Bleib von Lyssky (NaruSasuNaru) ================================================================================ Kapitel 3: ----------- 3. Zwischenspiel Als Sasuke aufwachte, war es Nacht. Der kühle Lufthauch, der durch die offene Tür herein strömte, musste ihn geweckt haben. Blasses Mondlicht flutete die Hütte, es ließ die Schatten tiefschwarz und weich erscheinen. Naruto lag leise schnarchend neben ihm. Es konnte nicht lange her sein, dass er von ihm herunter gerollt war, denn der Schweiß auf Sasukes Rücken, der sich zwischen ihnen gebildet hatte, war noch nicht getrocknet und fühlte sich kalt an.  Sasuke fröstelte. Seine Hand war jedoch warm. Narutos Hand lag beschützend über seiner. Als wäre dies der Ort, an den sie schon immer gehört hatte. Ruhig betrachtete Sasuke ihre Hände. Wartete geduldig auf den inneren Aufruhr, der jeden Moment über ihn hereinbrechen würde. Es war eine Reaktion, die zu akzeptieren er gelernt hatte. Doch seine Muskeln blieben entspannt. Da war nichts in ihm, das sich auf eine Flucht vorbereitete. Sasuke konnte der Zeit beinahe beim Fließen zusehen, ohne dass je geschah, was er fürchtete. Die Minuten verrannen, und nichts störte den Zustand schläfriger Zufriedenheit, in dem er erwacht war. Er war sicher hier. Es war Raum genug. Er konnte ohne jedes Gefühl von Dringlichkeit und Rastlosigkeit ruhig ein- und ausatmen. Eine eigentümliche Gewissheit, dass die Dinge einfach in Ordnung waren, erfüllte ihn. Was mit ihnen geschah und was es mit ihm tat, war in Ordnung.  Die Panik, mit der er gerechnet hatte, kam nie. Später konnte er nicht sagen, wie lange er den Anblick ihrer Hände betrachtete, dieses Gefühl von friedlicher Ergebenheit spürte. Er wollte an diesem Zustand festhalten, aber er wusste nicht, wie lange er noch anhalten würde. Ob es überhaupt in seiner Macht stand, in ihm zu verharren. Irgendwann löste er sich behutsam von Narutos schlafender Berührung und richtete sich langsam auf.  Im Dunkeln sah er neben der Tür seine Stiefel stehen, wo er sie vor dem Eintreten abgestellt hatte. Das war etwas für später, etwas, woran er jetzt nicht denken würde. Er stieg aus den Hosenbeinen, befreite sich von der Unterwäsche und legte seine Kleidungsstücke auf einem Haufen zusammen.  Das Zittern in seinen Knien legte sich, sobald er sich ein wenig bewegt hatte. Er ging an Naruto vorbei zum Schrank und tastete beinahe blind darin herum, bis er fand, was er suchte. Das Handtuch fühlte sich härter an als Sasukes eigene. Naruto benutzte keinen Weichspüler. Für Sasuke war das steife, kratzige Gefühl auf der Haut damals ungewohnt gewesen, aber es passte auch zu diesem Ort, der Arbeit im Wald. Zu der schlafenden Gestalt auf dem Fußboden blickend schüttelte er unmerklich den Kopf. Naruto hatte voll ins Schwarze getroffen. Er erklärte ihn wirklich zu etwas Primitivem. Er trat aus der Hütte unter den freien Himmel. Die Kühle des nächtlichen Berges umwehte jeden seiner Schritte und fühlte sich auf seiner nackten Haut wunderbar frisch an. Unter den Fußsohlen spürte er Tannennadeln, kleine Steinchen und getrocknetes Gras. Wann war er das letzte Mal barfuß durch den Wald gelaufen? Er blieb einen Moment stehen und ließ seinen Blick über die kleine Lichtung