Gut ist nur ein Wort von Die_Katzenhai (wenn Welten sich kreuzen) ================================================================================ Prolog: -------- Er ist nicht gut für dich. Er ist nicht gut für dich. Es ist nicht gut für dich. Es ist besser so. Es ist besser so. Es ist besser so. Besser. Besser. Besser. Worte hämmerten in ihrem Kopf. Aber das änderte nichts daran, dass es weh tat. Verdammt weh. Verdammte Schmerzen. Tränen liefen ihre Wangen hinab. Und der Regen an den Autoscheiben. Es war also aus. Nach drei Jahren Beziehung alles vorbei. Für immer. Sie schluchzte. Versuchte irgendwie, trotz dem Schleier aus Tränen, etwas sehen zu können. Der Regen erschwerte es sowieso schon, doch mit dem Weinen war es beinahe unmöglich. Dennoch wollte sie nicht anhalten. Sie wollte zu ihren Eltern. An den Ort, an dem sie sich immer wohlgefühlt hatte. Feline Schwarz, die sich erst vor wenigen Stunden von ihrem Freund (Ex-Freund, ermahnte sie sich selbst, er ist mein Ex-Freund) getrennt hatte, raste über die kurvigen Straßen ihrer Heimat. Natürlich wusste sie, wie gefährlich es war. Aber das verdrängte sie. Sie wollte einfach nur nach Hause. Und bis jetzt war ihr auch nie etwas passiert. Feline schluchzte. Trat weiter auf das Gas. Es ist besser so. Denk daran. Besser. „Verdammte Scheiße!“ Verzweifelt schrie sie auf. Das war es. Scheiße. Nichts weiter. Besser vielleicht, aber vor allem scheiße. Es tat weh, sie hatte Angst und fühlte sich alleine. Man konnte es sich gut reden, so lange man nicht ruhte, aber der Schmerz war da und würde immer dann kommen, wenn man nicht daran denken würde. Die nächste Kurve. Blendende Scheinwerfer. Bremsen. Mit keuchendem Atem hielt sie den Wagen an und sah dem anderen Auto nach. Nicht einmal langsamer geworden. Sie stieß einen Fluch aus. Egal, ob der anderer Fahrer es hörte oder nicht. Dann legte sie den Gang ein und fuhr los. Genervt schaltet sie und wurde wieder schneller. Die Landschaft um sie herum verschwamm. Nicht einmal die Straße blieb klar. Die Tränen verhinderten es. Sie vergaß die Trennung. Vergaß, dass sie Schmerzen hatte. Nur das Fahren zählte. Einfach nur nach Hause kommen, während ihre Gedanken hinter ihr im Regen zurück blieben. Nun waren sie verlassen. Noch eine Kurve. Dieses Mal keine Scheinwerfer. Dafür ein LKW. Die Lichter vergessen. Panisch verriss Feline das Lenkrad. Metall krachte. Wagen gegen Wagen. Sie kam von der Straße ab. Lärm. Keine Kontrolle. Und dann wusste sie nichts mehr. Bis sie aufwachte. Sie spürte die warmen Strahlen der Sonne auf ihrer Haut. Und kleine Wassertropfen, die ihr in unregelmäßigen Abständen auf den Körper fielen. Verwirrt öffnete sie ihre Augen. Über ihr das Blätterdach eines gewaltigen Baumes, dessen Blätter vor Regentropfen funkelten. Sie richtete sich auf. Warum war sie nicht tot? Wo war sie? Was passierte hier? Nur eines war ihr klar: sie war nicht mehr dort, wo sie hergekommen war. Wenige Meter entfernt wurde sie von einem gewissen Mann, dessen Haut in zwei unterschiedlichen Farben geteilt war, beobachtet. Grinsend zog er sich zurück. Es war also soweit. Die Erste war angekommen. Kapitel 1: Zwischensequenz -------------------------- Es war ein ungewöhnliches Bild, das sich jedem gezeigt hätte, der in diese Höhle geschaut hätte. Sieben Männer und eine Frau, die sich an den Wänden lehnten, skeptisch umblickten und gegenseitig anschwiegen. Nur ab und an hörte man das Tropfen von Wasser, das aus der Höhlendecke sickerte. Akatsuki war eine Organisation voller verrückter und grausamer Menschen. Doch änderte dies nicht an das Tatsache, dass sie in gewisser Weise Helden werden mussten, wenn ihnen ihr Leben und all ihre Ziele lieb waren. Dennoch fiel es ihnen schwer, als Gruppe zu arbeiten zu müssen und nicht, wie gewohnt, zu zweit. Als Mörder wussten sie am besten, dass man Mördern nicht vertrauen konnte. Fakt war, dass sie sich gegenseitig umbringen konnten, wenn sie wollten. Einige waren stärker, als andere. Waren ihnen durch ihre Fähigkeiten oder Intelligenz überlegen. Manche wussten es und manche nicht. Die anderen waren zu stolz um zuzugeben, dass sie jemanden unterlegen waren. Selbst wenn die Vergangenheit schon anderes gezeigt hatte. So spiegelte sich in den graublauen Augen Deidaras abgrundtiefer Hass, als er zu Itachi hinüber starrte. Doch brauchte er nicht mal die beinahe tödlichen Blicke, die Morddrohungen bei dem Aufeinandertreffen hatten schon gut genug gezeigt, was Deidara vorhatte: Itachi in tausend Stücke sprengen. Verständlicherweise war das nicht im Sinne des Anführer und Pain hatte den Streit schnell unterbrochen. Itachi interessierte sich nicht für die Arten auf die ihn Deidara umbringen wollte. Es gab nur einen Grund, warum er hier war und nicht einfach wartete, bis alles aufhörte zu existieren. Und auch Kisames, seit Jahren sein Partner, Motivation lag eher in Zielen. Höheren Dingen, als sein eigenes Leben. Nicht, dass er sterben wollte, aber es gab im Leben des Monsters aus Kirigakure mehr, als dieses. Doch zwischen all den hohen Zielen konnte er nicht verdrängen, dass ihn die Gefahr reizte. Sasori hingegen war die ganze Angelegenheit mehr oder weniger egal. Natürlich, die Aussicht, dass es sein könnte, dass alles schlichtweg aufhören würde zu existieren, sollten sie nichts dagegen unternehmen, war ganz Gewiss nicht im Sinne seiner Kunst. Aber dies war auch schon der einzige Grund, dass er überhaupt hier war. Hidan sah das ganz anders. Im Gegensatz zu vielen hier, hing er sehr an seinem unsterblichen Leben. Alleine die Vorstellung, dass Jashin einfach so verschwinden könnte. Sich im Nichts auflösen, war für ihn grausam. Hidans Teampartner glaubte nicht an Jashin (auch wenn er die Unsterblichkeit Hidans nicht abstreiten konnte). Dennoch wollte Kakuzu nicht sterben. Dafür nahm er es auch gerne in Kauf, mit noch nervigeren Personen als Hidan unterwegs zu sein ... und sich nicht umzubringen. Die einzige Frau unter ihnen, Konan, besah die anderen mit Skepsis. Es würde schwer werden, doch gab es keine andere Möglichkeit. Sie wollte nicht aufgeben. Nicht Yahikos Traum. Niemals. Sie sah zu Pain. Zu Nagato. Und unterdrücke ein Seufzen. Ein leises Grabgeräusch unterbrach die Stille. Zetsu trat an die Oberfläche. Sofort richteten sich die Köpfe der Mitglieder zu dem Mann. „Die Erste ist angekommen.“ Pain nickte. „Zieht eure Mäntel aus. Von nun an, bis das alles vorbei ist, sind wir nicht mehr Akatsuki.“ Mit starrer, toter, Miene, öffnete er die Knöpfe. Es tat weh, das wegzuschmeißen, was ihn und Konan noch an Yahiko und den Frieden band, doch wären alle Mühen umsonst, würden sie es nicht tun. Die Mäntel waren zu auffällig und zeugten von etwas, das nicht im Sinne Akatsukis geschah. Es gab keine Berechtigung sie zu tragen. Ein Blick zu Konan verriet, dass sie ähnlich fühlte. Nach all den Jahren wusste er, was sie fühlte, selbst wenn ihr Blick so leer war. Gerade dann. „Ihr werdet erst mit ihnen Kontakt aufnehmen, wenn sie bereit sind. Aber behaltet sie im Auge.“ Die Anderen nickten, nach dem sie Pains Worte vernommen hatten. „Sie müssen erst lernen zu kämpfen“, sagte Konan mit erstem Blick, „wenn sie Hilfe brauchen, müsst ihr ihnen helfen.“ Es war ein komisches Gefühl Mördern zu erklären, sie müssten auf andere aufpassen. Eigentlich waren dies Menschen, die sich nicht um anderes Leben kümmerten. Es sei den, es ging darum sie zu töten. Zetsu inzwischen war schon wieder dabei die Neuankömmlinge zu beobachten. Zugebenen es amüsierte sie beide, schwarz wie weiß, wie sich sie wunderten. Aber würde es sicher schwer werden, sie zu trainieren. Einige von ihnen waren fast noch Kinder und schienen total verloren in dieser Welt. Ihre Welt war anders. Nicht unbedingt friedlicher, wenn man sie als Ganzes sah, aber anders. Es gab andere Kriege und andere Probleme. Während hier schon Kinder kämpften, wurden einige dieser Menschen behütet, bis sie weit über zwanzig waren. Sie kannten nur den Wohlstand, große Städte, einen Schein vom Frieden und Geborgenheit. Sie konnten sich sicher sein, dass nicht alle von ihnen derart verhätschelt waren. Einem Großteil der anderen Welt ging es schlecht. Das war wohl ein Los, dass die Menschheit egal an welchem Ort oder zur welchen Zeit mit sich führte. Das Wohl weniger baute auf dem Leid von vielen auf. Etwas, was Akatsuki nur dann ändern konnte, wenn sie die Reise überstehen würden. Zetsu verschwand zwischen den Bäumen. Es war Zeit zu warten ... Kapitel 2: Der Mann und die Katze --------------------------------- Der Dschungel Argentiniens schlief niemals. Nicht einmal Nachts. Trotz der vielen Tiere, die für den Menschen gefährlich werden konnten, war es friedlich. Die Natur bestimmte den Lauf der Dinge. Man hörte nicht viel. Ab und an das Rauschen der Blätter im Wind, der Ruf eines Tieres, weit entfernt den Motor eines Autos, vielleicht. Und eben jene Stille. Dieser Frieden. Diese Natürlichkeit sollte für eine Stunde unterbrochen werden. Ein Mann sollte sterben, nur um wieder aufzuerstehen. Der Name dieses Mannes war Amaro Frederico Campillo Sanchéz. Von jenen, die ihm am nächsten (wenn das Wort „Nähe“ überhaupt mit ihm in Verbindungen zu bringen wäre) Viper genannt. Er war ein großer und kräftiger Mann, seine dunklen Haaren, borstig und zu einem Zopf zusammen gebunden, reichten ihm bis zu den Schultern und sein Körper von Narben übersät. Eine besonders auffällige zog sich über seine rechte Gesichtshälfte. Vom Ohr, bis zum Mundwinkel. Er sah gefährlich aus. Und, was jeder, der mit ihm je in Kontakt getreten, war bestätigten würde, war es auch. Amaro war nervös. Etwas stimmte nicht. War man, so wie er, jahrelang im Geschäft, entwickelte man ein Gespür für die Gefahr. Er kontrollierte die Taschen seiner olivgrünen Bermudashorts. Waffen. Hoffentlich genügend für den Ernstfall. Schritte. Hektisch und schnell. Leises Murmeln, gerade laut genug, dass er es hören konnte. Mit jahrelanger Routine umschlossen seine Hände die Griffe zweiter Pistolen. Die Finger auf den Abzügen. Er lief aus seiner Hütte. Mehr Platz. Wenige Herzschläge danach, hörte er Schreie. „Tötet ihn!“ Und dann Schüsse. Amaro schoss zurück und traf einen der Männer. Er brauchte einige Zeit, bis er wusste, wer sie waren. Doch als er es erfuhr, erreichte seine Wut neue Ausmaße. Verrat. Das war es. Er hatte damit rechnen müssen, es es auch getan. Und dennoch war es blanker Hohn, dass er feige von seinem Thron gestoßen wurde. Oder es zumindest versucht wurde. Mittlerweile hatten sich alle Angreifer um ihn versammelt. Es waren viele, doch nicht genug, um ihn einfach auszulöschen. Er traf mehr von ihnen, als er überhaupt von den Kugeln gestreift wurde. Mit grimmiger Freude sah er sie zu Boden fallen. Erschrockene Gesichter. Wut, Hass und Angst. Und Erstaunen, wenn eine Kugel das Gehirn zerfetzte. Es dauerte nicht lange, bis die Dorfbewohner von dem Krach geweckt wurden. Doch taten sie nichts weiter, als möglichst weit weg von dem Geschehen zu kommen. Keiner würde es wagen, sich in die Geschäfte der Großen einzumischen. Es war dumm und lebensmüde. Und so warteten sie ab. Eine Stunde lang. Bis die Sonne aufging. Amaro feuerte den letzten Schuss aus seiner Pistole ab. Jetzt war es vorbei. Es war keine Munition mehr übrig und dem Mann wurden zwei Dinge schmerzlich bewusst. Erstens: Er würde sterben. Zweitens: Es gab nichts mehr, für das es sich lohnen würde zu kämpfen. Zu Leben. Aber vielleicht war all das nicht Schlimm. Er hatte lange genug gelebt. Kugeln durchlöcherten seinen Körper. Zerrissen sein Herz, ließen Blut spritzen und das Gehirn zerspringen. Er sah die Sonne über den Dschungel Argentiniens aufgehen. Sie färbte die Welt rot. Wie sein Blut. Er schlug seine Augen auf. Spürte nasses Gras unter seinem Körper und warme Sonnenstrahlen auf seiner Haut. Über ihm der strahlend blauer Himmel. Irgendwo hörte er sogar Vögel zwitschern. Aber warum? War er nicht von Kugeln durchlöchert worden? Er müsste tot sein! Mehr als das. Doch er war es nicht. Oder? Er richtete sich auf und besah seinen Körper. Von seiner Kleidung waren beinahe nur noch Fetzen übrig. Das einst weiße Muskelshirt war blutrot. Es war eindeutig Blut. Er kannte das Gefühl auf der Haut, die Farbe, wenn es trocknete, sogar den Geruch. Die Haut jedoch war unversehrt. Es konnte nicht sein Blut sein. Aber warum trat es um die Löcher am stärksten hervor? Das ergab keinen Sinn! Vorsichtig stand er auf. Taumelte und hielt sich an einem naheliegenden Baum fest. Er war auf eine Waldlichtung, die es nicht in Argentinien gab. Er wusste nicht, wo es solche Pflanzen gab, aber garantiert nicht in seiner Heimat. Noch dazu war es hier viel kühler und weniger schwül. Es gab also nur zwei Möglichkeiten. Entweder, er war tot, oder jemand trieb einen gewaltigen Scherz mit ihm. Amaro wusste zwar nicht, was nach dem Tod kam, doch war er sich ziemlich sicher, dass man nicht mit blutgetränkten Kleidern auf einer Wiesen aufwachen würde. Also blieb nur die andere Möglichkeit. Wer und wie, das würde er noch herausfinden und die Person würde dafür büßen. Er hörte Schritte. Wütend griff er in seine Taschen, nur um festzustellen, dass sie leer waren. Gleichzeitig erinnerte er sich, dass es sowieso keinen Sinn hätte. Ohne Munition würde er keinen erschießen können. Er wirbelte herum. Vor ihm stand die seltsamste Frau, die er je gesehen hatte. Wenn sie überhaupt ein Mensch war. Sie schien noch recht jung, vielleicht Anfang zwanzig und war einen Kopf kleiner als er. Doch ließ sie das nicht weniger gefährlich aussehen. Ihre Haare standen wild von ihrem Kopf, besonders über ihren Ohren, ab und hatten drei Farben. Ein schmutziges Rot, schwarz und weiß. Ihre Haut war sehr hell, ein wenig gräulich. Ihre Augen waren die Augen einer Katze. Gelbgrün mit schlitzförmigen Pupillen blitzen sie unter ihrem weißen Pony hervor. Sie war barfuß und das wohl aus gutem Grund. Dort wo normale Menschen Fußnägel hatten, hatte sie Krallen. Als sie ihren Mund öffnete sah Amaro Fangzähne. „Entschuldigen Sie“, sagte die Frau, die einer Katze mehr ähnelte, als einen Menschen, „i-ist alles in Ordnung mit Ihnen?“ Sogar ihre Stimme klang ungewöhnlich. Könnten Katzen sprechen, würden sie klingen wie diese Frau. Da war sich Amaro sicher. „Sehe ich so aus, als ob irgendetwas in Ordnung wäre?“, herrschte er sie schließlich an. So abnormal sie aussah, solch eine Frage zu stellen, war einfach nur dämlich. „Nun – nein.“ Sie sah ein wenig zur Seite. Dennoch hatte er das Gefühl, ein Jaguar, bereit ihm an die Kehle zu springen, sobald er ihm die Möglichkeit dazu gab, stände vor ihm. Er ließ den Baum los und lief einige Schritte auf sie zu. Ruhig, aber bedrohlich. So wie er es gewohnt war. Die Frau wich tatsächlich zurück. Nicht aber ohne die Mundwinkel leicht zu verziehen um die Zähne zu zeigen. „Und jetzt sag mir, was für ein Spiel hier gespielt wird.“ Seine raue Stimme durchdrang die Idylle des Ortes. Die Gesichtszüge der Frau entglitten. Völlig verdattert starrte sie zu ihm hinüber. Das Raubtierhafte beinahe verloren. „Spiel?“ „Was denn sonst? Was soll das hier?“ Seine Stimme wurde lauter. „Ich weiß es doch auch nicht“, sagte sie und ging einige Schritte zurück, „ich bin hier vor einer halben Stunde einfach aufgewacht. Ich weiß nicht mal, wo wir sind.“ „Verarsch' mich nicht!“ „Das tu ich nicht.“ Sie zeigte erneut ihre Zähne. „Denken Sie, dass ich so normalerweise so aussehe?“ Sie zog an ihren Haaren. „Das ist keine Perücke! Und die“, sie deutete auf ihre Zähne, „sind ebenfalls echt und verdammt scharf. Und Fingernägel sind das auch nicht, sondern Krallen. Schauen Sie.“ Sie krempelte den Arm ihres schwarzen Rollkragenpullovers hoch und fuhr mit einer der Klauen über ihre Haut. Zu erst war nur ein weißer Streifen zu sehen. Dann fing es an zu bluten. Sie seufzte und wurde wieder ruhiger. „Wenn das ein Scherz ist, bin ich auch ein Opfer. Aber fragen Sie mich nicht, wie und wer auch immer das geschafft hat.“ Amaro war zugegeben überrascht von dem Ausbruch der jungen Frau. Was aber nicht hieß, dass er ich für dumm verkaufen ließ. Eine Hand, die rechte, ballte er zur Faust. „Wagen sie es nicht“, fauchte die Frau. Es war beinahe ein Knurren. Wie von einem in die Ecke gedrängten Jaguar. Verängstigt, ja – aber auch gefährlich. Anderseits gingen Angriffe dieser Raubtiere selten mit einem Todesfall aus. „Befehle mir nicht, was ich zu tun habe!“ Er war kein guter Mensch und hielt nichts von Moral. Somit auch nichts von dem Dogma, dass man keine Frauen schlug. Abgesehen davon, dass er sich immer noch nicht sicher war, ob sie mehr Mensch, oder mehr Raubtier war. Er holte aus. Schnell. Stark. Seine Faust traf ins Leere. Die Katzenfrau war mit einer unglaublichen Geschwindigkeit zurückgesprungen und kauerte nun wenige Meter auf dem Boden. Scheinbar bereit an zugreifen und die Zähne fletschend. „Das bringt nichts. Ich weiß nicht warum, aber ich bin schneller, als es ein untrainiert Mensch je sein könnte. Und dass ich nicht trainiert bin, das können Sie doch sehen, oder?“ „Und das soll was heißen?“ „Dass ich, wie schon oft gesagt habe, genauso wenig Ahnung habe, wie Sie. So leid es mir tut.“ Einige Zeit später saßen sie am Laufe des Baches, der mitten durch die Lichtung floss. Bereit, den Streit erstmals zu Seite zu legen. Zumindest, bis die Antworten gefunden hatten. „Wie heißen sie eigentlich?“, fragte die Frau. „Frederico.“ „Ich bin Feline.“ „Danach habe ich nicht gefragt.“ Sie seufzte. Da landete sie nach einem Autounfall auf einer Waldlichtung, irgendwo, wo sie noch nie zuvor war, doch sah es garantiert nicht aus, wie aus ihrer Heimat. Eigentlich konnte sie sich keinen Ort in Deutschland vorstellen, der so aussah. Doch war das eigentlich nicht mal das schlimmste. Nicht mal, dass sie auf auf Frederico getroffen war. Er war seltsam. Bedrohlich. Aber im Gegensatz zu ihrem Äußeren war all das eigentlich alles zu vernachlässigen. Sie hatte einen kleinen Spiegel in ihrer Tasche und war sehr erschrocken, als sie sich gesehen hatte. Eigentlich wollte sie nur gucken, ob sie irgendwelche Verletzungen davon getragen hatte. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie fand sich nicht hässlich (in gewisser Weise fand sie sich fast schon schöner, als zuvor), aber, dass sie geschockt war, konnte man sicher verstehen. Nur einen Grund dafür fand sie nicht. Bis auf … „Darf ich fragen, was mit Ihnen passiert ist?“ Sie sah den Mann vorsichtig an. Sie hasste sich dafür, dass sie die Angst vor ihm deutlich zeigte. Eigentlich hatte sie gelernt, es nicht zu tun und noch dazu war sie nicht das erste Mal bedroht worden. Das brachte ihr Studium mit sich. Aber wie sie zu verhalten hatte, wenn sie plötzlich an einem fremden Ort aufwachte und dort auf einen Kerl wie Frederico traf – das hatte sie nicht gelernt. Natürlich nicht. Das kam nicht sehr häufig vor. War vielleicht, oder ganz sicher, auch der erste Fall. „Nein“, sagte Frederico ruppig. „Wissen Sie, ich hatte einen Autounfall bevor ich hier aufgewacht bin. Also … naja … denken Sie, wir sind tot?“ „Nein.“ Feline seufzte, stand auf und fragte sich, warum sie überhaupt bei ihm blieb. Es war ja nicht so, dass sie selbst genug Probleme hatte. Mit der Änderung ihres Äußeren hatten sich auch ihre Sinne geändert. Verbessert. Um ein vielfaches. Während sie bis vor einer knappen Stunde keinen Meter weit ohne Brille schauen konnte, sah sie nun alles klar. Jede einzelne Bewegung der Blätter und Gräser. Kleine Tiere, die sie nur aus dem Augenwinkel sah. Sie roch Gerüche, die sie noch nie zuvor gerochen hatte. Intensiver. Kräftiger. Lebendiger. Würde sie Augen schließen könnte sie sich beinahe nur an ihnen orientieren. Und ihr Gehör! Sie hörte alles. Sogar die Mäuse auf der anderen Seite der Lichtung. Sie wusste, woher jedes Geräusch kam. Wie weit entfernt es war. Ohne es geübt haben zu müssen. Es war wunderschön und schrecklich zu gleich. Sie war überfordert. Es war zu viel auf einmal. Reizüberflutung – das Wort hatte sie schon oft gehört, aber nicht nachvollziehen können. Jetzt konnte sie es. Die Tatasche, dass sie wusste, dass es Menschen an den Rande des Wahnsinns treiben konnte machte es nicht einfacher. Sie hatte Angst. Vor dem Mann. Aber noch mehr vor sich selbst. Ihre Wut, als er sie angreifen wollte, das war nicht sie gewesen. Das Ausweichen, das hatte sie nicht kontrolliert. Es war ein Reflex gewesen. Erst nachdem sie es getan hatte, wurde es ihr bewusst. Doch noch schlimmer war die Tatsache, dass ihr die Wut Spaß gemacht hatte. Ihr Unterbewusst sein hatte ihr zugeflüstert. Gehofft, dass er Angreifer weiter angriff. Eine Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Mit erhobenen Kopf wartete ab. Weit entfernt, irgendwo im Wald. Ganz klar. Die Stimme einer Frau. Oder eines Mädchens. „Weißt du, wie wir hier her gekommen sind?“ Stille. „Oh.“ Feline sah zu Frederico. Scheinbar hatte er nichts gehört. Zumindest gab es keine Anzeichen dafür. „Wir sind nicht alleine“, sagte sie. „Im Wald ist noch jemand.“ Kapitel 3: Weißes Kleid und schwarze Haut ----------------------------------------- Der Himmel war grau. Und ihr Kleid weiß. Und die Zeit eine seltsame Sache. Liebte man sein Leben, schien es wie im Flug zu vergehen. Man lachte und lebte, bis man plötzlich alt war und sich glücklich verabschieden konnte. Doch war man einsam, schien jede Minute Stunden zu dauern. Man saß da und wartete auf das Ende. Sein Ende. Es war unausweichlich, dass es kam. Nur der Zeitpunkt war verschieden. Ihrer war gekommen. Schon längst war er überflüssig. Sie war nicht traurig, im Gegenteil. Sie war froh. Sobald sie sprang, auf den Asphalt aufschlug, war sie glücklich. Nie mehr alleine. Dann wäre sie bei ihm. Bei Gott. Ein Lächeln umspielte die Lippen Ruri Haginos, als sie näher an dem Rand des Daches trat. Der Wind spielte mit Ruris dunklen Haaren und dem Kleid. Das weiße Kleid. Das Kleid, in dem sie sterben würde. Die Farbe des Todes und der Trauer*. Und die Farbe der Unschuld. Rein und unbefleckt. Vielleicht wie ein Engel. Sie würde wirklich fliege. Für kurze Zeit, in den Tod hinein. Es zog ein Gewitter auf. Sie hasste Gewitter, hatte Angst vor ihnen. Immer wenn sie aufkamen, dachte sie, die Welt würde zerreißen. Es war, als würde sie bestraft werden. Oder jemand leiden. Es war furchtbar. Sie hasste sie. Sie hasste Gewitter. Aber nicht heute. Jetzt konnte sie nicht mehr bestraft werden. Sie würde ihre Schuld begleichen. Ihr Herz zurück geben. Ihr gesamtes Leben. Und nie mehr alleine sein. Nie mehr einsam sein. Nie mehr. Es tat ihr Leid um ihren Vater und dessen Frau. Sie mochte sie beide. Aber das änderte nichts an der Tatsache, dass sie ihre Zeit abgelaufen war. Sie würden auch sicher ohne sie glücklich sein können. Sie hatten sie. Die Zeit, die schnell verging. Irgendwann würden sie realisieren, dass Ruri schon lange tot war und sie lachen konnten. Sie würden in Frieden leben können und sie vielleicht sogar vergessen. Das wäre in Ordnung. Nicht schlimm, Ruri war es gewohnt. Ihr Tod war einen kleinen Schritt entfernt. Sie fasste sich an ihr Herz, spürte es durch den dünnen Stoff schlagen. Zum letzten Mal. Kraftvoll, vorfreudig, aber auch ein wenig ängstlich. Sie wusste nicht, was auf sie zu kam. Sie konnte im Nichts enden. Einfach aufhören zu existieren. Eine grausame Vorstellung. Doch ein Zurück gab es nicht. Die Selbstmörderin trat ins Leere. Und fiel. Wild flatterte ihr Kleid um ihren Körper. Ein Blitz zuckte über den Himmel. Der Donner übertönte die Schreie der Passanten. Ruri hörte den Gesang von Vögeln. Wurde von Sonnenstrahlen gewärmt. Fühlte sich wohl. War das der Tod? Das Ende? Sie öffnete vorsichtig ihre Augen. Das erste, was sie sah, waren Bäume, groß und stark. Die Sonne schien durch das Blätterdach und ließ die Wassertropfen auf dem Gras funkeln. Kam das nach dem Tod? Unsicher stand sie auf und blickte sich um. Niemand war zu sehen. Sie war alleine. Das konnte nicht sein. Durfte nicht sein. Sie zwang sich ruhig zu bleiben. Dafür gab es sicher eine logische Erklärung. Vielleicht war sie nicht gestorben. Sie könnte in einem Krankenhaus liegen. Im Koma. Das könnte es sein. Oder der Sprung war ein Traum. Aber wie kam sie hier her? Und was war dieses Hier überhaupt? Ruri erinnerte sich nicht daran, jemals ein solch einen Ort gewesen zu sein. Gut, sie kannte Wälder, aber dieser schien unberührt von jedem menschlichen Wesen zu sein. Es herrschte vollkommene Harmonie. Es war wunderschön. Aber einsam. Furchtbar einsam. Wütend schüttelte sie ihren Kopf. Nur weil hier kein Mensch war, hieß das noch lange nicht, dass niemand hier war. Gott war überall. Es könnte gut sein, dass das eine Prüfung war. Eine Herausforderung. Und überhaupt, sie brauchte keine anderen Menschen. Und sie brauchten sie auch nicht. Also musste sie nicht in Panik verfallen, dazu gab es keinen Grund. Sie stand auf und registrierte, dass ihr Kleid vom Blut verfärbt war, natürlich, und eigentlich dürfte von ihrem Körper kaum etwas übrig geblieben sein. Ruri lief los. Irgendeine Antwort würde sie schon finden, wenn sie nur suchte. Es war schwer, im Wald die Orientierung nicht zu verlieren, aber wenigstens war sie sicher, dass sie nicht im Kreis lief. Die Bäume wurden größer und standen dichter beieinander. Sie näherte sich also dem Zentrum des Waldes. Als sie einige Zeit lang, wie lange konnte sie beim besten Willen nicht sagen, gelaufen war, hörte sie das Plätschern eines Baches. Leise, aber deutlich. Sie beschloss, zu ihm zu gehen. Sie hatte Durst und Wasser war nie verkehrt. Der Bach war näher, als sie dachte, dafür kleiner. Aber es reichte, um aus ihm zu trinken. Das Wasser schmeckte köstlich. Gerade als sie sich aufrichten wollte um weiter zu gehen, sah Ruri jemanden. Er hatte dunkle Haut, die Ruri an schwarzen Kaffee erinnerte und lange, noch dunklere Rastazöpfe. Er schien zu schlafen. Jedenfalls bewegte er sich nicht. Dieser jemand war Kamil Ghana. Und noch vor wenigen Minuten war er an einem sehr viel weniger friedlichen Ort. Kenias Slums waren gefährlich. Das war keine Frage. Und Auseinandersetzungen wie diese standen an der Tagesordnung. Und dennoch konnte Kamil nicht verleugnen, dass er jedes Mal nervös war. Es war keine Angst, erst recht keine Panik, die hatte er schon vor langer Zeit abgeworfen, und vielleicht war nervös das falsche Wort. Er war nur nicht komplett ruhig. Er glaubte, dass dies möglich war, wenn Menschenleben gefährdet waren. Das waren sie jedes Mal. Manchmal war die Bedrohung deutlicher zu spüren und zu sehen. Und nicht nur, wenn Waffen im Spiel waren. Dann verriet die Spannung in der Luft, dass es gleich gefährlich wurde. Vielleicht auch, dass jemand sterben würde. Solch ein Moment war gekommen. Eigentlich ging es um nichts Großes. Eine Kleinigkeit sogar. Ein schlichter Streit um bereits vor Jahren geklärte Grenzen der Territorien. Es hätte innerhalb weniger Minuten geklärt werden können. Ihre Gang war der anderen deutlich überlegen. Sie waren erfahrener, größer, stärker. Aber die anderen waren aggressiver und nicht bereit, sich eine Niederlage einzugestehen. Kamils Augen suchten den Platz nach seinen Freunden ab, während er gleichzeitig versuchte, seinen Gegner ruhig zu stellen. Die wüsten Beschimpfungen, die ihm an den Kopf geworfen wurden, waren ihm egal. Eine körperliche Auseinandersetzung jedoch wollte er vermeiden. Es führte zu nichts. Er wusste, dass seine Gang Überhand hatte. Es musste nicht in einen sinnlosen Kampf enden. Doch schien es, dass er der Einzige war, der soweit dachte. Aus einer anderen Ecke hörte er Schreie, die über das Geschehen hallten. Nun war es also soweit. Die Spannung explodierte. Ein Messer wurde gezückt. Schreie. Und sie stürmten aufeinander los. Kamil fluchte, wehrte den Angriff seines Gegenübers ab und versuchte einen Überblick über die Situation zu erlangen. Mit einem Schlag ließ er den Anderen zurück taumeln, ein weiterer Stoß und er lag auf dem Boden und Kamil konnte sich abwenden. Dort, wo der Kampf seinen Anfang hatte, war Dajan. Sein bester Freund. Und das hieß, dass er in Mitten des Geschehens war. Mit erstaunlich schnellen Schritten wandte er sich durch die prügelnde Menge. Seine Rastazöpfe schlugen gegen seinen Körper. Er wich Fäusten und Tritten aus, während er versuchte, ihn zu finden. Es dauerte vielleicht eine Minute, da sah er das grellgrüne T-Shirt Dajans zwischen den Kämpfenden hindurch blitzen. Er hasste dieses grässliche Ding, aber heute war er dankbar, dass Dajan es trug. Erleichtert wandte er sich dem restlichen Kampfgeschehen zu. Dajan war weder dumm noch schwach, er kam alleine klar. In seiner Nähe bleiben wollte er. Nur für den Fall. Aber er kam nicht mehr dazu zu kämpfen. Aus dem Augenwinkel sah Kamil, wie jemand in Dajans Richtung schlich, immer schneller wurde. Er brauchte nicht lange, um zu realisieren, was passierte. „Dajan!“, schrie er und rannte los. Noch wenige Meter bis zu ihm. Er spürte einen pochenden Schmerz an seiner Schläfe, stolperte zur Seite und fiel in Dunkelheit. Und öffnete seine Augen. Über ihn beugte sich eine hübsche junge Frau, vielleicht neunzehn, oder Anfang zwanzig, also in seinem Alter, mit braunen Haaren, heller Haut und mandelförmigen Augen. Er blinzelte. Einmal. Zweimal. Sie war immer noch da. Wo auch immer da war. Nach dem Slum hörte es sich hier nicht an und das, was er von der Umgebung sah, ebenso wenig. Viel zu grün. „Wo bin ich?“ Das war die erste Frage, die er stellte. Sie zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung.“ „Aha.“ Ganz toll. Vorsichtig richtete er sich auf. Er erwartete Schmerzen, doch blieben sie aus. Warum fragte er lieber gar nicht. Wenn sie nicht wusste, wo sie waren, würde er das erst recht nicht wissen. Jetzt konnte er auch die Umgebung genauer ins Auge fassen. Sein Slum war es garantiert nicht. Es hätte ihn sogar gewundert, wenn er noch in Kenia war. Er sah zu der Frau. Ihr Kleid, ursprünglich war es wohl weiß gewesen, durchtränkt von Blut. „Das muss ein Traum sein“, murmelte er verwirrt. „Nein, das glaube ich nicht. Träume sind anders.“ „Und was soll es dann sein?“ „Keine Ahnung.“ „Aha.“ Schon wieder. Kamil seufzte, fuhr sich mit den Händen durch seine Zöpfe. Keine Schmerzen. Er ertastete seine Schläfe. Keine Veränderung. Aber er fühlte. Sie hatte also wirklich recht. Das war kein Traum. „Wie heißt du eigentlich?“, fragte er sie. Wenn er schon ein einem seltsamen Ort war, wollte er wenigstens den Namen der einzigen Person, die auch dort war, wissen. „Ruri Hagino. Du?“ „Kamil Ghana.“ Er machte eine Pause. „Ich nehme an, du kommst nicht aus Kenia, oder?“ Ruri sah ihn irritiert an. „Nein. Ich war noch nicht einmal dort. Ich komme aus Japan.“ „Und wie unterhalten wir uns dann? Ich spreche nicht japanisch.“ Jetzt war sie verwirrter und er wieder davon überzeugt, doch zu träumen. Fühlen hin oder her. Das konnte auch ein komischer Traum sein. Das war logischer, als irgendeine Realität, die ihm in den Sinn kam. „Keine Ahnung. Aber ich gehe davon aus, dass wir japanisch reden.“ „Blödsinn.“ Er sprach Swahili, Englisch, wenn auch nicht perfekt, und Sheng**, soweit man dies überhaupt als eigenständige Sprache ansehen konnte. „Nein. Ich weiß ganz genau, wie sich meine Sprache anhört.“ „Und ich wie mei- ... Moment mal.“ Es stimmte. Irgendetwas war anders. „Kann sein, dass du doch recht hast.“ Ganz sicher. Das war ein Traum. Das musste einfach einer sein. Ruri sagte nichts, sondern sah ihn einfach nur an, mit einem kleinen Funken Triumph in den braunen Mandelaugen. „Angenommen das hier ist wirklich kein Traum“, fing Kamil an, „wo sind wir und was ist passiert?“ Ruri seufzte. „Ich weiß es nicht. Erst dachte, ich wäre tot, aber das glaube ich nicht. Der Tod kann nicht so sein.“ „Wieso hast du das geglaubt?“ Ein ungutes Gefühl machte sich in seiner Brust breit. „Eigentlich hätte ich tot sein müssen. Ich – mir ist etwas passiert.“ Sie log nicht, aber sie verschwieg etwas. Kamil kannte sich mit Menschen aus und wusste ziemlich gut, wann jemand die Wahrheit sagte oder nicht. Aber das war es nicht, was ihn aufhorchen ließ. Das konnte nicht sein. Nur, weil sie tot sein musste, hieß das noch lange nicht, dass sie tot war. Oder gar er. Egal was er an den Kopf bekommen hatte, selbst wenn es ein riesiger Stein war, davon starb man schon nicht so schnell. Doch bei der Blutmenge, die an Ruri klebte, war es unwahrscheinlich, dass sie noch leben konnte, es sei denn, es stammte nicht von ihr. Und für ihn konnten auch andere Regeln gelten, als für die Frau. Hoffte er zumindest. Er durfte nicht tot sein. Er musste noch etwas gut machen. Ruri beobachtete Kamil aufmerksam. Irgendetwas schien ihn nachdenklich gestimmt zu haben. Aber was es war, konnte sie nicht sagen. Und wenn sie ehrlich war, und das war sie immer, war es ihr auch egal. Sie hatte selbst genügend Probleme, über die sie nachdenken musste. Sie war also hier aufgewacht, inmitten eines Waldes, war aber nicht alleine. Ein junger Mann aus Kenia war ebenfalls hier. Was mit ihm passiert war, wusste sie nicht. Aber er schien genauso verwirrt, wie sie es war. Und genau dieser sprach Japanisch, obwohl er es nicht konnte. Es war sicher kein Traum. Nicht nur, dass man in Träumen nichts spürte, wäre es wirklich einer, wäre sie schon längst aufgewacht. Sie war schon über einer halben Stunde hier, wenn nicht sogar noch länger. Solange träumte man nicht. Tot war sie auch nicht. Der Tod war anders. Garantiert. Ihr Blick schweifte über die Bäume. Vielleicht waren hier auch noch andere Personen. Es war zumindest nicht unwahrscheinlich. Und, wie sich noch heraus stellen sollte, behielt Ruri damit recht. Kapitel 4: Vom Ertrinken und Explodieren ---------------------------------------- Was das heißen sollte hatte er ihn gefragt. Keine Zeit. Er wisse doch, dass er etwas Besonderes vor hatte, hatte er gesagt. Aber Ciaran Callahan konnte es nicht ändern. Die Arbeit mit Menschen gehörte zu denen, die am unvorhersehbarsten waren. So war es keine Seltenheit, dass man für einen Arbeitskollegen eine Schicht übernahm. Blöder weise war eben diese Schicht eine Nachtschicht und stand damit den Plänen für das Wochenende Ciarans besten Freundes Craigs im Weg. Es war nicht so, dass es Ciaran gefiel, Freitagnacht auf der Arbeit zu verbringen. Er liebte seine Arbeit, natürlich, aber dennoch würde er ein Treffen mit Craig einer Nachtschicht vorziehen. Besonders dann, wenn diese ereignislos verliefen. Es passierte nichts. Rein gar nichts. Die Stunden krochen dahin und dann, noch bevor die Sonne aufging, klingelte sein Handy. „Craig?“ Einiges Gemurmel. „Craig? Was ist los?“ Endlich hörte er ihn. Aber erfreulich war es nicht. Er klang betrunken und war schwer zu verstehen. Nur, dass er schnell kommen sollte, verstand Ciaran. Dann war das Handy aus. Für wenige Sekunden starrte Ciaran auf das Handy. Er fluchte, drehte sich um und lief mit hastigen Schritten durch das Gebäude zu seinem Kollegen, der am Tisch vor dem Kaffeeautomat saß. Fast am Schlafen. Vor ihm ein leerer Becher. Was los sei? Ein Notfall. Irgendwie schon. Es war keine Lüge. Craig ging es nicht gut. Garantiert nicht. So betrunken hatte er ihn lange nicht mehr gehört, und das letzte Mal war es eine einzige Katastrophe gewesen. Ja, alles war ruhig. Ja, es tut ihm leid. Nein, mit der Familie war alles in Ordnung. Nein, mit Craig nicht. Minutenlang wartete Ciaran vor dem Pub, an dem sie sich treffen wollten, bevor Ciaran die Schicht übernehmen musste. Doch niemand kam. Nervös trommelte er auf das Lenkrad, fuhr sich durch die kurzen braunen Haare, die unordentlich auf seinem Kopf lagen und seufzte. Mit einer unwirschen Bewegung löste er schließlich den Sicherheitsgurt und stieg aus. Seine braunen Augen suchten die Umgebung ab. Nichts. Niemand zu sehen. Er seufzte erneut und lief los. Craig konnte sich ja dennoch in der Nähe befinden. Die Sonne fing an aufzugehen und ließ den Himmel am Horizont heller und heller werden. Aus diesem Grund sah Ciaran seinen besten Freund endlich. Zusammen mit einer Gruppe anderer Männer standen sie an einer Klippe über dem irischen Meer. Lachend stießen sie sich gegenseitig an. Was für Idioten! Das Wasser war eiskalt und betrunken zu schwimmen war nicht einmal einen Versuch wert. Kopfschüttelnd lief Ciaran zu ihnen. Und Craig sah ihn. Mit freudigem Gesicht hob er lachend die Flasche, die er in der Hand hielt, rief Ciaran zu. Dann wurde er gestoßen. Craig fiel. Ciaran schrie. Rannte los. Er musste ihm helfen und vergaß alles um sich herum. Kaltes Wasser umschlang seinen Körper. Die Kleidung, vor allem die gefütterte Weste, sog sich voll, zog ihn unter Wasser. Eine Welle zerschellte an den Klippen. Keuchend tauchte Ciaran auf. Rief Craigs Namen und wurde erneut unter Wasser gezogen. Als er erneut Luft an seinem Gesicht spürte, sah er ihn endlich. Craig schien sich gerade so über Wasser halten zu können, doch rief er noch nach Hilfe. Selbst Jahre später erinnerte sich Ciaran nicht mehr daran, wie er es geschafft hatte, zu Craig zu gelangen. Noch weniger, wie er ihn an Land gebracht hatte. Dort, wo die anderen, dem Rausch des Alkohols beinahe entkommen, Craig an Land zogen. Er war kein schwacher Mensch, garantiert nicht. Egal, wie schlank er war. Er war Sportler und schwamm oft genug. Aber Craig war größer und schwerer als er, das Wasser kalt und seine Kleidung viel zu schwer. Craig war an Land und Ciaran wollte ihm folgen. Er klammerte sich an den Felsen fest, zog sich hoch und wurde von einer Welle getroffen. In die Tiefe gezogen. Rasender Schmerz in seinem Bein. Über ihn die Rufe der anderen. Er klemmte fest. Die Luft entwich seinen Lungen. Die Sonne ging auf. Doch ihm war kalt. Sonnenschein, eine frische Brise. Aber war er nicht so eben ertrunken? Diese nasse Kleidung sprach dafür. Zitternd vor Kälte setzte er sich auf. Wo zur Hölle war er? Er schien am Rande eines Waldes zu sein, doch solche Bäume gab es nicht in Irland. Vielleicht nicht mal in Europa. Ciaran war oft wandern gewesen und kannte solch eine Flora nur aus dem Fernsehen. Aber das würde bedeuten, dass er von der Insel gekommen war. Und das war unmöglich. Schwachsinnig. Vollkommen idiotisch. Oder? Plötzlich kam ihn ein grausamer Gedanke. Er war tot. Und das hier war der Himmel, oder zumindest etwas, das ihm ähnelte. Eine Nachwelt, das Reicht der Toten, die Unterwelt, irgendetwas. Aber warum war ihm dann kalt? Warum trug er die Kleidung, in der er ertrunken war? Im Laufe seiner Arbeit war er vielen Religionen und damit Jenseitsvorstellungen begegnet. Frierend in irgendeinem Wald aufzuwachsen gehörte definitiv nicht das. War er also doch am lebend? Vielleicht. Aber wenn er es tat, wo wer er dann? Er öffnete die einst graue, nun vom Wasser beinahe schwarze, Weste und ließ sie auf den Boden fallen. Mit einem Platschen landete sie, hinterließ Wasserspritzer in ihrem Umfeld. Das weiße T-Shirt folgte. Lieber hatte er nichts an, als die kalten, am Körper klebenden Kleider. Als er sich zu den Schuhen runter beugen wollte, merkte er, dass er sie gar nicht mehr trug. Verloren gegangen in den eiskalten Fluten Irlands. Das rechte Hosenbein zwar zerfetzt, an der Stelle, an der er festgesteckt hatte. Ciaran wurde schlecht, verdrängte jedoch die Gedanken an seinen Tod. Seine Gedanken rasten, versuchten irgendeine Lösung zu finden, doch war es vergebens. Seufzend stand er auf, klaubte seine Kleidung vom Boden und lief los. Am Waldrand entlang. Vielleicht war er nicht alleine. Der Wald war schön, keine Frage. Und idyllisch, das war erst recht keine Frage. Er war es tatsächlich nicht. Nur noch wenigen Minuten Fußmarsch sah er vom weiten eine Mähne blonden Haares. Eine Frau, deren Haare, besonders am Hinterkopf, widerspenstig abstanden, saß auf einen großen flachen Stein. Ihr Blick schweifte umher und blieb schließlich an Ciaran hängen. Sie stand auf und winkte ihm zu. Als er näher kam, sah er ihr herzförmiges Gesicht und ein Piercing in der rechten Augenbraue. Ein Teil ihrer Haare war rot. Vermutlich gefärbt. Mit ihrer Schutzbrille und dem weißen Kittel wirkte sie furchtbar deplatziert in der Natur. „Hallo“, sagte sie. „Hallo“, antwortete Ciaran, „ich nehme an, dass du auch keine Ahnung hast, wo wir sind, oder?“ „Nein“, sagte schüchtern. Sie sah sie wieder in der Umgebung um. „Ether verursacht doch keine Halluzinationen, oder?“ Ciaran blinzelte sie an. „Bitte was?“ Diese Frau war Ava Haddington, Mitte zwanzig, im Leben stehend und, das konnte jeder halbwegs empathischer Mensch nachvollziehen, komplett verwirrt. Und dieser Zustand war eine ganz natürliche Reaktion auf ihren Unfall. Schließlich war eine Explosion einer Chemikalie nicht alltäglich. Selbst, wenn man in einem Labor arbeitete und von einer Plexiglasscheibe geschützt war. Falls man die paar Millimeter als Schutz bezeichnen konnte. Es war ein schöner Tag gewesen. Ein normaler Tag. Vielleicht ein wenig zu warm, für einen gewöhnlichen Herbsttag, gerade für England, aber normal. Gewöhnlich. Wie jeder anderer Tag. Das dachte sie zumindest noch, als sie am Morgen aus ihrer Wohnung trat. Ein Lächeln auf den Lippen und mit den Gedanken schon bei der Arbeit, die sie liebte. Auch dort begann alles normal. Kollegen begrüßt, besonders Aidan, der mehr als nur das war. Ein guter Freund mit gewissen Extras, wie man es so schön sagte. Ein wenig unterhalten. Smalltalk über das letzte Fußballspiel, das neue Computerspiel, das erst gestern heraus gekommen war und sich schon in ihrem Besitz befand und das Wetter. Natürlich. Der Klassiker. Noch ein wenig über die Arbeit. Was zu tun war, auf was sie keine Lust hatten und auf was schon. Wenige Zeit später stand sie in ihrem Labor, arbeitete an einer Synthese für ein Medikament und unterhielt sich mit ihrem neuen Kollegen, dessen Namen sie peinlicherweise immer wieder vergaß. Irgendetwas mit B, vielleicht. Ben? Bobby? Irgendetwas in der Art zumindest. Er war nett und schien Ahnung von dem zu haben, was er tat. Also achtete sie nicht genau darauf, was er tat. Dachte, es würde schon nichts passieren. Darauf zu vertrauen war ein Irrtum. Wie sie war auch ihr Kollege am arbeiten. Gewissenhaft, so dachte Ava. Sie hörte, wie er etwas umfüllte. Ein kurzer Blick über ihre Schulter, organisches Lösungsmittel, etwa zwei Liter in einen Kanister, und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Sie hörte ein wenig Geklapper und ihn dann etwas sagen. Er müsse noch kurz wohin, noch etwas besprechen. Und weg war er. Ava zuckte mit den Schultern. Sie hatte auch nichts dagegen, alleine zuarbeiten. Ihre Synthese immer in Auge behaltend, schrieb sie einige Kleinigkeiten in ihr Notizbuch. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Sie liebte ihre Arbeit. Sie summte leise vor sich hin. Kein Lied, das an unbedingt von einer Frau erwarten würde, eher von einem typischen Mann, aber ein Lied, das ihr gefiel. Vielleicht sollte sie sich endlich mal die CD von dieser Band besorgen, dann könnte sie sie auch beim Autofahren oder hier hören. Ava schnüffelte. Irgendetwas stimmte nicht. Sie hörte auf zu summen und lief einige Schritte in den Raum hinein. Ether? Ganz eindeutig. Den Geruch erkannte man, wenn man in einem Labor arbeitet irgendwann im Schlaf. Mit einem unguten Gefühl trat sie zu dem Abzug. Neben einer ihrer Synthesen stand dort noch der Kanister mit dem Lösungsmittel. Bei dieser Hitze … „Oh Scheiße“, murmelte sie. Dann gab es einen Knall. Der Kanister explodierte, zersplitterte das Plexiglas und Ava wurde getroffen. Giftige Dämpfe. Blut, das an ihrem Kopf herunter lief. Der Boden. Dann wurde es um sie herum schwarz. „Und so kam ich hier her“, schloss sie ihre Erzählung ab. Sie saßen nun gemeinsam auf den Stein und wussten nun zumindest, was mit den anderen passiert war und wie er hieß. „Oh“, sagte Ciaran, „ich hab das Blut erst für Farbe gehalten.“ „Ich wünschte, es wäre so.“ Dann wären sie nicht … naja, wo auch immer sie gerade waren. Es war schon eine komische Halluzination, aber was sollte sie machen? Ändern konnte sie gerade nichts, nur hoffen, dass sie so schnell wie möglich vom Boden aufgesammelt und in ein Krankenhaus gebracht wurde. Immerhin schien sie eine Platzwunde am Kopf zu haben. Eine Gehirnerschütterung war auch möglich. Nachdenklich sah sie zu Ciaran. Für eine Einbildung, sah er erstaunlich detailliert aus. Sportlich, aber nicht sonderlich breit oder muskulös gebaut. Hohe und markante Wangenknochen. Braune Haare, die am Skalp ein Stück länger waren. Blasse Haut. Typisch für einen Iren. „Und du bist dir sicher, dass das alles nur eine Halluzination ist? Ich fühle mich ziemlich lebendig und real.“ „Was soll es sonst sein?“ Ciaran zuckte mit den Schultern. „Der Himmel?“ „Du denkst, wir sind tot?“ „Eigentlich nicht.“ „Aha.“ Darauf fiel ihr auch nichts mehr ein. Allerdings hatte Ciaran damit recht, dass es wirklich keine Halluzination sein könnte. Zugegebenermaßen hatte sie noch nie von solch einer Art gehört. Sie fragte sich, ob das überhaupt biologisch möglich war. Vor allem, wenn nur ein paar giftige Dämpfe dazu beitrugen. „Wollen wir ein wenig die Gegend erkunden? Wenn wir hier sind, können noch mehr hier sein und die könnten mehr wissen als wir.“ Ava zuckte mit den Schultern. „Können wir machen.“ Sie stand auf und blickte sich um. „Wo lang?“ Nun war es Ciaran, der mit den Schultern zuckte. „Keine Ahnung. Vielleicht ein wenig am Rand entlang? Oder in ihn hinein?“ „Waldrand“, sagte Ava bestimmt. Sie wusste nicht, was in diesem Wald war und wollte nichts riskieren. Nur für den Fall, dass es doch keine Halluzination war. Bald merkten sie, dass das Gelände anstieg. Sanft, aber bestimmt, tat sich ein Hügel vor ihnen auf. Ava schnaufte. So langsam wurde ihr heiß. „Willst du eine Pause machen?“, fragte Ciaran. „Nicht unbedingt, aber ich würde gerne was trinken.“ „Ich habe leider nichts dabei.“ „Dachte ich mir.“ Sie schwiegen. „Sag mal, hörst du das?“, fragte Ciaran plötzlich. Was meinte er? Es war doch nichts zu hören. Oder doch? Konzentriert lauschte sie. „Ein Bach?“ „Genau. Im Wald, denke ich. Da könntest du was trinken.“ „Das wäre klasse.“ Der Wald war nicht sonderlich schwer zu durchqueren. Er war hier licht und der Boden nicht sonderlich matschig. Ab und an fiel ihr ein Wassertropfen auf dem Kopf, vermutlich hatte es vor kurzem noch geregnet. Beim ersten Mal war Ava zusammengezuckt. Das alles machte sie nervös. Zu dem Plätschern des Baches gesellten sich Stimmen. Eine weibliche und eine männliche. Ciaran und Ava sahen sich an. Dann grinsten sie. „Wir sind tatsächlich nicht alleine“, jubelte Ava. „Zum Glück. Los, beeilen wir uns, bevor sie noch weggehen.“ Das taten sie auch. Kapitel 5: Der Fotograf und das Model ------------------------------------- Die Wälder seiner Heimat waren Teil einer furchtbaren Geschichte, und doch liebte er sie. Ciel-Jupiter Chastal, ein junger Mann mit braunen Haaren und tiefblauen Augen, lief mit leichten Schritten zwischen den Bäumen hindurch. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen, als er vom weiten ein Reh sah. Mit einer vorsichtigen Bewegung griff er nach dem Fotoapparat, den er um den Hals trug. Leise, so lautlos, wie es ihm möglich war, ging er in die Knie, doch noch bevor er den Auslöser drücken konnte, horchte das Reh auf und verschwand mit einer unglaublichen Geschwindigkeit zwischen den Bäumen. Hast du die Bestie gehört?, dachte er schmunzelnd und stand auf. Dann nicht. Er würde noch genügend andere Motive finden. Und vielleicht würde er sie sehen. Die Bestie. Das Monster. Die Legende seiner Heimat. Ciel-Jupiter machte sich nicht viel aus solchen Geschichten, doch diese faszinierte ihn schon seit er ein Kind war. Damals, bevor er in einer der Vorstädte Paris gehen musste, hatte er Angst vor ihr. Glaubte daran, dass sie kam, wenn er unartig war und ihn mit Haut und Haar verschlingen würde. Wie der Wolf das Rotkäppchen. Nur blutiger. Ein Schauer lief über seine Rücken und das Gefühl beobachtet zu werden ließ ihn herumwirbeln. Er erwartete, dass sie hinter ihm stehen würde. Bereit ihn zu töten. Egal, ob er ein Mann war, oder nicht. Die Zeiten änderten sich. Nichts. Fast hätte er gelacht. Das war dämlich! Er war 24, da sollte man keine Angst mehr vor jahrhundertealten Legenden haben. Vor gar keiner Legende. Hier war ein Ort, an dem er sich wohl fühlte. Und wohlfühlen und Angst haben waren zwei Dinge, die man nicht zusammenbringen konnte. Er lief weiter und wusste nicht, wohin er lief. Er kam wieder raus, das kam er immer. Noch nie er hatte er sich verlaufen und heute sollte nicht der Tag sein, an dem es ihm zum ersten Mal passierte. Dennoch sollte es lange dauern, bis er seine kleine Wohnung wiedersehen würde. Aber davon wusste er noch nichts. Die Sonne ging unter und tauchte den Herbstwald in ein tiefes Rot. Ein Windstoß ließ die Blätter hochwirbeln und zu den Baumkronen empor steigen, nur um sie wieder zu Boden schweben zulassen. Er lächelte. Aus diesem Grund liebte er es hier. Die Natur war wunderbar. Mystisch. Und dann sah er ihn. Einen gewaltigen Baum. Eine Eiche, die ihm uralt erschien. Das Lächeln wurde zu einem Grinsen und bevor er über mögliche Gefahren nachdenken konnte, kletterte er, einem kleinen Jungen gleich, auf dem Baum. Ciel-Jupiter erreichte die Krone, lächelte in den Sonnenuntergang. Das war er hier sah, war wunderschön. Ein perfektes Bild. Er griff nach seiner Kamera, doch sollten seine Hände sie nie erreichen. Es knackte. Dann fiel er. Und hätte er schreien können, hätte er geschrien. Aber er konnte es nicht. Für einen Moment dachte Ciel-Jupiter, er wäre bewusstlos gewesen und am nächsten Morgen aufgewacht. Er registrierte, dass er nicht mehr in Frankreich sein konnte. Die Eiche war verschwunden, stattdessen lag er unter einem Baum, den er nicht kannte. Einen, den er nie zuvor gesehen hatte. Einen Moment später wollte er nach der Kamera greifen, fand aber nur Leere. Sie war verschwunden. Verwirrt stand er auf. Wo zum Teufel war er? Er kräuselte seine Stirn, blickte sich um und seufzte lautlos. Kein Zweifel – er war wo anders. Wo auch immer, aber nicht mehr zuhause. Ein kleiner Anflug von Panik kam in ihm auf. Es war nicht alltäglich, an einem anderen Ort aufzuwachen. Besonders dann nicht, wenn man nicht betrunken war und Ciel-Jupiter war sich sicher, dass er nichts getrunken hatte, bevor er herunter gefallen war. Apropos – war Herunterfallen aus großen Höhen ,und die Eiche war riesig gewesen, nicht eigentlich mit Schmerzen, wenn nicht sogar dem Tod verbunden? Natürlich war es das, und gerade er sollte das wissen, aber er war eindeutig nicht verletzt oder tot. Wenn er so recht darüber nachdachte, fühlte er sich sogar ausgesprochen wohl. Hieß das also …? Nein. Ausgeschlossen. Tot war er nicht. Er stritt die Existenz von höheren Mächten nicht ab, obgleich er nicht an sie glaubte, doch war er sich sicher, dass es kein Leben nach dem Tod gab. Zumindest keines der Klassiker. Weder einen Himmel, noch Walhall* oder das Weiterleben als Geist. Erst recht nicht in einem seltsamen Wald, der sich von den heimatlichen unterschied. Ein Leben nach dem Tod, sofern es überhaupt existierte, begann sicher nicht auf diese Art. Abgesehen davon war der menschliche Körper erstaunlich widerstandsfähig. Nur weil man ein paar Meter tief auf weichen Waldboden gefallen war, starb man nicht gleich. Man brach sich den einen oder anderen Knochen, blutete oder zog sich eine Gehirnerschütterung zu, aber man überlebte. Das war zumindest das, was er sich versuchte einzureden. Natürlich war das Überleben des Sturzes im Bereich des Möglichen. Das war nicht das Problem. Aber er konnte bewusstlos sein, an seinem eigenen Erbrochenen ersticken oder in der Kälte des Herbstes erfrieren und selbst wenn er nicht ohnmächtig wäre, so konnte es dennoch sein, dass er sich nicht fortbewegen konnte und somit seinen Tod in vollen Zügen genießen konnte. Hilfe rufen? Mitten im Wald? Ohne Handyempfang? Unmöglich. Fantastisches Ende. Unwillkürlich musste er lachen. Lautlos. Er entschloss sich, los zu gehen. Irgendwen zu suchen. Oder Irgendetwas. Hier einfach stehen zu bleiben brachte ihn nicht weiter und wenn er laufen würde, würde er zumindest Meter hinter sich bringen. Der Wald war schön, hatte beinahe etwas magisches, und Ciel-Jupiter bereute es, die Kamera verloren zu haben. Wenn er schon an einem ungewohnten Ort war, konnte er auch gleich fotografieren. Die Stille. Die Harmonie. Es war perfekt. Aber was nicht möglich war, war nicht möglich. Und er hatte keine Zeit mehr, darüber nachzudenken … Als er zwischen einigen eng aneinander stehenden Bäumen hindurch trat, sah er ein Mädchen. Zumindest glaubte er, dass es ein Mädchen war. Es fiel ihm schwer, ihr eigentliches Alter einzuschätzen. Ihr Körper war weiblich, recht große Brüste, eine schmale Taille und ein breites Becken. Ihr Gesicht jedoch wirkte kindlich. Nicht älter als sechzehn, oder höchstens siebzehn. Ihre blonden Haare breiteten sich unter ihrem Kopf aus und endeten in roten Strähnen. Sie schlief. Vorsichtig näherte sich Ciel-Jupiter ihr, ging vor ihr in die Knie und rüttelte leicht an ihrer Schulter. Jetzt vom Nahen wurde er sich immer sicherer, dass sie noch im Alter eines Teenagers war. Trotz des Piercings in ihrer Nase war es das Gesicht eines Kindes. Sie schlug ihre Augen auf. Sie waren dunkelblau. „W-wo bin ich?“, fragte sie verwirrt. Ihre Stimme glich ihrem Äußeren. Kindlich, aber reif. Ciel-Jupiter zuckte mit den Schultern. „Aha.“ Sie richtete sich auf, blickte sich um und sah zu ihm. „Du warst nicht mit beim Shooting oder? Ich hab dich nicht gesehen.