Drugs - like Coffee, Cigarettes and Love von abgemeldet (wenn du keine Antwort hast, suche einen Grund) ================================================================================ Kapitel 4: raisins ------------------ Sou~ noch ein langers Kapi~ wäre vielleicht zu empfehlen mi Pause zu lesen, wer will, ansonsten viel Spaß, ich war nur zu faul es zu splitten xD Und tut mir leid, dass ich auf die Komentare nicht geantwortet hab, ich vergesse die FF iwie fast immer selbst ^^' also hier noch einmal Danke nochmal kawabangalo und danke schön Innocent~ da ihr sowieso meine einzigen Kommischreiber seid xD' ich hab euch lieb ' _________________ Das leise Klacken der Tür war das einzige Geräusch, welches Tweek in seiner Leichtschlafphase irgendwann an diesem Morgen wahrnahm. Doch wachte er davon nicht auf. Es war selten zu sehen, wie der Blonde seelenruhig liegen blieb, obwohl sein Gehirn einen Laut wahrgenommen hatte, normalerweise würde er nun senkrecht im Bett stehen. Doch dem war nicht so, zum Glück, das hatte Tweek sich auch gedacht, als er eine Weile später blinzelnd seine Augen aufschlug und sich ausgiebig streckte. Gott - er fühlte sich SO gut! Dabei war ihm sogar egal, dass seine Arme an etwas anstießen – der Couchlehne – und dass er sich somit nicht in seinem Bett befand, aber egal wo er war, er hatte hier seit langem endlich einmal tief schlafen können. Nach einer kurzen Bedenkzeit, in der Tweek treudumm an die weiße Decke und die schirmlose Lampe starrte, fügte sein Gedächtnis jene Ereignisse des gestrigen Tages zusammen, warum er nicht zuhause war und wo er überhaupt war. Er war in Craigs Wohnung. Craig, der jetzt so etwas Ähnliches wie sein neuer Anlerner war. Gähnend setzte sich der Junge auf und rutschte auf die Kante des Sofas, blickte immer noch verschlafen auf den Couchtisch vor sich. Die Zigarettenschachtel darauf war verschwunden. Gemächlich entschloss der Blonde sich nun doch wenigstens im Bad frisch zu machen, ehe er noch länger unnütz hier herum saß und Löcher in die Luft starrte, auch wenn es so angenehm war. Gesagt, getan. Innerhalb der nächsten zehn Minuten war Tweek gewaschen zurück im Wohnzimmer. Seine Klamotten von gestern lagen sauber und getrocknet auf der kleinen Abstelle im Bad, darauf ein Zettel von Craig. »Bin schon weg, wollte dich nicht aufwecken. Wenn du noch was essen willst, musst du dir was suchen oder kaufen. Gib mir deine Nummer, damit ich dich anrufen kann, wenn was zu erledigen ist.« Tweek hatte den Zettel mitgenommen, sein Handy aufgeklappt und seine Nummer auf das Blatt kopiert, wenn auch nicht ganz ohne Bauchgrummeln. Aber eine andere Möglichkeit Kontakt zu halten hatten sie schließlich nicht und nun, da Tweek mehr oder weniger vorerst auf ihn angewiesen war, war dies nötig. Seufzend ließ er den Kugelschreiber sinken und besah sich sein Werk. Die Schrift Craigs’ machte auf ihre eigene Art und Weise einen ordentlichen Eindruck. Auch wenn nicht alle Abstände zwischen den einzelnen Buchstaben und Wörtern gleich groß waren, so hatte die Schrift im Gesamten doch eine gleichmäßig eingehaltene Richtung, der sie mit Ruhe folgte. Als wären unsichtbare Hilfslinien auf dem Papier. Im Gegensatz dazu sah Tweeks Geschriebenes aus wie Kinder-Gekritzel. Die Zahlen waren weder gleich hoch, noch breit, noch in eine bestimmte Richtung geneigt. Außerdem schrieb er schief. Als hätte er diese Zeichen mit verbundenen Augen auf das Blatt geworfen. Manchmal fragte sich der Blonde durchaus, was wohl einer dieser Schrift-Psychologen dazu sagen würde und ob sich bestimmte Charakterzüge wirklich dadurch wieder spiegelten. Aber andererseits hatte er genug mit Psychologen zu tun, da konnte er nicht noch einen gebrauchen. Damit erhob er sich und schritt in die Küche. Es musste Monate, wenn nicht Jahre her sein, seitdem der Blonde so gut und so tief geschlafen hatte und das zu einer menschlichen Zeit. Sicher war er ab und zu so erschöpft von Schlafmangel oder Psychosen, dass er auf seinem Bett zusammen klappte und lange pennte, doch dieser Notschlaf war erstens nie geplant, immer zu den ungünstigsten Zeitpunkten und bei weitem nicht erholsam. Meistens musste er sowieso wieder früh raus in die Ausbildung und war verspannter als davor. Tweek hielt mit einem Ruck inne. Starrte den Kühlschrank an. Lange. Einige Sekunden. Moment. Mit einer hektischen Bewegung zuckte sein Mundwinkel, während seine inzwischen zitternden Finger erneut das Handy hervor kramten und es aufklappen. 10:30 Uhr. Donnerstag. FUCK! Es wäre doch auch zu schön gewesen um wahr zu sein! Wie von der Tarantel gestochen sprintete der Blonde zurück, schnappte sich seine Jacke, riss die Tür auf, schmiss sie zu und versuchte sich so schnell wie möglich im Treppenhaus einzukleiden, ohne über eine der Stufen zu stolpern. Scheiße – er hatte verschlafen. Zweieinhalb Stunden! Das war ihm noch nie passiert! Was sollte das denn bitte für einen Eindruck machen, vielleicht flog er gleich wieder raus?! Darüber konnte er aber nicht einmal wirklich nachdenken, den Sauerstoff brauchte er nämlich hauptsächlich für seine Muskeln, die ihn nun innerhalb kürzester Zeit ins Labor tragen sollten. Taten sie auch, sogar in fünfzehn Minuten. Vollkommen aus der Puste knallte Tweek erst einmal gegen die Eingangstür, an welcher er am liebsten herab gerutscht und sitzen geblieben wäre. Stattdessen schlug er die Türklinge herab, warf sich gegen das schwere Holz, stolperte durch die Tür, fing sich gerade noch rechzeitig am Treppengeländer um sich daran hoch zu ziehen und zu ihrem Klassenraum zu laufen, welchen er nicht weniger stürmisch betrat. „TUTMIRLEIDICHBINZUSPÄT!“ Als wäre Tweek der Erste, der dies bemerkt hatte und kund tun wollte, schrie er seinen mehr als verwirrten Lehrer an, der gerade dabei war, die Pause einzuläuten. Die verblüfften Blicke seiner Mitschüler, welche bisher mehr oder weniger brav mit Abschreiben beschäftigt waren, sicherte er sich damit auch gleich. „…Das haben wir gemerkt“, gab die Autoritätsperson stockend von sich, während er den hechelnden Blonden leicht verunsichert musterte. „Aber du hast ja nun zwanzig Minuten um dich zu erklären und deine Fehlstunden einzutragen, ist nicht so schlimm, kann jedem einmal passieren. Wir sind für heute fertig, macht Pause und danach sehen wir uns im mikrobiologischen Labor.“ Mit einem frustrierten Seufzen ließ sich Tweek auf seinen Platz fallen, gerade als alle anderen um ihn herum aufstanden. Da hätte er ja gleich noch bis zur Pause warten können und sich nicht so abhetzen müssen. „Hey!“ Eine bekannte Stimme brachte ihn schnell von seinen Selbstmitleidsgedanken ab, ehe er überhaupt anfangen konnte richtig loszulegen. „Na, hast du dir einen schönen Vormittag im Bett gemacht?“ Das aufrichtige Grinsen ließ Tweek von vornherein wissen, dass selbst, wenn es so gewesen wäre, der junge Mann ihm nicht böse war. Orange-rote, wellige Haare bildeten einen interessanten Kontrast zu der knallgrünen Mütze auf seinem Kopf. „Ich wäre froh, wenn ich es hätte tun können, Kyle.“ Schief lächelnd hievte sich nun auch der Blonde hoch und verließ zusammen mit dem Rothaarigen den Raum. Kyle Broflowski war sein voller Name und er war wirklich ein unheimlich netter Kerl. Schon in der ersten Ausbildungswoche hatten sie zufällig herausgefunden, dass sie fast aus dem selben Orten und zur gleichen Zeit in diese Stadt kamen. Nur nicht aus denselben Gründen. Kyle’s Familie war nach Tweeks Ermessen recht wohlhabend und sie hatten einen guten Draht zueinander. Regelmäßig kan ihn seine besorgte Mutter besuchen, so hatte ihm der Junge erzählt und alles was sie dann tat, war seine jetzigen Lebensumstände zu bemängeln und ihn zu überreden, doch wieder nach Hause zu kommen. Das war wohl das andere Extrem an Familie, welches Tweek nicht sonderlich kannte. Aber zumindest hatte der Rothaarige keine Geldsorgen, dank der Unterstützung seiner Familie. „Jetzt erzähl schon, was war denn los, du kommst doch sonst nie zu spät.“ Tweeks Auge zuckte leicht, ebenso wie seine Mundwinkel, die schon zu einer Antwort ansetzen wollten, ehe sein Gehirn sie ausbremste. Eine angemessene Formulierung für das Geschehene zu finden, ohne dabei groß zu lügen und sich zu verraten, war gar nicht so einfach. „Ich“, setzte der Blonde schließlich an, während sie die Treppen hinauf stiegen, „hatte Probleme mit dem Vermieter und musste deswegen die Nacht wo anders verbringen.“ „Was?“ Kyles Lächeln änderte sich schlagartig in einen ernsteren Gesichtausdruck. „Was ist denn passiert? Ist dein Vermieter wirklich so ein Arschloch?“ Oh, wie gern hätte Tweek diese Frage kurz und knackig mit einem ‚Ja!’ beantwortet. Doch das konnte er nicht. Es war nicht die Schuld des alten Mannes, er kam lediglich den Pflichten in diesem Land nach. Ein kurzes, alles sagendes Lachen rann über die Lippen des Blonden, darauf folgte ein gutgemeintes Kopfschütteln. „Ich stehe immer noch in Verzug mit der Zahlung. Demnach war es in gewisser Weise schon gerechtfertigt…“ „Du bist immer noch in den Miesen?“, Kyles Mine wurde nun nur noch besorgter, „das ist echt Müll. Ich hab’ dir doch schon einmal angeboten, dass ich dir Geld leihen kann, wenn es ganz schlimm bei dir aussieht.“ Es war ein seltsames Phänomen. Tweek kannte diesen Jungen erst seit ein paar Monaten und das nicht einmal besonders gut. Trotzdem bot ihm der Rotschopf solch ehrliche Hilfe an. Ob es Naivität oder einfach selten gewordene Menschlichkeit war, wusste der Blonde noch nicht einzuschätzen, aber er war dankbar dafür. Annehmen kam für ihn dennoch nicht in Frage. „Gott-nein, dann stehe ich bei dir in Schulden, was bringt mir das denn?“ „Ich werf’ dich immerhin nicht aus deiner Wohnung!“ Ein kurzes Auflachen beiderseits. „Nein, ist wirklich okay. Danke trotzdem.“ Kyle zuckte bedauernd mit den Schultern, seufzte, während er sich auf einen der Stühle herabsinken ließ, die sich vor dem Labor befanden. Tweek blieb neben ihm stehen. Ohne Aufsicht durften sie, als Azubis, diese Räume nicht betreten. „Aber jetzt ehrlich, er hat dich einfach ausgesperrt?“ „Er hat mir den Schlüssel abgenommen“, nun konnte der Blonde die Niedergeschlagenheit zu einem gewissen Grade wirklich nicht mehr verbergen. Der Sitzende sah ihn mitleidend an, „ernsthaft? Alter, das ist bitter. Aber du bist doch nicht etwa die ganze Nacht draußen herum gelungert, bei diesem Wetter?! Du hättest mich anrufen können, das wäre kein Problem, wenn du bei mir schläfst.“ Daran, Kyle anzurufen, hatte Tweek zu jener Zeit überhaupt nicht gedacht. Viel zu engstirnig und aufgebracht waren seine Gedanken. Natürlich kannten sie sich noch nicht sonderlich lange und es wäre Tweek ebenso unangenehm gewesen, den Rothaarigen um eine Bleibe zu bitten, aber immerhin kannte er ihn schon länger als Craig. Wieso er sich trotzdem für ihn entschieden hatte, wurde Tweek, nun wo er darüber nachdachte, auch immer mehr zum Rätsel. Wahrscheinlich weil er mit den Nerven wirklich fertig war und die Adresse des Schwarzhaarigen zufällig noch angewählt war. Und weil er nicht an Kyle gedacht hatte. „Ich- uh… nein, ich war nicht draußen, bin bei jemand anderem untergekommen“, meine er dann schnell. „Na ein Glück“, Kyle klang beinahe vorwurfsvoll. „Dann ist das auch der Grund weshalb du spät bist, oder?