Zigarette danach von sissyphos (Naruto & Sasuke/ Other Pairing) ================================================================================ Kapitel 4: Stille Wasser sind tief ---------------------------------- »Das nennt man Einbruch«, kommentierte Sasuke den Anblick seines Freundes, der in der Dunkelheit das Schlüsselloch zu finden versuchte. »Quatsch, sieh her«, sagte Naruto und hielt das funkelnde Metallstück direkt vor Sasukes Augen. »Solange man einen Schlüssel hat, ist das alles völlig legal. Entspann dich mal.« Sasuke verdrehte unerkannt in Narutos Schatten die Augen und schwieg ein Schweigen, das Naruto nicht schmeckte. »Mensch, jetzt sei kein Langweiler! Wird schon schief gehen«, motzte der blonde junge Mann und machte sich wieder an die Arbeit, das winzig kleine Schlüsselloch des Seiteneingangs für Mitarbeiter zu treffen. Ein Unterfangen, das sich als schwieriger erwies als die berühmt berüchtigte Nadel im Heuhaufen zu finden. »Gibt es eigentlich keine Alarmanlage in dem Laden?« Die Frage wurde von dem Rascheln und Klirren des Schlüsselbunds, das immer wieder klopfend auf die Holztür traf, einfach verschlungen. Allmählich drängte sich für Sasuke die Frage auf, ob Naruto überhaupt den richtigen Schlüssel probierte oder im Dunkeln die falsche Wahl getroffen hatte. Diesem Mann traute er einige Dummheiten zu und die Tatsache, dass sie seit knapp zehn Minuten hier draußen in der Kälte standen, bestärkte ihn weiter in seiner Meinung. »Hah! Ich hab's!«, rief Naruto just in diesem Moment. Er öffnete die Tür und drehte sich triumphierend zu Sasuke; mit leuchtenden Augen und aufblitzenden strahlend weißen Zähnen – schön und gefährlich, stellvertretend für diese gesamte Aktion. Im Flur holte Naruto ein kleines Plättchen aus der Hosentasche und zog es vor einem silbernen Metallkasten entlang. Ein leises Piepen ertönte. »Welcher Alarm?«, schmunzelte Naruto. Sasuke war allmählich genervt von seinem gespielt heroischen Verhalten. »Überprüfen die das nicht, wann wer den Alarm deaktiviert hat?« Naruto schaltete das Licht mit einem theatralischen Stöhnen an, gefolgt von einem ebenso theatralischen Kopfschütteln. »Du gehst mir echt auf den Sack.« Der Uchiha griff die Träger seines Rucksacks fester und dachte sich seinen Teil zu Narutos Kommentar. »Tse«, machte er nur leise für sich und stieß ihn mit der Schulter zur Seite; ging im Schnellschritt vorbei. »H-hey!«, rief Naruto nach ein paar Sekunden und polterte lautstark hinterher. »Mach das Licht wieder aus, du Idiot«, kommandierte der Uchiha, als sie den Flur verließen. »Ich dachte, du hättest so was schon öfters gemacht?«, grinste er höhnisch über die Schulter hinweg. »Du bist nichts weiter als ein Märchenerzähler. Ein schlechter noch dazu.« Naruto brummte etwas Unverständliches, kam der Aufforderung jedoch widerspruchslos nach. Sein Gesicht schien in der Dunkelheit zu glühen. Der Geruch von Chlor machte sich nun ganz deutlich in Sasukes Sinnen breit. Die zusätzliche Stille, das kurze Gefühl vollkommen allein zu sein und der plötzliche Anblick von spiegelndem, glasklarem Wasser, raubten ihm den Atem. Unvermittelt blieb er stehen und Naruto lief ihm mit einem erneuten Grummeln ungebremst in den Rücken hinein. »Pass doch auf!«, zischten sie gleichzeitig und verstummten im selben Moment. Sasuke glaubte, ein vages Schmunzeln auf Narutos Lippen zu erkennen und erwiderte es prompt, ehe der gewohnte Ernst wieder die Gewalt über sein Gesicht gewann. »Schön, nicht?