“ Shooting? Von was redete sie? Gut, er hatte fotografiert, aber das konnte sie unmöglich wissen. Sie war garantiert nicht im Wald gewesen. High-Heels waren keine Schuhe, die man trug, wenn man in die Natur ging. Es mag Zufall sein, dass ausgerechnet ein Fotograf auf Sunny, so ihr Name, stieß, doch machte es die Situation nicht einfacher. Sunny liebte ihren Job. Posen, lächeln, fotografiert und bewundert werden. Was sie aber hasste, war das Warten. Doch damit, dass ihr dieses verhasste Warten zum Verhängnis wurde, hätte sie nie gerechnet. Make-Up wurde aufgetragen, die Haare frisiert und alles an ihr zu Recht gerückt. Mit einem strahlenden Lächeln unterhielt sie sich Sunny mit dem Team. Besonders die Visagistin, Anfang zwanzig, mollig, aber eine natürliche Schönheit mit den Namen Madison, war nett und machte ihre Arbeit hervorragend gut. Als sich Sunny im Spiegel bewundern konnte, war sie ehrlich überrascht. Die Klamotten, die Collegejacke, die Jeans und die High-Heels waren cool und genau ihr Style. „Wunderbar“, sagte sie lächelnd. Madison bedankte sich. Das war schließlich ihr Job und den machte sie gerne. Trotzdem hatte sie es gut gemacht, davon ließ sich Sunny nicht abbringen und Madison bedankte sich wieder. Nach einem kurzen „Bis später“ ging das Model zu dem Fotografen, der sich angeregt mit dem Auftraggeber unterhielt. Sie fragte, was los sei und wurde gar nicht gehört. Erst, als sie sich laut räusperte, schenkten die beiden Männer ihr gnädigerweise ihre Aufmerksamkeit. Irgendetwas passte mit den Kulissen nicht und ein Licht war kaputt. Dass das erst jetzt auffiel, wunderte Sunny. Eigentlich sollte so etwas vorher kontrolliert werden und nicht, wenn alle anderen schon fertig waren. Noch bevor sie etwas sagen konnte, wurde sie weggeschickt, sollte warten, da sie hier nur im Weg herum stände. Na, wenn sie meinten. Sie war nicht wirklich beleidigt, es gehörte nun einmal zum Job, doch hätte sie auch nichts dagegen, gleich mit dem Shooting anzufangen. Immerhin wurde sie für das fotografiert werden bezahlt und nicht für das Warten. Nickend und mit einem „Schon okay“ verschwand sie hinter den Kulissen und sah sich dort um. Trostlos. Sehr viele Kabel und anderer Technikkram, von dem sie keine Ahnung hatte. Mit einem Seufzen setzte sie sich auf einen Stuhl, der neben einem Tisch stand und betrachtete weiter die Einrichtung. Nichts außergewöhnliches … aber roch da nicht etwas komisch? Irgendwie nach verbranntem Kunststoff? Sunny stand auf und lief in die Richtung, aus dem sie den Geruch vernahm. Da sah sie es schon. Ein Kabel war angekohlt und Funken spürten heraus. „Fuck!“, rief das Model erstaunt aus, wollte ausweichen und stolperte über ein auf dem Boden liegendes Kabel. Mit normalen Schuhen wäre das kein Problem gewesen, aber sie hatte eben welche mit mörderisch hohen Absätzen an. Sie schaffte es nicht, sich wieder aufzurichten. Im Gegenteil. Ein dumpfes Geräusch, als ihr Kopf gegen den Tisch schlug. Ein weiteres, als sie bewusstlos zu Boden ging. Und dann hörte man züngelnde Flammen, die alles auffraßen, was sich ihnen in den Weg stellte. Das erste, was sie danah sah, war ein Paar dunkelblauer Augen, die an den Himmel bei Nacht erinnerten. Sie gehörten einem schönen jungen Mann, groß ,sie schätze ihn auf etwa einen Meter neunzig, vielleicht ein wenig kleiner, mit feinen Gesichtszügen und leichten, brauen Locken, die er sich zurück gebunden hatte. Die Haut von den letzten warme Strahlen des Herbsts gebräunt. Aber bis jetzt hatte er kein Wort gesprochen und mittlerweile fand Sunny das ziemlich unhöflich. Nicht jeder musste so viel sprechen wie sie, aber gar nicht mit jemanden reden war einfach nicht nett. „Und wie bist du hier her gekommen?“ Er zuckte mit den Schultern. „Ja okay, das weiß ich auch nicht. Dann eben: Was hast du gemacht, bevor du hier her gekommen bist?“ Er seufzte lautlos und sah sie entschuldigend an. Sunny stöhnte. Na super. Die Gereiztheit nicht ganz zurück halten können, sagte sie: „Sag mal, kannst du nicht reden? Oder...“ Er nickte. „Oh“, das erklärte es, „sorry.“ Nun lächelte der junge Mann sie entschuldigend an. „Wie heißt du eigentlich? Kannst du es irgendwie aufschreiben?“ Er formte seinen Mund, als ob er seinen Namen aussprechen würde. Zum Schreiben hatte er also nichts dabei. „Ehm... englisch ist der Name nicht, oder?“ Kopfschütteln. Damit hatte sie also recht gehabt. Da war sie schon mal einen Schritt weiter. Er zeigte ihr seinen Namen noch mal. „Sorry, keine Ahnung.“ Das Raten blieb erfolglos, bis der Mann gen Himmel zeigte. Was zum...? Moment mal. Sie kramte ihre alten Französischkenntnisse hervor, zumindest die Grundsätze brauchte sie für ihren Job, wenn sie wirklich erfolgreich sein wollte, und strengte sich an. Himmel. Das hieß doch … „Ciel? Ist das dein Name?“ Er nickte. Endlich! Sie hatte den Namen, zumindest den ersten Teil davon. „Schlimm, wenn ich nicht den zweiten errate?“ Ciel schüttelte seinen Kopf und lächelte erneut. „Gut.“ Dann musste sie sich wenigsten nicht auch noch darum Gedanken machen. Immerhin war sie in irgendeinem Wald, irgendwo im nirgendwo und hatte keine Ahnung wieso. Sie war abenteuerlustig - keine Frage - aber, dass das alles doch komisch war, konnte sie nicht abstreiten. Vor allem eine Frage beschäftigte sie. „Weißt du, wie wir hier her gekommen sind?“ Ciel schüttelte seinen Kopf. „Oh.“ Das hätte sie sich auch Denken können. Und selbst wenn er es gewusst hätte, wie hätte er es hier sagen können? Sie lief einige Schritte umher. Die Bäume hier waren echt cool, wenn auch komisch. Noch nie hatte sie solche gesehen, doch kamen sie ihr seltsam vertraut vor. An irgendwas erinnerte sie das alles hier. Aber sie konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, an was. Sie sah zu Ciel, der ebenfalls die Umgebung inspizierte. Die Stirn gerunzelt, die Augen leicht zusammen gekniffen und eine Hand auf einen der Bäume, als ob er nicht glauben könnte, dass das alles hier real wäre. Sunny ging es nicht anders, es war schwer zu glauben, dass das hier kein Traum war, oder irgendeine abgefahrene Halluzination. Vielleicht hatten sie ihr beim Shooting irgendetwas ins Trinken getan. Gleich darauf tat sie diese Idee als Blödsinn ab, das ergab keinen Sinn. Ein Model, das high war, brachte keinem etwas. Sie musste Einsatz zeigen und auf Anweisungen hören. Plötzlich sah sie etwas unter einem Busch glänzen. Neugierig ging sie auf die Knie und schob die Blätter und Äste beiseite. „Was zum?“ Das konnte nicht wahr sein! Ein Shuriken! Wie zum Teufel kam das hier her? Ciel tauchte neben ihr auf und schaute genauso ungläubig, wie es Sunny tat. Vorsichtig streckte sie die Hand nach dem Wurfstern aus. Er war echt. Eindeutig aus Metall und kalt. „Autsch. Verdammt!“ Sunny fluchte und steckte einen Finger in den Mund. Sie hatte sich an den einer der Kanten geschnitten. Keiner der beiden, weder Sunny noch Ciel, merkten, wie sich ihnen zwei Personen, die die ganze Situation noch verrückter machen sollten, näherten. * Walhall (auch Valhall oder Walhalla) kommt auf der nordischen Mythologie. Es ist der Ort, dem in der Schlacht gefallene und tapfere Krieger nach ihrem Tod kommen. Tagsüber wird dort gekämpft, abends getrunken und gefeiert. Ein bisschen ist das wie ein coolerer Himmel, zumindest wenn man einigen Metalbands und deren Hörer glaubt. ;-) Kapitel 6: Buntfasan -------------------- Kamil wusste immer noch nicht, wo er war oder was passiert war, aber er war sich mittlerweile sicher, dass er weder träumte, noch tot war. Eine Erklärung suchte er, fand keine. Das hieß nicht, dass er nicht alles versuchen würde, wieder zurückzukommen und das so schnell es ihm möglich war. Sein Blick suchte die Umgebung ab. Nichts außer Bäume. Nichts, das wie in seiner Heimat war. Nichts, das ihn annähernd daran erinnerte. Er hatte also keine Chance, sich zu orientieren und Ruri war keine Hilfe. Mit vor dem Bauch verschränkten Armen stand sie am Fluss. In sich gekehrt. Dachte wohl nach. Kamil fiel auf, dass ihre Haare im Licht einen roten Schimmer hatten. Nicht viel, eigentlich waren ihre Haare braun, aber doch wahrnehmbar. Unter anderen Umständen hätte die ungewohnte Farbe schön gefunden, nun erinnerte es ihn an Blut, fast noch mehr, als es ihr Kleid tat. Es wirkte unwirklich. Nicht real. „Was machen wir jetzt?“ Ruri trat einige Schritte an ihn heran. „Herausfinden, wie wir zurückkommen.“ Alles andere war unwichtig. „Und wie stellst du dir das vor?“ „Das weiß ich nicht, aber ich muss zurück.“ „Ich nicht.“ Sie sah zur Seite und umfasste ihren Oberarm mit der Hand. Kamil schnaufte. „Das ist mir egal. Dann bleib du hier, wen du das willst, aber ich werde es nicht tun.“ Daraufhin sagte sie nichts. Auch gut. Kamil wandte sich ab und betrachtete einen Baum genauer. Er wusste nicht, was er damit bezwecke wollte, aber nichts tun konnte er auch nicht und vielleicht konnte er so irgendetwas herausfinden. Zumindest aus dem Wald heraus kommen wäre schon ein Schritt in die richtige Richtung … hoffte er zumindest. Verdammt! Das hatte doch keinen Sinn! Er kam aus einem kenianischen Slum. Da gab es kaum Bäume, geschweige denn Wälder und erst recht nicht solche. Was sollte er also damit anfangen? Genervt trat er vom Baum zurück. Noch bevor er sich weiter Gedanken machen konnte, ließ ihn ein Geräusch herumwirbeln. Stimmen, Schritte. Sofort, mit unbestrittener Eleganz – seit Jahren erprobt –, machte er sich kampfbereit. Wer wusste schon wer oder was ihnen hier begegnen konnte und Kamil war es gewohnt, mit dem Schlimmsten zu rechnen. Das machte es einfacherer, wenn Gefahr drohte. Nur ein kurzer Seitenblick galt Ruri, die ihre Arme wieder vor ihrem Bauch hatte und mit skeptischem Blick in den Wald sah. Es dauerte nicht lange, bis sie erkannten, von wem die Stimmen kamen. Ein Mann und eine Frau, beide etwa in seinem und Ruris Alter, vielleicht ein wenig älter, stiefelten durch die Bäume hindurch. Kamil war sofort klar, dass auch sie nicht hier her gehörten und unter seltsamen Umständen in diesen Wald gekommen waren. Der junge Mann trug nur eine Hose, hielt aber in den Hände seine anderen Kleidungsstücke. Hose und Oberteil waren komplett durchnässt. Die Frau hingegen trug einen Kittel und schien am Kopf geblutet zu haben. Im ersten Augenblick hielt es Kamil für ihre Haarfarbe, doch als sie näher kam, erkannte er, dass es bereits am trocknen war. Während Ciaran Probleme mit dem Waldboden hatte, da er barfuß lief und immer wieder auf kleine Äste oder Steine trat, lief sie langsam neben ihm her. Sie hatte gedacht, schneller am Fluss zu sein, aber sie hatte sich geirrt. Nicht nur wegen Ciaran, das wäre gelogen, sie selbst blieb dauernd an Ästen mit dem Kittel hängen und stolperte einmal. Sie schwiegen seit einiger Zeit, bis Ciaran zu ihr sah. „Denkst du immer noch, du halluzinierst?“ „Ja, ich glaube schon.“ „Aber es ist alles real.“ Ava seufzte. „Ich weiß, aber was sollte es sonst sein?“ „Keine Ahnung. Ich denke, wir sind beide furchtbar durcheinander.“ Das waren nicht nur sie, sondern alle. Sie waren also wirklich nicht alleine, aber besser machte das die Situation nicht. Kamil entspannte sich. Sie schienen keine Gefahr zu sein. „Hallo“, sagte er, als sie nur noch wenige Meter von ihnen entfernt waren. „Hallo“, erwiderte der Mann und die Frau lächelte ein wenig. „Hi.“ Der Mann sprach weiter: „Ich nehme an, ihr seid auch hier aufgewacht, oder?“ Kamil nickte. „Ja. Wisst ihr, wo wir hier sind?“ „Genau das wollten wir fragen. Wir haben keine Ahnung.“ Das hatte er befürchtet. Kamil seufzte enttäuscht und trat ein paar Schritte zurück. Und nun? Die anderen Beiden sahen nicht weniger unglücklich aus. Wobei Kamil bei der Frau Verwunderung zu sehen glaubte. „Vielleicht sollten wir uns erst mal vorstellen“, sagte der Mann, „Ich bin Ciaran Callahan.“ „Und ich Ava Haddington.“ Sie lächelte schwach. „Kamil Ghana.“ Und schließlich erhob Ruri ihre Stimme. Zum ersten Mal, seit dem Ciaran und Ava bei ihnen aufgetaucht waren. „Ich heiße Ruri Hagino.“ Eine kurze Pause des Schweigens entstand. Ruri, wie zuvor, blieb hinter Kamil und betrachtete weiter den Wald, auch Ava, wenn auch viel neugieriger, sah sich um und Ciaran und Kamil wechselten ratlose Blicke. „Ich dachte mir, dass wir zunächst mal aus dem Wald heraus kommen sollten.“ „Da kommen wir her. Da ist nichts anders, also zumindest aus der Richtung, aus der wir kommen.“ Großartig. Kamil fuhr sich durch die Zöpfe. „Wir könnten den Bach folgen“, schlug Ciaran vor, „wo Wasser ist, sind auch Menschen.“ Kamil lächelte. Das war ein Plan. „Aber vorher würde ich mir ganz gerne das Blut aus den Haaren waschen. Ist ein wenig unangenehm“, warf Ava vorsichtig ein. „Sag mal, Ruri, was ist mit dir passiert?“, fragte Ciaran nach einer Weile, in der sie dem Flusslauf gefolgt waren. Ruri sah ihn nicht an, blickte zu Boden. Warum musste er fragen? Sie konnte doch nicht … „Das geht dich nichts an“, sagte sie rauer, als sie eigentlich wollte. „Entschuldige, ich wollte dir nicht zu nahe treten.“ „Aha.“ Damit war das Thema für sie beendet. Es gab andere Dinge, über die sich Gedanken machte. Es war schön und gut, dass sie herausfinden wollten, wo sie waren, aber es gab nur einen Ort, an dem sie wirklich sein wollte. Es hatte keinen Sinn, bei den anderen zu bleiben, sie wollten zurück. Sie nicht. Anderseits war es möglich, dass das hier eine Prüfung war. Dann würde sie vielleicht doch zu Gott kommen. Desinteressiert hörte sie den Gesprächen der drei zu. Wie sie hier her gekommen waren, war ihr egal. Es bestätigte zwar, was sie hoffte, doch das war es schon. Wie genau sie gestorben (oder was auch immer) waren, tat nichts zu Sache. Das brachte sie nicht weiter. Hatte keinen Sinn. „Ich bin mir immer noch ziemlich sicher, dass das alles vom Ether kommt, oder von der Verletzung. Das ist doch alles komisch. Ich kann kein Japanisch“, sagte Ava, klang jedoch nicht vollkommen davon überzeugt. „Ich auch nicht, aber für mich ist das alles real“, warf Ciaran ein. „Naja, mein Unterbewusstsein könnte dich das sagen lassen. Ich weiß ja nicht, wie du dich fühlst. Oder ob du das überhaupt tust.“ „Gut, das ist ein Argument.“ Ciaran grinste. „Es ist nur eine Theorie. Aber die erscheint mit zumindest einigermaßen logisch. Ich meine, wo sollen wir denn sonst sein?“ „Das finden wir hoffentlich bald heraus“, sagte Kamil. Damit sollte er Recht behalten, wie sie wenige Stunden später feststellen sollten. Doch bis dahin war es noch einige Zeit. „Und was würde das euch nützen?“ Ruri kam die Frage einfach so über die Lippe, ohne, dass sie darüber nachdachte. „Dann können wir wieder zurück.“ Natürlich kam das von Kamil. Wenn sie eines über ihn in der kurzen Zeit gelernt hatte, dann war es, dass er zurück wollte. „Wieso bist du dir da so sicher?“ „Weil mir keine andere Wahl bleibt.“ „Aha.“ Ruri spürte die Blicke, die die anderen ihr zuwarfen. Sie war es gewohnt. Solche Blicke kannte sie zu genügend. Sie gehörte zu den Menschen, die anders – und damit Aussätzige – waren und ein Leben am Rande führten. Beobachtet von der Gruppe von denen, die das Leben genossen und die Zeit wie im Fluge vergingen ließen. Ruri schwieg die restliche Zeit, in der sie weiterliefen. Den Gesprächen hörte sie nicht mehr zu. Sie kamen auf keine Lösung, redeten aber davon, dass sie unbedingt etwas finden mussten. Das war weder schön, noch gut und helfen tat es nicht. Natürlich fragte sie sich, warum sie nicht tot war. Sie war von einem Hochhaus gesprungen, ihr Kleid war voller Blut! Da führte kein Weg am Tod vorbei. Sie fühlte, wie zuvor. Es hatte sich nichts an ihr geändert. Überhaupt nichts. Dann konnte sie nicht tot sein. Wenn sie das nicht war, dann war das hier keine Nachwelt, nicht der Himmel, aber auch nicht ihre Welt. In ihrer Welt wachte man nicht einfach so auf und sprach ganz selbstverständlich eine andere Sprache. Warum überhaupt Japanisch? Warum nicht Englisch, die meist gesprochene Sprache? Je mehr sie über all das nachdachte, desto weniger machte es Sinn. Sie wusste nicht einmal, was all das war. Ruri hörte ein leises Knacken, drehte sich zu dem Geräusch um und blieb stehen. Ein Fuchs lief geschmeidigen Schrittes durch das Unterholz, beachtete die vier Menschen nicht, oder hatte dies getan, bevor Ruri ihn entdeckt hatte und sie als gefährlich eingestuft, und verschwand so schnell, wie er gekommen war. Sie sah ihm nach. Es war nicht der Fuchs, der sie neugierig machte, sondern das, was er in seinem Maul getragen hatte. Sie war sich nicht sicher, dazu war das Tier zu weit entfernt gewesen, aber sie glaubte gesehen zu haben, dass es sein Buntfasan* war und diese gab es nur in Nordamerika und in ihrer Heimat. In Japan. Und die Bäume kamen ihr bekannt vor … „Ruri? Kommst du?“ Die anderen drei waren weiter vor gelaufen, als sie gedacht hatte. „Ja.“ „Hast du was gesehen?“, fragte sie Kamil. „Ja. Aber ich glaube nicht, dass es wichtig ist.“ Selbst wenn sie in Japan waren, oder, was wahrscheinlicher war, eine japanähnliche Welt, änderte das nichts an der Situation. Solange sie nicht sicher war, würde es nur noch mehr Fragen aufwerfen. „Wie du meinst. Aber wenn du was weißt, sag Bescheid.“ „Das werde ich tun.“ Doch daran glaubte sie nicht. Es dauerte nicht lange, bis die Stille des Waldes unterbrochen wurde. „Verstehen Sie doch endlich! Das ist kein Scherz, verdammte Scheiße!“ „Ruhe! Ich lass mich nicht verarschen!“ Für einen Moment blieben sie stumm stehen. Ruris Herz schlug schneller. Was war da los? Die erste Stimme klang nach einer Frau, war aber ein wenig seltsam, die andere war die eines Mannes. Sicher war mit ihnen auch das gleiche passiert. „Wir sollten dahin gehen“, sagte Ciaran, „das klingt, als ob sie Hilfe brauchen könnten.“ „Ja“, sagte Kamil und Ava nickte. Ruri zögerte für einen Moment, auf einen Streit hatte sie wenig Lust, aber hier bleiben war eine Alternative, die ihr missfiel. Also nickte sie. Sie rannten los. Nicht so schnell, wie sie eigentlich konnten, da Ciaran die Schuhe fehlten und das Unterholz den Weg versperrte. Ruri spürte, wie ihr das atmen immer schwerer fiel, Ava schien es nicht anders zu gehen und Ciaran war schon zurückgefallen, wenn auch aus einem anderen Grund. Nur Kamil schien kaum Probleme zu haben. Natürlich blieb er ab und an mal hängen und zerkratze sich die bloßen Unterschenkel, aber er wurde nicht langsamer. Es war also er, der die Streitenden als erster erreichte. Es war ein seltsames Bild, das sich ihnen offenbarte. Ruri wusste, dass sie selbst ziemlich schockierend aussehen musste, aber das war nichts gegen den Mann, der ihnen am nächsten stand. Die Kleidung die er trug, war komplett zerrissen und blutig und er selbst groß, breitschultrig und wütend. Dann fiel ihr Blick auf die Frau, die ihm gegenüber stand und wusste nun, dass sie auf keinen Fall mehr in ihrem Japan sein konnte. Sie war ein Mensch, das war nicht zu übersehen, aber auch ein Tier, das seine Fangzähne entblößte, bereit, zuzuschlagen. „Jetzt hört auf!“ Ein Mädchen, wahrscheinlich jünger als sie, mit blondem Haar trat auf die Streitenden zu, doch wurde sie von einem weiteren Mann zurück gehalten. Er schüttelte den Kopf, ging stattdessen selbst zwischen die Beiden, machte eine rasche Bewegung mit der Hand und deutete in die Richtung, in der Ruri und die anderen standen. Kamil fand als erstes seine Sprache wieder. „Wir sind also nicht alleine.“ ------------- * Das sind übrigens sehr schöne Vögel. Hier der Link zum Wikipediaartikel: http://de.wikipedia.org/wiki/Buntfasan =) Kapitel 7: Zähne zeigen ----------------------- „Wir sind nicht alleine. Im Wald ist noch jemand.“ Feline sah zu Frederico, gespannt darauf, wie er reagieren würde. „Woher weißt du das?“ Beinahe wäre sie zusammengezuckt. Er klang wütend. „Ich habe es gehört. Eine Frau hat mit jemanden gesprochen.“ „Ich habe nichts gehört.“ Oh oh. Das war nicht nur Misstrauen und Wut, was in seiner Stimme mitschwang. Es war mehr. Bedrohlicher. Doch würde sie auf keinen Fall hier bleiben, weil er schlechter hörte, als sie. Sie würde gehen. Notfalls ohne ihn. Viel lag ihr nicht an ihm, anderseits konnte es einen Grund haben, warum sie beide hier waren. Feline spannte ihre Muskeln an. Wer wusste schon, wie er reagieren würde? „Seitdem ich hier bin, haben sich meine Sinne verbessert. Es ist also logisch, dass ich Dinge höre, die Sie nicht hören können.“ Okay. Das war vielleicht nicht sehr geschickt formuliert. Frederico stand abrupt auf und lief auf sie zu. Ohne zu registrieren, was sie tat, fauchte Feline und ging in die Knie. Ein seltsames Gefühl kribbelte in ihren Fingerspitzen. Doch wusste sie, was es war. Ihre Fingernägel mochten zwar spitz sein, aber jetzt fuhr sie die Krallen aus. Sie war bereit zum Kämpfen. Es passierte nicht. Er stand vor ihr und sah sie an. Feline erwiderte den Blick, sah ihm in die Augen, die kalt in tiefen Höhlen lagen. Ihr fiel auf, dass um seine Pupillen ein giftgrüner Rand war. Gruselig. Aber das sagte gerade die Richtige. „Ich komme mit, doch solltest du mich anlügen, wirst du büßen müssen. Verstanden?“ Feline nickte. „Laufe vor.“ Sie nickte erneut und tat wie ihr geheißen. Das hätte sie so oder so gemacht. Dennoch war es ihr unangenehm, Frederico nicht sehen zu können. Sie traute ihm genauso wenig wie er ihr. Vielleicht war das auch gut so. Momentan vertraute sie sich nicht einmal selbst. Es dauerte nicht lange, bis sie die Person, zu der die Stimme gehörte, gefunden hatten. Es war ein Mädchen, oder eine Frau, Feline war sich nicht sicher, mit blonden Haaren und, mit Verlaub gesagt, unpraktischer Kleidung. Neben ihr stand ein junger Mann, etwa in ihrem Alter. Er bemerkte sie zuerst und winkte ihnen zu. Dann drehte sich das Mädchen zu ihnen. „Hallo“, sagte sie und stockte, als sie sie genauer ansah. Kein Wunder. Sie mussten ein tolles Bild abgeben. Der eine durchlöchert und voller Blut, die andere mehr Raubtier als Mensch. Ja, das erweckte Vertrauen. „Hallo“, sagte Feline und lächelte, bedacht ihre Zähne nicht zu zeigen, schüchtern. „Ihr seid auch nicht von hier, oder?“ Zugegebenermaßen waren beide, Sunny und Ciel, geschockt, als sie die Beiden sahen. Der erste Gedanke, der Ciel kam, als er die Frau sah, war, dass sie krank sein musste. Graue Haut war normalerweise an Anzeichen für eine Vergiftung. Eventuell eine Erkrankung an der Leber, doch sah sie gesund und kraftvoll aus. Sunny dachte an Filme, als sie den Mann sah. Er sah aus, als ob er erschossen wurde. Aber das konnte nicht sein. Man lebte nicht mehr, wenn man von Kugeln auseinander gerissen wurde. Oder? „Nein, sind wir nicht“, sagte das Mädchen, „wir sind beide hier vor kurzem aufgewacht.“ „Und ihr wisst nicht, wo wir sind, oder?“ „Nein.“ Sie grinste „Aber ich bin mir sicher, dass wir das noch herausfinden.“ Das war Optimismus. Sympathisches Mädchen, aber vermutlich würde sie das jetzt von jedem anderen Menschen sagen. Verglichen mit Frederico war es auch jeder. „Das dachte ich mir.“ Sie machte eine kurze Pause. „Ich bin Feline Schwarz.“ Einen Grund, ihren Begleiter vorzustellen, sah sie nicht. Erstens, weil ein erwachsener Mann in der Lage sein sollte, es selbst zu tun und zweitens, weil sie ihn nicht mochte. Das war der Hauptgrund. „Sunny Rose“, stellte sie sich vor, „und das ist Ciel. Seinen Nachnamen kenne ich nicht, aber er kann's mir nicht sagen. Eigentlich kann er überhaupt nichts sagen.“ Feline wandte sich zu Ciel. „Oh, du bist also stumm?“ Er nickte. Feline konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Ihre Unsicherheit, was sie nach der Schule tun wollte, hatte sich endlich ausgezahlt. „Ich kann ein wenig Gebärdensprache.“ Jetzt war es er, der grinste. Aber sicher nur Deutsche, oder? Feline blinzelte. „Ja, natürlich.“ Weil ihr nicht Deutsch redet und auch nicht Englisch. Das einzige, was ihr dazu einfiel war ein „Hä?“, dem sie nach einigen Sekunden ein „was reden wir dann?“, hinzufügte. Ich weiß es nicht genau. Aber ich vermute, es ist Japanisch. „Das ist ein Scherz, oder?“ Nein. Schau dir genauer an, welche Bewegungen ich mache. Sie sind anders. Mir kommen sie locker von der Hand, als ob ich nie etwas anderes gemacht hätte, aber wenn du darauf achtest, merkst du es. Ich komme aus Frankreich und du, wenn ich mir deinen Namen anhöre, aus Deutschland. Ich spreche kein Wort Deutsch. Aber du verstehst mich einwandfrei. „Du hast Recht.“ Das war seltsam. Sehr seltsam. „Was ist los?“, wollte Sunny wissen. Neugierig sah sie zwischen Feline und Ciel hin und her. „Wir sprechen nicht unsere Landessprache, sondern Japanisch.“ Sunny reagiert wie Feline. „Hä? Ich dachte wir reden Englisch.“ Frederico nicht. „Und das soll ich glauben?“ Feline zuckte zusammen und wirbelte herum. Es war ein Fehler gewesen, weiter nach vorne zu gehen, während er hinter ihr blieb und ihm noch dazu den Rücken zuzukehren. Ohne es zu wollen, wich sie zurück und er kam näher. „Ich weiß doch auch, dass das total seltsam klingt. Aber warum sollte ich Sie anlügen? Ich hab dafür keinen Grund.“ „Und ich auch nicht“, warf Sunny, offensichtlich geschockt, ein. „Ciel vermutlich genauso wenig.“ Dieser nickte. „Natürlich“, sagte Frederico bedrohlich ruhig, „es ist vollkommen wahrscheinlich, dass ich eine andere Sprache spreche und zufällig kann das Tier den Stummen verstehen. Natürlich.“ Tier? Hatte er das tatsächlich gesagt? Feline gab ein Fauchen von sich, klang dabei nicht mehr wie ein Mensch. „Verstehen Sie doch endlich! Das ist kein Scherz, verdammte Scheiße!“ „Ruhe! Ich lass mich nicht verarschen!“ Jetzt reichte es Amaro. Was auch immer diese Frau war, ein Mensch war sie nicht und sie log. Ein Schritt näher an sie heran. Wie schon am Bach machte sie sich bereit für einen Kampf. Es war ihm nicht entgangen. „Ich verarsche Sie nicht. Ich weiß nicht, was für ein Problem Sie haben, aber Sie haben definitiv eins.“ Jetzt wurde sie auch noch frech. „Noch ein Wort und ich werde eines meiner Probleme gleich erledigen. Dich.“ „Versuchen Sie es.“ Das Tier grinste ein groteskes Grinsen. Noch bevor Amaro ihrer Aufforderung nach kommen wollte, unterbrach das Mädchen (Sunny? Oder so ähnlich. Er wollte sich nicht die Mühe machen und sich ihren Namen merken) die Beiden. „Jetzt hört auf!“ Schrecklich nervige Stimme. Doch noch nerviger war der Stumme, der es wagte, sich zwischen sie zu stellen und mit seinen Händen herum zu fuchteln. Natürlich verstand das Tier ihn, verlor alle Bedrohlichkeit und richtete sich auf. Nur widerwillig folgte er ihren Blicken. Vier weitere junge Leute – nicht unbedingt Kinder, aber bei weitem jünger als er – standen zwischen den Bäumen und starrten sie an. Als erstes fiel ihm ein Mädchen auf, das ein blutbesudeltes Kleid trug. „Wir sind also nicht alleine.“ Gut erkannt. Amaro musterte den Mann, von dem die Worte kamen, misstrauisch. Er war etwa so groß wie er, dunkelhäutig und trug abgenutzte Kleidung. Besonders die Schuhe ließen erkennen, dass er schon viele Kilometer in diesen gelaufen war. Möglich, dass es einfach nur ein seltsamer Modetrend der Jugend war, aber eine Sache schien ihm wahrscheinlicher. Die anderen zwei, eine Frau und ein Mann, waren nicht weiter erwähnenswert. „Sieht wohl so aus.“ Sunny grinste, schon wieder, oder immer noch, auf diese dämliche Art. Einige Erzählungen, wie sie hier her gekommen sind, wie sie hießen und wie alt sie waren, später, waren sie zu der Lichtung, auf der er aufgewacht war, zurück gekehrt. Selbstverständlich hatte er nichts über sich erzählt, ebenso hielt sich Ruri zurück und Ciel sagte nichts. Doch hatte er das Glück, vollkommen zufällig einen weiteren Übersetzer gefunden zu haben. Ciaran, der Ire, der behinderte Menschen betreute, hatte, so sagte er zumindest, die Sprache der Stummen bei einer Fortbildung gelernt. Zumindest im Ansatz. Welche Zufälle es doch gab. Amaro hörte keinem von ihnen wirklich zu. Es gab auch nichts, was wirklich wichtig war. „Ciel studiert Medizin“, erklärte Ciaran, „im fünften Semester.“ Höchst interessant. Das Tier, Feline, studierte ebenfalls. Allerdings Psychologie. Auch diese Tatsache war ihm egal. Ruri schloss sich den Studierenden an. Ihr Fach war Philosophie. Sunny war Schülerin, wurde aber zum Model ausgebildet und versuchte sich noch dazu als Modeberaterin. Kamil hatte keine feste Arbeit. „Ich schlage mich mit Gelegenheitsjobs durchs Leben.“ Das bestätigte seine Vermutung. Die Chemikerin, er hatte ihren Namen vergessen, hatte es geschafft sich selbst in die Luft zu sprengen. Ciaran war ertrunken, als er seinen besten Freund retten wollte. Das war der Grund, warum Amaro keine Freunde hatte. Sie brachten nur Ärger. Sie redeten viel unnötiges Zeug, über die Möglichkeiten, wo sie waren und wie sie wieder wegkamen. Amaro war mittlerweile aufgestanden, um von der Gruppe wegzukommen. Das war nicht zum Aushalten. „Meint ihr, es sind noch mehr hier?“ Die Frage kam von Sunny. „Nein“, antworten Kamil und Feline gleichzeitig und sprachen damit aus, was Amaro dachte. „Naja“, sagte Feline nach einige Momenten der Stille, „es ist so ein Gefühl. Als ob wir ...“ Sie beendete den Satz nicht. Das tat Kamil. „Vollständig wären.“ Es würde keiner mehr dazu kommen. Amarao wusste das und die anderen taten es auch. Für einen Moment, so kurz, dass er sofort wieder verflog, bevor er ihn begreifen konnte, spürte er, dass sie gleich waren. Miteinander verbunden. Der Moment wurde ausgelöscht. Verschwand in dem Meer des Misstrauens. Er musste schnell hier weg, sonst würde er noch verrückt werden. Die Anderen waren verrückt. Ganz einfach. Entweder sie glaubten diesen Schwachsinn, oder sie waren gute Schauspieler. Das Gespräch kam wieder auf das wo zurück. „Ich habe vorhin etwas gefunden“, sagte Sunny und zog einen Gegenstand aus Metall hervor. „Ist das das, was ich denke?“ Die Chemikerin schien überrascht. „Ja. Es ist ein Shuriken.“ Ein was? Amaros Blick lenkte sich auf das, was das Mädchen in der Hand hielt. Ein Wurfstern also. „Und es ist scharf. Ich habe mich vorhin an den Seiten geschnitten.“ „Wow.“ „Zeig mal her.“ Neugierig nahm Feline das Shuriken in die Hand. „Schwerer, als ich gedacht habe.“ Sie gab es an Ciaran weiter. „Es ist definitiv echt.“ „Wirf es mal“, verlangte Sunny lächelnd. „Nur zu gerne.“ Mit einer Begeisterung, die Amaro an einen kleinen Jungen erinnerte, stand Ciaran auf und deutete auf einen Baum. „Mal sehen, ob das so einfach ist, wie es in Animes aussieht.“ Anscheinend war es nicht einfach. Die Waffe traf den Baum, wenn auch knapp, prallte ab und blieb ihm Gebüsch liegen. „Wir verpassen viel Training.“ Sie lachten und Amaro verdrehte die Augen. Es wäre sicher besser, wenn er wirklich tot gewesen wäre und seine Aussage im Bezug auf das Alter nahm er zurück. Das waren Kinder. „Was zum?“ Ciaran war bei den Büschen stehen geblieben. „Kommt mal her, das müsst ihr sehen.“ Widerwillig folgte Amaro, mehr aus Misstrauen als aus Neugier. Doch das Tier kam, mit einem Zettel in der Hand, auf halber Strecke auf ihn zu. „Glauben Sie immer noch, dass das ein Scherz ist? Da.“ Sie drückte ihm das Papier in die Hand, auf dem etwas draufgekrizelt war. „Na und?“ „Das sind keine lateinischen Buchstaben. Das ist Japanisch. Wir verarschen Sie nicht und das ist der Beweis.“ „Wieso sollte das ein Beweis sein?“ „Weil Sie es lesen können. So wie wir alle.“ Mittlerweile waren die anderen bei ihm. „Wir verstehen auch nicht, was hier abläuft. Ich wollte es zunächst auch nicht glauben“, sagte Kamil ruhig. „Es gibt keinen logischen Grund hierfür, aber es ist nun mal so“, mischte sich die Chemikerin mit ein. „Ich kann da gar nichts von lesen.“ Amaro knüllte den Zettel zusammen und schmiss ihn vor Kamils Füße. „Wie du meinst.“ Kamil hob den Zettel auf. „Aber hol dir zumindest was von der Ausrüstung. Du wirst sie brauchen.“ Er deutete auf die anderen, die aufgeregt mit einander redeten. Ohne ein Wort zu sagen oder auf sie zu achten, drängte sich Amaro an den dreien vorbei und stampfte zum Waldrand. Hinter sich hörte, wie das Tier leise „Arschloch“ sagte. Wenn sie das meinte. Er würde ihr noch zeigen, dass er es nicht zuließ, dass man Spiele mit ihm spielte. „Also ehrlich, ich glaube, wir sind wirklich in der Naruto-Welt. Ich mein, schaut euch die ganzen Sachen an. Das ist genau wie im Manga.“ Sunnys nervige Stimme war von Begeisterung überschwemmt. Ciaran schüttelte seinen Kopf. „Das kann doch nicht sein.“ „Aber wieso können wir dann Japanisch? Wieso lag da ein Shuriken? Und warum sind die Klamotten und die Ausrüstung genau wie da?“ „Ja, schon.“ Ciaran blies Luft aus seinen Wangen. „Nur warum? Was sollen wir hier? Das ist das echte Leben und keine Fanfiction.“ Kapitel 8: Kawagakure --------------------- „Es wäre aber echt verdammt cool, wenn es eine wäre“, sagte Sunny, „stell dir mal vor, wir könnten die ganzen Charaktere treffen.“ Sie machte eine bedeutungsvolle Pause. „Ich wollte schon immer wissen, wie gut Ichirakus Ramen wirklich schmeckt.“ Ciaran lachte und sah zu Ciel, der einige Zeichen machte. „Was hat er gesagt?“ Sunny sah ihn fragend an. „Er sagte, wenn wir in der Naruto-Welt sind, sollten wir dorthin gehen. Die Chance müssten wir wahrnehmen und ich denke, er hat damit Recht.“ Sie lachten wieder. Erst dann machte sich Frederico bemerkbar. Ciaran sah zu ihm auf. „Da sind einige Sachen. Sie sind für uns alle, das stand zumindest in dem Brief.“ „Aha.“ Sehr gesprächig der Mann. Und so nett. Ciaran verdrehte die Augen und wandte sich dem Gespräch zu. „Bevor wir uns weiter darüber Gedanken machen, sollten wir uns umziehen. Wenn deine Vermutung stimmt, fallen wir nicht auf.“ Er machte eine Pause. „Zumindest nicht mehr, als wir es ohnehin schon tun.“ Es waren acht Haufen von Kleidung und Ausrüstung. Für jeden einer. Frederico war bereits bei einem von ihnen und betrachtete die Kleidung misstrauisch. Ciaran musste zugeben, dass das schon sehr seltsam war, aber er wollte endlich trockene Kleidung und ein Oberteil tragen, also machte er sich keine Gedanken darüber. Die ganze Situation war komisch genug. Denkst du, die passen uns? Mit gekräuselter Stirn deutete Ciel auf die Kleider. Das war eine gute Frage, immerhin waren zumindest die Männer unter ihnen nicht gerade klein. Er selbst war mit seinen eins einundachtzig der Kleinste. Frederico war nur wenig größer, als er, dafür umso muskulöser. Sollten sie in der Naruto-Welt sein, war es wahrscheinlich, dass das alles für sie zu klein war. „Das werden wir sehen.“ Er zuckte mit den Schultern. Mehr als probieren konnten sie nicht. Er beugte sich zu seinem Beutel hinunter. Ciaran wusste, dass es seines war und den anderen ging es genauso. Keiner zögerte, als er sich etwas holte und in dem Wald verschwand, um sich umzuziehen. Ciaran folgte ihrem Beispiel. Interessiert besah er sich die Kleidung, den Rucksack und die Ausrüstung. Das erste, das ihm auffiel, war das Katana mit blauem Griff und Scheide. Vorsichtig zog er die Klinge und sah fasziniert zu, wie sie im Licht der Sonne schimmerte. Er bemerkte nicht, dass er zitterte, als seine Finger ihr näher kamen. Kaum berührten sie die Klinge, floss Blut. Sein Blick schweifte über die naheliegenden Bäume. Dann holte er mit der Klinge aus, traf einen Ast und durchschnitt ihn mühelos. Das war eine echte Waffe. Der Ast war armdick gewesen, jetzt lag ein Teil sauber abgetrennt auf dem Boden, das hieß, dass das Katana kein Problem mit Knochen oder Fleisch haben dürfte. Ciaran wurde schlecht. Dieses Ding war kein Accessoire, keine billige Dekoration aus einem Asialaden, sondern ein Werkzeug, das zum Töten konzipiert wurde. Er zwang sich so lange ruhig zu bleiben, bis die Klinge vollständig in der Scheide war. Dann schmiss er das Schwert weg. Dumpf fiel es auf dem Waldboden und blieb harmlos liegen. „Wo bin ich hier gelandet?“, flüsterte er in die Stille des Waldes. Tief atmete Ciaran ein, blies die Luft wieder aus und fuhr sich durch die Haare. Gut, das war eine Waffe. Aber sie alleine tötete nicht, sie brauchte jemand, der sie führte und so lange das keiner tat, würde niemand verletzt werden oder sterben. Alles war in Ordnung. Vollkommen in Ordnung. Er schnaufte noch einmal, dann besah er sich die Kleidung. Die Hose war grau, lang und erinnerte Ciaran an eine Wanderhose. Ihr fester Stoff war angenehm, erinnerte ihn an sein zu Hause. Als nächstes konnte er endlich wieder ein Oberteil anziehen. Ein dunkelblaues, langärmeliges Shirt. Darüber eine Weste, die an die der Kiri-Nin erinnerte, jedoch zusätzlich mit grauem Fell besetzt war. Die Schuhe waren obligatorische Ninjasandalen. Damit konnte er leben. In einer Tasche fand er, neben der allgemeinen Ausrüstung, noch Senbons. Sehr gut. Er fand diese Nadeln schon immer toll. Man musste dem Gegner nicht den Kopf abhacken, um ihn zu besiegen. Und das erinnerte ihn an das Schwert. Skeptisch sah er zu ihm und überlegte, ob er es einfach liegen lassen sollte. Er seufzte, nahm es hoch und legte es sich um den Rücken. Er musste es nicht einsetzen und so fiel es nicht in falsche Hände. Die Stimmen der anderen drangen zu ihm durch. Eine von ihnen gehörte definitiv Feline, ihre Stimme war bis jetzt die einzige, die er identifizieren konnte. Es war nicht so, dass sie nicht menschlich klang, es war der Unterton, der in ihr mitschwang. Ein wenig rauchig, schnurrend. Einfach ungewohnt. Die andere Stimme, eine männliche, musste Kamil gehören. Ciel konnte nicht sprechen und Frederico tat es mit Sicherheit nicht. Er hatte Recht. Feline und Kamil saßen auf einigen Steinen am Bach. Bei ihnen war noch Ruri und, wenn auch etwas abseits, Frederico. Dieser sah in den neuen Klamotten nicht weniger gefährlich aus als in den blutigen. Sein schwarzes Muskelshirt ließ keinen Zweifel übrig, dass es eine schlechte Idee war, sich mit ihm anzulegen. Die schwarze Weste, mit der breiten Kapuze unterstrich diesen Eindruck, dafür waren zumindest die olivfarbene Hose, die Bandagen um die Waden und die schwarzen Sandalen normal. „Ist dir nicht warm?“ Feline sah grinsend zu ihm herüber. Ciaran wusste nicht, was er von dieser Aussage halten sollte. Ihre Stimme klang zwar freundlich und nett, aber das Grinsen mit diesem Zähnen wirkte wie eine Drohung. „Nein“, sagte er lächelnd, „ich frage mich eher, ob dir nicht kalt ist.“ Feline trug wenig Stoff. Und sie schien schwarz zu mögen, bis auf dem roten Gürtel, war alles einheitlich in dieser Farbe gehalten. Das Top endete kurz unter ihrer Brust. Die Hose ging zwar bis zu den Knien und saß locker, doch an den Seiten befand sich jeweils ein langer Schlitz, der erst am Ende der Hosenbeine endete. Sie schien zufrieden damit zu sein und das nicht ohne Grund. „Nö. Überhaupt nicht und so sieht man meine Tattoos.“ Und von denen hatte sie reichlich. Ihr linker Oberarm, ihre Brust, zumindest das, was der Stoff preis gab, ihre Schulter und der obere Teil ihres Rückens waren tätowiert. Zunächst hatte Ciaran es für eine Art filigranes Tribal gehalten, als er es aber näher ansah, erkannte er, dass es – wenn auch stilisierte – Tiere waren. Größtenteils, und das wunderte ihn nicht, Katzen, dazu gesellten sich Vögel, Schlangen und hundeähnliche Tiere. Um das ihr rechtes Bein wand sich eine bizarre Mischung aus Schlange, Vogel und Wolf. „Das sind noch längst nicht alle.“ Ciaran und Kamil lachten, doch war er sich nicht sicher, ob sie es ernst meinte, oder scherzte. Als er zu Kamil sah, wunderte sich Ciaran, wie schnell es er geschafft hatte, sich um zuziehen. Sein kompletter Oberkörper, einschließlich des rechen Armes, war bandagiert. Wie Frederico und er trug Kamil eine Weste. Seine war hellgrau und besaß viele Innentasche. Hose und Ninjasandalen waren dunkelblau. Seine linke Hand steckte in einem Handschuh, auf dessen Handrücken eine Metallplatte befestigt war. „Ich frage mich, warum nicht alle von uns eine besondere Waffe bekommen haben.“ Ruri sah in die Runde. Sie trug einen kurzen, schwarzen Kimono, der mit roten Blumen gemustert war. Dazu trug sie einen weißen Obi und am linken Bein eine bis zum Knie gehende Netzhose. Um ihr linkes Handgelenk trug sie ein Lederband. In dieser Kleidung wirkte sie komplett anders, als in dem weißen Kleid. Blut hin oder her, das weiße hatte er ihr etwas Unschuldiges verlieren. Das Rot auf dem Schwarz erinnerte Ciaran viel zu gut an Akastuki und auf diese Bekanntschaft wollte er verzichten. „Wie meinst du das?“ „Du, ich und Feline haben eine Waffe bekommen. Kamil und Frederico haben nur die Standardausrüstung.“ Sie deutete mit dem Kopf auf ein abgegriffenes Katana, das neben Feline im Gras lag. Über ihre Waffe verlor sie kein Wort. „Gute Frage.“ Mehr fiel ihm darauf auch nicht ein. „Was ist eine gute Frage?“ Sunny trat zwischen den Bäumen hervor. Als erstes fiel ihm der Bogen auf, den sie auf dem Rücken trug. Es war ein Langbogen, zumindest war er groß. Ciaran hatte keine Ahnung von japanischen Bögen, wenn es einer war. Wenn er es sich recht überlegte, hatte er von kaum einer Waffe Ahnung. Sunny trug schwarze Leggins, die in den Schuhen endete. Darüber eine braune, sehr kurze und Figur betonende Hotpants. Um ihre Oberschenkel trug sie Bänder und eine Tasche für die Ausrüstung. Ihr Netzshirt war bauchfrei und um ihre Brust hatte sie ein Band gewickelt. Ihr weißen Halbhandschuhe sollten wohl ihre Hände beim Bogenschießen schützen. „Warum nicht alle eine Waffe haben.“ „Habt ihr nicht?“ Sunny sah sie erstaunt an. „Sieht so aus“, sagte Kamil. „Seltsam.“ Sunny setzte sich zu ihnen. „Also ernsthaft. Ich glaube, wir sind wirklich in der Naruto-Welt. Die Waffen sind echt. Das kann doch kein Scherz sein.“ „Und wie sind wir hier her gelangt?“ Feline zog skeptisch eine Augenbraue hoch. Schon wieder eine gute Frage. „Keine Ahnung, aber uns allen ist – naja – etwas passiert.“ Sie schwiegen. Ciaran wurde bewusst, dass er eigentlich hätte tot sein müssen. Das konnte niemand überleben. Aber deswegen in einen Manga kommen? Das war einfach abwegig. „Meinst du also, dass wir tot und nun in eine Art Himmel sind?“ Feline stellte die Frage, die sich auch er stellte. „Nein“, sagte Sunny schlicht, „wir sind nicht tot. Ich meine, wir atmen doch alle und so. Da kann man nicht tot sein.“ Wenn sie meinte. Nach einiger Stille sah Sunny in die Runde. „Wo bleiben eigentlich Ciel und Ava?“ Ciaran zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht, aber die kommen schon. Verlaufen haben sie sich sicher nicht.“ Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis Ciel zu ihnen kam. Ciaran konnte es ihm nicht verübeln, dass er länger gebraucht hatte. Die Kleidung an sich war schlicht gehalten. Eine dunkelblaue Hose, braunes Muskelshirt, darüber eine Lederweste und braune Sandalen, die er erst für Stiefel gehalten hatte, da der Schaft recht hoch war. An der rechten Schulter trug er noch einen weiteren Schutz aus braunem Leder. Soweit war alles in Ordnung, aber er trug zahlreiche Taschen, befestigt an einem sich überkreuzende Lederband ein seinem Oberteil, bei sich. Dazu kamen weitere, überall an der Kleidung verteilt, in der Weste, an der Hose, auch dort mit Lederbänder befestigt, und an dem Gürtel. Ciaran vermutete, dass er die Taschen auch gefüllt hatte. Zumindest die am Gürtel schienen es zu sein. Wer immer das bereit gestellt hat, er weiß, was ich studiere. „Wie meinst du das?“ Ich habe eine Medic-Nin-Ausrüstung. „Was?“ Ciarans Augen wurden groß. „Ist das dein Ernst?“, fragte Feline. Ciel nickte und reichte ihnen eine Schriftrolle. „Was ist denn überhaupt los?“, wollte Sunny wissen. „Scheint so, als ob jemand wollen würde, dass Ciel unser Medic-Nin wird.“ „Was?“ Genau das sagte eine andere Frau, Ava, als sie ihre Sachen durchsah. Das war fantastisch! Sie hatte alles, was sie brauchte und mochte. Damit konnte sie sicher geniale Sachen herstellen. Verschiedene Kräuter, Pflanzen und Werkzeuge. Dazu jede Menge Schriftrollen. Grinsend durchforstete sie alles genau. Natürlich, es war ganz anders als in ihrem Labor, aber sie hatte das Gefühl, es war einfach. Sie würde das schon hinbekommen. Komische Halluzinationen. Wenn es wirklich eine war. Da war sie sich nicht mehr so sicher, aber eine andere Erklärung fiel ihr beim besten Willen nicht ein. Naruto-Welt? Das war idiotisch. Aber was erwartete sie denn von einem Modepüppchen? Vielleicht hatte sie eine Ahnung von der Kombination eines malvenfarbenen Schals mit einer cyanfarbenen Jacke, wie auch immer malve aussah, aber von den wirklichen wichtigen Dingen hatte Sunny keine Ahnung. Abgesehen davon hatte sie nicht mal eine Erklärung, wie sie her gekommen waren. Ava schüttelte ihren Kopf und wandte sich ihren Utensilien zu. Jetzt entdeckte sie auch einige Schriftrollen unter ihnen. Neugierig überflog sie zumindest einige von ihnen, für mehr hatte sie keine Zeit. Das musste sie später machen und vor allem in Ruhe. Immerhin wartete der Rest der Gruppe sicher auf sie und sie wusste nicht, wie geduldig sie waren. Ihre Kleidung war, dafür dankte sie dem Spender, schlicht. Eine dunkle Stoffhose, ein Oberteil in der Farbe von dunklem Türkis, die Taschen befestigte sie an einem schwarzen Gürtel, dazu die Sandalen und fertig. Den Rest verstaute sie in dem Rucksack und schwang sich ihn auf den Rücken. In diesem Moment öffnete sich eine Tasche und ein Shuriken fiel heraus. Aus Reflex griff sie nach ihm, registrierte erst, als sie es in der Hand hielt, dass das eine dumme Idee gewesen war. Aber nichts passierte, obwohl ihre Hand durchbohrt sein müsste. Sekundenlang starrte sie auf die Hand, bis sie zu dem Entschluss kam, dass das Shuriken wohl einfach stumpf war. Kopfschüttelnd verstaute sie es, dieses Mal sicher, und machte sich auf den Rückweg. „Das ist eindeutig wie im Manga.“ „Krass.“ „Aber das ergibt keinen Sinn.“ Ava hörte aufgeregte Stimmen, die sie jedoch noch nicht zu ordnen konnte. Immerhin kannte sie die Anderen erst seit einer Stunde, wenn überhaupt. Kamen sie schon wieder auf das Naruto-Welt-Thema? Also bitte! Sie saßen am Bach, unterhielten sich angeregt und Ciel hielt eine Schriftrolle in der Hand. Wie auch sie, war er anders ausgerüstet, als der Rest. Während sie Waffen trugen, waren es bei Ciel und ihr Taschen. „Ava, das musst du dir ansehen“, rief Ciaran ihr zu, er sie sah. „Was ist los?“ Es war ein seltsames Bild, das sich ihr offenbarte. Sechs junge Erwachsene in cosplayverdächtigen Klamotten saßen dort und blickten auf Schriftrollen. „Es ist echt wie in Naruto“, sagte Ciaran. „Entweder das, oder jemand treibt einen gewaltigen Scherz“, warf Kamil ein, wirkte dabei aber nicht überzeugt. „Eigentlich ergibt alles keinen Sinn.“ Feline seufzte. Ciel hielt Ava die Schrifftrolle entgegen. Okay. Sie musste zugeben, dass das wirklich aussah wie in Naruto. Bei ihren war das anders, zumindest hatte sie dies so wahrgenommen. „Es gibt nur einen Weg, um heraus zu finden, ob wir es wirklich sind.“ Sechs blinzelte Augenpaare und Frederico, der endlich aufhorchte, sahen zu ihr. „Wenn wir wirklich in der Naruto-Welt sind, müssten wir auch Dinge tun, die nur dort möglich sind.“ Sunny war, wie erwartet, begeistert. „Dann lass uns das gleich ausprobieren.“ „Da gibt es nur ein Problem“, sagte Ava, „wir wissen nicht, wie sie es machen. Selbst wenn es hier möglich wäre, wüssten wir nicht wie. Auch mir Schriftrollen, falls ihr welche habt.“ Die Begeisterung verschwand. „Oh“, sagte sie leise, „und jetzt?“ Darauf wusste keiner eine Antwort. Einige von ihnen suchten ihre Rucksäcke ab und zogen tatsächlich welche hervor. Sie lasen sie auch, aber eigentlich waren es nur ein paar Bildchen von Handzeichen, die sie zwar nachahmen, aber nicht benutzen konnten. „Vielleicht sollten wir dem Bach folgen, es wird schon einen Grund haben, warum es auf dem Brief stand. Wir könnten was herausfinden.“ Es war Kamil, der die Stille unterbrach. Sie schwiegen, während sie neben dem Bach herliefen. Jeder in seinen Gedanken verloren. Amaro dachte darüber nach, warum er hier blieb. Jeder logischer Grund sprach dagegen, bei diesen Kindern zu bleiben. Diese ganzen Vermutungen waren Schwachsinn. Gut, er kannte Naruto kaum. Im Laufe des Jahres hatte er nur wenige Folgen gesehen. Bis auf die Typen in den schwarzen Mänteln – die einzig halbwegs sympathischen Charaktere - konnte er sich an nichts Weiteres erinnern. Keiner von den Kindern konnte einen Grund nennen, warum sie hier her gekommen waren und Amaro glaubte nicht daran, dass man nach seinem Tod, in einer Serie weiterlebte. Folglich musste das ein Scherz sein, wie auch immer sie, oder sonst wer, das angestellt hatte. Ihnen vertraute er nicht. Schon gar nicht dem Tier. Trotz all dieser Gründe spürte er, dass er nicht weggehen konnte. Er musste hier bleiben. Felines Gedanken blieben nur kurz bei dem Ort, an dem sie waren. Sicherlich würden sie dafür noch eine Erklärung finden und bald könnte sie wieder zuhause auf dem Sofa sitzen und ein gutes Buch lesen. Das war es nicht, was ihr Sorgen machte. Noch nicht. Es war das Katana. Es war nicht richtig. Als sie den Wald hinter sich ließen, wurde der Bach breiter und der Boden steiler. Vor ihnen lag nun ein Tal. Eine riesige Ebene, bedeckt von wogegen Gras und kleinen Büschen. Es sah wirklich schön aus, aber hier führte ihr Weg nicht lang. Der Bach machte eine Biegung. Ava seufzte leise, irgendwie gefiel ihr das ruhige Tal lieber als dieser Seitenweg. Aber was sollte sie schon dagegen machen? Es war zugegebenermaßen sehr naiv, einfach einem Stück Papier zu glauben, von dem sie nicht wussten, woher es stammte, doch war es ihr einziger Anhaltspunkt. Ava glaubte nicht daran, dass sie etwas herausfinden würden, weil es nichts zum Herausfinden gab, jedoch konnte ein Versuch nicht schaden. Etwas anderes blieb ihr auch nicht übrig. Alleine bleiben wollte sie nicht und die anderen würden auch ohne sie gehen. Aber das würde nicht passieren. „Hört ihr das auch?“ Feline war plötzlich stehen geblieben, den Kopf in die Ferne gedreht. „Was denn?“ Kamil blieb neben ihr stehen, die anderen taten es ihm gleich. „Ich höre auch nichts“, sagte Sunny. Feline schien nicht auf die anderen zu achten. „Klingt wie ein Wasserfall.“ Sie ging einige Schritte nach vorne. „Ganz klar.“ „Na und?“ Frederico sagte nun zum ersten Mal, seit dem sie den Wald verließen, etwas. Seine Augen waren auf sie gerichtet. Ava, glücklicherweise hinter Frederico stehend, verdrehte die Augen. Musste das jetzt sein? Entgegen ihrer Vermutung ging Feline einfach weiter, doch war nicht zu übersehen, wie angespannt sie war. Es war wohl klüger, sie jetzt nicht anzusprechen, auch nicht Frederico, obwohl sie die Tatsache mit dem Wasserfall interessant fand. Stichwort Übersicht bekommen. Oder so ähnlich, eigentlich hatte sie wenig Ahnung darüber, wie man sich an einem unbekannten Ort zu Recht fand. Ihre Heimat war ihr Labor. Viel geordneter als diese Wildnis. „Das wird nicht lange gut gehen mit den Beiden“, sagte Ciaran leise. Ava und Ruri, die ihm an nächsten standen, nickten. Was sie dagegen unternehmen sollten, wusste sie nicht. Sie seufzte und ging weiter. Feline behielt recht. Nach einer Weile, Ava wusste nicht genau, wie lange, ihr Zeitgefühl war ein wenig durcheinander, hörte auch sie das Rauschen. Etwa zu dieser Zeit mündete der Bach in einen Fluss, der ruhig vor sich her floss und erst schneller wurde, als das Gelände zunehmen steiniger wurde und abfiel. Sie folgten auch dem Fluss. Es war irgendwie klar, keiner sprach darüber, aber alle machten es, ohne darüber nachzudenken. Es war schon seltsam. Aber vielleicht war das so bei Halluzinationen. Es war immerhin ihre erste. Und dann gleich so eine. Passierte garantiert nicht allen. Den Wasserfall fanden sie schnell. Er war nicht zu übersehen. Der Abhang endete abrupt an einer Klippe, ließ das Wasser herunterfallen und die Tropfen im Licht schimmern. Aber das war es nicht, was sie faszinierte. Folgte man dem Flusslauf, so erkannte man eine Stadt, die von einem hohen Wall aus Holz geschützt war. Der Fluss floss durch sie durch und teilte sie in der Mitte. „Wow“, sagte Sunny leise. Ava musste ihr, wenn auch widerwillig, zustimmen. Es war fantastisch. Das Tal war nichts dagegen. „Kawagakure.“ Ungläubig starrte Ciaran auf die Stadt. Jetzt sah Ava, was er meinte. „Ich glaub's nicht.“ Über dem Stadttor stand es eindeutig. Kawagakure – das Dorf versteckt hinter dem Fluss. Wie einfallsreich. „Denkt ihr, wir sollen ins Dorf?“ Feline war dem Rand der Klippe gefährlich nahe gekommen. „Ich denke ja“, sagte Kamil, „was sollten wir auch sonst? Vielleicht finden wir dort heraus, wie wir zurück kommen.“ Wenn das seine einzige Sorge war... Ruri wirkte nicht begeistert von dieser Idee. „Wie stellst du dir das vor?“ „Keine Ahnung. Aber wir müssen das heraus finden.“ „Du musst das. Ich will nicht zurück. Bitte nicht noch ein Streit. Das konnten sie nun wirklich nicht gebrauchen. „Wir können uns zumindest umsehen“, warf Feline ein. „Ich halte das auch für eine gute Idee.“ Ciaran sah zu Ciel, dessen Hände sich schnell bewegten. „Er auch.“ „Ich wäre auch dafür.“ Sunny strahlte in die Runde. „Das ist doch total cool. Wir sind wirklich in Naruto, da müssen wir uns einfach umsehen.“ Grandioser Grund. „Wir sollten uns zumindest überlegen, was wir dort machen.“ Das fand Ava am logischsten. „Ich fände es mal gut, was zu Essen. Ich hab seit Stunden nichts im Magen und Geld haben wir ja jetzt.“ Und Sunny grinste immer noch. Konnte sie überhaupt einen anderen Gesichtsausdruck zeigen? War ja heftig nervig. „Klingt gut“, sagte Ciaran. Auch die anderen stimmten zu. „Danach suchen wir nach Informationen.“ Kamil hatte es wirklich eilig. Aber damit war sie einverstanden, egal ob sie sich was daraus erhoffte oder nicht. Ciel machte einigen Handbewegungen. „Er würde gerne gucken, ob er noch was Nützliches findet. Er hat zwar einiges bekommen, aber nicht genug“, übersetzte Ciaran. Frederico sagte zu all diesen Dingen nichts. Doch wirkt er sehr angespannt. Als ob er Lust hätte, sie alle möglichst grausam umzubringen. Ava zweifelte nicht daran, dass er es tun würde, wenn er die Möglichkeit dazu hätte. Damit war beschlossen, was sie machten. Der Weg hinunter stellte sich als schwer, aber machbar heraus. Ciaran schien kein Problem damit zu haben, zu klettern. Ganz im Gegenteil. Er erreichte den Fuß der Klippe schnell. Nur Feline war schneller. Eine Überraschung war das nicht. Sie selbst schien darüber erstaunter als Ava. „Wie habe ich das gemacht?“, hörte sie sie zu Ciaran sagen. „Wenn ich das wüsste, würde ich es auch machen.