Bakaito und Ahoko von Mopsbacke (Eine Kaito-Aoko-Romanze) ================================================================================ Kapitel 16: Case 16: Aoko angst ------------------------------- Aoko schlug die Augen auf. Eine fremde Decke. Eine weiß gestrichene, von der sich langsam die Farbe abschälte. Es baumelte eine einfache Glühbirne von ihr herab – ohne Lampenschirm, öde und langweilig. Allerdings… auch ein wenig beunruhigend. Aoko hatte keine Ahnung, wo sie sich befand, und mit jeder Minute wurde sie unruhiger. Vorsichtig richtete sie ihren Oberkörper auf, um so mehr Einsicht in den Raum erhalten zu können. Jemand hatte sie auf eine harte, schlecht bezogene Matratze gelegt, die ihr kärgliches Dasein auf dem Fußboden fristete. Die Wände waren kahl und aus Stein – keine Tapete, kein Bild, keine Poster zierten sie. Lediglich zwei kleine Fenster auf der ihr gegenüberliegenden Seite sorgten dafür, dass ein bisschen Tageslicht in den Raum hineinströmen konnte. Wahrscheinlich war sie vom Sonnenaufgang, von den Lichtstrahlen, die ihr Gesicht kitzelten, geweckt geworden. Je mehr Aoko sich umsah, desto mehr kam sie sich vor, als sei sie in einem schlechten Horrorfilm. Mit Erleichterung stellte sie fest, dass sie nach wie vor bekleidet war. Wer auch immer sie hier abgesetzt hatte, hatte sie mit einer kratzigen, himmelblauen Decke drapiert und in diesem wirklich mehr als dubiosen Raum zurückgelassen – aber körperlich schien ihr nichts passiert zu sein. Nur ein wenig schummrig fühlte sie sich. Ihr Erinnerungsvermögen ließ sie bei bestimmten, wie sie vermutete wichtigen Details des gestrigen Abends im Stich – wie war sie hergekommen? Wer hatte sie… Kaito KID? Was hatte er mit ihr angestellt? Wenn sie versuchte, sich an den gestrigen Abend zurückzuerinnern, schwammen ihre Gedanken durcheinander, sodass es sie nirgendwo hinführte. Hastig fuhr sie sich mit dem Zeigefinger der rechten Hand über ihre Lippen. Sie brannten fürchterlich, wenn sie an die Ereignisse der gestrigen Nacht dachte. Sie zog ihre Knie dicht an ihren Körper und vergrub ihren Kopf. Das durfte doch alles nicht wahr sein! Sie, als Polizistentochter, verschleppt in irgendeine dubiose Absteige. Ein ungeheuer ekelhaftes Gefühl von Schuld erfüllte Aoko – wäre sie nur Zuhause geblieben. Hätte sie nur nicht darauf bestanden, mit ins Polizeirevier zu gehen. Hätte sie nur nicht all diese lächerlichen Fallen aufgestellt. Sie hätte es wissen müssen. Sie war so dumm gewesen. Letztlich hatte sie nichts ausrichten können. Sie hatte Kaito KID nicht aufhalten können. Stattdessen war sie zum Entführungsopfer geworden. Nur Kummer und Sorgen konnte sie bereiten. Wie es ihrem Vater wohl gerade ging? Er war bestimmt außer sich vor Sorge. Wie ein unbändiger Berserker würde er gerade mit einer Polizeikolonne durch die Stadt jagen – auf der Suche nach KID und seiner Tochter. Fast hätte Aoko angefangen, bei dem Gedanken an ihren von Ängsten zerfressenen Vater große, unzähmbare Tränen in ihren Schoß zu weinen, doch sie schluckte sie angestrengt herunter und versuchte sich selbst neuen Mut zu machen. Ob Kaito wohl an sie dachte? Jetzt gerade? Oder zumindest generell? Immerhin hatte sie ihm in letzter Zeit eine so kalte Schulter gezeigt, dass es ein Wunder war, dass weder er noch sie bislang erfroren waren. Bestimmt hatte er die Schnauze bereits voll von ihr – hatte sich einem anderen Mädchen zugewandt. Einem, das sagen konnte, was sie dachte. Einem, das sich nicht wie ein totaler Vollidiot benahm. Je mehr Aoko an Kaito dachte, desto schwerer fiel es ihr, nicht in Tränen auszubrechen. Was gäbe sie darum, dass er jetzt hier, in diesen kargen, unliebsamen Raum gestürzt kam, um sie auf Händen hier rauszutragen und zu retten. Doch er war nicht ihr Ritter in strahlender Rüstung. Diese Chance hatte sie längst vertan – falls es sie überhaupt jemals gegeben hatte. Bei diesem Gedanken schüttelte Aoko energisch den Kopf, als wolle sie ihn einfach abschütteln – was zur Folge hatte, dass sich ihr Schwindelgefühl nur verstärkte und sich alles um sie herum drehte und schwankte. Inzwischen war sie sich mehr oder weniger sicher, dass sie sich in Kaito KIDs Geheimbasis befand. Oder zumindest in einer kleineren, von