«, flüsterte Naruto und einen Moment standen sie einfach nur reglos da. Betrachteten gemeinsam, wie das spärliche Licht der Straßenbeleuchtung durch die riesigen Fenster drang und vom Wasser reflektiert wurde. Ein Schwimmbad bei Nacht – etwas, das man in der Regel nicht hautnah zu Gesicht bekam. Es war nicht wirklich etwas Besonderes, nur etwas Ungewöhnliches, nichts Alltägliches und das genügte, um Sasuke ein klein wenig glücklicher zu machen. Er war guter Laune. Seit langem einmal wieder richtig guter Laune. »Darauf trinken wir«, sagte der Blonde und fummelte an dem Reißverschluss von Sasukes Rucksack herum. Klirrend nahm er ein paar Flaschen und Plastikbecher heraus, schenkte beiden ein und reichte dem Uchiha sein Getränk. Sasuke betrachtete die braune Flüssigkeit, roch einmal daran und erkannte direkt den wohlbekannten Geruch von Whisky. Das hier war kein guter, nicht das, was er gewohnt war, aber es war auch nicht der schlechteste. Der junge Mann rang mit sich selbst. Alkohol tat ihm nicht sonderlich gut; wenn er einmal zur Flasche griff, verlief es ähnlich wie bei anderen, die eine Tüte Chips aufreißen. »Prost!«, lachte Naruto und stieß mit Sasuke an. Die Flüssigkeit schwabbte über Sasukes Handgelenk. Er sah zu seinem kriminellen Kumpanen, der im Schneidersitz auf dem Boden hockte, dabei aus dem Fenster in die Natur starrte und nahm mit gewissem Unbehagen den ersten Schluck. »Und dann hat sie...Dann hat sie mir voll eine geballert! Ist das zu fassen?«, schäkerte Naruto vor sich hin und Sasuke lachte ungehalten über die Geschichten aus seinem alltäglichen Leben. »Ich hab noch nie so schöne Sterne gesehen«, sagte er. Automatisch sah Sasuke in den wolkenverhangenen Himmel und bemerkte just in diesem Moment, dass Naruto lediglich von einer schlechten Metapher Gebrauch machte. Fasziniert beobachtete er das Schauspiel, wie sein blonder Freund zuerst einen Schmollmund zog, die Arme hinter dem Kopf verschränkte und sich schließlich langsam auf den Boden sinken ließ. »Jetzt mal ganz im Ernst«, grinste der Uchiha höhnisch und lehnte sich über Narutos Kopf, »du bist doch noch Jungfrau!« Die Lider des Blonden schnellten wie auf Knopfdruck nach oben und seine Mine glitt über verwundert bis hin zu aggressiv. »Das merkt man richtig!«, lachte Sasuke. »Halt die Schnauze.« »An den Geschichten, die du erzählst«, grinste er und stützte sich mit der flachen Hand auf Narutos Brust ab. »Und das mit Zweiundzwanzig.« »Was ist an meinen Geschichten verkehrt? Erzähl du doch mal eine!«, brummte er. Draußen peitschte der Wind ungehalten gegen die Fensterscheiben und entfachte ein wildes Spiel mit den Wipfeln der Bäume, als wolle er dem Gespräch der beiden Streithähne Beifall klatschen. »Es gibt keine Geschichten über mein Liebesleben zu erzählen. Jedenfalls keine, die für deine Ohren bestimmt wären.« Dem jungen Mann war die Wut und Enttäuschung förmlich anzusehen. Sein Körper verhärtete sich, dann stand er auf. »Du kannst mich mal«, sagte er und zog sich dabei den Pullover über den Kopf. Merkwürdig war im Darauffolgenden das Lächeln, das seine Lippen umspielte. Der Uchiha blinzelte. Diese verrückten Stimmungsschwankungen machten ihn wahnsinnig. Naruto war schlimmer, als jede schwangere Frau es jemals sein konnte. Da hatte man zumindest einen Grund für das Verhalten, hier hatte man nichts. Sasuke war ratlos, er kam mit solchen Menschen auf Dauer einfach nicht gut klar - zu intransparent. Eine Hülle nach der anderen segelte stumm zu Boden, bis nur noch eine dunkle Boxershorts auf seinem Körper verblieb. Sasukes Blick heftete sich an ihn. Er konnte nicht mehr wegsehen. Heute nicht mehr; es war schier unmöglich die Augen von einem solchen Körper abzuwenden. Es wäre eine Beleidigung. Ja, eine richtig freche Beleidigung. Dann nahm er plötzlich die Position eines Läufers ein, der in