“ Ava auch. Bei ihr sah das bei weitem weniger eleganter aus, als bei den Beiden. Glücklicherweise war sonst nur Kamil schnell. Der Rest brauchte, wie sie, lange um sicher unten anzukommen. Ciel „sagte“ etwas, woraufhin Ciaran und Feline lachten. Ava war aber zu beschäftigt, um nachzufragen, was so witzig war. Das letzte Stückchen sprang sie und landete, mehr oder weniger sanft, im Gras. Sunny tat es ihr gleich, stolperte dabei und wurde gerade noch rechtzeitig von Ciel aufgefangen. Schade eigentlich. Auch ein Model sollte mal kräftig auf die Schnauze fallen. „Danke“, sagte sie. Natürlich antwortete er nicht, lächelte aber. Sollte wohl „kein Problem“ heißen. War mal wieder typisch. Da war eine Tusse zu dumm zum Laufen und wurde trotzdem von allen gemocht. Das hatte sie schon bei Twilight nicht leiden können. Im echten Leben war das aber noch unerträglicher. Ava war froh, dass sie schnell weiter gingen. Dann musste sie nicht länger diese Situation ertragen und konnte bald etwas essen. Sie hatte tierischen Hunger. Das Essengehen war zumindest eine gute Idee von Sunny gewesen. Das musste man ihr lassen. Allerdings war es keine großartige Leistung. Jeder Mensch, der Hunger hatte, suchte Nahrung. Sie erreichten Kawagakure. Kapitel 9: Das Ryokan --------------------- Das Stadttor war riesig. „Wow“, staunte Sunny. Vor ihm fühlte sie sich klein und unwichtig. Das war also die Naruto-Welt. Daran hatte sie keinen Zweifel mehr. Es war seltsam. Absolut verrückt und eine Erklärung hatte sie auch nicht, aber was anderes konnte es nicht sein. Ihr Grinsen wurde breiter, trotz dieses seltsamen Gefühls konnte sie einfach nicht anders. Das war cool, fantastisch. „Was sagen wir eigentlich, wenn wir gefragt werden, woher wir stammen?“ Unsicher sah Feline in die Runde. „Gute Frage“, sagte Kamil, „ich kenne mich nicht genug mit Naruto aus, falls wir hier sind.“ „Wir kommen aus einem fernen Land. Das erklärt unsere Namen.“ Ciaran lächelte nervös. Sunny fand, dass er das nicht sein musste. Die Idee war gut. „Klingt gut.“ „Hoffen wir, dass sie das glauben.“ Ruri verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust. „Werden sie schon.“ Sunny sah keinen Grund, warum sie es nicht tun sollten. Sie hatten keine Zeit mehr, sich weiter Gedanken zu machen. Eine Tür, eingesetzt im linken Torflügel, öffnete sich und zwei junge Männer kamen hervor. Bis auf die blaue Weste war ihre Kleidung in Erdfarben gehalten, das Zeichen auf ihren Stirnbändern erinnerte Sunny an ein langgestrecktes S. Das sollte wohl den Fluss darstellen. „Hallo“, sagte er der erste Mann freundlich. „Willkommen in Kawagakure“, sagte der andere Mann, „ich bin Makoto Ogawa und das ist mein Bruder Kenzo.“ Sie erwiderten die Begrüßung. Zumindest die meisten von ihnen, Frederico tat es nicht. „Wir müssen euch fragen, woher ihr kommt und wer ihr seid.“ Entschuldigend sah er zu der Gruppe. „Natürlich.“ Kamil übernahm das Sprechen. „Hinter uns liegt ein langer Weg, wir kommen von außerhalb und wollen uns ein wenig ausruhen.“ Dann stellte er sie vor. Eine gute Idee, Frederico hätte nichts gesagt und das wäre sicher auffällig. „Freut mich, euch kennen zu lernen. Kommt rein.“ Makoto und Kenzo traten zur Seite. Das war es gewesen? Sonst kam nichts? Sunny grinste breiter. Das war ja einfacher als gedacht. Sie trat als erstes durch die Tür und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Das war also ein echtes Ninjadorf. Kawagakure erschien ihr kleiner als Konoha und traditioneller, fast schon wie ein Bauerndorf, aber sie hatte kaum Ahnung von japanischer Architektur. Es war schlicht, aber schön. Ein gepflasterter Weg führte einen leichten Hügel hinunter zu einer Brücke, die den Fluss überquerte. Menschen kamen ihnen entgegen, grüßten sie und verschwanden in einer der zahlreichen Seitengassen. Sunny drehte sich zu der Gruppe um. Sie schienen nicht alle begeistert. „Das war zu einfach“, sagte Ruri. Einige nickten zustimmend. „Es sind die Zeiten Akatsukis. Da würde ich keine Fremden einfach rein lassen. Kamil hat nicht mal gesagt, wo genau wir angeblich herstammen.“ Feline beobachtete die Umgebung, schien dem Gespräch aber zugewandt. „Naja.“ Sunny sah sie an. „Wir wissen ja nicht, zu welcher Zeit wir hier sind. Es kann ja sein, dass es friedliche Zeiten gibt.“ „Es gab nie friedliche Zeiten.“ Ruri war eindeutig Pessimistin. Ciel war aber auf ihrer Seite. „Er meint, dass wird das Dorf nicht kennen und es vielleicht abseits liegt. Daher brauchen sie hier nicht vorsichtig zu sein“, übersetzte Ciaran, er selbst schien davon aber nicht vollkommen überzeugt. „Ich weiß nicht, sollten Ninja nicht generell vorsichtig sein?“, sagte Feline, die sich nun zu ihnen gedreht hatte. „Kann das warten?“, fragte Sunny. „Ich hab tierischen Hunger.“ Wenig später saßen sie in einem kleinen Restaurant, wenn man das so in Japan nannte, und aßen, sehr zur Sunnys Freude, Ramen. Es war viel besser, als diese billigen Tütensuppen, die man kaufen konnte. Sie hatte sie nur ein paar Mal probiert und es dann sein lassen, in New York gab es viele Restaurants und sie kam in den Genuss richtiger Ramensuppe, aber selbst die war nichts im Vergleich zu diesen. Jetzt fragte sie sich erst recht, wie Ichirakus Ramen schmeckte. „Was machen wir, nach dem wir das eingekauft haben, was wir noch brauchen?“, fragte Ciaran nach einer Weile. „Herausfinden, was wir hier machen und wie wir zurück kommen“, antwortete Kamil ohne zu Zögern. „Und wie?“ Ruri hob eine Augenbraue. Kamil seufzte. „Keine Ahnung, aber wir könnten uns umsehen, vielleicht finden wir irgendwelche Informationen.“ „Ich finde, wir sollten es zumindest ein wenig genießen, hier zu sein. Wie oft hat man schon die Chance im coolsten Manga der Welt zu sein?“ „Siehst du das nicht ein wenig naiv?“ Ava sah zu Sunny. „Wieso naiv?“ Ava rollte nur mit den Augen. Vielen Dank auch. „Sunny, die Naruto-Welt ist gefährlich. Stell dir vor, wir treffen Akatsuki. Wir sind tot, bevor wir überhaupt merken, dass die da sind.“ Ciaran sprach wie mit einem kleinen Kind. „Sei doch nicht so pessimistisch.“ „Das bin ich nicht, ich versuche dir nur klar zu machen, dass das hier kein Spiel ist.“ „Ach komm schon. Ein bisschen Spaß darf man doch haben.“ „Wenn es nach mir ginge ja, aber hier gibt es andere Gesetze und Sitten.“ „Aber -“ „Jetzt seid still!“, fauchte Feline, bevor Sunny noch etwas sagen konnte. Seit dem sie das Dorf betreten hatten, hatte sie kein Wort mehr gesagt. Nun sah sie richtig fertig aus. Wie ein gehetztes Tier. „Alles in Ordnung mit dir?“, fragte Sunny. Feline schüttelte ihren Kopf. „Ist alles zu laut.“ Sie hörte ja viel besser als sie alle, das hieß, dass sie alles viel lauter mitbekam. Musste in einer Stadt ziemlich beschissen sein, auch wenn sie so klein war wie diese. „Oh“, sagte sie leise. Helfen konnte sie kaum. Die Katze ihrer Nachbarin hatte sich immer unter dem Sofa versteckt, wenn es lauter wurde, aber diese Möglichkeit blieb Feline nun wirklich nicht. „Können wir was für dich tun?“, fragte Ciaran, doch Feline schüttelte nur ihren Kopf. „Nein, seid einfach nur ein wenig stiller, okay?“ Sie lächelte ein wenig. „Wir sind also in der Naruto-Welt.“ Ciaran verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schnaufte. „Nicht zu glauben.“ Aus den Augenwinkeln sah Sunny wie Fredericos Gesichtszüge hart wurden. Konnte der eigentlich auch anders gucken? Das war gruselig! Überhaupt war er das, egal, wie er schaute. Sunny beschloss sich lieber an die anderen Männer zu halten. Die waren viel besser drauf und nett. Kamil war einer der Menschen, der ihr auf Anhieb sympathisch war. Ciaran war da ähnlich, aber auf eine andere Art. Man verzeihe ihr den klischeehaften Vergleich, aber Kamil erinnerte Sunny an seinen Löwen. Die Art wie er lief, sich bewegte. Ciaran hingegen war sanfter oder wirkte zumindest so. Ciel war der Ruhigste der drei … nun, natürlich, doch war er der Einzige, der ihr ein wenig schüchtern vorkam. Sunny fand es recht schwer, ihn einzuschätzen. Wie abhängig sie von der Sprache war. Sie würde auf keinen Fall mit ihm tauschen wollen, auch wenn Ciel mit seinem Stummsein keine Probleme zu haben schien. Noch schwerer als Ciel, war Ruri einzuschätzen. Sunny kam generell nicht mit stilleren Menschen gut klar, oder sie nicht mit ihr, das war nie wirklich eindeutig, aber Ruri war besonders einzelgängerisch und gab kaum etwas von sich preis. Dabei war es gerade bei ihr interessant, wie sie hier her gekommen war. Was mit Ava passiert war, wusste sie. Eigentlich fand sie sie auch richtig nett, aber irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, dass das nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Und Feline, sie war nett, keine Frage, aber furchteinflößend. Sie sah aus wie ein Raubtier, das bereit war, einen die Zähne in den Hals zu schlagen. Einen Streit mit ihr sollte man wohl besser vermeiden. „Sunny, kommst du?“ „Was?“ Sunny sah auf. „Wir wollen los.“ Ciaran sah sie lächelnd an. „Na klar.“ Sie erwiderte das Lächeln und folgte ihm aus dem Restaurant. Mittlerweile wurden die Schatten länger, in den engen Gassen zwischen den Häusern war es schon fast dunkel. „Und nun?“, fragte Kamil „Wollte ihr noch einkaufen?“ Ciel nickte. „Ich würde mich ganz gerne umsehen“, sagte Sunny. Das wollten auch Ciaran und Ava. Feline hingegen lehnte ab. „Es ist so verdammt laut hier.“ Ruri und Frederico schlossen sich ihr an. “Und was ist mit dir?“ Feline sah zu Kamil. Dieser zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Ich denke, heute finde ich keine Informationen mehr und wir brauchen noch einen Ort zum Schlafen. Den kann ich besorgen.“ Wenig später saß Kamil zusammen mit Ruri, Feline und Frederico am Fluss unter einigen Bäumen. Er hatte es geschafft, eine Unterkunft für die Nacht zu bekommen, wenn auch nicht in Kawagakure, sondern außerhalb. Jetzt musste er warten. Viel mehr blieb ihm nicht übrig. Um diese Uhrzeit und noch dazu erschöpft, mittlerweile war er seit Stunden auf den Beinen, fand er nichts mehr, was ihm weiter helfen würde. Er hasste es. Es war widerlich – demütigend – keine Wahl zu haben. Verdammt zu der Passivität zu sein. Kamil musste zurück. Bevor es zu spät war. Ruri sah keinen Grund dazu, sich über die Rückkehr Gedanken zu machen. Viel wichtiger war es jetzt herauszufinden, wie sie hier zurechtkamen. Diese Welt war gefährlich und sie als normale Menschen schutzlos. Sie wollte nicht kämpfen oder gar töten, aber was sollten sie tun, wenn sie angegriffen wurden? Wie sollten sie sich wehren? Selbst wenn der Wille da wäre, die Möglichkeiten waren es nicht. Hier lebten Übermenschen, von denen manche nicht einmal vom Tod aufgehalten werden konnten. Ein Zurück gab es für sie dennoch nicht. Ciel verstaute die Kräuter im Rucksack. Er war sich nicht hundertprozentig sicher, wie sie wirkten, doch hatte er genügend Informationen dabei, um es heraus zu finden. Ava hatte es ähnlich gehandhabt „Ich weiß nicht wieso, aber ich glaube, dass das Zeug uns helfen wird.“ Das Gefühl hatte er auch. „Ich kann es immer noch nicht glauben.“ Ava seufzte. Ciel nickte bedächtig, dann schrieb er auf den Block, den er sich gekauft hatte: Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht. Es klingt unwahrscheinlich, ich weiß, aber alle andere Möglichkeiten erscheinen mir noch unmöglicher. „Vielleicht hast du Recht.“ Überzeugt wirkte sie aber nicht. Wir sollten zu den anderen gehen. Sie warten sicher. Ava nickte. Sie liefen schweigend durch die sich leerenden Straßen, bis Avas Blick auf seinen linken Unterarm fiel. „Sag – ehm, schreib – mal, Ciel. Hat das Tattoo eine Bedeutung oder bist du einfach nur ein Patriot?“ Ciel sah zu ihr, dann auf die Tätowierung. Fraternité*. Abwesend strich er über die Buchstaben und seufzte. „Ciel? Alles in Ordnung? Hab ich was Falsches gesagt?“ Schnell schüttelte Ciel den Kopf und griff nach Block und Stift. Entschuldige bitte, ich war abgelenkt. Ich hab es mir zusammen mit Freunden stechen lassen. Es gehört zu uns. „Verstehe.“ Ava lächelte und er versuchte es zu erwidern, scheiterte kläglich und war froh, dass sie wegschaute. „Ich hoffe, Kamil hat etwas gefunden, zumindest für diese Nacht“, sagte Ava nachdenklich. Ciel verstand sie. Er war es gewohnt, mal ungemütlich zu schlafen, auch im Freien, aber nach diesem Tag, und unter Anbetracht der Tatsache, dass der durchschnittliche Ninja gefährlicher war, als der durchschnittliche Verbrecher ihrer Welt, war es ihm lieber, in einem Haus zu übernachten. Das wird er haben. Schwer kann das nicht sein. „Ich hoffe es.“ Er lächelte sie aufmunternd an. Jetzt konnte er es. Kawa war friedlich, ein wenig verschlafen, jetzt waren kaum Menschen auf der Straße und es war noch nicht einmal dunkel, aber das konnte an seinem Empfinden liegen. Er kannte das Leben in einem Dorf nur aus seiner Kindheit. Hier und da rannten Kinder über die Straßen, von denen eines beinahe in sie hinein gelaufen wäre. Ohne sich zu entschuldigen, rannte es weiter und verschwand in einer Gasse. „Darum hasse ich Kinder“, sagte Ava und Ciel grinste. Er konnte sie verstehen. Kinder waren nur süß, wenn sie schliefen und das war keine große Leistung. Jeder war niedlich, wenn er schlief. Kamil hatte es tatsächlich geschafft, einen Ort zum Übernachten zu finden. Dass sie wieder aus Kawagakure raus mussten, fand Ciel zwar nicht sonderlich prickelnd, doch blieb ihnen nichts anderes übrig. Ein halbe Stunde später waren sie auf dem Weg zur Unterkunft. Ryokan nannte man sie hier. Ciel war das egal, er war todmüde und wollte nur noch schlafen. Er war früh aufgewacht, vier Uhr morgens, zumindest in Frankreich, um zu beschließen, nach Adrèche zu fahren. Als er vom Baum fiel, war die Sonne kurz vorm Untergehen und als er hier aufwachte, war es Mittag. Er hatte keine Ahnung, wie viele Stunden das waren, aber es waren eindeutig zu viele. Ciel gähnte und bemerkte die nervösen Blicke der anderen nicht. Kamil warf immer wieder einen Blick über die Schulter, Fredericos Hände wanderten zu der Kunaitasche und Felines Gesicht war angespannt. Ciel war mehr damit beschäftigt, nicht hinzufallen. Es war nun komplett dunkel und er blieb an einer Wurzel hängen. Hätte Ciaran nicht schnell reagiert und ihn aufgefangen, wäre er unbequem gefallen. Die Herberge lag in der Nähe des Wasserfalls, allerdings weiter westlich und hinter einem kleinen Wald, so dass sie sie vorhin nicht sehen konnten. Schade, das hätte ihnen den Weg erspart. Einkaufen gehen hätten sie auch am nächsten Tag gekonnt. Ciel seufzte. Das konnte man jetzt nicht mehr ändern. Der Weg durch den Wald, egal wie klein er war, war noch schlimmer als der über die Ebene. Dieses Mal war es Ciel, der Ciaran die Bekanntschaft mit dem Boden ersparte, übersah aber einen Ast auf Nasenhöhe und war zum ersten Mal froh darüber, dass es dunkel war. Musste nicht jeder mitbekommen, auch wenn er glaubte, dass Feline keine Probleme beim Sehen hatte. Jedenfalls war sie die Einzige, die nirgendwo hängen blieb oder stolperte. „Oh wie schön!“, staunte Sunny, die neben ihm stand, als sie das Ryokan erreichten. Er musste ihr zustimmen. Still und friedlich stand das Haus dort und wirkte wie gemalt. Ciel vermisste seine Kamera, das hier hätte ein wunderbares Motiv abgegeben. Hinter sich hörte er Frederico schnaufen. Musste das sein? So langsam ging ihm der Typ gewaltig auf die Nerven. Keiner konnte etwas daran ändern, das sie hier waren. Ciel konnte sich viel schönere Orte vorstellen, an denen er jetzt sein wollte und hatte Besseres zu tun, als Nachts durch die Gegend zu stolpern. Hatte sicher jeder von ihnen! In solchen Momenten war Ciel froh, dass sein Repertoire an Lautäußerungen begrenzt war. Das ersparte ihn des Öfteren eine gebrochene Nase. So auch jetzt. Im dunklen konnte Frederico sein Gesicht und somit nicht den verächtlichen Blick sehen. Zum Glück. Ciel glaubte nicht, dass Frederico der Typ von Mensch war, der verzieh. Auf halbem Weg zum Haus kam eine rundliche Frau, Ciel schätze sie auf Anfang fünfzig, auf sie zu. „Sind Sie die Ninja, die mit Kenzo gesprochen haben?“ „Ja“, sagte Kamil nur, lächelte die Frau an. „Sehr schön. Ich bin Yuuka Momo** und leite zusammen mit meinem Mann das Ryokan. Kenzo hat mir einen Brieffalken geschickt, dass ihr kommt. Er ist ja so ein netter Mann und noch dazu mein zukünftiger Schwiegersohn, aber was rede ich da? Ihr seid sicher müde. Kommt mit rein. Wir haben schon alles vorbereitet.“ Frau Momo wartete keine Antwort ab, sondern zog den verdutzten Kamil hinein. Nette Frau, aber ein wenig stürmisch. „Wir haben euch alles zurecht gemacht. Ihr könnt gleich schlafen. Zu essen haben wir leider nichts mehr, wir wussten nicht, dass wir noch Gäste bekommen und haben nichts mehr. Zum Einkaufen war es dann zu spät, bis mein Mann unten ist, dauert das immer ewig und meine Tochter Miyu war noch unterwegs. Tut uns schrecklich leid. „Das ist kein Problem“, sagte Ciaran. „Es freut mich, dass Sie so viel Verständnis haben. Es ist heutzutage ja so schwer, anständige Menschen zu treffen, aber Sie scheinen eine Ausnahme zu sein. Sagen Sie, sie sind zufällig vergeben, oder?“ „W-was? Ähm … nein. Wieso?“ „Meine jüngere Tochter Noriko sucht seit Monaten einen Freund, wissen Sie, ihr letzter Freund war kein sehr netter Mensch und so einer wie Sie es sind, würde ihr gut tun.“ „Aha.“ „Sie wären sicher kein Betrüger! Da wüsste man, woran man ist, verstehen Sie?“ „Ja.“ „Aber Noriko ist immer unterwegs. Keine Ahnung, was sie treibt, aber das könnten Sie ja dann heraus finden, wenn Sie sie treffen würden, nicht wahr?“ Grinsend sah Ciel weg, sein Lachen war zwar lautlos, doch nicht übersehbar. Es stellte sich aber als Fehler heraus, ausgerechnet zu seiner linken Seite zu schauen. Feline hustete, oder tat zumindest so, um einen Kichern zu überspielen, Sunnys Gesicht war vor Anstrengung, nicht los zu lachen, rot angelaufen und Kamil schien eine Pflanze, die auf einer Fensterbank stand, furchtbar interessant zu finden. Gerade als er zu Ava sah, die wie Kamil großes Interesse an der Inneneinrichtung zeigte, ging eine Tür auf und ein Mann kam in das Zimmer. Das musste Herr Momo sein. „Yuuka, jetzt lass unsere Gäste in Ruhe. Noriko wird schon selbst einen Mann für sich finden, du musst nicht jeden Mann mit ihrer Geschichte belästigen.“ Frau Momo sah ihren Mann mit tödlichem Blick an. „Ich kümmere mich um das Schicksal unsere Tochter, mein Lieber. Das kann man von dir nicht behaupten.“ „Jetzt fange nicht damit an.“ Noch eine Tür ging auf, in ihr stand eine junge Frau mit braunen Haaren. „Streitet ihr schon wieder?“ Doch bekam sie keine Antwort. Sie seufzte. „Ich bin Miyu, meine Mutter hat sicher schon über mich erzählt. Kommt mit, ich zeig euch eure Zimmer.“ „Es tut mir furchtbar leid. Meine Eltern lieben sich wirklich sehr, aber sie streiten immer.“ Miyu sah sie entschuldigen an. „Kein Problem, aber das mit den Heiraten hat deine Mutter nicht ernst gemeint, oder?“, sagte Ciaran. „Keine Sorge. Das sagt sie zu jedem zweiten jungen Mann, der hier rein spaziert.“ Er wirkte erleichtert. Ciel konnte es ihm nicht übel nehmen. „Ihr könnt euch aussuchen, wo ihr schlafen wollt. Wir haben keine andere Gäste.“ Ciel nahm sich das Zimmer, das ihm an nächsten war. Aus Gewohnheit sah er sich gleich nach einem Bett um, bis sein Blick auf den Futon auf dem Boden fiel. Natürlich. Hier war alles japanisch. Er seufzte, aber legte sich hin. Hauptsache er konnte schlafen. Er wusste nicht, dass er einer der wenigen war, die Schlaf fanden... …......................................... * Fraternité ist Französisch und bedeutet Brüderlichkeit. Liberté, Egalité, Fraternité (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) war der Leitspruch der Französischen Revolution und ist heute noch der Wahlspruch Frankreichs. Daher also Avas Frage, ob Ciel Patriot sei. ** Momo bedeutet Pfirsich auf Japanisch. Kapitel 10: Akatuski -------------------- In dieser Nacht schliefen nicht alle. Feline und Kamil saßen, sich leise unterhaltend, im Garten. Keiner der beiden hatte auch nur ansatzweise Schlaf gefunden. „Geht es um den Weg hier her?“ Ruri trat zu ihnen. Sie hatte die Nervosität der anderen nicht bekommen, jedoch das Gefühl, beobachtet zu werden. Feline und Kamil schauten zu Ruri. Das war es nicht gewesen, noch nicht. Aber sie hatte Recht damit. „Du hast es also bemerkt.“ Es war eine Feststellung Kamils. „Dass da etwas war?“ Kamil nickte. „Ja.“ „Wir wissen nicht, wer oder was es war. Eigentlich bin ich mir nicht mal sicher, ob wir – naja – wirklich verfolgt wurden“, sagte Feline und seufzte. Es fiel ihr immer schwerer, Herr ihrer Sinne zu sein, jetzt wo sie so müde war, erst recht. „Wer weiß noch davon?“, fragte Ruri. Sie bekam keine Antwort, sondern nur ein Fauchen von Feline. „Da kommt wer.“ Sie hörte Schritte und ein Flüstern, das sie nicht verstand. „Seid vorsichtig.“ Feline schaute nicht zu ihnen, sondern lief einige Schritte vor. „Ein Angriff?“ Kamil kam ihr nach. „Würden sie schleichen, wenn sie friedliche Absichten haben?“ „Wohl kaum.“ Feline hörte, wie Ruri unruhig wurde. „Wir sollten nachsehen, wer da ist.“ Kamil war viel ruhiger als die beiden Frauen. „Dann mach ich das. Ich sehe im Dunklen und muss nicht so nahe heran wie ihr.“ Kamil nickte. „Komm so schnell es geht zurück. Wir warten hier.“ Sie war über sich selbst erstaunt, wie leise sie war, während sie geduckt durch das hohe Gras eilte. Entfernt hörte sie die Stimmen von Kamil und Ruri, versuchte sie aber zu verdrängen um sich auf die Fremden zu konzentrieren. „Wartet auf das Signal.“ Hieß das etwa …? Oh nein, das war gar nicht gut. Mit klopfendem Herzen blieb Feline stehen. „Die Tochter ist stärker, als sie aussieht. Schaltet sie zuerst aus. Bei den Fremden ist es umgekehrt.“ Das reichte, um zu wissen, was sie vorhatten. Einen Fluch zurückhaltend drehte Feline sich um und lief vorsichtig los. Ein Knall durchdrang die Stille. „Das Signal. Los jetzt.“ Feline vergaß den Vorsatz, unauffällig zu bleiben. Sie musste die anderen warnen, bevor die Fremden das Ryokan erreichten. Sie schaffte es, doch waren Kamil und Ruri verschwunden. Sie fluchte. „Wen haben wir denn da?“ Feline wirbelte herum. Es waren die Männer, die sie gehört hatte, dunkel gekleidet und mit beunruhigenden Blicken. „Wer will das wissen?“ „Mutiges Kätzchen.“ Der Mann lachte. „Geht vor. Ich kümmere mich um das Tier.“ Die anderen Männer gehorchten und verschwanden im Haus. Feline versuchte gar nicht erst, sie aufzuhalten. Sie bemerkte sie kaum. Tier? Hatte das Arschloch das wirklich gesagt? „Und jetzt lass uns spielen.“ Der Fremde zog ein Schwert. Fauchend wich Feline der Klinge aus und sprang auf den Angreifer zu. Überraschend leicht schnitten die Krallen durch das Fleisch des Mannes. Feline grinste. „Mistvieh!“ Er trat nach ihr und erwischte sie an der Seite. Es tat höllisch weh, aber ihr blieb keine Zeit, sich darum zu kümmern. Wieder duckte sie sich unter dem Schwert weg, schlug erneut zu. Blut floss von ihren Fingern. Es war ein berauschendes Gefühl. Der nächste Schlag des Mannes traf sie mit dem Schwertgriff am Kopf und riss sie zu Boden. Das Schwert glänzte im Mondlicht und es war zu spät, um ihn zu entkommen. Ein entsetzlicher Schrei, spritzendes Blut und der Angreifer fiel. Ein großer Mann mit blauer Haut sah zu ihr hinunter. Kisame. „Feline-san?“ Sie nickte stumm. „Mir nach.“ Sie folgte ihm. Ein Knall und gleich darauf hörte Kamil die Schreie Miyus und zerspringendes Glas. „Wir müssen helfen“, sagte Kamil. „Was?“ „Ein Angriff.“ „Wie stellst du dir das vor?“ Immer wieder die selben Fragen, doch dieses Mal mischte sich Panik in Ruris Stimme. „Ich kann nicht kämpfen.“ „Komm mit.“ „Aber ...“ „Hier bist du auch nicht sicher.“ Dann rannte er los und Ruri ihm nach. Kaum war Kamil in das Haus getreten, hörte er wieder einen Schrei. War das Sunny? Er versuchte sich zu orientieren. Es schien einen Kampf zu geben, wenn er die Geräusche richtet deutete, der sich im Vorhof oder in dessen Nähe abspielte. Daran beteiligt waren mindestens Sunny und Miyu, wenn nicht noch mehr, der Kampf sollte sie alle aufgeweckt haben. Er deutete Ruri, still zu sein und ihm zu folgen. Egal was sie jetzt taten, Aufmerksamkeit erregen war falsch. Unwillkürlich zog er ein Kunai aus der Tasche. Wenigstens eine kleine Waffe. Vorsichtig öffnete er die Tür und wurde gleich von einem anderen Kunai begrüßt. Ein Mann, noch größer als er, holte aus. Gerade noch rechtzeitig konnte Kamil zurückweichen und Ruri mitziehen. Bei der Faust hatte er nicht so viel Erfolg. Der Fremde schlug in zur Seite, lief jetzt auf Ruri zu. Er überlegte nicht, er handelte sofort. Kamil schnellte nach vorne und riss den Mann zur Seite. Ein Schlag traf ihn, doch das nützte dem Angreifer nichts mehr. Bevor er zum zweiten Schlag ausholen konnte, hatte Kamil ihm das Kunai in den Hals gerammt. „Du hast ihn umgebracht.“ Entsetzt wich Ruri zurück. „Mir blieb keine Wahl.“ Er kam nicht mehr dazu, weiter auf sie einzureden. Er sah noch, wie ein Kunai zwischen ihnen landete. Dann gab es eine Explosion und er wurde weggezogen. Kamil erwartete Schmerzen, doch lockerte sich der Griff. Als sich der Rauch verzog, sah Kamil einen Mann tot auf dem Boden liegen und einen vor sich stehen. Er kannte ihn. Der Name dieses Mannes war Itachi. „Mitkommen.“ Einen Moment lang wollte Kamil protestieren, ließ es aber bleiben. Er wusste, dass er keine Wahl hatte. Ruri wollte schreien, doch wurde ihr der Mund zugehalten und sie spürte, wie sie nach draußen gezogen wurde. Verzweifelt versuchte sie, sich zu befreien, trat um sich und tat schließlich das Einzige, das ihr übrig blieb: Zu beißen. So fest sie konnte. Der Mann, der sie fest hielte, brüllte auf. Ruri nutzte die Chance, riss sie los und rannte. Sie wusste nicht, wohin. Nicht, was sie tun sollte. Aber sie würde nicht kämpfen und schon gar nicht töten. Das konnte sie nicht. Das durfte sie nicht. Hinter den Bäumen des Garten blieb sie stehen. „Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue. Und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße. Um seines Namens willen.“ Leise vor sich hinmurmelnd drückte sie sich gegen den Baum. Das Beten beruhigte sie. Gott war hier und würde ihr helfen. Er würde die richtige Entscheidung für sie treffen. „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal. Fürchte ich kein Unglück.“ Ihr Atem beruhigte sich. „Denn du bist bei mir. Dein Stecken und Stab trösten mich. Du bereitest vor mir einen Tisch. Im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl.“ Alles war gut. Alles würde gut werden. „Und schenkest mir voll ein. Gutes und Barmherz-“ Der letzte Teil des Psalms ging in einem erstickten Schrei unter, als ein Shuriken ihre Wange streifte. Der Mann hatte sie wiedergefunden. „Jetzt hab ich dich, du verdammtes Miststück.“ Ruri schwieg. Sie wollte fliehen, doch wusste sie, dass es sinnlos war. Er war schneller und stärker als sie. Vergib mir, Herr. Mit zitterten Händen griff sie nach einer Tasche, dann sollte es so sein. Ruri warf einen Wurfstern nach dem Fremden. Lässig wehrte er ihn ab. „Netter Versuch, aber viel zu lang-“ Dieses Mal war es der Mann, der nicht zu Ende sprach. Im Gegensatz zu ihr würde er es nie wieder tun. Ohne Kopf war das eine Sache der Unmöglichkeit ... es sei denn man war derjenige, der den Mann enthauptet hatte. „Was für einen Scheiß hast du da gelabert?“ „Oh mein Gott.“ Das war zu viel. Das konnte nicht sein. „Es reicht, wenn du mich Hidan nennst. Nur Jashin ist Gott.“ Das konnte nicht wahr sein. Ausgerechnet Akatsuki? Ausgerechnet er? Es wäre töricht zu glauben, dass er schlafen würde. Amaro hatte kein Auge zu gemacht und es auch nicht vorgehabt. Er traute keinen von ihnen. Schon gar nicht dem Tier. Rauchend saß er im Zimmer und überlegte, was er tun sollte. Es gab durchaus die Möglichkeit zu gehen, aber was dann? Die Kinder kannten sich wenigstens hier aus, zumindest besser als er. Solange sich das nicht änderte, wäre es nicht unbedingt klug, zu verschwinden. Die Zigarette neigte sich dem Ende zu und Amaro wurde bewusst, dass er kaum welche dabei hatte. Er schnaufte. Gab es hier überhaupt welche? Ein Knall ertönte und ließ die Gedanken verblassen. War das eine Explosion gewesen? Zum wiederholten Male verfluchte er, dass keine richtigen Waffen hier waren. Diese dämlichen Wurfdinger waren doch zu nichts zu gebrauchen! Stimmen drangen durch das Fenster. „Geht vor. Ich kümmere mich um das Tier.“ Kurz darauf öffnete sich seine Zimmertür und ein fremder Mann kam hinein. Er schien nicht damit gerechnet haben, dass sich noch jemand hier befand. Ein Messer durchschnitt die Kehle des Eindringlings. Die Axt, die er bei sich trug, fiel polternd neben ihn. Interessiert hob Amaro die Waffe auf, sie wirkte viel robuster, als disee Messer und, abgegriffen wie sie war, schien sie bereits gute Dienste geleistet zu haben. Die Geräusche im Haus wurden lauter, ab und an mischten sich auch Schreie unter sie. Warum mussten die Weiber immer kreischen, sobald es ein wenig gefährlich wurde? Das war nicht zum Aushalten. Die Augen verdrehen lief er los, sonst würde das noch ewig dauern und sonderlich stark schienen die Angreifer nicht zu sein. „Du hast Yuto getötet!“ Ein Jugendlicher, nicht älter als dieses nervige Mädchen, stürzte auf ihn zu. Überrascht von der Schnelligkeit kam sein Versuch auszuweichen zu spät. Amaro wurde gegen die Wand geschleudert und bevor er sich aufrappeln konnte, sah er, wie der Junge Fingerzeichen formte. Plötzlich keuchte der Angreifer auf und fasste sich an den Hals. Amaro brauchte kurze Zeit, um zu verstehen, was passierte. Eine einzelne Hand drückte dem Jungen die Luft ab. Das Kind gab noch einen erstickend Laut von sich, dann bewegte er sich nicht mehr. Die Hand löste sich vom Hals und flog zu seinem Besitzer zurück, der nun aus den Schatten trat. „Kommt mit“, sagte er. „Wieso sollte ich?“ „Dir bleibt keine andere Wahl.“ Ava schreckte aus dem Schlaf. Eine Explosion? War sie wieder zuhause? Sie lächelte kurz, bis sie erkannte, dass sie noch im Ryokan war. Ein panischer Schrei. Irgendwo zersprang Glas. Ohne nachzudenken lief sie aus dem Zimmer, direkt in Ciaran hinein. Sein Gesicht war kreidebleich. Bevor einer etwas sagen konnte, öffnete sich eine Tür und die Beiden zuckten zusammen. Es waren Ciel und Sunny. Erleichtert atmete Ava auf. Gerade war es ihr auch egal, dass es Sunny war, die zu ihnen gestoßen war. „Wisst ihr, was los ist?“ Sunny sah nervös hin und her. Von ihrem Grinsen war nichts mehr zu sehen. Gott sei Dank. „Nein“, sagte Ciaran schlicht. Ciel machte einige Bewegungen mit der Hand. Den Block hatte er nicht dabei. „Klingt gut“, antwortete Ciaran „Was denn?“, fragte Sunny. „Nachsehen.“ „Achso.“ Es dauerte nicht lange, bis die kleine Gruppe erneut zusammenfuhr. Dieses Mal kamen die Geräusche von verschiedenen Seiten. Einen Moment lang sahen sie sich an, bis Ciel sich aus der Starre löste. Ciaran übersetzte. „Teilen wir uns auf? Ava und ich nach links, die anderen zum Innenhof.“ Ava stimmte zu. Es gab sicher eine logische Erklärung dafür. Sie irrte sich. Sie waren gerade erst um eine Ecke des Flurs gebogen, da wurde etwas zwischen sie geworfen und explodierte. Ava schrie auf und stolperte zur Seite. Sie spürte eine Hand, die an ihrem Oberteil zog und hörte Ciaran etwas rufen. Noch bevor sich der Rauch verzog, schaffte sie es, sich loszureißen und rannte. „Verdammt!“ Ein Mann brüllte ihr nach. Sie warf einen kurzen Blick zurück und sah, wie Ciaran versuchte, seinem Griff zu entkommen. „Ich hol Hilfe!“ Mehr konnte sie jetzt nicht tun. Sie kam aber nicht weit. Ein weiterer Fremder kam ihr entgegen und Ava öffnete eine Tür, die nach draußen führte. Doch auch hier wartete ein Angreifer auf sie. Panisch schaute sie sich um. Nirgendwo ein Fluchtweg. Etwas schoss an ihr vorbei und sie hörte nur, wie der Mann würgend zu Boden fiel. Sie wollte gar nicht wissen, was passierte, doch sackte nun auch der Andere zusammen. Fassungslos sah sie mit an, wie er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf den Boden wälzte und schließlich erschlaffte. Leise Schritte. Ava wandte den Blick von der Leiche ab. Das konnte nicht sein! Sasori ging an ihr vorbei ins Haus. „Ich bin nicht ohne Grund hier.“ Sie verstand. Ciel und Sunny hörten nicht, wie Ava und Ciaran angegriffen wurden. Zu diesem Zeitpunkt waren sie draußen und hörten andere Schreie. „War das Miyu?“, fragte Sunny. Im Licht des Mondes wirkte sie erschreckend bleich. Ciel nickte. Am liebsten hätte er ihr jetzt gesagt, dass sie da bleiben sollte, aber der Block lag neben seinem Futon und um jetzt Scharade zu spielen fehlten ihm die Nerven. Plötzlich sah Ciel, wie jemand auf sie zu rannte. Miyu. „Rennt! Wir werden angegriffen!“ Aber keiner der beiden schaffte es, sich zu bewegen. Miyus Hand blutete wie verrückt. Ciel glaubte zu erkennen, dass einige der Finger fehlten, doch war bei dem Licht unmöglich zu sagen, ob es stimmte. Sunny schrie auf. „Jetzt macht schon!“ Ihre Stimme überschlug sich. „Nach Kawa, hier seid ihr nicht sicher!“ Sunny zog an seiner Hand, doch erst wollte er sehen, wohin Miyu wollte. Wie er sich gedacht hatte, floh sie nicht. Sie wollte ihre Eltern suchen. Er sah kurz zu Sunny und deutete dann mit dem Kopf in Richtung Wald. „Alleine? Nein!“ Er fasste sie an den Schultern und sah ihr eindringlich in die Augen. Sie seufzte. „Pass auf dich auf.“ Und du auch auf dich, dachte Ciel. Dann rannte er Miyu nach. „Mama! Papa! Wo seid ihr?“ Das war nicht gut. So würde sie nur Aufmerksamkeit auf sich ziehen und … nein, daran sollte er nicht denken. Ciel erreiche Miyu, packte sie und versuchte, sie raus zu ziehen. Den Blick auf die Hand vermied er. Das brauchte er jetzt nicht auch noch. „Lass mich los.“ Sie riss sich los, rannte weiter und Ciel blieb lautlos fluchend zurück. Er folgte Miyu und kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie sie starb. Die Augen vor Schreck geweitet und das Kunai in ihrer Brust umklammert. Erst als nach seinem Gesicht geschlagen wurde, fing er an zu realisieren, dass auch sein Leben in Gefahr war. Den nächsten Schlag konnte er nicht abwehren. Ein Dolch streifte seinen Arm und kam seinem Hals gefährlich nach. Dann starb der Angreifer. Eine schwarze Stange durchbohrte sein Herz. Ciel wusste sofort, wer ihm das Leben gerettet hatte. Er hatte nur eine Frage. Wieso? „Wir gehen.“ Ciel zögerte, ging ihm aber schließlich nach. Es wäre ein Fehler, Pain zu widersprechen, selbst wenn er es tun könnte. Und es war auch einer, allein zu fliehen. Sunny war nicht weit gelaufen, bis sie Schritte hinter sich hörte, sie drehte sich um und sah einen unbekannten Mann, der ihr nachlief. Nein! Das konnte nicht sein. Bitte nicht. Sie rannte schneller und zwischen einigen Bäumen hindurch. Je weiter sie in den Wald lief, desto mehr Bäume und Sträucher um sie herum, desto geringer die Chance, von ihm gefunden zu werden. Okay, sie musste jetzt ruhig bleiben. Bis nach Kawa war es weit, doch konnte sie dort Hilfe holen. Sie musste also dort hin. Notfalls würde sie kämpfen müssen. Zitternd griff sie nach ihrer Kunaitasche und zog eines hinaus. Was mache ich eigentlich da?, dachte sie verzweifelt. Selbst wenn sie kämpfen könnte, würde sie es doch nicht fertig bringen, einen Menschen mit so einem Ding zu verletzten. Sie unterdrückte ein Schluchzen und rannte weiter. Plötzlich stolperte sie. Erschrocken rappelte sie sich auf und versuchte im Dunklen zu erkennen, über was die gestürzt war. „Oh nein.“ Sie würgte. Eine Leiche! Ein junger Mann, etwa in Ciaran und Ciels Alter, lag dort. Sie roch verbranntes Fleisch und beschloss nicht weiter nach zu sehen, woran dieser Mann gestorben war. Das reichte ihr. Schritte. Weiter. Sie musste weiter. „Katsu!“ Eine Explosion hinter ihr warf sie zu Boden. Bäume stürzten krachend auf den laubbedeckten Boden und ein Stück Holz traf sie am Rücken. Dann war es still. Keuchend stand Sunny auf. War das etwa? Nein. Das konnte nicht sein, sie musste sich verhört haben. Sie zog sich an einem Baum hoch und wartete, bis sie aufhörte zu zittern, dann wollte sie weiter laufen. „Da lang geht’s nicht.“ Eine tiefe Stimme erklang belustigt neben ihr. Erschrocken schrie Sunny auf und wirbelte herum. Blonde Haare, graublaues Auge und ein Grinsen. „Du bist Deidara.“ Sie starrte vollkommen irritiert zu ihm. „Das weiß ich selbst.“ Er lachte. Sunny war nicht zum Lachen. Gut, sie musste zugeben, dass sie Deidara eigentlich sehr cool fand, aber jetzt, mitten in einem dunklen Wald, mit einer verbrannten Leiche, war das etwas anderes. „Wir müssen zurück“, sagte er, „die anderen warten schon und Sasori no Danna hasst das.“ „Die Anderen?“ „Natürlich. Aber jetzt komm. Dort wird dir alles erklärt.“ Ciaran hoffte inständig, dass sich Ava retten und Hilfe holen konnte. Der Angreifer drückte ihn zusehends die Luft ab und wehren würde sich nicht mehr lange können. Noch einmal versuchte er, nach dem Mann zu treten, da ließ dieser los. Überrascht wand sich Ciaran aus dem Griff. Der Mann lag tot auf dem Boden. In seinem Rücken steckte ein Shuriken aus … nein, das konnte nicht sein! Papier? Das müsste heißen, dass sie hier war. „Fürchte dich nicht.“ Konan trat auf ihn zu. Sie lächelte, doch Ciaran fand, dass es durchaus Gründe gab, Angst zu haben. „Keiner von uns will euch etwas tun.“ Klar doch. Akatsuki war die friedlichste Organisation der Welt. Sie würden ihn garantiert nichts tun wollen. Allerdings wagte Ciaran es nicht, seine Gedanken auszusprechen. Konan schien zwar die friedlichste von ihnen zu sein, aber eine Mörderin war sie dennoch. „Folge mir. Wir werden euch alles erklären.“ Was blieb ihm auch anderes übrig? Er seufzte leise und ging hinter ihr her. Was war hier los? Warum wurden sie angegriffen, warum rettete Akatsuki sie? Das ergab keinen Sinn. Konan öffnete eine Tür, die in einen größeren Raum führte. Er hatte keine Ahnung, wo sie jetzt überhaupt genau waren, aber das war im Moment seine kleinste Sorge. Den anderen schien es nicht besser zu gehen. Es war schwer zu sagen, wer am Schlimmsten aussah. Feline, voller Blut, lehnte an der Wand, die Arme um die Knie geschlungen, doch hob sie wenigstens den Kopf, als er rein kam. Ruris Blick hingegen, direkt neben ihr, war leer. Auch sie war mit Blut bespritzt. Ava saß etwas weiter von ihnen entfernt, die Hände in den Haaren vergraben und Ciel blutete an seinem Arm und Mund. Wie Feline hob auch er den Kopf und Ciaran meinte, Tränen in seinen Augen zu erkennen. Frederico und Kamil schien das Ganze nicht wirklich zu schockieren, auch wenn Amaro wütend zu sein schien. Aber jemand fehlte... „Wo ist Sunny?“, fragte Ciaran. „Deidara kümmert sich um sie. Sie müssten bald da sein.“ Konan ging zu den anderen Akatsukimitgliedern, die am anderen Ende des Raums saßen. In echt sahen sie viel schlimmer aus, als er es sich hätte vorstellen können. Er seufzte lautlos und setzte sich zu Ruri und Feline. Was sollte er sonst tun? Pain sah zu den Andersweltlern. Es war still, keiner sagte ein Wort, bis schließlich die Tür aufging und Deidara samt seiner Schülerin hinein trat. Wie die meistern der anderen war auch sie blass und zitterte. Sie würden alle noch viel lernen müssen, sollten sie es überhaupt schaffen. Sie waren schwach, ohne Ausnahme, auch wenn es einigen von ihnen gelungen war, sich zumindest ein wenig zu verteidigen. Gegen richtige Ninja jedoch hätten sie nicht den Hauch einer Chance. „Wozu sind wir hier?“ Kakuzus Schüler, Amaro, durchbrach schließlich die Stille. Pain wunderte es nicht. Mit ihm würden sie noch große Probleme haben. „Die Frage lautet,  warum ihr hier seid.“ Nur wenige von ihnen hoben die Köpfe. Zu ihnen gehörte Feline, deren Augen das Mondlicht reflektierten und beinahe trotzig zu ihm hinauf sahen. Kamil schien als einziger in der Lage zu sein, jetzt noch nachzudenken. Sein Blick war wach und abwartend. Amaro schnaufte, wie vorhergesehen, sein Blick war verachtend. Pain hatte es erwartet. Kapitel 11: Mondlicht --------------------- Das Mondlicht fiel durch die Fenster und verlieh dem Raum einen silbrigen Glanz. Es war eine Zeit lang ruhig, bis Amaro ungeduldig wurde. „Und was soll das heißen?“ Einige der Schüler, die nicht damit gerechnet hatten, zuckten zusammen. Feline hingegen zog die Mundwinkel zu einem lautlosen Fauchen nach oben, sah ihn aber nicht an. Ihre Augen ruhten auf Pain, der wusste, dass schwere Zeiten auf sie zu kommen würden. Auf jeden einzelnen von ihnen. „Eure Welt, und unsere, ist nur eine von vielen. Für gewöhnlich kommen sie nicht in Berührung, doch zeigen sich seit einigen Monaten Anomalien.“ Für einen Moment schwiegen sie. Dann ergriff Kamil das Wort. „Wie kommen wir zurück?“ Natürlich kam diese Frage. „Folgt unseren Anweisungen und lernt“, antwortete Pain und sah den Andersweltlern in die Augen. Nur Amaro, Kamil und Feline hielten den Blick stand, alle anderen sahen nach wenigen Momenten weg. Ruri schien es nicht einmal zu bemerken. „Wir brauchen euch und ihr braucht uns. Mehr müsst ihr vorerst nicht wissen.“ Amaro schien etwas sagen zu wollen, schwieg jedoch, als denke er nach. Dieses Mal blieben sie länger stumm. Vermutlich realisierten wenige, was geschehen war und was auf sie zu kommen würde. „Pain-san“, sagte Feline leise, aber mit klarer werdenden Blick, „ich habe eine Frage.“ „Stell sie.“ „Wir kennen Sie, also zumindest haben wir über Sie gelesen. Über Ihre ganze Welt.“ Sie atmete tief durch. War nervös. „Wie ist das möglich, wenn Sie, und das ist offensichtlich, real sind?“ Zugegebenermaßen war das keine dumme Frage. „In jeder Welt gibt es Träumer. Sie können in andere Welten blicken, was sie daraus machen, bleibt ihre Sache.“ „Autoren zum Beispiel?“ Pain nickte. „Und Sie wissen also auch etwas über uns, nehme ich an.“ Er tat es wieder. „Darf ich Sie fragen, wie viel?“ Ihre Stimme war eine Spur leiser geworden, ihr Körper angespannt. „Genug, auch wenn es über euch keine Bücher gibt.“ Feline nickte knapp. Die Anspannung fiel von ihr ab und sie sackte ein wenig in sich zusammen. Es war wahrscheinlich, dass sie noch weitere Fragen hatte, in solch einer Situation war das nicht zu vermeiden, doch schien sie zu unsicher sein, um sie zu stellen. Bei Kamil war das anders. „Wer hat uns angegriffen?“, fragte er und Pain konnte sein Misstrauen heraus hören. Es wunderte ihn nicht, dass diese Frage gestellt wurde. Auch nicht, dass es Itachis Schüler war. „Ihr wurdet nicht angegriffen, sondern das Ryokan. Ihr wart im Weg.“ Die skeptischen Blicke zeigten, dass es den drei, die ihm in die Augen sehen konnten, zu wenig Information war. Sie misstrauten ihm. Das war nicht dumm, aber sie hatten keine andere Wahl. „Und das sollen wir glauben?“ Amaro sprach die Gedanken aus. „Glaubt es, oder nicht. Für uns war es eine Gelegenheit, euer Können zu testen.“ Amaro schnaufte, erwiderte aber nichts. „Wieso greift jemand das Ryokan an?“, fragte Feline. Sie zuckte, überrascht von sich selbst, zusammen, als er zu ihr sah. „Ein Streit. Nichts weiter.“ Sie deutete ein leichtes Kopfnicken an. Komplett bleich geworden. Es kamen keine weiteren Fragen, auch wenn die Schüler langsam an Klarheit zurück gewannen. Sie tauschten Blicke aus oder sahen zu ihnen. „Wir werden hier bleiben“, sagte Pain schließlich. „Ist das nicht ein wenig auffällig?“ Kamil sah ihn an. Pains Eindruck bestätigte sich erneut. Kamil war Itachi nicht unähnlich. Sie waren beide klug. „Sasori hat dafür gesorgt, dass die Besitzer nichts verraten werden. Die Leichen werden beseitigt.“ Er wirkte ein wenig irritiert, schien aber zufrieden gestellt zu sein. Jedenfalls sagte er nichts mehr. Die anderen, bis auf Amaro, dessen Miene immer noch unbewegt war, schienen die Tatsache nicht so leicht zu verarbeiten. Pain sah, wie sie noch blasser wurden, Ciaran fuhr sich durch die Haare und schloss für einen Moment die Augen und Sunny, nach einem kurzen Moment des Überlegens, zuckte zusammen.„Oh.“ Ihre Stimme war kaum zu hören. „Daran müsst ihr euch gewöhnen.“ Zetsu war die schnellste Lösung des Problems, selbst wenn es mehrere Tote gab, nach dem er da war, waren sie weg. „Was in eurer Welt zählt ist hier nicht mehr von Belang.“ Damit wandte er sich von ihnen ab und sah zu den restlichen Mitgliedern Akatsukis. Sie, zumindest einige von ihnen, besonders Hidan, schienen belustigt über die Verstörtheit der Schüler zu sein, dennoch verstanden sie. Er sah zu den Andersweltlern, „Jeder von euch wird von einem von uns trainiert werden. Ihr werdet schnell Ähnlichkeiten feststellen.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Wir werden uns jetzt zurück ziehen, tut was ihr für richtig haltet, wenn ihr schlafen wollt, bedenkt, dass einige Zimmer zerstört wurden.“ Er sah sie ernst an. „Versucht erst gar nicht, zu fliehen.“ Akatsuki verließ den Raum. Hidan jedoch, mit einem Grinsen im Gesicht, blieb noch einmal stehen und sah zu der Truppe. „Jetzt wo ihr alle so hübsch versammelt seid, könnt ihr noch ein wenig über euch reden. Es ist echt nicht schön, dass ihr Geheimnisse vor einander habt. Nicht wahr, Amaro?“ Er sah zu ihm hinüber. „Was soll das heißen?“ Diese Feline war wirklich schnell, das musste man ihr lassen. Sie war aufgesprungen und sah zwischen ihm und Amaro hin und her. Das würde lustig werden. „Dass der Schüler meines Partners nicht ganz ehrlich zu euch war, was seinen Namen anbelangt.“ Sie fauchte, hatte wohl wirklich einiges von einem Raubtier, und ging auf Amaro zu. „Du hast gelogen?“ Es war nicht wirklich eine Frage. Wäre sie nicht so klein und schwach, hätte das auch fast bedrohlich geklungen. Amaro war zwar nicht klein, aber wenn man Kakuzu gewohnt war, war das nichts. „Was geht dich das an?“ Wieder so ein süßes Fauchen. „Ja, das geht mich sehr wohl etwas an. Wir sind nicht ohne Grund hier.“ Amaro ging einen Schritt auf sie zu. Entgegen Hidan Vermutung blieb sie sogar stehen. „Warum sollte ich einem Tier vertrauen?“ In diesem Moment war sie eines. „Und warum sollte ich dir nicht die Kehle zerreißen?“ Bevor es zu einem Kampf kam waren schon ein paar der übrigen Andersweltlern aufgesprungen. Es folgte das übliche, langweilige Blah Blah. „Ihr könnt doch nicht“, „reißt euch zusammen“, „wir sind ein Team“ und all so ein Scheiß. Ein wenig enttäuscht wandte er sich ab. Dann eben nicht. Musste ja auch keiner wissen, dass Frederico der Zweitname Amaros war... Es war Ruhe im Raum eingekehrt, doch weder Feline, noch Amaro schienen davon begeistert. „Und jetzt?“, fragte Sunny, deren Haut nach wie vor kreidebleich war. „Keine Ahnung“, antwortete Ciaran. „Wir müssen hier bleiben“, sagte Feline mit gereizter Stimme, „es ist Akatsuki.“ „Aber einfach so?“ Sunny sah unsicher zwischen ihnen her. „Was hast du sonst vor? Wenn du fliehen willst, bitte! Da ist Tür“, fuhr Ava sie an. Ihre Haare hingen ihr wirr ins Gesicht und standen noch mehr ab, als sie es sowieso schon taten. „I-ich mein ja nur...“ „Du denkst nicht nach.“ „Es reicht, ja?“ Ciaran seufzte. „Wir sind alle müde und erschöpft. Lasst uns einfach schlafen gehen, morgen können wir immer noch überlegen, was wir machen.“ Einige von ihnen nickten, manche schienen immer noch nicht zu begreifen, was geschehen war. Ciel bewegte sich sogar erst, als die anderen aufgestanden waren. Einige Zeichen später übersetzte Ciaran. „Ist jemand von euch verletzt?“ Sie sahen alle ein wenig mitgenommen aus, aber nicht verletzt, zumindest nicht ernsthaft. Bis auf Ciel hatte keiner von ihnen geblutet und bei ihm war es schon getrocknet. Sie verneinten alle, wenn auch manche ein wenig unsicher. Amaro, allen Anschein nach unverletzt, lief an ihnen vorbei und verschwand durch die Tür. „Mir geht es gut, zumindest glaube ich das“, sagte Sunny schließlich, „aber was ist mit Miyu? Sollten wir nicht nach ihr gucken?“ Ciel seufzte lautlos und machte einige Handbewegungen „Nein“, sagte Ciaran. „Das ist nicht dein Ernst.“ Feline starrte ihn an. Er nickte nur. „Oh Scheiße.“ Feline fuhr sich durch die Haare. „Miyu ist tot.“ Dieses Mal schien Kamil betroffen von der Situation zu sein, für einen Moment war sein Gesicht ausdruckslos, doch fing er sich wieder schnell. Für Sunny hingegen war es zu viel. Ihr liefen nun die Tränen über die Wangen, schien aber bemüht, sich unter Kontrolle zu halten. Keiner von ihnen hatte die Kraft, sie zu trösten. Schweigend standen sie da. „Wir sollten schlafen gehen.“ Kamil sah in die Runde. „Das können wir jetzt alle gebrauchen.“ Keiner widersprach ihm. Es stellten sich zwei Zimmer als nicht mehr bewohnbar heraus, doch die neue Einteilung war schnell gefunden. Es hatte sowieso keiner mehr Lust, zu diskutieren, geschweige denn die Energie dazu. Trotz aller Ereignisse, der Erschöpfung und den Tod Miyus – damit hatte er nicht gerechnet – ging es Kamil erstaunlich gut. Er wusste, dass er nach hause konnte. Das war alles, was ihn zu interessieren brauchte. Er würde alles tun, um es wieder gut zu machen, auch wenn er jedes Mal, wenn er daran dachte, das Gefühl hatte, ihm würde es das Herz zerreißen. Und manchmal, so wie jetzt, schlich sich ein weiterer Gedanke hinzu. Es gab nichts gut zu machen, weil nichts mehr da war. Alles zerstört. Alles von ihm selbst zerstört. Seine Schuld. Er schloss die Augen, zwang sich, an sie zu denken. Nach dem er ihr all das angetan hatte, konnte er nicht einfach verschwinden. Es führte kein Weg daran vorbei und eigentlich wollte er nichts lieber, als wieder bei ihr zu sein (und die Zeit zurück zu drehen). Als Kamil einschlief träumte er von ihr. Von Uzuri. Feline wusste, wieso sie Ruri im Auge behalten wollte. Bis jetzt hatte sie kein Wort gesprochen und wenn sie an das Blut (und die Tatsache, dass sie auf Hidan getroffen war) dachte, wunderte es sie auch nicht. Selbst beim Abwaschen des Blutes – Feline hielt es für keine gute Idee, vollkommen mit dem Zeug besudelt schlafen zu gehen – sagte Ruri nichts. Erst, als sie ihr eine gute Nacht wünschte, antwortete die andere, wenn auch mechanisch. Wenigstens etwas. Eine Kleinigkeit. Feline schloss ihre Augen. Das konnte nicht passiert sein! Vor ihr war eben ein Mensch in Stücke gerissen worden. Von einem Massenmörder, den sie bisher nur aus einem Manga kannte. Und genau von diesem Mann sollte sie trainiert werden? Wieso? Und warum zum Teufel sollte sie ausgerechnet Akatsuki trauen? Anderseits wären sie schon längst tot, wenn sie sie umbringen wollen würden. Feline seufzte. Das war doch alles verrückt. Vollkommen verrückt. Während ihre Zimmerpartnerin schon längst eingeschlafen war, starrte Ruri in die Dunkelheit hinein. Sie wagte es nicht, ihre Augen zu schließen. Jedes Mal wen sie das tat, sah sie den Kopf, der abgetrennt vom Körper am Boden lag, vor sich. Sie wollte schreien, wollte es nicht und selbst der Versuch wäre lächerlich gewesen. Das durfte nicht passiert sein. Aber es war passiert, es war real gewesen. Etwas, das einem Schluchzen glich, verließ ihre Kehle, aber weinen konnte sie nicht. Leise, dass es, wenn überhaupt, nur Feline hätte hören können, wand sie sich an ihn. An Gott. „Herr, mein Gott, zu dir nehme ich meine Zuflucht. Von allen meinen Verfolgern befreie mich, errette mich. Ansonsten werde ich wie von einem Löwen zerrissen (so wie die Verstorbenen) und mir das Leben so geraubt; keiner ist da, der mich rettet.“ Während sie die Worte sprach, glitt sie in einen traumlosen Schlaf. Der abgerissene Dosenring glänzte im fahlen Mondlicht. Ein Wunder, dass er von keiner der Kugeln getroffen wurde. Nicht mal einen Kratzer hatte er abbekommen. In all den Jahren nicht. Noch für wenige Momente betrachtete Amaro den Anhänger, bevor er die Kette wieder unter sein Shirt schob. Er durfte ihn nicht verlieren. Wenigstens darüber hatte er noch Kontrolle. Hier weg würde er wirklich nicht kommen. Das war ihm bewusst, so sehr er es auch hasste. So sehr er auch jeden einzelnen – besonders dieses Tier – von ihnen hasste. Ändern konnte er, zumindest vorläufig, nichts an der Situation. Er musste sich auf keinen von ihnen einlassen, dass sie nun seinen ersten Namen kannten, war nicht von Bedeutung. Hier kannte man ihn und seine Geschichte, die Dinge, die er getan hatte, nicht. Das war ein Vorteil, gewissermaßen, einen Nachteil erkannte er nicht. Nicht nach den letzten Monaten. Und wenigstens das war gut. Vor ihr waren also zwei Männer auf eine abartig grausame Weise vergiftet worden. Von einer, mehr oder weniger, lebendigen Puppe. Je öfters Ava sich das durch den Kopf laufen ließ, desto unwahrscheinlicher kam ihr alles vor. Das war eine Halluzination. Bestimmt. Alles andere konnte es nicht sein. Mangafiguren waren nicht real. Sie konnten nicht töten. Sie konnten nicht einmal existieren! Sie brauchte also keine Angst haben. Eigentlich könnte sie auch zu fliehen. Eine Halluzination konnte ihr nichts anhaben. Aber dazu war sie nicht in der Lage. Irgendetwas hielt sie davon zurück. Sie hatte unbeschreiblich Angst, eines der Akatsuki-Mitgliedern zu begegnen, es waren alle Monster und gleichzeitig war es ihr egal. Sie waren zu grausam, um Wirklichkeit zu sein. Solche Menschen konnte es nicht geben. Avas Realitätssinn erinnerte sie daran, dass das durchaus möglich war. Der Geschichtsunterricht, auch wenn er lange zurück liegen mochte, und die Nachrichten zeigten es oft genug. Ciel, auch wenn er sich das Zimmer mit ihm teilte, hatte kaum Worte mit Ciaran gewechselt. Beide waren in ihren eigenen Gedanken versunken. Ciel schloss seine Augen und versuchte, nicht an Miyu zu denken. Es gelang ihm tatsächlich. Er musste jetzt einen klaren Kopf bewahren. Akatsuki war hier. Das war ein Fakt, auch wenn es vollkommen absurd war, dass sie jetzt noch alle am Leben waren. Er hatte sie anders in Erinnerung und die Art, wie sie getötet hatten (immerhin kam das ganze Blut nicht ohne Grund auf Ruri und Feline) bestätigte das. Oder sollte es tun. Er drehte sich zur Seite. Es hatte keinen Sinn jetzt noch darüber nach zu denken. Als er einschlief, träumte er von Toten. „Lass mich zu ihr!“ Es hat keinen Sinn. Sie ist tot. „Sag das nicht!