Maskierter Morgen von Varlet ================================================================================ Kapitel 8: [File 8] Ausstieg ---------------------------- Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch, machte sich Akemi auf den Weg zu Gin. Mehrfach ging sie in Gedanken durch, wie sie das alles sagen sollte. Nur mit den besten Worten konnte sie eine Einigung finden und wer wusste schon, vielleicht ließe sich die Organisation auf diesen Deal ein. Zwei Wochen waren seit ihrem letzten Auftrag vergangen und die Organisation hörte mit den dauernden Überwachungen auf. Trotzdem bemerkte sie immer wieder die Blicke der Menschen, die ihr allzu bekannt vorkamen. Es war egal, noch war sie loyal. Die junge Frau ging weiter bis sie an einer Tür ankam. Sie atmete tief durch und klopfte dann an. Auch wenn keine Antwort kam, trat sie einfach rein. Das Mitglied beäugte sie misstrauisch. „Was willst du hier?“, wollte Gin von ihr wissen. „Ich will, dass es aufhört!“ „Es soll aufhören. Wie niedlich“, spottete der Langhaarige. „Es ist mein ernst, Gin. Ich mach das nicht mehr mit. Ich steige aus“, sprach sie. „Mach doch“, gab er von sich. Akemi wich einen Schritt nach hinten. Mit einem solchen Kommentar auf ihre Aussage rechnete sie wahrlich nicht. Seit wann war Gin so? Oder war es nur ein Spielchen das er mit ihr trieb? „Das ist kein Spaß.“ „…“ „Was soll das, Gin? Wenn du dich über mich lustig machen willst, dann lach wenigstens“, entgegnete sie. Akemi wusste, dass sie gerade keine guten Worte wählte, wahrscheinlich brachte sie ihn noch viel stärker gegen sich auf, doch sie wusste sich nicht anders zu helfen. Die junge Frau wollte aus der Organisation heraus und da sie immer wieder Geld auftreiben musste, konnte sie sich damit freikaufen. War erst einmal der erste Schritt getan, gab es kein Zurück mehr. „Aniki?“, fragte Wodka und sah seinen Partner dabei an. Er wagte es nicht, sich in der Gespräch der Beiden einzumischen, aber wenn Gin keinen Kommentar abgab, konnte es kein gutes Zeichen sein. „Wenn du unbedingt raus willst, dann geh doch. Ich halte dich sicher nicht auf“, kam es schließlich von dem Mann in Schwarz. Gelangweilt griff er in seine Manteltasche und zog seine Packung Zigaretten heraus. Sofort griff er nach einer und zündete sie sich an. Den Rauch blies er in den Raum hinein. „Du weißt ganz genau, dass ich nicht alleine gehen werde. Ich nehme Shiho mit.“ „Ach? Ist das so?“, wollte Gin von ihr wissen. Mit seinen grünen Augen fixierte er sie. „Davon wüsste ich aber.“ „Wir werden nicht mehr für die Organisation arbeiten.“ „Gut…“, nickte Gin. „Unter einer Bedingung.“ Akemi wurde hellhörig. Sie hätte wissen müssen, dass so etwas in der Art dahinter steckte. Und sie hoffte, die Bedingung erfüllen zu können. „Was wollt ihr?“ „Es ist ganz einfach. Du besorgst uns eine Milliarde Yen.“ „Und wo ist der Haken dabei?“, wollte sie wissen. „Es gibt keinen, außer du findest die Tatsache, dass die Milliarde nur aus einem Coup sein darf, für einen Haken.“ Akemi murrte leicht. „Du verlangst von mir, dass ich eine Milliarde mit einem Mal auftreibe?“ „Ist das etwa zu schwer für dich? Ich denke, du hast Erfahrungen darin Geld aufzutreiben.“ „Ja, natürlich, aber bisher war es nie eine solch hohe Summe, dafür müsste ich ja eine Bank überfallen…“ „Wenn das so ein großes Problem für dich ist, kannst du es auch sein lassen“, sprach Gin. Akemi schüttelte den Kopf. „Nein, das ist kein Problem. Ich besorg das Geld.“ Ihr mulmiges Gefühl blieb, aber vor Gin wollte sie keine Schwäche zeigen. Zielstrebig drehte sich Akemi um und ging aus der Tür. „Ach, Miyano“, rief Gin. „Zwei Wochen sollten dir genügen.“ Nur mit Mühe konnte sich die junge Frau zurück halten. Sie ballte ihre Fäuste und schlug die Tür hinter sich mit einem lauten Knall zu. Nur zwei Wochen, aber dann war es ausgestanden. In zwei Wochen waren sie frei. „Eh? Aniki?“ „Was ist?