Bakaito und Ahoko von Mopsbacke (Eine Kaito-Aoko-Romanze) ================================================================================ Kapitel 14: Case 14: Raubflug ----------------------------- Kaito sauste mitsamt seinem Hängegleiter beständig auf das Polizeiquartier zu. Unter ihm breitete sich die Stadt aus wie ein hässlicher graublauer Industrieteppich aus Stahl und Schutt, der durchsetzt wurde von einem Lichtermeer, das sich aus unendlich vielen, kleinen Lichtkegeln zusammensetzte. Kaito hatte kaum Augen für diesen Anblick, der jeden anderen Menschen vielleicht betören mochte. Er hatte nur Augen für einen Ort. Das Polizeiquartier. Böe für Böe näherte er sich. Es kam ihm wie ein unendlicher Gleitakt vor. Als hätte er schon fünf Mal da sein müssen. Ohne sein Fernglas konnte er die Entfernung nicht genau abschätzen und alles, was er erkennen konnte, war ein weiteres graues, ödes Gebäude, das sich nur dadurch auszeichnete, dass sich eine Menschenhorde darum tummelte. Einer dieser Menschen musste Aoko sein. Sie musste einfach noch da sein. Den Juwelen immer noch fest umklammert. Kaitos Puls raste – nicht wegen des durch den Hängegleiter ausgelösten Adrenalinkicks oder durch den Gedanken an den Red Beryll. Nein, es war Aoko, die ihm sein Blut mit Überschallgeschwindigkeit durch die Venen jagte, die ihm den Atem nahm, die seinem Herzen eine Härteprüfung auferlegte. Und Kaito wollte diese bestehen. Nach einer gefühlten Ewigkeit des schwerelosen Gleitens wurden aus formlosen Umrisse klare Konturen. Klare Konturen von Menschen. Polizisten. Haufenweise Polizisten. Und eine Polizistentochter. Ein echtes Vorbild an Standhaftigkeit und Ausdauer. Aoko schien jeden Muskel anzuspannen. Jeder Quadratzentimer ihres Körpers war Dynamit, das jeden Moment zu explodieren drohte. Sie strahlte eine solche Willensstärke aus, dass Kaito selbst aus der Ferne das Blut, das ihm eben noch heiß durch den Körper gepumpt wurde, in den Adern gefror. Doch nun gab es kein Zurück. Inzwischen konnte Kaito sie klar erkennen. Das wuschelige braune Haar, die verkrampfte Haltung, die weiche Haut. Ein Traum von einem Rivalen. Ihre Hand war nach wie vor fest zur Faust geballt, sodass Kaito davon ausging, dass sie auch den Red Beryll noch in ihrer Gewalt hatte. Es war einer der Polizisten, die Kaito zuerst am Himmel entdeckte. Mit einem stummen Staunen starrte er still in den Nachthimmel, ehe er erkannte, wer sich dort durch die Lüfte näherte. Kaum war der erste heisere Schrei „K-Kaito K-K-Kid!“ getan, schien das gesamte Quartier durchzudrehen. Das wilde Toben, der steigende Geräuschspiegel drang auch an Kaitos Ohr heran, doch er ließ sich nicht irritieren und fuhr unbeirrt fort – mit seinem „Plan“. Seine Flughöhe hatte sich inzwischen soweit reduziert, dass er fast schon die Bäume streifte. Die Polizisten begannen wild durcheinanderzulaufen, während einige besonders mutige versuchten, Aoko dazu zu bewegen, sich ins Quartier zu bewegen, statt wie auf dem Präsentierteller mit dem Juwel draußen zu bleiben. Inspektor Nakamori schien unterdessen hin und hergerissen zu sein, ob er die Standfestigkeit seiner Tochter, die eindeutig er an sie vererbt hatte, nun begrüßen sollte – oder ob doch die Sorge um sein eigen Fleisch und Blut obsiegte. In seinen Augen jedoch brannte unabdingbar und unbestreitbar der glühende Ehrgeiz, Kaito Kid, den Meisterdieb 1412 endlich zu fassen. Aoko stand starr und unbewegt vor dem Eingang des Polizeiquartiers, als Kaito sich unaufhaltsam näherte. „Kaito! Na komm schon, Du Feigling! Das ist es doch, was Du willst!