“ „Gah!“ Genau, wollte er eigentlich sagen. Aber das traf es auch ganz gut. „Mir war der Weg von dort bis zur Schule noch nicht bekannt, deshalb.“ Eine kurze Pause. Stille. Blicke. „…und ich hab verschlafen…“, wurde ausweichend wegsehend dazu gemurmelt. Und schon lachte Kyle herzhaft, „DAS wollte ich hören!“ Mit dem Ende ihrer Unterhaltung wurde das Labor aufgeschlossen, jeder holte sich seinen Kittel und dann hatten sie auch schon wieder reichlich zu tun. Nativ-Präparate anfertigen, Färben, Aga-Platten herstellen, Bakterien anzüchten und autoklavieren. Im Autoklav. Das war keine Mischung aus einem Auto und einem Klavier – so wie Tweek beim ersten Vernehmen dieses Wortes vermutet hatte. Es war ein Gerät zum Hitze-Sterilisieren von Materialien und Abfällen. Das heißt, alle Bakterien, Vieren und Sporen wurden bei diesem Vorgang abgetötet. Dieses Ding, welches gewisse Ähnlichkeit zu einer Minni-Waschmaschine aufwies, war auch dafür verantwortlich, dass es hier roch, als hätte man einen Straßenköter gekocht. Zu Anfang gewöhnungsbedürftig, doch mit der Zeit fiel es nicht mehr auf. Aber Tweek mochte dieses Teil. Es sorgte für absolute Keimfreiheit, befreite seinen Inhalt bei 180° Celsius in weniger als 30 Minuten von jedem noch so kleinen Mikroorganismus und garantierte höchst hygienisch sterilisiertes Ausgangsmaterial. Besser als jede Waschmaschine. Die entfernte lediglich den sichtbaren Schmutz, da war so ein Apparat doch zehnmal besser! Allerdings auch bestimmt zehnmal teurer. Tweek konnte sich noch nicht einmal eine eigene Spülmaschine leisten. Aber würde er jemals ein Gerät heiraten, dann wäre es ein Autoklav! Konzentriert angelte sich der Junge eine der Ausglühösen, mit welcher er behutsam über eine dicht mit Schimmelpilz bewachsene Platte strich, dabei nur winzig kleine Mengen der Substanz mit dem Eisenstäbchen abschabte. Keine Sekunde später wurde die Schale wieder verschlossen und das Material von der Öse in einem kleinen Tropfen Natriumlauge auf einem Objektträger getupft. Für die meisten Leute war allein der Gedanke, einen wunderbar flauschig wuchernden Schimmelpilzbewuchs freiwillig näher als einen Meter vor dem Gesicht zu halten, abstoßend. Tweek hatte auch einmal zu dieser Fraktion gehört. Bis ihm seine Eltern eines Grundschulabends schonend erklärt hatten, dass der Jogurt, den er am Morgen gegessen hatte, keinen lustigen Müsli-Pelz gehabt hatte. Danach hatte Tweek sich geschlagene 2 Tage stumm in sein Bett gelegt und mit dem Tod gerechnet. Doch dieser kam glücklicherweise nicht. Noch nicht einmal Magenschmerzen hatte der Junge bekommen, seit dem begann er, an diesen etepetete Hausfrauen-Mythen über Schimmel und anderen mikroskopischen Killern, zu zweifeln. Ab diesem Augenblick wuchs seine Neugierde für die Mikrobiologie. Sicher gab es etliche Organismen, die durchaus tödlich waren, aber dennoch machte es das interessant. Gerade das Wissen, dass solch winzig kleine Gebilde, die vielleicht nicht einmal einen richtigen Zellkern besaßen, so unglaublich viel anrichten konnten und im Grunde das Leben aller Menschen bestimmten, war faszinierender als das Weltall. Tweek verstand nicht, weshalb die Menschen immerzu nach den Sternen griffen und ‚neues’ Leben entdecken wollten, wenn sie noch nicht einmal ihren eigenen Körper und dessen Lebensmechanismen begriffen hatten. Anstatt in ein Stethoskop, sollten sie in ein Mikroskop blicken. Anstatt neue Sterne zu entdecken, die vielleicht längst tot waren, sollten sie Krankheiten erforschen, um Leben retten zu können. Doch wahrscheinlich war beides wichtig, nebeneinander. Und noch dazu war Tweek kein Mensch, der so etwas zu entscheiden hatte, nur weil er gerade mit Kittel und Handschuhen an Schimmelpilz herumkratzte. Nicht einmal die größten Wissenschaftler hatten es so einfach, wie er es sich in seinem Kopf gerne machte. Forschen war kein Kinderspiel. Es war der undankbarste Beruf, den man sich wünschen konnte, denn macht man nur einen Fehler – in der Berechnung, in der Ausführung, aus Leichtsinn – ging alles vor die Hunde, mit etwas Pech sogar die eigene Existenz. Doch die Aussichten, die man hatte, wenn alles gut lief, wenn alles klappe, machten jene Tätigkeiten sowohl attraktiv, als abschreckend. Würde Tweek jemals die Chance bekommen, an solch einem Institut zu arbeiten, würde er es tun. Es war ein seltsamer Trieb, hinter dem einzig und allein die Kraft dieser Mikroorganismen stand. Deren Macht. Darüber zu entscheiden, ein Leben auf zellulärer Basis zu beenden und den Menschen einen grausameren Verfallstod sterben zu lassen, als er sich in jeder Folter erdenken könnte. Oder den Körper auf selbige Art und Weise zu reparieren. Mit nur einer Tablette Antibiotikum. Oder nur einem Atemzug voll Milzbranderreger. Doch so gefährliche Substanzen hatte sie hier in diesem Labor nicht. Es war lediglich eine Einrichtung der Sicherheitsstufe II, das bedeutete, das Schlimmste, was man verhassten Leuten von hier mitbringen konnte, war Hepatitis A oder Herpes. Vielleicht sollte Tweek seinem Vermieter doch mal einen Brief schicken…~ Kopfschüttelnd und leicht grinsend stellte er die ausgeglühte Öse zurück und schnappte sich sein Präparat. Er sollte bei der Arbeit nicht träumen. Schon gar nicht hier, es lag doch eine ganze Menge Verantwortung auf diesem Job, da sich jeder Fehler auf seine eigene oder die Gesundheit seiner Mitmenschen auswirken konnte. Zwar würde davon wohl niemand sterben, aber eine Woche Brechdurchfall war auch nicht gerade angenehm. „Und? Spielen sie schon Baseball?“ Leicht irritiert hob Tweek den Kopf und wandte sich von seinem Mikroskop herum, um einen gespielt interessierten Kyle über seine Schulter blicken zu sehen. „Ngh-?…Nein?“, gab er lachend zurück und beugte sich wieder herab um durch die Okulare zu blicken und die Pilze zu beobachten. Sie sahen aus, wie kleine, blasse Kügelchen. Ab und zu Stäbchen und Schnüre dazwischen. Das alles schwabbelte auf Grund der wässrigen Lösung etwas hin und her. Fast als würden die Kügelchen eilig zwischen Objektträger und Deckglas wuseln. „Aber ich sehe Candida Albicans. Im Mikroskop.“ „Und ich sehe, dass wir nur noch fünf Minuten haben. Auf der Uhr!“ Tweek verspürte ein kurzes Klopfen auf seiner Schulter, ehe er sich von den Untersuchungen löste. „Also lass uns hier aufräumen und ab zum nächsten Unterrichtsfach. Der Tag dauert heute sowieso schon wieder viel zu lang.“ Gesagt, getan. Zum Glück hatten sie diese Woche keinen Ordnungsdienst, denn die ganzen Hygienevorschriften zogen diese soziale aber notwendige Tätigkeit ziemlich in die Länge. Die weiteren zwei Stunden vergingen ebenfalls irgendwann und schon fand sich Tweek wieder auf den Weg zu seiner Wohnung, nachdem er sich von Kyle noch einmal ausdrücklich hatte sagen lassen, den Schlüssel klipp und klar zurück zu verlangen. Aber den würde er nun hoffentlich ohne große Überzeugungskraft wieder bekommen, denn Lust auf jemand einzureden hatte der Blonde beim besten Willen nicht. Der Regen von letzter Nacht hatte sich glücklicherweise nicht in Glatteis verwandelt, dazu war es immer noch nicht kalt genug. Stattdessen war für nächstes Wochenende erneut mieses Wetter zu befürchten, doch solange sollte es einigermaßen schön bleiben. Was hier so viel bedeutete wie, es würde wolkenbehangen und windig sein, aber wenigstens nicht nass. Tweek wurde mulmig, als er vor der Tür seiner Wohnung stand und mit sich haderte, den Klingelknopf seines Vermieters zu drücken. Der Alte hatte gesagt er könnte den Schlüssel nach dieser einen Nacht wieder haben. Also musste er sein Versprechen doch halten! Es sei denn, er hatte damit gerechnet, dass der Junge aus unerfindlichen Gründen nicht zurück kam… Oh Gott – was, wenn er diese Nacht nicht hätte überleben sollen?! Vielleicht hatte der Hausinhaber einen Auftragskiller auf ihn angesetzt und er war dem nur zufällig entkommen, weil er überraschenderweise bei Craig geschlafen hatte, anstatt irgendwo unbehütet und alleine unter einer Brücke?! Vielleicht beobachtete er ihn gerade jetzt und zielte mit seinem Snipergewehr auf ihn-?! Wie vom Blitz getroffen fuhr der Junge herum, kontrollierte jedes Fenster des ihm gegenüberliegenden Wohnblockes mit panischem Argwohn – und das waren viele Fenster. Dennoch konnte er nichts entdecken, was nicht gleichsam bedeutete, er sei außer Gefahr! Zitternd entschloss sich der Blonde endlich die Klingel zu betätigen, ehe er wirklich noch abgeschossen wurde. Ein leises Surren und innerhalb einer Sekunde war Tweek ins Treppenhaus gehuscht, hatte die ersten Stufen erklommen und sich mit einem gequälten Laut ans Geländer geklammert. Den Blick ängstlich auf die langsam zufallende Tür. Gut-gut-gut! Er war in Sicherheit, er konnte nicht mehr getötet werden – vorerst! „Mr. Tweak.“ „WAH!“ Die Stimme seines Vermieters, der nun im Rahmen seiner Wohnungstür, nur ein paar Stufe weiter oben, stand, kam zu plötzlich für den aufgehetzten Jungen. „Akh- h-h-hallo…“ Tweeks Augenlid zuckte im selben Takt, wie seine bebenden Lippen. Er musste erst einmal verdauen, dass der alte Mann keine Mordwaffe in den Händen hielt und somit nicht die Absicht hatte, ihn umzubringen. Dass er dabei immer noch am Treppengeländer klebte, fiel ihm reichlich spät auf. Vorsichtig löste er sich davon, stellte sich eilig gerade hin, vermied es allerdings, näher auf den Älteren zuzukommen. Ein seltsam unsicherer Blick war alles, was der Mann von ihm erntete. „Ich hoffe du hast die Nacht gut überstanden. Es tut mir ja Leid aber es musste einfach sein.