages zu mir zurückkehren würde, tief in meinem Herzen und verbarg den Schlüssel in meinen Erinnerungen, auf das sie nie schwinden würden. Ich drehte meinen Kopf zur Tür, die sich hinter meinem Mann und dem Arzt schloss. Nach vielen langen Gesprächen mit meinem Vater hatte ich eingewilligt den Count zu heiraten, den ich auf einer der Partys kennengelernt hatte, auf die ich von meiner Mutter immer geschleift wurde. Seit dem letzten Tag – so nannte ich ihn meist, da alles andere zu sehr weh tat – sah ich keinen Sinn mehr darin diese endlosen Ketten von Feiern zu besuchen, die doch nur der Brautschau und dem Geldneid dienten. Doch meine Mutter überzeugte mich, dass ich mich nicht für immer hinter dem grauen Trauerschleier verstecken konnte. Und so folgte ich wieder dem Etikett der feinen Gesellschaft, tanzte und lachte mit den Herren und tratschte mit den Damen auf den abendlichen Bällen oder Banketts. So traf ich den Count. Und nach ein paar Jahren willigte ich dann ein, ihn zu heiraten. Es war ja nicht so, dass ich ihn nicht mochte, ja bis zu einem gewissen Grad liebte ich ihn sogar, doch es waren nie die Gefühle, die ich einst Ciel schenken wollte und die er nie gewagt hatte anzunehmen. Als ich Sofia nur wenige Monate nach der Hochzeitsfeier zur Welt brachte schien es mir, als ob seit Jahren zum ersten Mal die Sonne wieder schien. Sie war mein Engel, mein ein und alles! Und sie hätte sein Kind sein sollen… Dieser Gedanke traf mich damals so heftig, dass ich einen nervlichen Zusammenbruch erlitt. So hatten sich die Ärzte zumindest ausgedrückt, auf deren Tischen ich landete und die mir Medikamente verschrieben um meinen Kummer zu stillen. Es dauerte Jahre bis ich mich wieder so weit erholt hatte, dass ich wieder in der Lage war Kinder zu bekommen. Kathleen war mein Weihnachtswunder. Gott schenke sie mir in den kalten Tagen, an denen England so zugeschneit war, dass keine Hebamme und kein Arzt uns erreichen konnten. Doch der Herr war so gnädig und ließ meine zweite Tochter gesund und kräftig das Licht der Welt erblicken. Ja, es war wirklich ein Wunder. Die ersten Monate danach stand ich unter ständiger Beobachtung, da sie alle einen Rückfall erwarteten. Aber das ließ ich nicht geschehen. Ich wollte nicht noch einmal von meinem Kind getrennt werden, nur weil ich es nicht ertragen konnte, dass es nicht Ciels Samen war, der es gezeugt hatte. Also verschloss ich erneut die Gefühle in mir und versuchte jeden neuen Tag mit einem Lachen zu begrüßen und dankbar dafür zu sein, dass ich zwei so wundervolle Töchter hatte und einen Mann, der mich liebte und mir die Sterne vom Himmel holte. Es war eine schöne Zeit. Doch nichts hält ewig in dieser Welt, dass wusste ich bereits. So ging mit Tanakas Tod, der letzte Mensch, der sich noch an die Zeiten vor Ciels Entführung erinnern konnte und hinterließ in uns allen eine Leere, die nichts und niemand füllen konnte. Oh, Bard versuchte es mit Alkohol, doch auch dieser Rausch vergeht. Eines Tages fanden wir seine Uniform und einen Brief in seinem Zimmer. Worte des Bedauerns und des Abschiedes. Wir haben nie wieder von ihm gehört… Dies ist nun bereits sieben Jahre her und ich weiß nicht, ob er noch lebt und ob es ihm gut geht. Nichts, kein Wort, kein Lebenszeichen. Vielleicht ist er mit einem der Schiffe zurück in seine Heimat gefahren. Zu gerne würde ich wissen, ob er eine Familie gefunden hat. Zu gerne würde ich ihn suchen. Doch das kann ich nicht… Ich trage eine Verantwortung gegenüber meiner Familie, meinen Kindern, meinem Mann und der Gesellschaft. Also schlucken ich und auch Meirin und Finny jeden Tag die Gedanken an drei großartige Männer hinunter und schreiten lächelnd durch die Welt. Manchmal frage ich mich, ob wir zu vergessen beginnen, welche Zeiten wir doch einst als wir noch jung waren zusammen durchlebt haben. Vor zwanzig Jahren… „Mama?