Weihnachtsengel von Alaiya (Homura & Madoka Weihnachtsgeschichte) ================================================================================ Der Engel unter dem Tannenbaum ------------------------------ Glitzernd und glänzend wie ein Meer aus Sternen liegt die Stadt unter mir, während ich auf dem Dach von einem der vielen Hochhäuser stehe. Die Luft ist kalt und wäre es nicht für die Hitze, die die Stadt selbst ausstrahlt, so würde es wahrscheinlich bald schneien. Es ist bereits Dezember, Weihnachten, und ich kann kaum glauben, dass es bereits Monate her ist, seit wir uns gesehen haben. Die Zeit vergeht auch in dieser neuen Welt, die du für uns erschaffen hast, Madoka. Und es vergeht kein Tag, an dem ich mich nicht frage, was aus dir geworden ist. Bist du einsam? Kennst du nun als Göttin noch so etwas wie Einsamkeit? Zumindest ich kann sagen, dass ich mich einsam fühle, seit du nicht mehr da bist und sich niemand wirklich an dich erinnert. Manchmal wünsche ich mir, dass ich mich nicht mehr an dich erinnern könnte. Vielleicht würde ich mich dann nicht mehr so fühlen, als würde ein wichtiger Teil von mir fehlen, als gäbe es ein klaffendes Loch in meinem Herzen. „Was machst du noch hier draußen, Akemi-san?“, höre ich die Stimme von Kyoko hinter mir und drehe mich zu ihr um. „Ich halte Ausschau nach Dämonen“, erwidere ich leise. Mit vor der Brust verschränkten Armen kommt das rothaarige Mädchen auf mich zu. „Willst du nicht nach Hause? Es ist immerhin Weihnachten?“ Ich erwidere nichts, sehe mich stattdessen nur wieder zu der Stadt um, doch kann ich keinen Dämon entdecken. „Wollen wir vielleicht zusammen in ein Café gehen?“, fragt Kyoko nun freundlich, wodurch ich gezwungen bin, sie wieder anzusehen. Ein sanftes Lächeln liegt auf ihren Lippen und ich weiß, dass sie, auch wenn sie es wie ein widerwilliges Angebot klingen lässt, sich wohl genau dies wünschen würde. Mein Herz wird mir schwer. Ich weiß, dass auch sie einsam ist, doch ich kann mich nicht dazu bringen. „Nein...“, sage ich leise. „Du hast Recht. Ich gehe wohl besser nach Hause.“ Ich drehe mich zur Stadt um. „Es tut mir leid, Kyoko. Ich möchte nur... Ich möchte allein sein“, entschuldige ich mich leise bei ihr, ehe ich mich in die tiefe Fallen lasse. Die kühle Winterluft rauscht an meinem Gesicht vorbei, während der Boden immer näher kommt. Dann breite ich meine unsichtbaren Flügel auf, um meinen Sturz abzufangen, und lande sanft in der halb verlassenen Straße. Ich sehe mich um, versuche somit sicher zu gehen, dass mich niemand gesehen hat, ehe ich mich tatsächlich auf den Weg zur Wohnung mache, die ich mir eigentlich mit meiner Mutter teile. Auf meinem Weg lässt es sich nicht vermeiden, dass ich durch eine, der vielen Einkaufsstraßen unserer Metropole komme, wo jedes Schaufenster und jede Straßenlaterne weihnachtlich geschmückt ist. Ich habe noch nie Weihnachten gefeiert, davon abgesehen, dass mir im Krankenhaus meist Weihnachtskarten gebracht wurden. Doch letzten Endes war Weihnachten ein Fest für Verliebte oder etwas, das man vielleicht mit seinen Freunden feierte. Doch da ich ich nie wirklich verliebt gewesen bin und auch nie viele wirkliche Freunde hatte, war es wohl kein Fest für mich. Tatsächlich sehe ich auch heute fast nur Menschen, die mit ihren Freunden, ihrer Familie oder einem Geliebten durch die Straßen gehen. Für einen Moment frage ich mich, ob ich sie beneide. Doch wonach sollte ich mich sehnen? Ich genieße die Einsamkeit, oder etwa nicht? Letzten Endes war ich schon immer allein gewesen, denn beide meine Eltern haben schon als ich ein Kind