Die gefallenen Helden von SukiChii (Avengers Teil 1) ================================================================================ Die Avengers - Initiative ------------------------- Wochen waren vergangen. Der, wie Peter schnell bemerkte, immer schlecht gelaunte Logan hatte ihm den Gefallen getan zu Peters altem Haus zurückzukehren und einige Wertsachen einzupacken. Peter selbst durfte nicht mitgehen, da er zu schwach und hilflos war, wie Logan es ausgedrückt hatte. Über die Bemerkung war der Junge immer noch ein wenig beleidigt und er mochte Logans pessimistische Art nicht, wie er es jedes Mal aufs Neue schaffte mit nur wenigen Worten die Stimmung auf den Nullpunkt zu bringen, und dies war bei Peter momentan besonders einfach. Trotzdem war er ihm zu Dank verpflichtet. Schließlich hatte Logan ihm das Leben gerettet, weshalb Peter sich bemühte so gut wie möglich mit ihm zurecht zu kommen. Am besten verstand er sich mit Charles. Sie konnten sich stundenlang über Technologie und Biologie unterhalten und natürlich war ihr Hauptthema die Mutation. Bis heute war nicht bekannt, wie genau es möglich war, dass Menschen mit besonderen Fähigkeiten geboren wurden und es war ebenfalls nicht klar, wann genau diese Art der Evolution begonnen hatte. Zumindest gingen Charles und Peter davon aus, dass es sich um Evolution handelte. Gendefekte, Missbildungen oder Krankheiten schlossen sie von vorne herein aus. Es machte Spaß sich mit Charles zu unterhalten, sie waren in Intellekt und Charakter auf einer Wellenlänge und der Altersunterschied von neun Jahren machte ihnen dabei überhaupt nichts aus. Auch mit Raven kam Peter sehr gut klar. Manchmal hatte er das Gefühl, sie hatte ein wenig die Rolle der großen Schwester in dieser kleinen, seltsamen Familie übernommen. Selbst Logan gegenüber. Ziemlich oft ermahnte sie ihn, wenn er mal wieder ein Bier zu viel getrunken hatte, dann nahm sie ihm den Alkohol weg und hielt ihm am nächsten Tag, sobald er wieder klar denken konnte, eine Standpauke. Ihr neuestes und – laut Charles – stärkstes Argument gegen Logans Trinkgewohnheiten war Peter selbst geworden. »Wir haben nun ein Kind hier wohnen und er ist sehr verwirrt und verletzt, du solltest seinen Aufenthalt hier nicht noch weiter verschlimmern!«, plärrte sie einen Abend und fuchtelte dabei mit den leeren Bierflaschen in ihren Händen herum. Empört wollte Peter einwerfen, dass er kein Kind mehr war, doch die Diskussion war schneller beendet wie er erwartet hatte, denn Logan verließ bloß grummelnd die Küche. Die einzige, zu der er auf keiner Ebene Draht fand, geschweige denn versuchte einen zu finden, war Jean Grey. In den letzten Wochen hatte er sie nicht einmal außerhalb der Labore gesehen. Peter kannte nur den Raum mit Cerebro, er wusste nicht wie groß der Rest der Arbeitsräume war und fragte sich oft, ob es dort vielleicht eine zweite Wohnung gab. Er hatte viele Fragen über die mysteriöse Mutantin, doch traute er sich nicht sie Charles zu stellen, auch wenn dieser, als ihr 'Bruder', sie mit Sicherheit beantworten konnte. Auch hatte er Charles nicht gefragt, ob Jean und er nun wirklich Geschwister waren. Er wusste ebenfalls nicht, wie sie alle zusammen gekommen waren und, wie sie diesen Ort hier überhaupt gefunden hatten. Jedes Mal, wenn ihm die Fragen mal wieder auf seiner Zunge brannten, hinderte ihn etwas daran sie zu stellen. Sie sind zu persönlich, sagte er sich jedes Mal selbst, sie stellen auch keine Fragen über deine Vergangenheit und Familie. Und bei diesem Gedanken spürte er ein schmerzhaftes Stechen in seiner Brust und er erwiderte auf seinen eigenen Gedankengang hin: Welche Familie? Tatsächlich lenkte ihn die Arbeit an Cerebro ab. Er verbrachte seine Zeit mit nichts anderem. Nur abends schaute er jedes Mal Fernsehen, begierig darauf zu erfahren, ob etwas über ihn und seine Tante in den Nachrichten kam, doch es schien als wäre dies nicht sonderlich erwähnenswert. Ihm fiel außerdem nun mehr denn je auf, dass über die Hunter nie etwas in den Nachrichten kam, als würden sie nicht existieren. Auf gewisse Weise wirkten sie dadurch sogar bedrohlicher. Wie dunkle Schatten, die sich von hinten an schlichen und einen überraschten, wenn man es am wenigsten erwartete. »Sollen wir heute Abend noch mal an Cerebro rum schrauben?