“ „J-Ja, schon gut“, Tweek wollte wirklich nicht mehr über dieses Thema sprechen, schon gar nicht mit demjenigen, der dafür verantwortlich war, dass er beinahe in der Gosse gelandet wäre. Aber jetzt auf reumütig tun. Diese Ironie. Diese wahnsinnig spontane Lust dem Schrumpelmännchen irgendeine Gemeinheit an den Kopf zu werfen. Doch Tweek war weder in der Lage, ein geeignetes Wort für seine Empfindungen zu artikulieren, noch konnte er den Mut dazu aufbringen. War auch besser so, wenn er Ärger aus dem Weg gehen wollte. Ohne lange herum zu diskutieren überreichte ihm der Mann die Wohnungsschlüssel, Tweek bedanke sich knapp und war dann auch schon unterwegs in den ersten Stock. Er hatte es wirklich vermisst, einen Ort zu haben, an den man zurückkehren konnte. An dem man zuhause war, oder so etwas in der Art. Einfach ein Dach über dem Kopf und ein paar persönliche Dinge aus dem alten Leben oder Errungenschaften aus seinem neuen. Das bedeutete viel, auch wenn es nur Kleinigkeiten waren. Gerade in einer fremden Stadt. Seufzend ließ er den Ordner auf die Ablage in der Küche fallen, während er als erstes die Toilette aufsuchte. Kyle hatte ihm seine Aufzeichnungen mitgegeben, damit Tweek sie nachtragen konnte, da er sein gesamtes Schulzeug nicht dabei hatte. Wie auch, wenn er unverhofft ausgesperrt wurde… Die ‚Wohnung’ war nicht einmal wirklich Tweeks eigene, es war mehr eine Art WG. In diesem Stockwerk gab es vier Zimmer, eines davon unbelegt. Das bedeutete, er teilte sich Bad und Küche mit zwei anderen Männern. Wer diese waren, hatte den Blonden nie wirklich interessiert, zumal seine Mitbewohner oft schon nach kurzer Zeit wieder auszogen. Im Moment wurde das Zimmer neben seinem von einem Vertreter auf Geschäftsreise belegt und das andere von einem Mann, in etwa Tweeks Alter, so weit er das mitbekommen hatte. Der war aber auch selten hier. Sie hatten kein Gemeinschaftszimmer, somit traf man sich höchstens zufällig in der Küche, oder wenn man ins Bad wollte. Der Kühlschrank wäre für normale Verhältnisse auch viel zu klein für drei erwachsene Männer, aber irgendwie wurde das noch nicht zum Problem. Entweder hatten die anderen auch so wenig Geld wie Tweek, oder sie aßen auswärts. Eine Mikrowelle gab es hier nicht, die Herdplatte hatte nur zwei Kochstellen und der Backofen in etwa die Größe eines Computers. Was immer sich der Einrichter dabei gedacht hatte, er hatte es gut verstanden, der Lust am kreativen Kochen ein Messer durch den Kopf zu rammen! Dementsprechend war Tweeks bester Freund der Wasserkocher. Schnell und einfach zu bedienen, ohne Anbrennen, Überlaufen oder Saubermachen. Die kulinarische Vielfalt litt zwar unter diesen Bedingungen aber wenigstens waren Fünf-Minuten-Terrinen und Fertignudeln nicht teuer. Er hatte noch nicht mal einen ordentlichen Topf. Nur etliche Tassen, falls er mal zu faul zum Abspülen war und trotzdem Kaffee trinken musste. Zu so etwas wie einem ‚Putzplan’ war es bisher noch nicht gekommen und der Gedanke, dass sie jemals so einen besitzen würden, war utopisch. Jeder war hier für seinen Müll verantwortlich, das war in gewisser Hinsicht nicht einmal schlecht. Man sollte nur keine Probleme damit haben, wenn der Biomüll einmal überquoll oder die Spüle absolut zugeparkt war. Irgendwann war das Zeug wieder weg. Es wusste schon jeder, was ihm gehörte. Sogar einzelne Seifen hatten sie. Das fand Tweek irgendwie affig. So etwas wie Seife konnte man sich um Himmelswillen doch teilen. Jetzt standen da drei verschiedene ums Waschbecken herum und der Blonde musste jedes Mal aufpassen nicht die falsche zu benutzen. Mit dem Klopapier machten sie das ja auch nicht. Da wurde von irgendwem mal eine Packung gekauft und wer bemerkte, dass es ausging, kaufte neues. Und wenn man es zu spät bemerkte dann war das … naja, eben Scheiße. Wie dem auch sei, Tweek schnappte sich einen Jogurt aus dem Kühlschrank und verzog sich damit auf sein Zimmer. Zwanzig Quadratmeter – sein Eigen. Fertig Möbliert, Heiz- und Wasserkosten inbegriffen. Dafür war das hier wirklich billig und etwas anderes konnte sich der Junge beim besten Willen nicht leisten. Noch dazu lag diese Wohnung recht günstig an Stadtmitte, Bahnhof und Einkaufsmöglichkeiten. Er hatte damals schon geglaubt, dieses Angebot sei ein Witz, aber das war es nicht. Sein Glück. Der Tür gegenüber waren zwei große Fenster, dazwischen ein Schreibtisch. Links daneben zwei Regale. Eines davon offen, zum Abstellen von Filmen oder anderen alltäglichen Gebrauchsgegenständen, das daneben mit verschließbaren Läden. Auf der anderen Seite des Raumes standen der Schrank und das Bett, welches für eine Person fast zu geräumig, für zwei beinahe zu eng war. Etwa einen Meter neben dem Eingang befand sich eine seltsame Einbuchtung, genauso hoch und breit wie die Türe. Tweek hatte sich schon oft gefragt was das sollte. Mochte sein, dass sich die Konstrukteure vertan hatten und dort fälschlicherweise eine Tür einbauen wollten. Das einzig sinnvolle, was Tweek mit diesem Freiraum anstellen könnte, wäre dort eine hochkant gestellte Gästematratze zu lagern. Aber ob er jemals Gäste haben würde, zweifelte er zum jetzigen Zeitpunkt stark an. Seufzend warf er Jogurt und Löffel auf den Tisch, fiel in den davor stehenden Stuhl und ließ seinen gesamten Körper einen Moment lang hängen. Wieder. Hier. Gut. Sein Blick hing eine ganze Weile an der Decke, die ebenso weiß und leer war, wie die Wände. Er durfte hier keine Poster oder Bilder aufhängen, es würde den Putz schädigen. Streichen durfte er auch nicht. Aber Tweek hatte nicht vor sich daran zu halten, der Alte kam eh nie herauf, um das zu kontrollieren, aber Tweek hatte sein Leben lang genug von kahlen, weißen Räumen. Mit dem Gedanken sich ein Haustier anzuschaffen, hatte er bereits gespielt, doch er wusste nicht welches. So gerne hätte er eine Katze. Er liebte diese Geschöpfe beinahe so abgöttisch wie Kaffee. Ihre Ruhe, ihre Eleganz, das Geschick, ihr leises, sanftes Schnurren war Balsam für seine Seele. Diese Wesen verkörperten all das, was er nie sein würde, all das, was er so bewunderte. Sie konnten zuckersüß aber auf der anderen Seite wild und kratzbürstig sein. Doch egal was sie taten, man hatte immer das Gefühl, dass sie eben dies und nichts anderes geplant hatten, nichts anderes wollten und sich jeder ihrer Taten voll und ganz bewusst waren. Doch Tweek würde hier kein Haustier halten dürfen. Und selbst wenn, was könnte er einer Katze schon bieten? Gleich vor dem Haus war eine recht befahrene Straße, sie hatten nur einen kleinen Garten dahinter und das Tierchen könnte nicht einmal in der gesamten Wohnung herum fetzen, da ja noch andere Menschen hier lebten und Zimmer absperrten. Außerdem wurde eine Katze ziemlich alt, was sollte er denn mit ihr machen, wenn er wirklich hier ausziehen musste oder ihm bei seiner neuen ‚Arbeit’ etwas zustieß? Nein, es würde nicht gehen. Und ein Hund fiel damit auch flach, aber Tweek hasste diese Köter so oder so vom Grunde seines Herzens, also kam das gar nicht in Frage. Hamster oder Mäuse waren auch nicht sein Ding, eben so wie Fische. Deren Lebenserwartung war dem Blonden wirklich zu gering und er hatte Angst, dass er sie noch verkürzen würde, indem er vergaß ihnen Futter zu geben oder den Käfig zu reinigen. Das war einfach zu viel Druck! Da wäre eine Schlange besser, die musste nur einmal in zwei Wochen gefüttert werden. Oder eine Spinne, das wäre auch interessant. Aber diese Art von Lebewesen waren nicht für den Haushalt oder zur Belustigung von gelangweilten Menschen geschaffen. Deswegen wollte er sie nicht in viel zu kleinen Terrarien quälen. Ein Meerschweinchen wäre nicht schlecht, doch Tweek hatte gehört, von ihnen müsste man mindestens immer zwei halten und den Nerv dazu hatte er nicht. Nachdem er mit diesen sowieso sinnlosen Gedanken abgeschlossen und seinen Joghurt verspeist hatte, kümmerte er sich erst einmal um den Schulkram. Wahrscheinlichkeitsrechnungen. Dass sie so einen Mist selbst noch in dieser Ausbildung wissen mussten, war ihm ein Rätsel. Solange sie die Funktionen dafür auf Excel wussten, reichte es doch. Plötzlich begann das Blatt Papier auf dem der Blonde schrieb zu vibrieren. Erschrocken fuhr der Junge hoch, biss sich auf die Zunge und warf den Kugelschreiber in hohem Bogen gegen die Wand, während er entsetzt auf das bebende Blatt starrte. Ein aufdringliches Surren fraß sich durch die Tischplatte, wurde durch den harten Untergrund verstärkt. Und endlich erkannte Tweek, dass seine Unterlangen nicht vom Teufel besessen waren, sondern lediglich sein stumm geschaltetes Handy klingelte. Mit einer Mischung aus Erleichterung und Genervtheit machte er einen großen Schritt an den Tisch zurück und nahm das Mobiltelefon in die Hand. Die Schriftzeichen auf dem Display bildeten die Worte Unbekannter Anrufer. Seine Familie oder Kyle waren somit ausgeschlossen und er erwartete auch niemand. „Gah-?“ Ehe er abwiegen konnte, ob es nicht doch besser war aufzulegen, hatte er den Anruf entgegen genommen. Ein amüsiertes Schnauben war das erste Geräusch, welches vom anderen Ende zu hören war. „Du musst dich nicht mal mit Namen melden und schon weiß man, dass du es bist.“ Durch das Telefon hörte sich die Stimme üblich verzerrt an, trotzdem war sie tiefer und fester, als gewöhnliche. Tweek überlegte wirklich einen Moment lang angestrengt, wie sich sein Gesprächspartner in Realität anhörte. Doch er konnte diese Stimme absolut niemandem zuordnen, den er kannte. Er hatte doch nicht etwa einen Termin vergessen? Vielleicht war es einer seiner Ausbilder, oh Gott - war es wegen dem zu spät Kommen? Erneut meldete sich unvermittelte Nervosität, zwang die Herzfrequenz des Blonden in die Höhe und ließ seinen Körper heftiger zittern. „Uhm.. Entschuldigung, w-wer ist dran?“ Er versuchte so höflich, wie möglich zu klingen. Er wollte nicht gefeuert werden, bitte nicht deswegen, er würde nie wieder zu spät kommen, versprochen! Sein Gesprächspartner schnalzte einmal mit der Zunge und allein durch dieses Geräusch zuckte Tweek zusammen. „Wenn du keinen One Night Stand mit mir willst, dann dachte ich, ich versuch’s mal mit Telefonsex.“ „…?!“ Tweek machten den Mund auf, atmete hörbar ein worauf sein Hirn einen kräftigen, schmerzhaften Schlag bekam, der ihn wachrüttelte und ihn stockten ließ, bevor er erneut so einen seltsamen Laut von sich geben konnte. „… Craig-?!“ „Du bist kein Blitzmerker, oder?“, kam es gelangweilt zurück. „Gott! Meld dich doch einfach mit deinem Namen und erschreck mich nicht so! Ich dachte irgendein perverses Arschloch hat meine Telefonnummer!“, erwiderte der Blonde aufgebracht, worauf lediglich ein kurzes ‚mh’ zu hören war. „Du meldest dich doch auch nicht mit Namen, also komm runter.“ Im wahrsten Sinne des Wortes fiel Tweek auf den Schreibtischstuhl zurück und versuchte seine Atemzüge in ein normales Tempo zu regulieren, während er dem Schwarzhaarigen am Apparat zuhörte. „Ich wollte nur testen, ob deine Nummer stimmt.“ Nun war es der Blonde der ein abwertendes Geräusch von sich gab und den Kopf schüttelte. „Natürlich stimmt sie. Ich bin in der Lage eine neunstellige Zahlenfolge fehlerfrei abzupinseln.“ „Das ist schön zu wissen. Hätte ja sein können, dass du schlau genug bist, so einem perversen Arschloch wie mir einfach die falsche Nummer zu geben.“ Obwohl Craig inzwischen langsam wissen müsste, dass Tweek im Punkto ‚Wie halte ich mich diskret so anonym und unauffällig wie möglich’ eine ziemliche Niete war. „Aber sehr aufmerksam, dass du es nicht getan hast.“ „Akh-“, sein Augenlid zuckte, „was hätte ich denn sonst tun sollen?! I-Ich dachte du bist jetzt so etwas wie, uhm, mein Mentor?“ Letztere Wortwahl war ehrlich gesagt nicht die Geschickteste, doch Craig schien zu verstehen, auf was er hinaus wollte. „Ja, in gewisser Weise bin ich das“, es klang schon beinahe genervt, „auch wenn ich dich eher als lästiges Anhängsel, statt als Schüler bezeichnen würde. Aber genau deswegen rufe ich an. Hör zu-“, gut dass der Schwarzhaarige sofort weiter sprach, „Komm heut Abend um 21 Uhr noch mal ins Underdogs’.