“ Werde endlich erwachsen. Er hatte ihn geschlagen. Wusste nicht, was er sonst hätte tun sollen. Sunny konnte nicht aufhören zu weinen. Es waren Menschen gestorben und ihre Leichen wurden gerade von Zetsu gefressen (oder sonst wie bei Seite geschafft)! Den Geruch der verkohlten Leiche würde sie nie vergessen können. Sie schluchzte, versuchte an etwas andere zu denken. An ihr zu Hause, ihren Job, ihre Freunde und ihre Mutter. Aber es gelang ihr nicht. Jedes schöne Bild wurde durch den Toten in Stücke gerissen. Was ihr noch vor wenigen Stunden als farbenfroher Traum erschienen war, war nun ein Albtraum. Die anderen hatten Recht gehabt. Hier war alles grausam und gefährlich. Das war kein Ort für sie. Sie konnte fliehen. Was war schon Pains Warnung in einer Welt, in der jeder von ihnen jeden Tag sterben konnte? Sterben – das hatte immer so fern geklungen. Nun war es eine reale Bedrohung. Sunny rollte sich zusammen. Noch nie hatte sie sich so sehr nach ihrem zu Hause gesehnt. Im Gegensatz zu Ciel schlief Ciaran nicht. Zum einem, weil er sich Sorgen um die anderen machte. Keiner, bis auf Amaro, schien die Situation nicht zu berühren. Gut, Kamil war gefasst gewesen und Feline war zumindest nicht komplett verstört (die Aggression machte es aber auch nicht besser), aber der Rest von ihnen, einschließlich er selbst, konnte nicht einmal begreifen, was überhaupt passiert war. Zum anderen, weil er mit völlig gestörten Massenmördern in einem Haus war. Er hatte keine Ahnung, warum er noch am Leben war. Akatsuki war nicht dafür bekannt, zu handeln und jeden daher gelaufenen Fremden freundlich zu behalten und vor einem Angriff zu retten (oder wie auch immer die Aktion nennen sollte). Das bisschen Erklärung was Pain geliefert hatte, gab auch keinen Aufschluss auf die Hintergründe. Was hatten sie mit diesen Anomalien zu tun? Ciaran seufzte. Hoffentlich würden sie noch mehr erfahren. So würde er das nicht aushalten. Mit der aufgehenden Sonne begann ein neues Leben für jeden von ihnen. Kapitel 12: Karate Kid ---------------------- Der Morgen begann viel zu friedlich. Die Sonne schien sanft und die Tautropfen funkelten im Gras. Nach dem er aufgewacht war, hielt Kamil für einen kurzen Moment den vergangenen Tag (vor allem diese Nacht) für einen Traum. Natürlich war es das nach nicht. Er lag auf dem Futon, sah an die Decke und dachte an Uzuri. Schließlich – er wusste nicht wie lange er so da gelegen hatte – seufzte er, richtete sich auf und ordnete seine Gedanken. Es wäre gelogen zu sagen, er würde sich auf den Tag freuen, aber er wusste, wofür er es tat. Kurze Zeit später trat er auf den Flur, in dem Sunny, Ciaran und Ciel standen. Alle drei waren erschreckend blass, doch gefasster als in der Nacht. Ciel bemerkte ihn zuerst und nickte ihm zu. Kamil erwiderte es und wandte sich zu den anderen Beiden. „Morgen.“ Er lächelte ein wenig. Zu seiner Überraschung taten die anderen das auch. „Morgen“, sagte Sunny mit leiser Stimme, „gut geschlafen? Zumindest einigermaßen?“ Ihm fiel auf, dass ihr Lächeln erzwungen wirkte. „So gut, wie es nach so einer Nacht möglich ist.“ Er fragte lieber nicht, wie sie geschlafen hatten. Es wäre ein kleines Wunder, hätten sie überhaupt ein Auge zu gemacht. Sie schienen erleichtert darüber. Eine weitere Tür wurde aufgemacht. „Ich kann nicht glauben, dass ich noch hier bin.“ Ava trat zu ihnen. Er verstand sie, es schien nicht real. „Ich auch nicht. Aber wenigstens wissen wir, wie wir zurück kommen.“ Sie nickte und strich sich ihre Haare zurück. Ihre olivgrünen Augen sahen den Gang entlang. „Eigentlich“, sagte sie leise, „wissen wir nichts. Die Informationen waren mehr als dürftig.“ Kamil seufzte. „Es ist besser als nichts.“ Sie schien davon nicht überzeugt. Allerdings schien das einzige, wovon sie zu überzeugen war, ihre Vorstellung, dass das alles eine Halluzination war und das konnte Kamil ihr nicht übel nehmen. Wäre das so, wäre er schneller zu hause. Abgesehen davon fand er die Vorstellung von Akatsuki trainiert zu werden nicht sonderlich berauschend. Das, was er über sie wusste, reichte ihm, um das Urteil zu fällen, keinen Kontakt mit ihnen haben zu wollen. Aber er hatte keine Wahl. Und keine Gelegenheit mehr, seine Gedanken mit den anderen zu teilen. Frau Momo erschien vor ihnen und sah sie mit strahlendem Lächeln an. „Guten Morgen, ihr Lieben“, sagte sie und Kamil wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Oder was überhaupt los war. „Da seid ihr ja endlich, die zwei jungen Damen und der Herr sind schon lange wach und beim Frühstück. Ihr wolltet das zusammen machen, nicht wahr? Eigentlich wollte Miyu heute helfen, aber sie musste auf eine Mission.“ Langsam dämmerte es ihm. Pain hatte gestern etwas erwähnt. „Wir kommen“, sagte Kamil schnell, „vielen Dank.“ Frau Momo verschwand. „Oh Scheiße.“ Ciaran schnaufte. „Das ist hart.“ Die anderen drei sahen genauso betrübt aus und auch Kamil konnte nicht leugnen, dass diese Situation alles andere als schön war. Doch führte kein Weg daran vorbei, zum Frühstück zu gehen. Kaum eingetreten, sah er Feline, die mit mörderischem Blick zu Amaro sah. Dieser erwiderte ihn nicht weniger deutlich. Ruri schien von dem Geschehen unbeeindruckt. Stumm starrte sie vor sich hin. Der Tisch war für acht Leute bereit gemacht worden zu sein. Also mussten sie nicht mit Akatsuki rechnen. Wenigstens das war an diesem Morgen gut. Sie schwiegen während sie aßen. Was gab es auch groß zu sagen? Natürlich traute keiner Akatsuki über den Weg, aber das brachte sie nicht weiter und um darüber zu reden, fehlte den meisten von ihnen der Mut. Kamil bekam nicht das Gefühl los, beobachtet zu werden. Und damit war er nicht alleine. Ab und warf jemand einen Blick über die Schulter oder zur Seite. Feline zuckte sogar einmal zusammen und wirbelte herum. Doch antwortete sie auf die Frage, was sei, mit einem „Nichts, glaube ich.“ Kamil überlegte kurz, ob er weiter nachfragen sollte, ließ er es bleiben. Feline sah nicht danach aus, als ob sie gewillt war, darüber zu sprechen. Wahrscheinlich hatte sie so oder so genug mit ihren Sinnen zu tun. Amaro, und das überraschte Kamil, sagte ebenfalls nichts, auch wenn sein Gesicht hart und misstrauisch wurde. Es blieb ihm keine Zeit über seine Gründe nachzudenken. Gerade als sie fertig gegessen hatten – das hatte nicht lange gedauert, keiner hatte wirklich viel zu sich genommen – hörten sie Schritte. Wenige Momente später wurde die Tür aufgeschoben. Es waren Itachi und Kisame. Letzterer grüßte sie und sah zu Feline. „Das Training beginnt, Feline-san. Komm mit.“ Er grinste und sie nickte, stand auf - ihr Schwert hatte sie dabei, also hatte auch sie sich darauf eingestellt - und lief zu Kisame. Itachi sagte nichts, Kamil folgte ihm trotzdem, als er sich umdrehte und zusammen mit den anderen zwei los ging. Es erschien ihm vollkommen natürlich, als hätte er nur darauf gewartet (und in gewisser Art hatte er das wirklich) mit einem Clanmörder zu trainieren. Was für wundervolle Aussichten. Der Weg führte sie zu dem Wald, durch den sie erst am letzten Abend gegangen war. Dann liefen sie bergauf, weg von Kawagakure und hin zu dem Ort, an dem sie aufgewacht waren. Schließlich, nach etwa zehn Minuten, trennten sie sich. „Viel Glück“, sagt Feline leise zu ihm und Kamil lächelte. „Dir auch. Ich glaube, das können wir brauchen.“ Schon war sie seinem Sichtfeld verschwunden. Weitere zehn Minuten später, waren sie auf einer kleinen Lichtung angekommen. „Wir werden mit den Grundtechniken anfangen.“ Das war das erste Mal, dass Kamil ihn mehr als ein Wort sagen hörte. „Verstehe“, antwortete er. „Wie viel weißt du über Ninjatechniken?“ „Nicht viel“, gab Kamil zu. Woher denn auch? Eigentlich kannte er wenig über die Naruto-Welt. In einem Slum gab es wichtigere Dinge als Mangas zu lesen. Vom Fernsehen ganz zu schweigen. Itachi schien, soweit man es bei ihm beurteilen konnte, nicht begeistert von dieser Tatsache. „Genauer.“ „Ich weiß, dass es drei Grundarten von Jutsus gibt“, fing er an „und noch einige spezielle. Diese führt man mit Hilfe von Chakra und Fingerzeichen aus. Zumindest zwei Arten der Jutsus.“ „Kennst du die Namen?“ Kamil schüttelte den Kopf. „Nein, oder ja, ich könnte sie nur nicht zu ordnen.“ „Es gibt Nin-, Gen- und Tai-Jutsus. Das sind die Grundtechniken.“ Itachi erklärte es eher knapp, aber der Schüler verstand es. An sich klang das Ganze nicht kompliziert, doch wie er es umsetzen sollte, das war eine andere Sache. Wie zum Teufel sollte er sein Chakra spüren, geschweige denn kontrollieren? Bis er hier her gekommen war, hatte er nicht mal gewusst, dass es überhaupt ging. Die nächste halbe Stunde (oder ganze, das Zeitgefühl hatte er verloren) verbrachte Kamil damit sich auf die Keirakurai – die Bahnen, durch die das Chakra floss – zu konzentrieren, dann sollte er, laut Itachi, in der Lage sein, es zu schmieden und frei zu setzen. Während er sich am Anfang noch von den Vögeln und anderen Geräuschen (einmal hatte er rauschendes Wasser gehört, wohl ein Jutsu von Kisame) hatte ablenken lassen, rückte all dies langsam in den Hintergrund. Es war ein seltsames Gefühl. Anders konnte er es nicht beschreiben. Es war ein wenig, als ob er sein Blut fließen spürte (wenn sich das so anfühlte, aber ein anderer Vergleich fiel ihm nicht ein), nur stärker. Wenn er es spürte, konnte er auch es leiten – zumindest theoretisch. Nicht nur, dass er nicht wusste, wie das gehen sollte, hatte er auch keine Ahnung, wohin. Er wusste zwar, dass Ninjas über Wasser laufen konnten, wenn sie Chakra in den Füßen konzentrierten, aber auch, dass das keine Anfängertechnik war. Aber ein wenig in die Hände leiten sollte möglich sein. Also versuchen, diese mehr zu spüren? Kamil öffnete seine Augen und blickte auf seine Hände. Versuchte, nur sie zu sehen und zu spüren. Tatsächlich fing es an erst in den Handflächen, dann in den Fingerspitzen zu kribbeln. Das Gefühl hielt nicht lange an. Das Kribbeln wurde ihm schnell unangenehm und bevor er richtig über das, was er tat, nach denken konnte, schüttelte er seine Hände. Natürlich war das keine gute Idee gewesen. „Das reicht für heute“, sagte Itachi, „fangen wir mit dem Waffentraining an.“ Und das fiel ihm bei weitem leichter. Die Shuriken trafen die Ziele. Nicht perfekt, aber zumindest blieben sie nach wenigen Versuchen im Holz stecken. Eines tiefer als das andere. Bald trafen sie nahe an die Mitte heran. Nach kurzer Zeit wies ihn Itachi an, mit den Kunai fortzufahren, auch das gelang ihm. Vielleicht sogar ein wenig besser, aber das konnte an der Übung mit den anderen Waffen liegen. Egal wieso, es funktioniere, als ob er nie etwas anderes getan hätte. Natürlich war er kampferprobt – anderes war in einem Slum nicht möglich – doch damit hatte er nicht gerechnet. Alles erschien ihm so einfach. Eigentlich kannte er sich selbst und seine Fähigkeit gut. Er konnte einschätzen, was er konnte und was nicht. Er hatte nie etwas Ähnliches gemacht und obgleich er sich als geschickt beschreiben würde, hätte er es nicht für möglich gehalten, gut zu treffen (und noch dazu das Holz zu durchschlagen).Wie konnte das sein? Auch auf dem Rückweg ließ ihn dieser Gedanke nicht los. Doch antwortete Itachi nicht auf seine Fragen. „Sei geduldiger“, war das einzige, was er von ihm hörte und Kamil gab auf, irgendwelche Information aus ihm heraus bekommen zu wollen. Itachi konnte zufrieden mit seinen Schüler sein. Er war überraschend erfolgreich für das erste Training gewesen. In ihm steckte Potenzial, wenn es ihm auch an Erfahrung und Übung mangelte. Es würde einige Zeit dauern, bis Kamil auch nur ansatzweise die Leistung erbrachte, die er erreichen konnte, aber Itachi zweifelte nicht daran, dass er soweit kam. Es wäre keine Überraschung, würde Kamil als Erster seine volle Leistung entfalten, auch wenn es im Moment noch zu früh für ein Urteil war. Abends, als sie zusammensaßen, waren alle erschöpft. Seine Schultern schmerzen jetzt schon tierisch, doch war das nichts gegen die tiefen Schrammen an Felines Oberkörper oder Amaros Wunden. Keiner der beiden beklagte sich. Feline wirkte sogar ein wenig belustigt über ihr Training und erzählte, dass Kisame ihre Geschwindigkeit hatte testen wollen und sie von einem Wasser-Jutsu erwischt wurde. Auch Ava hatte Gefallen an dem Tag gefunden. Zwar war ihr Sasori unheimlich, doch wurde ihr Zeit gelassen, sich mit ihren neuen Werkzeugen vertraut zu machen. Es war völlig anders, als in ihrem Labor, doch – wie sie es beschrieb – irgendwie bekannt. Die anderen, insbesondere Ruri, waren weniger begeistert. Sie erzählte nichts, sagte aber, im Gegensatz zu der letzten Nacht, wenigstens ein paar Sätze. Ciel war müde, nickte ab und an ein, bis er als erster zu Bett ging. Sunny lächelte auch an diesem Abend nicht. Zwar sagte sie, dass Deidara ganz in Ordnung sei, aber etwas stimme nicht. Ciaran wusste, was es war. „Das Training war die Vorbereitung auf das Töten.“ Als Feline am nächsten Morgen aufwachte, wusste sie nicht, was ihr nicht weh tat. Dennoch zwang sie sich dazu, aufzustehen. Im Nachhinein war es doch nicht so lustig, von Kisames Jutsus getroffen zu werden, auch wenn es – wie er ihr gesagt hatte – eines seiner schwächsten war. Wasser konnte erstaunlich hart sein und der Boden war es sowieso. Sie seufzte leise und sah zu Ruri. Auch sie war bereits wach. „Morgen“, grüßte sie sie. Ruri erwiderte den Gruß. „Bereit für einen neuen Tag?“ Feline lächelte sie an. „Wie sollte ich?“ „Ich weiß nicht“, sagte Feline, „aber aufgeben können wir doch nicht, oder?“ Sie bekam keine Antwort. Wie am Tag zuvor, holte sie Kisame nach dem Frühstück ab und führte sie zu dem Trainingsplatz im Wald. Eine kleine Lichtung. Er kam ihr seltsam vertraut vor und viel weniger gefährlich als sie es gedacht hätte. Gut, er war riesig – gerade im Vergleich zu ihren 162 Zentimetern – und ein Berg aus Muskeln, aber das war es auch, was sie an ihm bedrohlich fand. Vielleicht lag es daran, dass sie über ihn schon jahrelang gelesen hatte, vielleicht daran, dass sie sich selbst verändert hatte. Die blaue Haut, die Zähne und die starren Augen kamen ihr vollkommen natürlich vor. Es war nichts, das gegen ihre Realität sprach, sondern ein Teil dieser war. Das war eine Sache, die sie nicht von jedem Akatsukimitglied behaupten konnte. Gerade Sasori machte ihr Angst. Sie hatte Puppen noch nie leiden können und gleich einer lebenden zu begegnen war furchtbar. Schon alleine die Tatsache, dass er aussah wie ein Teenanger, in Wahrheit aber dreizehn Jahre älter war als sie war absurd. Das war unnatürlich. Von Kakuzu, von dem man nur die Augen sehen konnte, wollte sie gar nicht erst anfangen. „Was steht heute an?“, fragte sie, um sich von diesen Gedanken abzulenken. Kisame grinste. Er mochte die Kleine. Sie hatte sich, im Gegensatz zu dem Großteil der anderen Schüler, schnell von dem ersten Schrecken erholt, war motiviert und besaß durchaus Talent. Er brauchte sich keine Gedanken darum machen, wie er ihr das Kämpfen beibringen würde, das erledigten ihre Instinkte. Sie konnten sich dann auf die Feinheiten konzentrieren, genaue Techniken und die Jutsus. Jetzt aber gab es wichtigeres zu tun. „Mit deinen Sinnen. Du musst lernen, sie unter Kontrolle zu bringen. Dann wirst du auch nicht mehr so oft getroffen.“ Feline legte ihren Kopf leicht schief. Oft? Sie war doch nur wenige Male getroffen worden. Kisame schien ihre Gedanken zu erraten. „Mit deinen Fähigkeiten hättest du gestern gar nicht getroffen werden sollen.“ „Ehm“, sagte sie erstaunt, „danke.“ Er grinste wieder. War also doch kein Fanfiction-Klischee, dass er das dauernd tat oder er machte sich einfach über sie lustig. Das lag alles im Bereich des Möglichen. Wenig später saß sie im Schneidersitz unter einen Baum und versuchtem das Rauschen der Blätter zu ignorieren und sich auf den Gesang der Vögel zu konzentrieren. Es war verdammt schwer. Viel schwerer, als sie es sich hatte vorstellen können, bevor sie hier her gekommen war. Jetzt war allein das eine kaum zu überwindende Aufgabe. Es waren nicht nur die Blätter. Überall liefen irgendwelche Tiere umher, Kisame bewegte sich und Wortfetzen (oder Kampfgeräusche) der andern Trainings drangen zu ihr. Außerdem schliefen ihre Beine ein. Das war das Schlimmste. Doch nach und nach klappte es. Die leisen Hintergrundgeräusche verschwanden und das Vogelgezwitscher wurde lauter. Sie atmete tief ein, versuchte, das widerliche Gefühl in ihren Beinen zu ignorieren und ruhiger zu werden. Es waren sieben Vögel im näheren Umfeld. Feline hatte keine Ahnung, was für welche das waren, aber langsam erkannte sie die Unterschiede zwischen ihnen. Die Lautstärke, die Melodie und der Klang. Bald die Entfernung. Sie wusste, wo sie saßen und öffnete ihre Augen, um sicher zu gehen. Sie hatte Recht. Nur bei einem, der, der am weitesten entfernt war, hatte sie sich ein wenig verschätzt. „Wow“, sagte sie leise, „das war ...“, sie suchte nach einem Wort, „faszinierend.“ Kisame kam zu ihr. „Hast du sie unterscheiden können?“ Sie nickte. „Eigentlich ist es ganz einfach, wenn man weiß, wie man es machen muss.“ Feline stand, so elegant es mit eingeschlafenen Beinen ging, auf und streckte sich. „Aber jetzt brauche ich echt was anderes. Das ist anstrengend.“ „Zieh dein Schwert.“ Sie gehorchte. „Und jetzt stecke es zurück. Du musst schneller werden.“ Sie tat es wieder, dann zog sie es erneut. „Zu langsam.“ „Wird das jetzt so eine Karate-Kid-Nummer?“ Feline zog eine Augenbraue hoch und Kisame sah sie irritiert an. „Eine was?“ „Ach vergiss es“, sagte sie schnell, „Witze die man erklären muss sind nicht gut.“ Sie musste weder ein Auto polieren, noch ihre Jacke aufhängen, aber nach dem sie das Schwert zum gefühlten hundertsten Mal aus der Scheide geholt hatte, wurde ihr Arm schwer. Natürlich erkannte sie den Sinn dahinter, doch es wurde schmerzhaft. „Kisame-san?“, fragte sie nach einer Weile, „wie lange denn noch? Mein Arm fällt gleich ab.“ Er antwortete nicht, stattdessen registrierte sie gerade noch rechtzeitig, wie er nach Samehada griff. Sie spürte noch den Luftzug, als das Schwert an ihr vorbeirauschte und sie mit einem Sprung nach hinten auswich. Komplett verwirrt und geschockt – sie wollte sich nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn er getroffen hätte - sah sie zu ihrem Lehrer. „Deine Reflexe sind wirklich gut“, sagte er nur und grinste. „Aha.“ Mehr fiel ihr dazu nicht ein. Ganz toll. Wenn es weiter nichts war. Der Abend kam und Feline wurde überrascht. Nicht nur, dass Amaro sich am Gespräch beteiligte (und das ohne Drohungen oder extremes Misstrauen), es gesellten sich auch einige der Akatsukimitgliedern zu ihnen. Kisame, Deidara und Hidan schienen beschlossen zu haben, dass es amüsanter war, bei den Schülern zu sitzen, als mit den doch eher weniger gesprächigen Teampartnern. „Wir fänden es interessant zu wissen, wie ihr in eurer Welt gelebt habt, hm“, sagte Deidara und gab sich keine Mühe, seine Neugier zu vergeben. Das unverdeckte Auge sah einen nach den anderen an. „Immerhin wisst ihr einiges über uns.“ „Was wisst ihr überhaupt von uns?“, fragte Feline, „bevor wir euch alles doppelt erzählen.“ „Nicht genug.“ Feline zwang einen genervten Blick hinunter. „Berufe, wisst ihr das? Alter? Herkunft?“ Es war sicher keine gute Idee, Deidara zu reizen, aber es fiel ihr schwer, zumal er nicht sonderlich bedrohlich aussah. „Wissen wir.“ War das jetzt so schwer gewesen? „Naja“, sagte Feline, „so interessant ist mein Alltag nicht. Eben der typische Studentenkram und nebenbei jobben in 'nem Café. Und ich denke, was ich in der Freizeit mache, wird euch nicht viel sagen. Oder habt ihr eine Ahnung von Metal-Festivals?“ Die Blicke sagten alles. Während keiner der Schüler überrascht wirkte, war bei den Akatsukimitgliedern das Gegenteil der Fall. „Viele Menschen, gute Musik, Zelte und extrem wenig Schlaf.“ Sie grinste. „Ist immer ganz cool, aber ich muss mir endlich mal ein neues Zelt besorgen. Mein Ex hat es beim letzten Mal eingerissen.“ Sie machte eine Pause, schnaufte, und fügte dann hinzu. „Zum Glück hab ich ihn in den Wind geschossen.“ War das wirklich erst drei Tage her? Es kam ihr viel länger vor. Und komplett lächerlich, dass sie wegen ihm geweint hatte. Sie sah wie Sunny sie angrinste. „Das klingt nach einer interessanten Geschichte.“ Es war ja schön, dass sie wieder grinsen konnte, aber musste es deswegen sein? „Nein, eigentlich nicht. Er ist ein Arsch. Ehrlich, da gibt es nicht viel zu erzählen.“ „Ach komm schon, da steckt doch mehr dahinter.“ „Na gut, er kam nicht darauf klar, dass ich vor ihm andere hatte. Reicht das?“ Ihre Stimme klang gereizter, als sie es eigentlich vorhatte. Sie blinzelte Feline an und nickte. „Ja.“ Richtig. Deswegen tat das ganze gar nicht mehr weh. Nicht mal die Vorstellung, dass sie von nun alleine war, schmerzte. Sie war es nicht. Oder fühlte sich zumindest so. Seltsam, wenn man von kranken Massenmördern und Leuten, die sie nicht einmal kannte, umgeben war. Doch das hieß nicht, dass sie unbedingt weiter darüber sprechen wollte. Alleine die Sache, dass sie sich nicht alleine fühlte, war unheimlich. „Können wir das Thema wechseln? Es gibt interessanter Dinge zu erzählen.“ Es fragte keiner mehr nach, auch wenn Sunny noch neugierig schien. Damit schien sie aber, und dafür war Feline dankbar, alleine zu sein. „Es war verdammt seltsam, Akatsuki über unser Leben zu erzählen, findest du nicht?“ Einige Zeit später, als sie wieder in dem Zimmer waren, sah Feline von ihrem Futon aus zu Ruri. „Mehr als das“, sagte sie abwesend. Sie hatte nicht viel von ihr erzählt, aber nun wusste Feline, dass sie bei ihren Vater und dessen Frau, Ruris Stiefmutter, wohnte. Ansonsten war sie auch nicht schlauer als vorher, doch brachte es auch nichts, Ruri drängen. Sie konnte sie verstehen, wenn sie nicht alles von sich preis geben wollte. Abgesehen davon war sie immer noch offener als Amaro und auch Kamil war heute sehr still gewesen. „Ich finde sie eigentlich gar nicht so übel. Zumindest dafür, dass es Massenmörder sind.“ „Aha.“ „Bei dir läuft es also nicht gerade prickelnd, was?“, stellte Feline fest. „Das kann sein.“ „An was liegt es? Vielleicht kann ich helfen.“ „Ich will nicht darüber reden, okay?“ „Okay.“ Feline lächelte. Mittlerweile hatte sie es ganz gut drauf, dabei ihre Zähne nicht zu zeigen. Zumindest die anderen Schüler fanden das eher unheimlich. Von Kisame wusste sie, dass es ihn nicht störte. „Schlaf gut“, sagte Ruri nur. „Du auch“, antwortete sie, „und wenn du reden willst, bin ich da, ja?“ Es folgte Stille. „Danke.“ Ruris Stimme war leise. „Kein Problem.“ Kapitel 13: Trainingsbeschwerden -------------------------------- Sunny strahlte, als das Shuriken das Ziel traf. Triumphierend sprang sie in die Luft und sah zu Deidara. „Endlich geschafft! Genau in die Mitte!“ Er teilte ihre Begeisterung nicht. Im Gegenteil, er wirkte genervt. „Das war nichts, hm“, sagte er, „andere von euch haben das am ersten Tag geschafft.“ „Oh.“ Dass zu diesen ausgerechnet Kamil, Itachis Schüler, gehörte, schien Deidara nicht gerade aufzuheitern. Er war schon den ganzen Tag genervt und reagierte auf alles, was sie sagte, gereizt. Und da sollte noch einmal jemand zu ihr sagen, sie sei zickig! Gegen ihn war das gar nichts. Dennoch hielt sie es für besser, nichts dazu zu sagen. Irgendetwas verriet ihr, dass das keine gute Idee war. Deidara konnte nicht glauben, dass seine Schülerin so naiv war. Es war schön und gut, dass sie treffen konnte – immerhin war das mehr, als Hidans Schülerin geschafft hatte – aber von einer guten Leistung konnte man nicht reden. Natürlich, sie war besser als es Akademieschüler bei ihren ersten Trainingseinheiten waren, aber diese sollten kein Vergleich für sie sein. „Trainiere mit dem Bogen. Wenn du das Werfen so gut beherrschst, sollte das kein Problem sein“, wies er sie mürrisch an. „Schon okay, ich sag ja nichts mehr“, murmelte Sunny genervt, gehorchte jedoch. Mit den Pfeilen zu treffen war viel schwerer. Alleine den Bogen zu spannen war anstrengend. Eigentlich war es ein Wunder, dass sie es schaffte. Natürlich war der ein oder andere Modeljob anstrengend gewesen, aber noch nie hatte sie solche Kraft aufwenden müssen. Sie ließ los und der Pfeil surrte durch die Luft. Zumindest traf sie den Baum, wenn auch knapp. Nervös lächelnd sah sie zu Deidara, der die Augen (oder das, was man sah) verdrehte. Schweigend griff sie nach dem nächsten Pfeil. Dieses Mal schlug er nur wenige Meter von ihr entfernt in den Boden und die Sehne gegen ihren Arm. „Au. Verdammt.“ Das tat weh. Verdammt weh! Fluchend sah sie auf ihren Arm, an dessen Innenseite sich rote Striemen abzeichneten. Sie blutete, wenn auch nicht sonderlich viel. „Jetzt jammere nicht rum. Das ist nichts“, herrschte Deidara sie an. „Das sagst du so leicht.“ Sie war so etwas nicht gewohnt. Sie war Model und kein Ninja. „Du hast keine andere Wahl. Du kannst nicht jedes Mal herum flennen, wenn du verletzt wirst. Das wird dir noch öfters passieren.“ „Höflichkeit ist nicht gerade deine Stärke, oder?“ „Höflichkeit ist das generell nicht und jetzt trainiere weiter.“ Sie beschloss, dass es besser war, zu schweigen. Ihr Training war nicht schlecht gelaufen. Gut. Kamil hatte jetzt schon große Fortschritte zu verzeichnen und Kisame hatte gestern Abend verlauten lassen, dass Feline Talent besaß. Die anderen Mitglieder Akatsukis hatten sich nicht blicken lassen, doch vermutete sie, dass die beiden damit nicht alleine waren. Irgendwann, nach dem sie den Köcher bereits zwei Mal geleert und alle Pfeile eingesammelt hatte, schien es Deidara langweilig zu werden. Nach wie vor barsch erklärte er, dass das Zieltraining für heute beendet sei. „Wird Zeit, dass du dein Tai-Jutsu trainierst“, waren seine Worte, „mal sehen, wie gut du ausweichen kannst, hm.“ Sie ahnte Übles. „Das hast du doch nicht ernsthaft vor, oder?“ „Hast du 'ne Sonderbehandlung erwartet?“ „Nein“, sagte Sunny schnell, „aber meinst du nicht, dass das ein wenig … naja … tödlich für mich enden könnte?“ „Nicht nur ein wenig, aber so lernst du wenigstens, auszuweichen.“ „Oh Fuck.“ Fuck traf es nicht vollkommen. Tatsächlich war die Situation gefährlich, tödlich und sie in totaler Panik. Zwar schaffte sie es den Explosionen – Gott sei Dank waren es kleine, er wollte sie also nicht umbringen, zumindest nicht sofort - auszuweichen, aber Steine und weitere Trümmer trafen sie und als sie stolperte, war es zu spät, um rechtzeitig vor einem Tontier weg zuspringen. Sunny unterdrückte einen Schrei und richtete sich auf. Deidara stoppte die Angriffe. Verwirrt sah sie ihn an. „Besser als ich gedacht habe. Aber von gut warst du weit entfernt.“ Wie nett. Sie sagte nichts. Was sie darauf antworten sollte, wusste sie nicht. Deidara hatte es geschafft, sie sprachlos zu machen. Das schaffte nicht jeder. Bis jetzt konnte nur ihr Chemielehrer aus der achten Klasse diesen Erfolg vorweisen. Auch den Rest des Trainings redeten sie kaum miteinander und Sunny war froh, als Ciel am Abend endlich ihre Wunden versorgte. Hast du Deidara gereizt? „Wie kommst du darauf?“ Sie blickte zu ihm. Die letzten zwei Tage hattest du nichts und heute hast du einiges abbekommen. Sunny strich sich die Haare zurück. „Er war beleidigt, weil Kamil gut ist.“ Ciel ging nicht darauf ein. Was hast du gesagt? „Gar nichts so viel. Er hat eben auf alles gereizt reagiert“, verteidigte sie sich und fügte dann hinzu: „Okay, ich hätte nicht sagen sollen, dass er unhöflich war, das war vielleicht nicht so klug.“ Ihr Gegenüber seufzte lautlos und griff erneut zum Stift. Das solltest du nicht tun. Denke nach, bevor du was sagst. Das hier ist keine Fanfiction und Akatsuki gefährlich. Für dich werden hier keine Ausnahmen gemacht. Für keinen für uns. „Das weiß ich selbst, aber ich finde es nun mal nicht sonderlich witzig, wenn alles, was ich tue, so niedergemacht wird.“ Aufgebracht wirbelte sie mit einer Hand umher, stoppte das aber schnell, als sie merkte, dass das der Brandwunde nicht gut tat. „Aua.“ Das verstehe ich ja, schrieb Ciel, aber daran müssen wir uns gewöhnen, wenn wir überleben wollen. Und das willst du, oder? Sein Blick war ernst geworden. Zum ersten Mal, seit dem sie ihn kennen gelernt hatte, wirkte er wirklich streng und beinahe wütend. Er war mehr, als besorgt. „Natürlich.“ Ihre Stimme war leiser geworden. Dann benehme dich auch so. Bitte. „Das werde ich tun. Versprochen.“ Sie lächelte. Ciel erwiderte es nicht. Er sah viel zu erschöpft dafür aus. Kein Wunder, sie hatte gesehen, dass er nach dem eigentlichen Training mit Pain noch damit beschäftigt war, sich selbst medizinische Jutsus beizubringen. Lass und zu den anderen gehen. Ich muss sehen, ob noch jemand verletzt ist. Sie nickte. Es brauchte niemand Ciels Hilfe, auch wenn Feline nach wie vor ziemlich mitgenommen aussah. Ihr schien es allerdings nichts auszumachen („Nach den ganzen Tattoos sind die paar Kratzer nichts“, hatte sie schulterzuckend gesagt) und bei Amaro nach zu fragen, ob er sich sicher war, traute Sunny sich nicht. Nur weil er mehr als ein Wort mit ihnen sprach und nicht aussah, als ob er sie alle töten wollen würde (zumindest nicht dauerhaft), hieß das noch lange nicht, dass er sie nun alle mochte. Der Rest von ihnen sah mehr oder weniger unverletzt aus. Manch einer hatte ein paar Kratzer, aber nichts Ernstes. Wie gestern waren Kisame, Hidan und Deidara wieder bei ihnen. Letzterer war nach wie vor genervt und Sunny froh, dass sie sich möglichst entfernt von ihm hin setzen konnte. Aber vielleicht konnte sie ihn ja irgendwie fröhlicher stimmen. Sie setzte ihr schönstes Lächeln auf und sah zu ihm hinüber. „Also Deidara, die Klamotten, die du für mich ausgewählt hast, sind echt genial.“ Kaum hatte sie das gesagt, spürte sie, dass das keine gute Idee gewesen war. Ava stöhnte unüberhörbar genervt auf, Feline warf ihr einen bösen Blick zu und auch die anderen Schüler wirkten alles andere als begeistert. Ganz zu schweigen von Deidara, dessen Augenbraue in seinem Haaransatz verschwinden wollen schien. Kisame und Hidan wechselten belustige Blicke. Es war Ciaran, der die Situation rettete: „Ich glaube, was sie damit sagen wollte, ist, dass wir alle dankbar sind, Kleidung und Ausrüstung bekommen zu haben.“ Er lächelte. Das stimmte sicher, selbst wenn man es nicht allen Schülern ansah. Doch sah man Amaro sowieso nie etwas an. Seltsamerweise wirkte auch Feline nicht sonderlich dankbar. Eher neugierig. „Es war eine ziemliche Überraschung“, sagte sie. Man erkannte nicht, wie sie es meinte, „aber zumindest das Schwert wundert mich jetzt nicht mehr.“ Jetzt grinste sie ein wenig. Das war echt gruselig. Es stand Kisames Grinsen in keinster Weise nach. „Woher wusstet ihr eigentlich, was uns passt und gefällt?“, fragte sie dann. „Auch durch Träumer?“ „Nicht durch Träumer“, sagte Felines Lehrer schlicht. „Also wusstet ihr das …?“ „Einfach so.“ „Aha.“ Feline – und die anderen Schülern – wirkten verwirrt. Wie zum Teufel meinte Kisame das denn jetzt? Sunny überlegte, weiter nach zu fragen, doch noch bevor sie etwas sagen konnte, waren sie schon bei einem anderen Gespräch. „Itachi-san und ich sind der Meinung, dass ihr beiden in ein paar Tagen gegeneinander kämpfen solltet.“ Kisame sah Feline und Kamil an. Sie nickte beide. „Du hast keine Chance“, scherzte Feline, wirkte aber nicht sonderlich überzeugt davon und fügte nach einer Pause hinzu. „Bist du wirklich so gut, wie es heißt?“ „Das wirst du sehen, aber eine Chance, dass das ein ernsthafter Kampf wird, sehe ich nicht.“ Kamil grinste. „Sunny wird auch kämpfen“, sagte Deidara entschlossen, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Wenn er meinte. Das würde schon irgendwie klappten, hoffte Sunny zumindest. „Hidan müssen wir nicht fragen, nicht wahr?“ Was auch immer Deidara damit gemeint hatte, Hidan schien das gar nicht witzig zu finden. „Halt die Fresse“, knurrte er wütend. „Wieso sollte ich? Wir wissen alle, dass deine Schülerin nichts drauf hat, hm.“ „Schnauze!“ Doch lachte er nur. Sunnys Blick glitt zwischen Deidara, Hidan und Ruri, die kaum von dem Geschehen beeindruckt schien, hin und her. Mittlerweile war der Streit im vollen Gange. Es schien ihrem Lehrer sehr zu gefallen, dass mindestens eine Schülerin deutlich schlechter war als sie (auch wenn das Sunny wunderte, sie hätte Ruri eigentlich als talentiert eingeschätzt) und stellte das gnadenlos zur Schau. Selbstverständlich war Hidan davon alles andere als begeistert. Während die Beschimpfungen beider Seiten ausfallender wurden, aßen die meisten von ihnen unberührt weiter. Gerade Ruri sah man nicht an, dass irgendetwas um sie herum passierte. Auch Amaro und Kamil schien das Ganze nicht sonderlich zu berühren, Ciel, Ciaran und Ava – nachdem sie einige verwirrte Blicke gewechselt hatten - taten es ihnen gleich. Feline hingegen schien, eben wie ihr Lehrer, amüsiert über die Situation, versuchte sich aber allem Anschein nach nicht allzu viel davon anmerken zu lassen. Sunny glaubte zwar nicht, dass die beiden Streithähne es in dieser Rage merken würden, doch hielt sie das für eine gute Idee. Nach dem Training wollte sie nicht wissen, wie Deidara jetzt austicken würde, wenn er merken würde, wie lustig sie die ganze Situation fand. Es wirkte ja schon irgendwie ein wenig lächerlich. Immerhin war das Akatsuki und keine High School-Proleten. Doch weder Deidara noch Hidan würden davon je erfahren. Im Nachhinein wunderte es Sunny, dass niemand geopfert oder in die Luft gesprengt wurde, aber als sie abends auf ihrem Futon lag, war sie zu müde, um länger darüber nachzudenken. Ava wurde von den Sonnenstrahlen geweckt. Viel zu früh. Mürrisch versuchte sie sich noch einmal umzudrehen und einzuschlafen, doch war der Versuch vergeblich. Schließlich kam sie zu dem Entschluss, dass es keinen Sinn mehr hatte. Bis sie wieder schlief, würde sie aufstehen müssen. Ava rollte sich zur Seite und klaubte ihre Kleidung zusammen. Also gut. Dann auf ein Neues. Es erschien ihr immer unwahrscheinlicher, dass das ganze eine Halluzination (von was sie überhaupt ausgelöst wurde) war. Sie musste sich damit abfinden in der Welt eines Animes gelandet zu sein. Zusammen mit sieben anderen Menschen, mit denen sie zuvor nichts zu tun gehabt hatte. Denen sie nicht einmal begegnet war. Das klang dämlich! Wie der nicht vorhandener Plot einer drittklassigen Fanfiction, die von einem Teenager (sie kam nicht darum herum, an Sunny zu denken und ahnte wieso) geschrieben wurde, um noch dämlichere Fangirl-Fantasien zu befriedigen. Seufzend trat sie aus der Tür. Die Gedanken brachten sie nicht weiter. Sie bemühte sich leise zu sein, um keinen zu wecken, als sie zum Raum, in dem sie aßen, lief. Im Gegensatz zu ihrer Vermutung, war sie nicht alleine. Ciel saß über einer Schriftrolle gebeugt an dem Tisch. Lächelnd nickte er ihr zu. „Morgen“, grüßte sie und setzte sich zu ihm. Schlecht geschlafen, oder nur genug?, schrieb Ciel. „Weder noch, glaube ich, ich war einfach wach. Und bei dir?“ Das Selbe. Es ist, er setze den Stift ab und schien zu überlegen, was er schreiben sollte, ungewohnt. Die ganze Situation. „Das kannst du laut -“, okay, falsche Redewendung, „ehm... du weißt schon. In Großbuchstaben schreiben. Mit unnötig vielen Ausrufezeichen.“ Ciel grinste und fügte drei Ausrufezeichen hinter seinem letzten Satz hinzu. Dann sagten – oder schrieben – sie nichts mehr. Es war aber kein unangenehmes Schweigen. So konnte sie sich auf den Tag vorbereiten, ohne dauernd unterbrochen zu werden. Nach und nach füllte sich der Raum mit den anderen Schülern. Ruri und Feline schienen beide nicht viel Schlaf zu brauchen (oder wie Ciel und sie nicht schlafen zu können). Auch sie redeten wenig und Ava war das Recht. Die Beiden waren nicht wie diese typische Frauen, die nur Schuhe und irgendwelche Boybands im Kopf hatten. Es war schwer zu sagen, an was Ruri überhaupt dachte, aber sie war sympathisch und Feline hatte Humor bewiesen. Bei Sunny, die sich als Vorletzte einfand, war das anders. Sie bestätigte jedes Klischee von dem verwöhnten Stadtkind, das alles in den … Ava lenkte ihre Gedanken wieder auf die Schriftrolle, die sie gestern von Sasori bekommen hatte. Ciaran war der Letzte, der zu ihnen stieß. Er wirkte noch müde, war aber freundlich wie die Tage zuvor. „Guten Morgen.“ Er gähnte und streckte sich, bevor er sich setze. „Gut geschlafen?“ Er sah in die in die Runde. Er fragte sogar nach den Verletzungen, die einige von ihnen sich während des Trainings zugezogen hatten. Sie hatten nicht viel Zeit, sich weiter zu unterhalten. Akatsuki schien nichts von einem gemütlichen Morgen zu halten und Ava wurde bald von Sasori abgeholt. Auch wenn Sasori kleiner war als sie (nicht viel, aber mit ihren 170 Zentimetern nicht zu übersehen), strahlte er eine Autorität aus, die sie nicht leugnen konnte. Es wunderte sie, dass er nicht in Hiruko war, doch auf ihre Frage hatte er nicht geantwortet – wie erwartet. Da er noch lebte ging Ava davon aus, dass sie sich zeitlich gesehen vor Shippuuden, oder direkt an dessen Anfang, befanden. Zerstört war die Puppe folglich nicht, sollte der Manga stimmen, das konnte sie nicht mit Sicherheit sagen. Das hieß, dass er andere Gründe hatte, welche auch immer es waren. Vielleicht lag es daran, dass sie wussten, wie seine wahre Gestalt aussah, allerdings tat das Akatsuki (bis auf Deidara) nicht. Es war schwer, sich in die Gegendankwelt eines Massenmörder – gerade einen, der es als Kunst ansah, Leute zu töten und in Puppen zu verwandeln – hinein zu versetzen. „Du beginnst wie gestern.“ Sasori sah sie gelangweilt an. Einen anderen Gesichtsausdruck kannte sie nicht von ihm und sie glaubte nicht, dass sich das ändern würde. „Verstanden.“ Das hieß Chakrakontrolle. Ava schloss ihre Augen und atmete tief ein. Mittlerweile gelang es ihr ganz gut und sie hoffte, in den nächsten Tagen zumindest Standartjutsus ausführen zu können. Kamil hatte gut Chancen das sogar heute zu schaffen, glaubte man Kisame und der war der einzige, der mit Itachi sprach. Das klang viel zu gut. Selbst sie – und sie hielt sich nicht für sonderlich talentiert – war besser als es ein Akademieschüler war. Immerhin brauchten diese eine lange Ausbildung um überhaupt Genin zu werden und sie waren schon dabei, Grundtechniken richtig zu lernen. Die Frage nach dem Warum ließ sie nicht los. Keiner von den Schülern hatte darauf eine Antwort bekommen. Es versuchte auch keiner mehr, es hatte keinen Sinn und Akatsuki reizen wollten sie nicht. Nicht, dass es manche von ihnen nicht dennoch machten. Ava tat es keine Sekunde Leid um Sunnys Brandwunden, wer so doof war und Deidara wütend machte, musste damit rechnen. „Du konzentrierst dich nicht.“ Auch wenn seine Stimme schleppend war, Ava entging nicht der gefährliche Unterton. Sasori war ungeduldig, das merkte man schnell. „Lass dich nicht ablenken.“ „Natürlich.“ Sie nickte hastig. Es war gruselig, dass er schnell merkte, dass sie nicht bei der Sache war. Sie verwarf alle anderen Gedanken und versuchte ihr Chakra zu bündeln. Langsam spürte sie das mittlerweile vertraute Kribbeln in den Händen. Heute kam es sogar schneller, als an den anderen Tagen. Sie musste lächeln. Das war genial! Aber etwas war anders. Die Welt um sie herum schien in Watte verpackt zu sein. Alles klang gedämpft und verzerrt. Verwirrt versuchte sie ihre Augen zu öffnen, doch verschwamm alles und brauchte lange, um wieder klar zu werden. Viel zu klar. Für den ersten Moment dachte Ava, sie hätte eine Halluzination, verwarf aber den Gedanken sofort. Eine Halluzination in einer (eventuellen) Halluzination war wirklich unwahrscheinlich! Ava stutze. Es war Nacht und sie in der Nähe von Kawagakure. Sie erkannte die Hügel und den kleinen Weg, der in Richtung des Ryokans führte. Was war los? Verwirrt wollte sie sich bewegen, doch kam sie keinen Millimeter von ihrem Standpunkt fort. Plötzlich hörte sie Schritte und Felines Stimme. Kurz darauf sah sie wie sie selbst und Ruri dieser folgten. Es war ein entsetzliches Bild. Während ihr Feline bis jetzt höchstens wild erschien, sah sie nun aus wie ein Raubtier. Das Gesicht blutverschmiert, die Zähne entblößt und mit einem Blick, den sie so schnell nicht vergessen würde. Ebenso wenig Ruri und sich. Egal was passiert war, es musste furchtbar gewesen sein. Ruri zitterte am ganzen Leib, war blass und wurde teilnahmslos von Feline mitgezogen, während Ava etwas in ihrer Hand umklammert hielt. Es war seltsam, sich selbst zu sehen, vor allem dann wenn man – wie sie jetzt erkannte – verletzt war. Unter dem Kleid, das sie, wie auch die anderen Beiden, trug, zeichnete sich ein dunkler Fleck ab. Blut. Sie wusste sofort, dass es das war. Eine weitere Frau, Ava kannte sie nicht, kam zu ihnen. Im Gegensatz zu den anderen Drei schien sie unbeeindruckt von der Situation. Würde man nicht wissen, wie sie aussahen, hätte man denken können, sie wäre bei einem nächtlichen Spaziergang. „Ich frage dich nicht noch ein Mal: wieso sollte ich dir trauen?“, fauchte Feline zu der Fremden. „Wenn ich dir sage, dass ich unter anderem für Akatsuki arbeite, traust du mir dann? Sie sind wirklich lieb, veranstalten alle zwei Wochen eine Feier.“ Sie grinste und sah in Richtung Dorf. „Würde ich euch schaden wollen, hätte ich das schon längst getan und nicht eure Angreifer vorher getötet. Mir ist heute sowieso nicht nach kämpfen.“ Sie machte eine kurze Pause. „Wage es nicht, das Schwert weg zustecken, ich werde nur eingreifen, wenn es sich nicht vermeiden lässt.“ Feline fauchte wieder. „Das hatte ich nicht vor.“ „Das ist nicht dumm von dir.“ Ava schlug die Augen auf. Ihr Kopf schmerzte höllisch. Schien zu explodieren. „Was ist passiert?“ Es war zwar eine Frage, aber Sasori klang nicht interessiert. Er wirkte eher genervt, dass sie es gewagt hatte, umzukippen. Wie sie feststelle, lag sie auf dem Boden. „Keine Ahnung.“ Sie richtete sich auf und bereute es sofort. So musste es sich anfühlen, den Schädel gespalten zu kommen. „Ich hab was … gesehen. Glaube ich.“ Sie vergrub ihren Kopf in den Händen und massierte sich die Schläfen. „Was hast du gesehen?“ „Keine Ahnung“, sagte sie wieder und kam sich dabei blöd vor. „Da waren wir, also Ruri, Feline und ich und noch eine Frau. Ich glaube, das war nach einem Kampf.“ „Wie sah sie aus?“ „Wer?“ „Die Frau.“ „Das weiß ich nicht so genau. Sie war blond, glaube ich und hat was Weißes getragen. Mehr weiß ich nicht.“ Ava sah zu Sasori. Sein Gesichtsausdruck war unverändert. „Hat sie etwas gesagt?“ „Ja, aber es war seltsam.“ „Komm mit. Wir gehen zurück.“ Sie fragte nicht nach dem Grund. Mittlerweile hatten die Kopfschmerzen ihr Denken lahm gelegt. Willenlos und gegen den Schwindel ankämpfend taumelte sie hinter Sasori, der immer ungeduldiger wurde, her. Sie wollte nicht nach einer Pause fragen, sie wusste, dass er ihr nicht die Zeit dafür geben würde. Die Kräfte sparen war das Beste, was sie jetzt tun konnte. Im Ryokan verschwand Sasori nach wenigen Minuten und ließ Ava in ihrem Zimmer zurück. Es war ihr recht. Sie wollte alleine sein und schlafen. Langsam und äußerst vorsichtig legte sich Ava auf ihr Futon. Innerhalb von wenigen Sekunden war sie eingeschlafen. Ciarans Stimmte weckte sie. „Ava? Alles in Ordnung?“ Ein paar braune und besorgte Augen sahen sie an. „Nein“, sagte sie schlicht, „mein Kopf.“ Und der Schwindel. „Das dachte ich mir. Ciel kommt gleich, um nach dir zu sehen.“ „Gut.“ „Was ist überhaupt passiert? Er meinte, dass Sasori bei dem Training aufgetaucht ist und was mit Pain besprochen hat. Du seist bewusstlos gewesen.“ Ava seufzte. In diesem Moment kam Ciel in den Raum. „Hallo“, sagte sie leise und sah dann wieder zu Ciaran. „Ich weiß es nicht. Es war total seltsam. Wie ein Traum oder so. Ganz plötzlich war es wieder weg und ich lag auf dem Boden.“ Ciel reichte ihr eine Tablette und ein Glas Wasser. „Gegen die Schmerzen?“, fragte sie ihn. Er nickte. „Dankeschön.“ Sie sah wie er einige Gebärden machte. „Er meint, du sollst dich besser ausruhen. Geht auch von Pain in Ordnung, solange du uns noch mal beschreibst, was du gesehen hast“, übersetzte Ciaran. Ava stöhnte. Das war genau das, was sie nicht wollte. Eigentlich wollte sie gar nichts, außer weiter zu schlafen. So sehr sie auch die Beiden mochte, sie wollte ihre Ruhe, aber etwas anderes blieb ihr nicht übrig. „Ich nehme an, dass er alles genau wissen will, nicht wahr?“ Unter anderen Umständen hätte sie das synchrone Nicke der Beiden lustig gefunden, jetzt aber nahm sie es kaum wahr. „Also gut ...“ Kapitel 14: Chupacabra ---------------------- „Fünf Tage und kannst immer noch nichts!“ Aufgebracht stapfte Hidan auf sie zu. Ruri sagte nichts, verschränkte jedoch die Arme über der Brust. Nichts? Behauptete er wirklich, dass sie nichts konnte, nur weil sie nicht lernen wollte zu töten? „Wie kann man so beschissen dämlich sein?“, brüllte er und kam ihr mit seiner Sense gefährlich nahe. Ruri zog eine Augenbraue hoch. „Das ist nicht sonderlich motivierend.“ Sie wurde ungern als dumm, dämlich oder dergleichen bezeichnet. Sie war klug, sie studierte nicht umsonst. Hidan schien überhaupt nicht von ihrem Widerstand begeistert. Jedenfalls wurde sein Gesichtsausdruck noch verzerrter als zuvor. „Was ist?“ „Das fragst du noch?“ Ruri sah, wie Hidans Hand sich um die Sense verkrampfte. Das war vielleicht ein Fehler gewesen. „Ja“, sagte sie und hoffte, es würde ihn nicht noch wütender machen. Hidan wandte sich, weiterhin fluchend, ab. Seine Lust, sie Jashin-sama zu opfern, wuchs immer mehr. Dann würde dieser trotzige Blick endlich verschwinden. Das war zum Kotzen! Nicht nur, dass sie kein Kunai – geschweige denn die Waffen, die ihr er gekauft hatte – richtig halten konnte, sie schien es nicht einmal zu versuchen! Und das Gerede über diesen beschissenen Gott, von dem sie immer anfing! „Das Training ist beendet. Die Scheiße kannst du vergessen.“ Er schnallte sich die Sense auf den Rücken. „Wenn ich dürfte, wärst du schon längst tot. Denk daran.“ Er verschwand zwischen einigen Bäumen und Ruri hatte das schreckliche Gefühl zu wissen, wohin. Eigentlich war ihr zum Weinen zu Mute. Doch sie tat es nicht. Natürlich nicht. Sie hasste es, hier sein zu müssen, aber sie wusste, dass sie es nicht noch einmal schaffen würde. Diesen Schritt tat man nur einmal und dann nie wieder. Wer wusste schon, wo sie dann landen würde. Gott wollte sie nicht haben. Ihr blieb keine andere Wahl. Ruri seufzte und lief los. Sie wusste nicht, wohin sie sollte. Hauptsache in die andere Richtung als Hidan. Möglichst weit weg. Sie macht einen Bogen nach Osten. Ruri wusste, dass sie sonst Kakuzu und Amaro über den Weg laufen würde und auf diese Begegnung konnte sie verzichten. Dem Manga und Amaros Verletzungen nach zu urteilen war der Teampartner Hidans sehr leicht zu reizen. Dass sie hier ohne Hidan und ohne jegliches kämpferisches Können herum lief, erschien ihr ein Grund, ihn dazu zu bringen, wütend zu werden. Und sie umzubringen. Das könnte gut sein. Sie war nicht so widerstandsfähig wie Amaro oder Feline. Auch wenn die beiden – zumindest bis jetzt, Sunny schien den Bogen mittlerweile mächtig überspannt zu haben – das meiste abbekommen hatten, hatte sie kein Wort der Klage gehört. Ruri konnte keine Schmerzen ertragen. Ihre Hand zuckte zu dem Lederarmband. Umfasste es. Vielleicht war sie deswegen gesprungen, wenn man fiel, gab es kein Zurück mehr. Frei, denn man flog. Gefangen, weil es nur eine Richtung gab. Nach Unten. Den Tod. Das hatte sie zumindest bis jetzt gedacht. Es schien keinen der anderen so sehr zu beschäftigen wie sie. Feline schien sich damit abgefunden zu haben, mit kranken Mördern zusammenarbeiten zu müssen. Wie sie ihr gestern Abend erzählt hatte, kam ihr Kisame nicht wie einer vor, sondern mehr wie ein alter Bekannter. Ruri konnte das nicht ganz nachvollziehen, immerhin hatte er sie oft genug mit Samehada angriffen und keinerlei Bedenken dabei gehabt. Sie konnte Feline nicht verstehen. Kisame gehörte zu den furchterregendsten und brutalsten Mitgliedern Akatsukis. Kamils Verhältnis zu seinem Sensei, oder anderen Mitgliedern der Organisation, konnte Ruri nicht einschätzen, doch wirkte auch er nicht eingeschüchtert von ihnen. Wie Itachi zu ihm stand, wusste sie nicht – aber wer tat das schon? Für Kamil schien es sowieso nichts anderes zu geben, als zurück zu kommen. Was auch immer auf ihn wartete, es war besser als ihr Leben. Da er in zerrissener und blutiger Kleidung hier her gekommen war, vermutete Ruri, dass es Amaros nicht war. Oder gewesen war. Er war tot, da gab es nichts mehr. „Wenn man von Leben sprechen kann“, flüsterte sie in die Stille. Sie schüttelte ihren Kopf. Sie war die Einzige die daran dachte. Die anderen Schüler machten sich eher Gedanken darüber, was mit ihr und Amaro geschehen war. Sunny war der festen Überzeugung, er wäre erschossen worden und Ruri hätte einfach einen schrecklichen Unfall gehabt. Sie interessierte es nicht, wie Amaro gestorben war und hoffte, dass die Anderen bald das Interesse daran verloren, über ihre Todesursache zu rätseln. Diese Raterei war es, die Sunny unsympathisch machte. Es war nicht so, dass sie nicht nett war oder böswillig. Ruri wollte nicht darüber reden, aber sie verstand es nicht. Generell erschien Sunny ihr mehr als naiv. Nicht dumm, aber sie erkannte den Ernst der Lage nicht. Das war gefährlich. So konnte sie Ava verstehen, die genervt von Sunny war, auch wenn sie nun vermutlich andere Probleme hatte. Sie hatte sie nicht gesehen, aber laut Ciaran und Ciels Beschreibung ging es ihr nicht gut. Sasori hatte sie heute sogar vom Training freigestellt, weil es keinen Sinn machte, ihr heute etwas beizubringen. Sie schlief und etwas anderes war momentan nicht für sie zu machen. Dennoch konnte Ruri nicht leugnen, dass sie irgendwie eifersüchtig auf sie war. Sie würde alles tun, um nicht kämpfen lernen zu müssen. Es war – wie Ciaran es gesagt hatte – die Vorbereitung auf das Töten. Sie wusste, dass sie keine sonderlich gute Menschenkennerin war, aber sie konnte sich bei Leibe nicht vorstellen, dass es ihm leicht fallen würde, zu morden, doch schien er beim Training gut zu sein. Jedenfalls hörte man über ihn keine Klage. Vielleicht war es besser so. Er geriet auf diesen Weg nicht in Gefahr. Ciel war zwar da und konnte Verletzungen heilen, aber ihm waren Grenzen gesetzt. Gerade jetzt, wo er noch kaum Zeit hatte, sich mit den Medic-nin-Schriftrollen zu beschäftigen. Ruri fragte sich, wie er das überhaupt noch schaffte. Abends war er müde und ging als Erster ins Bett. Es war bewundernswert, dass er das alles auf sich nahm, um helfen zu können. Ruri sah gen Himmel. Warum dachte sie über die anderen nach? Sie war unsichtbar. Wer bemerkte sie? Das alles war sinnlos. Wahrscheinlich würde sie von irgendwem, zum Beispiel Hidan, das war sicher, getötet werden... Zu den Geräuschen des Waldes gesellte sich ein Rauschen und sie registrierte, wo sie war. Der Wasserfall. Ohne weiter darüber nach zu denken, machte sie sich an den Abstieg. Sie kannte mittlerweile einen Weg, es eleganter zu machen als beim ersten Mal. Zu einem, weil wirklich nicht nichts konnte, zum anderen, weil sie einen kleinen Trampelpfad entdeckt hatte, den sie gefahrlos, oder zumindest weniger gefährlich, folgen konnte. Gedankenverloren blickte sie auf den See, der sich unterhalb des Wasserfalls bildete. So laut und ungezähmt das Wasser nach unten fiel, so still lag es nun da. Es schien sich nicht einmal zu rühren. Was wenn sie es versuchte? Sie konnte sich beweisen und hatte sowieso nichts zu tun. Sie schloss ihre Augen und lief einen Schritt nach vorne. Es war leicht! Ruri lächelte und öffnete ihre Augen. Sie stand auf dem Wasser. Sie konnte es also wirklich. Vorsichtig hob sie einen Fuß, setzte ihn ab und sie ging nicht unter. Das Lächeln wurde breiter. Der Triumph war ihrer. Erst gegen Abend beschloss sie, zurück zum Ryokan zu gehen. Früher hatte es keinen Sinn gemacht, Hidan war sicherlich noch wütend und nicht wieder aufgetaucht. Ebenso keiner der anderen. Weder von den Schülern, noch von Akatsuki. Ruri war nicht sonderlich froh drüber, denn die neugierigen Fragen würden auch jetzt kommen. Das war nur aufgeschoben. Sie atmete tief durch, als sie in den Speiseraum trat. Schon davor hatte sie die Stimmen von Ciaran, Kamil und Feline gehört. Vermutlich war auch Ciel anwesend. Es gab einen kurzen Moment der Stille, auf die einer der anderen etwas sagte. Wenn es nur sie waren, war alles in Ordnung. Sie schob die Tür beiseite und behielt Recht. „Hallo“, sagte sie tonlos. „Alles in Ordnung?“ Feline war die Richtige, die diese Frage stellte. Sie sah erschreckend fertig aus. „Wir haben mitbekommen, dass Hidan davon gestürmt ist. Ist fluchend an uns vorbei gelaufen, als wir trainiert haben.“ Sie deutete kurz mit den Kopf auf Kamil, der zwar weniger verletzt als sie, aber dennoch mitgenommen war. „Er hat auf die Fragen nicht geantwortet“, fügte er hinzu. Ruri stoppte. Was sollte sie darauf antworten. Ihr ging es gut, das stimmte, aber eigentlich war nichts in Ordnung. „Er ist verschwunden, weil er mich für unfähig hält“, sagte sie. Das entsprach der Wahrheit. „Mach ihn besser nicht noch wütender.“ Ciaran sah sie an. Sein Blick war ernst. „Wie soll das gehen?“ Er öffnete seinen Mund, doch wurde die Tür geöffnet und er schwieg. Amaro kam herein und setzte sich an seinen Platz. Sie grüßten sich. „Hast du mitbekommen, wo Hidan hin ist?“, fragte Kamil ihn. „Nein.“ Eine knappe Antwort. Aber sie reichte aus, um zu erfahren, dass es keiner der Schüler wissen konnte, wo sich der Jashinist befand. Es wäre zwar im Bereich des Möglichen, dass er seinen Glauben auslebte, doch genau das wollte Ruri sich nicht vorstellen. Nicht einmal ansatzweise. Tatsächlich kam Hidan im Laufe des Abends wieder zu ihnen. Wie sie befürchtet hatte, war er voller Blut. Keiner fragte, was er getan hatte, auch wenn es nicht zu übersehen war, dass sich die drei Mitglieder Akatsukis über die erschrockene Gesichter einiger der Schüler amüsierten. Besonders Sunny war leichenblass. Es war seltsam, zu essen, während man versuchte, nicht daran zu denken, wie das Ritual ausgesehen hatte. Ruri konnte nicht anders, als an das Leid der Menschen zu denken, das er verursacht hatte. Sie fühlte sich furchtbar. Es war ihre Schuld. Hätte sie ihn nicht aggressiv gemacht, wäre er nicht weggegangen und hätte niemanden an Jashin geopfert. Sie bekam kaum etwas von dem Gespräch der anderen mit. Es ging irgendwie um das Training und um den Übungskampf von Kamil und Feline. Deidara war nach wie vor davon überzeugt, Sunny könnte es mit einen von ihnen aufnehmen, vor allem – natürlich, das wunderte Ruri nicht – mit Itachis Schüler. Wie das enden würde, wusste jeder, bis auf Deidara und Sunny. In ihrer Naivität sah das Model nicht, dass auch ein Übungskampf kein Spiel war, dabei musste man nur Kamil und Feline ansehen. Und Deidara war zu stolz. Das war dämlich. Nicht sie. „Ruri, kommst du?