wandern, über den geduckten Schatten des Jeeps, die dunklen Umrisse der Bäume. Nichts regte sich. Es war so still, dass man sich unter diesem funkelnden Nachthimmel wie der letzte Mensch auf Erden fühlen konnte. Obwohl die nächste Kleinstadt mit dem Auto weniger als zwei Stunden entfernt war, schien es keinen Ort zu geben, der ferner der Zivilisation lag als hier. Sasuke dachte an vorhin, als er sich gefragt hatte, wie Naruto damit leben konnte – mit dieser Stille, dieser absoluten Einsamkeit. Gerade Naruto. Nun kam es ihm nicht mehr paradox vor. Vielleicht gab es verschiedene Formen von Einsamkeit. Diese war nicht grausam. Es gab keine Menschen, aber dort war etwas anderes, das zu ihm sprach. Eingehüllt in Mondlicht lauschte Sasuke auf die Geräusche des träumenden Waldes, auf die Stimme des Berges mitten in der Nacht. Das im Freien gelegene Bad bestand aus einem leicht verrosteten Duschkopf und einer Pumpe in der Ecke zwischen Wassertank und Hütte. Tagsüber schaute man direkt in den Wald, nachts hoben sich die Umrisse der Bäume gegen den Sternenhimmel ab wie eine stumme Armee spitzhütiger Wächter. Eine Trennwand um die Dusche gab es ebenso wenig wie warmes Wasser. Sasuke zuckte unwillkürlich zusammen, als das eiskalte Nass auf seine Schultern traf.  Das Quietschen der Pumpe hätte einen schlafenden Riesen wecken können. Es war nicht gerade ein angenehmer Laut, aber er diente auch als Signal um anzuzeigen, ob die Dusche gerade benutzt wurde. Es war eine unausgesprochene Regel zwischen ihnen gewesen: Wenn man das Geräusch hörte, ging man aus Respekt für die Privatsphäre des anderen nicht hinter die Hütte. Eine Selbstverständlichkeit. Sasuke schloss die Augen, während er den Kopf unter den kalten Guss hielt.  Sonnenlicht badete seinen Körper. Er war ein paar Jahre jünger, verklebt vor Schweiß nach dem einen oder anderen anstrengenden Tag im Wald, und sich seiner Blöße deutlich bewusst. Nur wenige Schritte entfernt von ihm hielt sich Naruto auf, um die Ecke und gerade außer Sichtweite. Ganz am Anfang war er noch scheu gewesen und hatte Sasuke in Ruhe gelassen, wenn er nach hinten verschwand, doch schon bald hatte er es wohl nicht mehr eingesehen, ihre Unterhaltung wegen etwas Trivialem wie einer Dusche zu unterbrechen. Es schien Naruto nichts auszumachen, dass er fast schreien musste, um sich über dem Rauschen und Quietschen Gehör zu verschaffen. Er setzte sich kurzerhand auf die Bank, die er irgendwann extra zu diesem Zweck angeschleppt hatte, und redete einfach weiter. Sasuke seifte sich ein und konnte sich nicht entscheiden, ob er Naruto kurzerhand den Hals umdrehen sollte oder herausfinden wollte, was er wohl von ein wenig mehr Aufdringlichkeit halten würde.  Er fand es heraus. Es war hier geschehen, unter dem Strom eiskalten Wassers. Mit Jeans und T-Shirt und Stiefeln bekleidet hatte Naruto dagestanden, nur wenige Meter entfernt, mitten in Sasukes Blickfeld und außergewöhnlich stumm. Im Licht der Julisonne leuchtete sein blondes Haar auf, als stünde es in Flammen. Sein Gesicht tat genau dies, als er zögerlich ein paar Schritte auf ihn zu machte. Sein Blick fiel auf Sasukes Körpermitte, als hätte er nie zuvor einen nackten Mann gesehen. Als sich ihre Augen wieder trafen, waren seine Wangen feuerrot, doch der erwartete scherzhafte Kommentar, der sie beide aus ihrer momentanen Starre erlöst hätte, blieb aus. Der geleugnet hätte, wie Naruto bewusst ihr stilles Abkommen verletzt hatte, willentlich, mit voller Absicht.  