“ Ich blickte neben mich und lächelte meinen Sohn an, der sich müde den Schlaf aus den Augen rieb. Meinen wunderschönen, sechsjährigen und einzigen Sohn. „Was machst du hier, Schatz? Wie lange bist du schon hier?“ Warum war mir nicht aufgefallen, dass er das Zimmer betreten hatte? Er kletterte, immer noch in seinem Schlafanzug gekleidet und seinen Teddybären fest in der Hand haltend, auf mein Bett und gab mir einen Kuss auf die Wange. „Was ist denn los? Hattest du schon wieder einen Alptraum?“, fragte ich ihn und legte meine Arme um seinen zierlichen Körper. Mein Mann mochte es nicht, dass ich den Jungen so verhätschelte. So würde er nie ein Mann werden, sagte er immer, und vielleicht war das auch so. Doch ich wollte nicht, dass er einer wird. Er sollte für immer mein kleiner Junge bleiben. Langsam nickte er, hob die Decke an und schlüpfte darunter um sich an mich zu schmiegen. Ich strich über sein Haar und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Es ist alles in Ordnung. Du brauchst dich nicht zu fürchten. Der Dämon wird dich niemals erreichen. Hier bist du sicher.“, flüsterte ich ihm zu, so wie ich es immer tat um ihm seine Angst zu nehmen. Mein Sohn hatte eine blühende Fantasie, doch wenn er diese der Welt zeigte, so würde ihm das nichts als Unheil einbringen. Und ich wollte nicht, dass er das durchmachen musste, was mir die Ärzte angetan hatten. Es klopfte zaghaft und im nächsten Augenblick steckte bereits Paula ihren Kopf zur Tür hinein. Ihr Lächeln erstarb als sie meinen Sohn an meiner Seite erblickte. „Junger Herr! Wie oft denn noch: Ihr sollt nicht nach dem Aufstehen direkt zu eurer Mutter rennen.“, schimpfte sie und zog ihn aus meinem Bett. „Nein!“ Der Junge schrie und trampelte mit den Füßen, dass meine alte Magd bestimmt blaue Flecken davon tragen würde. Ich seufzte belustigt und legte eine Hand auf den Schopf meines Sohnes: „Ciel. Hör auf Paula, bitte. Sie meint es nicht böse. Sie hat nur Angst, dass du dich anstecken könntest.“ „Aber du wirst doch nie gesund werden, wenn du immer so allein hier drin bist, Mama!“, warf mein kluger Junge ein, nun wo er wieder mit beiden Beinen auf dem Boden stand und sein Köpfchen traurig nach vorne gesunken war. „Weißt du was? Wenn du jetzt brav mit Paula zum Frühstück gehst, dann komm ich nachher runter und wir gehen zusammen draußen im Park die Vögel füttern.“, lächelte ich. „My Lady…“ Das Strahlen auf dem Gesicht meines Sohnes war schöner und heller als die Sonne vor meinem Fenster. Er gab mir noch einmal einen kleinen Kuss und ließ sich dann von Paula nach draußen führen. Sobald die Tür wieder geschlossen war, erstarb mein Lächeln. Ich betete zu Gott, dass der Junge sich nicht anstecken würde. Das niemand in meiner Familie sich anstecken würde! Ich wusste bereits, dass es keine normale Grippe war an der ich litt, auch wenn die Ärzte über eine genaue Diagnose schwiegen. Ich legte meinen Kopf zurück auf die Kissen und schloss die Augen. Es war naiv von mir meinem Sohn Versprechen zu geben, obwohl ich wusste, dass ich diese niemals einhalten konnte. Ich war schon lange nicht mehr in der Lage meine