den Startlöchern steht. Naruto preschte drauf los und sprang mit einem Satz ins kalte Nass. Sasuke spritzte das Wasser ins Gesicht und erneut blinzelte er, als könne er das Geschehen damit wegwischen. Er beobachtete den trainierten Bergsteiger – Free Solo Idioten – beim Schwimmen; kraftvolle Züge, keuchender Atem und schimmernde Haut, alles zusammen - unbeschreiblich. Er verstand es nicht. Verstand nicht, warum ihn dieser Anblick so magisch anlockte wie ein altbackener Schrei einer Sirene; warum seine Kleidung plötzlich genauso stumm zu Boden glitt wie Narutos vor wenigen Minuten. Hatte er so lange nicht mehr gevögelt? Genau genommen war es tatsächlich Ewigkeiten her, seit er das letzte Mal jemanden gepackt und hemmungslos gefickt hatte. Hier schien diese Möglichkeit, in den blonden Haaren Halt zu finden, plötzlich zum Greifen nahe. Er sprang in die Stille und mit einem Mal gab es nur noch ihn, den blonden Mann und das Wasser, das ihre Körper wie ein leichter Schleier umgab. Kalt, aber wohltuend. Naruto sagte keinen Ton, beobachtete ihn nur mit seinen unergründlichen blauen Augen und einem vagen Lächeln, das seinem Gesicht diese ganz bestimmte Schönheit verlieh. Eine Schönheit von jener Natur, die nicht jeden erreicht, aber bei ihm wie ein Pfeilhagel bis in seinen Kopf vordrang – absoluter Headshot. Naruto lehnte am Beckenrand und empfing Sasuke mit einem ausgeprägten Grinsen, das wie eine weitere Narbe quer durch sein Gesicht verlief. Wenn es drauf ankam, wenn ihm diese Erkenntnis mit der Stärke eines Windstoßes ins Gesicht gepeitscht wurde, dann wusste Sasuke genau, was er wollte. Genau jetzt, jetzt in diesem Moment wollte - brauchte er dieses seltsam schöne und gleichzeitig abstoßende Gesicht, dieses Grinsen, das ihn sowohl positiv als auch negativ wahnsinnig machte, diesen Körper, der mit Sicherheit in jedem einsamen Bett erwünscht gewesen wäre und vor allem wollte er das, was Naruto hinter einem Stück Stoff zu verbergen versuchte. Ihre Körper trafen aufeinander, Brust an Brust und Sasuke hielt sich mit aller Gewalt am Beckenrand fest. Seine Hände lagen dicht an Naruto, berührten ihn fast. Lichter tanzten über seine Gestalt und es war kaum zu ertragen so dicht am Ziel zu sein und von diesem letzten Funken Hemmung daran gehindert zu werden, die Grenze endgültig zu überschreiten. Die Grenze zwischen Bekannt- und Freundschaft und Sex und Liebe. Sasuke trennte. Er trennte immer, für ihn gab es nur ein entweder oder, keine Kombinationen zwischen diesen beiden Fronten. Das war ausnahmslos unmöglich. »Lust auf ein Spiel?«, grinste der junge Mann mit unverschämtem Charisma und Sasukes Herz machte prompt einen ungesunden Satz, als er die Taschenlampen im Hintergrund erkannte. »Fuck«, stöhnte er fast lautlos und regte sich keinen Millimeter. Naruto reagierte schneller als erwartet; er packte Sasukes Schultern und drückte ihn hinab, tauchte gemeinsam mit ihm unter. Zusammen schwammen sie langsam und vorsichtig zum anderen Ende, sammelten ihre Klamotten ein und hielten stocksteif inne, als sie das Klacken des Türschlosses vernahmen. »In die Umkleide«, flüsterte Naruto und schlich voraus. Der Uchiha folgte ihm und sie versteckten sich in einer der Einzelkabinen, kletterten auf die Bänke und warteten ab. Sasuke fühlte sich für einen Wimpernschlag wie ein aufmüpfiger Schuljunge, der sich vor seinem Lehrer versteckte, um keinen Ärger für seinen veranstalteten Blödsinn zu bekommen. Nur blöd, dass das hier Blödsinn war, der vor Gericht enden konnte. »Sieht man, dass die Alarmanlage deaktiviert ist?