Endosymbiontentheorie von Katta (RuffyxNami) ================================================================================ Kapitel 1: Ruffy allein Zuhaus ------------------------------ „Und du bist dir ganz sicher, dass du alleine zurechtkommen wirst?“ Der Blick meines Bruders war voller Sorge und machte einen zermürbten Eindruck. Scheinbar vertraute er mir nicht. Ich stieß einen Seufzer aus, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und drehte mich auf meinem Schreibtischstuhl. „Klar, du kannst dich voll und ganz auf mich verlassen. Ist ja nicht so, dass ich noch nie alleine war.“ „Ruffy, bitte“, flehte er mich an. „Du musst dich schließlich auch noch um Titi kümmern.“ „Als ob ich das nicht könnte“, maulte ich. Natürlich liebte ich meine Nichte, sorgte gerne für sie, doch manchmal hatte ich das Gefühl, dass Ace und Vivi es schon sehr ausnutzten, dass ich bei ihnen eingezogen war. „Warum nehmt ihr sie eigentlich nicht mit?“ Ace schluckte, setzte sich auf die Bettkante und verschlang die Finger ineinander. Es war kaum zu übersehen, wie unangenehm ihm die ganze Sache war und wie sehr es ihm gegen den Strich ging, die Kleine hierzulassen. Ich hörte auf mich zu drehen und zeigte ihm, dass ich bereit war zuzuhören. Seine Augen beobachteten angestrengt die eigenen Hände, nicht einmal sah er zu mir herüber. Mein Bauch fühlte sich seltsam an, ich hasste dieses Gefühl. Es war schlimmer als Hunger und es tauchte nur auf, wenn ich ihn so niedergeschlagen sah. „Vivi meint, sie würde Kobra nur zu sehr aufregen und er bräuchte doch jetzt absolute Ruhe.“ „Sollte er sich nicht eigentlich freuen, sein Enkelkind zu sehen?“, fragte ich frei heraus. Irgendwie war ich bisher noch nie schlau aus diesem Mann geworden – ging Ace scheinbar nicht anders. Egal, was er tat, in den Augen von Vivis Vater war alles falsch. Ace war falsch. Falsch für seine Tochter, für die er sich höhere Ziele vorgestellt hatte, als so früh verheiratet zu sein. Der Aufstand, den er damals gemacht hatte, als sie schwanger wurde, musste ein Donnerwetter sondergleichen gewesen sein. Zu der Zeit wusste ihr Vater eh nicht, wo ihm der Kopf stand, weil er darum gebeten wurde, den Firmenstandort in Kyushu zu übernehmen. Erst als er sie vor vollendete Tatsachen gestellt hatte, war Vivi mit der Sprache raus gerückt und hatte ihm unmissverständlich klar gemacht, dass sie hier bleiben würde. Zum Glück hatte ich das nur am Rande miterlebt, wohnte ich erst bei ihnen, als das Baby geboren war. Es war für mich selbstverständlich gewesen, dass ich ihnen meine Hilfe anbot. Für Kobra war es der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Von da an war Ace für ihn endgültig unten durch. Er schenkte ihm keinerlei Beachtung mehr, ignorierte ihn sogar bei seinem ersten und letzten Besuch, seitdem Titi auf der Welt war. Ich hab nur stumm zugesehen, fühlte mich hilflos. Vivi hatte alles in ihrer Macht stehende getan, um die Situation zu entschärfen, doch ihr Vater war nicht mehr umzustimmen. Eine Weile hatte Ace geschwiegen, er wusste wohl nicht, wie er seine Antwort formulieren sollte. Es musste ihn ja wirklich schwer belasten, dass er Vivi zu ihrem Vater begleiten sollte. Ich fischte ein Kaugummi aus der Box, die auf meinem Schreibtisch stand, bot Ace auch eines an, er lehnte ab. „Weißt du, Ruffy“, begann er endlich zu erklären, „ich hab dir gar nicht gesagt, weshalb wir überhaupt so plötzlich nach Kyushu müssen.“ Ich spitzte die Ohren. Tatsächlich wusste ich gar nichts über die Umstände der Reise, bloß dass ich Titi hüten sollte, während die beiden weg waren. „Kobra hatte einen Autounfall und ist seitdem querschnittsgelähmt. Die letzten Wochen hat er bei seinem älteren Bruder gelebt, doch der traut sich seine Pflege nicht mehr zu...Und hat Vivi informiert.“ Ich traute meinen Ohren nicht. „Wie geht es Vivi denn?“ Er zuckte die Achseln. „Eher schlecht, ne? Sie macht sich unentwegt Gedanken und ich glaube ja, dass Titi wegen ihr hierbleiben soll. Damit sie sich um eine Sache nicht kümmern muss.“ „Wie gesagt, ist doch kein Problem“, versicherte ich ihm, konnte meine Neugierde aber nicht im Zaum halten. „Wie lange bleibt ihr eigentlich dort?“ Eine berechtigte Frage, zumal die beiden nicht fahren konnten, wann sie wollten, sondern vom Zugfahrplan abhängig waren. Denn für ein Auto fehlte nicht nur das Geld, sondern es war Ace außerdem nicht erlaubt zu fahren. Schon als Kind wurde Narkolepsie bei ihm diagnostiziert. „Ich weiß es nicht, aber mehr als ein paar Tage werde ich bestimmt nicht aushalten“, Ace lachte bitter. „Wahrscheinlich so lange, bis sich eine Lösung für Kobra gefunden hat...“ „Und wenn nicht?“ „Dann muss er wohl oder übel mit uns zurückkommen.“ „Dass eines Mal klar ist, ich teil mein Zimmer nicht mit diesem Opi!“ „Keine Sorge, Kleiner. Ich werde alles tun, um das zu verhindern“, lachte Ace und durchwuschelte mein Haar, nachdem er aufgestanden war. Sein Lachen klang ehrlich und beruhigte mich gleich wieder. Solange er noch lachen konnte, schien es nicht allzu schlimm um ihn zu stehen. Klar, seine Reiselust befand sich verständlicherweise auf dem Nullpunkt, aber das ginge wohl jedem so. Schon am nächsten Morgen waren die beiden aufgebrochen. Natürlich nicht, ohne mir einen ellenlangen Vortrag zu halten. Vor allem Vivi konnte sich gar nicht mehr lösen und hätte mir am wohl am liebsten noch eine Liste in die Hand gedrückt. Ich schob es auf die allgemeinen Umstände. Immerhin hatte ihr Vater einen Unfall, kein Wunder, dass sie nicht wusste, wo ihr der Kopf stand. Im Pyjama und Titi auf dem Arm winkte ich ihnen hinterher, bis das Taxi außerhalb der Sichtweite war. Normalerweise wäre ich wohl zum Bahnhof mitgekommen, doch es war das Beste Titi einen möglichst schmerzlosen Abschied zu bereiten. In Aces Haut mochte ich in diesem Moment echt nicht stecken, obwohl ich ihn immer beneidet hatte. Vivi und er wirkten – von den gelegentlichen Streitereien abgesehen – so glücklich, als hätten sie sich gesucht und gefunden. Im Gegensatz zu ihm hatte ich keinerlei Händchen für Frauen. Es war nicht so, dass ich nicht mit ihnen reden konnte, doch sahen sie in mir wohl nie mehr als einen guten Freund. Es konnte ein Kompliment sein, für mich war es frustrierend. Immerhin sehnte ich mich auch nach Zärtlichkeit und diesem besonderen Vertrauen. Die einzige Frau in meinem Leben war knapp zwei Jahre alt, plärrte herzerweichend und zog mit einer Hand an meinen Haaren, während sie die andere in mein Gesicht haute. „Oh Titi, beruhig dich doch.“ Doch natürlich tat sie das nicht. Hochrot lief ihr Kopf an, während sie sich die kleine Lunge aus dem Leib schrie. Ein anderes Verhalten hatte ich nicht erwartet, begann sie schon zu weinen, wenn Ace nur das Zimmer verließ. Ich habe keine Ahnung, wieso dies bei Vivi nicht der Fall war, aber vermutlich ahnte sie bei ihr, dass sie immer wiederkam. Ich streichelte ihr über das blaue Haar und drückte ihr einen Kuss auf, bevor ich zurück in die Wohnung ging. Am Kühlschrank hing eine Liste mit Nummern, die ich im Notfall anrufen sollte. Zum einen die Nummer von Vivis Vater in Kyushu, zum anderen die Nummern von Marco, Nami und Dadan. Ich setzte Titi auf dem dicken Teppich im Wohnzimmer, das direkt an die Küche mitsamt Essbereich angrenzte, ab, auf dem ihr Spielzeug verteilt war, ehe ich zum Kühlschrank ging und den Zettel zwischen den Fingern haltend betrachtete. Allein Namis Namen dort geschrieben zu sehen, versetzte meinem Herzen einen Stich. Wie Vivi kannte ich sie bereits seit meiner Schulzeit, hatte mich letztes Jahr endlich getraut, mich mit ihr zu verabreden, nachdem ich monatelang heimlich für sie geschwärmt hatte. Nami hatte schon immer einen besonderen Stellenwert in meinem Leben gehabt, war seit Jahr und Tag meine beste Freundin, doch als sie auf der Hochzeit von Ace und Vivi meine Hand für einen Moment gehalten hatte, waren die Funken übergesprungen. Ein Blitzschlag, der alles veränderte. Zu meinem Glück hatte sie meine Einladung damals auch gleich angenommen und dass wir uns nach dem Essen küssend auf einer Parkbank wiedergefunden hatten, hatte mich in meiner Annahme, dass es gut gelaufen war und ich mit meinen Gefühlen nicht alleine war, nur bestätigt. Nami sah das jedoch anders und speiste mich keine Woche später mit dem oft gehörten „Du bist total toll, aber ich will momentan keine Beziehung. Wir können aber immer noch Freunde sein.“ ab. Enttäuschung war gar kein Ausdruck für das, was ich danach empfand, und ich dachte damals, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, bis ich von Vivi erfahren hatte, dass Nami mit dem Koch, mit dem sie ein kleines Bar-Restaurant in der Innenstadt betrieb, angebändelt hatte. Sie hatte herumgedruckst und war mir und meinen Fragen ausgewichen, als ich mich nach Nami erkundigt hatte, doch ich hatte nicht locker gelassen. Mitfühlend hatte Vivi mir ihr Bedauern bekundet, doch davon konnte ich mir auch nichts kaufen. Und jetzt stand genau sie als Ansprechpartner im Notfall auf der von Vivi geschriebenen Liste. Klar, sie war ihre beste Freundin und Arbeitgeberin, aber hätte sie sich nicht denken können, dass ich Nami niemals kontaktieren würde? Es war nicht so, dass ich ihr noch hinter her trauerte, nein, vielmehr ging es mir darum, dass ich mich so in ihrer Ehrlichkeit getäuscht hatte. Und Marco...Ich kannte ihn kaum, lediglich zweimal hatte ich ihn bisher getroffen. Einmal war er zum Abendessen geblieben, das andere Mal hatte er Ace etwas vorbei gebracht. Ich wusste nichts über diesen Mann, außer dass er sowohl Aces Kollege als auch sein bester Freund war. Zum Glück gab es im Fall der Fälle noch immer unsere Pflegemutter Dadan. Zwar wohnte sie ein wenig außerhalb, doch auf sie konnte ich zählen. „Luuuuuffiiiiii!“, quäkte Titi, die auf mich zu gewackelt kam, an meiner Hose zog und verlangte hochgenommen zu werden. Das R zu sprechen, gelang ihr noch nicht, aber ich freute mich jedes Mal, wenn sie meinen Namen sagte. Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie sie immer länger am Stück gebrabbelt hatte und ich ihr ständig und mit Engelsgeduld meinen Namen vorgesprochen hatte. Dennoch war ihr erstes Wort „Papa“ gewesen. „Hast du Hunger?“, fragte ich sie und hielt ihr ein Gläschen, das mit zermatschten Spaghetti gefüllt war, entgegen. Sie nickte heftig und klatschte in die Händchen, bevor eines von ihnen sich wieder in meinem Haar verfing. „Lass los, Prinzessin“, sagte ich, manövrierte sie in den Hochstuhl und kratzte die Hälfte des Gläscheninhalts in eine Schüssel, die ich für einen Augenblick in die Mikrowelle schob. Vivi würde mich erwürgen, wenn sie das wüsste. Hatte sie mir extra aufgeschrieben, was ich frisch für ihre Tochter kochen und anschließend pürieren sollte. Ein Gläschen würde sie schon nicht umbringen... Nachdem ich die Temperatur des Essen geprüft hatte, stellte ich Titi das Schüsselchen hin und gab ihr einen Plastiklöffel. Obwohl es mit dem alleine Essen noch nicht so recht klappen wollte, sah ich dennoch keinen Grund sie durchweg zu füttern. Irgendwann musste sie es sowieso alleine tun. Mein Handy vibrierte, eindeutig eine Kurzmitteilung. Ich rollte die Augen, ob das die übliche Überprüfungsnachricht war? Ich sah schon Vivis aufgeregten Fragen auf mich einprasseln und war dementsprechend überrascht, als ich Zorros Nummer auf dem Bildschirm sah. Hey Ruffy, Lange nichts mehr von dir gehört. Soweit alles in Ordnung? Kommst du heute Abend zum Training? Zorro Ich blickte hinüber zu Titi, die statt mit dem Löffel mit den Händen in der Schüssel wühlte und den Brei von ihnen ableckte. In ihrem gesamten Gesicht klebten Nudelstückchen und Tomatensoße. Ich konnte mir ein Kichern nicht verkneifen. „Du kommst eindeutig nach deinem Vater.