Beine zu bewegen, weshalb ich Tag ein Tag aus in diesem Bett lag, in einem Flügel der Villa, der weit abgeschieden vom Familientrakt und somit von den Zimmern der Kinder war. Doch das Fenster ging zum Park heraus und so konnte ich ihre Stimmen hören, wenn sie am Teich spielten und tollten und die Diener ärgerten. Lächelnd schloss ich die Augen und versuchte nicht mehr daran zu denken, was die Krankheit mir genommen hatte. Ich ließ den Atem meine Lungen entweichen und erstarrte. Dieser Geruch… Mein Herz schlug schneller als ich die Augen wieder aufschlug und das Zimmer absuchte. Das konnte nicht sein, oder doch? Es war niemand zu sehen, aber etwas in meinem Innern sagte mir, dass ich mich nicht täuschte. Der kleine Funke Hoffnung brach das Schloss meines Herzens in zwei und schleuderte die Erinnerungen und Gefühle auf mich nieder, dass mir die Tränen stiegen in die Augen als ich mit gebrochener Stimme in den Raum fragte: „Ciel?“   ~*~   [Ciel’s POV]   Ich ließ die Schatten, die meinen Körper in Unsichtbarkeit hüllten, fallen und ging einen Schritt nach vorne, der mich an das Fußende des großen Himmelbettes brachte. Ich legte meine Hände auf das silberne Gestänge und ließ ein Lächeln über meine Lippen gleiten. „Schön euch zu sehen, Lady.“, hauchte ich, doch das Lächeln verblasste bereits wieder, als ich den Tränen gewahr wurde, die sich in Lizzys Augen abzeichneten. Ich sah wie sie sich aufsetzte und versuchte, ihr Bett zu verlassen und war im nächsten Moment auch schon neben ihr, schlang meine Arme um ihre Brust und drückte sie an mich, als sie den Halt verlor. „Ciel…!? Ciel!!“, schluchzte sie laut und ich fühlte, wie ihre Hände sich in den Stoff an meinem Körper verkrampften. Ihre Schultern bebten unter ihren Tränen, die nun ihre Wangen hinab liefen und die Decke benetzten. Ich drückte sie noch fest an mich: „Ich bin zurück... Lizzy.“ Warum kann die Zeit für sie nicht einfach stehen bleiben, so wie sie es für mich getan hatte? Dann würde ich sie niemals wieder aus meinen Armen geben, sie für immer an mich binden und sie beschützen, sodass ihr kein Leid mehr widerfuhr. Doch die Zeit war noch nie gnädig. Sie vergeht und lässt uns altern, egal wie sehr wie sie doch darum anflehen, uns etwas mehr von ihr zu geben. Und so versiegten Lizzys Tränen und ich dachte schon, sie wäre in meinen Armen eingeschlafen, doch da hob sie plötzlich den Kopf und blickte mir ins Gesicht. Oh, wie sehr ich ihr strahlendes Lächeln vermisst hatte, dass so warm und ehrlich wie die Sonne selbst war. „Willkommen daheim.“, lächelte sie, „Ich habe dich so vermisst…“ Ich schwieg. Was sollte ich ihr darauf antworten? Das ich sie auch vermisst hatte? Das ich sie sehen wollte, es aber nicht konnte, da ich doch nun ein Dämon war und für mich die Zeit still stand, während meine schwarze Seele in der Hölle brennt? Also wich ich aus: „Du hast ihn nach mir benannt.“ Ihre Hände glitten meinen Rücken hinab, über meine Arme und umfassten meine Hände, die nun so viel kleiner waren als die ihren. „Ich hatte es erst gar nicht vorgehabt… aber als ich ihn dann zum ersten Mal in meinen Armen gehalten hatte… da musste ich an dich denken, als unsere Mütter uns damals einander vorgestellt hatten. Er hatte dieselben blauen, unschuldigen und fröhlichen Augen wie du damals, Ciel.“ Ein Schauder lief meinen Rücken hinab. Warum erinnerte sie mich an diese längst verlorene Zeit, die wir niemals wieder teilen würden? „Lizzy…“ Sie schloss kurz ihre Augen und lehnte sich dann in ihren Kissen zurück, eine Hand auf meine Wange legend und mein Gesicht musternd: „Du bist gekommen um mich zu dir zu holen… habe ich Recht?