« Peter blickte von seinem bequemen Platz auf der Couch zu Charles auf, der im Türrahmen stand. Leise summte der Fernseher an der Wand, während ein Sprecher das Wetter verkündete, welches Peter seit seiner Ankunft nicht mehr gesehen hatte. Manchmal wünschte er sich unbedingt wieder frische Luft schnappen zu gehen, doch jedes Mal wurde er von Raven daran erinnert, wie wenig Chancen er gegen die Hunter hatte. Er durfte erst raus, wenn sich seine Fähigkeiten endlich entfalteten und er sie kontrollieren konnte. »Wieder am Nachdenken?« Es war mehr eine Feststellung von Charles, bei der er sich neben den Jugendlichen nieder ließ und sie nun gemeinsam den Fernseher anstarrten, ohne wirklich dessen Laute aufzunehmen. »Ich hab immer noch so viele Fragen«, murmelte Peter. »Dann stell sie doch endlich, du wirst nicht zu persönlich.« Peter seufzte und ließ seinen Blick sinken. Für einige Sekunden überlegte er sich gut, wie er nun anfangen sollte. Er hatte nicht nur Fragen, er sehnte sich auch danach, sich einfach mal auszusprechen. Loszuwerden, wie er sich fühlte, über was er sich Gedanken machte. Er wollte über seine Tante erzählen, die nach dem Tod ihres Ehemannes für Peter so stark gewesen war und nun für ihn einstehen musste. Er wollte über Gwen erzählen, deren Anwesenheit er ersehnte und, die er, trotz allem, was geschehen war, nicht aus seinem Kopf bekam... »So viel Chaos«, riss ihn Charles aus seinen Gedanken. »Du musst deinen Kopf ordnen, es tut nicht gut so durcheinander zu sein.« »So einfach ist das aber nicht.« Peter rieb sich mit beiden Händen über sein Gesicht. »Ich bin so verwirrt – wie zum Beispiel, warum bringen die nichts in den Nachrichten? Habe ich das irgendwie verpasst? Niemand weiß, wo ich mich aufhalte. Was wird denn den Angehören von Mutanten erzählt, wenn diese plötzlich verschwinden?« »Freunde und Angehörige von Mutanten werden fast alle getötet«, antwortete Charles. »Diese, die überleben, sind die, die stark genug bewiesen haben, dass sie Mutanten hassen und es ihnen egal ist, dass alle anderen umgebracht werden. Solche, die illoyal sind überleben... Zumindest, wenn die Hunter gut gelaunt sind.« »Aber das können sie doch nicht überall machen!«, entfuhr es Peter ungläubig. »Es gibt viel mehr Mutanten auf der Welt, als die meisten Leute glauben, das hast du selbst gesagt!« »Peter...« Charles seufzte. Es schien als wären sie an einem Punkt im Gespräch angelangt, über welchen er nur schwer reden konnte. »Ich glaube deine Tante war eine gute Frau, die, wenn sie gewusst hätte, dass du ein Mutant bist, versucht hätte dich zu schützen und zu verstecken, aber nicht jeder reagiert so. Es gibt viele Eltern, die ihre Kinder verstoßen. Für die Hunter ist dies ein Grund diese Eltern am Leben zu lassen. Sie dürfen sie nicht töten, wenn sie den Mutanten keine Beihilfe geleistet haben.« »Aber meine Tante wusste nicht einmal, dass ich ein Mutant bin!«, rief Peter aus. »Nein, aber was glaubst du, was sie mit ihr getan haben. Du wurdest von einem Mutanten gerettet, den die Hunter nur zu gut kennen und sie wissen, wie schwer er zu finden ist. Sie werden deine Tante mitgenommen und sie verhört haben und, wenn sie keine hilfreichen Antworten bekommen, machen sie kurzen Prozess.« Kurz schwirrte in Peter der unangenehme Gedanke, die Hunter könnten seine Tante für Informationen sogar gefoltert haben, doch er blockte ihn sofort. Krampfhaft versuchte er nicht daran zu denken und lenkte das Thema schnell von Tante May ab. »Was meinst du, die Hunter kennen Logan nur zu gut? Ist er ihnen schon öfter in die Quere gekommen? Vielleicht, als er euch gerettet hat?«, fragte Peter nun neugierig und nachdenklich zugleich. Seine Stirn hatte sich in Falten gelegt und er musterte Charles, der stumm lachte. »Nein, Logan hat uns nicht gerettet. Komm mit, ich zeig dir etwas.