“, raunte Gin seinen Partner an. „Du willst sie doch nicht wirklich aus der Organisation lassen? Was wird der Boss dazu sagen?“ „Er ist damit Einverstanden.“ „Was? Aber…aber…wie?“, stammelte Wodka. „Die kleine Miyano ist berechenbar. Es war nur eine Frage der Zeit, wann sie versuchen würde aus der Organisation heraus zu kommen. Hätte sie es schon damals gemacht, hätten wir sie weiterhin verdächtigt mit denen gemeinsame Sache zu machen.“ „Ich versteh nicht ganz“, gab der Dickere leise von sich. „Du bist hier auch nicht zum Denken.“ Wieder blies Gin den Rauch seiner Zigarette in den Raum. „Man kann nur über einen Weg aus der Organisation aussteigen und das ist der Tod. Noch braucht Sherry ihre Schwester also wird ihr kein Haar gekrümmt.“ „Das hab ich soweit verstanden“, nickte Wodka. „Es ist aber eine andere Sache, wenn Miyano versehentlich bei einem Auftrag stirbt. Wir wären sie los und Sherry könnte uns nichts anlasten, stattdessen würde sie seelenruhig weiter arbeiten“, erklärte Gin mit einem Grinsen. „Ich verstehe. Du erwartest, dass sie bei dem Überfall, womit sie das Geld auftreiben will, getötet wird.“ „Schlaues Kerlchen.“ „Und wenn das nicht klappt?“, wollte er wissen. „Dann haben wir noch ein Ass im Ärmel.“ „Ein Ass?“ „Vermouth wird vor Ort sein und sich darum kümmern, dass sie erschossen wird. Und wenn nicht…“, grinste Gin. „…dann werde ich das liebend gerne bei der Geldübergabe machen.“ Wodka nickte einfach. Von Vermouth hatte er schon viel gehört, kam aber bisher nie in den Genuss mit ihr zusammen zu arbeiten. „Und jetzt geh, lass mich allein“, wies ihn Gin an. „Was willst du, Gin?“ „Freundlich wie eh und je, Vermouth.“ „Also? Ich hab nicht viel Zeit. Der Flieger geht in paar Stunden.“ „Hast du alles so erledigt, wie ich das wollte?“, fragte Gin nach. „Was glaubst du denn? Natürlich. Mich würde es nicht wundern, wenn das FBI in den nächsten Tagen nach Tokyo reist“, grinste die blonde Schauspielerin. „Sehr schön. Im Übrigen, Vermouth, es ist eine Schande, dass du es noch nicht geschafft hast ihn zu erledigen.“ Vermouth grummelte. „Das hat nichts zu sagen“, gab sie dann von sich. „Der Boss hat es schon gesagt, man sollte ihn nicht unterschätzen. Er kann uns noch überraschen.“ „Das hätte er wohl gerne. Mir soll es recht sein. Wenn er erstmals hier ist, wird er mich kennen lernen.“ „Du brauchst wirklich ein anderes Hobby, Gin, aber mach was du willst und sag dem Boss, dass mein Teil planmäßig verläuft.“ Nervös starrte Akemi auf das Display ihres Handys. Sie hatte nur noch drei Tage, dann musste das Geld bei der Organisation sein. Bald würde sie es durchziehen. Ihren Plan. Aus dem Grund fing sie bei der Bank an, besorgte sich Komplizen, die mit ihr den Überfall durchzogen und die sie dann für eine minimalere Summe wieder los werden konnte. Es hörte sich einfach an, war es aber nicht. Akemi musste nur noch bis zu ihrer Mittagspause warten. Dann würden sie los legen, nur noch wenige Stunden. Erst einmal musste sie den Vormittag durchstehen und nicht auffallen. Momentan hatte sie Frühstückspause. Langsam tippte sie eine SMS ein. Mehrere Minuten vergingen, die ganze Zeit über sah sie sich ihre Worte an, fragte sich, ob man die Nachricht so abschicken konnte. Aber dann fand sie den Mut dazu und drückte auf senden. Dai-kun, Falls es mir wirklich gelingen sollte, nach dieser Sache aus der Organisation auszutreten, können wir dann ein richtiges Paar werden? Akemi. P.S. Ich liebe dich. Sie lächelte. Noch immer dachte sie an den Mann, der Gefühle in ihr weckte, die sie gar nicht für möglich hielt. Und wenn sie tatsächlich frei sein konnte, wollte sie wieder mit ihm zusammen sein. Ohne größere Vorkommnisse brachte Akemi – als Masami Hirota - ihre Schicht bis zur Mittagspause hinter sich. Erleichtert atmete die junge Frau auf und schloss anschließend ihren Schalter für die weiteren Kunden. Sie blickte ihre Kollegen an und lächelte. „Ich bin dann mal in der Mittagspause“, sprach sie. Eine Kollegin nickte lächelnd. „Wenn du noch ein paar Minuten wartest, begleite ich dich. Ich hab solchen Hunger.