“, flüsterte sie nun und ihre Stimme hatte plötzlich jegliche Kraft und Freude verloren. „Was?“ „Du bist ein Engel Gottes geworden, der mich nun zu sich in den Himmel bringt. Du musst ein Engel sein! Warum sonst solltest du noch so aussehen wie damals… warum sonst… Ciel? Du bist wirklich gestorben, oder?“ Ich hatte gedacht ihre Tränen würden versiegen, wenn ich mich ihr zeigte und sie in meine Arme nahm, aber nun glänzten sie erneut in ihren Augen. Und dabei wollte ich sie doch niemals wieder zum weinen bringen. Doch warum nur hielt sie mich für einen Engel? Und erst jetzt bemerkte ich sie. Sebastian hatte mir sie einmal gezeigt, die schwarzen Fäden des Todes, die sich um einen Menschen winden, und seinen Körper in Stücke reißen, sobald es für ihn Zeit ist, diese Welt zu verlassen. Umso dichter die Spinnenseide, umso näher ist der Tod. Und umso höher ist die Wahrscheinlichkeit einen Shinigami in der Nähe des Menschen anzutreffen, der nur darauf wartet, dass die tödliche Seide das Herz spaltet und so die Seele frei gibt. Diese schwarze Seuche umhüllte Lizzys Körper und ließ ihn leicht gräulich erscheinen, trotzdem ihr Gesicht von der Morgensonne erhellt wurde. Ich wich von ihrem Bett zurück und blickte sie an, meine wunderschöne, geliebte Lizzy. Das konnte nicht sein! Es durfte nicht sein! Warum? Warum war ich dazu verdammt dieses Dasein zu führen, indem ich alles verlor, was mir einst lieb und teuer gewesen war? Indem ich der Grund für Schmerz und Leid so vieler sein sollte? Die Tränen wurden zu einem Lächeln auf ihrem Gesicht, als sie die Arme nach mir ausstreckte, mich begrüßend. Ich sah durch ihre fleischliche Hülle hindurch und blickte ihre weiß strahlende Seele an, die mich so verlockend anlachte, nach mir Rief und mich einlud, sie zu kosten. Ich stolperte vorwärts und ließ mich vor ihrem Bett auf die Knie sinken, ihre Hand ergreifend und gegen meine Lippen pressend. Ihre Seele schien wie Sommerrosen zu duften und ich konnte beinahe den süßen Sirup schmecken, der meine ausgehungerte Kehle hinunter fließen würde. Noch nie hatte ich selbst einem Menschen die Seele genommen. Ich habe mich von Sebastian füttern lassen, wie ich es als Mensch schon getan hatte. Grausam und unbarmherzig hatte ich ihm nie eine einzige überlassen. Wie lange brannte dieser entsetzliche Hunger nun schon in seiner Kehle und verbrannte ihn innerlich? Wie lange litt er nun schon diese Qualen, für die ich die Schuld trage? Lizzys Hand legte sich auf mein Haar und ich blickte zu ihr auf. „Lizzy… Ich… Ich bin kein Engel!“, stieß ich leise hervor und hoffte, meine Augen würden sie nicht erschrecken, denn ich wusste, dass sie schon seit einiger Zeit nun violett glühten und ich es einfach nicht rückgängig machen konnte. Sie lächelte mich warmherzig an: „Doch, Ciel, das bist du. Das warst du schon immer, auch wenn du dich so oft dem Teufel zugewandt hast, bist du doch trotzdem immer nur durch Gottesreich gewandert.“ Nein! Ich wollte sie anschreien, ihr sagen, dass sie sich irrte, doch ich konnte es nicht. Konnte ihre Welt einfach nicht weiter zerstören. Schmerzlich wich ich ihrem Blick aus. Ich wollte sie. Alle meine Sinne verlangten nach ihr. Ich hörte wie die Decke sich bewegte und wie sich Lizzy zu mir hinab beugte. Mit beiden Händen umfasste sie mein Gesicht und legte ihre Stirn an die meine. „Es ist gut.