“ Nun kroch doch erneut Furcht in die zitternden Knochen des Blonden. Diese Kneipe war ihm immer noch suspekt und der Fakt, sich in näherer Zukunft öfter denn je darin aufhalten zu müssen, gefiel ihm überhaupt nicht. „Gibt… gibt es etwa jetzt schon etwas zu tun….?“, fragte er ängstlich. „Nicht für dich“, die nüchterne Antwort erleichterte Tweeks Magen um ein paar Felsbrocken, „aber es ist eine gute Gelegenheit für dich Leute kennenzulernen. Kontakte sind in diesem Geschäft die halbe Miete und machen 60 Prozent deiner Überlebenschancen aus. Also nimm es nicht auf die leichte Schulter.“ „O-Okay!!“ Sehr ermutigend klang es nicht, aber die Notwendigkeit war nicht zu überhören. Auch wenn es Tweek überhaupt nicht gefiel, neue Leute kennen zu lernen, auf die er am Ende noch angewiesen war, reihte er seine Prävalenzen lieber hinter den Befehlen Craigs ein. Er musste schließlich wissen, was für ihn in dieser Situation am besten war. Und Tweek betete zu Gott, das der Schwarzhaarige ehrlich zu ihm war und ihn nicht auffliegen ließ. Obwohl er das mittlerweile aus rein menschlichem Verstand längst als Wunschvorstellung abgehackt hatte. Irgendwann würde dieser Zeitpunkt kommen, an dem das menschlich naive Vertrauen, die Freundschaft versagte und alle Waffenregister gezogen wurden, um den anderen nieder zu machen. Er hoffte nur, dass es nicht all zu bald war und sich seine und Craigs Wege bis dahin getrennt hatten. Doch solange es ihm Geld brachte, tat er was nötig war. Die einziehende Stille hatte der Junge über seine Gedanken hinweg gar nicht bemerkt, erst das leise Seufzen Craigs rüttelte ihn wieder wach. „Gut. Dann sehen wir uns später. Leg dich jetzt hin, wenn du müde bist, könnte eine längere Nacht werden.“ Ohne eine Antwort Tweeks abzuwarten legte der Schwarzhaarige auf, ließ den Blonden mit offenem Mund und einem tutendem Handy zurück. Misstrauisch beobachtete Tweek das Display, welches ihm Craigs Nummer immer noch als ‚unbekannt’ verkaufen wollte. Mit einem neuen Telefonbucheintrag hatte er dieses Problem schnell behoben und legte das Mobiltelefon aus der Hand. Als würde er Schlaf brauchen. Als könnte er Schlaf haben. Er hatte verpennt, das war mehr als Genugtuung für eine Woche. Das einzige, was ihn sinnvoll und sicher auf lange Nächte vorbereitete, war Kaffee. Und selbigen gönnte er sich augenblicklich. Sein Geschmack, Geruch und seine Wärme waren die grundlegenden Faktoren, die Tweek benötigte, um sich ‚zuhause’ zu fühlen. Egal, wo er war. Eigentlich sollte er das Gebräu hassen. Weil es ihm sein Leben versaut hatte. Weil es ihn süchtig gemacht hatte. Weil es ihn in die Psychiatrie gebracht hatte, ihn nicht schlafen ließ, ihm seine Freunde, seine Familie und seinen Geburtsort genommen hatte. Kaffee war es, der ihn zwang hier her zu kommen, hier neu anzufangen mit nichts – außer Kaffee. Doch Kaffee war sein Lebenselixier, sein Behüter, sein Versicherer. Sonst hatte er niemand. Manchmal kam sich Tweek schon beinahe vor wie Golum, hin und her gerissen von einem Gegenstand, welcher ihm schadete, aber den er absolut nicht entbehren konnte. Doch zu seiner Verteidigung sah er wenigstens besser aus! Die Zeit verging angenehm und nicht zu langsam. Tweek konnte sich sogar etwas herrichten für heute Abend, immerhin musste sein geliebtes seegrünes Hemd, das er nicht knöpfen konnte, auch mal in die Wäsche. Eine schwarze Jeans, ein weißes, enges Shirt und darüber eine dunkelgrüne Jacke mit Nieten. Er hatte auch versucht seine Haare einigermaßen ordentlich hinzubringen, aber das erforderte mehr Blut als Schweiß. Wenn, dann klappte es mit dem Glätteisen, aber dafür hatte Tweek gerade keinen Nerv. Es musste also auch so gehen. Einen Moment lange hatte er sogar mit dem Gedanken gespielt Kajal zu benutzen. Er musste zugeben, dass er Schminkzeug hatte, weil ihm eine alte Klassenkammeradin einst riet, er solle sich schminken, wenn er sich nicht leiden konnte und Tweek war so verzweifelt, dass er das wirklich versucht hatte. Vielleicht hätte er berücksichtigen sollen, dass das Mädchen eins und eins nicht zusammenzählen konnte und auch sonst nicht recht viel Stroh im Kopf hatte, ehe er diesen Rat ernsthaft ausprobierte. Viel hatte sich für ihn aber nicht geändert, mit oder ohne Makeup. Und heute wäre es wohl wirklich mehr als unpraktisch, wollte er nicht vom ersten Tag an als Schwuchtel verschrien werden. Was er nicht war! … Er war nur irgendwie nicht an Mädchen interessiert. Aber auch nicht an Jungen. Er hatte zwar einmal eine Freundin gehabt, aber das war einfach nur, weil sie einen Typen gebraucht hatte und Tweek eben nicht ‚nein’ sagen konnte. Davor hatte sie den Blonden nicht mit dem Arsch angesehen. Die war sowieso nur auf kostenlose Cappuccinos für sich und ihre Hühner aus, mit denen sie in ihrer gesamten zweimonatigen Beziehung mehr Zeit verbracht hatte, als mit Tweek und er war froh darum. Dieses Mädchen war ihm egal gewesen, ehe sie ihn angesprochen hatte und seit sie es getan hatte, hatte Tweek für sich erkannt, dass sie unausstehlich war. Er konnte sich nicht einmal mehr an ihren Namen erinnern. Alles, zu was Tweek in ihren Augen gut war, war rumknutschen, aufzeigen dass sie jeden Typen haben konnte, kostenlose Cafébesuche und Mitleidssex. Und als Tweek ihr diesen nach dem ersten und letzten Mal verweigerte, machte sie hysterisch Schluss. Aber traurig war er deswegen bei Gott nicht. Das hätte er selbst nicht von sich gedacht, solch eine Situation so gut verkraften zu können. Doch es bewies ihm nur erneut, dass sie ihm absolut nichts bedeutet hatte, also war es gut so. Und seitdem war beziehungstechnisch nichts mehr bei ihm los gewesen. Wahrscheinlich hauptsächlich, weil er sich selbst hasste. Wer würde sich bitte schon mit ihm abgeben – niemand. Niemand könnte ihn lieben, wenn er sich nicht einmal selbst akzeptierte, deswegen erstickte er jede Schwärmerei, jeden kleinsten Funken Liebesgefühl, im Ansatz. Und langsam hatte er das Gefühl er wurde asexuell. Aber vielleicht war das gar nicht so schlecht. Ersparte ihm eine Menge Gefühlschaos und Geschlechtskrankheiten. Craig hatte im großen und ganzen Recht, dass sich wohl niemand dazu erbarmen würde, mit ihm zu schlafen. Vielleicht hätte er das Angebot einfach annehmen sollen, immerhin sah der Mann ja nicht schlecht aus, ganz im Gegenteil. Aber es war so oder so nur ein Scherz gewesen und allein für den letzten Gedanken strafte Tweek sich innerlich selbst, während er mit Schlüssel und Geldbörse bewaffnet aus dem Haus ging. Es war kälter als am Tag, nun da sie Sonne hinterm Horizont verschwunden war und die Stadt in eine einladende Dunkelheit tauchte. Dennoch hielten sich die Temperaturen mild, obwohl es Ende November war. Der Schwarze Mantel, den Tweek übergeworfen hatte, reichte ihm bis zu den Knien und um die Taille musste er sich sogar einen Gürtel schnüren. Die Geschäfte verkauften einfach keine Größen für Kranke. Mit den Händen in den Hosentaschen und dem Blick permanent nach unten gerichtet, schritt er zügig voran, den Weg kannte er nun, so war er sogar einige Minuten vor neun bei Underdogs’ angekommen. Beherzter als das erste Mal stieß er die Tür auf, wusste er jetzt ja, was ihn dort erwartete, zumindest teilweise. Der Rauch und das fahle rötliche Licht hatten sich nicht geändert. Auch fiel sein Augenmerk dieses Mal sofort auf den Barkeeper, Chef, der ihm noch vom letzen Mal gut in Erinnerung geblieben war. Eine Sekunde später blickte er sich im restlichen Raum um. Er konnte keine blaue Mütze mit gelbem Bommel erspähen, also war Craig vermutlich noch nicht hier. Glücklicherweise waren die Typen, vor denen Chef ihn gerettet hatte, auch nicht anwesend. Ohne zu zögern bahnte er sich seinen Weg zur Bar. „Hallo“, grüßte er lautstark, um den Geräuschpegel der Musik und dem Gegröle der Anderen stand zuhalten. Der Dunkelhäutige schien Tweek ebenfalls im Gedächtnis behalten zu haben. „Oh, na wenn das nicht unser Neuling ist!“ Ein freundliches Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, während er ein Glas abtrocknete. „Du bist ja doch wieder hier, hat das einen bestimmten Grund oder willst du dieses Mal nur etwas trinken?“ „Ah- nein danke, ich warte auf Craig. Oder ist er schon hier?“ Ein heiteres Auflachen des Älteren war zu hören und er schüttelte kurz den Kopf. „Du bist wirklich eine Ausnahme, ohne dass es dir bewusst ist. Dann hast du dich doch entschieden bei uns mitzumachen?“ Tweek entkam ein fast schon gequältes Auflachen. „Sagen wir so, ich hatte nicht viel Wahl…“ „Das hab ich dir doch prophezeit“, gab der Barkeeper zufrieden von sich, „aber keine Sorge, bei Craig bist du hier so ziemlich in den besten Händen – was das Geschäft angeht. Außerhalb von dieser Kneipe, würde ich mich persönlich von ihm fernhalten.“ Diese Worte ließen den Blonden nun doch aufmerken und seine bereits gesetzten Sicherheitsgefühle mit einem Wisch verschwinden. „W-Was?! A-Aber ich bin gerade außerhalb- Oh Gott! Ist er ein Massenmörder?! “ „Naja, so genau weiß ich das nicht, aber wenn er einer ist, dann eher ein Auftrags-Massenm-“ „OH GOOOTT!!“ Ohne Chef ausreden zu lassen, warf der Blonde seine Hände in die Haare und zog an seiner hellen Strubelmähne, während er sich bildlich vorstellte, in Scheibchen geschnitten zu werden. Er würde so was von drauf gehen! Wieso hatte er sich nur darauf eingelassen?! Wo war seine normale Paranoia gewesen, wenn sie ihn hätte abhalten sollen – Wo?! Sichtlich verwirrt von dem nun völlig aufgelösten Häufchen Chaos, hob Chef entschuldigend die Hände und versuchte den Jungen wieder runter zu bringen. „Ganz ruhig. Soweit ich weiß, hat er noch keinem Kollegen etwas getan.“ Nun gut, Chef wusste mehr, unter anderem auch, dass er gerade log, aber das konnte Tweek ihm ja nicht ansehen. Und da selbst der Barkeeper zu verstehen schien, dass ein aufgelöster Angsthase niemandem etwas brachte, war es nun an ihm, den Blonden halbwegs zurück auf den Boden zu bringen. „Wenn er dich schon zum zweiten mal hier her einlädt, glaube ich nicht, dass du vorerst etwas zu befürchten hast.“ Hätte der Mann jetzt nicht ‚vorerst’ in seinen Satz gebaut, hätte Tweek auch das verzweifelte Psychogrinsen sein gelassen. „Ehehee… Sch-schön…“ Um schnell von diesem Thema abzukommen, begann Chef erneut nachzufragen, „weißt du, weshalb er dich hier her bestellt hat, hast du schon einen Auftrag?“ Tweek überlegte kurz, holte dann tief Luft, um sich laut genug gegen den Geräuschpegel artikulieren zu können. „Nein. Er meinte, ich sollte nur mehr Leute kennenlernen, o-oder so.“ „Ah, verstehe~“, großzügig nickend griff Chef unter seinen Tresen und zog eine kleine Karte aus festem Papier heraus, welche er mit einem Stempel versah. Danach überreichte er sie dem Blonden. „Ich weiß, wo ihr hingehen werdet und die kannst du dort gut gebrauchen. Drinks for free, kenne den Keeper dort gut. Andere müssten dafür ne ganze Menge zahlen, aber du machst so einen unschuldigen Eindruck, da kann man doch nicht anders, als dem abhelfen zu wollen!