“ Sie sah auf. Feline stand neben ihr und lächelte schwach. „Ich geh jetzt schlafen.“ „Ich komme mit.“ Es gab keinen Grund, länger hier zu bleiben, als nötig, aber es wunderte sie, dass Feline jetzt zu Bett wollte, aber vielleicht war sie nur erschöpft vom Training. Kaum hatten sie das Zimmer betreten, seufzte Feline. „Ciaran hat Recht. Pass bitte auf, okay?“ „Wie meinst du das?“ „Hidan war den gesamten Abend tierisch wütend auf dich.“ „Daran kann ich nichts ändern.“ „Und ich kann dazu nichts sagen, wenn du mir nicht erzählst, was los ist. Ich glaube nicht, dass du so untalentiert bist, wie er sagt. Das passt nicht zu dir.“ Ruri schwieg. Das Erklären hatte keinen Sinn. Sie würde es nicht verstehen. Das hatte noch nie jemand getan. Feline seufzte noch einmal, begann aber dann damit, sich umzuziehen und sagte nichts mehr. Sie musste an das Angebot denken, dass ihr Feline vor wenigen Tagen gemacht hatte. Es war unmöglich, es anzunehmen. Egal, ob sie es wollte oder nicht. Das Holz splitterte, als das Shuriken das Ziel durchschlug. Langsam gewöhnte er sich an diese Dinger. Sie waren nützlicher, als er anfangs vermutet hatte, dennoch waren ihm richtige Waffen lieber. Jemanden eine Kugel durch den Kopf jagen war einfacher, als das Selbe mit einem Messer oder eine Metallscheibe zu tun, doch blieb ihm hier nichts anderes übrig, als sich den Umständen anzupassen. Allen. Auch wenn ihm das nicht gefiel. Es gab viele Dinge, die ihn hier störten. Die Wurfdinger waren nur ein kleiner Teil. Bei dem Tier sah das anders aus, auch wenn es besser war als Akatsuki. Gegen sie konnte man sich noch Chancen einrechnen. Gegen Akatsuki konnte er es vergessen und das wusste er. Vorerst blieb ihm nur die Möglichkeit, hier zu bleiben. Sobald er einen Weg fand, abzuhauen, würde sich einiges ändern. Es gab keinen Grund, hier zu bleiben, jedenfalls keinen, der ihn hier hielt oder logisch erschien. Es zog ihn nicht sonderlich zurück in seine Welt, es gab dort nichts, was ihm blieb, er konnte genauso gut in dieser bleiben. Allerdings nicht bei Akatsuki. Nicht bei den anderen Schülern. Andersweltler, wie sie genannt wurden. Kakuzu ahnte, an was Amaro dachte und verfluchte die Tatsache, ihn nicht umbringen zu können. Normalerweise hatte ihn kein Verbot davon abgehalten, irgendwen, der ihn nervte, nicht zu töten. Dabei war Amaro noch einigermaßen erträglich. Erträglicher zumindest als Deidaras Schülerin. Doch wäre Pains Schüler ihm noch am liebsten gewesen, wenn man dieses Wort überhaupt im Zusammenhang mit den Andersweltlern bringen konnte. Seine Wiederworte hörte man zumindest nicht. Was er aber hörte, war ein seltsames Geräusch, dass er nicht zu ordnen konnte. Amaro konnte dies ebenfalls nicht, aber es erinnerte ihn entfernt an Affen, die sich ab und an in die Nähe seiner Hütte gewagt hatten. Nur war das Geräusch gurgelnd, als ob sie ersticken würden und hörte er genauer hin, konnte er ein leises Klicken ausmachen. Er ließ die Shuriken nicht sinken und wandte sich in die Richtung, aus dem es kam. Kakuzu, ein Stück hinter ihm, bewegte sich, und Amaro sah für einen Moment zu ihm. Durch die Maske war nicht zu erkennen, was er vorhatte, aber er schien es auch bemerkt zu haben. Dann kam es auf sie zu. Noch nie hatte er etwas ähnliches gesehen. Es war schwarz, klein und schnell. Das Shuriken durchbohrte den Schädel des Wesens, doch hatte er keine Zeit, es sich genauer anzusehen, denn es kamen mehr. Weitere Wurfwaffen und zumindest ein Teil von diesen Viechern wurde getötet. Als sie näher kamen, griff er nach seiner Axt. Dann eben auf diese Art. So seltsam sich diese Dinger auch anhörten, das Geräusch, das er vernahm, als er eines von ihnen spaltete, war noch seltsamer. Sie platzen wie Käfer, die man zertrat, doch war ihr Blut nicht rot, sondern schwarz. Sie waren schnell. Eines verbiss sich in seinen Unterarm und Amaro zog es ohne zu zögern weg. Es schmerzte nicht, aber das Ding hatte eine tiefe Wunde hinterlassen. Er achtete nicht auf das viele Blut, das herunter lief und schlug ein weiteres Vieh tot. Kakuzu schien nicht in den Kampf angreifen zu wollen und kümmerte sich um die Gegner, die ihn selbst zu nahe kamen. Sollte er tun. Amaro tat es genauso. Wenige Minuten später waren alle was-auch-immer tot. Ohne Gefühlsregung kniete sich Amaro zu einen von ihnen herunter und hob die Überreste auf. Es war hässlich. Das war das erste, was ihm auffiel. Furchtbar hässlich. Aber was es war, konnte er nicht sagen. Es sah aus, wie dumme Leute einen Chupacabra – eine lächerliches Wesen, das in Südamerika angeblich gesehen wurde und mit Vorliebe Ziegen das Blut aus dem Hals saugte – beschreiben würden. Eine Mischung aus nacktem Hund, Affe und Eidechse, in diesem Fall auch Käfer, mit riesigen Reißzähnen. „Wir gehen zurück zum Ryokan.“, sagte Kakuzu, „Nimm eines mit.“ Er gehorchte ungern, sagte aber nichts gegen die Anweisung. Sie ergab Sinn und der Widerstand war zwecklos. „Was sind das für Dinger?“ Misstrauisch sah Amaro auf das Etwas in seiner Hand. „Wenn ich das wüsste, würden wir nicht zurück gehen.“ Kakuzu drehte sich um, lief los und Amaro hatte große Lust ihn die Axt in den Schädel zu rammen. Vielleicht hätte er es getan, wenn er nicht wüsste, dass es bei Kakuzu sinnlos war. Amaro hasste es. Im Ryokan waren sie nicht alleine. Es hatten sich schon ein paar von ihnen im Ryokan eingefunden. Es war zu früh für das eigentliche Trainingsende, also lag die Vermutung nahe, dass sie diesen Dingern ebenfalls begegnet waren. Kamil, Ruri und Sunny sahen auf, als er rein kam, Kakuzu war verschwunden, sobald das Haus in der Nähe war. „Bei euch waren sie also auch“, stellte Kamil fest und deutete auf das Ding in seiner Hand. Amaro nickte. Das war offensichtlich. „Ich frage mich, was das ist überhaupt ist.“ Sunny wirkte angeekelt und er war sofort genervt von ihr. Diese Naivität, das dämliche Gelaber und jedes Wort, das ihren Mund verließ, kotze ihn – gelinde gesagt – an. Er antwortete ihr nicht, sondern ließ das Etwas auf den Boden fallen und lehnte sich gegen die Wand. Möglichst weit weg von den anderen, versteht sich. „Von denen, die uns angegriffen haben, ist nicht so viel übrig geblieben“, plapperte sie weiter, doch ließ sie sein Blick verstummen. Bei ihr funktionierte das wenigstens. Das konnte er von den Beiden, die jetzt zu ihnen kamen, nicht behaupten. Der Eine, weil es bei ihm nichts zu verstummen gab. Die Andere, weil sie nicht wusste, wo ihr Platz war. „Ich weiß selbst, dass das keine gute Idee war. Musst du mir nicht sagen“, meinte das Tier ohne ihren Unmut zu verbergen. Was Ciel darauf antwortete, wusste Amaro nicht. Das Tier jedoch schon, doch achtete er nicht auf das, was sie sagte. Es war uninteressant. Als sie sich setzte, sah er allerdings, dass ihre Unterarme bandagiert werden. „Akatsuki lässt also wieder auf sich warten“, seufzte sie. „War ja klar.“ Kamil, neben ihr, nickte bedacht, sagte aber nichts weiter zu dem Thema, sondern blickte auf ihre Arme. „Wie geht es deinen Verbrennungen?“ „Hält sich.“ Das Tier zog an den Verbänden. „Aber ich habe Schlimmeres erlebt. Wie gesagt, die Tattoos.“ Es grinste. „Du hast dich bei Kisames Training verbrannt?“ Vorbei war es mit der Ruhe. Sunny fing wieder an zu labern. „Wie hast du das geschafft?“ „Hab ein Jutsu verhauen.“ Und sie war wieder still. Das konnte das Tier also. Sunny sah es mit großen Augen an, erschrocken über die Schärfe und Wut in Felines Stimme. Langsam schien es auch diesen Kindern aufzufallen, dass es kein nettes Mädchen von neben an war, sondern ein Raubtier. Doch war diese Angst von Sunny lächerlich. Aber es war dämlich, sich bei der Ausführung eines Jutsus zu verletzten. Vor allem so stark. Das sagte er auch. Kaum hatte er das getan, fauchte das Tier ihn an. „Schnauze halten.“ „Machst du mir Vorschriften?“ Es grinste. „Das war 'ne Warnung.“ Amaro sah noch, wie Kamil ins Leere griff. „Feline, nicht!“ Er hatte mit dem Angriff gerechnet, aber nicht damit, dass das Tier so schnell war. Er schaffte es noch gerade rechtzeitig, seinen Kopf beiseite zu drehen und so den Hals zu schützen. Ihre Klauen schlugen stattdessen in seine Halsbeuge und hinterließen tiefe Spuren. Seine Hände riss er hoch und gegen die Arme des Tiers. Er hörte es fauchen – eindeutig vor Schmerzen –, doch schlug es erneut zu. Dieses Mal war er darauf vorbereitet und konnte sie abwehren. Beide ignorierten die Rufe der anderen. Er ließ sich nicht drohen. Schon gar nicht von einem dämlichen Tier. Es war schwer, mit ihrer Geschwindigkeit mitzuhalten, doch war er stärker als sie. Sie wich ihm aus, doch war es für ihn kein Problem, ihre Angriffe abzuwehren. Sehr zu ihrem Ärger. Das Tier wurde sichtlich wütender, doch schaffte es nicht, ihm eine weitere ernsthafte Wunde zu zufügen. Gerade als sie zu einen weiteren Hieb ausholen wollte, erklang Pains Stimme. „Auseinander.“ Er sprach nicht laut, nicht aggressiv, aber Feline erstarrte. Sie gab noch ein Fauchen von sich, bevor sie sich umdrehte und sich wieder neben Kamil niederließ. „Ciel wird sich nachher um deine Verletzungen kümmern.“ Das war kein Vorschlag, es war ein Befehl, den Amaro jedoch nicht ausführen würde. Die Wunde am Hals war zwar tief, aber nicht schlimm. Er brauchte keine Hilfe von Ciel oder sonst wem. Er sah zu Akatsuki, von denen sich mittlerweile alle im Raum eingefunden hatten. Einige von ihnen saßen auf ihren gewohnten Plätzen. Wie zu erwarten schien besonders Hidan belustigt über die Situation. Amaro sah nun auch Ava, welche immer noch blass war und Ciaran, der neben ihr stand. „Warum seid ihr hier?“, fragte Amaro Pain ruppig. Dieser ließ sich Zeit, bis er antwortete. „Wir wollten euch darüber informieren, dass Kawa misstrauisch wird.“ Deswegen waren sie alle gekommen? Das konnte nicht alles sein. „Und weiter?“ „Gebt ihnen keine Gründe dafür, wenn ihr ihnen begegnet.“ Dann herrschte wieder Schweigen. Wie auch in der Nacht, in der das Ryokan überfallen wurde, war es Kamil, der sprach. „Was waren das für … Wesen, die uns angegriffen haben?“ „Das wissen wir selbst nicht, doch haben sie wahrscheinlich mit den Anomalien zu tun.“ Mehr Antwort gab der Anführer Akatsukis nicht. Doch bevor Amaro etwas sagen konnte, tat es das Tier. „Was sind das eigentlich?“ Es zuckte ein wenig zusammen, als sie die Blicke Akatsukis spürte. Sollte an ihrer Selbstbeherrschung arbeiten, wenn sie damit nicht klar kam. „I-ich meine, Sie haben oft davon gesprochen, Pain-san, aber nie gesagt, was genau das ist. Wenn wir Ihnen helfen sollen, dann müssen wir mehr wissen.“ Kamil stimmte ihr zu. „Es würde schneller gehen.“ Sein Blick war ernst und wach. „Wir werden uns beraten, wie viel Informationen wir euch zu kommen lassen.“ Die Beiden nickten. „Danke“, sagte das Tier. „Um auf die Wesen zurück zukommen.“ Sasoris Stimme war monoton und er sah niemanden direkt an. „Ava hat eine Verbindung zu Mythen aus eurer Welt erkannt.“ Die Blicke gingen zu ihr. Sie wirkte überrascht. „Ja“, sagte sie, „es ist nicht viel, aber mich erinnern diese Dinger irgendwie an Chupacabras. Euch nicht auch?“ Amaro nickte kaum merklich. Er war also nicht der Einzige mit dieser Idee. „Du meinst diese – ehm – Schafsauger?“ Sunny sprach wieder. Er sah genervt zu ihr. „Da lief mal was im Fernseher.“ „Ziegensauger“, sagte Ava säuerlich. Einige der Akatsukimitglieder und Schüler wechselten belustigte Blicke. Sunny schwieg beschämt, den Blick zu Boden gerichtet. Das war gut so. Ciaran warf ihr einen mitleidigen Blick zu (wieso auch immer, dieses dumme Gör war selbst daran Schuld), sagte aber ebenfalls nichts dazu. „Aber die sind doch für gewöhnlich nicht so...“ Ciaran machte eine Pause, wahrscheinlich um nachzudenken. „käferartig.“ „Naja“, sagte Ava, „hier ist vieles anders als bei uns und es sind doch sowieso nur eine Urban Legend, da kann man ja sowieso nicht sagen, wie die sein sollten, oder?“ Sie unterhielten sich eine Weile über diese Dinger, kamen aber, natürlich, auf keine Lösung oder Erklärung. Niemand wusste – und Amaro war sich recht sicher, dass Akatsuki zumindest dieses Mal die Wahrheit sagte – was genau das für Dinger waren, auch wenn die meisten der Schüler von Chupacabra sprachen, oder woher sie stammten. Gefährlich waren sie nicht, aber wenn Legenden aus ihrer Welt hier her kommen konnten, dann nicht nur kleine Blutsauger, sondern Schlimmeres. Am Abend hatte er den Anhänger herausgeholt. Was war das für eine Welt? Kapitel 15: Veränderungen ------------------------- Als Ciaran erwachte und gegen das Sonnenlicht blinzelte, war Ciel bereits wach, angezogen und kramte in seinen Unterlagen. „Morgen“, murmelte Ciaran und blieb unbewegt auf seinen Futon liegen. Er sah zu Ciel hoch, der seinen Gruß mit seiner Gebärde erwiderte, bevor er seine Augen noch einmal schloss und sie rieb. Er öffnete sie, blickte zur Decke und gab einen unwilligen Laut von sich. Auch wenn das Futon bei Weitem nicht so bequem war wie sein Bett daheim, hielt sich seine Lust aufzustehen, in Grenze. Aber es half nichts. Murrend rollte er sich über seine linke Seite auf, erkannte seinen Fehler und fluchte leise. „Verdammt.“ Er ließ zurück auf den Futon sinken, um es noch einmal über die rechte Seite zu versuchen. Ciaran hörte Ciel belustigt die Luft ausstoßen. Seine Art zu lachen. Der Blick von Ciarans Zimmerpartner konnte nicht amüsierter sein. Was war das? „Hey“, verteidigte sich Ciaran, „sonst habe ich den ganze Tag Unglück.“ Ciels Augenbraue wanderte in die Höhe. Verstehe. Ciaran glaubte nicht, dass Ciel das ernst nahm, aber das konnte er ihm auch nicht übel nehmen. Er war es gewohnt, dass die Leute seine Angewohnheit seltsam fanden und Craig machte regelmäßig Witze darüber. Er fragte sich, wie es ihm ging. Craig musste glauben, dass er ertrunken war, oder? Was passierte überhaupt in ihrer Welt, während sie hier waren? Gab es da auch die Anomalien? Ciaran fragte sich, wie viel Akatsuki darüber wusste. Sie hatten bis jetzt nichts dazu gesagt oder durchblicken lassen, was sie wussten. Natürlich bestand die Möglichkeit, dass sie es nicht taten, aber auch, dass sie nichts erzählen wollten. Über die Grunde darüber konnten sie nur spekulieren, doch je länger Ciaran darüber nachdachte, desto schlimmere fielen ihn ein. Also beschloss er, es sein zu lassen, als er Ciels Blick spürte. Alles in Ordnung? „Ja, passt schon. Geh ruhig schon mal vor. Ich komme gleich nach.“ Ciaran lächelte, aber Ciel kniff die Augen zusammen, runzelte die Stirn und verließ das Zimmer. Ciaran seufzte und fuhr sich durch die Haare, dann schüttelte er seinen Kopf und begann sich umzuziehen. Die Gedanken an sein zu Hause kamen wieder, doch verdrängte er sie schnell in die hinterste Ecke seines Gehirns. Das hatte doch keinen Sinn. Es brachte ihn nicht weiter, sondern machte nur mehr Sorgen, als er sowieso schon hatte. Die Stimmung der anderen Andersweltler war mäßig und schwankte zwischen Aggression und Trübsinn. Es war ein Leichtes zu erkennen, dass der Kampf des Vorabends noch nicht vergessen war. Feline und Amaro schienen beide darauf zu warten, wieder angreifen zu können und ob es heute so glimpflich wie gestern ausgehen würde, wagte Ciaran zu bezweifeln. Feline hatte sofort nach seinem Hals geschlagen und wäre Amaro nicht zur Seite ausgewichen, hätte sie garantiert seine Halsschlagader betroffen und das Amaro Rücksicht genommen hätte, ausgeschlossen. Hinzu kam, dass es sehr schweren konnte, die Beiden auseinander zu bekommen. Wenn Ciaran ehrlich war, hatte er wenig Lust darauf, sich bei dem Versuch irgendwelche Knochen brechen zu lassen. Trotz der Anspannung begrüßte Ciaran seine Mitstreiter freundlich, doch gab keiner den Gruß zurück. Nicht einmal Sunny. Ihr schienen die Anfeindungen des letzten Tages noch nach zu gehen. Sie ließ den Kopf sinken und starrte auf ihr Frühstück. Sie tat ihm unendlich leid, doch wusste er nicht, was er für sie tun konnte. Es ging hier nicht darum, die anderen zu tolerieren und ihre Eigenarten zu akzeptieren, sondern um sich anzupassen, wenn man überleben wollte. Und das wollte Ciaran. Doch nicht nur Sunny hatte Probleme damit, sich in die neuen Umstände einzuleben. Ruri schien es dort ganz ähnlich zu gehen und Ciaran befürchtete, dass Hidan nicht mehr lange Geduld mit ihr haben würde. Die Aggressionen, die von ihm ausgingen, würden sich sicher bald nicht nur gegen andere Ninjas richten. Zumal das auch nicht besser war. Natürlich war das grausam. Ciaran wollte nicht töten und es nicht lernen. Er konnte es höchstwahrscheinlich nicht. Die Vorstellung, ein Leben auszulöschen war krank. So schrecklich, dass er es sich nicht vorstellen konnte. Oder wollte. Ciel hatte da ähnliche Gedanken, die er gestern Ava, die mittlerweile einigermaßen fit war, und ihm mitgeteilt hatte. Als letztes betrat Kamil das Zimmer. Es hatte den Anschein, als denke er nach, über was, konnte Ciaran nicht erkennen und er fragte auch nicht nach. Kamil schien nicht darüber reden zu wollen und war schweigsamer als sonst. Vielleicht dachte auch er an seine Heimat. Er war es ja, der am dringendsten zurück wollte. Wie sie es gewohnt waren, kam Akatsuki im Laufe des Morgens zu ihnen, um sie zum Training abzuholen. Ciaran begrüßte Konan mit einem Lächeln und folgte ihr zu dem angestammten Trainingsplatz. Eigentlich war es in Ordnung. Beachtete man nicht, dass er für das Töten lernte, machte es sogar beinahe Spaß. Konan war nett. Und das war etwas, dass man nicht von einer Möderin erwartete. „Beginnen wir mit dem Wurftraining?“ Ciaran sah fragend zu Konan herüber. Diese nickte. „Ja.“ Aus Papier formte sie, wie die letzten Trainingstage, einen Dummy und Ciaran zog seine Senbons aus seinen Westentaschen. Er hatte es mittlerweile ganz gut gelernt, mit den Nadeln zu werfen und traf zumindest ungefähr dort, wo er treffen wollte. Stellen, die die Gegner zwar im Kampf behindern oder kampfunfähig machen würden, aber nicht töteten. Konan war sich dessen bewusst, doch sagte sie nichts dagegen. So lange Ciaran kämpfte und die Gruppe nicht durch Nichtstun gefährdete, war es in Ordnung. Nur weil sie tötete, hieß das nicht, dass sie es auch gerne machte. Konan tat es, weil sie es musste und fühlte dabei kaum. Ob es für Ciaran ähnlich werden würde, konnte sie noch nicht wissen, aber es erschien ihr ein Weg, der für ihn zumindest einigermaßen erträglich war. Sie ahnte, dass es für ihn schwer werden würde, doch würde er nicht darum herum kommen, zu töten. Mindestens seine Gefühle würde er ermorden müssen, um nicht verrückt zu werden. Das war der Weg, den sie gewählt hatte. Damals, vor vielen Jahren. Darüber versuchte Ciaran nicht nachzudenken und konzentrierte sich weiterhin auf das Werfen. Es funktionierte immer besser und er hätte noch lange weiter machen können, als Konan ihn unterbrach. „Ich denke, das genügt für heute.“ Sie ließ die Papierpuppe verschwinden. „Wir sollten mit dem Jutsu-Training fortfahren. Dein Kage Bunshin gestern war gut gewesen, probiere es noch einmal.“ Ciaran nickte. Sein Doppelgänger gestern war zwar schnell verschwunden, jedoch komplett gewesen und laut Konan war das eine Leistung, die nicht allen Akademieschülern gelang. Also konnte er darauf stolz sein, auch wenn die restlichen Schüler ähnliche Leistungen vollbrachten. Bis auf den Fauxpas Felines, bei dem sie sich verbrannt hatte, hatte Ciaran von keinem der Mitglieder Akatsukis Klagen gehört. Abgesehen von Hidan, der sich nach wie vor über Ruri beschwerte. Über Ava konnte man noch nichts sagen, immerhin konnte sie erst an diesem Tag wieder trainieren. Da hinkte sie ihnen natürlich ein wenig nach. Er formte das Fingerzeichen für das Jutsu, das seltsame Geräusch ertönte und vor ihm stand sein Doppelgänger. Es war ein komisches Gefühl, sich selbst vor sich zu sehen. Nicht gespiegelt, auf einer Glasscheibe, sondern real. Genauso, wie er jetzt aussah. Noch verrückter wurde das Ganze dadurch, dass er wusste, was er tun musste, um ihn zu steuern. Der Doppelgänger sah, ebenso wie Ciaran selbst, verlegen auf den Boden und scharrte darin. Daran musste er sich erst einmal gewöhnen. „Löse das Jutsu auf.“ Konans Stimme durchbrach seine Gedankengänge. Ciaran nickte und der Kage Bunshin löste sich mit einem Ploppen in Rauch auf und war verschwunden. „Gut gemacht.“ Sie lächelte ihn an. „Mach bitte weiter und probiere, ihn wieder aufzulösen, bevor er von selbst verschwindet. So lernst du, deine Jutsus besser zu kontrollieren.“ Das tat er auch und das Training zog sich eine Weile hin, doch Ciaran spürte bald, wie seine Kräfte anfingen, zu schwinden. Er fühlte sich müde, ein wenig schwindelig und irgendwie schwer. Jegliche Kraft schien aus seinen Körper zu verschwinden. Das war also das Gefühl, wenn man Chakra aufbrauchte. Das musste auch auf die Liste von Dingen, an die er sich gewöhnen musste. Er war immerhin nicht unsportlich und hatte Ausdauer, aber er war schon nach wenigen Doppelgängern ganz außer Atem. Konan schien das zu bemerken. „Das reicht für heute. Übe noch ein wenig mit dem Katana und dann machen wir Schluss.“ Sie lächelte ihn an und Ciaran erwiderte es. Das klang gut, viel länger würde er es auch nicht schaffen. Das Schwert war ihm noch immer suspekt, doch war das Training einfacher als die Jutsus. Konan erschuf wieder einen Gegner aus Papier für ihn, gegen den er kämpfte oder, besser gesagt, er hieb auf die Puppen ein – als Nahkampf war das nicht zu bezeichnen. Für Ciaran war es schon eine Leistung, sich die Klinge nicht ins Bein zu rammen, wenn er sie aus dem Papier, dass Konan allen Anschein nach verhärtet hatte, herauszog. Er wehrte einen Angriff des Dummys ab. Mittlerweile hatte seine Lehrerin wohl beschlossen, dass er bereit dafür war, nicht nur zu schlagen, sondern sich zu bewegen. Zusammen mit Ava war Ciaran der Erste, der sich zum Abendessen im Esszimmer einfand. „Wie geht es dir?“, fragte er sie. Sie war ein wenig blass um sie Nase, sah aber deutlich gesünder aus, als an den letzten Tagen. „Naja“, sagte Ava und strich sich die Haare aus dem Gesicht, „ich bin wirklich fertig, aber die Kopfschmerzen sind weg.“ „Das freut mich.“ Er lächelte sie an. „Aber was ich gesehen habe, macht mich irgendwie ...“ Sie stoppte und seufzte. „Ich weiß nicht. Nervös. Das glaube ich zumindest.“ Ciaran nickte. „Ich denke, ich weiß was du meinst. Gerade weil Akatsuki das auch so ernst nimmt, oder?“ „Ja. Irgendwas müssen sie wissen.“ „Und sie werden uns wohl nichts sagen.“ „Das nervt. Wir sind jetzt eine Woche hier und haben immer noch keine Ahnung von irgendetwas. Als ob sie uns du-“ Ava stoppte. „Da kommt wer.“ Die Tür wurde bei Seite geschoben und Kisame und Feline traten hinein. Sie sah kurz zu ihnen – vielleicht hatte sie mitgehört – bevor sie wieder zu Kisame hoch sah. „Morgen soll ich dann gegen Kamil kämpfen, hast du gemeint, oder?“ Er nickte. „Ja. Ihr habt mittlerweile die Standards drauf und kämpft, für eure Verhältnisse, recht gut.“ „Das nehme ich mal als Kompliment.“ Feline zog eine Augenbraue hoch, grinste aber und sah dann zu den beiden anderen hinüber, um sie zu grüßen. Sie kamen nicht mehr dazu, über Akatsuki zu reden, denn kurz nach Kisame und Feline kamen auch Ruri und Hidan. Die allerdings bei weitem nicht so fröhlich, wie die ersten Beiden. Ruri war noch blasser als Ava und sah keinen von ihnen direkt an, hatte aber immerhin ihren Kopf erhoben. Sie wirkte nicht so eingeschüchtert wie Sunny am Morgen. Das war etwas zumindest etwas. Es sah so aus, als habe sie an Lebenswille gewonnen. Ciaran schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln, das sie sogar – wenn auch schwach – erwiderte. Vielleicht war der Tag doch nicht so schlimm, wie es am Anfang den Anschein gehabt hatte. Auch die anderen waren besser gelaunt. „Du darfst dich nicht zu sehr darauf versteifen, das Jutsu perfekt auszuführen“, erklärte Kamil Ava, als das Gespräch auf dieses Thema fiel. „Mach es einfach und denk nicht zu viel dabei nach. Es muss irgendwie ...“ Er suchte nach einem Wort. „Natürlich kommen. Fließend, verstehst du?“ Sie nickte. „Das probiere ich morgen gleich mal aus.“ „Erzähl' mir, wie es gelaufen ist.“ „Natürlich.“ Ciaran war ganz zufrieden damit, wie der Tag gelaufen war. Keiner stritt sich, oder fuhr jemanden übel gelaunt an. Sunny schwieg zwar immer noch betrübt, war aber wieder am Lächeln und Ciel schlief zum ersten Mal nicht halb beim Essen ein. Es stimmte also: Man sollte den Tag nicht vor dem Abend loben. Es konnte auch gut ausgehen, selbst unter Massenmördern. Der nächste Tag war grau und trüb. Dichte Wolken hingen am Himmel, ab und an fielen Regentropfen zu Boden und der Wind wurde zunehmend stärker. Ciel hatte wenig Lust, das Ryokan zu verlassen, doch hatte er keine Wahl und folgte Pain zum Trainingsplatz. Er wusste nicht, was er von seinem Sensei halten sollte. Er wusste von seiner Vergangenheit und konnte seine Gedankengänge nachvollziehen – wenn auch nicht gutheißen, das garantiert nicht! - aber Pain war ein Mörder. Vielleicht war er nicht so brutal und grausam wie andere Mitglieder Akatsukis, doch wurde das von der Tatsache, dass er diese Organisation ins Leben gerufen hatte ausgeglichen. Sie redeten nicht viel miteinander. Schon alleine, weil Ciel nicht gleichzeitig trainieren und schreiben konnte, jedoch war Ciel davon überzeugt, dass selbst wenn er sprechen könnte, sie kein ausführliches Gespräch geführt hätten. Es gab nicht viel, was sie sich zu sagen hatten. Bis auf das Erklären von Techniken und andere Anweisungen zum Training gab es kein anderes Thema, über das sie sprachen. Meistens antwortete Ciel nur mit einem Nicken oder Kopfschütteln. Das war am einfachsten. Das Training war anstrengend, aber er hatte sich in den letzten Tagen daran gewöhnt, was nicht hieß, dass er einen freien Tag gebrauchen könnte. Ein wenig mehr Schlaf war etwas, dass er dankend annehmen würde. Das, und ein richtiges Bett. Futons waren verdammt unbequem, wenn man die europäischen, weichen Betten gewohnt war. Natürlich kam kein Wort der Beschwerde über seine Lippen und das nicht, weil er nicht reden konnte, verständigen konnte er sich ja dennoch, sondern weil er wusste, dass es keinen Sinn hatte. Ciel wusste, dass weder Akatsuki noch die anderen Andersweltler davon begeistert wären. Es stauten sich auch ohne seine Beschwerden genügend Aggressionen auf. Für Ciel erschien es sowieso wie ein Wunder, dass, bis auf den Kampf zwischen Amaro und Feline, noch nichts passiert war. Zumindest zwischen ihnen. Hidan ließ seine Wut an anderen Menschen aus, das hatten sie nun alle mitbekommen und Ciel wollte nicht weiter darüber nachdenken. Stattdessen lenkte er seine Konzentration wieder auf seine Aufgabe: Versuchen an dem Baum hoch zu laufen. Misstrauisch betrachtete er ihn. Gut, als er das letzte Mal auf einen Baum geklettert war, war er in einer Welt voller Ninja und Massenmördern gelandet … er sollte es besser vermeiden, herunter zu fallen. Wer wusste, wo er sonst landen würde? Es ging sicher noch schlimmer, als bei Akatsuki zu landen, auch wenn es schwer war, sich eine Solche Situation zu erdenken. Ciel seufzte leise und leitete das Chakra in seine Füße. Es würde schon nichts schief gehen. Selbst wenn er fallen würde, musste nichts passieren. Er schloss kurz seine Augen und lief los, sobald er sie geöffnet hatte. Allerdings kam er nur einige Schritte weit, denn Zetsu kam aus dem Boden hervor. Glücklicherweise war er noch weit genug vom Baum entfernt. Auf die Peinlichkeit, erschrocken und mit einem dämlichen Gesichtsausdruck vom Stamm herunter zu fallen, konnte er gut verzichten. Zetsu, keine seiner Hälften – oder keiner der Beiden, da war sich Ciel nicht sicher – sah nicht zu ihm, sondern zu Pain. „Es gibt Probleme“, sagte die weiße Hälfte, „Kawa-Nins haben Hidans Training gestört.“ Die schwarze Hälfte fügte amüsiert klingend hinzu: „Gab ein hübsches Gemetzel. Die Schülerin ist ein wenig geschockt.“ Pain überging die zweite Aussage. „Wie sahen die Probleme aus?“ „Die Kawa-Nins haben bemerkt, dass wir hier sind, doch Hidan hat sie bemerkt, bevor sie Meldung erteilen konnten.“ Die weiße Hälfte sprach. „Verstehe. Waren sie auf Mission?“ „Es sieht so aus, als ob es nur Zufall war, dass sie ihn entdeckt haben. Waren auf den Weg nach Jōkigakure.“ „Lasst die Leichen verschwinden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Shinobis auf Missionen verschwinden.“ Zetsu nickte, wartete aber. „Wir besprechen in einer halben Stunde alles. Sagt den anderen Bescheid.“ Kurze Zeit später trat Ciel in das Esszimmer, alleine, da Pain verschwunden war, sobald sie das Ryokan betreten hatten. Er war allerdings nicht der einzige, der bereits dort war. Feline kniete neben Ruri, die kreidebleich war und Kamil stand in der Nähe der Beiden. Er beschloss nicht zu fragen, ob alles in Ordnung mit Ruri war. Dass es nicht das nicht war, konnte man sehen. Das musste man nicht hören. Sunny, Ciaran und Ava sahen erwartungsvoll auf, als er die Tür bei Seite schob. „Weißt du was Genaues?“ Alle Augenpaare, bis auf Ruris, lagen auf ihn, doch konnte Ciel nur seinen Kopf schütteln. Nein. Zetsu kam zu uns, hat aber nichts Genaues gesagt. Ciaran übersetzte Ciels Gebärden. „Scheiße“, fasste Feline die Situation treffend zusammen. Kaum hatte sie das ausgesprochen, öffnete sich die Tür und Amaro kam herein. Sein Blick war mies gelaunt. Wie gewohnt. „Was ist passiert?“ Natürlich. Hatte jemand auch etwas anderes von ihm erwartet als diese Frage? Ciel befürchtete schon, dass Feline etwas sagen oder machen würde, aber sie blieb bei Ruri sitzen. Das einzige, was zu Amaro kam, war ein abwertender Blick. Noch bevor irgendetwas passierte, trat Kamil einige Schritte vor und sprach mit ruhiger Stimme. „Hidan und Ruri wurden von Kawa – Nins beobachtet. Diese sind nun tot, aber wir wissen nicht, ob Kawagakure dennoch was mitbekommen hat.“ Er sah ihn ernst an. „Das wäre natürlich nicht vom Vorteil, wie du dir sicher denken kannst.“ Amaro nickte, sah aber nicht minder wütend aus. Besser, es würde niemand mehr etwas dazu sagen. Irgendwie hatte Ciel das Gefühl, dass das sonst nicht gut ausgehen würde. Er ahnte auch, woher es kam. Sie verbrachten also die nächsten Minuten schweigend. Immer wieder glitten die Blicke zu Tür, aber niemand kam. Die Anspannung wuchs. Immerhin wurden sie erst vor wenigen Tagen dazu angehalten, sich von Kawagakure fernzuhalten, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen. Jetzt waren Shinobi aus dem Dorf tot. Ciel hoffte nur, dass niemand dort wusste, wie die geplante Route der Mission aussah. Hidan und Ruri trainierten nicht allzu weit vom Ryokan entfernt. Man konnte durchaus eine Verbindung zu ihnen herstellen. Doch würde es überhaupt so schnell auffallen, dass sie nicht zurück kommen? Ciel fiel auf, dass er kaum Ahnung vom Ninjaleben hatte. Dabei las er den Manga. Anscheinend nicht gründlich genug, oder? Wurde so etwas überhaupt erwähnt? War ja eigentlich nicht so wichtig für die Story an sich. Zumindest bei solch alltäglichen Missionen und das von Dörfern, die nicht vorkamen. Gerade, als Ciels Gedanken abschweiften und er darüber nachdachte, dass die Situation ihm nicht mehr so ungewöhnlich erschien, sie warteten ja nicht zum ersten Mal auf Akatsuki, wie am Anfang, hörte man Schritte vom Flur. Kamil drückte sich von der Wand, an der er sich angelehnt hatte, ab und sah gespannt zur Tür. Auch die anderen, einschließlich Ciel selbst, richteten sich auf oder sahen zumindest zur Tür. Sogar Ruri, sie hatte mittlerweile ein wenig an Farbe gewonnen, hob ihren Kopf. Pain hatte keinen anderen Anblick erwartet. Es war typisch für die Andersweltler. Es war ihm bewusst, dass sie ihm misstrauten. Bei einigen von ihnen war es nicht zu übersehen. Sie sollten ihnen mehr erzählen, zumindest so viel, dass sie ein wenig ruhiger wurden. Sie konnten es nicht leisten, dass die Andersweltler Probleme machten. Man brauchte sie bei klarem Verstand und im vollen Besitzt ihrer Kräfte, und nicht so, wie Akatsuki normalerweise Menschen hinterließ, die ihnen gehorchen sollten. Die Andersweltler waren Verbündete, die sie ernst nehmen sollten, wenn er und der Rest Akatsukis nicht wollte, dass ihre Welt aufhörte, zu existieren. Auch wenn es einigen der Akatsukimitgliedern sicher genauso schwer fiel wie den Andersweltlern selbst. Er begann zu sprechen: „Für heute ist das Training beendet. Der Trainingskampf fällt aus.“ Für einen Moment lag sein Blick auf Kamil und Feline, bevor er sich wieder der Gruppe im Allgemeinen zuwandte. „Die Kawa – Nins waren auf dem Weg zu einer Mission. Das ist sicher. Allerdings nicht, ob noch weitere nach kommen sollen oder ob auf eine frühe Antwort von ihnen gewartet wird. Seid die nächsten Tage wachsam. Ihr dürft von Kawagakure gesehen werden, doch keinerlei Anlass geben, sie misstrauisch werden zu lassen. Redet nicht von diesem Vorfall außerhalb des Ryokans.“ Einige von den Andersweltlern nickten. Ciel sah kurz zu Sunny, der immer mehr bewusst zu werden schien, dass das hier die Realität war und kein Spiel. Sie wirkte nicht sonderlich gefasst, schwieg aber und versuchte zumindest, sich unter Kontrolle zu halten. Das war ein Anfang und Ciel hoffte für sie, dass sie weiter so machen würde. Das war der einzige Weg, um zu überleben. Es war grausam. „Wir haben beschlossen, euch grundlegende Informationen zukommen zu lassen.“ War das wirklich sein Ernst? Sie würden endlich mehr erfahren? Die anderen Schüler sahen nicht weniger überrascht aus. Allerdings sagte keiner ein Wort. Vielleicht befürchteten sie, dass es sich Akatsuki anders überlegen würde, wenn sie etwas sagen würden. Nun – bei Amaro war das sicher nicht der Fall, aber bei den anderen konnte es gut sein. Für Ciel war das jedenfalls der Hauptgrund, nichts von sich zu geben. Weder schriftlich, noch mit den wenigen Lauten, die er von sich geben konnte. Pain ließ sich nicht anmerken, an was er dachte oder wie viel er wirklich Preis geben würde. „Die Anomalien sind zunächst das Wichtigste, über das ihr Bescheid wissen müsst. Hört gut zu, ich habe nicht vor, irgendetwas zu wiederholen.“ Er sah jeden einzelnen von ihnen streng an. Ciel wich dem Blick aus. Pains Augen waren leblos, natürlich, und kalt. In sie zu sehen war für Ciel unmöglich. Er fand es erstaunlich, dass Amaro, Kamil und Feline es konnten. Dass sie mutig waren, konnte man nicht bestreiten, auch wenn er Ersteren der Drei nicht sonderlich mochte, aber das änderte nichts an dieser Tatsache. „Wir wissen selbst nicht viel über sie. Sie tauchen an verschiedenen Orten auf, ohne dass ein Muster zu erkennen ist.“ Diese Anomalien waren also nicht kontrollierbar oder vorhersehbar. Das machte die ganze Sache nur noch komplizierter. „Sie zeigen sich in unterschiedlichen Formen. Manchmal tauchen Gegenstände aus eurer Welt auf, Kleinigkeiten, die kaum jemandem auffallen. Doch gibt es auch Anomalien, die Probleme bereiten. Dort, wo sie aufkommen, gerät die Zeit durcheinander. Metall rostet über Nacht, Gebäude werden von Pflanzen überwuchert und zerfallen.“ Ciel hörte, wie Ciaran leise die Luft ausstieß. Sein Blick glitt kurz zu den anderen Schülern. Sie waren alle geschockt. Kein Wunder! Das war … Ciel fand kein Wort dafür. Es klang unglaublich und dennoch gab es keinen Zweifel daran, dass Pain die Wahrheit sagte. Dass er Gründe zum Lügen hatte glaubte Ciel nicht. Auch nicht, dass das alles war, was die Anomalien zu bieten hatten. Und diese Annahme bestätigte sich. „Wir nehmen an, dass sich auch in der Anderswelt, eure Welt, solche Anomalien zeigen. Wir wissen, dass auch hier Gegenstände verschwinden. Das und Menschen. Spuren oder Hinweise auf sie finden sich nicht. Sie sind einfach weg. Weiterhin scheinen die Anomalien die Welten aufzulösen.“ „Aufzulösen?“ Amaro sprach das aus, was sie wohl alle dachten. „Was heißt das?“ Pain schien die Frage erwartet zu haben. „Wir haben gesehen, wie sich eine Anomalie in einem Dorf auftat. Die Häuser wurden nicht zerstört, sie zerfielen und die Trümmer wurden zu Staub, der kurze Zeit später verschwunden war. Aufgelöst.“ Für einen Moment waren sie still. „Was ist mit den Menschen in diesem Dorf passiert?“ Überraschenderweise war es Ruri, die diese Frage stellte. Ciel hatte sich das auch gefragt, aber sich nicht getraut, die Frage zu stellen. Eigentlich wollte er das nicht einmal wissen. „Das Selbe.“ Mehr mussten sie auch nicht wissen. Im Stillen flehte Ciel, das keiner weiter nach fragte. Er wollte nicht noch Details dazu wissen. Das reichte aus. „Ihr wisst nun so viel über die Anomalien wie wir.“ Amaro war es wieder, der eine Frage stellte. „Und was haben wir damit zu tun?“ „Ihr werdet uns helfen, sie zu beseitigen.“ „Und wie?“ Amaro war ungehalten. „Das werdet ihr erfahren, wenn es soweit ist. Ihr habt bekommen was ihr wolltet, Informationen, das muss genügen.“ Am Abend war Ciel beinahe froh darüber, nicht mehr erfahren zu haben. Das reichte Ciel, um zu wissen, dass nicht nur seine eigene Welt nie mehr die sein würde, die sie einmal gewesen war. Alles hatte sich verändert. Kapitel 16: Eine seltsame Begegnung ----------------------------------- Dies war grade nicht sehr merkwürdig; Alice fand es auch nicht sehr außerordentlich, dass sie das Kaninchen sagen hörte: „O weh, o weh! Ich werde zu spät kommen!“ In der selben Nacht, kurz vor Sonnenaufgang, vielleicht gar nicht so weit, aber doch mehr als einen Katzensprung entfernt, trafen sich zwei Gestalten, die man durchaus als merkwürdig bezeichnen konnte. Tatsächlich wäre merkwürdig eine Untertreibung gewesen. Keiner der Beiden schien in diese Welt zu passen, erst recht nicht um diese Uhrzeit und an diesem Ort. Die eine Gestalt, eine junge Frau, die vielleicht gerade einmal zwanzig war, saß im Schneidersitz auf einem breiten Ast eines Baumes und blickte auf eine silberne Uhr. Unbeirrt interessiert blickten die Augen auf das Ziffernblatt, das keines war, und verfolgten die vielen Zeiger. Viel ungewöhnlicher als die Tatsache, dass sie mitten in der Nacht auf eine Uhr starrte, war ihre Kleidung. Ihr Rock, der erst in der Mitte ihres Oberkörpers endete und mit schwarzen Knöpfen verziert war und ihr Oberteil hatten, wenn auch schwer im Mondlicht zu erkennen, die Farbe von einem dunklem Blaugrau. Die Füße steckten in schwarzen Stiefel und ihre Hände in ebenso schwarzen Handschuhen. Die Kapuze ihres Umhangs war ihr ins Gesicht gezogen und verdeckt ihre dunkelroten Haare. Neben ihr lehnte ein krummer Stab aus hellem Holz, der in einem Kreis, in dessen Mitte sich ein achtzackiger Stern aus silbrigem Metall befand, endete. Sah man genauer hin, erkannte man viele Amulette, die um ihn herum gewickelt waren. Als sie Schritte hörte, blickte sie auf. Sie andere Gestalt, ebenso eine junge Frau, war in gewisser Weise das Gegenteil der Anderen. Ein gutes Stück größer, blond und mit ihrer weißen Kleidung im Mondlicht leuchtend. Und doch war eine Ähnlichkeit nicht zu verleugnen. Wie die Uhrblickerin trug sie einen Rock und geschlossene Schuhe. Sie sah anders aus. Das Oberteil, das sie unter dem Jackett trug, und die Schuhe waren olivgrün. Bis auf einige rote Streifen war ansonsten alles in Weiß gehalten. Selbst der rosenverzierte Zylinder, der schräg auf ihrem Kopf saß. Die Hände der Frau in Weiß waren mit Handschuhen verhüllt. Selbstverständlich waren auch diese in der hellen Farbe gehalten. „Hoshiko-chan, komm ich etwa zu spät?“, fragte die Ankommende, den Blick amüsiert auf die Uhr gerichtet. „Selbst wenn es so wäre, ich würde es nicht erkennen. Nicht auf dieser Uhr.“ Hoshiko lächelte ein wenig. „Es freut mich auch dich, zu sehen zu sehen, Arisu-san.“ Sie sprang vom Ast herunter und nahm die Kapuze ab. „Sie sind also doch angekommen. Ich dachte, das sei nicht möglich.“ Auch wenn sie guten Grund dazu gehabt hätte, wirkte Arisu in keinster Weise verwirrt. „Ich auch“, sagte Hoshiko und war es ebenfalls nicht, „aber wir wissen beide nicht alles.“ Dann wurde sie ernst. „Was sagt Pain dazu?“ „Wir sollen sie suchen.“ „Das dachte ich mir.“ „Ich hoffe, du kannst dir auch denken, wo sie sind.“ Es war schwer zu erkennen, wie sie es meinte. „Nicht nur das, ich weiß es“, sie macht eine kleine Pause, „zumindest die grobe Richtung.“ „Gut.“ Ob sie es wirklich gut fand, war nach wie vor nicht zu erkennen. „Und wo?“ „In der Nähe von Hirugakure*. Ich schätze, sie sind im Tal.“ „Dann brechen wir jetzt auf. Das dürfte für dich kein Problem sein, nicht wahr?“ Sie grinste. Hoshiko nickte. „Natürlich.“ Sie zog sich die Kapuze über und umgriff den Stab. „Ich bin stets bereit.“ Sie schwiegen eine Weile in einer angenehmen Stille. Schließlich stellte Arisu eine Frage, beiläufig, vielleicht sogar ein wenig desinteressiert. „Was macht eigentlich unser Vögelchen?“ „Das letzte Mal als ich ihn gesehen habe, war er auf den Weg nach Jōkigakure**.“ Arisu lachte leise. „Wir werden ihn also in ein paar Monaten dort besuchen können.“ „So wird es sein.“ Hoshiko tat es ihr gleich. „Du bist übergeschnappt, hast eine Meise, bist nicht ganz bei Sinnen. Aber weißt Du was? Das macht die Besten aus!“ .............................................................................................. * Hiru bedeutet Hügel im Japanischen ** Jōki bedeutet Dampf im Japanischen Kapitel 17: Augenblick ---------------------- Auch am nächsten Tag war das Wetter schlecht. Es war noch schlimmer, als am Tag davor, denn es regnete ununterbrochen und ein Ende war nicht in Sicht. Der Kampf allerdings ließ nicht mehr auf sich warten. So hatten sich die Drei schon kurz nach dem Frühstück zum Trainingsplatz aufgemacht um dort, wie abgesprochen, auf ihre Lehrer zu warten. Sie redeten nicht viel. Zum Einem, weil es kalt war und sie müde, zum Anderen, weil sie nervös waren. Für Kamil war es nicht der erste Kampf in seinem Leben, doch der erste richtige Kampf als Ninja und das gegen zwei Personen, die er nicht verletzen wollte. Feline, weil er sie gerne mochte. Sunny, weil er wusste, dass sie verlieren würde und er nicht an Deidaras Reaktion denken wollte. Feline war zwar die letzten Tage oft genug von Sunny genervt gewesen, aber sie verletzten wollte sie nicht. Sie war sich nicht sicher, ob sie es schaffen würde, Kamil Schaden zuzufügen (das, was sie von seinem Training gesehen hatte, war echt gut), aber von wollen konnte auch hier keine Rede sein. Die Jüngste von ihnen, Sunny, versuchte das Ganze optimistisch zu sehen, doch fiel ihr das immer schwerer, je länger sie hier war und jetzt, wo sie wirklich kämpfen musste, war ihr metaphorisches Glas nicht nur halb leer, sondern beinahe komplett ausgetrunken. Nur noch wenige Tropfen befanden sich auf seinem Boden. Feline machte ihr Angst, nicht so sehr wie Akatsuki, aber ihre Raubtierart machte sie irgendwie unheimlich. Sunny glaubte nicht, dass sie eine Chance gegen sie, oder gar Kamil, hatte. Es war Feline, die das Schweigen brach. „Hey“, sagte sie leise und blickte zwischen den anderen Beiden hin und her, „Das was hier passiert. Das bleibt hier, okay? Das hier ist nichts Persönliches. Ich mein, wenn wir uns ...“ Sie seufzte leise und sah weg. „Ihr wisst schon. Verletzten.“ „Natürlich“, sagte Kamil, „wir müssen es tun.“ Sunny nickte. „Genau, wir haben keine andere Wahl.“ Dann sagte keiner etwas. Es dauerte nicht lange, bis Feline ihren Kopf hob und in Richtung des Ryokans sah. „Ich glaube, sie kommen.“ Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und trommelte mit den Fingern auf den Oberarmen herum. „Verstehe“, sagte Kamil, „dann ist es also gleich soweit.“ Sein Blick war ernst und erwartungsvoll, aber nicht nervös. Ganz im Gegensatz zu Sunny, die schlagartig blass geworden war. „Mein Gott“, sagte sie sie leise und biss sich auf die Unterlippe. Die Schritte und Stimmen der drei Akatsukimitglieder waren nun auch für die anderen beiden zu hören und bald traten sie durch einige Bäume hindurch zu ihnen. „Geht auf Position. Ihr werdet sofort beginnen und ernsthaft kämpfen.“ Itachi sprach mit ruhiger Stimme, aber übertrug diese Ruhe nicht. Gerade Sunny war noch nervöser als zuvor, doch gehorchte sie wie Feline und Kamil. „Ihr müsst euch keine Körperteile abschlagen“, sagte Kisame deutlich amüsiert, „aber zeigt, was ihr könnt.“ Feline zwang sich zu einem Grinsen. „Wie schade“, murmelte sie, „mir war so danach, euch die Köpfe abzutrennen.“ Kamil erwiderte das Grinsen. „Vielleicht beim nächsten Mal.“ „Wie lieb von dir, dass du mir die Chance dazu gibt’s.“ „Immer wieder gerne.“ Sie wurden von Deidara, sichtlich genervt, unterbrochen. „Nicht reden, kämpfen.“ Sie wechselten Blicke, sagten aber nichts weiter. Deidara sollte man nicht reizen. Das hatten sie in den paar Tagen, immerhin mehr als eine Woche, hier gelernt. „Ihr fangt auf drei an“, sagte Kisame, bevor noch jemand etwas sagte. Stumm nickten die Schüler. „Eins.“ Sie nahmen alle ihre Kampfposition ein. Kamil, mit jahrelang erarbeiteter und Feline mit instinktiver Eleganz. „Zwei.“ Feline sah entschuldigend zu Sunny. „Hör zu, das tut mir jetzt wirklich leid, aber das ist besser so“, sagte sie leise, doch bestimmt. „Drei.“ Feline schoss auf Sunny zu, die den Schlag gerade nach abwehren konnte, und Kamil wusste, was sie vor hatte. Während Sunny versuchte, Felines Angriffen auszuweichen oder diese zumindest zu blocken, und das war bei ihren Krallen keine allzu gute Idee, kämpfte Kamil gegen beide gleichzeitig. Einige Zeit, keiner der drei konnte einschätzen, wie lange, waren sie tiefer in den Wald hinein gelangt. Bäume, Äste und Büsche behinderten sie, schlugen gegen ihr Körper und Gesichter. Unter Kamils linkem Auge zog sich bald schon ein Kratzer und Feline schlug sich die Nase an einem hervorstehenden Zweig an. Plötzlich stoppte Feline, sah nach oben und sprang auf einen Ast über ihnen. Sekunden später war sie im dichten Blattwerk und somit aus ihrem Sichtfeld verschwunden. Kamil achtete nicht weiter darauf, konzentrierte sich aber weiterhin auf seine Umgebung. Das war er gewohnt. Situation analysieren, nicht ablenken oder verunsichern lassen. Sunny, das Model aus den USA, aus einer reichen Gegend New Yorks, war das nicht. Es war das erste Mal überhaupt, dass sie gegen jemanden kämpfte und dann gleich so ernst. Somit hatte sie auch nicht gerechnet, dass Feline hinter ihr auftauchte und ihr in den Rücken trat. Sie schnappte nach Luft und taumelte gegen den nächsten Baum. Feline sah sie mit einem undefinierbaren Blick an, bevor sie einem Schlag Kamils ausweichen musste. Knapp, aber sie schaffte es, ohne getroffen zu werden. „Nicht schlecht“, sagte er. Feline grinste. „Danke.“ Dann ging der Kampf weiter. Sunny jedoch bekam zunehmend Probleme mitzuhalten. Die beiden anderen waren so verdammt schnell, dass das kaum möglich war und Sunny musste mehr einstecken als sie austeilen konnte. Gerade Kamil war nicht zu treffen. Er wich aus, wehrte ab und ließ nicht erkennen, was er vorhatte oder dachte. Plötzlich traf Sunny etwas an ihrem Kopf. Für einen Moment wurde ihr schwarz vor Augen und als sie wieder sehen konnte, erkannte sie Feline, die ihr Katana gezogen hatte. Wahrscheinlich hatte sie mit dem Griff gegen ihre Schläfe geschlagen. Benommen versuchte sie aufzustehen, aber Kamil drückte sie zurück. „Der Kampf ist für dich vorbei“, sagte er ernst. „Aber nicht für euch. Macht weiter“, unterbrach Kisame ungeduldig. Kamil und Feline nickten und verschwanden schnell aus Sunnys Blick, während Deidara wüst fluchend auf sie zu kam. „Was war das gewesen, verdammte Scheiße? Das war erbärmlich, hm!“ Sunny senkte ihren Kopf. Das war demütigend. Sie hatte doch ihr Bestes gegeben. Kamil wehrte das Katana mit dem Tantō, einem Kampfmesser, ab. Metall krachte auf Metall krachte auf Metall. Sie sprangen zurück und sahen sich an. „Du bist wirklich so gut, wie es heißt“, sagte Feline und gab etwas von sich, dass einem Grinsen ähnelte. Sie war erschöpft. Erschöpfter, als es Kamil war. Ihr Atem ging schwer und schnell. Aber aufgeben – selbst wenn sie gewollt hätte – war nicht denkbar. Und jetzt, wo Sunny nicht mehr dabei war, wurde es noch ernster, gefährlicher. „Nicht sprechen, kämpfen!“ Kisames Stimme klang gereizt. Kamil wusste, dass Feline nicht länger durchhalten würde, doch auch, dass ihr Kampfgeist geweckt war. Er wollte sie nicht verletzten, aber so einfach würde der Kampf nicht enden. Feline war zu schnell, als er man sie mit einem Schlag gegen den Kopf ausknocken könnte. Auch Feline war sich dessen bewusst, doch blieb ihr nicht sonderlich viel Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Sie duckte sich unter einen Angriff Kamils hinweg und schlug mit der katanafreien Hand zu. Die Krallen waren um einiges weniger schädlich als die Klinge, doch traf sie ihn nicht einmal, sondern wurde weggeschubst. Feline stolperte, fiel aber nicht uns griff erneut an. Sie keuchte, als Kamils Faust in ihren Magen traf, schlug weiter zu und wurde schließlich von ihm zu Boden gerissen. Sie fauchte. Mitleidig sah er zu ihr herunter. Verdammt. Er war es gewohnt zu kämpfen, aber das war etwas anderes. Zu einem kämpfte er nicht gegen Freunde (und Feline war solch eine geworden), zum anderen, weil er ungern zu irgendwas gezwungen wurde. Vor allem, wenn es unnötige Gewalt war. Auch wenn sie nicht bis zum Ende kämpften, würden sie herausfinden können, wie gut sie waren. Feline rappelte sich auf. Scheiße, tat das weh! Sie griff nach dem Katana – sie hatte es fallen gelassen, als sie auf den Boden gestoßen wurde – und fauchte. Sie hatte keine andere Wahl, als weiterzumachen, also tat sie es und irgendwie wollte sie sich auch ein wenig beweisen. Natürlich lag es ihr fern, Kamil zu verletzten, aber zu zeigen, dass sie etwas drauf hatte, war schon etwas, das sie motivierte. Und irgendwie ängstigte. Das war doch vollkommen krank. Sie waren Freunde und sollten sich nicht gegeneinander kämpfen. Die Klingen prallten aufeinander. Der Klang von Metall. Kamils goldene Ohrstecker glänzten im Sonnenlicht, dass durch die Blätter fiel. Feline holte mit dem Katana aus und Kamil konnte den Angriff gerade noch so mit dem Tantō blocken. Er sah noch, wie Feline erstaunt die Augen aufriss, dann veränderte sich alles um ihn herum. Kleine, schnelle Schritte, die sich einen Weg durch eine Masse aus Menschen bahnten. Das helle Lachen eines Kindes. Kamil blinzelte verwirrt, als das kleine Mädchen mit den rotblonden Haaren an ihm vorbei lief. Was war hier los? „Feline, jetzt warte.“ Ein Mann, der Feline erstaunlich ähnlich sah, folgte ihr lächelnd. Jetzt war Kamil erst recht irritiert. War das etwa ihr Vater? Aber warum ... „Ihr wisst doch, wo ich hin will“, rief das Mädchen, das wahrscheinlich Feline war, über ihre Schulter hinweg. Kamil folgte ihr. Was auch immer passiert war, er schien in ihren Erinnerungen zu sein und diese waren gerade, allem Anschein nach, in einem Zoo. Die kleine Feline stand nun in einem der Raubtierhäuser vor einer riesigen Glasscheibe und starrte fasziniert hinein. Nun hatte er Zeit, sie sich genauer anzusehen. In ihrer Welt hatte sie rotblonde Haare, Sommersprossen und grünbraune Augen. Über ihren Rock, der ihre aufgeschlagenen Knie preis gab, trug sie einen lila Pullover, auf dem ein Reh* abgedruckt war. Sie schien etwa sechs Jahre alt zu sein. „Mama, Papa! Schaut doch mal. Das ist ein Jaguar.“ Natürlich. Eine Großkatze. Hatte man bei ihr auch etwas anderes erwarten können? Der Grund, warum Feline überrascht war, waren Kamils Augen. Seine Iris färbte sich silbern, während sich seine Pupille so stark verengte, dass sie kaum mehr zu sehen war. Auch sie fand sich in Erinnerungen wieder, allerdings in Kamils. Zwei Jungs, um die sechs oder sieben Jahre, saßen im Schatten eines Hauses und aßen ein wenig Brot. Einen von ihnen konnte Feline eindeutig als Kamil identifizieren, auch wenn seine Augen grau und nicht, wie hier, schwarz waren. Es hatten sich also einige von ihnen äußerlich verändert, als sie hier her gekommen waren. Sie runzelte ihre Stirn. Was war hier eigentlich los? „Das war die beste Idee, die du jemals gehabt hattest“, sagte der Junge, von dem Feline nicht wusste, wer er war. „Danke, aber übertreibe nicht“, antwortete Kamil, grinste jedoch dabei. Ihm fehlte ein Schneidezahn, wie ihr jetzt auffiel. „Gut, vielleicht war es deine zweitbeste.“ Sie lachten, bis Kamil plötzlich aufstand. „Ich muss jetzt los, du weißt ja.“ Der andere Junge verdrehte die Augen. „Das ist doch blöd.“ „Meine Familie braucht eben Hilfe.“ „Weiß ich. Meine doch auch. Dann bis morgen?“ „Ja.“ Und Kamil verschwand über eine staubige Seitengasse. Feline blieb einen Moment stehen, unschlüssig, was sie tun sollte, dann folgte sie ihm. Wenige Momente später wurden beide zurück in die Realität geholt. Vollkommen irritiert sahen sie sich an. Atmeten schwer und ließen langsam Tantō und Katana sinken. „Du hast ein Kekkei Genkai“, stellte Feline nach einer Weile des Schweigens fest. „Ein was?