“ Perplex zwinkerte sie, leckte ihre Finger ab und wollte mir ins Gesicht greifen. „Papa nicht da“, murmelte sie, während ich aufstand, nach einem Tuch griff und ihre Hände säuberte. „Nur ich bin noch hier.“ „Luffi.“ Ich lächelte, legte ihr den Löffel zurück in die Hand und antwortete Zorro. Hey Zorro! Momentan ist eher schlecht, muss auf meine Nichte aufpassen. Vielleicht nächste Woche oder so. Ruffy Kaum hatte ich auf Senden gedrückt, erkannte ich aus den Augenwinkeln heraus, wie Titi sich die Augen rieb. Höchste Zeit für ihren Mittagsschlaf. Nachdem ich ihr am Waschbecken die Hände und unter Protest auch das kleine Gesicht gewaschen hatte, brachte ich sie in Vivis und Aces Schlafzimmer, in dem ihr Bettchen stand. Rasch hatte ich sie umgezogen, hingelegt und zugedeckt. Endlich ein wenig Zeit für mich, wenngleich sie schon bis auf die letzte Sekunde verplant war. Lernen war angesagt, die Abschlussprüfungen waren gefährlich nahe gekommen und ich hatte noch sehr viel Stoff nachzuholen. Oft hatte Ace mich gebeten zu Hause zu bleiben und zu Babysitten, weil sowohl er als auch Vivi hatten arbeiten müssen. Da ich umsonst bei den beiden wohnen durfte und keinerlei Geld verdiente, machte ich mich eben in dieser Hinsicht nützlich, doch hatten so manches Mal meine Noten darunter gelitten. Ich glaube, dass Ace mich dafür beneidet, dass ich studieren kann und nicht im Schichtdienst in einer Fabrik buckeln muss. Vivi merkt man es stärker an, dass sie gerne mit mir tauschen würde. Sie stichelte sehr in dieser Hinsicht, betonte, dass andere für ihr Geld hart arbeiten müssten und nicht den Luxus eines Studiums genießen könnten. Sonst ist sie nicht so, eher eine liebe, ruhige Person, die sich kaum etwas anmerken lässt und lieber für andere da ist. Doch manchmal habe ich sie durch die Wand weinen gehört. Schon in der Schule fand ich, dass sie irgendetwas Edles ausstrahlte, fast wie eine Prinzessin, die zu Höherem bestimmt war. Vielleicht lag es aber auch bloß daran, dass sie einen reichen und einflussreichen Vater hat. Ich hielt inne, kaute auf meinem Bleistift und schob das Buch zur Seite. Ironie des Schicksals, dass gerade Vivi in so eine Lage geraten war. Man hätte meinen können, dass gerade sie sich niemals Sorgen ums Geld machen müsste. Aber wenn man die Pläne und Vorstellungen des eigenen Vaters derartig durchkreuzte, blieb einem Nichts anderes übrig, als sich mit Kellnern über Wasser zu halten. Ich schluckte. Auch ich hatte so meine Probleme mit meinem Vater oder besser gesagt Erzeuger. Egal wie sehr ich mich anstrengte, ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich ihn zum letzten Mal gesehen hatte, ob ich ihn überhaupt jemals gesehen hatte. Meine frühesten Kindheitserinnerungen drehen sich alle um meinen Opa, der mich die ersten Jahre meines Lebens aufgezogen, dann aber zu Dadan gebracht hatte. Ich weiß nicht, was ohne Dadan und Ace aus mir geworden wäre. Opa hatte immer wenig Zeit, weil sein Beruf ihn derartig in Anspruch genommen hatte. Damals war ich böse auf ihn, dass er mich abgeschoben hatte, heute bin ich dankbar. Denn obwohl Dadan so manches Mal schwierig war, hat sie sich immer für Ace und mich eingesetzt. Wenn ich nur an die Situation denke, als Vivi ihre Schwangerschaft verkündet hatte. Ich war gerade mit der Schule fertig und sie im letzten Jahr der Oberschule. Ihr Vater hat getobt und einen Aufstand gemacht, sodass Dadan ihr ohne Umschweife angeboten hatte, bei ihr einzuziehen, bis sie und Ace eine eigene Wohnung gefunden hatten. Mein Opa hatte einen ähnlichen Tobsuchtsanfall bekommen und Ace gehörig die Leviten gelesen. „Konntest du denn nicht einmal aufpassen?“, hatte er das „Gespräch“ begonnen. „Ein Rückzieher kommt für dich nie infrage, was?“ Die Lage war bitterernst, still hockten Dadan, Ace und ich an ihrem Küchentisch, während Opa wie das HB-Männchen in die Luft ging. Trotzdem oder gerade, weil es so angespannt war, musste ich lachen. Dieser letzte Satz und das in meinem Kopf aufploppende Bild gaben mir den Rest. Und ich frage mich bis heute, ob Opa genau dasselbe Bild vor Augen hatte. Andernfalls kann ich mir seine Worte nicht erklären. Was ich aber definitiv sagen kann, ist, dass Dadan es auch gesehen haben musste, denn sie wurde plötzlich kirschrot, fuchtelte mit den Armen in der Luft herum und sagte: „Ach, Garp, es nutzt doch nichts, sich über verschüttete Milch aufzuregen!“ „Verschüttete Milch“, japste ich, vergrub das Gesicht in den Händen und bekam kaum mehr Luft, bis mich ein Ellbogen in die Rippen traf und ein tödlicher Blick seitens Ace folgte. Ich konnte ihn ja verstehen, wahrscheinlich wäre mir auch nicht zum Lachen zumute gewesen, wäre meine „verschüttete Milch“ das Thema gewesen. Für Dadan war es selbstverständlich gewesen, dass sie die beiden unterstützte, egal welcher Ansicht Vivis Vater oder mein Opa waren, obwohl sie selber kaum Geld und ihre kleine Hütte kaum Platz hatte. Ich hatte sogar manchmal den Eindruck, sie freue sich richtig über den Familienzuwachs, hatte sie doch eine Menge Tränen vergossen, als die beiden wieder ausgezogen waren. Ich lächelte und schüttelte den Kopf. Dadan war einfach zu nah am Wasser gebaut, es gab eigentlich kaum etwas, das sie nicht zu Tränen rührte. Bei der Hochzeit gab es wohl keine Minute, in der ihre Augen einmal trocken waren... Vielleicht sollte ich sie die Tage besuchen, sie freute sich bestimmt, Titi zu sehen. Soeben wollte ich das Projekt Lernen wieder in Angriff nehmen, als Titis schrilles Weinen ertönte. Mit einem Satz hechtete ich ins nebenan liegende Schlafzimmer, hob sie aus ihrem Bettchen und setzte sie auf dem Doppelbett ab, um in der kleinen Kommode nach neuen Klamotten für sie zu suchen. Ich hatte Lust hinaus zu gehen, in der Wohnung fiel mir schnell die Decke auf den Kopf und Titi würde sich ebenfalls über ein bisschen Abwechslung freuen. Rasch steckte ich Schlüssel, Handy und ein wenig Geld in die Hosentasche, ehe ich mit Titi auf dem Arm die Wohnung verließ. Weit musste man nicht gehen, bis man den nächsten Park erreichte, doch waren die Straßen bis dahin meistens überfüllt und nur schwer zu überqueren. Oft hatte ich mich gefragt, wie Vivi das mit dem Kinderwagen schaffte, der für mich bloß ein weiteres Hindernis war. Dafür, dass die Stadt so grau, eng und laut war, war ihr Park umso schöner. Grün säumten zahlreiche Pflanzen die Wege und der Lärm war beinahe ganz vergessen. Ich zog Titi die Mütze zurecht, ehe ich mich mit ihr auf dem Schoss auf eine der Schaukeln setzte und ein wenig Hin und Her schwang. Manchmal spielte ich auch mit ihr im Sand, was ihr definitiv am meisten Spaß machte, wenngleich ich ihn dann oft in den Haaren oder im Gesicht hatte. Doch heute war der Sand einfach zu nass und ich wollte Titi eine Erkältung natürlich ersparen. Außerdem hatte ich schlicht keine Lust auf ein krankes Kleinkind, denn das machte die ganze Sache noch anstrengender. Mal ganz davon abgesehen, welche Standpauken ich mir dann hätte anhören dürfen. Das Schaukeln schien ihr sehr zu gefallen, immer wieder quietschte sie vor Freude auf, wenn ich ein Stückchen höher schwang. Nachdem wir wieder zu Hause angekommen waren, hatte ich Titi in die Badewanne gesteckt. Irgendwie hatte sie mich doch noch dazu bewegen können mit ihr im Sand zu spielen, vielleicht war es die Aussicht auf einen Sandkuchen gewesen. Womöglich aber ihre großen braunen Knopfaugen. Kein Wunder, dass Ace ihr alles durchgehen ließ. „Guck ma, Luffi“, rief sie auf einmal, tauchte das kleine Boot mit dem Lammkopf als Galionsfigur ins Badewasser und ließ es wieder nach oben schnellen, wobei einige Spritzer Wasser folgte. „Mach doch nicht so eine Sauerei, Titi!“, sagte ich ernst, musste mir aber ein Lachen verkneifen. Sie zog die Nase kraus und lächelte. Deutlich blitzte der Schelm in ihren Augen auf und sie schlug mit voller Kraft auf das Badewasser ein. Im letzten Moment konnte ich mir den Arm vors Gesicht halten, wurde aber dennoch durchgeweicht. „Du bist ein richtiges Teufelchen“, sagte ich, kniff zärtlich in ihre sommersprossige Wange und wickelte sie in ein großes Handtuch ein. Eigentlich war sie ein pflegeleichtes Kind, das hin und wieder seine Grenzen austeste. Ich weiß nicht, ob ich mit einem anderen Kind alleine so gut klargekommen wäre, oder ob es genauso abgelaufen wäre, wenn ich sie nicht jeden Tag um mich gehabt hätte. Bestimmt hätte sie dann am Abend viel mehr geweint und nach ihren Eltern gebrüllt. So waren es lediglich zehn Minuten, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen. Ich hatte sie beruhigen können, indem ich mich mit ihr in Vivis und Aces Bett gelegt hatte, der vertraute Geruch musste ihr Sicherheit vermittelt haben, woraufhin sie blitzschnell eingeschlafen war. Es war wirklich faszinierend zu sehen, welche einfachen Dinge Kinder glücklich machen konnten. Schade, dass sich das mit der Zeit so extrem wandelte. Ich freute mich zwar auch sehr über mein Lieblingsessen, aber kam gleich danach doch wieder der bittere Geschmack der Realität auf meine Zunge, mit all seinen Sorgen und Problemen. Kapitel 2: Katzen und Schlangen ------------------------------- Manchmal frage ich mich, ob ich mir das Leben extra schwer mache und gar nicht erkenne, dass ich es eigentlich sehr gut habe, so wie es ist. Nüchtern betrachtet habe ich keinen Grund mich zu beschweren, doch fühle ich mich so unvollständig. Mir fehlt eine wirkliche Aufgabe, ein Ziel oder… jemand. Da ist eine Leere in mir, die nichts zu füllen vermag oder die ich zwanghaft offen halte. Ich kann es nicht genau sagen, aber sie hindert mich daran, glücklich zu sein. Früher wollte ich immer ein Abenteurer werden, die ganze Welt und ihre Schönheit sehen und jeden Ort für immer einprägen. Es gab so vieles, das ich unbedingt einmal mit eigenen Augen sehen wollte. Von den Giraffenhalskäfern in Madagaskar bis hin zu den Baumsteigerfröschen im tropischen Regenwald. Ich hinge mit dem Kopf in den Wolken, hatte Ace immer gesagt, wenn ich ihm Einblick in meine Wünsche gegeben hatte, und dann gelacht. Vielleicht ist dieser Traum noch nicht gestorben, wartet weiterhin auf Realisierung, denn der Wunsch nach Abenteuern erfasst mich jede Nacht. Ich habe ein Ventil gesucht, um mit den Sehnsüchten umzugehen, mich nicht von ihnen auffressen zu lassen. Bevor die Sache mit Nami war, habe ich angefangen, Manga zu zeichnen, meine Wünsche greifbar zu machen. Zeichnen ist wohl nicht das richtige Wort, ich versuche es zumindest. Mein Zeichenstil ist viel zu schlecht, um etwas Akzeptables hervorzubringen, ich bräuchte wohl eine Menge Übung, um jemals gut zu werden, aber die Zeit habe ich nicht. Darf sie nicht haben. „Ist das von dir, Ruffy?