ihm genutzten Abstiege, in der er seinen gemeinen Plänen frönte und neue Wege fand, den Menschen zu schaden. Nur weil er ihr bislang nichts angetan hatte, hieß das nicht, dass er es nicht noch tun würde. Vermutlich würde er im Laufe des Tages herkommen. Bis dahin saß sie in der Falle. Ihr würde nichts anderes übrig bleiben, als hier zu sitzen und zu warten. Abzuwarten, bis der Mann, den sie mehr als alles andere hasste, zurückkehrte, und ihr was-weiß-ich-was antat. Es schüttelte sie beim Gedanken daran, dass KID irgendwann zurückkehren würde. Für einen Moment glaubte Aoko etwas außerhalb des Raumes gehört zu haben. Sie hatte keine Ahnung, wo sich dieses Zimmer befand – war es Teil eines größeren Komplexes? Oder nur ein einzelnes Zimmer? Irgendwo in einem schäbigen Teil Tokios, wo niemand hinsah und sich niemand frug, was wohl in diesen kellergleichen Räumlichkeiten vor sich ging? Ein Ort, an dem Blutspritzer an der Wand und gellende Schmerzensschreie niemals gehört werden würde? Vielleicht ein altes Lagerhaus? Eine Abstellkammer einer verlassenen Fabrik? In der von Aoko aus gesehenen rechten Ecke befand sich eine Tür, die auf den ersten Blick weder Türgriff noch Knauf hatte, sodass ein eigenständiges Entkommen zunächst unmöglich schien. Dennoch, so leicht wollte Aoko nicht aufgeben – sie wollte sich das wenigstens einmal näher ansehen… Doch erst als sie sich erheben wollte, merkte sie, wie wackelig sie auf den Beinen war. Augenblicklich gaben ihre Beine nach und sie fiel zurück auf ihre Matratze. Aoko biss sich frustriert und langsam Panik entwickelnd auf die Unterlippe und sah sich stattdessen in den anderen Ecken des Zimmers nach etwas wie einer Waffe um. Etwas, das sie gegen Kaito verwenden konnte. Kein Kerzenständer, keine Tischlampe, keine Blumenvase. Nichts Stumpfes, mit dem man einem arroganten Meisterdieb die Schädeldecke zertrümmern konnte. Kein Messer, keine Glasscherben. Nichts Scharfes, mit dem man dem Gentleman-Dieb das feiste Grinsen aus dem Gesicht schneiden konnte. Kein Schraubenzieher. Nichts, das man dem Möchtegern-Magier ins Herz rammen konnte. Nicht mal ein Wisch-Mopp war vorhanden. Warum auch? Warum sollte Kaito KID ihr die Werkzeuge zu ihrer Flucht quasi in die Hände legen? Da war es wieder. Eindeutig. Ein Geräusch jenseits der Wände. Diesmal verhallte es nicht so schnell. Es verschwand nicht. Stets frischte es wieder auf, kam näher. Aoko machte sich bereit. Sie war sich sicher, jeden Moment würde Kaito KID wieder auftauchen. Würde zurückkehren. Und wer wusste, was er mit ihr anstellen würde? Aoko hatte genug Geschichten von ihrem Vater gehört, was Menschen einander antun konnten. Und auch antaten. Langjährige Freunde. Ehepaare. Und vollkommene Fremde. Vielleicht wollte er ihr Körperteile abschneiden und sie ihrem Vater schicken, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen – falls er denn vorhatte, ihn zu erpressen. Vielleicht musste sie sich nur von einem Zeh oder einem Finger verabschieden. Vielleicht von einer ganzen Hand. Ihr Magen verkrampfte sich bei dem Gedanken. Was… wenn er noch Schlimmeres mit ihr vorhatte? Wenn es ihm nicht um Geld oder irgendwas ging, sondern nur darum, ihr weh zu tun? Sie zu foltern? Er konnte ihr die Fingernägel einzeln herausreißen. Ihre zarte Mädchenhaut aufschneiden und Salz hinein streuen. Ihr Gesicht entstellen. Oder… ihre Weiblichkeit. Er konnte sich an ihrer Weiblichkeit vergehen. Kaito KID nahm sich immerhin immer alles, was er wollte. Und gestern Nacht… gestern Nacht… da schien er außergewöhnlich fixiert auf Aoko und ihre Beziehungen gewesen zu sein… Aoko malte sich die schlimmsten Szenarien aus und versuchte sie wegzudenken, indem sie sich daran erinnerte, dass Kaito KID ein MeisterDIEB war, dem es um’s Geld ging… und nicht um sadistische Machtspielchen. Das Geräusch war nun so präsent, dass Aoko das Gefühl hatte, KID stünde direkt vor der Tür. Ihre Gedärme verkrampften, ihre Muskeln spannten sich bis zum Zerreißen an. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und sie spürte, wie sämtliche Farbe aus ihrem Gesicht wich. Ob sie bereit war oder nicht spielte jetzt keine Rolle. Sie musste es einfach sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)