“, tönte Aoko aus voller Brust und reckte dabei die Faust mit dem Red Beryll in die Höhe. Kaito war Aoko so nah und nun würde er nicht mehr zulassen, dass sich ihm etwas in den Weg stellte. Die Polizisten schienen sich eh nicht schlüssig, was sie tun sollten. Einige fingerten unsicher an ihren Waffen herum, unsicher, ob sie sie einsetzen sollten oder nicht, andere schienen tatsächlich darüber nachzudenken, Kid mit bloßen Händen aus der Luft fangen zu wollen. Mit einer flinken Bewegung brachte Kaito den Hängegleiter näher zum Boden, sodass er sich etwa auf Höhe der Häuser der Wohnhäuser befand und bereits einzelnen Straßenlaternen, die sich hoch in den Himmel reckten, ausweichen musste. Aber Kaito war siegessicher. Und verbissen. Er konnte die Untergebenen Nakamoris durcheinander schreien hören, doch er war unaufhaltsam. Auf Nakamoris Gesicht breitete sich ein siegessicheres Grinsen aus – immerhin flog Kid, der Meisterdieb, direkt auf ihn zu. Sicherheitshalber griff er nach seiner Waffe und klammerte seine Finger fest um den Griff. Nur für den Fall, dass es doch Schwierigkeiten gab… - und die gab es natürlich. Schwierigkeiten, die das Grinsen direkt vom Gesicht des Kommissaren wischten. Kaito steuerte unvermittelt auf Aoko zu. Je näher er ihr kam, desto wuseliger wurden die Polizisten. Nur Aoko blieb unberührt. Sie stand da wie ein Fels. Wie ein unbewegliches Monument, das Wind und Wetter trotzte, das niemals in die Knie gehen würde. Und Kaito war das ganz recht so. Sein Herz schlug wie wild, das Blut rauschte ihm mit Überschallgeschwindigkeit durch die Adern. Dies war sein Showdown, und er würde sich sein grande finale nicht nehmen lassen. Als er nur noch einen halben Meter von Aoko entfernt war, konnte er aus den Augenwinkeln erkennen, wie die Polizisten, die zuvor kopflos durcheinander gerannt waren, sich doch daran erinnern zu schienen, wie man seinen Job machte, und versuchten, auf Kaito zuzudrängen, doch es war zu spät. Nicht nur entglitt er ihren Bewegungen elegant und mühelos, nein, binnen Sekunden war er verschwunden. Allerdings erst, nachdem er den Juwel des Polizeireviers an sich gerissen hatte: Kaito ließ sich unvermittelt zu Boden fallen und stürmte flink auf Aoko zu, während sein Hängegleiter weiter in der Luft schwebte. Nakamori sowie seine Untergebenen waren zu perplex, um sinnvolle Handlungen vorzunehmen. Aokos Gesichtszüge entgleisten, ihre Mundwinkel zuckten unkontrolliert, als wäre sie sich unsicher, was die passende Reaktion auf Kaito Kids Kamikaze-Aktion wäre. Ihre Mundpartie rang mit sich, ob sie nun Lachen oder die Zähne blecken sollte. Kaito war es relativ egal, was sie tat. Wichtig war, dass sein „Plan“ reibungslos verlief. Er konnte ein leicht knirschendes Quietschen vernehmen, als sich Aokos Finger noch fester um den Red Beryll schlossen. Im nächsten Moment wurde Aoko fast schon schmerzlich bewusst, dass sie lieber einen Schritt zur Seite hätte treten sollen; Kaito machte genauso wenig wie Aoko Anstalten, ihr auszuweichen. Ganz im Gegenteil, er legte es regelrecht auf einen Zusammenstoß an. Als er nur noch wenige Schritte von Aoko entfernt war, konnte er ihren süßlichen Duft wahrnehmen, der durchtränkt war von einer leichten Note der Anstrengung, die der Abend bisher von Aoko abverlangt hatte. Kaito ging leicht in die Hocke, während er seinen Endspurt hinlegte. Er ergriff mit seiner linken Hand Aokos Taille, mit der rechten Hand an ihre Oberschenkel. Mit einer blitzschnellen Bewegung riss er Aoko von den Füßen und hievte sie auf seine Arme. Sofort schrie sie aus Leibeskräften