“ Noch während Chef lachte und damit Tweeks leises ‚D-Dankeschön’ unterging, besah sich der Blonde die Karte, und steckte sie zitternd in die Hosentasche. Genau im selben Moment schwang die Tür hinter der Bar auf und ein großer Mann mit blauer Jacke und blauer Mütze betrat den Raum. Craig. Es dauerte keine Millisekunde, bis sein Blick Tweek fixiert hatte, als wüsste er genau, wo der Blonde schon die ganze Zeit stand. Ohne zu zögern schritt er zu ihnen an die Bar, begleitet von seinem gewohnt monotonen Ausdruck. „Craig! Schön dich mal wieder persönlich zu sehen. Und du führst den Kleinen heute etwas herum, so wie ich gehört habe?“ Das freudige Grüßen Chef’s wurde mit einem simplen Nicken abgeblockt und noch nicht einmal mit Blickkontakt gewürdigt. „So ziemlich. Hab selber was zu erledigen, aber es schadet nicht, wenn er mitkommt und sich dabei etwas umsieht.“ Zu Tweeks größter Verwunderung schien es den Barkeeper nicht einmal zu stören, so eine miesepetrige Antwort zu bekommen. Er lächelte nur weiter und schnappte sich ein neues Glas. „Du wirst wissen, was du tust. Passt auf euch auf und vor allem du auf ihn.“ „Werd ich, danke.“ Und ehe Tweek sich auch noch bedanken konnte, fühlte er eine starke Hand im Rücken, die ihn ungeniert Richtung Ausgang schob. Sobald sie auf den relativ leeren Straßen waren, beschloss der Blonde Craig so stumm wie möglich zu folgen und sich den Weg einzuprägen. Es konnte gut sein, dass er heute Nacht wegen irgendwelchen Gründen schnell wieder abhauen musste und dann wollte er wenigstens wissen, wie er wieder nach Hause kam. Ihm war die ganze Sache immer noch nicht geheuer. Das würde sie auch nicht werden, fürchtete er. Es war eben ein Mittel zum Zweck – Geld. „Wohin gehen wir denn?“, durchbrach Tweek schließlich die Stille, während er sich bemühte mit Craig Schritt zu halten. Der Kerl machte den Eindruck, als verfolgte ihn Jemand, so wie er die Straßen entlang hetzte. „Der Laden heißt ‚Raisins’ und war früher, so weit ich weiß, mal ein richtig runtergekommener Puff.“ „GAh- Was?! Ich will in keinen Puff!“, protestierte Tweek sofort stolpernd. „Ich habe ja auch gesagt war und nicht ist“, stellte der Schwarzhaarige genervt fest, während er die Zigarette, die er sich vor ein paar Minuten angesteckt hatte, in die Hand nahm. „Es ist ein Club wie jeder andere auch, nur dass sich dort hauptsächlich Dealer rumtreiben. Das kann man positiv oder negativ sehen.“ Sie bogen links ab. Das Laternenlicht wurde schwächer. „Gut ist, dass dieser Ort fast vollkommen frei von unwissenden Idioten ist. Zumindest bis auf ein paar Exemplare.“ „Das… ist doch gut“, es klang wie eine unsichere Frage, „ich meine, dann gibt es niemand, der zufällig etwas aufschnappen und der Polizei melden könnte.“ Craig schnaubte darauf nur kopfschüttelnd. „Nein, das kommt sicher nicht vor. Ehe es die Bullen erfahren, wäre dieser armselige Wicht tot. Aber die Unwissenden sind meistens kein Problem. Eher diejenigen, die genau wissen, was dort abgeht. Und wenn diese Leute nicht zufällig in demselben Netzwerk sind, wie du, dann hat das schlimmere Konsequenzen, als die Bullen je auffahren können, glaub mir. Deswegen pass extrem gut auf, wem du was sagst. Denk daran, dass dich jedes falsche Wort dein Leben kosten kann.“ Craig war nicht stehen geblieben, hatte Tweek kein einziges Mal angesehen, aber dennoch war die Gewichtigkeit dieser Sätze deutlich zu spüren. Ein trockenes Schlucken verließ seine Kehle, als der Kleinere sich plötzlich einer schwer wiegenden Verantwortung bewusst wurde, an die er bisher noch überhaupt nicht gedacht hatte. Wenn er mit irgendjemandem sprach, der in einem anderen Clan war, dann konnte allein das Erwähnen seines Namens oder vielleicht denen von Raven oder Craig mit verheerenden Folgen bestraft werden. „Gibt es denn so viele verschiedene Banden oder Netzwerke oder wie immer ihr das nennt?“ Mochte sein, dass diese Stadt klein und in einer gewissen Hinsicht runter gekommen war, aber es gab doch keinen Mord und Totschlag auf den Straßen. Tweek lebte nun schon fast ein Vierteljahr hier und er hatte absolut nichts von derartigen Geschäften bemerkt, auch nicht, wenn er sich alleine nachts draußen herumgetrieben hatte. Es konnte doch nicht so weit verbreitet sein, dass die Anhänger einen ganzen Club ausfüllen konnten! „Es gibt mehr als du denkst“, Craig bog wieder links ab, so schnell, dass Tweek beinahe nicht nachgekommen wäre, „die meisten sind eigenständig, ungefährlich, alles, mit dem sie dir Drohen können ist eine Waffe oder die Polizei. Die sind kein Problem, ebenso wie die kleineren Verbände, meistens Halbwüchsige, die sich cool dabei fühlen mit dem Zeug umzugehen oder es zu nehmen. Die einzigen, vor denen du dich in Acht nehmen solltest, sind die ‚Internationals’.“ Tweek hob eine Augenbraue, „Internationals?“ „Ihr Netzwerk ist in ungefähr genauso groß und verzweigt, wie unseres, wenn nicht sogar noch weiter. Sie nennen sich so, weil die beiden Hauptakteure aus England und Frankreich stammen. Wenn du es so sehen willst, sind sie unsere Konkurrenten, was Abnehmer und Reviere angeht.“ Trotz dieser Aufklärung hellte sich der verwirrte Blick des Blonden nicht auf, den er inzwischen auf den Boden gerichtet hatte, da Craig ihn höchstwahrscheinlich nicht mehr während der gesamten Weges ansehen würde. „A-aber wieso seid ihr dann in ein und dem selben Club? Wenn ihr schon Konkurrenz seid, solltet ihr euch aus dem Weg gehen.“ „Weil die Möglichkeiten einfach begrenzt sind“, erwiderte Craig kühl, „meistens passiert auch nichts direkt in der Location. Dort werden lediglich die Auslöser betätigt, die Folgen laufen irgendwo anders, in verlasseneren Gegenden, ab. Trotzdem-“ Mit einem Mal blieb der Schwarzhaarige stehen, wandte sich ruckartig Tweek zu und starrte ihn mit einer ausdrucklosen, eindringlichen Mine an, „wenn du auch nur die leiseste Ahnung hast, jemandem aus dieser Organisation gegenüber zu stehen, verrate weder deinen Namen, noch einen von uns. Erklär ihm nicht, weshalb du hier bist, von wo du kommst und was du tust. Halt einfach die Fresse und hau ab. Hast du verstanden?“ Tweek war unter diesem unverhofften Blick wie versteinert, konnte gerade noch seine Atemfunktion auf einem lebensnötigen Minimum halten. Diese kalten, dunklen Augen brannten ihm jedes Wort, jede Lippenbewegung des Schwarzhaarigen in den Kopf. Unwiderruflich. Stockend und eingeschüchtert nickte er schließlich, verbiss sich einen seiner Ticks. „Gut“, Craig nahm noch einen Zug von seinem Glimmstängel, bevor er ihn unbeachtet auf den Asphalt warf. „Dann komm mit, es ist sowieso viel zu kalt.“ Der Größere setzte sich wieder in Bewegung und nun erkannte Tweek auch, dass sie am Ziel angekommen sein mussten. Ein oranges Schild mit gelbem Neonleuchtzug verkündete ‚Raisins’. Es sah wirklich aus, wie ein ganz normaler Club. Türsteher, Leute mit Bierflaschen und Zigaretten vor dem Eingang. Nichts Auffälliges. Und genau das machte Tweek am meisten Angst. Niemand benahm sich seltsam. Wie sollte er denn bitte unterscheiden, wer zu wem gehörte, wenn jeder das Maß an Normalität erfüllte?! Schon nachdem sie den Eingang passiert hatten folgte der Blonde seinem Mentor dicht, immer wieder nervös um sich sehend, ob ihnen jemand nachspionierte. Seltsam genug, dass die Türsteher keine Ausweise kontrolliert hatten. Eine Treppe führte sie ein Stockwerk tiefer, vorbei an der Garderobe, an welcher sie einen Stempel auf den Handrücken gedrückt bekamen. Eintritt schien es hier nicht zu geben, auch nicht schlecht. „Sollen wir nicht unsere Jacken-“ „Ich kenne den DJ, wir lassen sie dort liegen.“, unterbrach Craig ihn. Jedoch musste er inzwischen selbst lauter werden, da sie nach der ersten Tür bereits mitten im Geschehen waren. Grelle grüne, rote und sonstig farbige Strahlscheinwerfer flackerten durch den gefüllten Raum, blitzen immer wieder auf, machten es schwer, flüssige Bewegungen zu erkennen, ließen alles abgehackt erscheinen. Passend zu dem Techno-House-Mix, welcher es den meisten Besuchern schier unmöglich machte, still an Ort und Stelle zu stehen. Sobald sie den Raum betreten hatten war die Luft mit einem Schlag dicker geworden, stickiger. Tweek roch die schwitzenden Leute, den Alkohol und was immer hier sonst noch abging. Doch die Mixtur aus allem, machte den Geruch auf eine seltsame Art und Weise erträglich. Er war in seinem Leben nur selten in solchen Clubs gewesen, es war ihm zu viel Stress, zu viele Leute, die ihn bedrängen oder anstarren könnten. Ehrlich gesagt fühlte er sich auch jetzt alles andere als wohl. Er mochte es lieber übersichtlich, das hier war das absolute Gegenteil. Auf der anderen Seite, waren es wiederum so viele Menschen, da würde er als unauffälliger, stiller Schatten sicher untergehen. Trotz all dem, war diese Atmosphäre und das Zusammenspiel der sinnestäuschenden Faktoren beeindruckend für den Blonden. So absorbierend, dass er glatt vergessen hatte Craig zu folgen, der auf einmal weg war. Sofort stieg Panik in Tweek hoch, wie in einem kleinen Kind, das seine Mutter in der U-Bahnstation aus den Augen verloren hatte. Glücklicherweise machte er den Anderen dank seiner auffälligen Mütze schnell ausfindig und trödelte keine Sekunde mehr. Auch, dass Craig sich als einer der einzigen noch normal laufend fortbewegte und nicht im Rhythmus zu den Beats hüpfte, erleichterte es dem Blonden wieder aufzuschließen. Je näher sie dem DJ-Pult kamen, desto lauter wurde die Musik, umso schwieriger war es nicht von tanzenden, absolut abwesenden Leuten angerempelt zu werden, obwohl sie sich noch neben der eigentlichen Tanzfläche befanden. Mit einer Handgeste bedeutete Craig seinem Begleiter den Mantel auszuziehen, denn sprechen war hier so gut wie sinnlos. Der Blonde blieb nahe einem hohen, runden Tisch stehen, während Craig zum DJ hochstieg und ihre Jacken dort ablegte. Der Mann hinterm Mischpult hob grinsend eine Hand, als er Craig sah, welcher ihm darauf ungeniert den Mittelfinger zeigte. Da das allerdings keine seltene Geste des Schwarzhaarigen war, lachte der Musikmann lediglich kurz und widmete sich wieder seiner Arbeit, ebenso wie Craig zurück zu Tweek kam. Unaufgefordert folgte der Kleinere ihm, immer noch darauf bedacht, ungewolltem Körperkontakt aus dem Weg zu gehen. Dabei kam er sich selbst jedoch bereits nach wenigen Sekunden blöd vor, denn angerempelt oder angetanzt zu werden konnte man hier einfach nicht vermeiden. Hieß ja noch lange nicht, dass er mitmachen musste. Würde er auch nicht! Sie entfernten sich von der Tanzfläche, durchquerten eine weitere Tür und landeten schließlich in einem Raum, in welchem Couchen und Sessel herumstanden. Es war leiser, als im vorigen Zimmer, aber wollte man sich verständigen, war es von Vorteil ein lautes Organ zu besitzen. Ohne sich weiter umzusehen konzentrierte sich Tweek dieses Mal darauf, Craig nicht noch einmal zu verlieren, auch wenn hier nur vereinzelt Leute scheinbar sinnlos in der Gegend standen und tanzten. Sie hielten auf eine der Sofaecken zu und nun erkannte der Blonde sogar einen der dort Sitzenden, es war Raven. Jedoch erhob sich zur Begrüßung nicht er, sondern ein brünetter, junger Mann neben ihm. „Craig~!