«, zischte Sasuke und seine Begleitung brauchte einen Moment, um zu verstehen, worauf er hinaus wollte. Er zuckte nur hilflos mit den Schultern. »Klasse«, sagte Sasuke und lehnte seinen Hinterkopf gegen die Wand. Ein paar Mal atmete er tief durch und hielt erst dann die Luft an, als er Schritte und Stimmen näher kommen hörte. »Brad, wir haben echt den beschissensten Job von allen erwischt«, klagte eine etwas hellere, männliche Stimme. »Frag mich mal, Doug. Ich hatte gerade schon meinen Feierabend mit meiner Frau geplant und dann rufen diese beknackten Idioten an und melden, dass sie Stimmen im Schwimmbad gehört haben.« Doug seufzte. »Rentner, die haben sonst nichts zu tun, wenn sie abends mit dem Hund rausgehen. Wie viele haben schon bei uns angerufen und falschen Alarm geschlagen, nur um in der Nachbarschaft mal wieder was erzählen zu können?« Mit hochgezogenen Augenbrauen lauschte Sasuke dem Gespräch der beiden Polizisten und musterte Naruto, um sein Spiegelbild zu betrachten. »Hier ist nichts.« »Und hier auch nicht«, riefen sie sich gegenseitig zu. Die Schritte waren jetzt ganz nah. Gefahr lag in der Luft und brachte Sasukes Mund zum Austrocknen. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf eine gleichmäßige, ruhige Atmung. Diese zwei Polizisten fanden offensichtlich keinerlei Gefallen an ihrem Beruf – trotzdem, wenn sie sie schnappten war das längst keine Garantie dafür, dass Naruto und er nicht trotzdem mit aufs Revier müssten. Gefolgt von einer dicken fetten Anzeige. »Ist dir eigentlich auch aufgefallen, dass die Alarmanlage deaktiviert ist?«, fragte Doug mit leicht skeptischem Unterton. Sasukes Herz setzte einen Schlag aus. Jetzt saßen sie in der Scheiße. Metertief in der stinkigsten Scheiße im Umkreis von zehn Kilometern. Ohne Ausweg, eingesperrt wie wertloses Vieh auf dem Weg zum Schlachter. Du übertreibst ein wenig, Sasuke. Scheiß dich nicht ein. Brad schnaubte. »Klar. Ich sag dir auch, woher das kommt, Doug. Diese Idioten von Angestellten haben vergessen, die Anlage wieder scharf zu schalten. Ganz einfach. Fall gelöst, lass uns endlich Feierabend machen.« Doug lachte und Sasuke hätte schwören können, dass dieser Mann in jenem Moment ein verdammt dämliches Gesicht machte. »Hast auch wieder recht«, sagte Doug. »Wer würde schon in ein beschissenes Schwimmbad einbrechen? Hier gibt es doch absolut nichts zu holen.« »Eben«, stimmte Brad zu. »Was würde ich alles dafür geben wieder beim Drogendezernat zu arbeiten«, schmollte Doug. »Erstmal werden wir...«, war das Letzte, was Sasuke hörte, ehe die Tür ins Schloss knallte. Buchstäblich fiel dem Uchiha in jenem Moment ein Stein vom Herzen. Man hatte sie nicht erwischt, Wahnsinn. Naruto und Sasuke sahen einander an, beide mit weit aufgerissenen Augen, als hätten sie gerade einen Geist gesehen. Offensichtlich kamen sie beide kein Stück auf der Situation klar. Naruto, der wie ein Flüchtling seine Habseligkeiten an die Brust drückte, war derjenige, der zuerst lachte. Erst etwas verhalten, eher kichernd, dann lauter und ungehaltener, bis Sasuke einfach einstimmen musste. »Scheiße, was war das denn?«, gluckste Naruto und ließ sich auf die Bank herabsinken. Er lachte Tränen. »Ich kann nicht mehr«, quietschte er. »Idioten«, beteiligte sich Sasuke an der Hetze und setzte sich neben Naruto, der seine Hand für ein High-Five hob. Einen kurzen, irrelevanten Moment zögerte der junge Uchiha, dann schlug er grinsend ein. »Komm, wir machen uns vom Acker, bevor noch die richtigen Polizisten auftauchen«, grinste Naruto und kleidete sich nebenbei wieder an. Schritt um Schritt zog er einen Ärmel über den Arm, ein Hosenbein erst über das rechte, dann über das linke Bein. Er war schnell in dem, was er tat. Bevor sie das Schwimmbad verließen, schaltete er die Alarmanlage wieder scharf. Noch ehe Sasuke etwas Kritisches erwidern konnte, hielt er sich schmunzelnd den Finger vor die Lippen. »Falls Brad und Doug noch einen Kollegen von mir vorbei schicken, wird derjenige denken, dass sie sich einfach versehen haben. Die zwei machen nicht gerade einen kompetenten Eindruck, oder?