Bleeding Hearts von RubyRose (Bis(s) dass der Tod uns nie mehr scheidet) ================================================================================ Kapitel 13: My heart will go on ------------------------------- Vanity Phebe Hutchcome stand auf der Bühne und sang in das Mikrofon. Sie hatte ihr blondiertes Haar aufgesteckt und trug ein leuchtend rotes trägerloses Kleid mit dazu passenden Seidenhandschuhen. Ihre vollen Lippen strahlten in einem ebensolchen Rot wie ihr Kleid. An diesem Abend sah sie einfach perfekt aus, und sie wollte eine perfekte Show bieten. Sie hatte Glück gehabt und das Engagement ihres Lebens bekommen. Sie durfte als Sängerin auf der Titanic mitfahren. Vielleicht würde das sogar ihren endgültigen Durchbruch bedeuten. Hinter ihr auf der Bühne stand die Band, die sie begleitete. Die Mitglieder waren alles Männer, und mit einem von ihnen war sie sogar verlobt. Vanity konnte es manchmal immer noch kaum glauben, dass sie so früh schon jmanden gefunden hatte, mit dem sie den Rest ihres noch jungen Lebens teilen wollte. Sie sang voller Inbrunst ein Lied nach dem anderen und tauchte völlig in ihre eigene Welt ein. In den Pausen zwischen den Liedern blickte sie immer wieder in das Publikum um zu sehen, was für Leute so gekommen waren um ihr heute zuzuhören. Es waren viele Paare dabei, die zu ihren Liedern tanzten, einige saßen an ihren Tischen und unterhielten sich mit irgendwem. Aber relativ nahe an der Bühne saß ein junger Mann, der vielleicht in ihrem Alter sein mochte. Er sah unverschämt gut aus, und wäre Vanity Phebe nicht schon verlobt gewesen, sie hätte sich sicherlich dazu hinreißen können... Nein, der Mann sah wirklich verdammt gut aus. Seine Gesichtszüge waren völlig ebenmäßig und so klassisch, als wäre er geradewegs von einer alten römischen Münze gesprungen. Er trug sein Haar streng zurück gekämmt und hatte einen gut sitzenden dunkelgrauen Anzug an. An seinem Tisch saßen noch weitere Personen, eine Frau, die sich laut lachend mit einem älteren Mann unterhielt, und ein weiterer junger Mann, den Vanity allerdings nur von hinten sehen konnte. Vielleicht war das seine Familie? Die ganze Zeit über während sie ihr Programm abspulte ließ Vanity diesen jungen Mann nicht mehr aus den Augen. Was ihre Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt hatte war die Tatsache, dass er sie ebenfalls die ganze Zeit beobachtete. Nicht eine Sekunde lang nahm er seinen Blick von ihr. Vanity konnte selbst aus der Entfernung erkennen, dass er wunderschön strahlende blaue Augen hatte. Nachdem sie alle Lieder gesungen hatte, die sie an diesem Abend vorhatte zu singen, verbeugte sie sich zusammen mit den Mitgliedern ihrer Band vor dem Publikum und verließ dann die Bühne. In der Garderobe zog sie sich ihre Schuhe aus. „Diese Schuhe bringen mich irgendwann noch um“, murmelte sie, während sie sich ihre Fußsohlen massierte. Sie war mehr als froh darüber, dass sie eine Umkleide ganz für sich alleine bekommen hatte, nach ihren Auftritten brauchte Vanity immer ihre Ruhe. Während sie noch mit ihren sehr stark schmerzenden Füßen beschäftigt war hörte sie wie hinter ihrem Rücken die Tür ihrer Umkleidekabine in das Schloss fiel. Abrupt richtete sie sich auf und drehte sich um, denn sie hatte gar nicht gehört, dass die Tür geöffnet worden war. Hinter ihr stand der junge Mann, den sie während ihres Auftrittes die ganze Zeit beobachtete hatte. Oder er hatte sie beobachtet. Nein, eigentlich hatten sie sich beide gegenseitig beobachtet. „Was wollen Sie hier“, fragte Vanity ihn erschrocken. Es war eine furchtbare Ungehörigkeit einfach so ungebeten in die Räume einer Dame einzutreten, vor allem wenn sie gerade im Begriff war sich zu entkleiden. Vanity musste einfach aus diesem Kleid heraus. So schön es auch war, sie sehnte sich nach etwas, das etwas bequemer war. „Ich habe Sie auf der Bühne gesehen“, begann der junge Mann und blickte sie unverwandt an. Sein stechender eisblauer Blick schien sie förmlich zu durchbohren, und es fröstelte Vanity ganz plötzlich. Aber auf der anderen Seite hatte dieser Kerl etwas an sich, dass sie unheimlich anzog. „Ich verfolge Ihre Karriere schon eine geraume Zeit, ich bin ein großer Fan von Ihnen.“ „So, sind sie das?