“ Sie hörten, wie Itachi und Kisame auf sie zu kamen. Auch die nächsten drei Tage vergingen, ohne, dass sich Kamils Kekkei Genkai noch einmal zeigte oder man erfuhr, was genau es mit ihm auf sich hatte. Dennoch hatte Pain veranlasst, dass sich Itachi während des Trainings darauf konzentrieren sollte. Pain hatte beschlossen, dem Training der Andersweltler beizuwohnen. Er wollte sehen, welche Fortschritte sie machten. Während er von einigen von ihnen durchaus beeindruckt war, immerhin hatten die meisten von ihnen nicht einmal eine Waffe in der Hand gehabt, bevor sie hier her gekommen waren, waren manche von ihnen erbärmlich. Anders konnte man die Leistung, die Ruri brachte, nicht bezeichnen. Auch nach den zwölf Tagen, in denen sie hier waren, zeigte sie keinerlei Willen, sich auch nur ein kleines Stück zu wehren. Im Falle eines Angriffs wäre sie ein einziges Hindernis und würde alle gefährden. Sie durfte nicht sterben, auch wenn Hidan wohl kurz davor war, sie zu töten. Es würde sicher nicht mehr lange dauern, bis ihm das Opfern von Fremden nicht mehr reichen würde. Er hatte es sowieso schon viel zu oft getan. Würde er noch weiter damit fortfahren, würde es bald auffallen, dass immer mehr Menschen verschwanden und das konnten sie sich nicht leisten. Nicht, nach dem es Ärger mit dem Dorf gegeben hatte. Als Pain zu ihnen gekommen war, herrschte eisiges Schweigen zwischen Schülerin und Lehrer. Das Chakratrainig war das Einzige, was sie beherrschte. Die Shuriken, die um sie herum lagen, zeugten sicher von einer der Weigerungen Ruris, sie zu werfen. Oder sie hatte es widerwillig getan und nicht getroffen. Aber es war egal, es kam beides auf das Gleiche heraus. Pain sagte nichts weiter und ging schon nach kurzer Zeit. Wie sie Ruri dazu bringen konnten, zu kämpfen, würden sie in Ruhe besprechen müssen. Jetzt hatte das keinen Sinn. Amaros Trainig war bei Weitem erfolgreicher. Die Erfahrung, die er schon in der Anderswelt gesammelt hatte, war nützlich und sein Tai-Jutsu war, zumindest wenn man bedachte, dass er kein Ninja war, gut. Rein von diesem Punkt aus betrachtet, konnte man zufrieden mit Amaro sein. Allerdings traute Pain ihm nicht. Hätte Amaro die Möglichkeit zu verschwinden, würde er es tun. Er glaubte ihnen nicht und zeigte das bei jeder Gelegenheit. Auch sein Tod war recht wahrscheinlich, selbst wenn dies ganz gewiss nicht das Ziel war. Alle der Andersweltler mussten überleben. Sie wurden gebraucht, ob sie wollten oder nicht. Ob Akatsuki das wollte, oder nicht. Pain war sich sicher, dass Kakuzu sich dessen bewusst war, sonst würde Amaro gar nicht mehr leben, dennoch täte er gut daran, vorsichtiger zu sein. Amaros Kraft war nicht zu verachten und denen der anderen Andersweltlern bei Weitem überlegen. Im Nahkampf war eine nicht zu unterschätzende Hilfe. Zumindest gegen rangniedrige Ninjas dürfte er gute Chancen haben. Damit war er mit Feline, die von ihren Instinkten geleitet wurde, und Kamil, der erfahren war, alleine. Zwar zeigte Ciel durchaus Talent im Nin-Jutsu, aber es war nichts, was ihm im direkten Kampf nützen würde. Sein Tai war schlecht, er hatte keine Ahnung von dem, was er tun sollte, geschweige denn wie, und man sah es ihm an, dass er es nicht gerne tat. Es war kein Widerwille, wie bei Ruri, es war viel mehr Angst und das war viel schwerer zu überwinden als dieser Trotz. Doch zweifelte Pain nicht daran, dass Ciel auf ihrer Seite war und für sie kämpfen würde. Er hatte schon bei dem Angriff auf das Ryokan versucht, zu helfen. Nicht erfolgreich, aber er hatte Willen gezeigt. Das tat er auch, wenn es um die medizinischen Jutsus ging. Der Ehrgeiz, mit dem Ciel die Schriftrollen studierte, erstaunte selbst Pain ein wenig. Nach jedem Trainingstag, sollte er noch so viel Anstrengung gekostet haben, übte er weiter oder kümmerte sich um die Verletzungen, die die anderen Schüler sich zuzogen. Noch waren seine Fähigkeiten nicht unbedingt von Bedeutung, aber das könnte sich ändern und Pain hatte nichts dagegen, solange er nicht das andere Training vernachlässigte. Bei Ava war es ähnlich, auch wenn ihre Kampffähigkeiten viel schlechter waren als bei seinem eigenen Schüler. Ihr gelang nichts wirklich gut. Ihr Chakra konnte sie wenig kontrollieren und hatte es nun auch erst jetzt geschafft, zumindest ein einfaches Jutsu hinzubekommen. Erst dann, als die meisten der anderen Andersweltler das schon längst getan hatten. Selbst, wenn man ihren Ausfall aufgrund ihres Kekkei Genkais beachtete. Kämpfen würde sie so nicht können, doch dafür würde sie sie anders unterstützen können. Wissenschaftlich gesehen war sie begabt, sie würde Medikamenten, Waffen und Ähnliches für sie herstellen können. Vollkommen nutzlos war sie also nicht, dennoch musste Sasori sie weiter trainieren. Hindernisse konnten sie nicht gebrauchen, auch wenn sie ihnen ansonsten halfen. Pain setzte seine Erwartungen in ihr Kekkei Genkai. Sie schien die Zukunft vorhersagen zu können, zumindest war dies die Vermutung. Damit würden sie der Gefahr einen Schritt voraus sein, sollte sie es kontrollieren können. Sasori und sie verwendeten einen Großteil des Trainings darauf, bis jetzt jedoch ohne Ergebnis. Doch war das Erwachen noch nicht allzu lange her und jedes Kekkei Genkai brauchte einige Zeit, bis es kontrolliert werden konnte. Sunny war das komplette Gegenteil Avas. Zehn Jahre jünger und mit einer unglaublichen Naivität ausgestattet. Ihr Fähigkeiten im Kampf waren nicht schlecht, nicht so ausgeprägt wie bei Kamil, Amaro und Feline, aber sie zeigte Einsatz, trainierte fleißig und zeigte eine gewisse Begabung im Nin-Jutsu. Wäre sie nicht so unsagbar naiv, Sunny wäre bei fortschreitendem Training die ideale Kunoichi. So aber war ihr Tod nicht unwahrscheinlich. Zu viel Vertrauen, zu viel Optimismus und Leichtsinn waren keine Tugenden. Erst recht nicht, wenn man Ninja war oder werden wollte. Gerade dann, wenn man mit Akatsuki zusammenarbeiten wollte. Keines der Mitglieder war gut auf sie zu sprechen und selbst einige der anderen Schüler, hier merkte man die Ähnlichkeiten zu ihren Senseis, waren gereizt von ihr. Pain beschloss, ein Auge auf sie zu halten. Es war ganz gewiss nicht im seinen Sinne, dass einer von ihnen – egal, ob sie störte oder nicht – starb. Ciaran gehörte zu den Schülern, die Sunny nicht negativ gegenüber standen, sondern sich viel mehr Sorgen um sie machten. Generell war er, ebenso wie Ciel, ein Mensch, der sich um andere kümmerte. Er war mit Recht Konans Schüler. Mittlerweile zeigte sich, dass seine Begabung vor allem im Bereich der elementaren Nin-Jutsus lag. Seine Chakranatur war Suiton und mittlerweile beherrschte er einfache Jutsus. Ihm gelangen Wasserdoppelgänger und kleine Angriffs-Jutsus und er hatte einen Weg gefunden, wie er kämpfen wollte oder konnte. Wie Konan war es für Pain kein Problem, dass er seine Feinde nicht töten wollte. Seine Methode, die Gegner auszuschalten war effektiv, schnell und präzise. Es gab keinen Grund, sich darüber zu beschweren. Ciaran musste es nur noch einsetzten, wenn es darauf ankam. Daran konnte man zweifeln. Er war ein netter Mensch, wahrscheinlich zu nett, um andere zu verletzten und selbst mit seiner Art zu kämpfen, konnte er es nicht verhindern, töten zu müssen. Irgendwann, früher oder später, würde jemand durch seine Hand sterben. Das war sicher und Pain wusste, dass Ciaran sich dessen bewusst war. Daran gab es keine Zweifel. Über die Fortschritte von Feline und Kamil war Pain, dank des Probekampfs, bestens informiert. Die Zwei machten die wenigstens Probleme, abgesehen von Felines Streitigkeiten mit Amaro. Sie kämpften gut und passten sich der Situation an. So fiel sein Besuch bei dem Training, das nun auch oft zusammen stattfand, kurz aus. Das, was Kisame und Itachi über sie gesagt hatten, stimmte. Drei Tage nach dem Probekampf saßen die Schüler beim Abendessen zusammen. Leise drangen ihre Stimmen durch die Tür. Man hörte ein Lachen, einen Zwischenruf und weiteres, lauteres Lachen. Pain schob die Tür beiseite und trat, gefolgt von den restlichen Mitgliedern Akatsukis, ein. Das Gespräch stoppte und die Gesichter der Schüler wandten sich ihnen zu. Einige blickten erstaunt, andere hatten wohl mit ihnen gerechnet. „Es ist Zeit für eure erste Mission.“ Augen wurden irritiert aufgerissen und Stäbchen verwundert sinken gelassen. Keiner von ihnen ahnte, dass sie nicht vollständig von dieser Mission zurückkehren würden. .................................................................................................... * Wer diese Anspielung versteht ist mein Held! Kapitel 18: Brüderchen und Schwesterchen ---------------------------------------- Es war der 21. Oktober 2012, ein regnerischer Sonntagnachmittag, als Eleonore Shaw of Tordarroch beschloss, mit dem Fahrrad nach Dundee zu fahren. Sie wusste nicht, was sie sonst mit ihrer Zeit hatte anfangen sollen und ein kleiner Bummel durch die Innenstadt erschien ihr eine angenehme Lösung. Eleonore, die von ihrem Bruder Ela genannt wurde, strich sich ihr goldblondes Haar, das sich an den Spitzen über den Schultern lockte, aus ihrem Gesicht und richtete sich die Schultasche. Während sie das Fahrrad an einem Ständer anschloss, sah sie über den Platz hinweg. Auch wenn es Sonntag war, hasteten Menschen an ihr vorbei, bemerkten das Mädchen im dunklen Mantel und der Schuluniform kaum und schienen nicht innehalten zu können. Beinahe wäre ein Mann in Anzug gegen sie gelaufen, wäre sie nicht ausgewichen. Ela beschwerte sich nicht, sah ihm aber hinterher und seufzte leise. Das passierte ihr einfach zu oft. Der Regen verstärkte sich, als sie auf einen Platz vor einer Kirche trat. Trotz des Schleiers aus Grau und Wasser, erkannte sie das weiße Haar ihres Brudes Bhreacs, der vierzehn Jahre zuvor, nur eine Minute nach ihr, das Licht der Welt erblickt hatte. Aber was wollte er hier? Sollte er nicht in der Klinik sein? Ela kniff die Augen zusammen. Sie beschloss ihm zu folgen, nur um sicher zu gehen, dass nichts passiert war. Sie machte sich Sorgen, das sollte nicht so sein. Es wurde bereits dunkel, als Ela ihren Bruder in einem kleinen Waldstück suchte. Sie hatte ihn aus den Augen verloren, kurz nach dem sie es betreten hatten. Ein ungutes Gefühl beschlich sie. Nervös schlang sie ihre Arme um ihren kleinen, schlanken Körper und sah sich um, die Augen aufgerissen und nervös hin und her zuckend. Ihr wurde bewusst, dass etwas nicht in Ordnung war. Falsch war. Und sie hatte ein Gefühl zu wissen, um was es sich dabei handelte. Ela seufzte leise, beinahe lautlos, und machte sich auf den Weg zurück. So hatte das keinen Sinn, aber sie konnte Bhreac nicht alleine hier zurücklassen, ohne zu wissen, was er vorhatte. Was, wenn ihm etwas zustieß? Sie wusste nicht, wer Bhreac dazu trieb, hier zu sein. Es könnte er sein. Aber vielleicht war auch alles in Ordnung. Vielleicht gab es keinen Grund, sich beunruhigen zu lassen. Vielleicht. Die Nacht kämpfte sich weiter vor und Ela gab es auf, ihren Bruder zu suchen. Es war vergebens. Sie musste morgen weiter nach ihm suchen. Ein Knacken riss sie aus ihren Gedanken und ließ sie, einem erschrockenem Reh gleich, zusammen fahren. „Bhreac?“, fragte sie leise, obwohl es nur ein Tier gewesen sein könnte. Es war Abend, in dem Gebüsch sah man nichts, also war das nicht unwahrscheinlich. „Nur ein Tier. Vielleicht ein Fuchs, oder eine streunende Katze“, murmelte Ela und zog ihren Mantel enger um sich. Nichts, das sie beunruhigen sollte. Das hier war ein Wald und in denen gab es, selbst in der Nähe von Städten, viele Tiere. Da gab es immer mal wieder Geräusche, das war etwas vollkommen Natürliches. Doch sie irrte sich. Eine harte, leicht nasale Stimme ertönte hinter ihr. „Es wird Zeit, dass du verschwindest. Du warst lange genug im Weg.“ Ela wirbelte herum. Sie erkannte ihren Bruder und sie erkannte ihn. „Bhreac“, sagte sie leise, erschrocken. „Bitte.“ Instinktiv trat sie zurück. „Lass das bitten.“ Er ging langsam auf sie zu. Bhreacs – nein, seine – roten Augen starrten sie hasserfüllt an. Ein wahnsinniges Grinsen schlich sie auf die Lippen des Jungens, der im Augenblick nicht ihr Bruder war. Nur ein Teil von diesem. Ein sehr, sehr schlechter. „Ich habe es satt, dass du dich dauernd einmischst. Die anderen werden zu sehr von dir beeinflusst.“ Ela blickte sich um. Sie waren hier alleine. Hilfe, egal von wem, konnte sie jetzt nicht erwarten. Sie musste alleine hier weg, so schnell wie möglich. Kaum hatte sie den Gedanken zu Ende gedacht, drehte sie sich um und hastete los. Er folgte ihr sofort und holte sie schon nach wenigen Metern ein. Ela wurde zu Boden gerissen. Tränen stiegen ihr in die Augen, während sie versuchte, sich aus seinen Griff zu wenden. „Nein! Bitte hör auf damit. Das bist nicht du, Bhreac!“ Ihre Stimme wurde schrill, panisch und verzweifelt … und dann immer leiser. Er hatte die Hände um ihren Hals gelegt. Lachte laut und unnatürlich auf und drückte zu. Ihre Versuche, sich zu befreien wurden schwächer. Erstarben nach kurzer Zeit vollkommen und die Welt um Ela herum wurde dunkel. Kalt. Als sie die Augen aufschlug, war Ela alleine. Unsicher und zitternd stand sie auf, sah sich um. Sie befand sich auf einer grasbewachsenen Ebene, ein Tal, an dessen Seiten sich grüne Hügel auftaten. Der Himmel über ihr war blau, zeigte aber langsam die Farbe der untergehenden Sonne und es war viel wärmer als in Dundee. Sie spürte, wie sie unruhig wurde. Ihr Atem wurde schneller und hektischer. Was war passiert? Warum war sie nicht mehr in Dundee? Warum war sie hier? Was war hier? Nervös suchte sie nach irgendetwas, das ihr Auskunft über ihren Aufenthaltsort geben konnte. Bekannte Gebäude, der kleine Wald, irgendetwas. Aber bis auf das Gras, das durch den Wind Wellen zu schlagen schien, war hier nichts. Während sie ihre Panik einigermaßen unter Kontrolle bekam, wurde Ela bewusst, dass Bhreac auch hier sein könnte. Es war zumindest eine Möglichkeit, oder? Er musste es einfach sein. Was sollte sie alleine hier tun? Mittlerweile war sie sich nicht mal sicher, ob sie noch in Schottland – geschweige denn im Rest von Groß Britannien – war. Schon alleine, weil es hier wärmer war, aber auch die Bäume, die sie wenige hundert Meter von ihr entdeckte, sahen ganz anders aus. Aber das war doch vollkommen unmöglich! Sie war nur bewusstlos geworden als Brheac – nein, er – sie gewürgt hatte. Wieso sollte sie also an einem völlig anderen Ort sein? Das ergab keinen Sinn, es sei denn … Nein! Tot war sie mit Sicherheit nicht. Das würde sich anders anfühlen. Das würde man merken. Oder? Sie schüttelte ihren Kopf, die blonden Locken fielen ihr dabei ins Gesicht, um die Gedanken abzustreifen. Sie beschloss zu den Bäumen zu gehen. Vielleicht fand sie dort ja einen Hinweis darauf, wo sie war. Oder nicht war. Vielleicht würde sie Bhreac finden. Wenn er auch hier war, würde er vielleicht auch dort hingehen. Immerhin war das der einzige Ort hier, der sich von dem Rest unterschied. Ein Versuch war es wert. Zu verlieren hatte sie ja nichts. Und tatsächlich war sie nicht alleine hier. Kaum war sie in der Nähe der Baumgruppe, erkannte sie Bhreac, der ebenso wie sie auf sie zu lief. Er sah verwirrt aus, sein Haar stand widerspenstig ab und seine Augen suchten die Umgebung ab. Als er sie sah, seufzte er erleichtert, beschleunigte seine Schritte. „Ela!“ Sie umarmten sich kurz. „Was ist passiert?“ Natürlich erinnerte er sich nicht. Unsicher blickte Ela zur Seite. „Du kannst nichts dafür“, fing sie an. Vorsichtig, ließ ihn dabei aber nicht aus den Augen. Bhreac verstand. Er fluchte leise und trat einen Schritt zurück. „Du bist mir gefolgt, oder?“ Sie nickte. „Warum hast du das getan? Du weißt, dass das gefährlich ist.“ „Ich habe mir Sorgen gemacht. Ich wusste doch nicht, wo du hin willst und-“ „Schon gut“, winkte er ab, wirkte aber ein wenig genervt. „Wo sind wir überhaupt?“ Man hörte auch die Frage heraus, dass er wissen wollte, wie sie hier her gekommen waren. Doch das wusste Ela natürlich nicht. Sie war ebenso ahnungslos wie er. Seufzend zuckte sie mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich bin aufgewacht, nach dem er mich … nach dem er angegriffen hat.“ „Ganz toll.“ Bhreac sah sich um. „Hier ist gar nichts.“ „Ja“ Sie trat zu ihm und blickte über die Ebene. „Und was machen wir jetzt?“ Jetzt war es ihr Zwillingsbruder, der mit den Schultern zuckte. „Keine Ahnung. Wir könnten gucken, ob wir ein Dorf oder so finden, aber ich sehe weit und breit nichts. Aber ich könnte... Moment.“ Ein kurzes Grinsen huschte über Bhreacs Gesicht, dann drehte sich um und kletterte auf einen der Bäume. „Siehst du was?“ Ela sah hinauf, in der Hoffnung, dass er das tat. Zumindest irgendeinen Ansatzpunkt. „Ja.“ Ihr Herz machte einen Hüpfer. „Ich glaube da hinten“, er zeigte Richtung Westen, „ist ein Dorf. Aber es ist weit entfernt.“ Bhreac kletterte nach unten. „Es wird bald dunkel, keine Ahnung ob wir es rechtzeitig dahin schaffen, ohne die Orientierung zu verlieren.“ „Bleiben wir also hier?“ „Ich denke, das wäre sicherer.“ Vor allem für sie, das sagte zumindest sein Blick. Sie war sicher, dass er glaubte, es alleine zu schaffen. „Verstehe.“ Bhreac ließ sich gegen den Baum sinken und zog seinen Mantel aus. Ela setzte sich neben ihn, tat es ihm gleich. „Ich frage mich, wo wir sind.“ Sie sah gen Himmel, der immer dunkler wurde. Die paar Wolken die sich am Horizont auftaten, waren glutrot. „Auf jeden Fall nicht mehr in Dundee.“ „Das dachte ich mir bereits. Es sieht nicht mal nach Europa aus.“ „Aber das ergibt überhaupt keinen Sinn.“ Bhreac seufzte und lehnte seinen Kopf gegen den Baum. Schloss für einen Moment seine Augen. Als er sie öffnete, sah er wieder zu Ela. „Ich weiß.“ Auch sie seufzte. Als die Sonne untergegangen und Ela eingeschlafen war, versuchte sich Bhreac zu erinnern, was er getan hatte. Er erwachte früh, gerade, als es anfing heller zu werden und die ersten Sonnenstrahlen sich durch die Wolken, die in der Nacht aufgezogen waren, kämpfte. Den Mantel hatte er sich über Nacht angezogen, dort war es kühl geworden und zog ihn nun ein wenig enger um sich. Wo zum Teufel waren sie? Er fand keinerlei Hinweise darauf, außer, dass es hier nicht wirklich nach Europa aussah. Zumindest nicht der Teil, der um Groß Britannien herum lag. Auch Ela regte sich langsam. „Morgen“, murmelte sie leise. „Es war also doch kein Traum.“ Bhreac konnte nicht heraus hören, wie sie es meinte. Ob sie erleichtert war, oder nicht. Jedenfalls war es gut, dass sie wach war, dann konnten sie schon gleich los gehen. Es sah nach Regen aus, da war es vielleicht ganz gut, wenn sie da waren, bevor es damit anfing. Er erwiderte ihren Gruß und sah zu ihr herüber. „Sag, wenn du bereit bist. Dann gehen wir los.“ Zur gleichen Zeit erreichten zwei Gestalten selbiges Tal. Allerdings östlich jenes Dorfes, das Bhreac am vorherigen Abend entdeckt hatte. „Dein Schmusetiger ist eine erstaunliche Hilfe“, sagte die eine, die blonde Haare hatte und weiße Kleidung trug. Arisu. Hoshiko nickte und lief weiter. Sie trat einige Schritte vor und blickte auf ihre Uhr. „Ich denke, sie sind östlich von hier. Wir sollten uns beeilen. So wie sie jetzt aussehen, würden sie Aufsehen in Hiru erregen.“ Arisu lachte leise und ging an ihr vorbei, ohne sie weiter anzusehen. Dabei ließ sie nicht erkennen, was sie dachte oder von diesem Vorschlag hielt. Da sie weiterlief, ging Hoshiko davon aus, dass sie zumindest Lust darauf hatte. Für sie war es kein Problem, schneller als die beiden Andersweltler zu sein, auch wenn nur eine von ihnen eine Kunoichi war. Die andere war eben … nun ja … einfach sie selbst. Anders war dies nicht zu beschreiben. Ganz gewiss nicht. Doch das hieß nicht, dass sie nicht stark war. Auch das war gewiss. Es hatte begonnen zu regnen, als der Tag weiter vor rann schritt und die Zwillinge immer näher an das unbekannte Dorf kamen. Es war nicht sonderlich kalt und so ein Wetter waren sie, als Bewohner Schottlands, gewohnt. Dennoch konnte man Glück reden, dass sie Beide ihre Mäntel dabei hatten. Warm war es mit Sicherheit nicht mehr. Sie waren schon einige Zeit unterwegs, stolperten einige Male, weil er Boden schlammig und rutschig war und kamen immer langsamer vor ran. Wenn sie weiter so machten, würde es noch Stunden dauern. So eine Scheiße! Bhreac hatte da wirklich keine Lust drauf, aber noch schneller ging es nicht. Gerade Ela hatte – bei ihren Schuhen auch kein Wunder – große Probleme weiter zu kommen. Unterstellen und ausruhen konnten sie sich aber auch nicht, weil es nichts zum Unterstellen gab. Die letzte kleine Baumgruppe hatten sie schon vor einige Zeit hinter sich gelassen. Sie hatten also keine andere Wahl, als weiter zugehen und es war ja nicht so, dass sie Regen nicht gewohnt waren. „Bhreac, siehst du das?“ Ela deutete in die Ferne. Richtung Westen, wo das Dorf lag. Bhreac kniff seine Augen zusammen und erkannte tatsächlich zwei Gestalten, die auf sie zu kamen. Dem Anschein nach waren es zwei Frauen, von denen die eine weiße, die andere blaugrüne Kleidung trug. „Vielleicht können die uns weiterhelfen“, murmelte er dann, „komm, wir gehen ihnen entgegen.“ Ela nickte stumm. Es dauerte nicht lange, bis die zwei Frauen zu ihnen stießen. Sie waren erstaunlich schnell gewesen, aber nicht sichtbar erschöpft. Seltsam. Er zog eine Augenbraue hoch, als die eine von ihnen, die in Weiß mit den blonden Haaren, zu sprechen anfing. „Die verlorenen Schäfchen haben her gefunden. Wie erfreulich.“ Ihre Stimme klang deutlich amüsiert über die Zwillinge. Wie sympathisch. „Was soll das heißen?“ „Nicht so misstrauisch, Bhreac-chan, wir sind da, um euch einzusammeln.“ „Woher kennst du meinen Namen?“ Die Frau sah ihn kurz mit undefinierbarem Blick an. Dann lachte sie leise, aber ebenso wenig definierbar, auf. „Ich habe meine Quellen.“ „Und die wären?“ „Stell nicht so viele Fragen. Nicht solche zumindest.“ Sie grinste wieder und die andere Frau, die rote Haare hatte und ein wenig jünger erschien, fing an zu sprechen. „Ich habe damit gerechnet, dass es euch interessiert, wo ihr überhaupt seid.“ „Das tut es auch.“ „Warum habt ihr dann nicht gefragt?“ Die Rothaarige sah sie interessiert an. Beinahe neugierig, aber auch ein klein wenig spottend. Bhreac schwieg und sie fuhr weiter fort. „Die Welt, in der ihr seid, dürfte euch bekannt vorkommen. Aus einem Manga.“ Anstatt noch etwas zu sagen, wandte sie sich ein wenig von ihnen ab, bewegte sie ihre Hände seltsam. Eine Sichel aus Wind schoss an ihnen vorbei. Die Frau lächelte ein wenig und griff nach einem seltsamen Stab, der auf ihrem Rücken befestigt war. „Das kann doch nicht wahr sein.“ Überrascht und vollkommen perplex starrte Ela die beiden Frauen an. „D-das ist wie in Naruto.“ Naruto? Das war doch der Anime, den sie so gerne sah, oder? Bhreac meinte, sie hätte einmal etwas davon erzählt, aber das war doch vollkommen unmöglich! „Ihr seid in der Welt der Shinobi. Ganz recht“, sagte die Blonde, grinste dabei. „Sehr gut erkannt, Ela-chan.“ Was sollte eigentlich dieses chan die ganze Zeit? „Wir bitten euch, dass ihr mit uns kommt. Es warten Aufgaben auf euch.“ Die Rothaarige ergriff wieder das Wort. „Ich bin Amanogawa no Hoshiko und das ist Arisu Kohara.“ Bhreac verschränkte seine Arme vor der Brust. „Sehr interessant. Und weiter? Warum sollten wir euch folgen?“ Das war doch vollkommen sinnfrei! Man konnte nicht einfach in einem Anime landen. Wie sollte das bitte von Statten gehen? Er sah kurz zu Ela, die total verwirrt zu sein schien. Natürlich. Das war er ja auch. Aber es musste doch eine Erklärung für all das geben. Irgendeine. „Ihr habt keine andere Wahl“, sagte Arisu. „Wir wollen euch helfen“, fügte Hoshiko hinzu. „Aha.“ Was sollte man darauf auch antworten? Natürlich brauchten sie Hilfe, sie hatte keine Ahnung, wo sie waren, aber warum sollte man ihnen denn trauen? Nur, weil sie sagten, sie hätten keine andere Wahl? Das war kein Grund. „Kommt einfach mit. Erst mal zumindest. Dann könnt ihr entscheiden, wo ihr bleiben wollt“, sagte Hoshiko mit einem Lächeln. „Wir haben Essen und Kleidung für euch. Mit euren Sachen würdet ihr hier nur auffallen.“ Kaum hatte Hoshiko dies gesagt, zog Arisu einen Beutel mit Kleidung hervor. „Noch ein Stück in Richtung Westen ist eine Baumgruppe, hinter dem kleinen Hügel da. Dort könnt ihr euch umziehen.“ Schlussendlich hatten sie sich doch entschieden, ihnen zu folgen und zumindest die Kleider anzuziehen. Bhreac trug nun eine graue, bis zu den Schienbeinen reichende Hose aus Stoff. Über einem Netzoberteil, das auch seine Arme bedeckte, trug er ein lavendelfarbenes Muskelshirt mit weitem Kragen. Wie seine Schwester trug er einen schwarzen Mantel mit großer Kapuze über der Kleidung. Die Ärmel waren weit, allerdings nicht so lang, dass sie einen der Beiden behindern würden. Ela, die gerade zu ihm trat, trug ein Oberteil, das recht weit war und ihr bis zu dem Bauchnabel reichte. Ihre Brust hatte sie mit Bandagen umwickelt und um ihre Arme trug sie Netzstulpen. Ihre Hose war schwarz, reichte bis zu den Knien, wo sie von einem Gummibund gehalten wurden und um ihre rechte Wade trug sie einen Netzstrumpf. Ihre Sandalen waren blau. „Und jetzt?“, fragte sie ihn und sah sich unsicher um. Bhreac kam gar nicht zum Antworten, denn Arisu tauchte wieder bei ihnen auf. „Jetzt werden wir euch zu euren neuen Freunden geleiten. Keine Sorgen. Sie sind unglaublich nett und verträglich.“ Wer auch immer diese 'Freunde' waren, Bhreac glaubte ihr nicht so recht. „Und wir werden euch so viel erzählen, wie wir dürfen.“ Auch Hoshiko war bei ihnen aufgetaucht und musterte sie beide neugierig. „Es ist nicht allzu viel, aber ihr werden schon früh genug erfahren, warum genau ihr hier seid.“ „Es ist auch besser für euch, wenn ihr nicht gleich alles erfahrt. Es könnte eure zarten Seelchen verletzten.“ Arisu grinste. „Jedenfalls“, sagte Hoshiko und ging nicht weiter auf ihre Begleiterin ein oder gab Bhreac eine Chance etwas zu sagen, „gehört ihr zu den Zehn und seid wichtig für diese Welt. Seid ein Teil von ihr.“ Jetzt durfte er endlich wieder sprechen. Wie großzügig von ihnen. „Wie meint ihr das?“ Seine Stimme war ungehalten. Deutlich genervt von dieser Situation. Konnten sie nicht einmal klare Worte finden? „Es gibt sehr viele Welten, müsst ihr wissen. Eure und unsere haben sich gekreuzt und das ist nicht gut. Es hat etwas ausgelöst, dass für Probleme sorgt. Man brauch euch.“ Sie machte eine kurze Pause, sah die Zwillinge eindringlich an. Sie sagten nichts. Diese Aussage war eindeutig zu überraschend, um darauf irgendetwas zu antworten. Also fuhr Hoshiko mit einer seltsamen Ruhe fort: „Es gibt einige Menschen, die in eure Welt sehen können und anders herum. Das sind Träumer und ich bin eine von ihnen. Deswegen kannten wir eure Namen und wissen grundlegende Dinge über euch.“ Und das sollte sie jetzt beruhigen? Dass es Menschen gab, die sein Leben beobachteten? Arisu schien seine Gedanken erraten zu haben. Mit einem irren Glitzern in ihren Augen sah sie ihn direkt an. „Keine Sorge, Bhreac-chan. Dein kleines Geheimnis ist bei uns sicher. Verrückte müssen zusammenhalten, nicht wahr?“ Kapitel 19: Erinnerungen ------------------------ Drei Tage nach dem Probekampf saßen die Schüler beim Abendessen zusammen. Leise drangen ihre Stimmen durch die Tür. Man hörte ein Lachen, einen Zwischenruf und weiteres, lauteres Lachen. Pain schob die Tür beiseite und trat, gefolgt von den restlichen Mitgliedern Akatsukis, ein. Das Gespräch stoppte und die Gesichter der Schüler wandten sich ihnen zu. Einige blickten erstaunt, andere hatten wohl mit ihnen gerechnet. „Es ist Zeit für eure erste Mission.“ Augen wurden irritiert aufgerissen und Stäbchen verwundert sinken gelassen. Amaro, der genervt von dem ewigen Kichern und Lachen war, sah Pain direkt an. „Was für eine?“ Seine Stimme war tief, kratzig und ungeduldig. „Dich, Kamil, Ciel und Ciaran braucht das nur am Rande zu interessieren.“ Pain blieb ruhig, ließ sich nichts anmerken. Jetzt war es das Tier, das nachfrage. „Und das heißt?“ Sie hatte eine Augenbraue gehoben, ihr Blick war direkt auf Pain gerichtet. „Es wird keine schwierige Mission werden, aber sie hat seinen Sinn. Ihr vier“, er sah die weiblichen Anderswelter (Amaro konnte es nicht glauben, dass er jetzt auch mit diesen dämlichen Wort anfing) an, „werdet Informationen beschaffen müssen.“ Aha. Sehr interessant. Das Tier schien das ähnlich zu sehen wie er. „Und das heißt … was?“ Ihre Augenbraue war immer noch oben, aber sie sah deutlich verwirrt und ebenso genervt, aus. „Was müssen wir tun?“ „In Kawa wird es bald ein Treffen von reichen Händlern geben. Sie kommen viel herum, die Wahrscheinlichkeit, dass sie etwas von diesen Anomalien mitbekommen haben ist dementsprechend hoch. Haltet euch dort auf und versucht, etwas heraus zu finden. So viel wie möglich.“ Es folgten weitere Anweisungen, denen Amaro aber nicht wirklich folgte. Es ging nicht um ihn, also brauchte es ihn auch nicht zu interessieren. Er bekam so viel mit, dass sie am übernächsten Abend dort hingehen sollten. Kleidung müssten sie sich selbst besorgen, bekamen aber das Geld dafür von Akatsuki. Natürlich. Keiner von ihnen hatte auch nur eine Münze. Das musste sich noch ändern. Amaro hatte wenig Lust komplett abhängig zu sein. In diesem Punkt war er ganz anderes gewohnt. Er bekam kaum mit, dass Pain fertig gesprochen hatte und verschwand. Eigentlich erst dann, als Sunny wieder anfing zu sprechen. Konnte sie nicht einmal ihre verdammte Fresse halten? „Und was sind jetzt die Gründe dafür? Ich meine, das ist Akatsuki. Die kommen doch sicher auch anders an die Informationen.“ „Natürlich“, sagte Feline, „aber ist das nicht offensichtlich?“ „Wieso?“ Feline verdrehte die Augen und Ava übernahm das Sprechen, war aber ebenso genervt. Kein Wunder. Das ging gar nicht anders. „Sie wollen unsere Nerven testen. Bis jetzt haben wir vier, bis auf Feline, uns nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Nun wollen sie sehen, ob wir zumindest in so einer Situation nicht komplett hilflos in der Gegend herum stehen.“ Nicht gerade mit Ruhm bekleckert fand Amaro gewaltig untertrieben. Ruri tat rein gar nichts, wollte nicht mal etwas tun, und stand bei jedem Training einfach nur dämlich in der Gegend herum, Sunnys Naivität war zum Kotzen dumm und Ava hinkte ihnen immer noch meilenweit nach. Nur das Tier konnte kämpfen, zumindest das hatte sie unter Beweis stellen können. „Ach“, sagte Sunny und grinste dämlich, „das werden wir schon schaffen.“ Amaro glaubte das nicht. Auch die anderen schienen davon nicht überzeugt. Ciaran sah sie ernst an. „Sunny, selbst wenn ihr wahrscheinlich nicht kämpfen müsst, eine Mission ist das trotzdem. Nimm das bitte ernst.“ „Jaja, das tu ich doch, aber ein wenig Optimismus kann doch nicht schaden.“ Das Tier sah sie wütend an. „Gottverdammte Scheiße! Das hier ist kein Spiel, Sunny. Das solltest du doch endlich mal bemerkt haben. Gerade beim Trainingskampf.“ Sie fauchte leise und Sunny blieb tatsächlich stumm, blickte nur aus großen Augen zu Feline herüber. „Ist ja gut.“ Sie sah zu Boden. „Ich pass ja auf.“ Dazu sagte niemand mehr etwas und Amaro war froh darüber. Diese dumme Göre kotzte ihn einfach an. Da musste er sich nicht weiter mit ihr beschäftigen. Es war spät geworden, als Amaro wieder in seinem Zimmer war, auf dem Futon lag und gegen die Decke starrte. Eine Hand umklammerte den Dosenring. Er stammte von einer Coladose, das wusste er noch. Würde es wohl nie vergessen. Die Erinnerungen daran waren einfach zu schmerzhaft einprägsam gewesen, als das er das konnte. Sie hatte nur noch Cola trinken wollen, wenn sie einmal groß war, aber daraus war nie etwas geworden. Es würde auch nie etwas daraus werden. Amaro schloss seine Augen, versuchte, an etwas anderes zu denken und ließ den Dosenring los. Es hatte keinen Sinn mehr, sich darüber Gedanken zu machen. Es hatte keinen Sinn mehr, sich darüber Gedanken zu machen. Es hatte keinen Sinn mehr ... „Scheiße“, sagte er leise und musste gegen den Drang ankämpfen, irgendetwas zu zerstören. Das würden die anderen merken und er hatte keine Lust, sich dafür zu rechtfertigen. Darüber mit diesen Idioten zu sprechen. Und sie würden garantiert wissen wollen, warum er irgendeinen beschissenen Tisch zerstört hatte. Sie hatten die nervige Angewohnheit, sich in Dinge einzumischen, die sie nichts angingen. Es dauerte lange, bis er eingeschlafen war und als er es letztendlich getan hatte, wurde er in seinem Traum von Estella und dem Dosenring besucht. Auch am vierten Tag nach dem Probekampf regnete es. Die Wolken hingen immer noch schwer und dunkel am Himmel und der Wind nahm stetig zu. Schönes und warmes Wasser sah anders aus, aber es passte zu der Stimmung die sich ausgebreitet hatte. Es war Feline, die Kamil als erstes an diesem Tag begegnete. Sie saß schon im Aufenthaltsraum, als er herein kam. Sie trug den Rollkragenpullover, den sie auch am ersten Tag hier angehabt hatte. „Dir ist kalt“, stellte er fest und setzte sich ihr gegenüber hin. „Ja.“ Sie nickte und fuhr sich durch die Haare. „Und ich mache mir Gedanken um morgen Abend. Ich bin die einzige, die kämpfen kann. Wenn etwas schief geht … ich will nicht wissen, was dann passiert.“ Sie seufzte leise. Kamil verstand sie. „Behalte die andere im Auge, dann kannst du im Notfall eingreifen, sollte es Probleme geben.“ „Ich hoffe, das werde ich können.“ „Wenn es jemand von euch schafft, dann du.“ Sie lachte trocken auf. „Vielen Dank für das Vertrauen. Ich lasse deinen Kopf auch beim nächsten Mal dran.“ „Wie gütig von dir.“ Er grinste sie freundlich an. Sie schien noch etwas sagen, doch Ruri kam in den Raum und sie stoppte. „Guten Morgen“, sagte Feline stattdessen, „ich hoffe, ich habe dich die Nacht nicht wach gehalten.“ „Hast du nicht“, antwortete Ruri ruhig, „ich war sowieso wach.“ Sie setzte sich ein wenig entfernt von den Beiden und sah auf den kleinen Tisch, schwieg. „Darf ich fragen, ob es an der Mission liegt?“, fragte Feline vorsichtig nach. „Nein.“ Ruri blickte dabei Feline nicht an. Kurz wechselte diese einen Blick mit Kamil, der nur mit den Schultern zuckte. Was sollte er denn noch groß dazu sagen? Er verstand Ruris Ablehnung gegen die Situation nicht vollkommen, aber daran ändern konnte er nichts. Die Tür öffnete sich erneut und Hidan kam in den Raum hinein. Ruri wandte demonstrativ den Kopf ab, während Feline und Kamil ihn grüßten. Er grüßte zurück und sah dann Feline an. „Komm mal mit. Ich will dich etwas fragen.“ Sie hob eine Augenbraue, folgte ihm aber aus dem Raum. „Klar, um was geht es?“ „Ein wenig Geduld könnte dir nicht schaden“, gab er zurück, „oder hast du vor, einen Club mit Kakuzu zu gründen.“ Feline grinste sogar ein wenig. „Wäre vielleicht eine Überlegung wert.“ Dann waren sie aus dem Raum verschwunden und Ruri starrte den Beiden ungläubig nach. „Wie könnt ihr das nur?“, fragte sie nach einiger Zeit leise nach. „Wie könnt ihr nur so tun, als wäre das alles hier normal?“ Kamil sah sie einen Moment an, bevor anfing zu sprechen. Er wusste, dass Ruri mit seiner Antwort nicht zufrieden sein würde. „Das Leben hier ist anders als dort, wo du herkommst.“ Sein Blick war ernst. „Zumal ich wieder zurück muss, egal, was das bedeutet.“ Ruri reagierte wie erwartet. „Aber sie haben Spaß daran zu töten. Wie kannst du das gutheißen?“ „Ich heiße das nicht gut, aber ich akzeptiere es.“ „Das kommt auf das Selbe heraus.“ „Tut es das? Ich habe Kinder verhungern sehen und musste es akzeptieren. Es gibt Dinge, die kann man nicht verhindern, nicht ändern, vor allem dann nicht, wenn man selbst überleben will. Es muss.“ Er bemerkte, dass sie ihre Augen aufriss und sich ans Herz fasste. Dann aber wurde ihr Blick ruhig. Beinahe abwesend. Kamil sah sie an, nahm seinen Blick nicht von ihr weg. Er wollte wissen, was sie darauf antwortete, aber sie schwieg. Also sprach er nach Minuten des Schweigens weiter. „Akatsuki mag grausam sein, aber sie tun das, weil es hier ihr Leben ist. Weil sie es tun müssen, wenn sie leben wollen.“ Und er selbst wollte – nein – musste es auch. Zumindest noch so lange, bis er wieder zurück konnte. Bis er wieder bei Uzuri war. „Warum willst du das?“, fragte Ruri dann plötzlich. „Zurückkommen, wenn du doch an einem Ort lebst, wo so oft Kinder verhungern?“ Kamil seufzte leise. „Es gibt etwas, was ich noch erledigen muss.“ Und er hatte nicht mehr viel Zeit dafür. Es konnte jeden Tag zu spät sein. „Es gibt Leute, die auf mich warten.“ Sie senkte den Blick. Wirkte betrübt, beinahe traurig, als ob man sie an etwas erinnert hätte, an das sie nicht erinnert werden wollte. „Verstehe.“ Langsam stand Ruri auf. „Ich will alleine sein.“ Und mit diesen Worten war sie aus dem Raum verschwunden. Nach draußen. Kamil kam nicht dazu, noch etwas zu antworten, sah ihr aber einige Zeit nach. Er fragte sich, was mit ihr los war. Von ihnen allen hatte sie die meisten Anpassungsschwierigkeiten. Gut, Sunny war naiv, aber sie würde sich nicht töten lassen, sollte es zu einem Kampf kommen. Bei Ruri war er sich da nicht sicher. Er hoffte wirklich für sie, dass die Mission glimpflich verlaufen würde. An sich war kein Kampf geplant, aber sicher sein konnten sie sich da nicht sein. Menschen waren unberechenbar und Pläne konnten durchkreuzt werden. Das Gespräch mit Ruri hatte Kamil erinnert. An Dajan. An Uzuri und an den Grund, warum er vielleicht keine Zeit mehr hatte. An sich lag ihm nicht viel an Kenia, schon gar nicht an Nairobi oder Kibera, aber an den Personen, die dort lebten. Er konnte sie einfach nicht alle im Stich lassen, das war unmöglich. Er hatte Uzuri schon einmal im Stich gelassen, sie jetzt ganz zu verlassen wäre noch unverzeihlicher. „Kamil? Alles in Ordnung?“ Feline war wieder in den Raum gekommen und sah ihn besorgt an. Er hatte sie gar nicht kommen hören und obwohl sie sehr leise lief, war es ungewöhnlich für ihn, es nicht getan zu haben. „Ja, ich habe nur nachgedacht.“ Feline fragte nicht nach, blickte stattdessen selbst ins Leere, und Kamil war es recht. Er hatte keine Lust, darüber zu reden. Draußen heulte der Wind um das Ryokan und die Zeit für Sunny verstrich. Kapitel 20: Chaos ----------------- Nervös strich sich Ava über den dunkelblauen Stoff ihres Kleides. Für ihre Verhältnisse war es eigentlich viel zu kurz, aber für die Mission war es das Richtige. Leider. Oh Mann! Das konnte was werden. In der Liste der Top Zehn Dinge, die sie nicht konnte, stand Small Talk auf Platz 1. Direkt neben dem Schulsport aus der achten Klasse. Die Peinlichkeit, wie ein Sack voller unförmiger und schwitzender Kartoffeln am Barren zu hängen würde sie ihr Leben lang verfolgen. In dieser Welt und in der, aus der sie stammte, erst recht. Sie seufzte leise, betrachtete sich noch einmal im Spiegel und stellte fest, dass sie gar nicht so schlecht aus. Dezent geschminkt, die blonden Haare zu einem eleganten Knoten im Nacken geschlungen (es hatte Ewigkeiten gebraucht, damit sie richtig lagen). Ja, so konnte sie gehen, was jedoch nichts daran änderte, dass nichts glatt laufen würde. Garantiert nicht. Mal ehrlich: Wer von ihnen würde das hinbekommen? Sie selbst? Keine Chance! Sunny? Charmant war sie, als Model, aber viel zu naiv. Ruri? Sie sprach nicht mal mit Feline viel, dann gleich mit irgendwelchen Fremden? Nie im Leben! Feline? Sie hätte die besten Chancen, doch befürchtete Ava, dass sie irgendwem an die Kehle gehen würde. Scheiße. Das waren echt tolle Aussichten. Sie würden versagen, alle vier. So viel war da schon mal sicher. Und ein Blick auf die anderen, die vor dem Ryokan standen, bestätigte Ava in dem Gefühl. Feline, die ein enges, knappes Kleid in Schwarz trug und es tatsächlich geschafft hatte, ihre sonst wild abstehenden Haare zu bändigen, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und den Blick in Richtung Kawagakure gerichtet. Sunny hingegen, in einem – wie Ava nicht anders erwartet hatte – pinken, irgendwie flauschigem Kleid, wirkte fröhlich und grinste zu ihr herüber. Ava quittierte das mit dem Verdrehen ihrer Augen. Das musste wirklich nicht sein. Stattdessen sah sie zu Ruri. Ihr Kleid war goldbraun, vorne recht kurz, hinten länger werden und besaß keine Träger. Sie sah wunderschön aus, aber irgendwie … Ava konnte es selbst nicht beschreiben. Es war nicht so, dass es nicht zu Ruri passte – im Gegenteil, die junge Japanerin schien für solche Kleider perfekt geschaffen zu sein – aber es war nicht richtig. Sie sah furchtbar verloren aus, dass sie Ava schon fast leid tat, doch dafür war jetzt einfach keine Zeit. Bevor noch irgendwer etwas sagen konnte, ging die Tür hinter Ava auf und Hidan trat grinsend heraus. „Siehst heiß aus, Ruri.“ Genau das musste jetzt sein. Ruri reagierte nicht, oder ließ sich zumindest nichts davon anmerken. Ava hätte auch nicht gewusst, wie sie auf ein solch direktes Kompliment eines psychopathischen Massenmörders hätte reagieren sollen. Vermutlich gar nicht. Zumal sie sich verarscht vorkommen würde. Hidan wirkte nicht so, als ob er es ehrlich meinte. Viel eher, als würde er sich über sie lustig machen. „Was willst du hier draußen?“ Feline hatte den Mut zu sprechen, klang dabei sogar genervt. Doch Hidan schien das nicht zu stören. Stattdessen grinste er einfach nur weiter, ging auf sie zu und legte seine Arme um Feline und Ruri. „Ich wollte euch Hübschen nur noch einmal sehen.“ Sahen sie wirklich so dermaßen scheiße aus? Er schien sie echt fertig zu machen wollen. Machte ja echt Laune. War ja nicht so, dass sie alle schon nervös genug waren. Nein. Überhaupt nicht. Es war alles vollkommen in Ordnung. Merkte man, dass sie nervös war? Feline nahm Hidans Hand mit beiden Händen und hob seinen Arm weg. „Ich bin zwar äußerst geschmeichelt, aber meine Frage wurde damit nicht geklärt.“ Sie zog eine Augenbraue hoch. Was würde jetzt kommen? Dass er von Kakuzu sagen sollte, sie sollten mit den Kleidern vorsichtig umgehen, damit sie sie noch zurückgeben konnten? Auch wenn er für die Finanzen Akatsukis zuständig war und ihr schon geizig vorkam, glaubte sie nicht, dass es so extrem war und es wurde schon oft genug bewiesen, dass sie hier in keiner schlechten Fanfiction steckten, die jedes Klischee erfüllte, sondern in der Realität. „Euch sagen, dass ihr es nicht versauen sollt.“ Nun wirkte Hidan ernst. Das hatte Ava befürchtet und es klang auch viel mehr nach Akatsuki. Wie toll. Und so motivierend. „Werden wir nicht“, sagte Feline kühl, drehte sich um und lief langsam los. Die Schuhe, ebenfalls schwarz und mit mörderischen Absatz in der Hand haltend. „Ihr müsst euch keine Sorgen machen“, warf Sunny ein und Ava hätte sich am liebsten die Hand gegen die Stirn geschlagen. Das war peinlich. „Wir werden das Schiff schon schaukeln.“ Hidan lachte nur. „Genau, das werdet ihr tun.“ Auch er wandte sich zum Gehen. „Es ist eine Warnung, wenn ihr es versaut, wird euch das nicht gut tun.“ Das hatte Ava allzu deutlich verstanden. Sie warf den anderen beiden Frauen – gut, in Sunnys Fall wohl eher Mädchen – einen Blick zu und folgte Feline. Ebenfalls die Schuhe nicht an den Füßen tragend, das wäre bei dem Weg, der größtenteils durch den Wald und bergab ging, zum Dorf zu hinderlich. Gerade bei ihrem Geschick, wenn es um solche Absätze ging. Es würde keiner mehr heraus kommen, immerhin war schon alles besprochen, was diesen Auftrag anging und sie vermutete, dass Hidan das nur getan hatte, um sich ein wenig zu amüsieren, wenn man das so bezeichnen konnte. „Was sollen die ernsten Gesichter?“, fragte Sunny nachdem sie eine Weile gelaufen waren. „So schlimm kann das doch nicht werden, oder?“ Die drei anderen blieben stehen. Feline und Ava warfen sich vielsagende Blicke zu, während Ruri sich nicht einmal umdrehte. „Wie oft noch, Sunny? Es ist kein Spiel, das ist hier ist eine Mission“, sagte Ava, sichtlich bemüht ruhig zu bleiben. „Das weiß ich ja, aber wenn ihr mit so einer Einstellung daran geht wird das doch nie etwas werden. Die Informationen werden wir sicher leicht bekommen.“ Sie grinste nur wenige Augenblicke. Es passierte verdammt schnell. So verdammt schnell, dass Ava erst nicht mitbekam, was genau geschehen war. Sie sah nur Feline vor Sunny stehen, eine Hand um deren Kehle gelegt. Die Krallen ausgefahren und über die Halsschlagader gelegt. In diesen Moment wäre es ein Leichtes für Feline, Sunny umzubringen. „Sunny, jetzt noch mal zum Mitschreiben. Mission. Gefährlich. Du reißt dich jetzt gefälligst zusammen und bleibst verdammte Scheiße noch mal ernst.“ Feline stieß ein leises Fauchen aus und sah Sunny aus gefährlich blitzenden Augen direkt an. „Und wenn du dich nicht zusammenreißt, werde ich dir beweisen, wie ernst die Lage ist.“ Grob schubste sie sie weg und Sunny taumelte einige Schritte zurück, fasste sich an ihren Hals und hatte Tränen in den Augen. Zum ersten Mal, seit dem Ava sie kennen gelernt hatte, tat ihr Sunny richtig leid. Das hatte sie jetzt auch nicht verdient. Doch hütete sie sich davor, das jetzt Feline, die mit wütenden Blick weiter lief, zu sagen. Das würde sicher nicht gut enden. Überhaupt nicht. Auch Ruri wirkte ein wenig geschockt, zwar wussten sie, dass Feline gefährlich sein konnte – immerhin blieb der Kampf gegen Amaro im Gedächtnis – doch damit hatten sie nicht gerechnet. Nicht gegen Sunny. Das konnte ja heiter werden. Die Mission würde sich ein grandioser Erfolg werden. Sie standen vor einen dem großen Haus – wobei, das Wort Villa traf es eher, das Ding war riesig – und Ava kam sich seltsam verloren vor. Die Musik und Geräusche der Party, wenn man es als solche bezeichnen konnte, drangen bis hier hin hervor. „Da wären wir also“, murmelte Ava, strich sich noch einmal das Kleid glatt und zog sich die Schuhe an. „Ihr wisst noch, was besprochen wurde?“, fragte Feline in die Runde. Sie nickte alle. Natürlich hatten sie das. So leicht war das nicht zu vergessen, nicht, wenn Pain das mit einer nur-ein-kleiner-Fehler-und-ihr-seid-tot-Stimme gesagt hatte. Es war nicht erwähnenswert, dass dies keine von ihnen sonderlich ermutigt hatte, oder? „Ich bin scheiße nervös“, murmelte sie dann, biss sich auf die Unterlippe und blickte zu den anderen. „Ich auch“, gab Feline zu und seufzte lautlos, „aber wenn wir uns konzentrieren, werden wir das schon schaffen.“ Sie machte eine Pause, sah zu dem Gebäude und dann wieder zu ihnen. „Naja, das hoffe ich zumindest.“ Wie motivierend. Feline hatte es echt drauf. „Dann los?“ Ava massierte sich einmal kurz die Schläfen, bevor sie fragend zu ihnen blickte. „Dann los“, bestätigte Feline. Die anderen beiden nickten. Noch ahnte niemand, was auf sie zukam. Sunny trat hervor, atmete tief durch und klopfte gegen die Tür. Sie mussten nicht lange warten, da trat ein großer Mann mit hellblonden, beinahe weißen, Haaren an die Tür und lächelte sie an. Die stahlgrauen Augen musterten jede einzelne von ihnen. Sunny wurde das Gefühl nicht los, dass er sehen konnte, was sie vorhatten. Wie gruselig. „Wer seid ihr?“, wollte er mit strenger Stimme wissen. Sie war genauso kalt wie sein Blick. „Wir haben von dem Treffen gehört und wollten dabei sein. Wenn wir dürfen.“ Sie warf ihm ein Model-Lächeln zu. Dann stellte sie sich selbst und die anderen drei vor. „Freut mich, euch kennen zu lernen.“, sagte der Mann, „Ich bin Akiyama.“ Er verneigte sich leicht und sie taten es ihm gleich, allerdings stärker. Diese ganzen japanischen Gepflogenheiten waren Sunny noch nicht ganz ins Blut übergangen, es fühlte sich ziemlich seltsam an. Es war anders als in den USA. Schwieriger. Aber sie wurden tatsächlich rein gelassen und sogar Sunny, die zwar alles andere als arm gewesen war, war ein wenig überfordert. Es brauchte einige Zeit, bis sie sich zu Recht gefunden hatte. Ein Blick zurück zeigte ihr, dass es ihren Begleiterinnen nicht anders ging. Feline erinnerte sie zum ersten Mal seit langem nicht mehr an ein Raubtier, sondern an die Katze ihrer Nachbarin, die sich immer unter dem Sofa versteckt hatte. Den Kopf schief gelegt, ein wenig tapsig und einen Mundwinkel hochgezogen. Hätte sie sie nicht erst vor gut einer halben Stunde bedroht, hätte Sunny das ja wirklich niedlich gefunden, aber jetzt ging es einfach nicht. Nach wie vor hatte sie Angst vor ihr. Ava knickte sogar einmal mit ihren Schuhen ein, strich sich nervös eine Haarsträhne aus dem Gesicht und blickte sich in Raum um. Und Ruri sah sie erstmal nicht und Sunny schämte sich schon fast dafür, aber sie war einfach in der Masse an Leuten untergegangen. Als sie sie dann schließlich sah, fiel ihr auf, wie unsicher Ruri wirkte. Beinahe könnte man glauben, sie würde sich jetzt am liebsten unsichtbar machen. Irgendwie verschwinden. Sie war überfordert. Scheiß auf die Mission, dafür hatte sie noch genug Zeit. Jetzt wollte sie einfach zu ihr. Gut, Ruri war drei Jahre älter als sie, aber trotzdem weckte sie in Sunny gerade den Beschützerinstinkt. Es dauerte ein wenig, bis sie sich zu ihr durchgekämpft hatte und Sunny konnte schwören, dass ein paar Ellenbogen ihr mit Absicht … an gewisse Körperstellen gedrängt wurden. Sehr toll. Das machte doch Laune. Dennoch lächelte sie weiter. Bloß nicht anmerken lassen, dass sie es gar nicht so toll fand auf diese Art angestarrt zu werden. „Ruri“, sagte sie sobald sie sie erreicht hatte, „alles in Ordnung?“ Die Angesprochene sah sie an, seufzte und schüttelte ihren Kopf, dass die kastanienbraunen Locken ihr ins Gesicht fielen. „Nein.“ Eine schlichte Antworte, aber Sunny hatte auch nichts anderes erwartet. Nicht von Ruri zumindest, sie war eben sehr schweigsam. „Kann ich dir irgendwie helfen?“, bot sie ihr an. Sie wollte wirklich irgendetwas für sie tun. „Ich glaube nicht. Ich meine, wir müssen jetzt hier durch, oder?“ Sunny seufzte. „Ja. So sieht es wohl aus. Aber wenn irgendetwas ist, ich bi-“ „Entschuldigen Sie?“ Eine tiefe, schmierige Männerstimme erklang hinter ihr. Sunny drehte sich irritiert um und blickte in zwei dunkelgraue Augen, eines Mannes, der nicht sehr viel größer als sie war. „Was gibt es?“ Sunny war ihm ein Lächeln zu. „Ich wollte Sie auf ein wenig Wein einladen, meine Liebe.“, sagte der Mann „Ein kleines Gespräch unter zwei Augen vielleicht?“ Sogar sie ahnte, dass sicher mehr dahinter steckte, aber wenn er so auf sie abfuhr war es – hoffentlich! – einen Versuch wert. „Ja, natürlich. Nur einen kleinen Moment, in Ordnung?“ „Für Sie nehme ich mir auch zwei Momente Zeit.“ Schleimer. „Ruri, wenn etwas ist, such mich, ja? Wir sehen uns später.“ Doch das würden sie nicht. Ruri nickte nur knapp, drehte sich dann um und verschwand in der Menschenmenge. Sunny sah ihr kurz nach, bevor sie wieder zu dem Mann sah. „Ich bin soweit.“ Keine zehn Minuten später stand Sunny mit dem Mann auf einem Balkon. Die Nachtluft war kühl und von einem Gefühl erfüllt, dass sie nicht zu ordnen konnte. Etwas Unheilvolles. Gefährliches. Aber das merkte sie nicht. Sie blickte wieder zu diesem Mann, dessen Name sie noch immer nicht kannte. Sie hatte natürlich danach gefragt, aber er hatte immer wieder abgeblockt. Ganz toll, aber gut, das würde sie schon irgendwie schaffen. Einfach weiter lächeln und hoffen, dass er ihr irgendetwas über diese seltsamen Ereignisse verraten konnte. „Also, woher kommen Sie?“, fragte der Mann nach, ließ sie dabei kein Stück aus den Augen. Sunny machte das nervös, aber was sollte sie tun? Sie konnte ihm schlecht sagen, dass er das lassen sollte, wenn sie irgendetwas aus ihm heraus bekommen wollte. „Ein wenig weiter entfernt“, wich sie der Frage auf. New York würde ihm wohl kaum etwas sagen. „Und das wäre?“ „Konahagakure.“ Das war das erste, was ihr einfiel. Nicht unbedingt das Klügste, was ihr eingefallen war, aber hoffentlich merkte er es nicht. Außerdem kannte sie sich ja, dank des Animes, zumindest ein wenig dort aus. Genug, damit es nicht auffiel. „Interessant“, sagte der Mann, „mein Onkel lebt dort. Vielleicht kennen Sie ihn ja.“ „Ehm, das kann sein. Wie heißt er denn?“ „Akio Inzuka.“ Naja. Den Clan kannte sie zumindest, aber nicht mehr. War aber doch besser, als nichts, oder?“ „Ich kenne die Inzukas“, fing sie an, „aber ihn leider nicht. Aber wenn ich zurück bin, kann ich mich ja nach ihm umsehen. Wie heißen Sie denn? Dann kann ich von Ihnen Grüßen ausrichten kann.“ „Grüßen Sie ihn einfach von dem verschollenen Neffen.“ Ganz toll. „Das werde ich tun.“ Was blieb ihr auch anderes übrig, als das zu sagen? Scheiße. „Sie kommen viel herum, nehme ich an?“ „So kann man das sagen.“ Seine Augen blitzen auf. Scheiße. Irgendwie machte sie das total nervös. Dieser Kerl war seltsam. Verdammt seltsam. „Dann haben Sie auch viel gesehen.“ Oh Mann. So schwer konnte es doch nicht sein Informationen aus ihm heraus zu bekommen! „Auch das darf man behaupten.“ Okay. Und nun? Sie hatte eigentlich keine Probleme mit Small Talk, aber hier war das doch etwas anderes. Es ging nicht um einen Modeljob sondern um etwas Wichtigeres. Ganz so einfach wie gedacht war es wirklich nicht. Scheiße! „Ich habe vorhin von irgendwelchen seltsamen Ereignissen hier gehört. Ein Mann hat darüber gesprochen. Wissen Sie etwas darüber?“ Vielleicht konnte sie so etwas reißen. „Ach?“ „Ja. Das habe ich gehört.“ „Interessant.“ Er schwieg eine Weile. Super. Nach dem Sunny einige Zeit – ihr kam es verdammt lange vor, aber wahrscheinlich waren es nur einige Minuten – geschwiegen hatte, wurde es ihr doch ein wenig zu blöd. „Und?“ „Und was?“ „Haben sie davon etwas mitbekommen?“ „Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Das werden wir sehen.“ „Und das heißt?“ Er antwortete ihr nicht, sondern drehte sich um und lief an den Rand des Balkons, blickte in den Himmel. „Die Sterne leuchten diese Nacht schön, nicht wahr?“ Wie bitte? Sunny blinzelte. Das brachte doch nichts! Dieser Kerl war gruselig und verrückt, da konnte sie auch gehen. „Entschuldigen Sie mich. Meine Freundinnen suchen sicher nach mir.“ Mit diesen Worten verschwand Sunny durch die Glastür zurück ins Innere des Gebäudes. Brachte doch alles nichts. Was für eine Zeitverschwendung! Hätte sie doch gleich wissen können, dass bei so einem Schleimer nichts herum konnte! „Ich glaube nicht, dass Sie gehen sollten.“ Sunny zuckte zusammen und wirbelte herum. Sie war keine zehn Meter weit gekommen und der Mann stand in der Tür, sah sie mit gefährlichem Blick an. „Und ich glaube, dass ich das selbst entscheiden kann.“ Stolz reckte sie Kinn in die Höhe, drehte sich wieder um. Sie ließ sich nicht von einem Kerl befehlen, was sie zu tun oder zu lassen hatte. Garantiert nicht. „Das Chaos zu verärgern ist eine schlechte Idee, Sunny.“ Das Chaos? Von was redete er da? Meinte er damit die Anomalien? Das konnte eigentlich ganz gut passen. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren, vielleicht konnte sie ja jetzt noch etwas erfahren. „Was ist das Chaos?“, fragte sie mit fester Stimme nach. Der Mann lachte auf. Trocken. Kalt. „Das braucht dich nicht mehr zu interessieren.