“, hatte Ace mich gefragt, als er die Blätter in die Hände bekommen hatte. Ich hatte genickt, obwohl es mir insgeheim peinlich gewesen war, dass ich sie so einfach auf meinem Schreibtisch hatte liegen lassen, und damit sogleich ein freches Grinsen auf seine Lippen getrieben. „Die Story ist gut, aber die Zeichnungen... Deine Frauen sehen ja wie Fische mit Perücken aus! So wird das aber nichts mit dem Durchbruch als Mangaka... Ernsthaft nutz' die Zeit lieber zum Lernen, als sie zu verträumen. Davon hast du nichts.“ Ich hatte es mir nicht anmerken lassen, aber seine Worte hatten mich tief getroffen. Er hatte mich als Träumer abgetan, ohne jegliche Chancen. Selbst wenn es eine Stimme im eigenen Inneren gab, die stets versuchte, einen zur Vernunft zu rufen, so tat es unbeschreiblich weh, wenn einem von außen klar gemacht wurde, dass die eigenen Träume utopisch waren. Kannte er dieses Gefühl etwa nicht? Hatte Ace denn gar keine Träume? Diese Frage stellte ich mir oft, konnte jedoch nie eine klare Antwort darauf finden. Vielleicht hatte er sich mit seiner Situation auch bloß arrangiert oder stellte sie vorerst hinten an. Vielleicht kannte ich ihn auch zu schlecht, als dass ich darüber ernsthaft spekulieren könnte, immerhin hat er nichts darüber jemals durchsickern lassen. Manchmal beneidete ich ihn dafür, weil ich oft das Gefühl hatte, meine Träume versperrten mir den Weg. Dabei hatte ich doch auch alle Zeit der Welt, sie zu erfüllen. Niemand drängte mich zu schnellen Erfolgen, es gab kein Ablaufdatum. Doch ihnen gefiel nicht, dass ich versuchte, sie zur Seite zu schieben und je mehr ich sie verdrängte, umso stärker holten sie mich ein und versuchten mich zur Realisierung zu drängen. Doch je mehr es mich in die Welt zieht, desto stärker halten mich meine Wurzeln fest. Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ace, Dadan, Opa, Vivi und Titi einfach so zurücklassen könnte. Sie sind doch meine Familie. „Luffiiiiiii“, riss die Kleine mich aus den Gedanken, kam zum Sofa gerannt und plumpste auf ihren Hintern, als es ihren Beinen zu schnell wurde. „Luffi, Bleeiiiiiii!“ „Oh Mann, Titi, du bist viel zu spät“, antwortete ich ihr und setzte ein entsetztes Gesicht auf. „Den letzten Brei habe ich eben gegessen und es war auch noch der leckere aus Himbeeren.“ Um das Ganze zu unterstreichen, leckte ich mir über die Lippen und rieb mir den Bauch, was ihre Augen glitzern ließ und sie dazu brachte, sich auf die Unterlippe zu beißen. „Blei?“ Ich schüttelte den Kopf. „Alle, alle...“ Es war fies und auch gemein, aber es machte mir unglaublichen Spaß sie zu foppen. Vor allem jetzt, wo kein Ace um die Ecke kommen und es versauen konnte. Ich meinte es ja nicht böse, ich ärgerte Titi einfach nur gerne, sah gerne, wie groß ihre Augen wurden und sie das Quatschen anfing. Ob ich eifersüchtig auf sie war? Nein, dafür liebte ich das kleine Würmchen zu sehr und freute mich für sie, dass sie trotz ihres ungeplanten Erscheinens ohne Kompromisse geliebt wurde. Am liebsten sah ich es, wenn sich ihr Gesicht wieder aufhellte und ich dafür verantwortlich war, so wie in dem Moment, als ich das Gläschen Brei hinter meinem Rücken hervor zog. „Oi, Titi, schau mal!“ „Bleiiii!“, quiekte sie und verlangte nach dem Löffel. Gerade hatte ich den Deckel abgeschraubt, als mein Handy klingelte. Ich konnte mir ja schon genau denken, wer es war und welches Anliegen er hatte, doch als ich Aces Stimme vernahm, verstummte ich für den Augenblick. „Hey, Brüderchen! Alles klar bei euch? Wie geht's meiner Prinzessin? Ich kann dir gar nicht sagen, wie gerne ich wieder zu Hause wäre. Ich hatte mir ja schon gedacht, dass es kein Vergnügen wird. Aber der gestrige Tag war ein Ritt auf einer Python. Der Alte hat so am Rad gedreht, dass ich kurz davor war, ihm eine zu verpassen. Oh Mann, Ruffy, kannst du dir das vorstellen? Ich wollte einen Behinderten schlagen...“ Ich schluckte und ließ mich in die Sofakissen sinken. Das war wirklich krass! Ace war ein temperamentvoller Typ, schnell auf höchster Flamme, aber auch er wusste, sich im Zaum zu halten. Da konnte ich mir zumindest ansatzweise ausmalen, wie Vivis Vater sich aufgeführt haben musste. „Krass, es ist aber nichts passiert, oder?“ Ich machte mir in dem Augenblick große Sorgen um die beiden, fühlte mich so schrecklich hilflos mit den vielen Kilometern Entfernung zwischen uns. Ace seufzte, ließ mich das Schlimmste denken. „Nein“, brachte er angestrengt hervor. „Du musst wissen, dass er Vivi bereits bei unserer Ankunft Vorwürfe gemacht hat. Zunächst hat sie die noch abgewiegelt und zu ignorieren versucht. Aber er hat nicht locker gelassen. Gestern ist es dann eskaliert. Er hat sie immer weiter beschimpft, selbst als sie geheult hat, hat er nicht aufgehört. Ich sag dir, da hätte ich ihn schon erwürgen können. Aber als er dann noch meinte, einen Spruch über Titi abzulassen. Da ist mir echt der Kragen geplatzt.“ „Scheiße“, flüsterte ich, darauf bedacht, dass Titi es nicht hörte. „Was hat der Mann nur für Probleme? Wie geht es Vivi denn jetzt?“ Bei der Nennung von Vivis Namen sah Titi kurz von ihrem Brei auf, sagte aber nichts. „Sie ist fix und fertig. Ich glaube, sie liegt immer noch im Bett“, es rauschte kurz durch die Sprechmuschel. „Ja, sie schläft noch.“ „Und was ist jetzt mit dem Vater? Hier einziehen könnt ihr doch mal glatt vergessen. Das geht doch keine fünf Minuten gut.“ „Also da kannst du dir gleich die Pest ins Haus holen. Kobra war vorher schon nicht gerade pflegeleicht, aber ich glaube, dass der Unfall den Rest getan hat. Er wirkt ziemlich verbittert. Eigentlich könnte er mir fast schon wieder leidtun.“ „Na ja, Ace, er hatte seine Chancen. Ihr seid extra über Nacht zu ihm gefahren, um ihm zu helfen und er tritt euch nur mit Füßen. Da kann man nichts machen.“ Ich zuckte die Achseln. Manche Leute wollten einfach keine Hilfe und zum Nachdenken konnte man sie noch weniger motivieren, sie mussten schon selber auf den Trichter kommen. „Ace…“, murmelte Titi, warf den Kopf nach oben und blickte mich mit großen Augen an. „Papa Ace Fon?“ Ich lächelte. „Da will dich jemand sprechen“, sagte ich und hielt Titi das Handy ans Ohr, das sie umgehend mit beiden Händchen umklammerte. „Ace Papa?“ „Hallo Prinzessin“, tönte es aus dem Handy und Titi riss die großen Kulleraugen auf. „Wie geht es dir? Ist Onkel Ruffy auch lieb zu dir?“ „Sag ja nichts Falsches“, zischte ich spaßeshalber, was sie ein wenig verwirrte, bevor sie „Bleiii“ ins Handy nuschelte. „Was ist mit dem Brei? Hat Ruffy ihn dir weggegessen?“ Sie nickte übertrieben mit dem Köpfchen. „Der Papa sieht das nicht, Titi.“ „Luffi gegessen…“ „Was? Stimmt doch gar nicht, du hast doch eben erst noch welchen gehabt! So klein und schon ein Lügner.“ Ace lachte laut. „Ihr habt ja wirklich eine Menge Spaß zusammen...Ich hoffe, ich bin bald wieder zu Hause.“ „Das hoffen wir auch“, sagte ich, Titi auf dem Schoss und mithören lassend. „Grüß Vivi von uns und sag ihr, dass sie sich keine Sorgen machen muss. Wir kommen gut zurecht.“ „Vivi Mama! Und Oma suchen“, warf Titi ein. „Geht ihr Dadan besuchen?“, fragte Ace. „Coole Sache. Aber, Ruffy, erzähl er nichts von Kobras Klöpsen, sonst kollabiert sie noch.“ „Haha, keine Sorge. Aber ich grüß sie von euch. Bis bald.“ Um zu Dadans Haus zu kommen, musste man zunächst die U-Bahn aus der Stadt nehmen und mit dem Bus weiter aufs Land fahren. Allein war es lästig, aber kein großes Ding. Mit Prinzessin Titi im Schlepptau eine Zumutung. Für ein Kind musste die Fahrt einer Ewigkeit gleichkommen und vor allem extrem langweilig sein. Nicht mal ihr Lieblingsbuch vermochte sie aufzuheitern, stattdessen schleuderte sie das Buch mit den extra dicken Pappseiten quer durch den Waggon. Na toll, wenn ich eines mochte, dann, wenn sie die Zicke heraushängen ließ. „Wir sind doch gleich bei Oma, der darfst du gerne das Buch an den Kopf hauen. Aber reiß dich doch jetzt noch ein bisschen zusammen“, flüsterte ich ihr ins Ohr, als ich mich von dem Platz erhob und das Buch aufheben wollte. Doch jemand kam mir zu vor. Mir stockte der Atem, als ich erkannte, wer es in den Händen hielt und mich anstrahlte. „Hey Ruffy, schön dich zu sehen“, begrüßte mich Nami, die mittlerweile richtig lange Haare bekommen hatte, und streichelte über Titis sommersprossige Wange, während sie sich neben mich setzte. „Und du bist ja so groß geworden. Wie lange habe ich dich nicht mehr gesehen?“ „Willst du sie mal auf den Schoß nehmen?“, fragte ich, unfähig etwas anderes hervorzubringen, und nahm Titi das Buch ab, nachdem Nami vor Freude zugestimmt hatte. „Oh, ich weiß gar nicht, wem du ähnlicher siehst. Wenn du so guckst, siehst du aus wie deine Mama“, sagte Nami, während Titi lächelte, und lachte, als sie die Nase krauszog. „Und so siehst du aus wie dein Papa, eindeutig.“ „Sie zieht die Nase aber auch nur kraus, weil wir alle immer drüber gelacht haben“, sagte ich, mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Wie sehr ich es hasste, konnte ich den Fall Nami nicht einfach zu den Akten legen? Es war doch schon so lange her. „Echt? Du bist ja ein richtig süßer Fratz. Da bekommt man glatt Lust auf Eigene...“ Es war, als wäre etwas in mir dabei gestorben und ich konnte mir nicht einmal erklären, warum ich so an dieser Frau hing. Wir waren niemals zusammen gewesen, ich hatte nicht mal mit ihr geschlafen, aber diese Umstände ließen mich irgendwie nicht zur Ruhe kommen. Richtig bescheuert. „Wohin wollt ihr denn?“ „Zu Dadan raus aufs Land.“ „Ehrlich?“, Nami strahlte. „Das ist ja ein Zufall, ich bin auf dem Weg zu Bellemere. Stell dir vor, ihre Orangenzüchtung ist so begehrt, dass sie jetzt noch mehr davon anbauen. Nojiko hilft ihr deswegen auch öfters aus, obwohl sie ja eigentlich schon mit ihrem Laden alle Hände voll zu tun hat.“ „Glückwunsch“, presste ich hervor und übte mich den Rest der Fahrt in Schweigen, während Nami Titi das Buch vorlas. Ich war unglaublich dankbar, dass Titi dabei war und als Puffer fungierte, so konnte ich Namis Anwesenheit wenigstens halbwegs ertragen. Dennoch versetzte mir die Vorstellung mit ihr zusammen noch Bus zufahren einen weiteren Dämpfer. Sie aber machte den Anschein, als schien ihr die Situation absolut nichts auszumachen. Nicht einmal einen Hauch Unbehagen konnte ich erkennen. Ich steigerte mich wohl sehr in die Sache hinein. „Hey, kannst du nicht aufpassen?!“, fuhr mich eine große, schwarzhaarige Frau beim Ausstieg an. Ich wandte mich flüchtig zu ihr herum, jedoch ohne sie genau anzusehen. „Sorry, ich hab Sie nicht gesehen.