“ Nun war Vanity voll bei der Sache. Ein Fan war das also... „Ja, das bin ich in der Tat. Ich finde, dass Sie eine wunderschöne Stimme haben, und ihre Ausstrahlung ist einfach...“ Er Schluckte. „Verzeihen Sie bitte, dass ich mich Ihnen nicht vorgestellt habe. Mein Name ist Everard Grimshaw.“ Vanity reichte ihm die Hand. „Sehr erfreut. Und ich bin Vanity....“ „Vanity Phebe Hutchcome“, beendete Everard ihren Satz. „Ich weiß wie Sie heißen.“ Vanity wurde ganz rot und blickte verlegen auf den Boden. Aber das konnte sie nicht lange, denn das Gesicht von Everard zog ihren Blick magisch an. Für einen Moment herrschte Schweigen in der kleinen Kabine, aber beide, Everard und Vanity spürten eine starke Anspannung, und plötzlich lagen sie sich in den Armen und küssten sich. Warum sie das plötzlich tat wusste sie gar nicht. Was trieb sie denn dazu einen ihr völlig fremden Mann zu küssen, wobei sie doch eigentlich sogar noch einen Verlobten hatte! Aber Vanity schob ihr schlechtes gewissen, dass unaufhörlich gegen die Tür, hinter der es verschlossen worden war, pochte, sehr erfolgreich zurück in das Unbewusste. Sie tat einfach, was ihre Eingebung ihr vorgab. Und auch Everard genoss diesen Moment sehr. Er hätte wirklich nicht gedacht, dass er seine große Liebe hier finden würde. Die Welt war so groß, und sie hätte wirklich überall sein können. Aber nein, er hatte sehr sehr großes Glück gehabt und sie ganz zufällig gefunden. Zumindest damals, als er durch die Straßen Londons gegangen war und in einer der vielen schäbigen Seitengassen ein Plakat von ihr gesehen hatte. Dieses Plakat hatte angekündigt, dass Vanity Phebe Hutchcome am 13. 8.1911 im Drunken Donkey auftreten würde. Es war wirklich nicht der beste Schuppen, in dem ein Künstler hätte auftreten können, aber Vanity war schließlich auch noch ganz am Anfang ihrer jungen Karriere gewesen. Everard hatte sein Glück kaum fassen können, als er dieses Platak entdeckt hatte. Wäre nicht ein Bild von der jungen Vanity Hutchcome darauf abgebildet gewesen, er wäre mit absoluter Sicherheit einfach daran vorbei spaziert und hätte sie niemals gefunden, zumindest nicht in diesem Leben, vermutete er. Aber er hatte dieses Plakat gesehen und war zu ihrem Auftritt gekommen. Und auch zu jedem anderen, von dem er hatte in Erfahrung bringen können, was es stattfinden würde.Er hatte sie stets beobachtet und war immer in ihrer Nähe gewesen, ohne jedoch sich ihr weiter anzunähern. Er hatte einfach viel zu viel Angst davor gehabt. Schließlich wusste er ja, wie es bisher sonst immer gelaufen war. Stets war irgend etwas schief gegangen, und das wollte er nicht noch einmal so leicht riskieren. Dass er später dazu übergehen würde seine Strategie zu ändern und sich zu beeilen, um nicht unnötig Zeit zu verschwenden, das wusste er noch nicht, aber er würde es schon bald beschließen. Aber jetzt standen die beiden einfach in Vanitys Umkleidekabine und küssten sich leidenschaftlich, bis sie Everard endlich von sich schob und ihn atemlos aus ihren großen smaragd grünen und dick mit Kajal umrandeten Augen anblickte. Erschrocken hielt sie sich ihre Finger an die Lippen. Sie konnte immer noch seinen Mund dort spüren und das leicht wunde Gefühl seines beginnenden Stoppelbartes auf ihrer porzellan zarten Haut. „Was machen wir da eigentlich“, hauchte sie atemlos. „Das geht nicht, ich kenne Sie ja überhaupt nicht!“ „Aber ich kenne dich, Vanity. Ich kenne dich schon so lange, ein ganzes Leben lang und noch viel mehr.“ Vanity machte einen Schritt zurück und stieß mit ihrem Hintern gegen die Ablage ihres kleinen Schminktischchens. „Verfolgen Sie mich etwa?“ Da hatte sie eigentlich nicht ganz Unrecht, dachte Everard. Aber er musste diese Sache hier ganz vorsichtig angehen, sonst würde sie vielleicht vor ihm flüchten, weil sie ihn zu aufdringlich fand. „Nein. Doch. Ach, ich weiß es nicht, es ist alles so kompliziert....“ Verzweifelt rieb er sich mit der Hand über die Stirn und brachte seine strenge Frisur, die vor Pomade nur so glänzte, ganz durcheinander. Er musste es riskieren, er musste es ganz einfach! „Vanity“, sagte er, „Ich liebe dich. Ich habe dich schon immer geliebt, und ich möchte dich nicht verlieren. Ich möchte, dass wir zusammen sind.