“, flüsterte sie, „Ich bin bereit mit dir zu gehen, Ciel. Bitte. Nimm mich zu dir. Befreie mich aus diesem Dasein. Bitte.“ Wenn ich noch gekonnt hätte, so hätte ich geweint. Ich hob meinen Blick und begegnete ihrem, so kraftvoll, so mutig, so rein, so lieblich… meine Lizzy. Meine Hände glitten wie von allein ihre Seiten hinauf, nahmen ihr Gesicht zwischen sie und zogen sie zu mir heran, sodass ihre Lippen die meinen beinahe berührten. „Ich habe dich geliebt, Ciel. So sehr. Ich habe dich immer geliebt.“, hauchte sie gegen meine Lippen als ich zögerte. Ihr Blick versenkte den meinen und meine Lippen trafen die ihren. Sanft und süß und zaghaft war dieser letzte Kuss. Das Blau ihrer Augen flammte auf, bevor es zu trüben begann und ich fühlen konnte, wie die Wärme ihrer Seele meinen Körper verbrannte und ihre Süße mich in Trance versetzte. Ihre Hände glitten meine Wangen hinab und legten sich seitlich neben sie. Ihre Augen schlossen sich mit einem letzten Wimpernschlag. Und ein letzter Atemzug drang durch ihre Lippen. Ihr Körper starb unter meinem Kuss. Zeit heilt doch alle Wunden, oder nicht? Warum habe ich dann noch immer diesen bitteren Nachgeschmack auf meiner Zunge, während ihre Wärme meinen Körper umhüllt, so als wäre ich in ihre Seele eingehüllt, die ich ihr so kaltherzig genommen hatte? Ich kann noch immer ihr friedliches Gesicht sehen, wenn ich die Augen schließe, wie ich sie in ihren Kissen zurück gelassen hatte. Die schlafende Schönheit, die reine Puppe, die mich so selbstlos geliebt hat. Und ich? Habe ich es ihr jemals gesagt? Ich hielt mir eine Hand gegen die Brust und führte die andere gegen meine Lippen, die niemals wieder andere als die ihren berührt hatten. Ich rief ihre Seele zu mir, hoffte sie würde mich hören und mir verzeihen, auch wenn ich es doch als gerechte Strafe für mich ansah. Ich liebe dich, Lizzy. Ich ließ meine gesamte Energie in diesen einen Gedanken gleiten, sodass meine Beine unter mir nachgaben. Sebastians Hände fingen mich auf und hielten mich aufrecht. „My Lord?“, keine gespielte Besorgnis lag in seiner Stimme, so wie es vor langer Zeit einmal der Fall gewesen war. Nur die kalte Dunkelheit schwang in ihr mit. Trotzdem stützte ich mich an ihm ab. „Ich besaß niemals eine Seele, oder?“, flüsterte ich. Ich erwartete keine Antwort, also sprach ich einfach weiter: „Als ihr Sohn ins Zimmer kam und mich sah… warum hat er mich nicht dafür gehasst, was ich getan habe? Warum hat er nicht Rache für den Tod seiner Mutter geschworen und mit dir einen Packt geschlossen um mich zu vernichten? Wieso!?“ Ich schrie das letzte Wort und krallte meine Finger in den Stoff seines Jackets. „My Lord, ihr-“ „Schon gut!“, fiel ich ihm ins Wort, „Sag nichts. Ich will es nicht hören.“ Ich würde ihm nicht gestehen, dass ich mir wünschte, dieser Existenz entkommen zu können, obwohl mein Dämonenblut gleichzeitig das Versprechen nach ewigem Leben sang und nicht akzeptieren wollte, was mein Herz begehrte. Ich lächelte und blickte gen Nachthimmel. Es spielte keine Rolle mehr. Ich hatte alles verloren. Ich würde nie wieder etwas verlieren. Die Zeit hatte nicht die Wunden geheilt, aber sie hatte mir alles genommen, was noch weitere Wunden hätte verursachen können. Und als Strafe für dieses grausame Spiel aus Rache und Tod, würde ich mit den verbliebenen Wunden leben müssen. Bis in alle Ewigkeit. Denn alles war vorbei. Mit diesem letzten Kuss des Todes.   Death Kiss END Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)