“ „Was für eine Ziege“, keifte Nami, während wir in den Bus stiegen. „Sie hat doch gesehen, dass du die Kleine auf dem Arm hattest und sie sicher durch das Gedrängel tragen musstest. Aber was erwarte ich von diesen Stadtzicken?“ Ich hatte ganz vergessen, welch liebenswerte Person Nami im Grunde genommen war. Welche eleganten Phrasen sie präsentierte. Ich musste lachen, sie hatte verdammt noch mal recht. Dass die Landbevölkerung konsequent ausstarb, sah man nicht nur anhand demografischer Tabellen, nein, auch im Bus nach nirgendwo herrschte gähnte Leere. Außer uns drein war niemand an Bord und ich hatte genau das lange Gesicht des Busfahrers bemerkt, als wir eingestiegen waren. Nervös nestelte ich an meiner Jacke, Titi schlief derweil in meinen Armen und Nami blickte aus dem Fenster. Ich hatte den Eindruck, dass die Zeit sich wie zäher Gummi zog und der Bus einfach auf der Stelle fuhr. Ich wollte raus, weg von Nami. Es machte mich rasend neben ihr zu sitzen, zu wissen, dass sie mich nicht wollte, jemand anderes mir vorgezogen hatte. Doch ihr Verhalten setzte dem Ganzen noch die Krone auf. Tat sie einfach so, als sei nie etwas zwischen uns geschehen. Es war ja auch nicht so, dass sie mir das Herz gebrochen und es wie eine alte Kippe zertreten hatte. Nein, das musste ich mir eingebildet haben. „Sag mal, Ruffy, hast du eigentlich eine Freundin?“, fragte sie beiläufig und ließ mir das Herz in die Hose rutschen. „Ne.“ „Wirklich?“ „Ja, wirklich, Nami!“, platzte es aus mir heraus, Titi schreckte auf und weinte. „Ich wollte dich, aber du hattest kein Interesse. Was denkst du von mir, dass mir das egal wäre?“ „Ich hab doch nur gefragt“, sagte sie kleinlaut. „Und jetzt hast du deine Antwort.“ Das waren die letzten Worte, die wir wechselten. Nicht mal eine Verabschiedung folgte, als ich mein Ziel erreicht hatte. Ich stand einfach auf und ging. Es brodelte in mir, gleichzeitig fühlte ich mich befreit, weil sie nun endlich wusste, wie sehr mich ihr Verhalten verletzt hatte. Ob sie sich darüber weiter Gedanken machte, bezweifelte ich. Sie regte sich gewiss über meinen Ton auf, das war's. Mir ging Zorros „blöde Funzel“ nicht mehr aus dem Kopf. Das hatte er damals über Nami gesagt, als ich ihm beim Training davon erzählt hatte. Ich grinste dämlich. Wieso musste ich immer in den unpassendsten Situationen lachen? Aber verdammt, es ging nicht anders, es kam mir alles viel zu lächerlich vor. Ace und Vivi hatten echt Probleme, die sie aus der Welt schaffen mussten und ich machte mich wegen Nami verrückt. Aber das war ja jetzt endgültig gegessen. Nach der Ansage brauchte ich mir nicht mal den Hauch einer Chance auszurechnen. Von Weitem sah ich Dadan in ihrem Gemüsegarten hocken, wahrscheinlich zupfte sie mal wieder Unkraut oder wunderte sich, warum kein Geldbaum aus der vergrabenen Münze wuchs. Pochi, ihr Hund, den ich seit meiner Kindheit kannte, räkelte sich genüsslich auf der Fußmatte vor der Haustür und hob bloß müde den Blick, als er mich kommen sah. Kein Bellen, kein Schwanzwedeln zur Begrüßung. Das war man von ihm gewohnt. „Hallo Dadan!“, rief ich ihr zu und winkte, bis sie auf mich aufmerksam wurde, die Handschuhe auszog und auf mich zu gehoppelt kam. „Ruffy, da seid ihr ja endlich, ich hatte schon Sorge, der Bus wäre ohne euch abgefahren.“ Ich konnte gar nicht so schnell schauen, wie sie mir Titi von Arm genommen und in eine feste Umarmung gezogen hatte. Sie liebte dieses Mädchen abgöttisch, doch wer von uns tat das nicht? Sie brachte Sonne in den tristen Alltag, die sich Dadan immer besonders herbeisehnte. Sie war ganz schön einsam, seit Ace und ich ausgezogen waren. In der Nähe lebten zwar ihre Brüder Dogura und Magura, aber ich denke, was Dadan wirklich brauchte war ein Partner. Ich kann mich nicht erinnern, ob sie jemals einen hatte, aber manchmal hatte ich den Eindruck, dass irgendwas zwischen ihr und Opa lief. Zumindest haben sie immer gestritten wie ein altes Ehepaar. Auf dem Weg ins Haus tätschelte ich Pochis Kopf und seinen Rücken, woraufhin er mir flüchtig über die Hand leckte. Eine größere Liebesbekundung durfte man von ihm nicht erwarten, außer auf Dadan reagierte er kaum auf jemanden. Dadan streifte geschickt die Stiefel ab, während sie Titi auf dem Arm balancierte und deutete mir an in die Küche zu gehen. Auf den ersten Blick sah sie aus, wie immer. Zeitungen stapelten sich am Rand der Eckbank, auf dem Tisch stand eine Schale Obst, die außer einer Horde Taufliegen keiner anzurühren schien, die Küchenuhr war mal wieder stehen geblieben. Erst als ich meinen Stammplatz am anderen Ende der Bank einnehmen wollte, fiel mir etwas ins Auge. Zwei dünne Stiele, an deren Enden sowohl Glitzerzeug als auch ein Band mit Leopardenmuster befestigt waren. „Dadan, du kannst doch nicht einfach deine Sexspielzeuge hier rumliegen lassen!“ „Was?“, schreckte sie auf, ließ die Teekanne stehen und begutachtete mich mit misstrauischem Stirnrunzeln. Ich hielt ihr die Dinger unter die Nase, nach denen Titi gleich zu grapschen begann, während Dadans Miene sich auflockerte. „Ach, die...Das sind Katzenspielzeuge.“ Katzenspielzeuge? Ich hob eine Augenbraue an. Wollte sie mich verarschen? „Katzen? Du hast doch gar keine Katzen!“ Sie lächelte vielsagend. „Komm mal mit ins Wohnzimmer.“ Mit Titi auf dem Arm ging sie vor, öffnete langsam die Tür und ließ mich dann rein. Tatsächlich lagen zwei Kätzchen, ein weißes und ein schwarzes, auf ihrem Sofa und sahen uns aus verschlafenen Äuglein an. „Uiiiii“, quietschte Titi, klatschte in die Händchen und machte Dadan mit vollem Körpereinsatz darauf aufmerksam, dass sie sich das aus der Nähe ansehen wollte. Zugegeben, die Kleinen waren wirklich niedlich, dennoch blieb ich skeptisch in der Nähe der Tür stehen. Dadan brauchte dringend einen Partner, bevor sie noch anfing, Tiere zu horten. „Und was sagt Pochi dazu? Oder Opa?“ „Pochi findet die beiden doof“, antwortete sie beiläufig, als sie sich mit Titi zu den Kätzchen setzte und ihr zeigte, wie sie die beiden zu streicheln hatte. „Und Garp sag ich das nicht. Geht den doch nichts an!“ Und ich konnte mir schon genau denken, weshalb sie es ihm verschweigen wollte. Er würde sie bloß für verrückt erklären und ihr weismachen, dass sie auf dem besten Wege wäre, eine alte Katzenlady zu werden. Opa war von den Tieren nicht gerade angetan, was nicht zuletzt daran lag, dass die seiner Nachbarn regelmäßig seinen Garten umpflügten. Die Kätzchen miauten und das Schwarz sprang kurzerhand auf Dadans Schultern, nur um anschließend auf ihren Kopf zu klettern, wo es ihre rotblonden Locken anknabberte. „Oh, Titi, schau mal, was die Oma auf dem Kopf hat“, flötete sie und versuchte die Aufmerksamkeit der Kleinen zu gewinnen. „Guck mal, wie lustig bei der Oma!“ Opa hätte wohl gar nicht so unrecht. Ich weiß gar nicht, wie lange wir im Wohnzimmer gewesen waren, doch als die beiden Kätzchen sich unter dem Sofa verkrümelt hatten, um ihre Ruhe zu haben, waren wir zurück in die Küche gegangen. Selbst wenn Titi am liebsten noch dageblieben wäre. Dadan hatte extra einen ihrer berühmten Pflaumenkuchen für uns gebacken. Als ich noch bei ihr gewohnt hatte, gab es den nur sehr selten. Doch nun schien sie ihn bei jedem anstehenden Besuch zu backen und war ernsthaft beleidigt, wenn man sich zurückhielt. Nie werde ich den Tag vergessen, als sie Vivi dazu genötigt hatte, sechs Stücke zu essen, die sie während der Busfahrt zurück beinahe wieder von sich gegeben hätte. Ich kann nicht sagen, ob sie seitdem noch mal Kuchen oder Pflaumen gegessen hat. Ich stocherte in meinem dritten Stück Kuchen, während Dadan noch immer voller Eifer Titi beinahe Krümel für Krümel eines fütterte. „Willst du nicht lieber was eigenes Kleines?“, fragte ich stichelnd, schlug einen weiteren Löffel Sahne auf meinen Teller und ließ einen Teil davon in meinem Mund verschwinden. „Oder versuchst du das mit den Katzen auszugleichen?“ Sofort schaute sie zu mir herüber und hielt die Gabel so weit von Titi weg, dass diese sich mit offenem Mund vorbeugte und versuchte, den Kuchen darauf zu erreichen. „Machst du dich etwa über mich lustig?“, fragte Dadan mit erheiterter Stimme, woraufhin ich die Achseln zuckte. „Würde ich nie tun.“ Sie drohte mit ihrem Zeigefinger, ehe sie Titi endlich den Kuchen in den Mund schob und ihn anschließend mit einem Tuch sauber wischte. „Nein, ich bin schon froh, dass ich die unbequemen Seiten nicht mitbekomme.“ „Ja, ja, zum Quetschen und Knuddeln ist sie dir gut genug, aber die blöden Aufgaben kann Ace dann wieder übernehmen, was?“ Dadan wippte Titi auf ihrem Schoss hin und her und ich erwartete schon, dass ihre Bluse von unschönen Flecken verziert wurde, als sie ihr einen Kuss auf die Stirn gab und zu mir sah. „Oder du“, lachte sie, nahm einen Schluck Kaffee aus der Tasse und bot mir noch welchen an. Ich verneinte. „Aber sag mal, Ruffy, hast du denn mal was von Ace gehört? Mich ruft er ja nie an. Ist ja ein Wunder, dass ich überhaupt weiß, dass er da unten ist. Wie ist die Lage in Kyushu?“ „Hm“, druckste ich, es war mir unangenehm, mit Dadan über das Thema zureden, fand ich, dass es weder mich noch sie etwas anging. Vor allem aber wollte ich mein Versprechen gegenüber Ace nicht brechen, der eine zeternde Dadan alles andere als gebrauchen konnte. Ich löffelte etwas von der restlichen Sahne auf meinem Teller und spürte, wie Dadans Blick auf mir ruhte. Sie würde nicht nachlassen, bis ich ihr etwas erzählt hatte. „Er hat gestern angerufen“, nuschelte ich, den Blick gesenkt und unentwegt mit der Gabel über den Tellern schabend. „Und? Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen.“ Ich seufzte. „Was soll ich sagen? Läuft wohl nicht so prall. Viel Stress und so. Mehr weiß ich auch nicht.“ Ich stocherte weiterhin in den Krümeln auf meinem Teller ohne Dadans Augenkontakt zu erwidern. „Dieser alte Kauz ist schon seltsam. Alle versuchen es ihm recht zu machen und er hat trotzdem an allem was zu meckern. Irgendwas hat der doch quer stecken“, nörgelte Dadan, trank einen Schluck Kaffee und erschrak leicht, nachdem „hat was quer stecken“ als Echo von Titi kam. „Toll, Dadan, du weißt ganz genau, wer sich die Standpauke für solche Wörter immer anhören darf!