“ Akemi schluckte. „In Ordnung…“, dann hielt sie sich den Kopf. „Ich geh nur noch schnell Kopfschmerztabletten holen…“ „Wenn du willst, kann ich auch in meiner Tasche nachsehen“, schlug die Angestellte vor. „Nein nein, geht schon. Ich lauf schnell zur Apotheke und besorg mir welche“, winkte Akemi ab und verschwand dann auch sogleich. Akemi achtete darauf, dass ihr Weggang nicht nach Flucht aussah. Sie durfte nicht laufen und trotzdem fühlte es sich an, als wäre sie hinter ihrem eigenen Schatten weggelaufen. Ihr Blick ging an die Uhr. Sie hatte nur noch fünfzehn Minuten Zeit gehabt um sich umzuziehen und alles vorzubereiten. Danach war nur noch der Raub, der ihr Sorgen machte. Auch wenn alles bis auf die kleinste Minute geplant war, konnte irgendwas schief gehen. Eine falsche Bewegung oder Handlung konnte alles zunichtemachen. Akemi nutzte den Vorderausgang um aus der Bank zu kommen. So konnten sie die Angestellten und die Kunden sehen und keiner würde sie mit dem Raub in Verbindung bringen. Sie musste nur noch auf die andere Straßenseite und sich umziehen. Dann wäre der erste Teil des Plans geklappt und es gab ihr noch den Vorteil, dass das Restaurant, in welchem sie ich Mittag für gewöhnlich einnahm, auf der gleichen Seite lag. Nur noch wenige Minuten. Nur noch wenige Minuten…, immer wieder sagte sich Akemi diese Worte. Das Adrenalin schoss in ihrem Körper empör und die Zeit drängte. Doch dann blieb sie abrupt stehe. Sie konnte es nicht glauben. Akemi verweilte auf ihrer Position, während sie durch das Glas der Restaurantscheibe sah. Er war es. Es gab keinen Zweifel. Zwar waren seine Haare mittlerweile kurz geschnitten, aber sein Gesicht war immer noch das alte. Es war alles da - alles was sie liebte. Die Augenringe, ein an der linken Wange hervorstehender Wangenknochen, die tiefgrünen Augen, die sie so oft in seinen Bann zogen und die schwarze Wollmütze, die er nie ablegte. Akemi rührte sich nicht vom Fleck. Sollte sie froh und glücklich über sein Auftauchen sein, oder sollte es sie beunruhigen? Seelenruhig saß ihr Freund an dem Tisch, trank seinen schwarzen Kaffee und blickte in die Zeitung. Akemi ging einen Schritt nach hinten. Ihr Herz fing an laut zu schlagen. Ihre Gefühle erloschen nie, sie waren immer da, aber jetzt wo sie ihn wieder erblickte, kamen sie noch schneller hervor, als es ihr lieb war. Ohne dass er irgendwas tun musste, brachte er sie aus der Fassung. Und alles woran sie vor der Begegnung dachte, war aus ihrem Kopf gelöscht. Er war leer. Alle Gedanken kreisten nur noch um ihn. „Dai“, wisperte Akemi seinen Namen leise und zögerlich. Fast hatte sie das Gefühl, dass er mit der Nennung seines Namens wieder verschwinden würde, wie ein Gespenst. Sie merkte gar nicht, wie schnell die Zeit verging und ehe sie sich versah, kam ihre Kollegin angelaufen. „Masami! Danke, dass du gewartet hast“, rief diese. Erschrocken drehte sich Akemi um. Jetzt war ihr wieder alles klar geworden. Mit einem Mal blickte sie auf ihre Uhr. Es waren zwölf der fünfzehn Minuten vergangen. Zwölf Minuten lang hatte sie Dai angestarrt, ohne dass er auch nur einmal hoch sah. Für den Auftrag war es nun zu spät. Es brachte jetzt nichts mehr – gar nichts mehr. „Ich…ich hab was in der Bank vergessen“, log sie schnell. Nun war Schadensbegrenzung angesagt. Akemi lief los, doch es war zu spät. In der Ferne hallten Schüsse und Menschen liefen panisch aus der Bank heraus. „Verdammt“, gab Akemi leise von sich. Sie schluckte und wich einen Schritt nach hinten. Alles war umsonst. Ihr Plan. Das Geld. Die Freiheit. Und jetzt wusste die Organisation war sie wollte. Sie würde keine zweite Chance bekommen. Entweder sie machte es richtig oder sie machte es falsch. Für die Organisation gab es nur einen Weg. Die Polizeisirenen heulten aus der Ferne und auch mehrere Krankenwagen