“ Er stürmte vor und Sunny keuchte erschrocken auf, wich aus und rannte los. Während sie um eine Ecke bog, zog sie ihr Kleid ein Stück hoch und griff in die Tasche, die sie sich um den Oberschenkel geschnallt hatte. Ein Kunai. Nicht mehr, aber vielleicht konnte sie das zumindest ein wenig beschützen. Bis sie die anderen traf. Scheiße! Die anderen? Was war mit ihnen? Was, wenn sie auch angegriffen wurden? Sie musste sofort zu ihnen, auf der Stelle. Ruri konnte gar nicht kämpfen und Ava war auch nicht so geschickt, was das betraf. Sunny beschleunigte ihre Schritte. Zum Glück lief sie oft genug mit solchen hohen Schuhen, das war jetzt ein Vorteil. Sie musste nicht stehen bleiben, um sie auszuziehen, sie konnte weiter rennen. Ihr Atem beschleunigte sich, ihr Herz schlug beinahe schon schmerzhaft schnell, aber darauf achtete Sunny jetzt nicht. Es gab wichtigeres, als ein bisschen Seitenstechen oder Atemprobleme. Sie konnte nicht zulassen, dass den anderen etwas geschah. Sie hörte die Schritte des Mannes hinter sich, es hörte sich nicht mal so an, als würde er sich beeilen, als würde er nur mit ihr spielen. Wie eine Katze mit einer Maus. Vor ihr gabelte sich der Flur und Sunny entschied sich, für die linke Seite. Zum Glück. Denn sie erkannte dort Ava, die genau in diesem Moment aus einer Tür stürmte. „Ava, wir müssen sofort hie-“ Sunny kam nicht weiter. Noch bevor sie realisieren konnte, was gerade geschah, war sie tot. Kapitel 21: Blut ---------------- „Ihr Schwert ist interessant“, sagte Feline und betrachtete das Katana, das der Mann gezogen hatte. Griff und Scheide waren schwarz, die Klinge schimmerte im Licht des Mondes bläulich. Der Besitzer, ein großer Mann Anfang fünfzig, Ryuu, nickte zufrieden auf die Aussage. „Aoihi* ist eine besondere Waffe.“ Und damit hatte Feline gerechnet. Sie hatte ihn nicht nur angesprochen, weil der die einzige Person war, die eine gut sichtbare Waffe trug. Es war das Schwert selbst gewesen. Etwas zog sie an, aber sie konnte nicht beschreiben, was es war. Feline wusste, dass sie Informationen sammeln musste, würde das nicht aus den Augen lassen, aber vorerst wollte sie mehr über das Schwert wissen. „Erzählen Sie mir mehr.“, sagte sie, beobachte Ryuu dabei. „Hat es erst mal seinen Meister erwählt, bleibt es ihm treu. Bis zum Tod.“ Feline legte den Kopf leicht schief. Das war interessant. „Und Sie sind ihm auch treu.“ Es klang eher wie eine Feststellung, aber sie wusste es nicht, es war mehr eine Ahnung, ein dumpfes Gefühl, dass sie nicht los ließ. Es erschien ihr logisch, wie ein Naturgesetz. Ryuu lächelte. Sehr gut. Wenn er sie mochte – oder zumindest nicht unsympathisch fand – würde er ihr mehr erzählen. Und wenn er das Gefühl hatte, sie würde ihn verstehen (und das tat sie in gewisser Weise seltsamerweise auch), würde er sie schneller sympathisch finden. Das war zumindest der Plan. „Genau so ist es.“, sagte er und ließ das Schwert zurück in die Hülle fahren. „Ist man einmal verbunden, kann nur noch der Tod einen von Aoihi trennen.“ Noch bevor Feline etwas sagen konnte, fuhr er fort. Nun grinste er währenddessen. „Natürlich trugen nicht alle seine Besitzer es immer bei sich, aber ich bin stolz darauf. Es ist schwer, es zu erlangen, müssen Sie wissen. Es war recht mühselig, seinen vorherigen Besitze zu töten.“ Erst war Feline überrascht, doch wurde ihr klar, dass Ryuu genau das mit dem Tod gemeint hatte. Das war noch interessanter. Allerdings gefiel es ihr nicht, dass er offen darüber sprach. Entweder sah er keine Gefahr in ihr, weil er sie unterschätzte – da würde sie sich beleidigt fühlen – oder, und das war wahrscheinlicher, weil er verdammt stark war – das wäre gefährlich. „Wenn Sie so eine Leistung vollbracht haben“, fing sie vorsichtig an, „dann sind Sie viel herum gekommen, nicht wahr?“ Vielleicht konnte sie jetzt ein wenig über die Geschehnisse in der Umgebung erfahren. „Das kann man so sagen. Wieso? Gibt es etwas, dass Sie wissen wollen?“ Feline nickte und spürte, wie ihr Herz aufgeregt schneller schlug. Irgendwie hatte Ryuus Stimme einen bedrohlichen Unterton angenommen. Egal, sie musste das jetzt durchziehen. Sie hatte jetzt täglich mit Akatsuki Kontakt, da würde sie sich nicht von irgendeinem Kerl einschüchtern lassen! „Ja. Ich habe vorhin von einigen seltsamen Ereignissen in der Umgebung gehört, kann mir aber nichts Genaueres darunter vorstellen.“ Sie wusste nur von seltsamen Viechern, die Ziegen und andere Tiere aussagten und schwarzes Blut hatten. Vollkommen normal! „Und wo haben Sie das gehört?“ Oh oh. Klang nicht gut. Er war misstrauisch. Jetzt bloß nichts verraten, brav lächeln – und nicht die Zähne zeigen! - und sich elegant heraus reden. Konnte nicht sonderlich schwer sein. „Zwei Männer haben sich am Buffet darüber unterhalten, während ich auch dort war.“ Klang das überzeugend? Hoffentlich. „Verstehe.“ Ryuu musterte sie interessiert. „Vielleicht sage ich Ihnen noch mehr.“ Irgendetwas in seiner Stimme hatte sich geändert. Da war etwas, was ihr nicht gefiel. Ihr Instinkt verriet es ihr. „Vielleicht?“ Feline ahnte nichts Gutes. „Sie sind sehr exotisch.“ Er musterte sie. „Bitte was?“ Entgeistert starrte sie ihn an. Was sollte das jetzt? Leise fauchend entblößte sie ihre Zähne. Was sollte diese Scheiße? Er kam einen Schritt auf sie zu und Feline wich einen Schritt zurück. Fuck! Das lief nicht nach Plan. So eine Scheiße. „Frauen wie Sie sieht man nicht oft.“ Er musterte sie. Was für ein nettes Kompliment. Darüber freute sich Feline jetzt total. „Das würde mich auch wundern.“ Immerhin hatte sie Reißzähne, dreifarbiges Haar und graue Haut. Zu erkennen, dass das eine Seltenheit war, war keine Leistung, die einem Nobelpreis würdig war. Ganz sicher nicht. Ryuu antwortete ihr nicht mehr, ging weiter auf sie zu. Feline fauchte noch einmal. Dieses Mal sogar lauter. Bedrohlich. „Abstand halten.“ So was konnte sie ja sowas von nicht leiden. Sie musste nicht gleich mit jeden Menschen, der ihr über den Weg lief, kuscheln. Das war überhaupt nicht ihr Ding. Ihr Gegenüber kam immer näher. „Wieso sollte ich? Sie wollen Informationen haben und ich will dafür bezahlt werden.“ Okay. Das war krank. Davor hatte der Typ doch – zumindest einigermaßen – normal gewirkt. Aber das hier jetzt? Kranker Scheiß. „Vergessen Sie es.“ Sie wollte wieder gehen, darauf musste sie sich ganz gewiss nicht einlassen. Doch dieser Kerl hielt sie tatsächlich fest und drückte sie auch noch gegen die Wand. Bastard. Aber plötzlich wurde Feline erstaunlich ruhig. Das Schwert gehorchte also nur dem, der den vorherigen Besitzer getötet hatte? Interessant... „Eigentlich dürfte ich gar nichts erzählen“, sagte Ryuu, „aber für Sie würde ich eine Ausnahme machen.“ Feline wurde schlecht. Das war widerlich! Aber sie war auch wütend, dieser beschissene Wichser. Was glaubte der eigentlich, was er da gerade machte? Als ob sie sich so einfach... Arschloch! Ryuu beugte sich vor, gab seinen Hals preis und auf Felines Gesicht breitete sich plötzlich ein Grinsen aus. Wenn er meinte, sie würde jetzt nichts machen, hatte er ganz falsche Vorstellungen von ihr. Er packte ihr an die Hüfte. Kam ihr noch näher. Er sah nicht, wie Feline ihre Zähne entblößte... Blut. Sie schmeckte Blut und Ryuu taumelte einige Schritte zurück, fasste sich an den blutenden Hals. An den zerfetzen Hals. Feline wischte sich das Blut von den Lippen, ging einen Schritt auf den Mann zu. Dieser zog doch tatsächlich Aoihi. Als ob ihm das noch etwas bringen würde. Sie hatte ihm die Halsschlagader durchgebissen. Überleben so gut wie unmöglich. Gleich würde er bewusstlos werden, wenige Minuten später wären jegliche Rettungsversuche umsonst. Das Gehirn würde nicht mehr mit Blut, und somit mit Sauerstoff, versorgt werden. Sie grinste, als Ryuu auf die Knie fiel, den Mund noch einmal öffnete, um etwas zu sagen und schließlich vornüber kippte. Feline griff nach dem Schwert, sie spürte, dass es sich noch wehrte. Dass da noch etwas war, das sich gegen sie stellte. Es war wirklich ein bemerkenswertes Schwert. Sie wusste, dass Ryuus Herz noch schlug, also hob sie Aoihi, beobachte fasziniert die Klinge und stach ihm in den Rücken. Sofort änderte sich das Gefühl, dass das Schwert aussendete. Es war absolut seltsam, stark, lebendig. Feline grinste. Auch dann noch, als ihr endlich bewusst wurde, was sie getan hatte. Sie hatte einen Menschen getötet. Und es hatte ihr Spaß gemacht. Feline stand einige Zeit über der Leiche, das Schwert in der Hand und mit bluttriefendem Mund. Etwas von dieser roten Flüssigkeit lief ihr über das Gesicht, tropfte auf ihr Dekolleté. Ihr Atem ging schwer, verwirrt. Scheiße. Sie hatte gerade einen Menschen getötet! Mit Freude! Dann ging ein plötzlicher Ruck durch ihren Körper, sie trat weiter nach vorne, zog sich im Lauf die Schuhe aus, sie störten jetzt nur und zog Ryuu die Schwertscheide vom Rücken, schnallte sie sich selbst um. Und jetzt? Scheiße. Wie sollte sie seine Leiche verstecken? Das ganze Blut an ihrem Mund? So einfach konnte sie das doch nicht verstecken, oder? Fuck! Und jetzt hörte sie auch noch Schritte. Ganz toll. Und was sollte sie jetzt tun? Noch bevor irgendwer den Raum erreichen konnte, tat Feline das einzige, was ihr in diesem Moment einfiel. Sie schnappte sich ihre Schuhe, hastete zum Fenster, öffnete es und kletterte hinaus. Seit dem sie hier in dieser Welt gelandet war, war das für sie kein Problem. Es ging erstaunlich gut und das rettete ihr jetzt wahrscheinlich auch den Arsch. Scheiße. Das war wirklich nicht sonderlich klug gewesen, den Kerl jetzt die Kehle durchzubeißen. Oder irgendwann anders. Aber gut, noch war die Mission ja nicht vorbei. Außerdem sagte ihr irgendetwas, das hier etwas nicht stimmte. Alleine, wie seltsam dieser Typ gewesen war... Es musste ja einen Grund haben, dass dieser Kerl gesagt hatte, dass er keine Informationen preis geben durfte, oder? Oh Scheiße! Während Feline durch das Fenster auf das Dach kletterte, nur, um wieder durch ein anderes in das Gebäude einzusteigen, hatte Ruri mit ihren ganz eigenen Problemen zu kämpfen. Sie wusste natürlich, dass es ihre Aufgabe war, Informationen zu sammeln, aber sie war froh, dass sie niemand beachtete, dass sie in der Masse unterging und sie nicht angesprochen wurde. Sie hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte, falls jemand mit ihr ein Gespräch hatte anfangen wollen. Menschlich gesehen war sie eine Niete, sie kam mit anderen Menschen nicht klar. Sie verstand sie nicht, ihre Späße und Witze, sie kam nicht dahinter, wie sie etwas meinten oder nicht meinten. Doch war das Glück an diesem Tag wohl nicht an ihrer Seite, überhaupt nicht. Denn kaum war sie an ein Fenster getreten, um hinaus zu schauen, da ertönte auf einmal eine Männerstimme hinter ihr. „Gute Abend.“ Die Stimme war angenehm tief und melodisch. „Gelangweilt von dem Fest?“ Ruri, die nicht damit gerechnet hatte, angesprochen zu werden, zuckte zusammen und drehte sich zu schnell um, als das sie hätte unauffällig wirken können. Es wirkte sogar so, als sei sie ertappt worden. Bei was auch immer. Der Mann, zu dem die Stimme gehörte, war ein gutes Stück größer als sie, hatte dunkle Haare und Augen und ein freundliches Lächeln. Irgendetwas störte sie an ihm, aber sie konnte nicht sagen, was es war. Sie schob es auf ihre fehlende Erfahrung mit anderen Menschen. Sicher war es nur Einbildung. Hoffentlich... „Verzeihung“, sagte der Mann ruhig, „ich wollte Sie nicht erschrecken. Sie waren abgelenkt, nehme ich an.“ Ruri nickte. Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. „Ich bin Takeo Tamura. Darf ich nach Ihrem Namen fragen?“ Er lächelte immer noch, kam ihr jedoch nicht näher oder machte irgendetwas. Eigentlich hatte er das schon getan, aber gut, Ruri nickte erneut. „Ruri Hagino.“ Sie sprach leise, sah ihn nicht direkt an, sondern wieder aus dem Fenster. Er folgte ihrem Blick neugierig. „Es freut mich, Sie kennen zu lernen. Darf ich Sie Ruri nennen?“ Wieder ein Nicken, dieses Mal ohne etwas zu sagen. Sollte er es eben tun, war ihr egal. War ja schließlich auch ihr Name. Es war nicht unbedingt gewöhnlich für Japan, aber das interessierte Ruri nicht im Geringsten. „Nun, Ruri-san, dürfte ich Sie dann darum bitten, ein wenig mit mir Spazieren zu gehen? Mir ist nach ein wenig frischer Luft und ich bin mir sicher, dass man sich mit Ihnen gut unterhalten kann.“ Ruri starrte ihn für einen Moment an. Mit ihr gut reden? „Woher nehmen Sie diesen Glauben?“ Genau das interessierte sie jetzt. Er lachte leise auf. Es war kein unfreundliches Lachen, eher freundlich, soweit Ruri das zumindest einschätzen konnte. „Sie scheinen diese Fest ebenso wie ich langweilig zu finden, das ist mehr Gemeinsamkeit, als mit anderen Leuten hier und Menschen, mit denen man Gemeinsamkeiten teilt, sind gute Gesprächspartner.“ Gut, das klang sogar logisch. Aber trotzdem. Sie war nicht gut in Gesprächen, aber was sollte sie sonst tun? Irgendwie musste sie ja auch etwas für die Mission tun. Alle anderen waren weg, eine ganze Weile schon, also... „In Ordnung. Ich komme mit.“ Kaum waren sie draußen, fing er wieder an, zu sprechen. Genau zu diesem Zeitpunkt überschlugen sich die Ereignisse im Inneren des Gebäudes, doch das ahnte sie noch nicht. „Woher kommen Sie eigentlich? Ich habe Sie noch nie in Kawa gesehen.“ Scheiße. Und jetzt? Was sollte nun darauf antworten? „Ich war auch vorher nie in Kawa“, fing sie unsicher an, „aber meine Heimat wird Ihnen nichts sagen. Sie ist sehr weit weg von hier.“ Doch ließ sich Takeo nicht davon abhalten, weiter zu fragen. Natürlich nicht. Damit hätte selbst sie rechnen können. „Erzählen Sie davon, ich reise viel herum, vielleicht kenne ich den Ort ja doch.“ Mist. Sie musste sich irgendetwas einfallen lassen. „Osaka.“ Sie konnte es eben nicht tun, einfach irgendwie etwas erfinden, lügen. Und das dürfte sie ja auch nicht verraten. Takeos Gesicht verzog sich im Licht des Mondes. „Ach“, sagte er mit einer Stimme, die Ruri nicht einordnen konnte. Es war reiner Zufall – oder doch Instinkt – dass Feline sich dazu entschieden hatte, ausgerechnet durch dieses Fenster wieder in das Gebäude zu steigen. Denn das, was sie mitbekam, war ausgesprochen interessant und noch ahnte sie nicht einmal, dass Ava ebenfalls mithörte. „Wir haben keine Rückmeldung von Ryuu.“ „Müsste er nicht eigentlich schon Erfolg vorweisen dürfen?“ Ava, die sich gegen die Tür am angrenzenden Bad drückte, war verwirrt. Um was zum Teufel ging es da? Sie hatte sich von der Feier abgesetzt, um das Gebäude abzusuchen, vielleicht – so dachte sie - fand sie ja auch so Informationen, während die anderen damit beschäftigt waren, mit irgendwelchen Kerlen zu sprechen. Sie war gerade in dem Zimmer, das an dieses Bad anschloss, getreten, als drei Männer dort hineinkamen. Ihre einzige Fluchtmöglichkeit war das Bad gewesen. Die nächste Tür, auch wenn sie wahrscheinlich besser gewesen wäre (und, aber das konnte sie ja nicht wissen, Feline dort war), war zu weit entfernt gewesen. Nun war sie zwischen einem Waschbecken, einem Klo und einer Badewanne eingesperrt. Großartig, aber zumindest war das, was sie hörte ziemlich interessant. „Sie haben sich klüger angestellt als gedacht.“ Sie versuchte die Stimmen zuzuordnen, aber sie kannte sie nicht, hatte sie auch nicht gehört, während sie in dem Festsaal gewesen war. „Aber nicht klug genug.“ Einer der Männer lachte sogar. „Aber nicht klug genug. Wir können euer Chakra spüren. Kommt raus. Oh ... Scheiße. Das war jetzt eher unpraktisch. Eigentlich total beschissen. „Wir können euch auch raus holen, aber wenn ihr freiwillig kommt, sind wir vielleicht ein wenig netter.“ Warum eigentlich 'euch'? Wer war denn noch hier? Aber Ava kam zu dem Entschluss, dass sie keine andere Wahl hatte. Sie seufzte leise, griff nach einem Kunai, immerhin besser als nichts, und öffnete die Tür. Drei Männer, alle davon deutlich größer und stärker als sie, grinsten sie an. Ganz toll. So eine verdammte Scheiße! Und sie hatte nur ein lächerliches, kleines Kunai. Ein kleines, süßes Messer. Ganz toll. Aber das hatte sie wohl schon mal gedacht. Die andere Tür flog auf und Ava wusste nicht so ganz, ob sie froh darüber sein sollte oder nicht. Feline stand dort. Blutverschmiert. Im Gesicht! Allerdings war sie wohl jetzt ihre einzige Rettung, sie konnte immerhin gut kämpfen, im Gegensatz zu ihr. Also beschloss sie, ruhig zu werden, nickte Feline kurz zu, dann sah sie, wie sie ein Schwert zog – wo zum Teufel hatte sie das jetzt her? - und die Männer angrinste. Es war kein nettes Grinsen. Eher furchteinflößend. „Sieh an, sieh an.“, sagte einer der Männer, „Die Mädchen wollen spielen.“ Feline reagierte mit einem Fauchen. Konnte Ava durchaus verstehen, was für Arschlöcher waren das denn? „Wer seid ihr und über was habt ihr geredet?“, wollte Feline wissen, doch natürlich antworten sie nicht, griffen stattdessen an. Fuck! Ava wich zurück, stolperte wegen den verflixt hohen Schuhen und konnte gerade noch so einem Shuriken ausweichen. Mist! Und jetzt? Ein widerliches Geräusch ertönte und einer der Männer sackte zu Boden, was Ava allerdings nur durch den dumpfen Aufschlag hörte. Scheiße. Feline hatte ihm das Schwert in den Hals gerammt – naja- eher schnitt sie in etwa bis zur Halswirbelsäule hinein und zog es dann wieder heraus. Oh Gott, Ava wollte gar nicht genauer hinsehen, aber sie konnte auch nicht anders. Da war gerade ein Mensch gestorben und das nicht einfach so, sondern weil in einem Hals nun ein tiefes Loch klaffte, als Schnitt konnte man ja kaum mehr bezeichnen! Und diese Starre führte dazu, dass Ava zu spät merkte, dass einer der Männer auf sie zu kam und... „Fuck.“ Sie taumelte zurück, fasste sich an ihren Bauch. Er hatte ihr ein Kunai dort hinein gerammt. Scheiße. Das tat weh! „Ava, raus hier“, wies Feline sie an und sie gehorchte, natürlich, sie stand gerade auch eher im Weg, als dass sie eine Hilfe war. Sie riss die Tür auf, stolperte hinaus sah Sunny sterben und einen Mann auf sie zukommen. Sunny war tot. Für einige Momente blickte Ava nur auf die tote Jugendliche, ihre Haare hatten sich teilweise gelöst, lagen um ihren Kopf herum und das Messer in ihren Rücken, kein Kunai, sondern ein viel größeres, steckte in ihrem Rücken. Hatte wohl von hinten ihr Herz durchbohrt. Oh Gott! Oh Scheiße! Geschockt, vollkommen blass und zitternd schlug Ava die Tür wieder zu, schloss sie ab - Gott sei Dank steckte der Schlüssel noch – und sah Feline an. „Sunny ist tot.“ „Was?“ Nun war es Feline, die zu abgelenkt war um zu reagieren, allerdings wich sie noch rechtzeitig aus, tötete dafür sogar ihren Angreifer mit einem Klauenschlag direkt in den Hals. Blut spritze und Ava, die gerade von eben jener Flüssigkeit zu viel verlor, wurde schlecht. Was war hier nur los? Ein lautes Pochen an der Tür. „Macht auf!“ Ein dumpfer Schlag. Der letzte der Angreifer hier drinnen tot. Ava wich von der Tür zurück, wäre dabei beinahe über eine der Leichen gestolpert. Plötzlich drückte Feline ihr etwas in die Hand. Eine Schriftrolle. „Ich habe sie überflogen, ich glaube, das sind Informationen.“ Sie wirkte selbst total überfordert, sprach lauter, um das Pochen zu übertönen. „Scheiße, ich hoffe das war das alles wert.“ Sie fuhr sich durch die Haare. „Und warum ist Sunny tot?“ „Ich weiß nicht genau. Sie... ist geflohen, vor dem Kerl vor der Tür, glaube ich, und dann...“ Sie hatte Sunny nie wirklich gemocht, aber das hatte sie nicht verdient. Schon gar nicht so jung. Der Mann vor der Tür war plötzlich verstummt, eine grausame Stille trat ein. Die beiden Frauen wechselten verwirrte, vielleicht sogar verschreckte Blicke. Dann öffnete sich die Tür, sie machten sich kampfbereit. „Ihr müsst mich nicht angreifen“, sagte die junge Frau, die dort in der Tür stand. Sie hatte blonde Haare und trug rein weiße Kleidung. „Ich komme in Frieden.“ Sie kicherte ein wenig. Feline stellte die Frage, die sich auf Ava stellte. „Warum sollten wir dir trauen?“ Takeo lächelte noch immer und langsam wurde Ruri das unheimlich. Es war irgendwie seltsam, dass er das so oft tat. Vor allem wie er es tat. Sie konnte es nicht beschreiben, wirklich nicht, egal sie sehr sie es versuchte, aber es kam ihr so vor, als würde er mehr wissen. „Ach?“, wiederholte sie schließlich, konnte ihre Nervosität nicht vollkommen verbergen. Das war jetzt auch ziemlich schwer. Sie vertraute diesem Kerl nicht, auch wenn sie nicht wusste, wieso. „Ach.“ Das Lächeln wurde zu einem Grinsen. Oh... und jetzt? „Ich habe schon davon gehört. Osaka liegt weit weg von hier, das stimmt.“ Woher wusste er davon? Oder gab es hier auch ein Osaka? Immerhin wusste man ja nicht so viel von dieser Welt. Nein, das konnte doch nicht sein. Das wäre doch ein verdammt großer Zufall, oder? Plötzlich wurde Ruri bewusst, wie wenig Ahnung sie von all dem hier hatte. Vielleicht sollte sie... nein, das war keine gute Idee. Hidan würde auf so eine Frage sicher nicht sonderlich gut reagieren. Das war nicht schwer zu erahnen. „Eine interessante Stadt, wie ich finde.“ Scheiße. Was sollte sie nur darauf antworten? Warum war sie überhaupt mit nach draußen gegangen? Das war eine verdammt dumme Idee gewesen! Eine ganz dumme sogar! Sie hätte sich auf gar keinen Fall darauf einlassen sollen, aber dafür war es jetzt zu spät. Sie sah, wie Takeo ein Messer zog und wich zurück. Das war nicht gut. „Was wird das?“, fragte sie beherrscht, naja, zumindest wollte sie so klingen. Eigentlich hatte sie gerade einfach nur Angst. „Wir spielen nur ein kleines Spiel, Ruri.“ Er kicherte unheimlich. „Du hast es nicht so mit den Lügen, was? Aber mit dem Schweigen ...“ Was hatte er vor? Sie ahnte Schreckliches, wollte es aber nicht wahrhaben. Nein! Das konnte doch nicht wahr sein. „Komm her und erzähl mir ein wenig.“ Ruri begann zu zittern, überlegte, ob sie fliehen sollte, aber sie wusste, wie klein ihre Chancen waren zu entkommen. Doch dann fasste sie neuen Mut. Es überraschte Ruri selbst, dass sie auf einmal so selbstsicher war, aber was für eine Wahl blieb ihr auch schon? Entweder sie riss sich jetzt zusammen, oder sie würde getötet werden ... oder schlimmeres. Ein Schauer jagte ihr über den Rücken, aber sie reckte ihr Kinn, stand gerade da. „Ich werde dir gar nichts erzählen“, zischte sie ihn an. Sie würde schweigen, egal, was ihr geschehen würde. „Das sagen sie alle.“ Takeo ging weiter auf sie zu. Das Messer glänzte silbern. Nein. Nein! Hilfesuchend sah sich Ruri um, überlegte, ob sie nach Hilfe rufen sollte, aber es würde sie hier keiner hören. Sie war verloren. „Erzähl den lieben Takeo doch ei-“ Eine Klinge steckte in seiner Brust und Ruri gab einen erstickten Schrei von sich, stolperte einige Schritte zurück. Mit einem Ruck zog sich das Schwert aus Takeo zurück und nun konnte sie sehen, wer ihn umgebracht hatte. Feline. Feline die blutüberströmt war. „Oh Gott“, murmelte sie. „Du hast ... er ist … tot.“ Auch nach der ganzen Zeit bei Akatsuki konnte sie nicht anders, als darüber geschockt sein. Sie hatte schon wieder einen Menschen sterben sehen. Sie wollte das nicht. Nicht noch einmal! „Tut mir leid, Ruri, aber wir müssen sofort hier weg.“ Feline ließ das Katana in ihrer einen Hand, fasste mit der anderen um Ruris Handgelenk und zog sie mit. Sie ließ sich mitziehen, was blieb ihr denn auch noch anderes übrig? Sie war unfähig, sich zu bewegen. Sie hatte einen Menschen sterben stehen ... schon wieder! „Zieh deine Schuhe aus.“ Ruri gehorchte Feline, ohne irgendetwas zu sagen. Natürlich war man barfuß schneller, als in diesen hochhackigen Schuhen, aber daran gedacht hätte sie jetzt nicht. Konnte sie nun einfach nicht. Denken erschien ihr unmöglich. Sie rannten über den perfekt gemähten Rasen, über einen Kiesweg und verschwanden über den Zaun vom Gelände der Villa. Ruri fragte nicht nach, was passiert war, eigentlich wollte sie das auch gar nicht so genau wissen, aber Feline klärte sie auf. „Wir sind aufgeflogen. Irgendwer wusste Bescheid.“ Sie schwieg kurz, warf einen Blick über die Schulter. „Ava wurde verletzt, sie wartet am Waldrand auf uns. Oh Scheiße, hoffentlich war das eine gute Entscheidung.“ Man sah Feline an, dass sie sich sorgte, gleichzeitig aber erstaunlich ruhig war. Wie ein Raubtier bei der Jagd. Was für ein gruseliger Vergleich. „Was ist mit Sunny?“ Feline antwortete ihr nicht, zog sie schneller weiter. Also wiederholte Ruri ihre Frage. „Was ist mit Sunny?“ Feline seufzte leise. „Sie ist tot.“ „Nein.“ „Doch und nun komm bitte einfach mit. Wir haben zu viel Aufsehen erregt, sie werden uns sicher verfolgen.“ Ihr blieb auch keine andere Wahl, als ihr zu folgen. Bald schon erkannte sie zwei Gestalten am Waldrand stehen, wovon die eine jedoch, dank der weißen Kleidung, viel eher zu erkennen war. Die andere, Ava, lief ein wenig gekrümmt. Natürlich, sie war verletzt worden. „Und jetzt sag mir, wer du bist.“ Feline ging auf die Person, eine junge Frau, zu, die Ruri nicht kannte. „Nenne mir deinen Namen.“ Diese kicherte nur. „Arisu Kohara. Nun kennst du mich, was?“ Feline fauchte und Arisu wurde ernster. „Ich bin auf eurer Seite.“ Sie blickte Feline direkt in die Augen. Für einige Momente herrschte Schweigen. „Wie müssen los.“ Es war Ava, die die Stille brach. „Sonst hatte unsere Flucht gar keinen Sinn.“ Arisu grinste, lief los. Sie schien den Weg zum Ryokan zu kennen. „Ich frage dich nicht noch ein Mal: wieso sollte ich dir trauen?“ Felines Stimme war ein Stück tiefer geworden, fauchender und eindeutig bedrohlich. „Wenn ich dir sage, dass ich unter anderem für Akatsuki arbeite, traust du mir dann? Sie sind wirklich lieb, veranstalten alle zwei Wochen eine Feier.“ Sie grinste und sah in Richtung Dorf. „Würde ich euch schaden wollen, hätte ich das schon längst getan und nicht eure Angreifer vorher getötet. Mir ist heute sowieso nicht nach kämpfen.“ Sie machte eine kurze Pause. „Wage es nicht, das Schwert weg zustecken, ich werde nur eingreifen, wenn es sich nicht vermeiden lässt.“ Ein weiteres Fauchen von Feline. Wie eine letzte Warnung. „Das hatte nicht vor.“ Arisu drehte sich noch einmal zu ihnen um. „Das ist nicht dumm von dir.“ Ein erneutes Schweigen, ruhig und unpassend für so eine Situation. „Genauso wie es nicht dumm von mir ist, dich nicht weiter zu provozieren. Den Zehn sollte man Respekt zollen.“ Mit einer plötzlichen Bewegung lief Feline los, hatte Ruri immer noch am Handgelenk gepackt. Sie ahnten ja noch nicht, was sie am Ryokan erwartete. * laienhaft übersetzt: blaue Flamme Kapitel 22: Westen ------------------ Es war ein seltsames Gefühl, mit einem Großteil Akatsukis in einem Raum zu sitzen und sich zu unterhalten. Dennoch konnte Ciaran nicht behaupten, sich sonderlich unwohl zu fühlen. Wahrscheinlich war er es mittlerweile gewohnt, seine Zeit mit Massenmördern zu verbringen. Doch wunderte er sich trotz allem darüber, dass nicht nur die üblichen drei Mitglieder der Organisation, sondern auch Kakuzu, Sasori und Itachi, sich zu ihnen gesellten. Pain, Konan und Zetsu, den sie  einige Male gesehen hatten, waren nach wie vor nicht bei ihnen. Ciaran war sich nicht sicher, ob sie im Ryokan waren. Vielleicht war das aber auch gut so. Es war krass genug mit einer lebendigen Puppe zu sprechen, da mussten eine Leiche und ein Kannibale nicht noch dazu kommen. Wie seltsam, dass ihn das jetzt noch, nach allem was passiert war, störte. Aber besser irgendetwas, als nichts mehr. Und es gab einen Unterschied zwischen psychisch kranken, und alle Mitglieder Akatsukis zeigten zumindest dahingehend Tendenzen, Mördern und einer Leiche, die von dem besten Freund des Toten kontrolliert wurde. Oder – man verzeihe ihm den klischeehaften Vergleich, aber ihm fiel  kein besserer ein – einer kannibalischen Pflanze. Während das Gespräch erstaunlich sittlich ablief, wurde Ciaran bewusst, was es für krasse Unterschiede zwischen schlechten Fanfictions und der Realität gab. Keines der neu dazugekommenen Akatsukimitglieder war ein Kühlschrank, der niemals sprach. Sie redeten genau so viel – oder wenig – wie Amaro und, logischerweise, mehr als Ciel. Gut, die Gespräche waren zwar ruhig, aber nicht sonderlich friedlich. Naja, wenn es sich Ciaran  recht überlegte, waren das die Gespräche doch. Zumindest für Akatsukis Verhältnisse. Sie redeten nicht über Einhörner oder Regenbögen, aber Mord und Totschlag war kein Thema. Im Großen und Ganzen konnte Ciaran sagen, dass die Runde durchaus angenehm war. Nicht das Beste, das er sich vorstellen konnte, aber man konnte meinen, dass man sich unter Personen, die zumindest einige Merkmale von Psychopathen aufwiesen – ob sie es waren, war er sich mittlerweile nicht mehr sicher -  sich deutlich schlechter fühlen müsste. Mindestens Angst haben oder Ähnliches. Das aber hatte Ciaran nicht mehr. Man konnte sich schließlich an alles gewöhnen. Das Gespräch war mittlerweile interessant geworden. Sie waren auf Ciels Zeichen und die Nützlichkeit dieser gekommen. „Und warum sollen wir das lernen?“ Hidan wirkte genervt, nicht aufgebracht. „Es ist nützlich“, knurrte Kakuzu mit tiefer und deutlich bedrohlicher Stimme. Wäre Ciaran an Hidans Stelle,  wäre er jetzt still. Allerdings war er kein Jashinist und somit sterblich. Kakuzu war verdammt leicht zu reizen, das sollte man sich definitiv merken.  „Wir können uns unbemerkt unterhalten und sogar mit deinem Intellekt sollte es zu lernen sein.“ Hidan stieß eine äußerst unschöne Beleidigung aus, doch passierte nichts weiter. Wahrscheinlich waren beide Mitglieder des Team Zombies zu dem Entschluss gekommen, dass es sinnlos war gegeneinander zu kämpfen, wenn beide der kämpfenden Parteien beinahe unsterblich waren. „Es wird uns von Nutzen sein“, bestätigte Itachi Kakuzus Aussage und bekam einen Blick, der tödlich gewesen wäre, wenn Blicke solche Eigenschaften hätten, von Deidara ab. Itachi ignoriert das gekonnt. Auch das hätte Ciaran nicht gemacht.   Jetzt schien Deidara erst recht wütend und man wollte nicht, dass besagter Nuke-nin wütend auf einen wurde. Das war garantiert nicht gesund. Aber auch hier musste Ciaran sagen, dass er nicht über die Eigenschaften verfügte, die Akatsuki hatte. Nicht einmal ansatzweise, auch wenn das Training weiter voran  schritt und er gar nicht so schlecht war, wie man vielleicht von ihm erwarten würde. Die Gemüter beruhigten sich schnell, also beschlossen Ciel und Ciaran, das Thema wieder ein wenig anzuschneiden. Der Franzose bot an, die Grundbegriffe zu zeigen, sobald Zeit war. „Die Grundbegriffe sind einfach zu lernen“, übersetzte Ciaran die Zeichensprache. „Viele sind von Gesten abgeleitet. Sie erklären sich von selbst.“ Doch war er sich sicher, dass die meisten das bemerkt hatten. Zu übersehen war das nicht. „Für die Namen müssten wir einige Zeichen entwickeln, oder eben Begriffe verwenden. Für eure gibt es keine eigene.“  Sonderlich schwer würde das allerdings nicht werden, auch ohne, dass sie in die Klischeekiste griffen und Kakuzu zu 'Geld', Kisame zu 'Fisch' und Sasori zu 'Pinocchio' machten. Trotz allem beschloss Ciaran das Gespräch lieber auf etwas anderes zu lenken, bevor es deswegen noch Tote gab. Musste jetzt nicht sein. Allerdings lief das nicht dem Plan, den er vorgesehen hatte, denn Kisame schien ähnliche Gedanken zu haben. Jedoch auf eine ganz andere Art und Weise. Er hatte seinen Blick einem Fenster zu gewandt. Das, das nach Kawagakure zeigte. Irgendwie ahnte Ciaran schon, dass jetzt etwas kam, was die Stimmung anheizen würde. Wie toll. „Wenn alles nach Plan läuft, dürften sie sich zumindest ungehört haben.“ Ein Raubtiergrinsen zierte Kisames Lippen, während er zu Hidan sah. „Was soll das heißen?“, knurrte dieser genervt. Kisames Grinsen vertiefte sich. „Ich denke, dass man sich um einige der Schülerinnen weniger Gedanken machen muss als um andere. Feline kann kämpfen, sie wird garantiert lebendig zurück kehren, während Ruri ...“ Er ließ den Satz im Raum stehen, aber Hidan verstand – natürlich – was er damit ausdrücken wollte. „Und weiter?“ Ciaran (und Hidan wahrscheinlich auch) ahnte, was kommen würde und er beschloss, ein wenig auf Abstand zu gehen, bevor Samehada oder die Sense ihn zerstückelten, weil er zufällig im Weg war.   „Das, was du ihr beigebracht hast, lässt sich an einer Hand abzählen. Sie ist die schlechteste von allen und das spricht für deine Leistungen.“ Wie zu erwarten sprang Hidan auf. „Sag das noch mal, Fischfresse.“ Trotz der Gefahr der Situation, war Ciaran gerade sogar ein wenig belustigt über die Beleidigung. Fischfresse – das war jetzt nicht sonderlich kreativ, aber auf erstaunlich grausame Art passend. Kisames Hand zuckte in Richtung Samehada, das er immer bei sich zu tragen schien, doch griff er nicht an. Darüber war Ciaran erleichtert. Hidan würde zwar nicht sterben, aber darauf, dass er im ganzen Raum verteilt wurde und wieder von Kakuzu zusammengenäht werden musste, hatte er keine Lust. Das war weder stimmungsfördernd, noch sonderlich appetitlich. Ganz zu schweigen davon, dass es Kakuzu nerven würde und das konnte Ciaran auch nachvollziehen. Das war unnötig und eigentlich würde er den Streit gerne schlichten, aber er wusste, dass das keine gute Idee war und blieb, mit ausreichendem Sicherheitsabstand, sitzen. Für einige Momente war es still im Raum. Ciaran warf Ciel, der milde geschockt über diese Situation schien, einen Blick zu. Aber auch er beließ es dabei, nichts zu tun. Ebenso wie Amaro – da hätte es Ciaran auch sehr gewundert – und Kamil, der die Situation mit Pokerface beobachtete. Er konnte im Moment nicht einschätzen, was er dachte. Vielleicht kannte er solche Situationen, vielleicht auch nicht. Über seine Vergangenheit oder seine  Herkunft, wusste  keiner etwas Genaues. Sie wussten, dass er aus Kenia kam, in der Hauptstadt wohnte, allerdings nicht mehr, aber er hatte sicher seine Gründe, nicht mehr darüber erzählt zu haben. Hidan und Kisame in der Zeit starrten sich einige Zeit an, bis Letzterer aufstand, noch einmal grinste und verschwand. Bald darauf hatte sich die Runde aufgelöst und Ciaran trat ins Freie. Er atmete tief durch, genoss die kalte Nachtluft. Dennoch konnte er die Sorgen nicht abstreifen. Die Frauen waren jetzt schon lange weg  und Kisame hatte Recht mit seiner Aussage gehabt. Um Feline musste man sich keine Sorgen machen. Bei den anderen sah es anders aus. Ava war intelligent, das war wohl auch ihre Rettung,  kämpfen konnte sie nicht, aber die anderen Zwei ... Er war sich nicht sicher, ob es gut gehen würde. „Ich würde dir gerne sagen, dass deine Sorgen unberechtigt sind, aber die Lüge würdest du durchschauen.“ Kisame kam langsam zu ihm. Auch er war in dem kleinen Garten, in dem er einst direkt vor Feline einen Menschen zerrissen hatte. „Ja, das würde ich“, murmelte Ciaran nachdenklich. „Denkst du, sie werden lebend zurückkehren?“ „Feline auf jeden Fall. Ava auch. Sie ist klug.“ Und das hieß, dass Kisame damit rechnete, dass Ruri oder Sunny (oder beide) sterben könnten, obwohl es an sich nicht mal eine gefährliche Mission gewesen war. Es könnte nur passieren, wie ihnen gesagt worden war, aber nach dem er ertrunken war, und zu einer fiktiven Organisation von gesuchten Schwerverbrechern gelangt war, schien es ihm angebracht, pessimistisch zu denken. „Es muss ja nichts passiert sein“, murmelte Ciaran, dennoch war aber nicht davon überzeugt. „Das kann sein“, stimmte Kisame zu, doch auch aus seiner Stimme hörte man heraus, dass er das nicht für wahrscheinlich hielt. „Unser Gegner ist gefährlich.“ Und so etwas von dem Monster Kirigakures, einem Mann, der kaum Angst oder ebenbürtige Gegner  kennen durfte zu hören, schnürte Ciaran die Kehle zu. Scheiße. Mit was hatten sie es hier zu tun? Und warum zum Teufel waren sie hier? „Oh“, war das einzige, was er heraus brauchte und er sah, dass Kisame grinste. Aber es war ein anders, als das vorhin. Nicht raubtierhaft gefährlich, sondern beinahe normal.  So normal, wie man  mit solch einem Gebiss grinsen konnte. „Das trifft es ganz gut.“ Kisame wirkte nicht belustigt, auch das besorgte ihn. Doch noch besorgniserregender fand er, dass Kisames Kopf plötzlich herum fuhr und er die Hand um Samehadas Schwertgriff legte. „Was ist los?“ Aber er kannte die Antwort, bevor sie ausgesprochen wurde. Kisame bestätigte seine schlimmste Befürchtung. „Wir werden angegriffen. Scheint, als wüsste Kawa über uns Bescheid.“ Ciaran fluchte lautlos. Ciel wollte in das Zimmer, das er mit Ciaran teilte, gehen, um noch ein wenig zu lernen. Ein paar der Medic-Nin-Schriftrollen durchlesen, aber auch nicht mehr. Für alles andere war er gerade zu müde, er wollte sein Chakra ein wenig schonen, morgen würde er trainieren müssen und dafür wollte er ausgeruht sein. Es brachte niemanden etwas, wenn er zu müde antreten würde und machte nur Ärger, selbst, wenn er ehrgeizig war. Gerade beugte er sich über eine besonders komplizierte Technik, das Entfernen von Gift, als Kamil die Zimmertür aufschob. Irritiert hob Ciel seinen Kopf, sah ihn fragend an. „Es gibt Ärger“, sagte Kamil ernst. „Wir werden angegriffen.“ Ciel brauchte ein bisschen, bis er verstand, was los war. „Wahrscheinlich von Kawa. Kisame hat Chakra gespürt, wir sollten uns beeilen.“ Damit waren seine Fragen beantwortet. Ciel nickte hastig, sammelte schnell seine Sachen zusammen, inklusive einen kleinen Dolch, den er für den Notfall dabei hatte. Er wollte nicht töten. Auch nicht aus Notwehr. Aber ein Überfall? Scheiße! Und was war mit den Frauen? Sie waren noch auf der Mission und wenn sie zurück kommen würden? „Mach dir über sie später Gedanken, sie werden es schon schaffen.“ Kamil erriet seine Gedanken erneut. „Verteidige dich selbst, dann kannst du dich um sie kümmern.“ Ciel nickte erneut, stand dann schließlich auf und lief an Kamils Seite aus dem Ryokan heraus. Ciaran kam ihnen entgegen. „Sie greifen von Westen an. Vom Chakra her vermutet Kisame, dass Jonin dabei sind.“ Kamil kniff die Augen zusammen. „Also wissen sie, dass Akatsuki hier ist.“ Ciaran nickte. „Davon ist zumindest auszugehen.“ In dem Moment ging Amaro an ihnen vorbei, die Kriegsaxt in der Hand. Irgendwie hatte Ciel das Gefühl, dass alle besser vorbereitet waren als er. Ganz toll. Dabei war er höchstens fünfzehn Minuten im Zimmer gewesen, was in der Zeit alles passieren konnte ... Er  seufzte lautlos, fuhr sich kurz durch das Haar. „Aus Westen.“ Amaros Stimme war ruppig und rau wie immer. „Sie wollen uns auf das Dorf zutreiben.“ Erst jetzt wurde Ciel bewusst, dass Kawa im Osten lag. Davor hatte er sich, wenn er ehrlich war, sich nie Gedanken darüber gemacht. Wie auch immer Amaro lebte, er lebte vollkommen anders, als er selbst es tat. Alleine, dass er auf so etwas achtete, zeigte es. Doch hatte Ciel keine Zeit, sich weiter darüber Gedanken zu machen. „Wir müssen los“, sagte Kamil plötzlich, „Ciel, du hältst dich besser zurück. Wenn jemand verletzt wirst, musst du noch heilen können.“ Und darüber war er froh. Er wollte helfen, aber nicht, wenn er dafür kämpfen und somit töten musste. Außerdem mussten sie damit rechnen, dass die  Frauen auch Probleme hatten und es war nicht unwahrscheinlich, dass eine von ihnen verletzt worden war. Zumindest jetzt, nach dem sie auch hier angegriffen wurden. Verdammte Scheiße! Zu dieser Zeit hasteten sie bereits durch den Wald. „Scheiße, Ava. Geht es noch?“ Besorgt sah Feline die Angesprochene an. „Muss ja.“, presste sie hervor. „Tragen kannst du mich ja schlecht.“ Nicht, wenn sie das Schwer noch in der Hand hielt und so schnell würde das Feline nicht ändern. „Ruri? Was ist mit dir?“ Sie antwortete nicht, sondern ließ sich einfach weiterhin mitziehen. Nach wie vor blass, zitternd und neben sich. Wie weit weg. Vielleicht auch in einer anderen Welt. „Scheiße, Ruri, jetzt reiß dich zusammen.“ Felines Stimme war ein reines Fauchen. Aber auch nun kam keine Antwort. Plötzlich blieb Feline stehen und die anderen Frauen, sogar Arisu, die ziemlich amüsiert wirkte, taten es ihr gleich. Einige Sekunden war es still, bis auf das leise Rauschen der Blätter. „Das ist nicht gut. Ich glaube, das Ryokan wird angegriffen.“ Noch bevor jemand etwas sagen konnte, sprach Arisu. „Sterbt nicht dabei.“ Sie wurde ernst. „Das meine ich ernst. Ich habe keine Lust zu kämpfen, aber bevor wir noch eine von euch begraben können ...“ Sie grinste wieder. Amaros Axt spaltete den Schädel eines jungen Mannes. Ciel wurde schlecht. Das hatte er nicht sehen wollen, nein, auf gar keinen Fall, aber ihm blieb keine Zeit, Angst zu bekommen oder sich zu übergeben. Es war nicht geplant gewesen, doch war auch Ciel in den Kampf verstrickt worden. Gehetzt wich er einem nach ihm geworfenen Kunai aus. Nur knapp zischte es an seinem Gesicht vorbei. Das nächste streifte seinen Arm.  Den Schmerz – wenn es überhaupt weh tun sollte – spürte Ciel nicht. Er hatte keine Zeit nachzudenken, nicht darüber zumindest. Er wollte nicht töten, aber er wollte eben so wenig sterben. Nervös zog er den Dolch, den er sich erst vor Minuten mitgenommen hatte. Er glaubte nicht, dass er auch nur ansatzweise eine Chance hatte, sich im Kampf zu behaupten, aber irgendetwas musste er tun. Er stolperte nach hinten, nach dem er einen Angriff abgeblockt hatte ... Wenn man die Waffe gegen die andere halten und hoffen, dass er nicht getroffen wurde, als blocken bezeichnen konnte. Plötzlich wurde Ciel bewusst, dass er alles vergessen hatte, was ihm beim Training beigebracht worden war. Eigentlich fiel es ihm nicht schwer, die Ruhe zu bewahren, aber das hier war etwas vollkommen anderes. Nicht nur, dass gerade ein Mensch vor seinen Augen gestorben war, noch weitere starben, er war selbst bedroht. Auch wenn er, bevor er hier her gekommen war, gestürzt war, ziemlich tief sogar, so nahe war dem Tode noch nie gewesen. Aber Etwas in ihm ließ ihn handeln. Der Trieb zum Überleben war der stärkste, den die Menschen besaßen. Ciel wollte es nicht, aber sein Körper handelte wie von selbst. Er wusste nicht, was er tat, als er sich duckte, einem Shuriken auswich, eines abbekam und nicht herauszog und seinen Gegner, einen Mann in seinem Alter, zurück stieß. Er tötete ihn nicht, aber er verletzte ihn und wahrscheinlich war es auch sein Todesurteil, denn die Wunde im Bauch, verursacht durch die Klinge des Dolches, blutete stark und Akatsuki kannte kein Mitleid. Doch alleine die Gewissheit, es nicht selbst getan zu haben, beruhigte sein Gewissen. Es dämpfte die Schuldgefühle ab, vernichtete sie jedoch nicht vollständig. Ciel lief weiter, auch wenn es idiotisch war, weg von Amaro. Würde er noch einmal das Geräusch hören, wie sich die Axt durch Knochen und Gehirn bohrte, würde er sich vielleicht doch übergeben und das konnte er jetzt nicht gebrauchen. Dann lieber die Gefahr, von Hinten angegriffen zu werden, als komplett die Beherrschung zu verlieren. Hoffentlich war das kein Fehler. Allerdings achtete Amaro sowieso nicht auf ihn, also war es wahrscheinlich doch egal. Tatsächlich achtete Amaro wirklich nicht auf ihn, doch war es eine Sache, die man selbst ihm nicht übel nehmen konnte. Er war es gewohnt, zu kämpfen und verletzt zu werden – davon zeugten auch die unzähligen Narben seines Körpers – aber diese Art von Kämpfen waren ungewohnt und war man erst einmal 42, fiel es einem schwer, sich neuen Verhältnissen anzupassen oder eine vollkommen andere Art, sich zu verteidigen – und andere zu töten – zu entwickeln. Dennoch konnte Amaro nicht sagen, dass er schlecht war. Die Axt war eine gute Waffe und mit den Wurfdingern, wie er sie noch immer bezeichnete, traf er gut. Und tödlich. Das Blut, das an seinem Arm herunter lief, bemerkte er nicht. Es gab wichtigeres, als sich jetzt darum Gedanken zu machen.  Verteidigen, töten, nicht mehr. Und Amaro genoss es. Nach all dieser Scheiße, die hier passiert war, konnte er sich abregen, seiner Wut freien Lauf lassen. Mittlerweile hatte er sich mit dem Gedanken, weder das Tier noch Kakuzu umbringen zu können, abgefunden. Das hier war eine Art, das irgendwie wieder gut zu machen. Gut. Vielleicht war er gerade einfach nur sehr gereizt, weil er eigentlich den Abend in Ruhe und alleine hatte verbringen wollen und war deswegen so angepisst. Wie gesagt: Vielleicht. Kamil kannte solche Situationen. Nicht mit Jutsus oder solchen Waffen, aber im Grunde war es nichts anderes als ein Straßenkampf. Es ging um das Überleben und das konnte er. Ausweichen, zustechen, die Mitkämpfenden im Auge behalten. Es war ihm in Fleisch und Blut übergangen. Das hinderte ihn aber nicht daran, überrascht zu sein, ausgerechnet Kenzo Ogawa, die Stadtwache Kawagakures, ausgerechnet hier und jetzt zu sehen. Natürlich war er ein Ninja, aber keiner, der es mit Akatsuki aufnehmen konnte. „Euretwegen ist Miyu gestorben.“ Seine Stimme war ton- und kraftlos. Die braunen Haare hingen ihm wirr ins Gesicht. „Wir haben sie nicht umgebracht“, sagte Kamil ruhig. „Wir haben versucht, sie zu retten.“ Aber er wusste, dass der Versuch der Schlichtung sinnlos war. „Lügner!“ Kamil konnte ihn verstehen, Kenzos Wut nachvollziehen, aber er würde sich nicht töten lassen. Er hatte sein Tantō  gezogen, beobachtete Kenzo genau, als dieser auf ihn losstürmte,  blind vor Wut. Kamil hatte keinerlei Probleme, ihn in Schach zu halten. Nicht, weil er nicht stark war, sondern weil er nicht wusste, was er tat. Nur kurze Zeit später bohrte sich die Klinge des Tantōs in Kenzos Herz. Es war nicht einmal Kamils Absicht gewesen... „Ciel!“ Felines Stimme durchschnitt das Kampfgeschehen. Sofort wirbelte er herum und erschrak. Sie war blutüberströmt, doch war es nicht Feline selbst, die in ihm die Sorge auslöste. Auch nicht Avas Verletzung oder Ruris Blässe, sondern die Tatsache, dass Sunny nicht dabei war. Wo ist sie? „Sie ist tot.“  Für einen Moment sah er Schmerz in Felines Augen aufflackern.   Ciel starrte sie an. Nein. Das war nicht möglich. Nicht Sunny. Und obwohl er wusste, dass es weder moralisch gut war oder sein Überleben sicherte, musste er gestehen, dass er nicht an sie dachte, sondern an Angelique. Für einen Moment sah er ihren viel zu dünnen Körper, ihre blonden Locken, die das Blut rot gefärbt hatte, vor sich. Er hörte, wie Momo ihn anschrie, dass er zu ihr wollte, obwohl sie tot war. Obwohl er das wusste. Sie hatten es beide gewusst, sobald sie gestürzt war und die Masse an Menschen sie unter den unzähligen Füßen begraben hatte ... „Ciel! Gottverdammte Scheiße!“ Er spürte einen brennenden Schmerz an seiner Wange. Wie sein Kopf zur Seite gerissen wurde und Blut, das an seinem Gesicht hinab lief. Feline stand nun vor ihm, Tränen in den Augen. „Jetzt reiß dich zusammen. Ava ist verletzt, Ruri redet kein Wort, eine komische Frau ist aufgetaucht, hier ist die Hölle los und ich habe keine Ahnung, was ich tun soll!“ Sie schluchzte sogar.  „Können wir später trauern? Ich will nicht, dass noch jemand von uns stirbt und erst recht nicht selbst sterben.“ Langsam nickte er und nahm nur am Rande wahr, dass der Kampf um sie herum beinahe erstorben war. Keiner von ihnen schien ernsthaft verletzt, aber Ava steckte ein Kunai im Bauch. Ihm selbst eines in der Schulter, doch  er bemerkte es nicht. Okay. Ruhig bleiben. Eines nach dem Anderen. Zurück ins Ryokan. Ich versorge die Wunde. Feline übersetzte. „Ich bleibe aber draußen. Bis der Kampf endgültig vorüber ist. Pass auf  Ruri auf.“ Er nickte nur.   „Irgendwie sieht die Wunde komisch aus, oder?“, fragte Ava unsicher, während sie die Wunde ihres Bauchs betrachtete. Den Stoff um sie herum hatte Ciel weggeschnitten, er störte nur, und nickte mit gerunzelter Stirn. Es blutete zwar, aber sie war so … gerade, nicht, wie eine normale Stichwunde. „Und ich glaube, es tut weniger weh, als es weh tun sollte“, murmelte sie weiter. Ciel verrieb etwas betäubende Salbe um die Stelle, vorsichtig. Er hatte kein richtiges Schmerzmittel, das musste jetzt so gehen. Er zog vorsichtig an dem Messer, aber Ava verzog nur kurz das Gesicht, zeigte sonst keinerlei Reaktion. „Was hast du mir da drauf geschmiert, dass ich es nicht spüre?“ Perplex starrte er sie an. „Das sollte nicht so sein, oder?“ Und wieder konnte Ciel nur mit einem Nicken antworten. Nachdem auch seine Wunde versorgt war (das hatte aber weh getan) und sie Ruri, die nun zusammen gesunken in einer Ecke saß, zumindest eine Decke um die Schultern gelegt hatten,  gingen Ava und Ciel wieder heraus. Sie kamen gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Arisu – Ava hatte ihm von ihr erzählt – zu Pain sah. „Das Chaos wusste über sie Bescheid. Ihr wurdet überwacht.“ Pain nickte. „Verstehe. Wir unterhalten uns später.“ Mit einem Nicken und einen kurz aufblitzenden Grinsen war sie verschwunden. Es war kurz still. „Chaos?“, fragte Feline dann plötzlich. „Was ist das Chaos? Und was ist hier überhaupt los?“ Sie trat hervor. Auf Pain zu. Ciel war erst von ihrem Mut überrascht, bevor ihm klar wurde, dass es Verzweiflung war. „Seit dem wir hier sind, bekommen wir keine Informationen. Nur fadenscheiniges Geschwafel! Ich will Antworten. Ich will wissen, wieso ich hier bin!“ Pains Leichenaugen starrten sie an. Kapitel 23: Venedigs Juwel -------------------------- Angelica Silviati hatte keine große Lust, sich mit ihrem Freund, Ferris, zu treffen. Nach den ganzen Streitereien der letzten Wochen stand ihr nicht der Sinn nach einem Krisengespräch, auch wenn sie wusste, wie wichtig dies war. Es ging nicht um Kleinigkeiten, nicht nur zumindest, und es gab Dinge, die sie aus der Welt schaffen mussten, wenn sie zusammen bleiben wollten. Falls sie das wollten. Was er gesagt hatte, konnte sie eben nicht einfach so verzeihen. Es hatte sie verletzt und- so eine Scheiße! Sie war sechzehn und machte sich Gedanken, die sie sich eigentlich gar nicht machen sollte! Das klang so alt, nicht nach den Problemen eines Teenagers und das nervte sie. Während Angelica von den Straßen Venedigs in das Treppenhaus trat, sich Gedanken über ihre Beziehung und Ferris machte, stieg ihr ein seltsamer Geruch in die Nase. Was war das? Einige Momente stand sie still, bevor sie die Treppen zu der Wohnung, in der sie mit ihrem Vater und ihren Brüdern lebte, hinauf rannte. Rauch. Nein, kein Feuer ... nein! Hektisch kramte sie nach ihrem Handy, alarmierte die Feuerwehr und erklärte den von den Geruch angelockten Nachbarn, was los war. Eine ältere Frau kam lächelnd auf sie zu und sagte ihr, sie solle erst mal mit heraus kommen. Angelica mochte sie und wollte ihr folgen, aber ... „Was ist mit Nino? Mit Riccardo?“ Ihre Brüder, was wenn sie noch dort drinnen waren?! Sie konnte sie doch nicht einfach dort lassen! „Ich weiß es nicht, Liebes, aber es wird alles in Ordnung mit ihnen sein, da bin ich mir sicher und die Feuer- wo willst du hin?“ Noch bevor sie jemand aufhalten konnte, stürmte Angelica los, sie musste nachsehen, ob sie noch dort waren, ihnen helfen. Sie hörte die Rufe der Frau oder die der anderen nicht. Dichter Rauch, der ihr Atem und Sicht nahm, schlug ihr entgegen. Angelica hustete, rief die Namen ihrer Brüder, doch bekam sie keine Antwort. Dann die Wohnung absuchen. Sie musste sich vollkommen sicher sein. Sie war nicht lange dort, vielleicht einige Minuten, doch das Atmen war ihr kaum noch möglich. Wenigstens wusste sie nun, dass ihre Familie nicht hier war, dass sie die Wohnung konnte. Angelica stolperte über irgendetwas, sie wusste nicht was, vielleicht waren es Schuhe, aber es war nicht wichtig, im Gegensatz zu den Gedanken, die ihr jetzt kamen. Das Bild ihrer Mutter! Wenn es verbrannte … nein, sie musste es holen! Sie ließ sich auf die Knie sinken, weil sie gehört hatte, dass man es tun sollte, wegen dem Rauch, der nach oben stieg. Sie hustete weiter, spürte, wie ihr schwindelig wurde, aber sie konnte es nicht hier lassen. Nicht die Fotografie ihrer Mutter. Das könnte sie sich niemals verzeihen. Es fiel ihr unendlich schwer, weiter zu krabbeln. Es tat weh und jeder Atemzug fühlte sich an, als würden ihre Lungen verbrennen. Ihre rußgeschwärzte Hand griff nach dem Bild, das immer auf ihrem Nachtschrank stand. Der Rahmen glühte bereits, aber das war ihr egal. Hauptsache, sie hatte es nicht verbrennen lassen. Dann kam die Dunkelheit. Angelica wusste nicht, wie lange sie hier war. Zeit und Raum hatten jegliche Bedeutung verloren. Sie waren unwichtig und nutzlos. Hier existierte nur Schwärze, nur selten und für den Bruchteil einer Sekunde von Bildern, die Angelica nicht zuordnen konnte, unterbrochen. Ab und an hörte sie Stimmen in Sprachen, die sie nicht kannte. Wenn sie überhaupt noch irgendetwas kannte. Sie wusste nicht, ob sie tot war. Es konnte gut sein. Rauchvergiftung, daran starben die meisten bei einem Brand und wenn nicht, hatten die Flammen garantiert den Rest erledigt. Aber warum passierte dann nichts? Sie war nie sonderlich gläubig gewesen, aber wenn die Christen recht hatten, dann müsste doch jetzt irgendetwas passieren, oder? Himmel oder Hölle, inzwischen (wenn sie wirklich so lange hier war, vielleicht waren es ja doch nur einige Sekunden, was spielte das noch für eine Rolle?) wäre es ihr egal. Hauptsache, es würde aufhören. Das Nichts war schlimm. Es war furchtbar und doch konnte sie nicht in Panik verfallen, Angst haben oder schreien. Sie musste einfach warten, in die Schwärze starren und das tun, was sie schlafen nannte, auch wenn sie wusste, dass es nicht Schlaf war. Sie träumte nicht, sie erholte sich nicht. Sie dachte nicht nach. Ihre Gedanken wurden zu dem gleichen Nichts, was sie umgab. „Hey du, aufwachen.“ Eine Stimme? Warum verstand sie sie? „Wach endlich auf oder hast du vor auf dem Waldboden liegen zu bleiben?“ Waldboden? Sie war doch in der Schwärze. „Komm schon. Jetzt wach endlich auf.“ War sie doch nicht tot? „Wach auf.“ Angelica blinzelte gegen das ungewohnte Licht der Sonne. Laub, tatsächlich. Aber wieso? Warum war sie hier? Vorsichtig richtete sie sich auf. „Na endlich, hat lange genug gedauert.“ Die Stimme von eben! Angelica drehte sich um und sah … zu einem weißen Känguru. Blaue Augen blickten sie neugierig an. „Was?“, fragte das Tier nach. „Noch nie ein sprechendes Baumkänguru gesehen?“ „Nein. Noch nie.“ Eigentlich noch nicht einmal ein sprechendes Tier. Sie starrte das Känguru einfach nur weiter an. „Bin ich tot?“ „Dann wärst du die lebendigste Tote, die ich je gesehen habe. Na ja, eigentlich sogar der erste tote Mensch überhaupt.“ Das Baumkänguru wandte seinen Blick nicht ab, sondern sah sie weiterhin interessiert an. „Warum bist du so verkohlt?