“ Kapitel 3: Alte Bekannte ------------------------ Zum Glück hatte ich einige Wechselsachen in Titis Wickeltasche gepackt, bevor ich mit ihr gefahren war, denn Dadan hatte uns am Abend nicht mehr gehen lassen. Eine Kinder-Zahnbürste und ein kleines Bettchen hatte sie schon längst für ihre Enkelin angeschafft. Natürlich nicht ganz ohne Hintergedanken. „Die Kleine hat hier so lange nicht mehr übernachtet“, hatte sie gequengelt, bis ich eingewilligt hatte. Lust hatte ich keine gehabt, doch ich hatte es genossen, die Verantwortung für einen Tag mal komplett abgeben zu können. Zugegeben auch das Abendessen hatte einen großen Teil zu meiner Überredung beigetragen. Allein wie viel Fleisch und Wurst Dadan serviert hatte. Wahnsinn! So viel hatte ich lange nicht mehr auf einem Haufen gesehen. Bei Vivi gab es kaum Fleisch, sie fand es zu teuer und ich glaube, es schmeckte ihr auch nicht wirklich. Ab und zu brachte sie mal etwas von der Arbeit mit, das vom Tagesgericht übrig geblieben war und der Koch lieber den Mädchen mitgab, als es wegzuschmeißen. Doch davon bekam ich nie viel. Das Meiste war für Ace, weil er das Geld verdiente. Aber bei Dadan hatte ich mir so viel nehmen können, wie ich wollte, ohne dass ich böse angeguckt oder Sicherheitsportionen gehortet wurden. Mein damaliges Zimmer hatte sich bis heute in seiner Erscheinung nicht verändert. Das Bett stand an derselben Stelle, der Schrank war nicht ausgeräumt worden und einige der Sachen passten mir sogar noch. Selbst die Bilder, die ich für sie gemalt hatte, hatte Dadan noch an der Wand hängen. Zeichnerisches Talent hatte ich nie besessen, so viel stand fest. Dennoch erkannte ich noch, was ich als Kind mit den vielen bunten Strichen hatte ausdrücken wollen. Mein Blick haftete an einem Bild, das mich gleichzeitig zum Lachen animierte, als auch traurig stimmte. Es zeigte Ace und mich – ich glaube sogar, dass er sich selber gemalt hat, weil die Strichführung eine gänzlich andere war – als Kinder auf einem monströsen Schiff, das sich in der Nähe einer tropischen Insel befand. Besonderen Wert hatte ich hier wohl auf die Darstellung der Palmen gelegt, waren sie beinahe zweimal so groß, wie das Schiff selber. Ich schluckte und versuchte mich an den Tag zu erinnern, als es entstanden war, doch die Bilder zerbröselten in meinen Gedanken, ließen sich nicht zu ordnen. Ich vermute aber, dass es aus der Zeit stammte, in der Ace öfters mal von Zuhause ausgerissen war. Als er es nicht mehr bei Dadan aushielt. Die Monate waren für uns alle sehr hart gewesen, am schwersten aber hatten sie Dadan getroffen, die sich bis heute Vorwürfe machte, dass sie nicht anders gehandelt hatte. Sich mehr um ihn gekümmert hatte. Wie Ace erfahren hatte, dass sie bloß seine Adoptivmutter war, weiß ich nicht, plötzlich hatte er sie vor mir damit konfrontiert. Es war ein Schock für mich gewesen und Dadan musste es eiskalt den Rücken heruntergelaufen sein. Sie hatte ihn nicht verwirren wollen, hatte sie beteuert, konnte damit aber nicht bis zu ihm durchdringen. Ace war so unglaublich wütend und es war das erste Mal, dass ich ihn hatte weinen sehen. Mir kommt es heute noch so vor, als hätte ich die ganze Szene von außen beobachtet und mein Körper wäre gar nicht anwesend gewesen. Ich war so unglaublich regungslos. Wie alt war ich da gewesen? Acht? Jedenfalls war ich schon eine Weile in der Schule und Ace hatte mir zeigen wollen, wie man die schweren Wörter liest und ausspricht. Dadans gesamte Hütte hatten wir auf der Suche nach geeigneter Lektüre durchforstet...Dabei mussten ihm die Adoptionspapiere in die Hände gefallen sein... Am schlimmsten war es für mich ihn in der Nacht weinen zu hören, es schnürte mir den Magen zu und ich drückte mir jedes Mal die Hände so fest auf die Ohren, bis ich bloß noch das Blut in ihnen rauschen hörte. Einmal hatte ich ihn zufällig im Wald gefunden, nachdem er bereits seit vier Tagen nicht mehr zu Hause gewesen war. Dadan fehlte die Kraft, nach ihm zu suchen, hatte sie genug mit Opa, der ihr ständig Vorwürfe machte, und der Schule, die unentwegt wegen Ace anrief, zu tun. Irgendwie konnte ich ihn verstehen, andererseits war ich auch ganz schön wütend auf ihn, dass er mich einfach zurückgelassen und Dadan solche Probleme bereit hatte. Immerhin hatten wir uns geschworen, Brüder zu sein, füreinander da, egal was kam. Am liebsten hatte ich immer draußen gespielt, mein Opa hatte mir irgendwann einmal zum Geburtstag ein Schmetterlingsnetz geschenkt, weil ich so gerne Insekten gesammelt hatte. Auf einer Blüte hatte ich einen besonders großen Käfer entdeckt und wollte ihn gerade mit dem Netz einfangen, als ich ein „Psst! Ruffy, hier oben!“ gehört hatte. Natürlich hatte es mich zu Tode erschreckt, plötzlich eine Stimme zu hören, und hatte deshalb mit meinem Zucken den Käfer aufgescheucht, der gleich darauf geflohen war. Ich war auch ein bisschen sauer deswegen gewesen, aber die Freude meinen Bruder wiederzusehen überwog dies. Er hatte grauenhaft ausgesehen, beinahe so als hätte ihn ein wildes Tier gerissen. Seine Kleidung war zerschlissen, die Haare fast verfilzt und seine Augen wirkten, als würden sie jeden Moment aus dem leicht ausgezerrten Gesicht kullern. Er hatte die Tage über nichts gegessen, hatte er mir gesagt, mir gestanden, dass er gerne wieder zurück wollte, weil er mich vermisste, sogar Dadan vermisste und sich ein klein wenig schuldig fühlte, dass er sie in so eine Lage gebracht hatte. Einige Stunden musste ich ihn mit Engelszungen überreden, dass er mit mir nach Hause kam, denn obwohl er sich nach uns sehnte, verbot ihm sein Stolz einfach so wieder angekrochen zu kommen. Möglicherweise war er aber auch noch immer sehr enttäuscht von Dadan, dass sie ihm nichts über seine wahre Herkunft erzählt hatte. „Ach, Ace, und du hast dich nicht doch ein bisschen gefreut, dass Dadan nicht deine echte Mutter ist?“, hatte ich ihn einfach gefragt, war es doch der erste Gedanke gewesen, der mir dabei durch den Kopf geschossen war. Es war ja nicht so, dass Dadan die Hölle war... Sie war einfach Dadan. Er hatte einige Sekunden mit großen Augen zu mir gesehen und geblinzelt, bis es schließlich aus ihm heraus gebrochen war und er sich vor Lachen kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Aus heutiger Sicht würde ich das als den Punkt bezeichnen, an dem er sich mit seinem Schicksal abgefunden hatte. Auch Dadan hatte ihre Lehren aus dieser Eskalation geschlossen und im Laufe der Jahre immer wieder Gespräche mit Ace über seinen Vater, seine bei der Geburt verstorbenen Mutter und die Umstände, wie er zu ihr gekommen war, gesprochen. Er hat es ihr mit der Zeit verziehen und auf seiner Hochzeitrede lobend erwähnt. Sie habe ihm Wurzeln gegeben, hatte er gesagt, woraufhin Dadan die Taschentücher mit ihren Tränenbächen gesprenkelt hatte. „Ist das nicht schön, Ruffy?“, hatte sie mir ins Ohr geschluchzt und ich hatte nicht das erste Mal an diesem Abend infrage gestellt, mich neben sie gesetzt zu haben. Ich strich mir einige lose Haare aus der Stirn. Wie durchgeknallt musste meine Familie auf Außenstehende wirken? Es war mir egal, ich liebte sie heiß und innig. Meine Gedanken konzentrierten sich wieder auf das Bild vor mir. Das Bild, das die grenzenlose und wunderbare Freiheit, die wir uns immer gewünscht haben, zeigte. Was war mit Ace geschehen, dass er diesen Traum für ausgeträumt erachtete? Sehnte er sich denn nicht mehr nach endlosen Weiten und weit entfernten Problemen? Ich ließ mich auf das Bett fallen und starrte die Decke an. Oder war Ace schlicht und ergreifend erwachsen geworden? Ja, scheute ich mich davor, meine Kindheit hinter mir zu lassen und zu erkennen, dass es irgendwann im Leben keinen Platz mehr für die alten Träume gab? Dass die Realität eine andere war? Ich rollte mich auf die Seite und zog die Beine an. Wollte ich meinen Traum überhaupt loslassen? Die Abenteuer vergessen und meinen Platz in dieser Gesellschaft einnehmen? War ich dazu bereit oder musste ich es sein? Es kribbelte in meiner Nase. Ein Zeichen dafür, dass sich die Tränen bald in meinen Augen sammeln würden. Wie sehr ich es hasste. Schwäche war etwas, das ich mir nur selten eingestand. Und Weinen war ihr Markenzeichen. Ich biss mir auf die Unterlippe, um mich zu beherrschen, richtete mich auf und umschloss die Knie mit meinen Armen. Natürlich war Ace erwachsen geworden, er hatte es werden müssen. Es hatte sich für ihn nie die Frage gestellt, ob er denn nun bereit wäre. Er musste es sein. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es ebenso gut gepackt hätte, wie er. Wohl eher nicht. Aber konnte ich das in meiner Lage überhaupt so genau einschätzen? „Luffi, essen kommen!“, ich hörte, wie die Tür sich knarrend aufschob, Titi mit eiligen Schrittchen herein gestürmt kam – dabei auch ein paar Mal auf dem Hinterteil landete – und zu mir aufs Bett kletterte. „Oma sagt essen!“ „Oh toll! Hat sie Frühstück gemacht?“ „Jaaaaa! Fhhüüüstück!“ „Worauf warten wir dann noch?!“, fragte ich, nahm Titi rasch auf den Arm und rannte mit ihr in die Küche. Zumindest für einen Tag durfte ich noch mal ganz Kind sein und die Bemutterung seitens Dadan genießen. Die sich allein auf dem Frühstückstisch von ihrer besten Seite zeigte. Aus dem alten Radio, das auf dem Regal über der Eckbank stand, dröhnte Madonnas „Papa don't preach“, das Dadan aus voller Kehle mitsang, während sie den beiden Kätzchen Wurststückchen gab. Ich kicherte leise, setzte mich mit Titi auf dem Schoß auf die Eckbank und nahm mir eine Schale des selbst gemachten Puddings. Wie ich den liebte. Allein die Karamellkruste war der Himmel auf Erden. „Junge, iss“, hörte ich Dadan sagen, noch bevor ich überhaupt angefangen hatte. Als ob sie mir das hätte zweimal sagen müssen! So zufrieden hatte ich mich lange nicht mehr gefühlt. Mein einziges Problem war gewesen, wovon ich mehr esse. Selbst der Umstand, dass ich das aktuelle Modul meines Studiengangs wegen der zahlreichen versäumten Tage nächstes Jahr oder in den Semesterferien vielleicht nachholen musste, nagte nicht weiter an meinen Gedanken. Auch dass Dadan Nami erwähnte und mich in ein Gespräch über sie verwickeln wollte - es ging wohl hauptsächlich um Bellemeres Orangenplantage -, kümmerte mich nicht. Doch meine gute Laune verflog, als ich mich am Nachmittag zusammen mit Titi auf den Rückweg machte und den Bus bestieg. Ich wusste ja nicht, ob ich Nami erneut begegnen würde. Über sie zu reden war eine Sache, sie möglicherweise anzutreffen eine andere. Wie lange sie bei ihrer Mutter und ihrer Schwester bleiben würde, hatte sie mir nicht gesagt. Und ich hatte sie nicht gefragt, weil es mich im Grunde genommen auch nicht interessiert hatte. Doch das Glück hatte es gut mit mir gemeint und so waren meine einzigen Begleiter ein paar alte Frauen, die anscheinend zum Einkaufen in die Stadt wollten. Obwohl sie mich die ganze Fahrt über gelöchert und Titis Wangen so rot gekniffen hatten, dass man ihre Sommersprossen kaum sah, war es mir immer noch lieber gewesen, als mit Nami auf engstem Raum zu hocken. Anstatt auf direktem Weg nach Hause zu fahren, beschloss ich eine Kleinigkeit einzukaufen. Im Kühlschrank fand sich kaum noch Essbares und auch die Vorratsschränke wirkten eher klamm. Zum Glück gab es einen kleinen Supermarkt bloß eine Straße von unserer Wohnung entfernt, sodass ich Titi und die Einkaufstüten nicht allzu weit schleppen musste. Die Auswahl mochte nicht überwältigend sein, aber es reichte allemal. Es gab Situationen, in denen sich ein Kleinkind als äußerst nützlich erwies, zum einen als Ausrede für versäumte Klausuren, zum anderen beim Einkaufen. Zum einen blieb einem erspart sich bücken, zum anderen konnte man das Kind super beschäftigen. Wie ein Hund darauf wartete, dass man endlich den Ball warf, so fieberte Titi dem Augenblick entgegen, wann ich ihr sagte, was sie jetzt aus dem Regal holen und mir bringen sollte. Was man jedoch immer bedenken sollte, Kleinkinder konnten ihr Interesse für eine Sache auch wahnsinnig schnell wieder verlieren. „Nein, Titi, wir nehmen den Kürbis nicht mit. Denn isst du eh nicht.