Oh nein! Nicht noch eine Vampir-FF! von Shizana (Lesen auf eigene Gefahr!) ================================================================================ Kapitel 4: Monster ------------------ James war nicht wieder zum Lager zurückgekehrt. Und Jessies Suche nach ihm blieb erfolglos. Nachdem sie wieder zu sich gekommen war, hatte niemand gewusst, wo er hingegangen sein könnte. Mauzi und sie hatten noch für einige Stunden, in denen sie das Lager weiter ausgebaut hatten, auf ihn gewartet gehabt, bis es der Agentin zu bunt wurde. James blieb nie so lange weg, schon gar nicht ohne Abmeldung oder ohne Auftrag. Also hatte sie nach ihm gesucht gehabt, wie gesagt ohne Erfolg, bis Mauzi sie schließlich wieder zurückgeholt hatte. Obgleich sie sich dann auch schlafen gelegt hatten, hatte keiner von ihnen auch nur ein Auge zugetan. Zu groß war die Sorge um den verschollenen gemeinsamen Freund.   Am darauffolgenden Morgen, noch ehe die Sonne richtig am Himmel stand, packte das zurückgebliebene Duo in aller Frühe alles zusammen. Der ursprüngliche Plan war gewesen, die Suche nach dem vermissten Freund fortzusetzen, doch Jessie entschied sich anders. „Wenn er etwas von uns will, wird er von selbst wieder zurückkommen“, war ihre Aussage gewesen und sie meinte es bitterernst. Obgleich Mauzi wusste, dass sie sich insgeheim noch immer um James sorgte, hatte er der Agentin nicht widersprochen. So waren sie schließlich in der Tat aufgebrochen, ohne ein weiteres Wort über James zu verlieren. Verdrängt war der Plan, erneut nach dem umstrittenen schwarzen Zubat zu suchen, es würde ja doch wieder auf nichts hinauslaufen. Also hatten sie stattdessen eine andere Route eingeschlagen, um ihren geparkten Heißluftballon aufzusuchen. Jessie war sich sicher, eine zündende Idee für ihren Tagesverdienst zu bekommen, wenn sie, wie sonst oftmals üblich, für einige Zeit gegen den Korb lehnen konnte. Nach einiger Zeit ihres langen Marschs kamen sie auch endlich an jener Stelle an und staunten nicht schlecht, als sie dort das dritte Mitglied ihres Teams vorfanden. James lehnte lässig gegen den grünen Korb ihres Ballons, beanspruchte die ersten Sonnenstrahlen für sich und machte den Anschein, als hätte er auf die anderen beiden gewartet. „Wo warst du?!“, fauchte Jessie, sobald sie in Hörweite ihres Partners war, ihre unfreundliche Begrüßung und warf dem Agenten einen vorwurfsvollen Blick zu. „Wir haben dich gesucht“, fügte Mauzi hinzu und klang dabei weit besorgter als die junge Frau an seiner Seite. „Tut mir leid“, gab James beschwichtigend zur Antwort und klang dabei untypisch desinteressiert. Genauso trocken fügte er noch als Erklärung hinzu: „Ich habe mich verlaufen und nicht mehr zu euch zurückgefunden.“ Dass dies natürlich gelogen war, ahnten die anderen beiden nicht. Doch wieso hätte er ihnen auch die Wahrheit sagen sollen? ‚Sorry, Leute, ich habe versucht, Jessie im Schlaf zu überfallen, bin dann aber so darüber erschrocken, dass ich stattdessen tief in den Wald gerannt bin und ein Wiesenior und ein Ursaring getötet habe‘ klang jedenfalls nicht sehr vorteilhaft in seinen Ohren. Unglaubhaft noch dazu. Und dabei hatte es ihn selbst Stunden gekostet, um zu realisieren, dass es nun einmal die nackte Tatsache war. Ja, er hatte die Nacht zwei Pokémon getötet. Bei dem Wiesenior war es noch unbeabsichtigt gewesen, wie er es sich zumindest einredete. Er hatte es im Gebüsch rascheln gehört und war darauf zugestürzt. Das flinke Pokémon hatte vor lauter Schreck sofort die Flucht ergriffen und so, rein aus einem animalischen Instinkt heraus, hatte er sofort mit der Hetzjagd auf das Wieselwesen begonnen. Das Spielchen dauerte nicht lange und ehe er sich versah, hatte er das Wiesel geschnappt und auch schon seine Zähne in dessen Kehle vergraben. Der ungewohnte Geschmack von süßem Blut hatte ihn regelrecht berauscht, sodass er auch nicht lange gezögert hatte, als er ein Ursaring in der Nähe bemerkte, das sein Revier vor Eindringlingen verteidigen wollte. Der Kampf mit dem kräftigen Bären-Pokémon dauerte nicht lange und er hatte sogar die tiefe Wunde an seiner Schulter ignoriert, die das Pokémon ihm im Gefecht  zugefügt hatte. Minuten später labte er sich an einer köstlichen