« Naruto zwinkerte und Sasuke grinste, schüttelte aber leicht den Kopf. Wie bei einem Kind, das eine Dummheit begangen hat, die aber einfach zu herzallerliebst ist, als dass man ernsthaft böse sein könnte. Draußen war es frisch. Der Wind blies stark und trieb die Kälte durch Sasukes nasse Haare. Mit Leichtigkeit konnte er dieses Empfinden ausblenden und wenn er sich auf das Klirren in seinem Rucksack konzentrierte, wusste er auch genau, warum. »Und jetzt?«, fragte Naruto mit einem Blick auf die Uhr. »Es ist noch viel zu früh, um ernsthaft nach Hause zu gehen.« Auf einer kleinen Parkbank, die sich auf mittlerer Strecke zwischen dem Schwimmbad und ihrem Zuhause befand, hielten sie an. Rund herum wucherte nur Grünzeug, doch wenn Sasuke an die stetig fallenden Temperaturen dachte, war er sich sicher, dass in kürzester Zeit nur noch eine kleine Bank inmitten einer kahlen Landschaft stehen würde. Umgeben von ein paar blattlosen Bäumen und wenigen Sträuchern, die selbst die härteste Witterung überdauerten. Doch vorher würde diese heute grüne Welt in ein buntes Meer aus Farben getaucht werden. Rot, braun und gelb – so wie er es auf seiner Hinreise beobachtet hatte. So, wie Teile dieses Landes das ganze Jahr über aussahen und er liebte dieses Land dafür. Ein paar Meter von der Parkbank entfernt regte sich etwas. Sasukes Augen huschten sofort in die Richtung, aus der die Bewegung stammte. Den Umrissen nach zu urteilen, handelte es sich bei diesem Geschöpf um einen kleinen Vogel, vermutlich auf der Suche nach Futter. Ganz schön spät unterwegs, der kleine Kerl. Das Gefieder schien zum größten Teil weiß, aber dunkel gefleckt an manchen Stellen. Der Schnabel und die Flügel verliefen seltsam spitz. Naruto zog die Luft scharf in seine Lungen und der Vogel hob prompt wachsam den Kopf. Überrascht blinzelte Sasuke in seine Richtung. »Das ist ein Marmelalk«, flüsterte er, um das Tier nicht zu verschrecken. Sasukes Blick wanderte wieder auf das ungewöhnliche Geschöpf, das den Namen Marmelalk trug. »Die sind super selten. Hat sich wohl hierher verirrt«, sagte Naruto und der Uchiha zuckte beiläufig mit den Schultern. »Aha«, gab er zum Besten. Er mochte Tiere, aber er beschäftigte sich nicht ausgiebig mit ihnen. Naruto schien dagegen völlig fasziniert zu sein, dass er diesen Vogel zu Gesicht bekam. Mit prüfendem Blick beobachtete er Naruto dabei wie dieser unermüdlich den Vogel beobachtete. Es gefiel ihm nicht, dass er derart in Vergessenheit geriet. »Wie wäre es, wenn du deine Gitarre holst und wir ein Lagerfeuer machen?«, fragte Sasuke komplett aus dem Zusammenhang gerissen und sein Plan ging auf: Narutos Aufmerksamkeit hatte er augenblicklich zurück. Zusammen mit einem leicht offen stehendem Mund und einem verwirrten Blick. »Das wundert mich«, sagte Naruto. »Was wundert dich?« »Dass du so einfach zugibst, dass du mich beobachtet hast«, lachte er und in Sasukes Gesicht glühte schlagartig die Schamröte auf. »Ich wollte nur sichergehen, dass du keine Dummheiten anstellst«, rechtfertigte er sich und wandte den Kopf ab. Ein paar Meter entfernt hörte er ein Flügelschlagen. Zumindest war dieser blöde Vogel endlich weg. »Du sorgst dich also um mich?«, hinterfragte Naruto amüsiert und fügte hinzu: »Das ist wirklich s...« »Ich dachte, du würdest abends Menschen umbringen!