“ „Bitteeeeee~“, quietschte sie, schob die Unterlippe vor und deutete unnachgiebig auf die Gemüseauslage. Ich stöhnte genervt, ging zurück und packte ihre Hand. „Komm, du hast doch genug anderes bekommen.“ „Will haben!“, quengelte sie in steigender Lautstärke und mit zunehmend rotem Gesicht. Ich war drauf und dran etwas zu sagen, als wie aus dem nichts eine Hand hinter mir hervorkam und Titi eine Mandarine reichte. „Wie wäre es damit?“, fragte eine sanfte Frauenstimme, woraufhin Titi aufsah, die Mandarine i n den kleinen Fingern, und sich beruhigte. „Robin!“ Am liebsten hätte ich sie umarmt, denn obwohl unser Kontakt mehr sporadisch und distanziert war, mochte ich sie sehr gerne. Sie war ruhig, freundlich und hatte für beinahe alles Verständnis, zumindest hatte ich immer den Eindruck bei ihr, wenn ihr etwas erzählte. Aber Robin war gleichzeitig stets darauf bedacht genügend Abstand zu halten und von sich selber nicht allzu viel preiszugeben, ich vermute deswegen sah sie mir auch nur selten direkt in die Augen. Ich hatte sie vor einigen Jahren in der U-Bahn kennengelernt, als ich sie gefragt hatte, was sie da lese. Eigentlich machte ich mir nicht viel aus Büchern, doch der Einband und die Schrift „der Regenbogennebel“ hatten mich neugierig gemacht. Zu meiner Verwunderung hatte sie mir freundlich geantwortet und den Inhalt des Buches zusammengefasst und nicht wie die anderen Leute in der U-Bahn mich ignoriert oder sich weggesetzt. Robin lächelte leicht, erhob sich aus der Hocke und schob den Gurt ihrer Tasche zurück auf ihre Schulter. Wenn sie stand, überragte sie mich locker um einen Kopf. „Wir haben uns lange nicht mehr gesehen, Ruffy-san. Studierst du immer noch Biologie?“ „Ja, noch zwei Semester, dann bin ich fertig“, ich grinste, „bin sozusagen in der heißen Phase. Und was ist mit dir? Arbeitest du immer noch als Sekretärin?“ Robin schüttelte den Kopf und warf einen Teil des schwarzen Haares, das von einer Lesebrille zurückgehalten wurde, über die Schulter. „Zum Glück nicht mehr. Weißt du noch, als du damals zu mir gesagt hast, man sollte immer das machen, wonach einem der Sinn steht?“ Im ersten Moment wirkte es ein wenig befremdlich für mich, aber vor Nami hatte ich immer so gehandelt und nach diesem Prinzip gelebt, es zu meinem Leitspruch erkoren, immer nur getan, was ich auch wirklich wollte. Ich nickte. „Noch in derselben Woche habe ich die Kündigung eingereicht und mich nach einem Platz als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Archäologie erkundigt.“ „Und?“ „Es hat auf Anhieb geklappt.“ Ihr Gesicht nahm einen zufriedenen Ausdruck an. Mich freute es ehrlich das zu hören und vor allem, dass Robin mir von sich aus, etwas von sich erzählte. Bei unseren Begegnungen zuvor hatte ich sie immer ausfragen müssen und dennoch hatte sie die Antworten stets nur durchschimmern lassen. Ich glaube, Robin schrieb lieber Briefe als direkt zu sprechen, sodass sie kontrollieren konnte, wie viel sie ihrem Gegenüber preisgab. Sie erzählte mir noch, dass sie durch den Arbeitswechsel auch jemanden kennengelernt hätte, fragte mich nach Vivi. Robin und Vivi kannten sich, nicht gut, und Vivi war auch lange Zeit nicht gut auf sie zu sprechen gewesen. Was auf mich manchmal echt gruselig gewirkt hatte, immerhin hatte Vivi ansonsten ein Herz aus Gold. Angesichts der Tatsache, dass Robin damals indirekt an den Problemen ihres Vaters, die letztendlich zu seiner Versetzung geführt hatten, beteiligt gewesen war, konnte ich es jedoch verstehen. Doch Robin hatte es nicht aus Böswilligkeit getan, dessen war ich mir sicher. Dieser andere Typ, der ständig eine Zigarre im Mundwinkel hängen gehabt hatte, musste sie da mit reingezogen haben. Andernfalls hätte sie Kobra-sama nicht vor allen um Verzeihung gebeten. Ich bin mir sicher, dass Robin das jede Menge Überwindung gekostet haben musste. Vielleicht war dieses Ereignis auch ausschlaggebend dafür gewesen, dass sie woanders neu anfangen wollte. Sie verabschiedete sich schließlich von mir mit einem Zwinkern und der Begründung, sie sei noch verabredet, und streichelte Titis Wange. „Auf Wiedersehen, kleine Prinzessin.“ An der Kasse angekommen, half Titi mir dabei den Korb auszuräumen, während die Kassiererin die Sachen einscannte. Einen Teil bezahlte ich mit meinem letzten Geld, den Rest ließ ich anschreiben. Das Privileg hatten wir, da unsere Wohnung direkt gegenüberlag und wie so was wie Stammkunden waren. „Und immer schön lieb zum Papa sein, ja?“, sagte sie zu Titi, nachdem sie ihr einen Lolli geschenkt hatte, und sah mir zwinkernd an. „Ähm, ich bin ihr Onkel“, antwortete ich und die Frau runzelte für einen Moment die Stirn, ehe es ihr dämmerte. „Stimmt, der kauft ja auch immer die vielen Schokoriegel.“ Ich lachte, stopfte das Zeug in zwei Plastiktüten und versuchte sie zusammen mit Titi hochzunehmen. Zum Glück kam gerade ein Mädchen in den Laden, das mir die Tür aufhielt, bis ich draußen war. Mühsam jonglierte ich Titi, die Taschen und den Schlüssel in meinen Händen, und stieg die Treppe zur Wohnung hinauf, als mich beinahe der Schlag traf. Anscheinend hatte ich heute noch nicht genug Begegnungen gehabt. Den Fuß im immer selben Takt auf den Boden tippend und mit verschränkten Armen stand mein Opa vor der Tür, schaute regelmäßig auf seine Uhr und blies die Luft zwischen den Zähnen hindurch. Der wartete wohl schon eine ganze Weile darauf, dass ihm jemand öffnete. Ein Wunder, dass er noch nicht eingestiegen war. „Na endlich!“, donnerte mir seine Stimme entgegen, als er mich erblickte. „Ich hab mir hier die Beine in den Bauch gestanden.“ „Tut mir leid, Opa. Aber ich war gerade noch einkaufen und sonst ist niemand da.“ Er legte die Stirn in Falten. „Wo treibt sich der Bengel schon wieder rum?“ Dass manche Leute an einem Werktag morgens arbeiteten, schien ihm komplett entfallen zu sein. Wahrscheinlich hatte er das Vergessen, als er in Rente gegangen war. Ich drückte ihm Titi in die Arme, die mit leuchtenden Augen an seinem Bart zupfte, schloss die Tür auf und bat ihn herein. Ich kam mir irgendwie blöd dabei vor, das alles auf dem Flur zu klären, abgesehen davon, dass ich die Einkäufe verstauen wollte. „Ace und Vivi sind vorgestern zu ihrem Vater gefahren, weil er einen Unfall hatte.“ „Und was sollen die beiden da jetzt machen? Händchen halten oder was?“ Ich hatte ehrlicherweise keine andere Antwort von meinem Opa erwartet, wenigstens ein kleines dankendes Nicken bekam ich, als ich die Teetasse vor ihm auf den Tisch stellte. „Hat dir Ace denn gar nichts erzählt?“ „Ace und mir was erzählen?“, er lachte laut. „Der meldet sich doch nur bei mir, wenn er meine Hilfe oder Geld braucht.“ Ich trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte und wich seinen stechenden Augen aus. Mit mir war es genau dasselbe. Doch es schien mir jedes Mal so, als nerve ich Opa, wenn ich ihm von meinem Alltag, der Uni und so erzählte. Meist sagte er ja auch noch, er könne damit eh nichts anfangen. „Ja, und was wollen die jetzt da unten? Ich dachte, das Verhältnis wäre angespannt?“ „Das auf jeden Fall, aber ihr Vater kann seit dem Unfall nicht mehr laufen und jetzt muss Vivi schauen, dass sie ihn versorgt bekommt. So als einziges Kind...“ „Mir wird aber immer noch nicht klar, warum Ace da mitkommen muss. Sie ist doch alt genug, um sich alleine um so was zu kümmern.“ Opa kannte Vivis Vater schlecht. Vor allem aber hatte er keinen blassen Dunst davon, wie so ein Treffen ablief. Ich beließ es dabei zu schweigen, zuckte auf seine hochgezogene Augenbraue hin die Achseln und tat so als wüsste ich nichts mehr dazu. Ich hatte Dadan schon nichts erzählen wollen und sie hatte immerhin vollstes Verständnis für Ace. Wie es aussah, hatte Opa sich auch nicht weiter dafür interessiert. Zwar hatte er noch mal deutlich gemacht, was er davon hielt, dass die beiden „einfach so faulenzten, statt zu arbeiten“, es dann aber auch gut sein lassen und mir stattdessen ein paar Belanglosigkeiten erzählt. Titi hatte die ganze Zeit über zusammengekauert auf dem Sofa geschlafen und sich nicht einmal von seinem lauten Lachen wecken lassen. Vorsichtig nahm ich sie auf den Arm, um sie in ihr Bett zu bringen, als ich die Vibration meines Handys spürte. Ein wenig unentschlossen, wie ich weiter vorgehen sollte, legte ich Titi wieder ab und nahm den Anruf entgegen. Ich hatte in der Eile nicht mal das Display kontrolliert. „Ja?“ „Hey Ruffy! Alles klar bei dir?“ Wer außer Ace sollte mich auch schon anrufen? „Noch ja, Titi schläft gerade“, antwortete ich, ließ mich aufs Sofa sinken und schmiegte mich an die Lehne. „Und bei dir?“ „Das meinst du doch sicher nicht ernst“, gab er spöttisch zurück, „wie soll es schon sein? Furchtbar natürlich.“ Ich sparte mir das Nachfragen, entweder hatte er keine Lust drüber zu reden oder es kam von selber. „Na ja, ich hatte ja nichts anderes erwartet. So konnte ich wenigstens nicht enttäuscht werden“, Ace machte eine kurze Pause, „Wir fahren morgen früh mit dem ersten Zug zurück und wären dann gegen Mittag wieder da. Nur dass du Bescheid weißt.“ „Alles klar“, antwortete ich, „Opa war vorhin hier.“ „Was wollte der denn? Ist seine Lieblingsserie schon wieder abgesetzt worden? Und der Sender beantwortet seine Briefe nicht?“ Ich wusste genau, worauf er anspielte, und grinste in mich hinein. Mein Opa war ein leidenschaftlicher Zuschauer von Trash-TV und diese absolut grottig gespielten Ermittlersendungen sah er am liebsten – wahrscheinlich war er der Einzige, denn sein absoluter Favorit war bereits mehrmals eingestellt worden, woraufhin Opa mit einer Flut von Beschwerdebriefen reagiert hatte. „Nein, ich glaube, er wollte nichts Bestimmtes...“ „Ach, bloß mal wieder kontrollieren, ob alles in Ordnung ist?“ „Genau...Ace, bevor ich's vergesse“, ich musste ein Lachen unterdrücken, obwohl ich allein beim Gedanken daran schon hätte platzen können. „Opa war jetzt neulich beim Arzt.“ „Ja und?“ Ich konnte mir genau vorstellen, wie er in diesem Moment den Mund verzog. Ich lachte und verschluckte mich beinahe, als ich mit der Erzählung beginnen wollte. „Schluck's erst mal runter, Ruffy“, hörte ich Ace lachen. „Okay, jetzt geht’s wieder“, sagte ich und atmete tief ein und aus, „Opa war also beim Arzt, weil er irgendwie Probleme mit dem Rücken und den Ohren hat.“ „Fängt ja schon mal wie der klassische Blondinenwitz an...“ Ich kicherte. Ace kannte die Pointe ja noch gar nicht. „Jedenfalls hat er ihm gesagt, er solle auch mal überlegen, wie alt er wäre. Weißt du, was Opa dann gebracht hat?“ „Nein?“ „Opa ist wutentbrannt aufgestanden und hat ihn angebrüllt von wegen, er bräuchte keinen Quacksalber, der ihm sage, wie alt er sei, das wüsste er selber!