waren unterwegs. Durch den unvermeidlichen Schusswechsel gab es Verletzte und Tote. Noch konnte sie keiner mit dem Überfall in Verbindung bringen. Und auch, wenn es nicht geplant war, so hatte sie ein wasserdichtes Alibi. Nach ihrer polizeilichen Befragung machte sie für den Rest des Tages frei. Die Täter – beides Männer, die sie belasten konnten – waren noch auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben. In dem Fall war es ein Glücksfall für die junge Frau. Trotzdem war ein anderer Weg weitaus wünschenswerter. Akemi atmete tief ein und machte sich selber Mut. Wie zur Mittagspause ging sie zu Restaurantscheibe, an der sie ihn sah. „Weg“, murmelte sie leise. Er war einfach so verschwunden. So wie er auftauchte, war er wieder weg und sie hatte keinen Anhaltspunkt auf seinen Aufenthaltsort. Sie schluckte. War er etwa da, um sie von ihrem Vorhaben aufzuhalten? Wenn ja, warum sagte er dann nichts? Ein Gespräch hätte doch viel mehr gebracht, auch wenn seine bloße Anwesenheit alles veränderte. Langsam trat Akemi in das Restaurant und sah sich um. Den Platz hatte er auch nicht gewechselt. Aber vielleicht konnte sich irgendjemand an ihn erinnern. „Entschuldigung? Sie hatten heute einen Gast, schwarzes Haar und eine schwarze Wollmütze. Erinnern Sie sich noch an ihn?“, fragte sie nach. Der Kellner schüttelte den Kopf. „Nein, bei diesem Wetter hätte ich mich an jeden erinnert, der mit Mütze hier saß.“ „Sind Sie sich auch wirklich sicher?“, wollte sie wissen. „Ja, das bin ich“, nickte der Gefragte. „Danke…“ Akemi seufzte. Hatte sie sich seine Anwesenheit nur eingebildet? Brauchte sie etwa einfach nur einen Grund, um den Auftrag nicht zu machen? Und dann fiel es ihr wieder ein. Der Auftrag. Jetzt war es vorbei. Wie sollte sie in nur drei Tagen das Geld beschaffen? Aufschub konnte sie unmöglich erbitten. Wahrscheinlich wusste die Organisation auch schon längst, was sie vor hatte und dass es nicht klappte. Akemi ärgerte sich, aber es änderte nichts an der Situation. Mit schnellen Schritten machte sie sich auf den Weg zu ihrer Wohnung. Shuichi saß in seinem Chevrolet und rauchte eine Zigarette. Hätte Akemi den Glimmstängel gesehen, wäre ihr das Lachen sicher vergangen. Sie akzeptierte ihn, doch sie mochte es einfach nicht, wenn er dauernd rauchte. Auf der einen Seite konnte er sie sogar verstehen. Sie machte sich sorgen, aber so leicht konnte man keine Gewohnheiten ablegen. Sie nach so langer Zeit wieder zu sehen, zeigte auch ihm, dass Gefühle so einfach nicht erlöschen konnten. Und trotzdem durfte er noch keinen Kontakt zu ihr haben. Noch nicht. Seine Hand juckte und zog sein Handy aus der Jackentasche heraus. Dai-kun, Falls es mir wirklich gelingen sollte, nach dieser Sache aus der Organisation auszutreten, können wir dann ein richtiges Paar werden? Akemi. P.S. Ich liebe dich. Wieder las er ihre Nachricht und sobald sie aus der Organisation austreten wollte, übermahnte ihn ein ungutes Gefühl. So einfach würden sie sie nicht gehen lassen. Was dachte sie sich nur dabei? Oder war es gar ein Hilfeschrei? Natürlich bemerkte er sie auf der anderen Seite der Fensterscheibe, er wünschte sich, dass sie rein kommen würde, aber alle Handlung, die von ihm ausging, war erstmals verboten. Es war ein Versprechen, welches er seinem Boss gab. Die Sache mit Akemi würde nichts an seiner Arbeit ändern. Doch er musste anders an die Sache heran gehen. Akemi war immer noch Mitglied der Organisation und versuchte nun aus dieser heraus zu kommen. Er konnte nicht warten, bis sie hingerichtet wurde. Ihm war bewusst, dass die junge Frau nicht alleine aus ihren Fängen käme. Das konnte keiner. Aber was war mit ihrer Schwester? Stieg sie mit aus? Wollte das die Organisation wirklich zu lassen? Akemi war die Einzige, die die Fragen beantworten konnte, nur sie kannte die Wahrheit. „Sei vorsichtig“, gab der FBI Agent leise von sich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)