Blutmahlzeit. Als er schließlich wieder zur Besinnung gekommen war, war es bereits zu spät gewesen. Vor ihm lag der regungslose Kadaver des ausgesaugten Pokémon und er begriff nur stückchenweise, was soeben geschehen war. Es hatte wahrlich Stunden – oder anders ausgedrückt: die ganze Nacht – gedauert, ehe er sein Tun realisieren konnte. Und ab da zwickten ihn die Gewissensbisse. Er hatte getötet. Er, James, hatte zwei Pokémon getötet. Brutal, ohne Gewissen, barbarisch. Ohne Probleme. Es war viel zu einfach gewesen. Mit dem Morgengrauen, als er endlich das Geschehene fürs Erste verarbeitet und akzeptiert hatte, war er dann aufgebrochen, um zu seinen beiden Teamkollegen zurückzukehren. Ihm war klar geworden, dass er das Geschehene nicht mehr rückgängig machen konnte und hatte einen Entschluss gefasst… „James?“, hörte er Jessie fragen und blickte auf. In ihren blauen Augen stand Besorgnis. „Alles okay mit dir? Du siehst irgendwie krank aus.“ Er schwieg. Erst, als sie ihn erneut ansprach, unterbrach er sie mitten im Satz: „Ich verlasse das Team.“ Jessie und Mauzi zwinkerten daraufhin einmal, zweimal. Diese Verkündung war so trocken über die blassen Lippen des Agenten gekommen, dass es länger als üblich brauchte, ehe sie die Bedeutung dieser knappen Worte begriffen hatten. „Was? Wieso auf einmal?“, platzte die Verwirrung aus Jessie heraus und sie starrte den Freund mit weit aufgerissenen Augen an. Doch James wandte sich von ihr ab. „Ich habe keine Erklärung.“ „Das geht nicht!“ Jessie sprintete in einem Satz vor ihn und streckte beide Arme seitlich aus, in der Hoffnung, ihn so am Gehen hindern zu können. „Du kannst nicht einfach so beschließen, aus dem Team auszusteigen! Das muss zumindest zuvor im Team besprochen werden und ich bin dagegen, dass du gehst!“, erklärte sie in ihrem typisch herrischen Tonfall, obgleich ihr selbst bewusst war, dass man ihr das Zittern in der Stimme anhören konnte. James blieb vor ihr stehen und sah sie nur emotionslos an. „Was gibt es da vorher groß zu besprechen? Bist du es nicht sonst immer, die einfach über unsere Köpfe hinweg Entscheidungen trifft?“ Kurz wartete er ihre Reaktion ab, ehe er noch ergänzte: „Wenn du beschließen würdest, zu gehen, wäre es doch auch egal, was wir dazu zu sagen hätten.“ Seine Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Man konnte Jessie deutlich ansehen, dass sie tief getroffen hatten. Klar, irgendwo hatte er recht mit dem, was er ihr vorwarf. Aber andererseits… Sie wäre doch nie, niemals!, auf die Idee gekommen, einen Schlussstrich zu ziehen und ihre beiden Freunde einfach so zurückzulassen. Und dabei war sie sich sicher gewesen, dass man das von ihr eher erwarten würde als von ihm. Obwohl klar war, dass sie niemals so eine Entscheidung für sich getroffen hätte. Der Schmerz, den diese Worte in ihr ausgelöst hatten, schwächte schließlich ihre Kräfte und sie senkte die Arme. Sie bemerkte das Zittern ihres Körpers und es war ihr egal, ob die anderen beiden es bemerkten oder nicht. Ihr Hals kratzte erbärmlich, als sie ein leises „Geh nicht“ flüsterte. Doch es änderte nichts. James wandte seinen Blick wieder von seiner Ex-Partnerin ab und ging einfach an ihr vorbei. Kein einziges weiteres Wort verlor er dabei. „Ich will das nicht“, stammelte Jessie noch, als ihr Partner bereits an ihr vorübergegangen war, und sie schmeckte salzige Tränen in ihren Mundwinkeln. Mit aller Kraft, die sie noch aufbringen konnte, ballte sie schließlich die Hände so fest zu Fäusten, dass es schmerzte, und schrie sich alle Verzweiflung aus dem Leib. „Ich will das nicht!!“     Er konnte ihren Verzweiflungsschrei noch deutlich hören, dennoch wandte er sich nicht noch einmal nach ihr um. Sein Entschluss stand absolut fest. Letzte Nacht hatte er begriffen, dass er nicht mehr er selbst war. Er war zu einer Gefahr für alles und jeden um ihn herum geworden. Und dass er einen seiner beiden Freunde verletzten könnte… nein, das wollte er nicht! Auf gar keinen Fall! So blieb ihm nur eine einzige Wahl: Er musste verschwinden. Weit, weit weg.   Und so rannte er. Rannte, rannte… rannte. Bis er in Richtung Sonnenaufgang gänzlich in der Ferne verschwunden war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)