“ Für einen Moment war es so still, dass ich die Leitung knacken hören konnte, ehe es aus ihm herausbrach. Ich glaube, so hat er noch nie gelacht, während er sich in Kyushu befand. „Das hat er nicht gebracht, oder? Dieser Mann ist unfassbar!“ Es fiel mir schwer Luft zu holen, konnte nicht anders als mit zu lachen und doch kurz innezuhalten, als ich Vivi im Hintergrund fragen hörte, was passiert sei. Es war zu komisch, wie Ace versuchte ernst zu bleiben und ihr dieselbe Geschichte zu erzählen, die ich ihm vor wenigen Augenblicken verkündet hatte. Ständig brach er in neues Gelächter aus oder verschluckte die Worte. Als er es endlich geschafft hatte, lauschte ich gespannt auf Vivis Reaktion. Es mochte kein lautes Lachen gewesen sein, aber es reichte, um Ace sagen zu lassen: „Ein Gutes hat Gramps' Art ja. Sogar Vivi lächelt wieder.“ Kapitel 4: Wiedersehen macht Freude ----------------------------------- Dank Titi war ich bereits früh wach. Zwar war es mir ein Rätsel, wie sie aus ihrem Bett geklettert und in mein Zimmer gekommen war, aber die Tatsache, dass sie es geschafft und sich wie ein nasser Sack auf meinen Bauch hatte fallen lassen, war nicht von der Hand zu weisen. „Luffi, aufstehen! Hunger!“ Sie bohrte ihren Finger in meine Wange und entging dabei nur knapp meinem Auge. „Noch ein bisschen schlafen, Prinzessin“, murmelte ich, drehte mich auf die andere Seite und schloss sie dabei in die Arme. „Bitte.“ „Nein“, erwiderte sie strikt nach einem flüchtigen Kichern, strampelte und kämpfte sich schließlich frei. „Hunger, Luffi!“ Zerknautscht und als wäre es das schwerste der Welt öffnete ich die Augen einen Spalt, blickte Titi an, die die Wangen beleidigt aufgebläht hatte, und dann auf mein Handy, das mir verkündete, dass es noch viel zu früh zum Aufstehen war – nach meinem Geschmack jedenfalls. Da ich aber genau wusste, wie unbequem Titi werden konnte, quälte ich mich unter Stöhnen aus der kuscheligen Decke, streifte mir schnell etwas über und ging in die Küche. Sie folgte mir wie ein Schatten. Was sie essen wollte, brauchte ich nicht zu fragen. Ihre Augen begannen bereits zu strahlen, als sie die Gläschen im Schrank stehen sah. „Bleiiii!“ Ich füllte den Inhalt eines Gläschen in eine Plastikschüssel und gab ihr einen Löffel. Wenn sie hungrig war, landete mehr Essen in ihrem Mund als auf meinen Klamotten, wofür ich äußerst dankbar war, da sie darauf bestanden hatte, auf meinem Schoss zu sitzen. „Wo ist die Mama?“, fragte Titi plötzlich, mit dem Essen war sie noch nicht fertig, und hob das Köpfchen. „Die ist jetzt im Zug“, antwortete ich, nach einem kurzen Blick auf die Uhr. „Sie müssten vor ungefähr einer Stunde losgefahren sein.“ Titis Augen nahmen einen fragenden Ausdruck an. Natürlich konnte sie mit dieser Bemerkung noch wenig bis gar nichts anfangen. „Auf dem Weg nach Hause! Gleich ist sie wieder hier.“ Kurz erhellte sich ihr Gesicht, schlug dann aber ins komplette Gegenteil um. Trotzig rutschte sie von meinem Schoss runter. „Mama!“ Ich streichelte über ihren Kopf, während ich den Rest Pflaumen-Birnen-Brei aus der Schüssel kratzte und selber aß. „Du musst noch ein bisschen Geduld haben.“ Natürlich hatte Titi die nicht, verkündete das in einer wahnsinnigen Lautstärke und wich mir nicht mehr von der Seite, egal was ich machte. Nicht einmal ihr Lieblingsbuch oder ihr Lieblingsfilm, die ich beide gewiss schon mehr als eine Million Mal gelesen beziehungsweise gesehen hatte, vermochten sie abzulenken. „Sonst willst du doch auch immer 'Oh wie wunderbar ist Paraguay' lesen“, seufzte ich, als sie sich demonstrativ aus meinem Arm befreite und das Bett herunter kraxelte. „Mamaaaa“, plärrte sie in diesem Tonfall, der einen Heulkrampf voraussagte. Schwer atmend legte ich das Buch zur Seite, mein Blick fiel auf die Widmung, die in schnörkelhafter Schönschrift auf die erste Seite geschrieben wurde. Eindeutig Namis Handschrift. Selbst ein Kinderbuch konnte man nicht aufschlagen, ohne an sie erinnert zu werden. Dabei hatte ich mir das doch fest vorgenommen. Um sie komplett aus meinem Kopf zu kriegen, müsste ich wohl doch ans andere Ende der Welt flüchten. Wie lange man wohl nach Paraguay flog? „Luffi, Mama suchen“, wiederholte Titi mit der Hartnäckigkeit eines Papageis, riss an meinem Shirt und zog eine Schnute, als hätte man ihr soeben all ihr Spielzeug weggenommen. Doch ich weigerte mich ihrem Dickkopf so schnell nachzugeben, sie konnte nicht immer ihren Willen bekommen. Es gelang mir tatsächlich sie für zwei Stunden abzulenken, bis nicht einmal mehr Schokolade sie zu besänftigen vermochte. Schließlich gab ich nach und wir machten uns auf den Weg zum Bahnhof, um dort auf die Ankunft von Ace und Vivi zu warten. Dass wir viel zu früh waren, musste mir nicht erst der Plan für die Ankunftszeiten verraten, trotzdem suchte ich mit dem Finger auf der Tafel die genaue Uhrzeit und versuchte dabei Titi auf meinem Arm stillzuhalten. Sie rutschte beinahe herunter, zupfte immer wieder an ihrer Mütze und dem Schal. Selbst wenn es sie störte, abnehmen konnte ich ihr die Sachen nicht, dafür war es viel zu kalt und windig. Ich richtete ihren Schal, lächelte sie an und kniff ihr flüchtig in die gerötete Wange. „Nicht mehr lange, dann sind sie wieder hier.“ Ich hoffte, die Zeit schnell rumzukriegen, Titi tat ihr Bestes, um es mir möglichst schwerzumachen. Jeder weiß, sich alleine am Bahnhof die Wartezeit zu vertreiben, ist beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, dabei ein Kleinkind zu bespaßen, grenzt an Utopie. Ich konnte den anderen Wartenden ihre skeptischen und teils genervten Blicke nicht verübeln, als wir die Bahnhofshalle betraten. Früher war meine Laune auch gesunken, sobald ich in der Bahn ein Kleinkind erspäht hatte – lustigerweise war Ace da immer am schlimmsten gewesen -, deswegen gab ich mir besondere Mühe, Titi gar nicht erst quengeln zu lassen. Die alte Frau in der Bäckerei, bei der ich einen Kaffee mit extra viel Zucker bestellte, war so vernarrt in Titi, dass sie ihr spontan ein Schokohörnchen schenkte und somit für eine Weile beschäftigte. „Was sagt man?“ „Dankeeee!“ Ein wenig neidisch beobachtete ich, wie sie die Spitze des Hörnchens mehr lutschte als wirklich aß, während ich immer mal wieder an meinem Kaffee nippte und die Freude kaum verbergen konnte, als sie „Für dich, Luffi.“ sagte und es mir reichte. Ein Blick zur Anzeigentafel verriet mir, dass es allmählich Zeit wurde zum Bahnsteig zu gehen. Zwar dauerte es noch immer ein wenig, bis der Zug angekommen würde, mittlerweile aber hatte ich selber keine Lust mehr in der Halle vor mich hinzustarren. Ein Weile scheuchten wir die Tauben auf, die sich um die fallengelassenen Krümel diverser Fahrgäste scharrten, bis endlich die Durchsage ertönte, dass der Zug aus Kyushu Einfahrt auf Gleis vier hatte. „Schau mal, Titi, mit dem Zug kommen sie“, sagte ich, deutete auf den einfahrenden Zug und konnte genau beobachten, wie ihre Augen größer wurden. „Mama, Papa!“ Sie begann zu zappeln, aber ich ließ sie nicht herunter. Obwohl ich mich extra ein wenig Abseits gestellt hatte, war es mir angesichts des fahrenden Zugs und der Massen, die sich jeden Augenblick daraus drängeln würden, viel zu gefährlich, Titi von meinem Arm zu lassen. Sie dankte es mir mit Jammern und Strampeln, was ich ihr in dieser Situation nicht verübeln konnte. Es war schließlich das erste Mal, dass sie solange von ihren Eltern getrennt gewesen war. Als der erste Ansturm an uns vorbei gezogen war und der Strom sich lichtete, entdeckte ich Vivi und Ace endlich. „Mama!“ Kaum hatte sie die Stimme erkannt und ihren Ursprung entdeckt, strahlte Vivi übers ganze Gesicht. Ich setzte Titi ab und konnte nicht so schnell schauen, wie sie direkt in Vivis Arme stolperte. Sie küsste ihre Stirn und presste sie fest an sich. „Warum begrüßt du mich eigentlich nicht so euphorisch?“, fragte Ace mit einem Zwinkern, als ich sie erreicht hatte. „Na, mir ist das peinlich vor allen Leuten“, er knuffte meine Schulter, „schön, dass ihr wieder da seid!“ „Ich freu mich auch, wieder Zuhause zu sein“, sagte Vivi und es war ihr nur allzu deutlich anzusehen, wie ernst sie dies meinte. Auf dem Heimweg hatten sie mir einen kleinen Überblick über die Lage verschafft, das Meiste wahrscheinlich aber verschwiegen oder geschönt, worüber ich ganz dankbar war. Ich musste nicht alles wissen und um ehrlich zu sein, belastete ich mich nicht gerne damit. Es gab genug eigenen Kram, der mich ständig ins Grübeln brachte. Zu Hause angekommen erkundigte Vivi sich kurz danach, ob während ihrer Abwesenheit irgendwas Wichtiges vorgefallen wäre oder jemand angerufen hätte. Ich verneinte, erzählte von der Übernachtung bei Dadan und wie begeistert Titi von den Kätzchen gewesen war. Vivis Augen leuchteten. „Dadan hat Kätzchen? Wie viele? Wie alt? Welche Farbe?“ Sie hielt die Tasse fest in Händen, nippte ab und an daran und wirkte wie ausgewechselt. „Zwei Stück sind es, ein Schwarzes und ein Weißes. Und ich glaube, sie sind erst acht Wochen oder so.“ „Süß!“, quietschte sie und sah zum Sofa rüber, auf dem Ace und Titi lagen. „Super, genau das, was Dadan braucht – noch mehr Tiere“, witzelte Ace, trank einen Schluck von seiner Cola und verschränkte die Arme hinterm Kopf, wobei er flüchtig zu Vivi blickte. „Guck mich nicht so an, ich weiß genau, was du mir damit sagen willst. Aber meine Antwort ist nein.“ „Warum denn?“ „Darum, außerdem haben wir doch schon so was wie ein Haustier.“ „Haha.“ Ich spendierte Ace eine Kopfnuss, die vor allem Titi belustigte. „Fang nichts an, was du nicht beenden kannst, Ruffy“, drohte er und war drauf und dran, mich in den Schwitzkasten zu nehmen, als ich mich gerade noch aus seinem Griff wenden und in mein Zimmer verkrümeln konnte. Allerdings erwartete mich hier ein anderes Schlachtfeld. Noch immer lagen Bücher, Shirts und Snackpapiere auf dem Boden herum. Hätte Dadan mich nicht besuchen können? Bestimmt hätte sie es irgendwann nicht mehr ausgehalten und für mich aufgeräumt. „Junge, in so einer Unordnung kann man doch nicht gescheit lernen“, hätte sie gesagt, die Ärmel hochgekrempelt und die gesamte Wohnung auf Vordermann gebracht. Vivi hätte das sicherlich nicht gefallen, ihr war es gar nicht recht, wenn Dadan sich in ihre Haushaltsführung einmischte. Seufzend hob ich die Reste diverser Schoko- und Müsliriegel auf, stopfte sie in meinen Mülleimer und schob die schmutzige Wäsche mit dem Fuß auf einen Haufen, bevor ich die Bücher auf meinen Schreibtisch wuchtete. Lust hatte ich ja keine, doch die Prüfungen würden nicht meinetwegen verschoben und ich hatte einfach keine Lust das Modul nächstes Jahr zu wiederholen. Drei Stunden brütete ich über den Büchern, hatte mich gezwungen, jeglicher Verlockung von außen zu widerstehen, und brav meine Notizen gemacht, als die Tür sich öffnete und Vivi mit einem Tablett hereintrat. „Ich dachte, dass eine kleine Pause dir ganz gut tun könnte“, sagte sie, balancierte unter größten Mühen das Tablett zu meinem Schreibtisch und stellte es ab. „Das ist grüner Tee und Cracker.