auf. Vorbei war es mit ihrer stoischen Ruhe, mit ihrer felsenfesten Beständigkeit. Aber wer konnte es ihr schon verübeln? Sie trat mit ihren Füßen nach Kaito, doch sie erwischte nur die dünne Luft zwischen den beiden. Sie fuhr ihre Krallen aus, versuchte, Kaito mit ihren Händen zu erwischen und versengte ihre Fingernägel in seinem weißen Anzug. Unter Aokos Schreie mischten sich das wütende Brüllen Nakamoris sowie das hilflose, entsetzte Rufen der Polizisten. Mit einem schnellen Knopfdruck aktivierte Kaito die Vorrichtung seines Hängegleiters, die dafür sorgte, dass das Drahtseil, das an Kaitos Gürtel befestigt war und ihn so nach wie vor mit dem Hängegleiter verband, eingeholt wurde und Kaito so, mit Aoko in seinen Armen, in die Höhe gezogen wurde, um sich wieder weiter mit dem Gleithänger fortbewegen zu können. Es war nicht besonders einfach, den Gleithänger wieder einigermaßen sorgfältig anzulegen und in der Luft nicht die Balance zu verlieren, während er Aoko festhielt, aber tatsächlich gelang es ihm. Nun war er wieder in seinem Refugium, weit über dem Polizeiquartier, weit entfernt von der Reichweite der Polizisten. Kaito spürte unzählige Blicke auf sich, während er am Nachthimmel entlang glitt. Nakamori richtete zwar zweifelsfrei eine Pistole auf Kaito KID, doch er ließ sie rasch mit einem wilden Fluch wieder sinken, als er erkennen musste, dass er seine Tochter gefährden würde. Kaum hatte Aoko feststellen müssen, dass sie den festen Boden unter ihren Füßen verloren hatte und nun hoch über der Stadt schwebte und – und das war das Schlimmste von allem – Kaito KID ausgeliefert war, wehrte sie sich nach Leibeskräften. Krampfhaft versuchte sie, KID von sich wegzudrücken und sich aus seinem Griff zu befreien. Sie fluchte höchst unschicklich und wand sich in seinen Armen wie ein Regenwurm, der nicht in zwei Hälften geteilt werden wollte. „Hör auf, so rumzuzappeln – wie soll ich denn so die Balance halten“, schimpfte Kaito mit solch einer KID gebührenden Überheblichkeit, dass er spüren konnte, wie sich Aokos Augenbrauen zusammenzogen und ihre Augen sich zu schmalen Schlitzen verengten, die ihn feindselig anfunkelten. „Das hättest Du Dir vorher überlegen können!“, zischte Aoko und stemmte ihre Arme gegen KIDs Oberkörper. Tatsächlich löste sich Kaitos Griff und er ließ Aoko fallen - zehn, zwanzig Zentimeter in die Tiefe. Es waren nur zwei Sekunden Schwerelosigkeit, zwei Sekunden des Fallens, ehe sich Kaitos Griff wieder festigte wie zuvor und er Aoko nach wie vor fest in den Armen hielt. Dieser kleine Schockmoment hatte gereicht, um Aoko feststellen zu lassen, dass sie sich in schwindelerregenden Höhen befand und es vermutlich eine schlechtere Entscheidung wäre, sich ihre Freiheit zu erkämpfen, als sich einfach eine Weile entführen zu lassen. Nichtsdestotrotz hatte Aoko entsetzlich aufgeschrien. Ein markerschütternder Schrei, gefolgt von einem panischen „Kaaaitooo!“ Seinen eigenen Namen zu hören brachte Kaito fast so sehr aus dem Konzept, dass er Aoko beinahe ein weiteres Mal fallen ließ – diesmal ungewollt. Es war eindeutig „Kaito Kuroba“, nicht „Kaito Kid“ gemeint gewesen. Während Kaito noch stutzte, zeigte sich Aoko nun doch kooperativ, ja fast schon anhänglich. Sie hatte ihre Arme um Kaitos Hals geschlungen und klammerte sich an ihn – anscheinend hatte sie doch Sorge, fallen gelassen zu werden. „Kaito?