“ Mit offenen Armen stand der Brünette auf, doch anstatt den Schwarzhaarigen zu umarmen, reichte er ihm die Hand, auf was dann so eine Art Bro-codex-Begrüßung stattfand, die für Tweek zu kompliziert war, als dass er sie rekapitulieren konnte. „Ewig her, seit wir uns hier getroffen haben!“ Nun richteten sich die hellbraunen Augen fast ruckartig auf den Blonden, welcher bisher still hinter dem Schwarzhaarigen ausgeharrt hatte. Wie auf Knopfdruck wandte er seinen Blick ab. „Wen hast du uns denn mitgebracht?“, klang es interessiert gerade noch so an Tweeks Ohren. Craig drehte seinen Kopf nur so weit, dass er ihn aus dem Augenwinkel ansehen konnte. „Neuling. Seid nett zu ihm.“ „Haha, sind wir doch immer!“ Damit hopste der Brünette an Craig vorbei und ehe Tweek sich versah, hatte er eine neue Bekanntschaft am Hals. Wortwörtlich. So schnell wie der Junge die Arme um ihn geworfen hatte, konnte Tweek nicht einmal Luftholen. „Hallo~!“, säuselte er lachend. „AH! JESUS!“ Mehr als das und einen absolut schockierten Blick brachte das überbelastete Gehirn des Blonden nicht zustande. Als Antwort erntete er weiteres Lachen und wurde wieder losgelassen. „Wie niedlich! Wo hast du den her? Ich will auch so einen!“ Diese Worte waren an Craig gerichtet, der inzwischen auf dem Sofa Platz genommen hatte und seinem Freund den Mittelfinger präsentierte. Kommentarlos winkte er die beiden zu sich, worauf sich der glucksende Brünette auf seinem angestammten Platz zwischen zwei blonden, leicht bekleideten Mädchen fallen ließ. Der schroffe Griff um Tweeks Handgelenk zwang ihn letztendlich auch zitternd neben Craig nieder, indessen er einen verängstigten Blick zu den Fremden, wenige Sitzplätze weiter, schickte. „Na, nun schau nicht so drein“, Ravens milde Stimme ertönte, „Clyde ist zwar ein wenig stürmisch, aber ein netter Kerl.“ „D-Du heißt Clyde?“, fragte der Blonde, einfach nur um irgendetwas darauf erwidern zu können. Ein Nicken des Brünetten bestätigte ihm dies. „Jap. Oder Taco-Man, wie’s dir lieber ist!“ „Taco-man?“ Die wollten ihn doch verarschen. Allesamt. Tweek war neu und mit Neulingen konnte man seinen Spaß haben, das leuchtete ihm ein. Aber niemand lachte. Das war nicht etwa ihr Ernst? „Na klar!“ Anscheinend doch. „Du weißt schon, Pseudonyme und so. Klingen ab und zu etwas abgefreakt, aber die Insider wissen sofort von wem die Rede ist!“ „Oh“, Tweek nickte verständnisvoll und brachte unabsichtlich sogar ein leicht sarkastisches Grinsen auf die Lippen, „immerhin nicht ganz so kindisch wie ‚Red Racer’.“ Als hätte ihm jemand ein Brett vor den Kopf geknallt, wandte Craig sich langsam nach links und starrte Tweek mit einem ‚What-the-Fuck..?!’-Blick an, wie er im Buche stand. Das war der erste Moment, in dem der Blonde das Gefühl hatte, Craig Tucker – die Maschine - war auch nur ein Mensch. Noch dazu hatte er mit diesem Kommentar gerade ihre kleine Runde unabsichtlich erheitert. Hätte Tweek gewusst, wie schwer es war, Craig solch einen Blick abzuverlangen, hätte er sich auf seine Worte mehr eingebildet. „Alter! Da hörst du’s, Mann!“, krakelte Clyde und schlug Craig gegen die Schulter, „das is’ ’ne verdammte Kinderserie aus den Neunzigern!“ „Shut up…“, brummte der Schwarzhaarige und präsentierte erneut seinen Lieblingsfinger. Clyde beugte sich ein klein wenig weiter vor, sah an Craig vorbei, der beleidigt nach einer Flasche Wodka griff. „Wie dürfen wir dich denn nennen?“ Tweek zuckte auf diese Frage unwillkürlich zusammen. Hilfesuchend sah er erst zu Craig, da dieser seinen Blick aber gekonnt ignorierte, änderte er sein Ziel und flehte Raven stumm an, etwas zu sagen. „Er hat noch keinen“, erbarmte sich der Dunkelhäutige dann. „Was?“, Taco-Man machte große Augen, „dann braucht er einen! Schließlich kann er hier nicht mit seinem echten Namen hausieren gehen! Also, wie willst du dich ab sofort nennen?“ Eine der blonden Damen beugte sich über Clydes Schoß, fixierte Tweek mit lasziv gesenkten Augenlidern, während sie sich die Lippen leckte. „Wie lang ist dein Schwanz~? Dann Nennen wir dich nach seiner Größe~“ „WA-?!“ Überfordert und schockiert hob Tweek beide Hände und drückte sich reflexartig rückwärts in die Sitzpolster. „N-Nein! I-ich weiß auch nicht!“ Woher sollte er bitte wissen wie lang seine Genitalien waren?! Er stand doch nicht täglich mit einem Maßband vorm Spiegel! Außerdem wollte er keine Nummer sein. Er konnte jetzt nicht über so etwas nachdenken, nicht so spontan, dafür brauchte er Zeit! Immerhin würde ihn dieser Name dann eine ganze Weile begleiten. Gott, das war zu viel Druck! Die wachsende Panik und Ratlosigkeit, schien ihm ins Gesicht geschrieben, denn das nächste, was er zu hören bekam, war hemmungsloses Gackern. „Wie süüüß~ so unschuldig~“ Eilig senkte er den Blick auf den Boden und presste seine Hände gefaltet in den Schoß. Er war nicht süß…! „Ich weiß was“, meldete sich Raven ruhig. „Wie wäre es mit ‚Bambi’?“ „BITTE?!“ Tweek glaubte wirklich ihm würden die Augen ausfallen, so ungläubig er den Mann nun anstarrte. Das hatte er nicht ernsthaft vorgeschlagen! Wie kam er auf so einen Mist?! Aber dieser schien das ehrlich zu meinen. „Würde doch gut passen, meinst du nicht?“ Gerade hatte Tweek seinen Denkapparat dazu bekommen von ERROR auf funktionstüchtig umzuschalten und wollte empört losmeckern, da durchschnitt ein zynisches Kichern seine Protestpläne. „Find ich perfekt.“ Craig grinste ihn hämisch von der Seite an. „Unschuldig, niedlich, schüchtern so wie vollkommen trottelig und naiv.“ Darauf klappte Tweek nur noch die Kinnlade runter. Der Schwarzhaarige wandte sich nun mit polemisch süßlichen Worten ganz an den Blonden, „allein deine großen, grünen Augen, Bambi~ “ Tweek hätte ihm hier und jetzt ins Gesicht kotzen können, bei so viel Galle wie sich gerade in ihm aufstaute. Doch das Lachen der restlichen Truppe sprach für sich. Ob er wollte oder nicht, sein Spitzname stand nun leider Gottes fest. Und der Rest seines männlichen Daseins bekam einen weiteren Fußtritt verpasst. Zufrieden widmete sich Craig wieder dem Alkohol, indessen Tweek pikiert in die genau entgegensetzte Richtung linste. Er war unter der Fuchtel eines totalen Idioten gelandet. Toll. Wirklich toll! „Naja, jetzt wo du deinen Namen hast, können wir dich ja ruhig ohne Leine etwas rumlaufen lassen“, bot Clyde fröhlich an. „Find ich gut, hatte keine Ambitionen weiter hier zu bleiben…“, knurrte der Blonde und erhob sich augenblicklich. „Verirr dich nicht, wenn was ist, treffen wir uns wieder hier, Bam-“ „HALT-“, Tweek war schlagartig herumgefahren, hatte den Zeigefinger auf Craig gerichtet, als wäre es eine Waffe und starrte ihn einige Sekunden mit zuckendem Augenlid an, „…die Fresse…!“ Und schon war er weg. Im ersten Moment war es eine richtige Erleichterung, endlich frei durchatmen zu können und die anfängliche Wut heraus zu pusten. Aber deren Platz wurde schnell und leise mit wachsender Panik gefüllt, je tiefer sich Tweek in die Weite des Clubs wagte. Dabei waren seine Aufenthaltmöglichkeiten von vornherein beschränkt. Er würde sich keiner der Tanzflächen nähern, absolut nicht! Ebenso wenig wie anderen, unbekannten Grüppchen die auf Sofas herum lungerten. Trotzdem gab es noch so viele andere Menschen, die sich eben nicht bei einer der erwähnten Örtlichkeiten aufhielten, sondern genauso wie er durch die Gegend irrten. Jeder von ihnen könnte ein potentieller Gesprächspartner sein, dem er Info anvertrauen könnte und damit Gefahr lief, sich zu verraten. Oder er würde auf einen Betrunkenen oder Zugedröhnten stoßen, der ihn einfach ohne Grund um die Ecke bringen und vergewaltigen wollte – oder beides – auf der Männertoilette oder noch schlimmer – auf der Mädchentoilette!! Ein fast schon entsetzter Schrei entkam seiner Kehle, als sich einer der Scheinwerferstrahlen genau in seine Augen brannte. Bis eben musste der Junge vollkommen still am Fleck gestanden haben. Umso schneller setzte e sich bei dieser Erkenntnis in Bewegung, er durfte nicht auffallen und ruhige Menschen fielen hier auf! Der einzige Ort, an den er sich flüchten konnte, war die Bar und so unnütz fand er das gar nicht. Er würde es hier keine Stunde aushalten, wenn er nicht irgendetwas bekam, dass ihn runterbrachte. Etwas, wie zum Beispiel Kaffee und den gab es dort. Zwar fragte ihn der Barkeeper ganze drei mal, ob er sich nicht verhört hatte und Tweek wirklich nur Kaffee wollte und keinen Kaffeeschnapps oder Kaffeelikör, aber irgendwann hatte er auch diese Hürde geschafft. So stand er mit einer dampfenden heißen Tasse in den Händen und gequältem Blick am Tresen. Vielleicht würde die Zeit schneller vergehen, wenn er hier einfach ausharrte und seinen Gedanken nachhing. Das konnte er sogar eine ganze Weile ungestört tun. Er riskierte auch keinen Blick auf die Uhr, hoffte inständig, die Zeit würde so schneller vergehen. Jedoch verpuffte dieser Hoffnungsfunken in der Sekunde, als er eine zarte Hand über seine Schulter streichen fühlte. „WHAT THE-?!“ Ohne zu überlegen riss er seinen Kopf herum und tat einen Sprung nach links, rempelte dabei seinen Tresen-Nachbarn an, doch dieser bemerkte das nicht. Die junge, brünette, viel zu sehr geschminkte Frau wurde lediglich mit einem Blick gestraft, der so viel sagte wie >Fass mich nicht an!<. Zu seiner Verteidigung sollte erwähnt werden, dass Tweek auf jede Berührung so reagiert hätte und wenn es nur der Wind gewesen wäre. „Oh, sorry Schätzchen, ich wollte dich nicht erschrecken.“ In ihrer süßen Stimme lag wirklich etwas Reue, auch wenn ihr die Verwirrung anzuhören war. „Du bist wohl schon ganz schön zu.“ „Ich bin nicht dicht!“, fuhr Tweek sie mit immer noch vor Schreck rasendem Herzen an. „Aber.. du trinkst keinen Alkohol…?“ „Ich weiß! Ich trinke Kaffee!“ „Oh~“, ihre Mine hellte sich mit einem Mal auf, ähnelte dem, der anderen unbesorgten Bedienungen. So eine war sie wohl, denn sie trug ein Namensschild an ihrem Top. „Dann musst du heute noch Autofahren?“ „Nein“, Tweek hatte sich inzwischen wieder etwas beruhig und rutschte unauffällig von seinem viel zu nahem, linken Sitznachbarn weg. „I-Ich trink ihn einfach so.“ Das Mädchen machte einen Schritt auf ihn zu und lehnte sich lächelnd neben dem Blonden an die Theke. „Ach so, tut mir Leid deswegen. Es ist nur wirklich selten, hier jemand anzutreffen der bei vollem Bewusstsein und Nüchternheit etwas Unalkoholisches trinkt.“ Ein leises ‚Glaub ich dir gern…’ musste ihr als gemurmelte Antwort genügen. Eine Weile erhob niemand das Wort und Tweek glaubte, dies sei der perfekte Zeitpunkt für die Frau, wieder zu gehen und sich an besoffene Typen zu schmeißen, doch da irrte er sich. „Ich bin übrigens Lexus“, ihr Ton blieb einladend, „wie heißt du?