« Er erhob sich von der Couch und Peter tat es ihm gleich. Zusammen schritten sie in den Flur mit den Schlafzimmer, wo sie das von Charles betrat. Peter hatte bisher nur einmal kurz herein gelugt und ihm war sofort der dunkle Vorhang aufgefallen, der auf der einen Seite eine gesamte Wand verdeckte. Ansonsten unterschied sich das Zimmer nicht besonders von dem, welches Peter bezog. Sie blieben vor dem Vorhang stehen, den Charles nun zu beiden Seiten aufriss und Peter klappte die Kinnlade herunter. Über die gesamte Wand verteilt, klebten Zeitungsausschnitte und selbst geschossene Fotos, hier und da waren Sticker angebracht und relativ mittig hing ein schwarzer Kleidungsfetzen, auf welchem ein weißes 'A' eingenäht war. Gleich daneben klebte die Schlagzeile 'AVENGERS INITIATIVE: GENIAL ODER GEFÄHRLICH?!'. »Daran erinnere ich mich!«, stellte Peter sogleich fest und deutete auf die schwarzen Buchstaben. »Ich muss damals jung gewesen sein, noch ein Kind, aber ich erinnere mich, dass meine Tante und mein Onkel wie wild darüber diskutiert haben. Auch unsere Lehrer an der Schule und überhaupt hat jeder davon gesprochen und andere Kinder in meinem Alter meinten, diese Avengers seien Superhelden. Das ging wochenlang so und dann hat es einfach wieder aufgehört und man hat nie wieder etwas über die gebracht.« »Weil wir eigentlich eine geheime Organisation waren«, sagte Charles und Peter blickte ihn überrascht an. »Und du warst elf, als dieser Artikel entstanden war.« »Was heißt 'wir'? Du warst Teil der Avengers – Warte – Ihr war alle vier Teil der Avengers?!« »Richtig.« Charles nickte und tippte auf eines der Fotos, welches nicht weit vom Stofffetzen klebte. Darauf zu erkennen, war eine Gruppierungen von Frauen und Männern, die teilweise freudig, teilweise schlecht gelaunt, in die Kamera blickten. »Es gibt nur ein Foto auf dem wir alle gemeinsam zu sehen sind. Das haben wir beim letzten Weihnachtsfest gemacht... das letzte Mal als wir alle zusammen waren.« Trauer drang durch Charles Stimme und für einen Moment verfiel er in nachdenklichem Schweigen. In seinen Augen glänzte Sehnsucht, Trauer, jedoch auch dieses Gefühl, welches man hatte, wenn man sich an gute Zeiten erinnerte. Nun war es an Peter Mitleid zu empfinden. Irgendetwas musste passiert sein, dass sie nur noch zu Viert hier waren. Auf dem Foto waren es sicherlich - »Neunzehn«, beendete Charles seinen Gedanken. »Wir waren fünfzehn Mutanten und vier menschliche Soldaten.« »Was ist passiert?«, fragte Peter und hoffte dabei nicht zu neugierig oder aufdringlich zu klingen. Er merkte, dass dies anscheinend ein persönliches und mit vielen Emotionen verbundenes Thema für Charles war. »Das hier ist passiert.« Nun deutete der Telepath auf eine Schlagzeile, die lautete: 'ANTI-MUTANTEN-GESETZ ENDGÜLTIG ERLASSEN!' »Vier Jahre lang haben wir im Auftrag von Shield gehandelt und gearbeitet und es war eine gute Zeit, auch wenn wir vielen Kriegen, Kämpfen und Missionen entgegen treten mussten. Es war eine gute Zeit, weil wir eine Gemeinschaft waren, eine Familie, die füreinander da gewesen war. Wir fühlten uns durch unsere Fähigkeiten nicht fehl am Platz, wir nutzten sie für das Richtige, mussten dabei manchmal sogar gegen Mitglieder der Regierung arbeiten und irgendwann haben wir gemerkt, dass alles nicht mehr ganz stimmte. Und nach einiger Zeit kam das Anti-Mutanten-Gesetz und aus ehemaligen Soldaten mit denen wir gekämpft haben, wurden Hunter.« »Auch aus den vier Soldaten, die Avengers waren?« »Nein, zwei von ihnen wurden getötet, weil sie sich freiwillig gestellt hatten. Und die anderen beiden durften als Polizisten hier in New York anfangen. Sie haben so getan als wollten sie nichts mehr mit uns zu tun haben, doch wir haben immer noch Kontakt mit einem von ihnen. Der andere wurde bei einem der Aufstände ermordet.« Charles erzählte dies lockerer als Peter es erwartet hatte. Entweder, weil er gut damit klar kam, oder, und was Peter viel eher vermutete, weil er gelernt hatte, damit umzugehen. Mit zusammengezogenen Augenbrauen betrachtete er die zugeklebte Wand und verharrte auf einzelnen Fotos und Zeitungsbeiträgen. 