Sasuke hatte sich das leichte Wirbeln in seiner Magengegend nicht anmerken lassen und kühl zurückgeschaut. Insgeheim war er über Narutos Unbeholfenheit fast ein wenig amüsiert. Für einen Moment sah er jünger aus, als er war. Unerfahren, auf eine Weise beinahe schüchtern. Sasuke hätte nie geglaubt, dass er den Mut wirklich aufbringen würde, niemals. Doch dann stand Naruto plötzlich direkt vor ihm unter dem kalten Sprühregen, keine Handbreit entfernt. Binnen Sekunden hatte das Wasser seine Kleidung durchnässt. Das T-Shirt klebte ihm am Oberkörper und Naruto schien es nicht einmal zu bemerken. Eindringlich sah er Sasuke an. Seine Lippen bebten, als suchte er nach den richtigen Worten. Widersprüchliche Gefühle standen ihm ins braungebrannte Gesicht geschrieben. Er runzelte die Stirn, schluckte, leckte sich nervös die Lippen.  »Ich muss dir etwas gestehen...«  Sasuke tat nichts, um ihm zu helfen. »Jetzt?« fragte er abweisend, die Seife noch in der Hand. Er war keinen Zentimeter zurückgewichen, als Naruto sich vor ihn gestellt hatte. Sie schauten einander aus kurzer Entfernung in die Augen.  »Ja«, sagte Naruto, »jetzt. Es muss jetzt sein.« Glitzernde Tropfen verfingen sich in seinen hellen Wimpern. Von seinen Lippen perlte Wasser.  »Dann raus damit.« Sasukes Hals fühlte sich rau an. Dabei war es nur Naruto, die letzte Person, die man ernst nehmen musste, mit seinen Albernheiten, seinen verrückten Geschichten... Naruto, über dessen Eigenheiten er lächeln musste, der ihn eines Tages sogar so zum Lachen gebracht hatte, dass er sich beinahe verschluckte. Du kannst ja doch lachen, hatte Naruto gerufen, als wäre es ein großes Geheimnis, das Sasuke ihm aus reiner Sturheit bisher vorenthalten hatte, und obwohl er ihn damit aufzog, strahlte er auch so viel ehrliche Freude aus, dass Sasuke seinen momentanen Kontrollverlust nicht einmal ernsthaft bedauern konnte. Naruto hatte ihn mit offenen Armen in seinem Heim für den Sommer willkommen geheißen, das eigentlich nur für einen gedacht war. Naruto war der Mensch, der ihn verzweifelt wünschen ließ, sie hätten einander schon viel früher kennengelernt. Der ihm ohne darauf abzuzielen und ohne es überhaupt zu ahnen eine zerbrechliche, wispernde Hoffnung eingeflößt hatte, dass sein Leben vielleicht doch nicht ganz verpfuscht war, dass er vielleicht, irgendwann einmal jemand anders sein konnte als diese Person, die er manchmal kaum kannte, die er beinahe hasste... es war Naruto, gegen dessen einnehmende Herzlichkeit er kein Gegenmittel besaß, der sich nun vorbeugte und ihm leise ins Ohr raunte.  »Ich halte es nicht mehr aus, Sasuke. Ich will dich so sehr, ich glaube, ich werde noch wahnsinnig.« Seine Worte wurden vom Wasser beinahe weg gewaschen. »Wenn du jetzt nicht nein sagst...«  Sasuke hatte noch gar nichts gesagt, als Naruto ihn heftig an sich zog. Er presste das Gesicht in Sasukes nasses Haar.  »Ich will dich«, wiederholte er fast verzweifelt. »Kannst du mir verzeihen?