The Nightingale and the Peony von IvoryPeony ================================================================================ Prolog: Schattenlicht --------------------- Der Schmerz war unerträglich. Er durchbohrte mich. Dieser kalter, stechender Schmerz umarmte mich und lies mich nicht los. Da lag ich, in dem Schnee, wo mein Blut die weiße Fläche um mich herum rot färbte. Ich liebte diesen Moment. Bald würde ich nicht mehr da sein. Bald würde all mein Schmerz Vergangenheit sein.                 Über mir war der Himmel blau. Eisblau. Wie der Schnee im Schatten des Berges, der vom Sonnenlicht gemieden wurde und dadurch in Farbe erstrahlte. Nicht alles was im Sonnenlicht lebt, ist bunt und lustig und hat Farbe; Schnee war da das beste Vorbild. Im Sonnenlicht erschien er weiß, aus der Sonne wurden alle Farben plötzlich möglich: sei es blau oder lila, oder grün, vielleicht sogar rot; ein wahres Spektrum an Farben lebte hier im Schattenlicht des Berges. Ja, hier im Schatten war der Schnee rot. Ich färbte ihm rot. Freiwillig. Ich wollte nicht mehr sein, nicht mehr existieren in das hier, was man eine demokratisches Königreich nannte. Ich hatte hier nichts zusagen, in diese Demokratie gab es keine Freiheit. Und ich bin keine Person, die in einem Käfig leben kann, nicht ich. Nein, und ich werde auch nie wieder so sein. Ja, früher war ich so. Früher habe ich wie eine Puppe gehandelt und alles gemacht was man mir auftrug. Lächeln bitte, hier unterzeichnen bitte, einmal winken nach dem Volk! Bis sie kam. Ab da hatte ich nichts mehr zu tun und wurde ich eingesperrt in meinem Käfig.                 Meine Gedanken wurden grauer und farbloser. Ich konnte kaum noch denken, kaum noch spüren, ich lag einfach da, auf diese blau-rote Schneewiese, ich lag da, und war mich selber, und keiner der was dagegen unternahm. So kam es mir vor. Ich weiß nicht wie lange es da schon saß, aber schließlich bemerkte ich am Rande meines Blickfeldes ein kleines schwarzes Wesen das mir zuguckte. Es schien eine kleine Echse zu sein. Es saß einfach da und schaute mich zu. Als es sah, dass ich es bemerkt hatte, kroch es langsam zu mir und setzte sich neben mir, so dass ich mich nicht bewegen musst, aber es recht ansah. Es war keine Echse, es war ein kleiner, junger Drache, gerade aus dem Ei geschlüpft. Sein Rücken war pechschwarz, aber sein Bäuchlein schimmerte Silber im Schattenlicht. Jetzt waren wahrlich alle Farben vereint hier. Ich streckte meine Arm aus, langsam, denn viel Kraft hatte ich nicht mehr. Ich hatte noch nie einen Drachen gesehen. Ich bat insgeheim dass der Kleine nicht gleich wegspringen würde, aber er kam sogar auf meine Hand zu und kroch zwischen meine Finger. Er war warm. Ich hatte es nicht erwartet, da Drachen nur mal Reptilien waren, also kaltblütig, und es hier in der Umgebung keine Feuerdrachen gab. Aber der Kleine hier war warm, und ihm war deutlich kalt. Ich brachte ihm nahe bei mir. So würde ich sterben. Es war ein guter Tod. Ja, ehrlich, dies war mein Wünsch, in der Natur zu sterben, fern von aller Tumult in der Stadt, wo ich doch nur eingesperrt war, wo ich keine Rechte hatte. Und hier war der kleine Drache bei mir, der meine Nähe suchte und nichts von mir verlangte. Wenn es doch nur solche Menschen in meinem Umfeld gegeben hätte, aber nein, die gab es nicht, nein immer musste ich mich an anderen anpassen und mich nach deren Wünschen richten. Immer musste ich das. Nur jetzt nicht. Und bald, bald würde das alles hier vorbei sein. Bald würde ich erlöst sein aus meinem Leiden.                 Ein Tran rollte mein Gesicht herunter und viel in dem Schnee, wo er sofort zu Eis wurde. Der kleine Drache sah dies und sprang heran, wo er erst auf meine jetzt eisige Träne schaute und dann auf mich. Ich konnte mich nicht rühren. Ich lag einfach und weinte. Ich konnte nicht mehr, mir fehlte die Kraft. Der Kleine blickte hoch und schaute mich an.                 »Warum weinst du denn? Hast du nicht selber gewählt für dies alles hier? Du wolltest doch sterben? Warum weinst du bloß, Mädchen?«                 Doch ich konnte ihm nicht antworten. So wie der Tag zu Ende ging, so verschwand auch meine Kraft; so wie das Licht des Tages erlöscht, so erlöscht auch mein Augenlicht; und so wie der Mond aufkam, kam auch mein Tod auf. Und es war ein guter Tod. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)