“ Vanity war nun völlig verwirrt. In ihrem Inneren tobte ein heftiger Aufruhr. Immerhin hatte sie ja schließlich einen Verlobten! Aber dieser junge Mann hier, dieser Everard, übte eine so dermaßen starke Anziehungskraft auf sie aus, dass sie eigentlich gar nicht anders konnte. „Du kommst mir so bekannt vor“, sagte sie langsam und vorsichtig und bemerkte erst jetzt, dass es wirklich stimmte. Dabei wusste sie gar nicht wo dieser Satz eigentlich hergekommen war. „Aber wir können nicht zusammen sein, so gern ich das auch wollte, wirklich. Oh Everard, es tut mir so leid...“ Mit einem traurigen Blick legte sie eine Hand an Everards Wange und stellte fest, dass sie sich sehr kühl anfühlte. Es hätte sie eigentlich wundern müssen, vielleicht sogar erschrecken, aber das tat es nicht. Eigentlich hatte Vanity gedacht, dass sie mit ihrem Verlobten mehr als glücklich war, denn er war alles für sie, ihre ganze Welt. Und nun stand dieser Everard Grimshaw hier vor ihr und gestand ihr seine Liebe. Und tief in ihrem Inneren fühlte Vanity eine ebenso starke Liebe zu ihm erwachsen, wie sie sie für ihren Verlobten niemals gespürt hatte. Trotzdem konnte sie die Verlobung doch nicht so einfach lösen, es ging einfach nicht! „Everard, ich möchte wirklich gerne mit dir zusammen sein. Lass uns Zeit miteinander verbringen solange wir nur können. Denn ich weiß ganz genau, dass ich es mein Leben lang bereuen würde, wenn ich diese Gelegenheit verstreichen lassen würde und dich ziehen lassen würde, ohne dass ich es wahrgenommen hätte dich zu lieben.“ Everard schloss die blonde Vanity in seine starken Arme. Zärtlich strich er ihr über die Locken, die sich sanft um ihr Gesicht kringelten. „Aber ich will auf ewig mit dir zusammen sein“, sagte er leise an ihrem Ohr. „Everard“, sagte sie, „das geht wirklich nicht. Aber ich möchte die Zeit, die ich mit dir hier auf diesem Schiff habe, nutzen. Und wenn wir von Bord gehen, dann wird alles vorbei sein, denn ich werde mit meinem Verlobten nach Wyoming gehen, er hat dort einige verwandte. Und dann werden er und ich heiraten. Aber ich werde ein wenig Zeit mit dir haben, und die werde ich nutzen so gut es nur geht.“ Everard gab sich vorerst geschlagen, er hatte vor noch zu versuchen sie von sich zu überzeugen und sie ihrem Verlobten auszuspannen. Er konnte es nicht fassen, dass er zu spät gekommen war, dass Vanity schon in anderen Händen war. Dabei hatte er gedacht, dass ihre Liebe zueinander ewig war und sämtliche Grenzen überschritt. Er hatte sich nie ein anderes Mädchen gesucht, warum hatte sie das dann getan? Warum hatte sie einen Verlobten? Aber er war sich sicher, dass es mit den beiden nicht wirklich etwas Ernstes sein konnte, denn sie liebte nur ihn, Everard Grimshaw. Sie konnte niemand anderen lieben. „Dann werden wir es so machen“, sagte er, meinte es aber nicht ernst.   Die beiden, Everard und Vanity Phebe, verbrachten einige schöne Tage miteinander. Sie trafen sich immer an geheimen Orten, wo weder Vanitys Verlobter noch irgend jemand anderes aus ihrer Band sie finden konnten. Am besten ging es unten im Lagerraum des größten Passagierschiffes, das jemals die Meere befahren hat. Einmal hatten sie Pech und erwischten ein anderes Paar dabei, wie es sich in einem der dort unten geparkten Autos liebte. „Das wird Flecken auf den Autoscheiben geben“, bemerkte Vanity als sie sah, wie die Scheibe mit Handabdrücken beschmiert worden war.   Und dann kam jene schicksalhafte Nacht, in der das Schiff unterging. Vanity hatte in dem ganzen Chaos absolut keine Chance gehabt Everard zu finden, und auch Everard war die ganze Zeit über verzweifelt auf der suche nach seiner Liebsten gewesen. Erst sehr viel später, als das Schiff gesunken war und der kalte Nachthimmel über dem Meer stand, fand er sie. Sie war eine von vielen erfrorenen Toten, die auf der Wasseroberfläche trieben. Er war wieder einmal zu spät gekommen... Aber dieses Mal war Everard einfach zu erschöpft um groß zu trauern. Es war kalt, er schwamm mitten auf dem Meer. Er wusste ganz genau, dass seine Familie, seine Mutter, sein Vater und sein Bruder, noch in eines der wenigen Rettungsbote gekommen waren und somit überlebt haben mussten. Er selbst hatte sich geweigert dort mit einzusteigen, er wollte viel lieber nach Vanity Hutchcome suchen und sie retten. Aber er war zu spät gekommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)