“ Der Blonde blickte weiter auf die Tasse zwischen seinen Fingern. „Ich bin…Tweek.“ Nein, er würde jetzt nicht mit seinem Codenamen rausrücken. Der war so peinlich, da verriet er lieber noch seinen echten. Er nahm aus dem Augenwinkel eine erkenntliche Kopfbewegung wahr, „Tweek?“ Seufzend schloss der Junge für einen Moment die Augen und nickte. Es wäre ein willkommener Zeitvertreib sich mit jemandem zu unterhalten, der noch nicht stockbesoffen oder high war. Zumal er nicht gedacht hätte, so jemand anzutreffen. „Willst du etwas trinken?“, er hob schließlich seinen Blick und musterte Lexus fragend. Es dauerte nicht lange bis sie dankend einwilligte und dem Barkeeper ihre Bestellung genannt hatte. Dank Chef’s Karte kam auch ihr Cocktail kostenlos. „Danke, echt lieb von dir!“, meinte sie zwinkernd, während sie an ihrem Strohhalm knabberte. „Bist du neu hier? Ich hab dich noch nie gesehen und ich bin so gut wie jede Nacht arbeiten. Und woher hast du den Pass? So einen bekommt nicht jeder, vor allem niemand, der sich keinen Alkohol bestellt.“ „Ich weiß auch nicht, weshalb ich ihn habe“, gab Tweek schulterzuckend zu, „Ich denke, es ist einfach so, weil Craig mich hier mehr oder weniger reingeschleust hat und-“ „Craig?“, sie starrte ihn mit großen Augen an, „Craig Tucker?? Nicht dein Ernst!“ Just in diesem Moment wurde Tweek mit einem schmerzhaften Stechen in der Magengrube klar, was er gerade getan hatte – er hatte Craig Tuckers Namen verraten! An eine ihm vollkommen fremde Person, die mit Sicherheit nicht so unschuldig und wehrlos war, wie sie sich gab. Fuck! Wie von der Tarantel gestochen fuhr der Blonde zusammen, warf seine Hände in die eigenen Haare und fixierte das erschrockene Mädchen mit einem paranoiden, entsetzten Blick. „AHK-!! V-Vergiss das! Ich hab das nie gesagt! I-Ich kenne Craig nicht- Eh-I-i-ch meine, Craig—hab ich Craig gesagt? ! N-nur den Namen – kennt jeder! D-Du bist nicht von Internationals, o-oder?! Gott – bitte nicht!! GAH! Scheiße ich hätt’ die Klappe halten sollen- ich hätt’ die Klappe halten sollen – wir sind alle so gut wie TOT! Oh Goood Dieser Druck!!“ Vollkommen aufgelöst und einem Anfall nahe riss sich Tweek verzweifelt an den Haaren, als würde das irgendetwas ändern, was er preisgegeben hatte. Sie würden alle drauf gehen und das nur weil ER so dumm und leichtgläubig war und blöd und redselig und- „Hey-“ „WAHA!“ Trotz der lautstarken Reaktion des Blonden ließ Lexus ihre Hand auf Tweeks Arm ruhend, während sie ihn besorgt ansah. „Bist du sicher, dass du nichts genommen hast…?“ Ein Tick und ein Nicken sollten ihr das bestätigen, denn um ein aufklärendes Gespräch zu führen, wurde die Musik zu laut. Das bemerkte auch sie und so zupfte sie den Jungen einfach am Ärmel hinter sich her und bedeutete ihm, ihr nach draußen zu folgen. Allerdings nicht durch den normalen Aus- und Eingang, sondern durch eine Hintertüre an der Bar. Mehr oder weniger freiwillig folgte der junge Mann. Sie standen hier vollkommen alleine in einer Art Innenhof, umringt von dreckigen Wänden und Mülltonnen. Aber die Luft war angenehmer als drinnen. Wenn auch kälter. „Geht’s jetzt wieder besser?“, erkundigte sich Lexus. Kommentarloses Nicken war alles, was darauf folgte, während Tweek sich immer noch unsicher umsah. „…oder hast du’s drauf angelegt, dass ich dich hier her führe?“ Nun bequemte sich der Junge doch dazu sein Gegenüber anzusehen, allerdings nicht minder verwirrt als vorhin. „Wieso… sollte ich das?“ Stille. Blinzeln. „..Na du weißt schon…“, sie senkte ihre Augenlider. „…“ „…“ „…Nein?“, durchdrang Tweeks kleinlaute Stimme die Ruhe. Sollte er das wissen? Als hätte er ihr gerade eine unlösbare Rechaufgabe gestellt, glotzte sie den jungen Mann fassungslos an. „Willst du mich nicht vögeln?“ „WAS?!“ In der ersten Schocksekunde formten Tweeks Lippen einfach die Gedanken aus, die ihm als erstes durch den Kopf schossen. Und so schallte der jungen Frau ein entsetztes „Oh Gott - NEIN!“ entgegen. Vielleicht nicht unbedingt die einfühlsame Antwort, die sie hören wollte. Also riss sich der Blonde am Riemen und hob entschuldigend beide Hände, versuchte sich zitternd zu erklären. „A-Also nicht, dass du besonders hässlich wärst, ah- o-oder überhaupt! Uhm- a-aber ich bin kein Perverser der Frauen mit Getränken besticht! Gaw- D- das war keine Absicht vorhin, um dich irgendwohin zu locken, ich bin immer so, D-das ist- normal- irgendwie! Ich wollte das nicht alles sagen, deswegen- ha-hab nicht nachgedacht und-“ Ehe Tweek sich weiter blamieren konnte, wurde sein kläglicher Erklärungsversuch von einem herzlichen Lachen unterbrochen. Mit einer Mischung aus Dankbarkeit und Frust ließ er seine Arme wieder fallen und sah Lexus skeptisch an, welche lediglich mit einer Hand abwinkte und ihm bedeuete zu warten, bis sie wieder genug Luft zum Reden hatte. „Oh Mann~ du bist echt süß!“ „…“ Wenn Tweek diesen Satz noch einmal an diesem Abend hörte, würde er demjenigen die Fingernägel ausreißen. Einzeln. Als das Mädchen sich wieder beruhigt hatte und ihm mit ehrlichem Blick in die Augen sah, verflog auch die Panik des Blonden stückweise. „Langsam glaube ich, dass ich diejenige bin, die high ist. So einer, wie du, ist mir in meiner gesamten Arbeitslaufbahn noch nie über den Weg gelaufen.“ Unsicher, was er darauf nun zu erwidern hatte, blieb Tweek einfach solange stumm, bis sie fortfuhr. „Aber trotzdem, dir ist schon klar, dass es nicht gerade schlau war, mir deinen und Craigs Namen zu verraten. Und selbst, wenn ich dann noch nicht gecheckt hätte, zu welcher Bande du gehörst, hätte ich es spätestens gewusst, als du mich panisch nach den Internationals gefragt hast.“ Angesichts ihrer seriösen Stimme, konnte Tweek nur gedemütigt zu Boden sehen und ein ‚Ja…’ nachsetzen. Es war wirklich dumm von ihm gewesen. Keine Sekunde später riss er den Kopf allerdings wieder hoch und blickte sein Gegenüber unsicher an. „Du bist doch… nicht von denen…?“ Zu seiner Erleichterung schüttelte Lexus darauf leise kichernd den Kopf. „Nein, das bin ich nicht. Sonst hätte ich dich wohl kaum davon abgehalten, noch weiter da drinnen herum zu krakeelen, sondern deine Schwächen ausgenutzt, um mehr in Erfahrung zu bringen. Ich arbeite hier als Bedienung und… zu was man junge Frauen sonst eben so braucht.“ „Oh…“, gab Tweek fast schon mitleidig zurück. Trotzdem konnte er die Erleichterung nicht gänzlich verbergen. Es war schon fast unverschämt, wie viel Glück er hatte. „Man könnte sogar sagen, dass ich eher noch in euer Netzwerk gehöre“, fuhr die Brünette fort, als erneut drohende Ruhe über ihnen schwebte. „Ich kenne Raven gut und Craig eigentlich auch. Aber mich würde trotzdem brennend interessieren, wie du gerade durch ihn hier rein gekommen bist. Sonst lässt er absolut nichts und niemand an sich ran.“ „Wirklich?“, nun war es der Blonde, der überrascht klang, „ich dachte gerade der wäre notgeil auf alles, was ihm zwischen die Finger kommt.“ „Craig?“, Lexus lachte auf, „Schön wär’s! Was glaubst du wie viele Weiber dahin schmelzen, wenn er den Laden betritt? Nicht nur wegen seines Ranges, vor allem wegen seines Aussehens! Aber glaubst du, dass er eine einzige an sich ran lässt? Entweder ist er einfach eitel, oder wirklich diszipliniert, was seine Verantwortung als Oberhaupt des Netzwerkes angeht. Sicher, viele benutzen Sex um an Informationen zu kommen, das weiß er sicher auch und ich will ja nicht behaupten, dass er sich gar nichts gönnt. Aber ihm könnte die Schönheitskönigin des Clubs zwischen die Beine krabbeln und er würde sie wegtreten.“ Sie verschränkte mit einem beleidigten Laut beide Arme vor der Brust, welche dadurch demonstrativ etwas weiter hervorgehoben wurde, und schmollte. „Er ist eben doch ein ganz schönes Arschloch…!“ Tweeks Mundwinkel zuckten bei dieser profanen Bemerkung unwillkürlich nach oben und ein fast schon befriedigtes Grinsen bahne sich auf seine Lippen. Endlich jemand, der nicht nur in den höchsten Tönen von Tucker schwärmte, sondern seine Meinung teilte! Dann war er wenigstens nicht der einzige Mensch, dem das auffiel! Trotzdem wunderte es ihn, so etwas über Craig zu erfahren, hätte er doch wetten können, dass der Schwarzhaarige es wusste, seine Beliebtheit auszunützen. Er war wohl doch nicht so einfach gestrickt, wie sich Tweek bisher vorgemacht hatte. „Naja, ich habe Craig zufällig getroffen, als ich ihm etwas ausliefern sollte und irgendwie…“, der Blonde überlegte, kratzte sich am Hinterkopf, „bin ich in seiner Wohnung gelandet und er hat mich überredet mitzumachen. Gn- Wegen Geld, hauptsächlich.“ Der verblüffte Blick, den er an den Kopf geworfen bekam, brachte Tweek dazu noch einmal über seinen Satz nachzudenken, ob er nicht wieder irgendetwas Falsches gesagt hatte. „Du warst in seiner Wohnung??“ „…Ja…?“ „Wow. Dann hast du in den letzten Tagen mehr geschafft, als ich und die gesamte Belegschaft dieses Clubs zusammen. Schätz dich glücklich!“ Egal, wie oft Tweek diesen Satz noch zu hören bekam, er war sich nicht sicher, ob er das konnte. Die waren ja noch nie bei Mr. ‚Fickt-euch-doch-alle’ gewesen. Sicher hatte er gewissen Respekt und zugegebener Maßen auch Angst vor Craig, aber allein die Tatsache, dass er ihm so einen bescheuerten Spitznamen angehängt hatte, verblendete diese Eindrückte durch Empörung. Lexus steckte sich eine Zigarette an, bot auch Tweek die Schachtel an, doch dieser lehnte mit stummem Kopfschütteln ab. Ein leises, gutgemeintes Lachen war darauf zu hören. „Du bist wirklich komisch. Trinkst nicht, rauchst nicht, gibt’s mir Getränke aus, ohne im Gegenzug etwas von mir zu verlangen.“ Ein müdes Lächeln kreuzte Tweeks Gesicht auf diese Worte, „Ja, ich weiß, ich bin seltsam.“ „Aber niedlich~“ Zucken. „Ich – bin nicht—“, doch er ließ es mit einem langen Ausatmen sein, während die Brünette vergnügt kicherte. „Ist doch nicht schlimm“, meinte sie aufmunternd. „Ich hab mich seit einer gefühlten Ewigkeit mit niemandem während der Arbeit unterhalten, der danach nicht meine Spalte lecken wollte.“ Tweek hob verunsichert eine Augenbraue und versuchte das Kopfkino gar nicht erst in Gang kommen zu lassen. „…Schön… zu wissen…“ „Kommst du ab jetzt öfter her? Wenn ja, gib mir bitte unbedingt deine Handynummer, es wäre wirklich nett, wenn du mich nur eine Stunde von diesen Schnapsleichen ablenkst.“ Auch wenn sein Bauchgefühl es immer noch nicht für richtig hielt seine Nummer an so gut wie unbekannte Leute aus diesem Milieu weiter zu geben, so brach allein der leicht verzweifelte Unterton des Mädchens diesen Widerstand und keine zwei Minuten später hatte auch er Lexus’ Nummer. Gerade als erneut Schweigen über sie hereinbrechen wollte, seufzte die Brünette auf und legte die halb gerauchte Zigarette weg. „Ich muss dann mal wieder. Schließlich bezahlen sie mich leider nicht nur für’s Rumstehen und Reden und ich kann meine Mädels ja auch nicht alles alleine machen lassen.