«, schrie Sasuke zornig zurück, um ihm endlich den Wind aus den Segeln zu nehmen. Mit nun schreckgeweiteten Augen saß Naruto vor ihm. »Oh, das ist in der Tat...«, stammelte er, unfähig das darauffolgende Lachen zu unterdrücken. Es sprudelte an die Oberfläche wie ein Rettungsreifen im Meer – unmöglich aufgehalten zu werden. »Echt ganz schön dämlich«, lachte er und Sasuke funkelte ihn aus der Dunkelheit mit seinen zu Schlitzen verengten Augen an. »Du folgst jemandem ganz allein in den Wald, obwohl du denjenigen für einen Killer hältst? Klingt etwas suizidgefährdet«, gluckste Naruto weiter. Der Uchiha hob beide Augenbrauen. In der Tat – seine Aktion war nicht besonders schlau gewesen, aber das hatte er auch schon vorher gewusst. »Oder hattest du eine Schrotflinte in der Jackentasche?«, grinste er und Sasuke erwiderte es. »Als ob ich eine Schrotflinte bräuchte, um dir den Gar auszumachen.« »Stimmt. Dafür bräuchtest du schon etwas mehr, als nur das.« Sie lachten beide laut auf. Einmal schlug Naruto freundschaftlich gegen Sasukes Schulter, bis sie allmählich wieder zur Besinnung kamen. »Durch den ganzen Stress eben bin ich fast wieder nüchtern«, schmollte Naruto und wies seinen Freund mit einer Handbewegung dazu an, sich umzudrehen, damit er an den Rucksack mit Getränken kam. Doch stattdessen drückte ihm Sasuke das schwere Ding einfach in seine ausgestreckten Arme. »Den Rest des Wegs trägst du das Teil. Ich bin doch nicht dein Packesel.« Bereits mit zwei gefüllten Plastikbechern bewaffnet, erwiderte Naruto: »Fein, dann müssen wir nur dafür sorgen, dass er auf dem Rückweg nicht mehr so viel wiegt.« Sasuke lachte. »Keine Sorge. Du wirst nur das Leergut schleppen müssen.« Bis weit nach Mitternacht saßen sie gemeinsam auf dieser einsamen Parkbank, schäkerten herum und tranken all das bis auf den letzten Tropfen aus, was sie mitgebracht hatten. Die fallenden Temperaturen bemerkten sie nicht mehr. Es war nichts weiter, als eine angenehme Spätsommernacht, wenige Tage vor Herbstbeginn. Kurz bevor sie aufbrechen wollten, hielt Naruto seinen Freund noch einmal an der Schulter fest. »Findest du, dass ich gut bin?«, fragte er und suchte Sasukes Blick. Der grinste bloß weiter wie er es seit Minuten ununterbrochen tat. »Ich finde zumindest nicht, dass du schlecht bist. Du tötest keine Menschen, also kannst du kein allzu großes Arschloch sein.« Wieder verpasste ihm Naruto einen erheiterten Hieb gegen die Schulter. Dieses Mal zog er sie jedoch nicht wieder zurück, sondern ließ sie weiter wandern, legte einen Arm um Sasuke und versuchte, besseren Halt zu finden. »Das meinte ich gar nicht! Ich meine, ob du findest, dass ich gut Gitarre spiele?« »Du singst und spielst hervorragend«, sagte Sasuke zu seiner Zufriedenheit. Naruto tätschelte seine Schulter und betrachtete den schwärzlichen Nachthimmel. Von Zeit zu Zeit gab eine vorbeiziehende Wolke den Blick auf die Sterne frei. »Obwohl ich finde, dass dir ein Blasinstrument viel besser stehen würde«, gluckste der Uchiha und hielt sich nun ebenfalls an seiner Begleitung fest. Seine Finger vergruben sich tief in der Jacke des anderen. »Warum ein Blasinstrument?«, fragte Naruto verwundert. »Keine Ahnung«, zuckte der Uchiha nur mit den Schultern. »Ich denke einfach, dass du der geborene Bläser wärst«, sagte er und konnte ein Prusten nicht unterdrücken. »Du verarschst mich doch«, lachte Naruto. »Außerdem kann man beim Blasen nicht singen.« Sasuke brach in schallendes Gelächter aus. Beinahe rutschte er im Sitzen von der Bank herunter. Mit der linken, freien Hand fuhr er sich über die Stirn, massierte leicht sein angespanntes Gesicht. Sein Kumpel saß daneben und wusste erst nicht so recht, was er von dem Ganzen halten sollte. »Was du wieder denkst, Sasuke. Also hast du mich doch verarscht!