war viel gearbeitet. Außerdem sind die meisten Jungen und Mädchen, die im selben Alter sind, wie ich, zu laut für meinen Geschmack. Zumal es all diese Dinge gibt, an die ich mich erinnere. All die Erinnerungen daran, wie ich versucht habe, dich zu retten. Und jetzt? Ich frage mich, ob ich dich wirklich gerettet hab. Hast nicht viel mehr du mich gerettet? Wovor? Ich kann es nicht beantworten... Und ich kann mit niemanden, außer Kyubey, darüber reden. Kyubey, der dich in jener Welt soweit getrieben hat und der auch in dieser Welt zu Emotionen nicht fähig ist. Nein, ich bin lieber einsam, denn ich ertrage die Gesellschaft anderer Jugendlicher genau so wenig, wie die Gesellschaft meiner fast immer arbeitenden Mutter. Ich genoss nichts so sehr wie die Stille. Selbst die anderen Mädchen, wie Kyoko und Mami würden das nicht verstehen. Unwillkürlich bleibe ich nun stehen, da ich einen großen Platz, ganz in der Nähe der Straße unserer Wohnung erreicht habe. Hier steht einer der vielen, durch die Stadt verteilten großen Weihnachtsbäume. Die große Tanne, die eigentlich aus mehreren kleineren zusammen gesteckt ist, ist über und über mit verschiedenfarbigen Lichtern und Kugeln geschmückt. Glitzernde Girlanden aus Lametta hängen an ihr, während sie über und über mit Kunstschnee bestäubt ist. Ich sehe an ihr hinauf, ohne sie wirklich zu sehen. Mein Herz klopft schmerzhaft in meiner Brust. Ich weiß nicht wieso oder wieso gerade jetzt, doch die Erkenntnis, dich für immer verloren zu haben, kommt über mich, wie eine Welle. Vielleicht ist es, weil mich die leuchtenden Lichter an den Seelenstein in meiner Tasche erinnern. Es war mein Wunsch gewesen, dich zu retten, deine Verzweiflung und deinen Tod zu verhindern. Das war der Wunsch, für den ich Kyubey meine Seele verkaufte und letzten Endes wurde er mir erfüllt, oder? So oft, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe, habe ich mich eins gefragt: Habe ich dich wirklich gerettet? Und jedes Mal, wenn ich diese Frage mir stelle, so schließt sich eine andere ihr an. Dann frage ich mich, was wirklich die Natur meines Wunsches gewesen war. Wollte ich dich um deiner Willen retten oder war der Wunsch einer viel egoistischeren Natur? War er der Tatsache entsprungen, dass du die erste wirkliche Freundin, die ich je gehabt habe, gewesen bist? War es vielleicht gewesen, weil ich diese Einsamkeit, die nun so allgegenwärtig ist, gefürchtet habe? Ich weiß, dass diese Fragen an der Energie in meinem Seelenstein zehren und ich sterbe, wenn ich ihnen nachgebe. Doch ist dies wirklich so schlimm? Würde mich jemand vermissen? Und dann drängt sich eine andere Frage in mein Bewusstsein: Wenn mein Seelenstein zerspringt, werde ich dich dann ein letztes Mal wiedersehen? Wirst du es sein, die mir mein Leben nimmt? In diese Gedanken versunken merke ich nicht einmal, wie ich schwach werde. Ich merke nicht, dass Tränen meine Augen füllen, während ich noch immer an dem Baum hinaufsehe. Heiß laufen sie über meine Wangen und lassen das Bild vor meinen Augen noch weiter verschwimmen. Da höre ich eine Stimme. „Homura-chan!“ Halluziniere ich schon? Oder ist es wirklich so weit? Sterbe ich? „Homura-chan!“ Es ist deine Stimme, die nun erneut erklingt und mich aufsehen lässt. Es blendet mich ein Licht, heller noch als die vielen kleinen Lampen an dem großen Weihnachtsbaum. Ich schaue unwillkürlich auf und sehe... Dich! Madoka. Du schwebst vor mir in der Luft, umgeben von einem hellen Licht. „Ma-do-ka...