'Ist Anthony E. Stark heimlich ein Verfechter der Mutanten?' hieß es in einem Artikel. Daneben klebte ein Foto von einem älteren Mann mit schwarzen Haaren und Bart, der lächelnd ein Glas Sekt empor hielt und dabei eine Hand, um einen weniger glücklich aussehenden Mann mit blonden Haaren und stechend blauen Augen gelegt hatte. 'Bruce Banner, besser bekannt als Hulk, einer der gefährlichsten Mutanten aller Zeiten, endlich getötet' lautete die nächste Überschrift. Darunter lächelte unsicher ein Mann mit einer Brille in der Hand, den man anscheinend zu dem Foto hatte zwingen müssen. Vom Hulk hatte Peter ebenfalls Geschichten gehört, doch natürlich hatte er keine von ihnen geglaubt. Die Kinder auf seiner Schule erzählten sich, er wäre ein grünes, riesiges Monster, das alles in seinen Händen zerfetzen und sogar fliegen könnte. So stark konnte er dann wohl nicht gewesen sein, wenn er getötet wurden war. 'Gefährliche Gestalt in Ghettos gesichtet: Handelt es sich um Deadpool?' Unter der Überschrift hatte jemand für die Zeitung eine düstere Zeichnung von einem Mann mit Mantel und Hut angefertigt, unter dem zwei rote Augen bedrohlich hervor blitzten. Charles hatte ein Foto von einem betrunkenen Mann mit vernarbten Gesicht daneben geheftet. »Schau dir das nicht zu lange an«, seufzte Charles schließlich. »Ich versuche mich immer zu beschäftigen, da wir ja nie raus kommen, doch nachdem ich hiermit fertig war, habe ich einen Vorhang davor gehängt, um es nicht sehen zu müssen. Es ist zu traurig.« »Und nur ihr vier... oder fünf habt überlebt?«, fragte Peter, der seinen Blick weiterhin wandern ließ. Alles, was er sah waren Fotos von Freunden, die gemeinsam feierten und lachten, gemischt mit Artikeln, die behaupteten, dass diese sympathisch wirkende Menschen, gemeingefährliche Killer waren. »Nein, acht haben überlebt. Neun, wenn du Tony dazu zählst.« Dabei tippte er auf den älteren Mann, den Peter schon einmal gesehen hatte. Auch sagte ihm der Name Stark etwas, er schien wichtig zu sein, doch Peter konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, woher er ihn kannte. »Tony Stark hat eine Zeitlang Waffen hergestellt, doch da warst du noch jünger. Relativ am Anfang der Avengers hat er seine Meinung bezüglich der Waffenindustrie geändert und ist auf erneuerbare Energie umgestiegen. Seitdem lässt er nicht mehr viel von sich hören«, erklärte Charles knapp. »Klar, der Stark Tower mitten in New York!« Peter schlug sich vor die Stirn. »Wie hab ich das vergessen können? Und, was ist mit den anderen drei Mutanten, die überlebt haben?« »Versuchen ein normales Leben zu führen, verstecken sich irgendwo in der Stadt, weil sie es hier nicht aushalten oder sind ständig auf Reise«, erklärte Charles. »Meiner Meinung nach ist das zu gefährlich für sie, aber die haben alle ihren eigenen Kopf.« Nun kehrte für einige Momente Stille zwischen ihnen ein. Als Peter die Schlagzeile 'ERNEUT HUNDERTE VON MUTANTEN ERMORDET' las, seufzte er traurig und ließ den Kopf sinken. Er hatte nie wirklich über dieses Anti-Mutanten-Gesetz nachgedacht, da es ihn bisher auch nicht betroffen hatte. Zu Lebzeiten hatte sich sein Onkel ständig über die Regierung beschwert, dass sie machen würden, was sie wollen und der Staat langsam aber sicher zu einer Diktatur wurde. Peter dachte immer, er würde maßlos übertreiben, doch nun wurde ihm klar, dass dies nicht der Fall war. »Die Mehrheit war gegen das Gesetz, oder?«, fragte er. »Ja, sie haben es einfach durchgezogen«, antwortete Charles gedrückt. »Ich kann mich noch gut erinnern, wie sie ständig darüber diskutiert haben. Wochenlang zog sich die Entscheidung hin und unsere Gemeinschaft zerbrach an dem Druck, der dadurch auf ihr lastete. Und dann haben sie das Gesetz erlassen und alles ging zu Bruch.« Er seufzte hörbar und machte sich daran die Vorhänge wieder zu zuziehen. »Komm, lassen wir die Erinnerungen Erinnerungen sein und weiter an Cerebro arbeiten.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)