“ „Verkohlt?“ Angelica sah an sich herunter. Stimmt ja, der Brand... ihre Kleidung, gerade der weiße Pullover, war vollkommen verdreckt und schwarz vor Ruß. Das Bild ihrer Mutter! Einer Panik nah sah sich Angelica um, taste den Boden ab und griff in Glasscherben. Fluchend zog sie ihre Hand zurück und blickte auf den zerbrochenen Bilderrahmen. Das Foto an sich war ganz geblieben. Erleichtert atmete Angelica auf, zog das Bild aus dem Rahmen und nahm es vorsichtig in die Hand. Bedacht darauf, dass das Blut es nicht verdreckte. „Deine Mutter?“ Das Baumkänguru schien klug zu sein, aber vielleicht waren das ja auch alle sprechenden Tiere. „Ja.“ „Sie sieht dir ähnlich.“ „Ehm.. danke.“ „Das war nur eine Feststellung.“ Nettes Tier. Irgendwie fand Angelica es ja schon niedlich, aber sie beschloss, vorerst nicht darauf einzugehen. Auch nicht auf die Feststellung. Erstmal wollte sie sich hier orientieren. „Wie heißt du eigentlich?“ „Tama, und du?“ „Angelica.“ „Freut mich, dich kennen zu lernen.“ „Ebenfalls.“ Angelica beschloss aufzustehen, sie musste ja nicht auf dem Waldboden liegen bleiben. Als sie sich nach vorne beugte, fielen rote Haare über ihre Schultern. Was? Überrascht griff sie in ihre Haare. Da waren mehr, viel mehr, und sie waren rot und lang, anstatt braun und schulterlang. Was zum ...? „Hast du Angst, dass seine Haare durcheinander sind?“ Tamas Augen blitzten frech auf. „Da muss ich dich enttäuschen, das sind sie total.“ Angelica verdrehte ihre Augen. „Nein, das ist es nicht. Sie sind … eigentlich anders. Ganz anders.“ Moment! Wenn ihre Haare anders aussahen, was war mit dem Rest? Sie beugte sich zu Tama herunter. „Welche Augenfarbe habe ich?“ „Was?“ „Welche Augenfarbe habe ich?“ Ihre Stimme klang schon fast panisch. „Bernstein.“ „Nicht braun?“ „Nein. Bernstein. Ich weiß schon, was ich sage.“ „Was ist hier eigentlich los?“ Verzweifelt ließ sie sich auf den Hintern fallen. War ja jetzt auch egal. Sie betrachtete ihre Hände. Okay, die Hautfarbe war noch normal. Sonnengebräunt. Das war noch normal. Gut, wenigstens das. Und da ihre Klamotten noch passten, ging sie davon aus, dass sie auch immer noch 160 Zentimeter groß war. Das war immerhin etwas. Also waren nur Haare und Augen anders. Vollkommen normal. Man, scheiße! Eigentlich war ihr gerade zum Heulen zu mute, aber sie tat es nicht. Das brachte ja auch nichts und würde alles nur noch schlimmer machen. Tama schien selbst mit der Situation überfordert zu sein. Angelica konnte es ihm nicht übel nehmen. Immerhin lag da gerade ein Mädchen vor ihm auf den Boden, das verbrannt war. Das würde sie auch irritieren. Sie schwiegen eine Weile. „Wo sind wir hier eigentlich? „In der Nähe von Hirugakure, glaube ich. Ich bin mir da nicht so sicher, Menschendörfer sind seltsam.“ „Was?“ Angelica starrte Tama an. Hoshiko betrachtete die Zwillinge nachdenklich. Sie waren also ein Teil der Zehn, interessant. Die jüngsten unter ihnen, mal sehen, wie sie sich machen würden. Hoshiko musste gestehen, dass sie Bedenken hatte. Die Präsenzen waren außergewöhnlich, sie fielen auf, aber gerade Ela machte ihr Sorgen. Sie war jung und schien das Ausmaß dieser Welt noch nicht begriffen zu haben. Und Bhreac ... er hatte seine eigenen Probleme. „Wo ist Arisu hin?“ Er sah Hoshiko fragend an. Es war morgens und die Zwillinge gerade erst aufgewacht. „Sie hilft Freunden.“ Hoshiko grinste ein wenig, woraufhin sie einen verwirrten Blick erntete. Das fand sie noch lustiger. „Und wir müssen los. Es gab eine Planänderung, wir müssen einen Umweg nehmen.“ „Wieso?“ „Die Uhr hat es gesagt.“ Bhreac antwortete ihr, wie erwartet, nicht. Sie wusste, dass sie die beiden Andersweltler verwirrte, aber es war besser so. Keine zehn Minuten später waren sie unterwegs. Sie schwiegen die meiste Zeit und Ela beobachtete die Umgebung, einen Wald, genau. Es war interessant hier, keine Frage, und sie hoffte, dass hier alles anders werden würde. Sie würde lernen, sich wehren zu können. „Warum sind wir hier?“, fragte Bhreac plötzlich. Hoshiko antwortete ihm, ohne sich umzudrehen. Sie war ein wenig seltsam, aber nett. „Es hat seine Gründe, wie gesagt. Man braucht euch hier und ihr braucht die anderen Andersweltler.“ „Es sind noch mehr hier?“ „Natürlich. Die Welt rettet man nicht einfach so im Alleingang.“ Das klang einleuchtend. Allerdings beantwortete das Bhreacs Frage immer noch nicht wirklich. Eigentlich wollte auch Ela ein wenig mehr wissen, schließlich war sie ja nicht ohne Grund hier und sollte helfen, da wären mehr Informationen wichtig. Aber sie sagte nichts. „Du kannst uns nicht mehr sagen?“ „Können ja, allerdings bleibt da die Frage, ob es gesund für mich wäre.“ Noch immer sah sie sie nicht an, sondern lief voraus. „Also willst du nicht mehr sagen.“ „Genau, aber, falls es dich beruhigt, ich würde euch gerne etwas verraten. Es würde nur unschöne Konsequenzen für mich haben.“ Ela glaubte nicht, dass das Bhreac beruhigte. Sie selbst machte das auch eher nervös. Wer waren ihre Auftraggeber? Und warum würde es solche Konsequenzen haben? Es war verwirrend. All das hier war es. Dennoch konnte Ela nicht sagen, dass es an sich schlimm war, hier zu sein. Sie hatte Bhreac. Es war alles in Ordnung. Genau dieser fragte weiter nach. „Findest du nicht auch, dass es sehr unglaubwürdig klingt?“ Nun drehte sich Hoshiko tatsächlich um. Sie lächelte. „Natürlich tut es das. Aber ihr seid hier in einer vollkommen fremden Welt, die man bei euch nur aus Mangas kennt, aufgewacht. Meint ihr nicht, dass es dann nicht mehr auf solche Kleinigkeiten ankommt?“ „Ist es verwunderlich, dass ich Informationen haben will, wenn ich euch alle doch retten soll?“ „Nicht du, sondern ihr. Die Zehn.“ Damit schien das Thema für Hoshiko beendet, denn sie lief weiter, beschleunigte das Tempo sogar noch. Es wirkte wie ein Test. Als ob sie sehen wollte, wie gut sie mitkamen. Es dauerte nicht lange, bis Ela weit zurück hing und Hoshiko beschloss, eine Pause zu machen. „So hat das keinen Sinn. Ruhe dich aus, wir gehen dann in einer viertel Stunde weiter, ja?“ Sie lächelte. Jetzt wirkte sie wirklich freundlich und nicht so spottend, wie sie sonst oft sprach. „Danke.“ „Nichts zu danken.“ Hoshiko setzte sich neben sie, während Bhreac das erst tat, nach dem er sich Umgebung genauer angesehen hatte. Die Welt hier war vollkommen anders als die, die sie kannten. Schließlich aber nahm auch er bei ihnen Platz. „Okay“, sagte Hoshiko plötzlich, „ich kann euch zumindest sagen, wohin wir als nächstes gehen.“ Überrascht hoben die Zwillinge ihre Köpfe. „Eine weitere Andersweltlerin ist aufgetaucht. Wir werden sie abholen, deswegen müssen wir uns beeilen. Sie ist ohne Schutz hier und nach euch wird gesucht.“ „Und von wem?“ „Das wird euch bald erklärt. Es ist zu kompliziert, als das das in der kurzen Zeit geklärt werden könnte.“ Das machte es nicht besser. Im Gegenteil. Wenn es so kompliziert war, macht es das alles doch gefährlicher, oder? „Wichtig ist, dass ihr mit vertraut. Ich weiß, dass das schwer sein kann, aber ich weiß, was ich tue.“ „Das ist kein Grund, dir zu vertrauen. Du könntest uns alles erzählen.“ „Das ist mir bewusst.“ Jetzt grinste Hoshiko. Der Spott war in ihren Augen zu sehen, aber sie wirkte immer noch irgendwie freundlich. „Aber ihr habt nun mal auch keine andere- Duckt euch!“ Ela, die gar nicht anders konnte, als dem Befehl Folge zu leisten, warf sich auf den Boden und hielt die Hände schützend über den Kopf. Ein Geräusch neben ihr verriet ihr, dass ihr Bruder es ihr gleich getan hatte. Herzschläge später klang Metall auf Metall. Schritte waren zu hören. „Bleibt zurück.“ Hoshikos Stimme klang streng. Sie stand vor ihnen, den Stab in der Hand. Einige Kunais lagen vor ihr auf dem Boden, scheinbar hatte sie sie mit dem Stab abgewehrt. Kaum hatte sie das ausgesprochen, stürmten Shinobi aus dem Gebüsch. Hoshiko schwang den Stab, wehrte einen Angriff ab. Dafür, dass sie kaum größer war als Ela selbst, schien sie erstaunliche Kraft zu besitzen. Aber das lag wohl an ihren Ninjafähigkeiten, auch wenn sie in der Serie noch nie so eine Kunoichi wie sie gesehen hatte. Bhreac fluchte, zog Ela sogar noch ein wenig zurück und sie befürchtete schon das Schlimmste. Doch das geschah nicht. Stattdessen wurden sie beide vollkommen überrascht. Sie sah nicht genau, was Hoshiko gemacht hatte, aber es schien, als würde sie sich ans Herz greifen. Ein graues Schimmern und vor ihnen stand tatsächlich eine riesige Katze. Ela konnte es nicht genau einschätzen, aber die Schultern erreichten sicher die drei Meter und aus dem riesigen Maul ragten Säbelzähne. So lang, wie die Unterarme eines erwachsenen Mannes. „Was ist das?“ Entsetzt riss sie die Augen auf, sah zu Bhreac, der nicht weniger erstaunt über dieses Wesen war. „Egal“, rief Hoshiko ihnen zu, „aber schließt die Augen!“ Ela gehorchte einfach. Sie wollte gar nicht wissen, wieso. Die Schreie der angreifenden Shinobi verrieten ihr nur zu gut, was gerade vor sich ging. „Komm mit.“ Hoshiko hatte sie am Oberarm gefasst und zog sie weg. „Und lass ja die Augen zu.“ Ela war zu geschockt, um auch nur daran denken zu können, zu widersprechen. „Du kannst sie wieder aufmachen.“ Blass und zitternd öffnete sie wieder ihre Augen. Sie befanden sich auf einer kleinen Lichtung, nicht mehr direkt in dem Wald, in dem sie zuvor waren. Bhreac war neben ihr, schien eher verwirrt denn geschockt und Ela hielt sich an ihm fest, sobald er in ihrer Nähe war. Was war passiert? Was war hier nur los? Hoshiko wartete gar nicht auf eine Frage. „Die suchen euch. Sie haben nichts von Komet gewusst, mich unterschätzt.“ „Komet?“ Ela war erstaunt, dass Bhreac ausgerechnet jetzt noch nachfragen konnte. Sie selbst war blass geworden und wollte eigentlich nur noch weg von diesem Ort. Sie wollte nicht sehen, was diese Säbelzahnkatze mit den Männern machte. „Mein Traumhüter.“ Hoshiko sah nicht die Zwillinge an, sondern blickte in den Wald, aus dem noch immer Kampfgeräusche drangen. „Dein was?“ Ela war genauso überrascht wie ihr Bruder. Was war hier nur los? Was war ein Traumhüter? „Traumhüter. Ich habe gesagt, dass ich eine Träumerin bin, ich erzähle euch später mehr. Nur ist jetzt nicht unbedingt der passende Zeitpunkt dafür.“ Sie schwieg einige Momente. „Wartet hier.“ Und damit war sie schon wieder im Wald verschwunden. „Wo sind wir hier nur herein geraten?“, murmelte Ela leise und ließ sich einfach auf den Boden sinken. Bhreac setzte sich neben sie, starrte aber weiterhin auf die Stelle, wo Hoshiko verschwunden war. „Ich habe keine Ahnung.“ Noch ein Brüllen, dieses Mal sogar noch lauter. So laut, dass die Schreie der Shinobi übertönt wurden. Bhreac fluchte erneut. Ela hätte es, auch wenn sie es sonst nicht tat, ebenfalls getan, hätte ihre Stimme nicht versagt. Nicht sehr weit entfernt hob Tama seinen kleinen Kopf. „Du hast das auch gehört, oder?“ Angelica sah ihn überrascht an. Mittlerweile saß sie an einem Baum gelehnt. „Ja, das war auch nicht zu überhören.“ „Ich weiß ja nicht, wie gut ihr Menschen hört.“ Tama lief – nun ja – hoppelte unbeholfen weiter nach vorne. „Aber was war das?“ Angelica zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, klang ein wenig wie ein Löwe oder so.“ Und nach dem sie in der Welt eines Animes gelandet war und mit einem weißen Baumkänguru sprach, würde sie gar nichts mehr wundern. Während die Sonne hoch am Himmel stand, sammelte das Chaos seine Kräfte. Kapitel 24: Träumerweisheiten ----------------------------- „Chaos?“, fragte Feline dann plötzlich. „Was ist das Chaos? Und was ist hier überhaupt los?“ Sie trat hervor, auf Pain zu. „Seit dem wir hier sind, bekommen wir keine Informationen. Nur fadenscheiniges Geschwafel! Ich will Antworten. Ich will wissen, wieso ich hier bin!“ Pains Leichenaugen starrten sie an und Feline wurde sich bewusst, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Doch war es zu spät, um zurückzuweichen, um zu bereuen. Mit schwerem Atem und aufgerissenen Augen wartete sie auf die Antwort. Bereit, auszuweichen, sich zu verteidigen, irgendetwas zu tun. „Morgen“, sagte Akatsukis Anführer mit einer Kälte, die Feline zurückzucken ließ. „Was Morgen?“ Sie wusste nicht, woher sie die Kraft, den Mut nahm, zu sprechen. „Morgen werdet ihr mehr erfahren, doch erst einmal müssen wir hier weg. Es ist nicht gut, wenn man weiß,  dass wir hier sind.“ Er sah die anderen an. Zumindest alle, die hier waren, Ruri war nicht wieder mit herausgekommen.  Kein Wunder. Sie stand unter Schock, aber Feline fehlte die Kraftdazu, sich jetzt um sie zu sorgen. „Und wir werden über eure jämmerliche Leistung sprechen.“ Ein kurzer Blick galt Feline und Ava. „Wenigstens habt ihr bewiesen, dass ihr zumindest ein wenig Verstand in euch tragt.“  Mit diesen Worten wandte er sich ab und lief zum Ryokan. „Packt zusammen.“ Für einige Momente war es still. Die Mitglieder Akatsukis und die Männer der Anderswelter setzten sich schließlich langsam in Bewegung. Ciaran hatte den Blick zu Boden gesenkt, betrübt über Sunnys Tod. Ava und Feline blieben zurück. „Scheiße“, sagte Feline leise. Vollkommen erschöpft. Ava nickte ihr nur zu. „Ja, Scheiße.“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Gehen wir rein. Wir müssen Ruri irgendwie hier wegschaffen. Alleine schafft sie das nicht.“ „Ja“, sagte Feline. Sie war selbst darüber erschrocken, wie dumpf und kaputt sie klang, konnte aber nicht schockiert sein, weil ihr die Kraft fehlte. Sie war ausgebrannt. „Ja, das müssen wir.“ Im Ryokan war die Luft gefüllt von Spannung und erdrückend vor Angst. Felines Nackenhaare stellten sich auf und ihr war danach, zu fauchen, doch dafür war sie zu ausgelaugt. Sie schleppte sich in ihr Zimmer, stopfte wahllos das wenige, das sie besaß, in einen Rucksack und tat danach das gleiche mit Ruris Habseligkeiten. Seligkeiten. Seele. Gott ... Feline, die, wie alle, von Ruris Glauben wusste, fing an zu kichern. Wie war sie nur darauf gekommen? Sie ließ sich auf die Knie sinken, schlang ihre Arme um sich und begann zu lachen, weinte gleichzeitig. Es konnte höchstens eine Minute vergangen sein. Eine Minute, in der Feline, diese seltsame Mischung aus hysterischer Freude, unerträglicher Trauer und  entsetzlicher Angst fühlend, auf dem Boden gesessen hatte, bis sie sich aufrichtete. Es war ihr viel länger vorgekommen, wie Stunden, aber das konnte nicht sein, dann hätte man sie hinaus geschliffen. Bei dem Gedanken hätte sie beinahe wieder angefangen, zu lachen, aber dieses Mal hatte sie sich unter Kontrolle. „Okay“, sagte sie in die Stille des Raumes hinein. Irgendwo im Ryokan hörte sie, wie etwas polternd zu Boden fiel. „Alles gut. Ich bin gerade durch, aber … das wird schon. Irgendwie.“ Sie fuhr sich durch die Haare, verschmierte sie dabei mit Blut, aber das war ihr gerade egal. „Und das ich mit mir selbst rede, ist auch völlig normal, zumindest in so einer Situation.“ Sie fluchte, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, verteilte damit nur noch mehr Blut, und nahm die Rucksäcke in die Hand.  Okay, alles gut. Sie würde das schon schaffen, irgendwie würde sie es schaffen. Sie musste es einfach tun. Noch einmal sah sich in dem Zimmer um, überprüfte, ob sie wirklich alles hatte und nichts vergessen hatte. Tatsächlich lag da noch etwas. Ihr Pullover ... Scheiße. Das war etwas, was sie noch an ihre alte Welt, die Anderswelt, band, sollte sie wirklich? Noch bevor sie weiter nachdenken konnte, hatte sie ihn gepackt und in ihren Rucksack gestopft. Es war alles gut. Alles war vollkommen in Ordnung. Sie würde das schaffen, irgendwie das ganze Blut loswerden und erfahren, was dieses Chaos war ... wenn sie das überhaupt erfahren wollte. Sie trat aus dem Zimmer und wäre fast in Amaro gelaufen. Großartig. Genau das hatte ihr noch gefehlt. Feline fauchte lautlos, entblößte die blutigen Zähnen und bedachte ihn mit einem Blick, der ohne jede Zweifel als raubtierhaft zu bezeichnen war. Amaro erwiderte den Blick nicht weniger aggressiv, doch wandte er sich schweigend ab. „Wenigstens hast du bewiesen, dass du kämpfen kannst.“ Feline hätte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Was war das jetzt gewesen? „Danke?“ Sie war erschrocken, wie leise ihre Stimme klang. Wie verwirrt und ängstlich. Feline wusste, dass es nicht zur ihr passte, aber in diesem Moment war es ihr egal. Sie wollte nur hier weg. Mit einer ruckartigen Bewegung drehte sie sich um, folgte Amaro in den Aufenthaltsraum und hoffte dort Ruri zu finden. Sie wollte nicht in eines der Zimmer. Würde sie wieder in diese Stille kommen, würde sie vollkommen zusammenbrechen und das konnte sie sich nicht erlauben.  Sie wollte sich nicht lächerlich machen. Nicht nach dem sie blutverschmiert zurückgekommen war. Das wäre falsch. Oder so etwas in der Art. Sie konnte gerade einfach nicht richtig nachdenken. Ihr Geist versuchte noch immer, damit klarzukommen, Spaß am Töten gefunden zu haben. Gott sei Dank (haha! Gott!) fand sie Ruri auf dem Boden sitzend vor. Eine Decke lag um ihre Schultern und sie schien nichts um sich herum wahrzunehmen. Scheiße. „Ruri“, sagte Feline mit trockener Stimme. „Steh auf. Wir müssen hier weg. Ich trag' deine Sachen.“ Feline glaubte nicht, dass es Ruri schaffen würde, mehr als ihr eigenes Gewicht zu tragen, wenn überhaupt. Doch sie rührte sich nicht, saß da und blickte sie nicht an. „Verdammte Scheiße, Ruri. Dafür ist jetzt keine Zeit. Wir müssen hier weg.“ Keine Regung. Feline fluchte noch einmal, dieses Mal ungehaltener, weil sie nicht mehr konnte, und riss Ruri am Arm hoch. Vorsichtig sein war unmöglich. „Komm jetzt Ruri, wir müssen hier weg.“ Glücklicherweise gaben die Beine nicht nach und Feline konnte sie aus dem Ryokan ziehen. Schleppte sie eben zwei Rucksäcke, war besser, als Ruri selbst zu tragen. „Du hast getötet.“ Die Worte kamen so plötzlich, dass Feline stehen blieb und Ruri anstarrte. Erst nach einigen kostbaren Sekunden (wir müssen hier weg, verdammt noch mal!) nickte sie. „Ja, das habe ich und stell dir vor, ich bereue es nicht einmal.“ (Oh  und das nicht noch nicht alles! Es hat mir Spaß gemacht, Spaß gemacht, zu töten. Es war schön!) „Aber das ist jetzt scheißegal, wir müssen hier weg.“   „A-aber das fünfte Gebot.“ Jetzt fing sie auch noch damit an! Schock hin oder her, das konnte Feline jetzt nicht ertragen. Sie brauchte nun nicht auch noch Vorwürfe. „Bin Atheist“, antwortete sie und war froh, dass sie endlich aus dem Ryokan draußen waren. „Und diese Gebote interessieren mich gerade einen Scheißdreck.“ Seit dem sie hier waren, hatte sowieso alles aus der Anderswelt an Bedeutung verloren. Ruri schwieg, vielleicht hatte sie Angst vor ihr, konnte Feline ihr nicht verübeln. Aus dem Augenwinkel sah sie Ciaran, drehte sich zu ihm. „Kümmer du dich um Ruri. Schaff' das jetzt nicht.“ Er fragte nicht nach, nickte einfach nur und nahm Ruri, viel vorsichtiger als Feline, am Oberarm. „Es ist gut, Ruri“, hörte sie ihm sagen, „komm jetzt einfach mit. Wir... wir schaffen das schon. Irgendwie.“ Auch er war mit den Nerven am Ende. Sicherlich. Sunnys Tod war ihm nicht egal, natürlich nicht, aber er konnte gerade ruhiger bleiben als Feline selbst. Nur einige Momente starrte Feline ihnen nach, dann beschloss sie, zum Rest aufzuschließen. Die meisten waren nun fertig und Ava und Ciel, die beide nun aus dem Ryokan traten, waren auch da. Sie konnten also losgehen. Niemand fragte nach, wohin sie gingen – selbst Amaro schwieg – während sie durch die Dunkelheit liefen. Feline ging an Kisames Seite, die Blicke der anderen Anderswelter konnte sie jetzt nicht ertragen. Alle, bis auf Kamil und Amaro, starrten auf das inzwischen getrocknete Blut.  Sie wusste selbst, wie schrecklich sie aussehen musste. Sie war ein Raubtier. Vielleicht auch ein Monster. „Gute Arbeit.“ Kisames Stimme war leise, durchdrang die aufkommende Stille kaum, aber er klang ehrlich und auf irgendeine Weise freute es sie sogar. Sie sah zu ihrem Sensei hinauf, grinste. „Ich weiß.“ Sie wusste nicht, wieso sie das gesagt hatte, aber sie war stolz auf sich. Auf eine kranke, abnormale Weise fühlte sie sich unglaublich stark und so gut, wie lange nicht mehr. (Wie noch nie.) Es war abartig, das wusste sie selbst, doch schien es ihr falsch, sich gegen diese Gefühle zu während. Noch schlechter als ihre Taten. Das lag am Schock. Das musste einfach am Schock liegen. „Du hast ein neues Schwert.“ Natürlich war Kisame das aufgefallen. Alles andere hätte sie gewundert. Von einem der größten Schwerkämpfer dieser Welt – wenn er nicht sogar der beste unter ihnen war – hatte sie nichts anderes erwartet. „Ja.“ Feline schwieg für einige Momente. „Es ist Aoihi.“ Alles andere erwähnte sie nicht. Es war sicher keine gute Idee, alles über dieses Schwert zu erzählen, so lange die anderen mithören konnten. Aoihi war ein Geschenk. Sie musste es mit Vorsicht behandeln. In Ehre halten. „Ich bin mir sicher, dass Aoihi ein gutes Schwert ist.“ Und sie war sich sicher, dass Kisame spürte, wie mächtig es war.   „Das ist es.“ Für einen Moment glitt ihre Hand zu ihrem Rücken, berührte den kühlen Griff und atmete durch. Es beruhigte sie. Idiotischer Weise gab ihr dieses Schwert gerade Halt und unglaubliche Sicherheit. Wie seltsam. Der nächste Morgen kam und die Sonne schickte die ersten roten Strahlen gegen die Erde. Rot wie das Blut, dass Feline endlich in einem kleinen Bach abwaschen konnte. Es war verdammt kalt, aber genau das war ihr jetzt recht. Es holte sie in die Wirklichkeit zurück. Nun war sie froh, dass sie ihren Rollkragenpullover mitgenommen hatte. Jetzt nur das knappe Oberteil wäre ihr zu kalt. Außerdem fühlte sie sich so menschlicher. Es erinnerte sie an ein Leben in einer Welt, die sie hinter sich gelassen hatte. Ihr Gang war ungewohnt steif. Mittlerweile spürte Feline jeden Muskel, den sie in der letzten Nacht überanstrengt hatte und gerade fühlte es sich so an, als seien es beinahe alle. Ganz toll. Sie wollte schlafen, einfach alles vergessen. Aber das konnte sie nicht, stattdessen lief sie wieder Amaro in die Arme. Glückwunsch. Ihre Laune sank noch weiter. Sie hätte nicht gedacht, dass das überhaupt noch möglich gewesen wäre. „Hattest du wenigstens Spaß beim Gaffen?“, giftete sie ihn an, noch bevor er irgendetwas sagen konnte.  Keine Ahnung, ob er das getan hatte, sehr wahrscheinlich nicht, aber sie hatte es gesagt ohne nachzudenken. „Bei dir?“ Amaro klang höhnisch. Etwas anderes war auch nicht zu erwarten gewesen. „Ach?“ Sie grinste, erwiderte seinen Hohn. „Nicht an Frauen interessiert?“ Doch wurde sie ruhiger. Sie hatte keine Kraft, sich zu streiten. Nicht jetzt. „Was willst du?“ Sie war versöhnlich, zumindest hoffte sie, dass sie danach klang. „Du sollst kommen. Sie wollen reden.“ Auch er stritt nicht. Gut. „Und dann kommst du?“ „Wer sonst?“ Feline  seufzte. „Okay. Hast Recht.“  Ava war fertig, körperlich und geistig. Ruri stand immer noch unter Schock und Ciel und Ciaran taten ihr Bestes, um ihnen zu helfen. Kamil war dabei, die Umgebung zu erkunden, würde wohl auch gleich kommen. „Sorry fürs Anfauchen. Wir sollten bei Verstand bleiben, denke ich.“ „Aha.“ Und sie hatte geglaubt, er würde darauf eingehen. So konnte man sich irren. „Okay, gut. Keine Entschuldigungen mehr“, murmelte sie und folgte ihm schließlich zu den anderen. Tatsächlich waren sie die letzten, die ankamen. Sasori warf ihnen einen missbilligenden Blick zu und Feline musste sich zusammenreißen, nicht zurückzuzucken. Er war gruselig. Sie konnte schon normale, ganz tote Puppen nicht leiden, aber eine lebendige, die aussah, wie ein 15 Jahre alter Junge, in Wahrheit aber 35 war, war schlimmer. Viel schlimmer.  Wie kam man überhaupt auf so einen gruseligen Scheiß? Schlimme Kindheit hin oder her, das war doch ... sie konnte das einfach nicht begreifen. „Ihr kommt zu spät.“ „Ist ja gut. Was ist das Chaos?“ Feline zeigte ihre Reißzähne. Sie wollte endlich eine Antwort. „Dazu kommen wir jetzt.“ Pains Blick durchbohrte sie, doch dem konnte sie eher widerstehen als Sasoris. Verdammte Puppe! „Die Anderswelt und unsere sind sich in den letzten Jahren zu nahe gekommen. Es kommt häufiger vor, aber für gewöhnlich entfernen sich die Welten wieder voneinander. Dieses Mal allerdings nicht.“ „Und weiter? Das wissen wir.“ Amaro unterbrach die aufkommende Stille. „Das Chaos ist eine Existenz, die bei diesem Vorgang entstand. Von ihm aus scheint alles auszugehen.“ „Eine Existenz?“, fragte Feline nach. Auch Kamil wurde aufmerksam. „Was ist damit gemeint?“ „Es ist kein richtiges Lebewesen, auch kein Zusammenschluss von solchen. Das Chaos existiert einfach und verursacht die Anomalien. Mehr wissen wir selbst nicht.“ Das waren keine guten Nachrichten. Feline hatte auf einen richtigen Gegner gehofft. Jetzt mussten sie gegen etwas kämpfen, das nicht einmal lebte. Sie blickte in die Gesicht der anderen Anderswelter, auch sie schienen von dieser Aussicht nicht begeistert. Nur Ruri saß immer noch abseits gegen einen Baum gelehnt und starrte ins Leere. Für einen Moment überlegte Feline, zu ihr zu gehen, aber dafür fehlten ihr die Nerven. „Wir gehen weiter. Wir sind noch zu nahe an Kawagakure.“ Es widersprach keiner. Die Andersweltler, bis auf Kamil und Amaro zumindest, waren alle furchtbar erschöpft, aber sie wussten, dass sie nicht hier bleiben konnten. Noch ein Kampf wäre tödlich und sie konnten nicht noch einen Toten ertragen. Schweigend machten sie sich auf den Weg. Dieses Mal war es Ciel, der sich um Ruri kümmerte. Sonst wäre sie sitzen geblieben, da war Feline sich sicher. Deidara war ungewohnt still. Er musste nachdenken. Sunny war also gestorben, so viel hatte erfahren können (Feline und Ava sprachen ja noch), während sie vor einem Angreifer geflohen war.  Allen Anschein nach hatte sie die anderen warnen wollen. War ihr nicht gelungen. Es wäre gelogen zu sagen, er wäre traurig darüber. Sunny war keine schlechte Kämpferin, aber unsagbar naiv gewesen. Nicht einmal dumm, das konnte man auch nicht sagen, aber ihre Naivität  hätte ihnen niemals geholfen. Es war vielleicht besser so. In Ordnung, es machte ihnen noch einiges an Problemen. Jetzt mussten sie die Lücke, die sie hinterließ – und das tat sie trotz allem – irgendwie füllen. So schnell, wie es ihnen möglich war sollten sie mit den Träumern in Kontakt treten. Doch wie er sie kannte, würde schon bald einer bei ihnen auftauchen. Doch bis auf diese Sache interessierte ihn der Tod Sunnys in keinster Weise. Sie war eben gestorben, bevor sie alt wurde, das war bei Ninjas normal.  Auf eine gewisse Art war sie auch im Sinne seiner Kunst gestorben. Verglichen mit der Lebensspanne eines Menschen, hatte sie nur einen Augenblick gelebt. Nun ja, vielleicht war es doch ganz interessant, dass sie gestorben war und wenigstens hatte sie Einsatz gezeigt, bevor sie getötet wurde. Im Gegensatz zu Ruri. Hidan schwieg, weil er schlecht gelaunt war. Nicht nur, dass Ruri bis heute keinen Finger gekrümmt hatte, wenn es ums Kämpfen ging. Nicht einmal, als es um ihr beschissenes Leben ging, hat sie etwas getan, sondern stand einfach nur da und musste mitgeschleift werden. Ganz toll! Großartig! Warum ausgerechnet diese dumme Göre? Warum ausgerechnet er? Jeder tat etwas, einfach jeder, nur Ruri nicht, weil es gegen ihren verfickten Glauben sprach. Hidan wusste nicht viel über ihren Glauben, so gut wie gar nichts, aber das, was er erfahren hatte, klang schon jetzt verlogen und unglaublich schwach. Und Ruri bestätigte dieses Bild. Als einzige konnte sie sich nicht zusammenreißen, musste sich mitziehen lassen und besaß das Eigenleben eines Steins. Wahrscheinlich dachte sie auch so viel nach. Natürlich bemerkte er die spöttischen Blicke der anderen Akatsukimitglieder. Gerade Kakuzu schien das Ganze sehr amüsant zu finden. Kein Wunder. Amaro war sicher kein Traumschüler, aber er war auch kein dummes, kleines Mädchen, das nur in einer Ecke saß und nichts tat und Kisame schien das Ganze noch lustiger zu finden als Sunnys Tod. Ganz toll. Wenn das so weiter ging, sollte sich Ruri mal besser Gedanken machen, ob sie selbst nicht sterben wollte. Pläne hin oder her. Hidan war wütend. Die Sonne blendete Bhreac, während er etwas durch das Holz gehen hörte. Etwas Großes und Schweres. Langsam zog er Ela ein Stück hinter sich. „Keine Sorge, das ist nur Komet. Er wird euch nichts tun.“ Hoshiko ging ihnen vorbei und auf den riesigen Säbelzahntiger zu. Jetzt hatten sie auch Zeit, ihn genauer zu betrachten. Er hatte graues, struppiges Fell und man sah einige Flecken, wie sie auch Leoparden hatten, durchschimmern.  An den Säbelzähnen, um das gesamte Maul herum,  klebte Blut. „Was ist das?“ Ihm war nicht wohl mit solch einem riesigen Vieh in der Nähe und das konnte man ihm nicht übel nehmen. Das Tier konnte sie beide verschlingen. Mit einem Mal! „Das sagte ich bereits. Komet, mein Traumhüter.“ Hoshiko blickte ihn überrascht an, streichelte dann dem Tiger, der sich ins Gras sinken ließ, über den riesigen Kopf.  „Jeder Träumer hat einen.“ Noch einmal streichelte sie ihn, dann verschwand er in ihrer Brust. Was? Was ging hier eigentlich vor? Das war vollkommen verrückt! „Aha.“ Etwas anderes fiel ihm dazu nicht ein. „Ich weiß, dass muss für euch alles ziemlich viel sein, aber ihr müsst vor einem Traumhüter keine Angst haben. Wir Träumer sind auf eurer Seite.“ Sie lächelte, ging auf sie zu. „Man kann sie ein wenig mit den vertrauten Geistern vergleichen, aber es ist kein Vertrag. Sie kommen aus unserem Inneren. Sie sind wir.“ „Aha.“ Das verwirrte ihn anstatt es besser zu machen. „Es ist kompliziert zu verstehen, wenn man kein Träumer ist. Wichtig ist nur, dass ihr jedem von uns, und damit jedem Traumhüter, vertrauen könnt.“ „Und wieso sollten wir dir glauben?“ „Es ist gut, dass du misstrauisch bist, aber glaube mir, es ist besser für euch.“ Ihre Augen trafen seine. „Eine Wahl habt ihr nicht und glaubt mir, dass würde mir sogar leidtun, wenn nicht mein Leben von euch abhängen würde.“ Darauf wusste er keine Antwort. Das war deutlich zu überraschend gekommen, zwar hatte sie all das schon gesagt, aber dieses Mal klang Hoshiko vollkommen ehrlich. Für einige Momente war es still. Nur das Rauschen der Blätter und der Gesang eines Vogels waren zu hören. Dann wandte sich Hoshiko langsam von den Zwillingen ab. „Wir müssen jetzt wirklich weiter. Ich weiß, dass es anstrengend ist.“  Und etwas in ihrer Stimme verriet Bhreac, dass diese Anstrengung nichts gegen die war, die auf sie zukommen würde. Eine halbe Stunde später erreichten sie schließlich den gesuchten Ort. Bhreac hatte keine Ahnung, wie sich Hoshiko orientierte, doch schien sie sich sicher zu sein, wo lang es ging. Sie ging mit festem Schritt, sah sich nicht einmal um. „Wir Träumer sind anders als die Ninja hier.“ Hoshiko fing plötzlich an, zu sprechen. „Im Grunde sind wir in jeder Welt gleich, auch wenn wir uns anpassen.“ „Das heißt“, sagte Ela, die die ganze Zeit geschwiegen hatte, „dass es auch in unserer Welt solche ... Traumhüter gibt?“ Hoshiko nickte. „Aber versteckter. Dennoch erklärt das einiges, nicht wahr?“ „Du meinst so etwas wie den Yedi oder Entdeckung von Tieren, die nicht in unser Ökosystem passen?“ „Genau.“ Sie lächelte sogar. „Nichts gegen eure Welt, aber ihr seid erstaunlich blind gegenüber, wie ihr es nennt, paranormalen Ereignissen.“ „Das klingt wie Harry Potter.“ Dem Gesichtsausdruck Elas nach zu urteilen, war sie sie über alle Maßen erstaunt. „Nun, Rowling ist eine erstaunliche Träumerin.“ „Das heißt, diese Welt gibt es wirklich? Die Welt von Harry Potter?“ „Ja, das heißt es. Ich weiß nicht genau, ob es wirklich den Jungen, der lebt, gibt, manche Träumer nehmen nur die Welten, die sie sehen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Nicht jeder Träumer weiß, dass er einer ist, müsst ihr wissen, aber ja, diese Welt gibt es. Es gibt Hogwarts.“ Auch wenn Bhreac nie ein großer Fan dieser Buchreihe war, musste er zugeben, dass ihn das faszinierte. „Es gibt erstaunlich viele Träumer in eurer Welt. Tolkien ist einer der Größten von ihnen. Sein Ruhm geht über Welten.“ „Wow.“ Ela sah Hoshiko begeistert an. Auch Bhreac konnte sein Erstaunen nicht verbergen. „Wie viele Autoren noch?“ „Einige. Ich kenne nicht alle und weiß nicht über jeden Bescheid. King und Martin müssten euch auch etwas sagen, oder?“ Die Zwillinge nickten. Jeder kannte Stephen King und spätestens nach der TV-Serie war auch Das Lied von Eis und Feuer – Game of Thrones – bekannt. „Natürlich sind nicht nur Autoren Träumer, aber jeder von ihnen lässt es irgendwie heraus. Musiker, Regisseure, Künstler, alle möglichen.“ Hoshiko schien einen Moment zu überlegen. „Das heißt nicht, dass jeder Künstler ein Träumer ist und auch nicht, dass jeder Träumer etwas davon macht. Die Wege sind verschieden.“ Noch bevor einer der Zwillinge noch etwas fragen konnte, stoppte Hoshiko abrupt. „Wir sind in ihrer Nähe. Sie dürfte verwirrt sein, also seid so gut und überfordert sie nicht mit allem, ja?“ Bhreac nickte. Hatte er nicht vorgehabt. „Gut. Kommt mit.“ Sie führte sie durch das dürre Geäst des Unterholzes. Sekunden später erreichten sie ein weißes Känguru – was zur Hölle? - und ein Mädchen, etwa sechzehn Jahre, mit langem rotem Haar und angekohlter Kleidung. Bhreac hatte nicht gedacht, dass es noch verrückter werden konnte, doch als das Känguru anfing zu sprechen, war dies doch geschehen. „Was glotzt ihr so?“ Hoshiko kicherte leise. „Du musst verzeihen, sie stammen aus einer Welt, in der Tiere nicht sprechen können.“ „Das ist aber eine sehr seltsame Welt. Die gleiche wie bei Angelica?“ „Ja. Sie sind aus einem bestimmten Grund hier.“ „Waren sie auch so verwirrt?“ „Das kann man sagen.“ Und wieder ein Kichern seitens Hoshiko. „Aber du kannst es ihnen nicht übel nehmen. Ihre Welt ist langweilig.“ Bhreac mischte sich ein. „Hey, was sagst du da?“ Hoshiko lächelte ihn an. „Tiere sprechen nicht, Menschen können weder Jutsus noch ihre Leistung nicht extrem steigern und eure Kriege basieren teilweise auch erstaunlichen Lächerlichkeit.“ Für sie schien es vollkommen natürlich, das zu sagen. „Und Träumer sind in jeder Welt erstaunlich. Zugegebenermaßen war Tolkien ein Genie, aber wir Träumer sehen und als ein Volk, das über die Welten hinweg eines ist.“ „Und ein verdammt seltsames obendrein“, knurrte Bhreac. „Das mag für Außenstehende wohl so aussehen, dass kann sein. Ja.“ Sie lächelte abwesend. „Jedenfalls“, sie wandte sich an das Mädchen, Angelica, das bis jetzt verwirrt geschwiegen hatte, „willkommen in der Welt der Shinobi. Mein Name ist Hoshiko, das sind Ela und Bhreac.“ „Äh“, brachte sie hervor, „freut mich euch kennen zu lernen. Ich bin Angelica.“ Sie blieb sitzen. „Das weiß ich.“ Und das schien Angelica nicht zu beruhigen. Bhreac konnte das verstehen. Es folgte eine Erklärung, grob, wie bei ihm und seiner Schwester, wieso sie hier war und was das alles sollte. Am Ende war Angelica erst recht irritiert, was auch zu verstehen war. Tama, das Baumkänguru (es war ihm wichtig, dass man ihn als Baumkänguru bezeichnete), jedoch war begeistert von der Sache. „Ich komme mit“, beschloss er und hätte er grinsen können, da war sich Bhreac sicher, hätte er auch gegrinst. „Sehr schön.“ Hoshiko musterte Tama. „Ein Maskottchen kommt immer gut.“ „Maskottchen?“, wiederholte er aufbrausend. „Maskottchen? Ich bin doch kein dämliches, niedliches Tierchen!“ „Natürlich nicht.“ Doch klang Hoshiko nicht so, als meine sie das ernst. Sie sah zu Angelica. „Ich weiß, dass das alles viel zu viel für dich ist, aber du wirst dich schon daran gewöhnen, also sei unbesorgt. Die anderen Zehn sind  nett. Zumindest die meisten.“ „Das soll mich jetzt beruhigen?“ „Im Gegensatz zu euren anderen neuen Freunden: Ja.“ „Was soll das heißen?“ „Das wirst du noch sehen. Noch früh genug.“ Hoshiko half ihr auf, auch wenn es sich nicht nötig gewesen war. Angelica war unverletzt. „Und jetzt müssen wir weiter. Bis Sonnenuntergang will ich noch ein gutes Stück geschafft haben. Morgen werden wir dann zusammen treffen.“ „Mit wem?“ „Würde ich euch das sagen, könntet ihr die Nacht nicht schlafen. Würde ich an eurer Stelle auch nicht, kann das verstehen, also seid zufrieden mit der Unwissenheit. Morgen werdet ihr mich verstehen.“ Sie sprach mit einer Fröhlichkeit, die verdammt nach Schadenfreude klang. Bhreac spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Auf wen würden sie treffen? Was war hier los? Doch blieb ihm keine Wahl, als sich damit zufriedenzugeben. Hoshiko würde nichts sagen. Das hatte er mittlerweile begriffen. Während sie weiter liefen, informierte sie Hoshiko darüber, wo sie sich befanden. Bhreac kannte den Manga kaum, aber aus den Reaktionen seiner Schwester und Angelica schloss er, dass diese Orte nie erwähnt worden waren. Das machte die Situation nicht besser. Im Gegenteil. Jetzt konnten sie sich selbst nicht einmal orientieren. Sie waren Hoshiko ausgeliefert und das nicht nur – so ungern er das auch zu gab – weil sie stärker war als sie alle drei zusammen. Er schwieg einen Großteil der Zeit, versuchte sich die Umgebung einzuprägen, musste aber einsehen, dass es zwecklos war. Der Wald war viel zu dicht und wirr, als dass er eine Chance hätte, das zu schaffen.   Als es Nacht wurde, kam Bhreac nicht von den Gedanken ab, auf wen sie treffen würden. Er versuchte, zu schlafen, er wollte morgen nicht unausgeschlafen sein, wenn sie auf wen auch immer trafen. Irgendwann, als es sich anfühlte, als hätte er schon stundenlang wach gelegen und das kleine Feuer, das Hoshiko entfacht hatte, nur noch glühte, richtete er sich auf. „Du bist auch wach.“ Elas leise Stimme ertönte neben ihm. „Ja.“ „Gut.“ Im Schein der Glut setzte sie sich auf. „Ich habe Angst vor Morgen.“ „Das musst du nicht. Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas geschieht.“ Niemals würde er das. Auf gar keinen Fall. „Bhreac.“ Er war sich nicht sicher, aber er glaubte in Elas Augen Tränen zu erkennen. „Die Menschen hier, wir können nichts gegen sie ausrichten. Nicht untrainiert.“ „Dann werden wir das tun und bis wir das sind, sind wir einfach vorsichtig.“ „Ich hoffe, du hast Recht.“ Das hoffte Bhreac auch. „Ich habe Recht.“ Und noch nie hatte er sich so schlecht beim Lügen gefühlt. Er hatte genauso Angst wie sie es hatte, aber das konnte er nicht sagen. Ela hatte es sowieso schon schwer genug, da musste er sie nicht noch mehr verunsichern. „Denkst du, wir kommen zurück?“ „Ich weiß es nicht. Vielleicht, vielleicht auch nicht.“ Er zuckte mit den Schultern. „Was denkst du?“ „Ich sehe es wie du. Wir können es nicht wissen und ich glaube nicht, dass Hoshiko uns das sagen wird.“ „Falls sie es überhaupt weiß.“ „Ja.“ Für einige Momente breitete sich Stille um sie aus. Dann erhob Ela wieder das Wort. „Willst du überhaupt zurück?“ „Nicht wirklich. Du?“ „Weiß nicht. Ich glaube, ich will es nicht, aber es ist komisch, sich das zu wünschen.“ Sie seufzte. „Oder?“ „Nein. Es ist nicht komisch.“ Bhreac lächelte seine Schwester an. Er wollte sie aufmuntern und dieses Mal log er nicht. Es war nicht komisch. Was hielt sie schon in ihrer alten Welt? Der Welt, die Hoshiko Anderswelt nannte? Auf diese Frage fand  er keine Antwort, also war es in Ordnung. Nicht komisch. Er verstand Ela. „Wir sollten wirklich schlafen, was?“ Sie hatte seine Gedanken erraten. „Ja. Versuch' einfach nicht an morgen zu denken. Es wird schon alles gut gehen.“ Das hoffte er zumindest. „Schlaf gut.“ Elas Stimme war durch das Kissen gedämpft. „Du auch.“ Der Morgen kam viel zu früh und nach dem sie gefrühstückt hatten (Reisbällchen, schon wieder, so langsam konnte er sie nicht mehr sehen) waren sie schon unterwegs zm Treffpunkt. Heute konnten sie sich mehr Zeit lassen. Sie würde sich gegen Mittag an einem Ort treffen, der nicht weit entfernt war. Dieser Ort war ein Haufen Steine am Rand des Waldes, den sie endlich verlassen hatten. Kaum waren sie da, tauchte Arisu auf. Natürlich. Reichte ja nicht, dass sich Hoshiko dauernd über sie lustig zu machen schien. Das mussten sie nun auch noch zu zweit tun. „Angelica-chan“, war das erste, was sie sagte, „ich hab hier etwas für dich.“ Angelica starrte Arisu an. „Wer bist du?“ „Wie unhöflich, hab ich mir gar nicht vorgestellt?“ Arisu kicherte, nannte ihr dann ihren Namen. „Und ich bin eine Freundin. Du kannst mir vertrauen, oder es bleiben lassen, aber es wäre klüger, es zu tun.“ Wie beruhigend. Angelica kam nicht dazu, etwas zu antworten, denn sie bekam einen Stapel Kleidung in die Hand gedrückt. „Zieh das an. Es macht einen besseren Eindruck, wenn du in passender Kleidung auftauchst, als in diesen … Dingen, die du Kleidung nennst.“   „Ich kann nicht dafür, dass es gebrannt hat.“ Dass Angelica wütend war, konnte Bhreac nachvollziehen. „Natürlich nicht und nun zieh dich um.“ Arisu lächelte gruselig. „Ich bin ja schon weg.“ Sie verschwand wieder im Wald, um sich umzuziehen. Als sie zurückkam, sah sie stärker aus, selbstsicherer. Angelica trug ein kurzes Top, das knapp unter der Brust endete und in dunkelgrün und schwarz gehalten war. Die Hose war ebenfalls schwarz, weit geschnitten und von einem Gürtel, der gleichzeitig als Bund endete, gehalten. An diesem befanden sich zwei silbrige, große Knöpfe.  Die Hose selbst endete ein Stück unter den Knien und ihre Füße steckten in hohen, festen Sandalen. Über ihre Schulter hing ein schwarzer Schal, der ihren Rücken bedeckte. Angelica sah zu Arisu, die auf dem höchsten Stein saß und zu ihr hinab blickte. „Danke.“ „Kein Dank nötig.“ Bhreac verstand nicht, was Arisu daran so amüsierte, aber er ließ es bleiben, sich darüber Gedanken zu machen. Er verstand sie sowieso nicht.   Er wäre auch nicht dazu gekommen, wenn er es gewollt hätte, denn Hoshiko hob plötzlich ihren Kopf.  „Sie kommen.“ Die drei Andersweltler wirbelten herum, sahen in die Richtung, in die Hoshiko blickte. Tatsächlich lösten sich bald einige Gestalten aus dem Grün des Waldes. „Darf ich vorstellen?“, fragte Hoshiko, die vor sie trat und mit einer ausladenden Bewegung auf die Ankommenden deute. „Eure Mitstreiter und Lehrer. Sieben der Zehn.“ Sie machte eine Pause. „Und  Akatsuki.“ Bhreac, der nicht viel Ahnung vom Manga hatte, wusste zumindest genügend um zu ahnen, dass Akatsuki kein Umgang war, den man gerne hatte. Er vergaß, sich zusammen zu reißen und starrte sie an.  Hoshiko verneigte sich, sobald die Gruppe vor ihnen stand. „Von nun an wird nichts mehr so sein wie es war.“ Kapitel 25: Fitness ------------------- „Darf ich vorstellen?“, fragte Hoshiko, die vor sie trat und mit einer ausladenden Handbewegung auf die Ankommenden deutete. „Eure Mitstreiter und Lehrer. Sieben der Zehn.“ Sie machte eine Pause. „Und Akatsuki.“ Bhreac, der nicht viel Ahnung vom Manga hatte, wusste zumindest genügend, um zu ahnen, dass Akatsuki kein Umgang war, den man gerne hatte. Er vergaß, sich zusammenzureißen und starrte sie an. Hoshiko verneigte sich, sobald die Gruppe vor ihnen stand. „Von nun an wird nichts mehr so sein wie es war.“ Sie schwieg, jedoch lag ihr Blick auf den Menschen vor ihnen und Arisu erhob sich von ihrem Stein, sprang hinunter und stellte sich neben sie. Auch sie verneigte sich. Der gesunde Menschenverstand verriet einem, höflich zu Akatsuki und zumindest einem kleinen Teil der Zehn zu sein. Sicher war sicher, vor allem dann, wenn man mit einem Haufen Menschen, für die ein Menschenleben kaum Wert hatte, zusammen arbeitete. „Wie schön, dass ihr endlich vereint seid.“ Sie trat, so wie Hoshiko, zur Seite und gab die Sicht auf die drei Neuankömmlinge preis. „Ich hoffe, sie entsprechen euren Vorstellungen.“ Für einen Moment blitzte Hohn in ihren Augen auf, war aber klug genug, ihn zu verstecken. Pain sah auf die verstummten Teenager. Sie wirkten eingeschüchtert, aber gerade Bhreac ebenfalls misstrauisch und wütend. Es war sein Glück, dass sein Überleben das Überleben dieser Welt sicherte. „Das sind sie also“, sagte er an Hoshiko und Arisu gewandt. Hoshiko nickte. „Ja. Ich weiß, sie sind jung, aber ich bin mir sicher, sie werden lernen.“ Ihr Blick hing auf den Zwillingen. „Sie wurden nicht ohne Grund gewählt.“ „Gewählt?“ Angelica zuckte zusammen, als sie merkte, dass alle Blicke zu ihr gingen. „Entschuldigt“, fügte sie hektisch hinzu, „i-ich wollte nicht unhöflich sein, aber das ist alles so viel und ... na ja.“ Sie biss sich kurz auf die Unterlippe, grinste dann schwach in die Runde. Jedoch verblasste es schnell, als sie die angespannten Gesichter der anderen sah. Natürlich kannte sie keinen der Andersweltler und als Teenager fehlte ihr die Lebenserfahrung, sie einschätzen zu können. Das würde interessant werden. Arisu kicherte. „Du wirst noch bei Zeiten genug erfahren.“ Sie sah sie nicht einmal an, sondern hatte ihren Blick auf Akatsuki gelenkt. Hoshiko hingegen blickte zu Angelica. „Bis dahin frag einfach nicht viel und tu, was man von dir verlangt. Das ist besser für dich.“ Sie lächelte, aber Angelica war sich nicht sicher, ob es ein freundlicher Hinweis oder eine – mehr oder weniger – versteckte Drohung war und entschied sich einfach dazu, höflich zu lächeln. Jedoch konnte man ihr ansehen, dass sie sich fragte, wo zum Teufel sie hier gelandet war. Hoshiko schien daraufhin ein Kichern unterdrücken zu müssen. Angelica kam nicht dazu, sich noch weiter Gedanken darüber zu machen, da Pain nun wieder das Wort ergriff: „Arisu, Hoshiko, ich muss mit euch reden. Der Rest wartet hier.“ Er drehte sich um, lief ein Stück in den Wald hinein und die beiden Frauen folgten ihm. Auf der Lichtung blieb es still. Herzschläge lang standen sie sich alle gegenüber und Ava, die das rothaarige Mädchen die ganze Zeit ansah, fragte sich, wie lange das noch gehen würde, bis eben diese hervor trat. „Ich bin Angelica.“ Sie lächelte nervös. „Freut mich euch kennen zu lernen“, ihr Blick blieb an Akatsuki hängen, „glaube ich.“ Ava konnte verstehen, dass sie sich dieser Tatsache nicht sicher war, aber es wäre vermutlich klüger gewesen, das nicht auszusprechen. Akatsuki war nach der Niederlage der Schülerinnen gereizt, was sie ebenfalls nachvollziehen konnte. Bis auf Feline waren sie alle erbärmlich gewesen – oder waren gestorben. Unwillkürlich musste sich Ava fragen, ob Angelica ein ähnliches Schicksal wie Sunny erleiden würde. Sie war, ebenso wie die anderen beiden, sehr jung und schien offenherzig zu sein. Nicht, dass das unbedingt mit Naivität, gerade mit einer, der Sunnys nahe kam, einhergehen musste, aber alleine das Alter, die Art wie sie sich benahm ... Ava war skeptisch und sich nicht sicher, ob sie überhaupt eine engere Bindung zu ihr, oder den anderen beiden aufbauen wollte. Ava gelang es, ihren Blick von Angelica zu lösen und sich den anderen Andersweltlern zuzuwenden. Ciel, der direkt neben ihr stand, war ein wenig blasser geworden, hatte die Stirn gerunzelt, bevor er wegsah. Ihre Blicke trafen sich kurz und er warf ihr ein leichtes Lächeln zu, was sie halbherzig erwidern konnte. „Alles in Ordnung?“, fragte sie leise nach. Ciel nickte knapp, verstärkte sein Lächeln noch einmal kurz, bevor er wieder ernst wurde. Es war weiter still, bis Ciaran schließlich hervor trat und Angelicas Hand ergriff, um sie kurz zu drücken. „Ich bin Ciaran.“ Er lächelte freundlich und es sah aus, als würden Angelica tausend Steine vom Herzen fallen. Ava beschloss, vorzutreten. Etwas sagte ihr, dass es sonst keiner tun würde, bis auf Ciel vielleicht, aber er hatte das 'kleine' Problem mit der Sprache. „Ich bin Ava und das ist Ciel.“ Er nickte Angelica zu. Dann war es einige Zeit wieder still. Angelica lächelte schwach, deutlich angespannt, und trat von einem Bein auf das andere, bis Ciel schließlich eine Geste mit der Hand machte. Sie stutzte und um den Anblick eines kleinen, irritieren Welpen noch ähnlicher zu kommen, hätte nur gefehlt, dass sie den Kopf schief gelegt hätte. „Du kannst herkommen. Ciel kann nicht sprechen“, erklärte Ciaran schnell, „wenn du willst kann ich dir …“, sein Blick ging zu den anderen beiden, „euch die Zeichensprache beibringen. Es ist sehr nützlich.“ „Oh.“ Angelica kam näher, schließlich folgten die Jüngeren. „Das sind Bhreac und Eleonore. Sie sind Zwillinge.“ Das überraschte Ava. Sie waren sich nicht wirklich ähnlich, aber man sah ihnen dennoch an, dass sie verwandt waren. Trotzdem hätte sie eher vermutet, er wäre ihr großer Bruder. Eleonore sah sehr jung aus, sie hätte sie auf zwölf geschätzt, aber das verschwieg sie lieber. In diesem Alter waren Teenager zu schwierig und sie dürfte genug verwirrt sein. „Und was ist das?“ Plötzlich hatte Amaro angefangen zu sprechen. Irritiert drehten sich einige Köpfe zu ihm. Das hingegen überraschte Ava nicht im Geringsten. Sie hatte das … weiße Känguru – oder was immer es sonst war – auch schon bemerkt. „Was soll das heißen? Es?“, fragte das Känguru wütend und hoppelte einige Schritte auf die Gruppe zu . „Ich bin Tama, ein Mann und ein Baumkänguru.“ „Aha.“ Eine passendere Antwort als Amaro sie gegeben hatte, konnte Ava darauf auch nicht geben. Feline trat an Amaro, sie hatten tatsächlich nebeneinander gestanden, vorbei zu den drei Neuankömmlingen. „Feline.“ Sie lächelte nicht, streckte ihre Hand nicht aus, sondern nickte ihnen nur zu, bevor sie sie wieder abwandte. Angelica blieb verwirrt zurück und bevor Ciaran etwas sagen konnte, sprach Deidara. Er war der erste der Akatsuki-Mitglieder, der sich überhaupt regte. „Du bist meine Schülerin. Komm mit, ich will mit dir reden.“ Seine Stimme war aggressiv, bösartig und ließ keinerlei Widerspruch zu. Er war zwar neunzehn Jahre – was Ava eigentlich jung erschien – aber er war ein gesuchter Nukenin, jemand, der Menschen aus dem Glauben heraus, es sei Kunst, in die Luft sprengte. Er war nicht jung. Er war ein Mörder. Er ging einfach an ihr vorbei Richtung Wald, aber in eine andere, als die, in die Pain mit Arisu und Hoshiko verschwunden waren. „Folge ihm besser schnell“, riet Ciaran Angelica, „er ist nicht sonderlich gut gelaunt.“ „Das habe ich auch bemerkt ...“ Sie sah nervös zu den anderen Andersweltlern, folgte Deidara aber. Man konnte sehen, dass sie zitterte. Dann war es wieder unangenehm ruhig. Ava trat von einem Bein aufs andere, sah dann zu Ciel hoch, der ebenfalls angespannt schien. „Und jetzt?“, flüsterte sie ihm zu, fühlte sich hilflos und so jung wie seit Jahren nicht mehr. Ciel zuckte mit den Schultern, machte dann einige Bewegungen mit der Hand. 'Akatsuki nicht reizen, mehr weiß ich nicht.' Nicht die beste Antwort, die er hätte geben können, doch Ava fiel auch nicht mehr ein. Schon scheiße. Es war eine seltsame Situation und sie wünschte sich, dass Akatsuki irgendetwas tun würde. Von ihr aus etwas, was aus einer klischeehaften Fanfiction stammen könnte. Kakuzu, der Geld zählte, Hidan, der fluchte oder Sasori, der sich mit irgendwem – Deidara war ja leider nicht da – über Kunst stritt. Von ihr aus konnte Kisame mit Fischen sprechen wollen, Hauptsache, es passierte irgendwann etwas. Und dies geschah noch im selben Moment. Deidaras Laune sank immer mehr. Bis vor wenigen Momenten hatte er glaubt, es würde nicht schlimmer kommen, aber das war ein Irrtum gewesen. Es ging schlimmer. Viel schlimmer. Er bekam wieder ein kleines Mädchen, das vermutlich die gleichen dämlichen Fehler machen würde und noch dazu waren zwei noch kleinere Kinder dabei. Großartig. Wirklich großartig. „Angelica, also“, sagte er gereizt zu seiner neuen Schülerin und musterte sie skeptisch. „Was hast du in deiner Welt gemacht, was hilfreich sein könnte?“ Wenigstens war sie kleiner als Sunny und er konnte sie ein gutes Stück überragen. Nicht so sehr, dass es stark auffiel, aber er tat es. Das war ihm seltsam wichtig. „Na ja“, fing Angelica an, sie zitterte wenigstens nicht mehr und schien langsam selbstbewusster zu werden, „ich mache viel Sport.“ Ihre Mundwinkel zuckten, als würde sie grinsen wollen, ließ es aber schnell bleiben, als sie Deidaras Gesichtsausdruck sah. „Sport?“, fragte er nach, „Ich hoffe, es war Kampfsport. So etwas gibt es bei euch doch.“ „Nun ja ... nein. Ich bin gelaufen, Fitness und so.“ Es entging Deidara nicht, dass Angelica ihre Muskeln anspannte. „Fitness? Das soll helfen?“, fuhr er sie an. „Das ist doch besser als nichts, oder?“ Deidaras Hand zuckte in Richtung Lehm, dann seufzte er aber, jedoch nicht resignierend, nicht freundlich, sondern genervt. „Das wird aber nicht reichen. Du bist hier ein Nichts und nur, weil du ab und an gelaufen bist, heißt das gar nichts.“ Er hoffte, dass Angelica jetzt ihren Mund halten würde. Es war schön und wunderbar, dass das bisschen Laufen, was sie tat – oder was sie ansonsten als Fitness bezeichnete – in ihrer Welt als gesund und erstrebenswert anerkannt wurde, so viel hatte er von den anderen Andersweltern mitbekommen, aber hier ... vielleicht würde sie ein wenig mehr auf die Reihe kriegen als Sunny, aber für den Kampf nütze es herzlich wenig. Wieso hatte er eigentlich überhaupt gefragt? Angelica war nur wenig jünger als er selbst, aber in einer Welt, in der man die Kinder am liebsten bis sie 30 waren stillte, aufgewachsen. Sie war ein Kind. „Wehe du stirbst.“ Es klang sicher nicht freundlich. Es war eine Drohung. Er konnte zwar mit nichts drohen, tot war tot, aber es würde seine Intention schon nicht verfehlen. „Das hatte ich nicht vor.“ „Stell dir vor, das hatten viele nicht“, sagte Deidara sarkastisch. Angelica fuhr sich hilflos durch die Haare. „Ich werde es nicht tun. Und ich werde alles tun, um das Training nach deiner Zufriedenheit zu absolvieren. Von mir aus können wir jetzt sofort anfangen, okay?“ Deidara stutzte. In Ordnung, das war eine Antwort, mit der Deidara leben konnte. Es machte seine Laune nicht besser, bei Weitem nicht, aber sie zeigte zumindest ernsthaften Einsatz und keine Naivität. „Du weißt, worauf du dich damit einlässt, oder?“ „Ich ahne es zumindest, wenn dir das reicht.“ Sie schluckte, band sich die Haare zurück und sah Deidara abwartend an. Sie war nervös, wischte sich noch eine Strähne aus dem Gesicht und blickte kurz zur Seite. Deidara öffnete seine Lehmtasche, ließ die Hand hineingleiten und grinste. Mal sehen, wie fit sie wirklich war. „Wir beginnen mit dem Ausweichtraining.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)