«  Da war echter Schmerz in seiner Stimme. Plötzlich ergaben die Verwirrung auf seinem Gesicht, die Unsicherheit, die gar nicht zu ihm passte, einen Sinn. Naruto hatte sich längst in Sasukes Gedanken und seine geheimsten Hoffnungen geschlichen, aber eine wichtige Sache über ihn hatte er offenbar noch nicht begriffen. Möglicherweise sogar eine sehr wichtige Sache über sich selbst.  Vielleicht war Narutos Hirn auch wie erwartet der Teil von ihm, der am längsten brauchte, um aufzuholen. Denn in seiner Umarmung lag nichts Zögerliches, nicht der leiseste Zweifel. Seine Hände fuhren über Sasukes Rücken, seine Lippen küssten Sasukes Schulter und seinen Hals, und etwas Verrücktes, Leichtsinniges, unwiderstehlich Freudiges in Sasuke, von dem er gar nicht wusste, dass er es besaß, sprang ihm wild entgegen.  Es wurde in diesem Moment geboren.  Sasuke konnte nicht einmal darüber nachdenken, ob er Naruto zuerst küssen, vor ihm auf die Knie sinken oder gleich richtig mit ihm schlafen wollte, um ihm eindrücklich und unmissverständlich klar zu machen, dass die letzte Frage das Idiotischste war, was Naruto jemals zu ihm gesagt hatte. Was etwas heißen wollte bei der Auswahl, die Naruto ihm bisher geboten hatte. Schließlich wurden es alle drei, in dieser Reihenfolge, hier auf der Stelle. Narutos Wärme strömte von allen Seiten auf Sasuke ein. Narutos Bedürfnisse waren seine. Sasuke wollte jeden Zentimeter dieses Körpers kennenlernen, von dem er, wenn er ehrlich war, schon vor Wochen zu träumen begonnen hatte. Heiser stieß Naruto seinen Namen aus, dringlich, warnend, und dann griff er nach Sasukes Schenkeln, hielt ihn, liebte ihn. Ihre Körper glühten an jenem Tag. Die Spannung, die sich seit dem ersten Tag zwischen ihnen aufgebaut hatte, entlud sich als sengende Hitze unter einem eiskalten Regenguss. Erst danach bemerkte Sasuke die Kratzer an seiner Hand, wo er sich in Ekstase in die Außenwand der Hütte gekrallt hatte. Als Naruto sie sah, küsste er sie sanft. Auf eine Weise war all das Wahnsinn gewesen. Es befand sich außerhalb der Realität, in der Sasuke sonst lebte, und manchmal wusste er nicht, ob es eine andere Art von Wirklichkeit darstellte oder einfach einen verführerischen Traum. Eine Ablenkung von dem, was im Leben zählte, von seinen Zielen, seinen Maximen. Aber eigentlich traf eine ganz andere Sichtweise ebenso zu: Es war Wahnsinn gewesen, das hier aufzugeben. Jemanden wie Naruto aufzugeben. Schon allein darin lag sein Fehler, denn jemanden wie Naruto gab es kein zweites Mal. In dieser stillen Stunde trennte ihn nur eine Holzwand von dem einen Mann, der womöglich alles für ihn aufgeben würde, wenn er nur fragte, und Sasuke wollte kein einziger haltbarer Grund mehr einfallen, warum es hätte gerechtfertigt sein sollen, ihn zu verlassen. Obwohl ihm seine eigene Entscheidung immer als etwas Notwendiges, wenn auch Schmerzhaftes im Gedächtnis geblieben war, verstand er sich selbst nicht mehr. Was Naruto und er geteilt hatten, war einzigartig. Wie konnte er?  Sasuke nahm langsam die Hand von der rauen Stelle. Der Riss hatte sich erneut geöffnet. Gänsehaut bildete sich auf seinen Armen. Es gab Dinge, denen er sich stellen musste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)