“, wiederholte Kaito und tat so, als wolle er sich als Kaito KID erkundigen, was sein Opfer soeben von sich gegeben hatte. Er gab sich Mühe überheblich und neugierig statt verunsichert zu winken. „Ich rede nicht mit Dir“, antwortete Aoko knapp. „Wie Du willst“, erwiderte Kaito ebenso knapp und noch eine Spur kühler. Er konnte es ihr eigentlich nicht verdenken, immerhin entführte er sie gerade. Vermutlich hatte sie gerade panische Angst, immerhin wurde sie von demjenigen Meisterdieb gekidnappt, der dafür sorgte, dass ihr Vater kaum eine freie Minute für sie übrig hatte. Dennoch… nun hatte er Aoko nach so langer Zeit wieder in seiner Nähe, da wollte sie sich nicht einmal mit ihm unterhalten. Es war eigentlich alles wie zuvor. Es hatte nichts gebracht. Und dennoch… als Kaito zurückdachte… sie hatte seinen Namen gerufen. Sie hatte eindeutig seinen Namen gerufen, als sie dachte, sie würde in den Tod stürzen. Sie hatte nicht nach ihrem Polizeischoßhündchen gerufen, sondern nach ihm – Kaito Kuroba! Fast hätte sich Kaito siegessicher auf die Schulter geklopft und ihr zu dieser hervorragenden Wahl gratuliert – wäre er nicht derjenige, der sie überhaupt erst in diese Situation gebracht hatte. In einiger Entfernung konnte Kaito Polizeisirenen hören. Aoko vermutlich auch, doch sie gab kaum eine Regung von sich, während sie dicht an Kaitos Brust gepresst war. Er konnte sie atmen fühlen, ihren Herzschlag ganz nah an seinem spüren. Ihr Herz pochte schnell und aufgeregt und es tat ihm fast ein bisschen leid, sie derart malträtieren zu müssen… doch das hatte sie eben davon, wenn sie ihm so vehement aus dem Weg gehen muss. Der Wind pfiff um die beiden herum, während sie so durch die Luft segelten. Kaito kam es vor, als wären sie schon Ewigkeiten gemeinsam so unterwegs. Sein Ziel war ihm klar, jedoch hatte er gedacht, sie hätten es bis jetzt längst erreicht. „Ich hab ihn nicht.“ Es war ein leises, vorsichtiges Stimmchen, dass da an Kaitos Ohren drang. „Was?“, fragt Kaito verdutzt und vergaß dabei einen Augenblick lang, seine Maskerade aufrecht zu erhalten. „Den Red Beryll.“ Kaito legte den Kopf schief und starrte Aoko an, die ihren Kopf fest an seinen Hals gepresst hatte. Was erwartete sie nun von ihm? „Du kannst mich also absetzen. Oder fallen lassen. Oder was ein Meisterdieb eben mit wertlosen Geiseln macht.“ Ihre Stimme war nicht mehr als ein heiseres Flüstern und es klang mitleiderregend, ja fast schon erbärmlich in Kaitos Ohren. Er wollte seine starke, großartige Aoko nicht so schwach erleben. „Tut mir Leid, Nakamori-chan, aber wir wollen deinen Vater doch nicht unglücklich machen.“ Kaito lächelte. Es war nicht sein süffisantes Kaito-KID-Lächeln, nicht das überlegene Grinsen eines Meisterdiebs. Es war ein ehrliches, aufrichtiges Lächeln, doch Aoko bemerkte es nicht. Wie dumm dieses kleine Mädchen doch war… zu denken, es ginge hier nach wie vor um den Red Beryll… Langsam konnte Kaito fühlen, dass sie sich ihrem Ziel näherten. Vor lauter Aufregung konnte er die Zartheit von Aokos Haut an seiner kaum genießen. Er ertrug es kaum, noch nicht an seinem Zielort angekommen zu sein, um endlich alle Zweifel und Sorgen abzulegen. Noch rumorte ihm der Gedanke schwer in Kopf und Magen herum, ob das improvisierte Ablenkungsmanöver, dass er schnell mit Jii-chan zusammengewürfelt hatte, tatsächlich wirkte. Während Kaito mit seinem Hängegleiter unterwegs war, war Jii-chan in gleicher Verkleidung und ebenfalls mit einem Hängegleiter in fast entgegengesetzter Richtung mit einem Aoko-Dummy unterwegs. Vor Aoko und Kaito erstreckte sich bald der Platz, an dem sich die beiden das erste Mal trafen. Der Glockenturm ragte hoch in den Sternenhimmel – er war kaum zu verfehlen. Hosted by Animexx e.V. 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