“ Tweek stimmte dem stumm zu. Vielleicht hatte er Glück und seine Jungs waren auch schon mit ihren Verhandlungen fertig, oder was immer sie zu tun hatten. Solange es in keiner Schießerei endete, war es ihm recht egal. „Also, man sieht sich!“, freudig winkte ihm Lexus noch einmal zu, ehe sie die Tür öffnete und keine zwei Sekunden später im Getümmel verschwunden war. Tweek schloss die Tür und schritt eilig hinter der Bar hervor, da er sich hier absolut gar nicht wohl fühlte. Am Ende belaberte ihn noch jemand wegen einer Bestellung. Es war bestimmt nicht einfach hier zu arbeiten. Und ihm tat das Mädchen schon leid, vor allem, da sie angedeutet hatte, hier als Hure, ebenso wie als Kellnerin arbeiten zu müssen. Mehr als ‚Leid’ tat ihm das aber auch nicht. Dabei kam sich Tweek selbst beinahe vor, wie ein Arschloch, so über die Sache zu denken. Aber was sollte er denn tun, helfen konnte er ihr nun mal nicht, weder mit Geld noch einem anderem Job. Und länger darüber grübeln wollte er ehrlich gesagt auch nicht. Gut, kennengelernt hatte er heute wenigstens schon jemand, also sollte sich später keiner bei ihm beschweren. Dazu hatte er es glorreich geschafft, niemand falschem die Identität seines Netzwerkes zu offenbaren. Und ehrlich gesagt würde er nun gerne wieder gehen, ehe doch noch etwas schief ging! Wie aufs Stichwort wurde er überraschend schroff am Arm gepackt und nach hinten gezerrt, verlor das Gleichgewicht und landete sicher mit dem Rücken an der Brust jener Person. Ein rascher Blick nach oben versicherte ihm seinen erhoffen Verdacht, dass es Craig war. Doch dieser sah ihn nicht an, blickte stattdessen absichernd nach rechts hinten. „Wir müssen gehen…“, drang seine leise, dennoch nachdrückliche Stimme an Tweeks Ohr. Seine Hände hatte der Blonde immer noch notgedrungen an die Seiten von Craigs Hemd gekrallt, aus Furcht, er würde sonst nichts finden, woran er sich halten konnte. Der Ausdruck in seinem sonst so monotonen Gesicht gefiel den Jungen nicht. Absolut nicht. Niemand wusste besser, als er selbst, wie sich Verfolgung in den Zügen eines Menschen zeichnete. Und eben diese glaubte er in Craigs Gesicht wiederzuerkennen. „W-was ist…?“ Bevor er eine Antwort bekommen hatte, schob Craig den Kleineren vor sich her, jedoch nicht weit. Der Schwarzhaarige blieb dicht hinter Tweek, drängte ihn an sich und lehnte sich soweit über ihn, um dem Blonden seine Anweisungen unmissverständlich zu zuraunen. „Lauf vor zum Ausgang und geh die Straße runter. Lass dich nicht mit mir sehen, warte, bis ich mit den Jacken zu dir komme.“ Die Lippen des Größeren streiften ein paar Mal an Tweeks Ohrmuschel entlang, da sie während Craigs Worten eilig weiter schritten. Das plötzliche Herzklopfen schob der Blonde einfach auf die Ungewissheit seiner Lage und auf das Gefühl, dass dies nichts Gutes zu bedeuten hatte. Und um dieses Unwissen auszulöschen, wollte er wenigstens erfahren, was geschehen war, deshalb wand er seinen Kopf, wollte lediglich in die Richtung von Craig sehen, wenn er mit ihm sprach. Allerdings hatte Tweek nicht damit gerechnet, dass der Schwarzhaarige noch immer dicht über in gebeugt war. Und so berührten sich ihre Lippen, nur für den Bruchteil einer Sekunde. „Aber-…“, unverständliches Hauchen. Alles andere blieb Tweek in der Kehle stecken. „Geh schon…!“ Damit stieß er den Hellhaarigen von sich, so heftig, dass Tweek glatt in den Armen eins anderen, betrunken tanzenden Mannes landete, während Craig so tat, als kenne er den Blonden nicht und sich rasch zum DJ-Pult durchkämpfte. Der Kleinere riss sich augenblicklich von dem Fremden los, konnte seine Beine nicht dazu überreden, langsam den Club zu verlassen. Er musste rennen. Weil sein Herz zu schnell schlug. Weil zu viel Blut durch seine Muskeln gepumpt wurde. Weil ihm dieses Benehmen Angst gemacht hatte. Ob ihn jemand beobachtete oder sein Verhalten auffiel, darauf legte der Blonde in diesem Moment keinen Wert, er wollte nur schnell hier raus! Die Wärme, die sich innerhalb der letzten Sekunden in seinem Körper angesammelt hatte, schirmte ihn sogar vorläufig von der winterlich nächtlichen Kälte der Stadt ab. Ein letzter prüfender Blick wurde dem leuchtenden Schild über dem Eingang noch geschenkt, danach lief Tweek die Straße hinunter. Bis er um eine Ecke verschwand und sich keuchend an die eisige Steinwand eines alten Gebäudes lehnte. Seine Ohren fiepten leise, als würden sie den Verlust dieser schrecklichen Musik bedauern. Vor seinen geschlossenen Augen blitzten immer noch Lichter, den Scheinwerfern gleich, obwohl um ihn doch nichts weiter als Dunkelheit und Stille herrschten. Dunkelheit. Stille. Und Kälte, die sich langsam, aber sicher durch Tweeks Kleidung fraß und seinen aufgeheizten Körper herabkühlte. Darauf konzentrierte er sich. Eine ganze Weile. Bis er seinen Atem endlich mit einem letzten tiefen Zug wieder gefangen und auf ein normales Tempo geregelt hatte. Die Lider hielt er weiterhin geschlossen. Verglichen zu der Location war es so angenehm hier draußen, abgesehen von der Temperatur. Ruhig. Verlassen. Einen kurzen Moment glaubte der Junge mit diesen Gedanken an Ort und Stelle einschlafen zu können. „Tweek…!?“ Er riss die Augen auf, wandte den Kopf ruckartig in die Richtung, aus der die leise, aber befehlende Stimme ertönte. Fast reflexartig stieß er sich von den kalten Steinen ab, klammerte sich jedoch sofort wieder an dieselbigen und hielt sich daran fest, als er sich mit dem Oberkörper soweit nach vorne lehnte, um erfolgreich um die Ecke sehen zu können. „Hi-ng!“ Craig fuhr ebenso schnell herum, als er ausfindig gemacht hatte, nach was er gesucht hatte und war binnen Sekunden bei Tweek in der kleinen Seitengasse. Als erstes bekam der Blonde mehr nebensächlich seine Jacke in die Hände gedrückt, doch anstatt sie ihm sofort zu überlassen, hielt auch Craig weiter an dem Kleidungsstück fest, drängte den Blonden somit zurück gegen die Mauer, bis er mit dem Rücken dagegen stieß. „Bist du in Ordnung?“ Die Anspannung in seiner leicht gehetzten Stimme war nicht zu überhören und gerade deswegen überraschte es Tweek diese Frage als erste zu hören. „J…Ja…“,kam die überrumpelte Antwort zurück. „Ist dir jemand gefolgt? Hast du mit irgendjemand gesprochen?“ Auch wenn der Schwarzhaarige dies im sofortigen Anschluss zu wissen verlangte, spürte Tweek, dass sich irgendetwas verändert hatte. Ohne sich etwas anmerken zu lassen schüttelte er schnell seinen blonden Schopf, griff fester in den Stoff seiner Jacke, während er wie gefesselt in die ernsten Augen des Anderen blickte. „N-nein, niemand. Nur mit einer der Kellerinnen – Lexus, aber sie hat gemeint, sie kenne dich und Raven.“ Und allem Anschein nach schien das der Wahrheit zu entsprechen, denn Craig atmete einmal tief durch, nickte und überließ dem Kleineren endlich seinen Mantel. „Gut.“ Tweek vernahm das Klicken eines Feuerzeugs und schon bildete sich Qualm um den Schwarzhaarigen, welcher sich bereits von ihm abgewandt hatte und ein paar Schritte weiter gegangen war. Eilig schlüpfte der Hellhaarige in seinen Mantel, schloss ihn hektisch, während er Craig nachstolperte. „Kennst du den Weg von Underdogs zu dir nachhause?“, die dunkle Stimme des Größeren war von einem Augenblick auf den anderen wieder vollkommen ruhig und gleichgültig. „Ich- ich weiß auch, wie ich von hier nach Hause komme-“ „Dann begleite ich dich noch bis dorthin.“ Irritiert wollte Tweek erneut ansetzten, nur falls Craig ihn nicht verstanden haben sollte, doch er hatte das Gefühl, dass der Schwarzhaarige das bereits sehr wohl getan hatte. Stattdessen erkundigte er sich lieber, weshalb sie so plötzlich den Club verlassen mussten. „Was ist passiert? Wieso sind wir so schnell verschwunden?“ „Wollte eben gehen“, murrte er mit starrem Blick geradeaus und Zigarette im Mund. Das kaufte ihm Tweek aber nicht in hundert Jahren ab. „Komm schon! Machst du immer so einen Aufstand, wenn du keine Lust mehr hast? Ich mag neu sein, aber ich bin nicht blöd. Irgendwas ist vorgefallen und wenn ich da so weit drin stecke, dass ich ebenfalls flüchten muss, wenn du es tust, dann will ich wenigstens wissen, was los ist – gah!“ Die Festigkeit und Entschlossenheit in seiner Stimme, imponierten Tweek beinahe selbst, jedoch schien Craig daran weniger interessiert zu sein, wenn er es nicht einmal für nötig hielt, den Blonden bei seiner Erklärung anzusehen. Immer wieder sicherte er ihre Umgebung mit Blicken. Und Tweek dachte Paranoia war sein Fachgebiet. „Schön, es ist nicht ganz so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben“, gab der Schwarzhaarige knapp preis. Zufrieden stellte das den Blonden jedoch nicht. „Das heißt?!“ „Das kann heißen, dass wir 200 Dollar weniger eingeheimscht haben, als wir vermutet hatten“, sein Ton wurde härter, kälter, „es kann aber auch heißen, dass wir unglücklicherweise den Vermittler umgelegt haben.“ Und das war der Moment, in dem Tweeks Ambitionen weiter zu fragen, in den Keller rutschten. Blass wandte er den Blick ruckartig gerade aus, nahm jedoch nicht einmal wahr, wohin sie liefen. Okay. Okay, da war vielleicht ein Mord passiert. Aber er war nicht daran beteiligt gewesen. Er machte sich nur gerade notgedrungen mit dem Typen aus dem Staub, an dessen Händen höchstwahrscheinlich das Blut des Opfers klebte. Das – machte ihn nicht zu einer der Rache-Zielscheiben. Nein. Tat es nicht. Tat. Es. Nicht…! Vergessen – Er musste das jetzt ganz schnell vergessen, ehe er heulend auf der Straße kollabierte! Den Rest der Strecke legten beide still schweigend zurück, ohne auch nur einen Blick auszutauschen. Bis sie bei Underdogs angekommen waren. Wo sie stehen blieben. Craig warf seine inzwischen zweite Kippe weg. Und schwieg. Eine Weile. „Du… findest nach Hause?“ „Ja.“ Die Antwort kam schnell. „Okay…“, er griff nach einer neuen Zigarette, „ich meld’ mich, wenn es was Neues gibt.“ Nun wagte es Tweek doch kurz in Craigs Richtung zu schielen, brach den Versuch aber sofort ab, als er bemerkte, dass dieser ihn bereits ansah. Ein eiliges Nicken und der Blonde wandte sich zum Gehen. „Schreib, wenn du angekommen bist.“ „AK-“ Fast schon genervt sah er noch einmal zurück, als würde Craig unter Stimmungsschwankungen leiden. „Tu nicht plötzlich so, als würdest du dir Sorgen machen! Ich werde schon unbeschadet ankommen, ich bin nicht komplett wehrlos!“ Oh, er hoffte, dass er das nicht war! Tweek betete inständig, dass ihnen niemand vom Club gefolgt war und ihm auf dem dunklen Heimweg mit einer Flasche Chloroform auflauerte! Aber das musste Craig ja nicht wissen. Dem Schwarzhaarigen entkam darauf nur ein tonloses Schnauben und er steckte sich grinsend seine Zigarette an. „Natürlich mach ich mir Sorgen um mein Bambi.“ Und das war’s. Tweek drehte sich ohne ein weiteres Wort weg und stapfte die Straße entlang. Beinahe wäre ihm entgangen, dass Craig Tucker immer noch ein Arschloch war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)