“, flüstere ich leise und bemerke nun die Tränen in meinen Augen. Schnell wische ich mir mit dem Handrücken über das Gesicht, als du jedoch sanft nach meiner Hand greift. „Weine nicht, Homura-chan“, klingt deine Stimme sanft in meinen Ohren. Ich sehe in deine glänzenden Augen, in dein Gesicht und bin für einen Moment sprachlos. Wellig fallen deine nun langen, rötlichen Haare über deine Schulter und das Kleid, das du trägst, scheint von einem reinen Weiß und schimmert doch, wenn ich es nicht genau ansehe, in allen möglichen Farben. Du siehst so vollkommen anders aus, als das Mädchen, das ich einst, vor so langer Zeit, an meinem wirklichen ersten Tag an der neuen Schule getroffen habe. Und doch besteht kein Zweifel daran, dass du es bist. „Madoka“, flüstere ich erneut mit heiserer Stimme und sehe dich an, „bist du endlich gekommen um mich zu holen?“ Doch du schüttelst nur den Kopf und lächelst mich sanft an. „Nein“, sagst du leise, „und ich hoffe, dass ich das niemals muss...“ Du nimmst meine Hand nun zwischen die deinen und ich werde von einer unbeschreiblichen Wärme durchflutet. Noch immer fließen Tränen über meine Wangen. „Warum bist du dann hier? Träume ich nur?“ Du antwortest mir nicht sofort, schenkst mir dann jedoch jenes strahlende Lächeln, das ich so oft auf dem Gesicht des einfachen Mädchens Madoka gesehen habe. „Ich wollte dir fröhliche Weihnachten wünschen, Homura-chan!“ Darauf kann ich nichts erwidern. Während ich sprachlos bin haftet mein Blick an dir, bis du zum Himmel aufschaust. „Ich muss wieder gehen, Homura-chan“, flüsterst du mir zu. „Doch versprich mir eins.“ Stumm nicke ich dir zu. „Versprich mir stark zu sein“, sagst du. „Gib dich nicht der Einsamkeit hin. Ein so lieber Mensch wie du, hat es nicht verdient allein zu sein.“ „Aber Madoka...“, beginne ich, aber du siehst mich nur ernst an. „Versprich es mir!“ Ich zögere. Doch dann nicke ich leicht. „Ich werde es versuchen...“ Du scheinst damit zufrieden zu sein und lächelst mich wieder ein, ehe du dich langsam von mir entfernst. „Gut.“ Meine Hand gleitet aus deiner und ich unterdrücke den Reflex noch einmal nach dir zu greifen, dich aufzuhalten. „Weine nicht mehr“, klingt deine Stimme in meinen Ohren, während du langsam eins mit dem Licht wirst. „Du hast meinetwegen schon genug Tränen vergossen...“ Diese letzten Worte sind nur noch ein leichtes Flüstern, die vom Wind davongeweht werden. Du bist verschwunden. Unverwandt sehe ich auf den Fleck, an dem du verschwunden bist. „Madoka...“, flüstere ich. „Madoka...“ Immer und immer wieder. Ein Schluchzen dringt aus meiner Kehle hervor und weitere Tränen rinnen über meine Wangen. Ich weiß nicht was ich fühlen soll. War all das nur eine Halluzination? Habe ich es mir nur eingebildet? Oder bist du wirklich zu mir gekommen, wie ein Engel in der Weihnachtsnacht? Deine Worte klingen in meinem Geist wieder. „Weine nicht mehr.“ Einige Male atme ich tief durch, um mich zu beruhigen. Ich weiß, dass mich einige der anderen Menschen hier verstohlen ansehen. Schließlich wische ich mir mit dem Handrücken über die Augen, um wieder klar zu sehen. Die Lichter funkeln und glitzern in dem Weihnachtsbaum, wie Feenlichter in einem Märchen. Noch immer frage ich mich, ob ich mir das gerade eingebildet habe, ob es nur mein eigenes Herz war, das zu mir gesprochen hat. Und doch weiß ich, dass es dein Wunsch wäre. Ich weiß, dass du mich nicht alleine sehen wolltest. Ich wende mich von dem feierlich geschmückten Baum ab und wende mich der Straße zu, aus der ich gekommen bin. Vielleicht finde ich Kyoko, wenn ich nun nach ihr suche. Kyoko, die wahrscheinlich genau so einsam ist wie ich... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)