«, lachte er jetzt ebenfalls. Unschuldig schüttelte Sasuke den Kopf. »Nein, nein«, prustete er und rang nach Luft. »Nein, nein«, wiederholte Naruto grinsend. »Komm jetzt«, drängte er und zog den herzlich lachenden Uchiha mit nach oben. Naruto wurde warm ums Herz, wenn er Sasuke lachen hörte. Vor allem, weil er ein ehrliches Lachen von einem falschen unterscheiden konnte und das hier war eins, das obendrein von Herzen kam. Von weit unten aus der Tiefe. Auch, wenn es mehr oder weniger auf seine Kosten ging. »Moment«, räusperte sich Sasuke ernst. »Du sagtest vorhin doch etwas von einem Spiel. Du hast gefragt, ob ich Lust auf ein Spiel hätte.« Einen Moment ließ er diese Worte bei Naruto sacken, beobachtete die Überraschung, die sich auf seinem Gesicht mit der Geschwindigkeit ausbreitete mit der Löwenzahn auf einer Wiese wächst. »Ich habe große Lust«, raunte Sasuke leise und ließ seinen warmen Atem für ein paar Sekunden verführerisch über Narutos Wange streichen, »auf ein Spiel mit dir.« Naruto bewegte sich nur wenige Zentimeter und der Boden unter seinen Füßen knackte mit einer bitteren Drohung, als sei er drauf und dran in tausend Teile zu zerspringen und den endlosen Abgrund freizulegen. »So?«, schmunzelte er. »An welche Art von Spiel hast du denn gedacht?« Seine Stimme war neugierig und interessiert, doch barg sie auch einen gewissen Argwohn in sich. »Ein Spiel, bei dem wir beide auf unsere Kosten kommen«, erwiderte Sasuke und drückte sich näher an seine Begleitung heran. Er war ihm so nah wie zuvor im Schwimmbad. Ihre Körper trafen aufeinander, er spürte das Heben und Senken von Narutos Brust und die Wärme, die von ihr ausging. Die Kälte kam erst mit Narutos Blick. »Okay, das kommt jetzt echt ein bisschen schwul«, grinste er und drückte Sasuke wieder auf einen ausreichenden Sicherheitsabstand. Der blinzelte nur verwundert mit den Augenlidern. Okay, das kommt jetzt echt ein bisschen schwul. Ein ›bisschen‹ schwul? Gemeinsam wanderten sie den Weg in Richtung Heimat weiter und Sasuke war so baff von Narutos beknackter Aussage, dass er kein Wort mehr von sich gab. Er hatte ihn offenkundig – selbst für jeden Vollidioten offensichtlich – hier und heute direkt angegraben und hatte eine Abfuhr erhalten wie er sie sich niemals auch nur erträumt hätte. Der kalte Wind schlängelte sich durch Sasukes Kleidung und er hatte das Gefühl, dass Narutos Griff um ihn mit jedem Schritt fester und inniger wurde. Eben nicht mehr als ein Gefühl. Gefühle – zum Kotzen. Gefühle sind verräterisch, Gefühle können trügen und Gefühle können vernichtend sein. Egal wie schön sie einmal waren, es kommt immer der Moment, in dem das ganze Kartenhaus in sich zusammenklappt und puff, ist der Traum ausgeträumt. Der Moment, wenn man sich plötzlich nur noch gegenseitig auf den Sack geht und man anfängt sich zu fragen, was einmal so besonders an der anderen Person war. Wenn rückblickend die negativen Momente über die positiven überwiegen und man feststellt, dass die ganze Beziehung objektiv betrachtet die reinste Scheiße war. Nicht mehr als bloße Zeitverschwendung. Sasuke hatte genug davon, seine Zeit mit Scheiße zu verschwenden. Er hatte es lange genug getan. Gründe, weshalb er es vorzog zu leben, anstatt zu träumen. Naruto war jetzt ein Teil von Sasukes speziellen Vorstellungen vom Leben. Eine Abfuhr zu akzeptieren gehörte allgemein nicht dazu. Er bekam immer das, was er wollte und meistens auch, wann er es wollte. Alles eine Frage der Taktik. 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