“ Sie wuschelte mir über den Kopf und lächelte. „Sage ich dir eigentlich oft genug, wie dankbar ich dafür bin, dass du uns – vor allem mich – so sehr mit Titi unterstützt?“ Ich knabberte einen Cracker und trank etwas von dem Tee. „Ich denke schon“, sagte ich beiläufig, linste zu ihr und grinste breit, als ich sah, dass sie ein wenig verunsichert wirkte. „Ach, Quatsch natürlich! Mach dir darum mal keinen Kopf. Das mache ich doch echt gerne.“ Sie drückte mich, errötete und huschte hinaus, ehe sie die Tür ganz schloss, sagte sie: „Dafür koch ich heute Abend auch was Schönes.“ Ich rieb mir die Hände und konnte gar nicht mehr aufhören, mich zu freuen. Dadan kochte gut, aber im Gegensatz zu Vivis Kochkünsten war das bloß annehmbar. Sie war eine Virtuosin am Gewürzregal und ich vermutete, dass sie sich die Tricks von Namis Koch abgeschaut hatte. Das beste Essen hatte es zweifellos an dem Abend gegeben, als Marco zum Essen eingeladen gewesen war. Ace und sie hatten sich bei ihm bedanken wollen, dass er ein gutes Wort für ihn eingelegt und somit seine Kündigung verhindert hatte. Er und Ace arbeiteten in einer Schokoladenfabrik – Whitebeard&Söhne – und mein Bruder hatte dem kleinen Hunger zwischendurch nicht widerstehen können. Ein Aufseher hatte ihn dabei beobachtet, wie er einen der Riegel vom Band genommen und in seinem Mund verschwinden lassen hatte. Würde ich seinen Job machen, wäre ich bestimmt schon am ersten Tag gefeuert worden, denn die Riegel von Whitebeard waren die Leckersten des gesamten Planeten. Jedenfalls hatte Marco Ace noch rausboxen können, indem er dem alten Whitebeard von dessen Qualitäten vorgeschwärmt hatte. Welche genau das sein sollte, wüsste ich zu gerne. Vivi hatte extra für ihren Gast dieses teure Rindfleisch gekauft, weshalb sie noch eine extra Schicht hatte einlegen müssen. Ich weiß nicht, was sie genau damit gemacht hat, aber es erweckte bei Kontakt mit der Zunge, die Vorstellung eines Paradieses. Zwei hauchdünne Scheiben hatte sie mir auf den Teller gelegt und mich mit scharfem Blick gemustert, als ich sie um einen Nachschlag gebeten hatte. Marco musste wohl Mitleid mit mir gehabt haben, denn er gab mir die Hälfte seines Stückes. Es wunderte mich nicht, weshalb Ace ihn so sehr mochte. Es dauerte nicht lange, bis ich alle Cracker gegessen und mein Buch mit ihren Krümeln übersät hatte. Wenigstens die obligatorischen Teeflecken hatte ich verhindern können. Mein Kopf dröhnte, signalisierte das Ende der Aufnahmebereitschaft und ich hielt es für das Beste, an dieser Stelle das Lernen für heute zu beenden. Ich warf mich gegen die Lehne meines Drehstuhls, verhinderte im letzten Moment ein Umstürzen und drehte mich einige Mal um die eigene Achse. Noch zwei Tage bis zur Abschlussprüfung... Ob ich bis dahin alles speichern konnte? Ich durfte nicht durchfallen. Zwar hätte ich noch einen Wiederholungsversuch, doch der Druck, dem ich danach ausgesetzt wäre, wäre unerträglich. Von allen Seiten würden sie fragen, woran es gescheitert wäre. Ich stoppte, legte die Ellbogen auf den Knien ab und stützte mein Kinn auf den Händen, bloß um Sekunden später aufzuspringen, meine Schlüssel zu schnappen und hinaus zu flüchten. Vivi hantierte in der Küche mit einigen Pfannen herum und bemerkte mich in ihrem Eifer gar nicht, während Titi Ace, der noch immer auf der Couch pennte, ihre Wachsmalstifte in die Nasenlöcher rammte. Sonst hätte ich mir das gewiss nicht entgehen lassen, aber in diesem Moment drängte mich alles nach draußen. Ich musste weg. Ungewöhnlich kalt für diese Jahreszeit ging der Wind und ließ mich frösteln, als ich die Straße entlang lief, nicht wissend, wohin ich eigentlich wollte. Einige Schüler kamen mir entgegen, zumindest vermutete ich das, aufgrund der Uniformen, die sie trugen. Sie waren ausgelassen, lachten und neckten einander. Ich sah ihnen nach. Genauso war ich auch einmal gewesen. Ich sah mich schon zwischen ihnen herlaufen. Die Tasche über die Schulter gehangen, ein breites Grinsen im Gesicht und neben mir Nami, die entweder herzhaft mit mir lachte oder mir einen Satz heißer Ohren androhte, Vivi, die immer versucht hatte, zwischen uns zu vermitteln, und Lysop, ein wirklich guter Freund, der mir zum Glück auch im Studium erhalten geblieben war, wohl die besten Ideen hatte und selbst aus einem Kronkorken eine Bombe bauen konnte. Es war alles so anders damals. Ich war anders. Locker. Unbeschwert. „Glücklich“, ergänzte ich leise, strich mir einige Haare aus der Stirn und wandte mich wieder nach vorne. Doch zu spät. „Du schon wieder?! Guckst du denn nie nach vorne?“ „'Tschuldigung“, nuschelte ich und hob den Kopf. Die schwarzhaarige große Frau aus der U-Bahn! „Hey, dich kenne ich doch“, sagte ich, zeigte unbewusst mit dem Finger auf sie, „du warst neulich in der U-Bahn!“ „Ja, und da hast du mich auch schon angerempelt. Schämst du dich denn nicht, so mit einer Dame umzugehen?“ Sie zog die Stirn kraus, musterte mich streng und bohrte ihren Zeigefinger in meine Brust, nachdem sie meine Hand empört zur Seite geschlagen hatte. Ich zuckte die Achseln. Abgesehen davon, dass sie sich alles andere als damenhaft verhielt... „Irgendwie musste ich ja aussteigen und dabei aufpassen, dass keiner meiner Nichte den Ellbogen gegen den Kopf rammt.“ „Das war deine Nichte?“ Sie wirkte überrascht. Ich hob eine Augenbraue an. Was sollte denn diese Reaktion? „Äh...ja. Wieso?“ Sie blinzelte, wandte den Kopf von mir weg. „Ach nur so.“ Ich nickte und blickte sie fragend an, nachdem sie wie eine Salzsäule im Weg stand. „Sonst noch was?“ „...“ „Wie heißt du eigentlich? Dann kann ich mich das nächste Mal gleich persönlich bei dir entschuldigen“, sagte ich grinsend, während sie rot um die Nasenspitze wurde. „Han...Hancock.“ „Okay, Hamnock, dann bis zum nächsten Mal.“ Ich schüttelte ihre Hand und wollte gerade weitergehen, als ich spürte, wie sie mich zurückhielt. Hatte ich schon wieder was falsch gemacht? „Hm?“ „Ich weiß ja gar nicht, wie du heißt...“ „Achso“, lachte ich und kratzte mich am Hinterkopf. „Ich bin Ruffy.“ „Ruffy, würdest du...Ich meine, hättest du...“ „Was denn, Hamnock?“ Sie sah zur Seite. Irgendwie war diese Frau verdammt seltsam. Einerseits so herrisch und launisch, andererseits so...schüchtern? „Würdest du einen Kaffee mit mir trinken?“ Ich legte den Kopf schief. War ich im falschen Film? Versteckte Kamera? „Eigentlich habe ich dafür keine Zeit...“ „Bitte“, sie spitzte die Lippen, errötete und legte eine Hand an ihre Wange. Wollte sie mich damit etwa überzeugen? Ich holte mein Handy aus der Tasche und schaute auf die Uhr. „Na gut, aber nur wenn es ganz schnell geht...“ Noch bevor ich blinzeln konnte, schleifte sie mich hinter sich her, bis ich am Ende der Straße das Kazaguruma erblickte. Namis Lokal. Ich rammte die Hacken in den Boden und hielt an. „Was ist denn, Ruffy? Hast du es dir anders überlegt? Oh bitte nicht!“ „Ne, Hamnock, so ist das nicht“, druckste ich herum, kratzte mich an der Stirn. „Ich mag den Laden da vorne einfach nicht. Also das Essen ist gut und so, aber...“ „Lass mich raten, die Bedienung ist sooo unfreundlich.“ Überrascht riss ich die Augen auf, sie redete unbeirrt weiter. „Die Blauhaarige mag ja ganz okay sein, aber diese Rothaarige. Ein schrecklich unfreundliches Weib.“ Ich kicherte leise, auch wenn jeder Gedanke an Nami ein Magenziehen mit sich zog. „Nami?“ „Heißt sie so?“ „Ich weiß, dass dort nur zwei Kellnerinnen arbeiten. Die Blauhaarige ist meine Schwägerin und die Rothaarige kann demzufolge nur Nami sein.“ „Du kennst die Bedienungen?!“ Hamnock schien geschockt. Ich neigte den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Warum denn nicht?“ „Ist diese Nami etwa deine Freundin?“, fragte sie auf einmal fast hysterisch. Was ging denn mit der ab? Langsam aber sicher kam mir das Ganze immer mehr wie ein großer Fehler vor. Diese Frau war offensichtlich nicht mehr ganz zurechnungsfähig. Wieso hatte ich noch mal zugesagt? „Nein, ist sie nicht. Ich war mit ihr in der Schule.“ „Ah, ach so“, murmelte sie. „Wollen wir woanders hingehen?“ „Mir egal“, sagte ich, erblickte Nami vor dem Lokal, die scheinbar schon eine Weile hergesehen haben musste, und bekam die Idee. „Nein, lass uns doch dahin gehen, ich glaube, gleich ist Happy hour.“ Hamnock klammerte sich an mich und zog mich fast wie einen Schosshund hinter sich her. Bestimmt hätten mich einige darum beneidet, hübsch war sie ja, meine Aufmerksamkeit jedoch lag allein auf Nami, deren Augen beinahe aus ihren Höhlen fielen, als wir uns ihr näherten. Ich begrüßte sie mit einem beiläufigen Nicken – mehr brachte ich nicht zustande, Hamnock warf bloß den Kopf in den Nacken und reckte die Nase in die Höhe. Wir wurden vom Koch persönlich an einen Tisch geführt. Woran das lag, war nur allzu deutlich. Er konnte sich Hamnock gegenüber kaum zurückhalten, überhäufte sie mit Komplimenten und ignorierte mich rigoros. Ob Nami davon wusste? Wenn ja, warum tat sie sich so was an? Und warum machte er das? Nami war seine Freundin. Nami! Die Frau, die mich fast täglich um den Verstand brachte und mich nicht mehr losließ, nach der ich mich so verzerrte... Später brachte Nami uns die Cocktails an den Tisch, hatte nur ein müdes Lächeln für mich übrig und erkundigte sich nach Vivi. Hamnock warf sie einen bitterbösen Blick zu, der locker als Waffe hätte durchgehen können, diese wandte sich gleich ganz ab. Wow, zwischen den beiden musste wohl mal irgendetwas vorgefallen sein oder sie hassten sich einfach so. Komische Sache, aber ich glaube manche Frauen brauchten das einfach. Ich stocherte mit dem Strohhalm in den Eiswürfeln meines Mojitos und warf einen weiteren Blick auf die Uhr. Eigentlich müsste ich schon längst wieder nach Hause oder zumindest Bescheid sagen. Hamnock sah mich erwartungsvoll an. Ich konnte sie doch nicht einfach so sitzen lassen, selbst wenn ich es gerne getan hätte. „Und, Ruffy, was machst du so?“, fragte sie, ich tippte auf meinem Handy herum und bedeutete ihr, zu warten. Rasch hatte ich Ace geschrieben, dass es später werden würde und prompt kam auch die Antwort. Wie, länger? Wann bist du denn rausgegangen? „Sorry, ich muss meinem Bruder noch antworten. Weißt du, Vivi hat extra für mich gekocht.“ „Diese Vivi ist aber seine Frau, ja?“ Wieder dieser hysterische Tonfall. Ich hob eine Augenbraue. „Ja, seine Frau und Mutter des Kindes, dessen Kopf du fast zu Brei gedrückt hättest“, nuschelte ich und tippte die neue Nachricht an Ace: Ich bin gegangen, während du gepennt und Titis Stifte mit der Nase gegessen hast. Bin spätestens in einer Stunde wieder zu Hause. Hab 'ne Bekannte getroffen. Kaum abgeschickt piepste es schon wieder. Soso, eine Frau. Mach mich stolz, Kleiner. Ich schüttelte den Kopf. Dieser Spinner. „So, du hattest was gefragt, Hamnock.“ „Eigentlich heiße ich Hancock“, korrigierte sie mich. „Oh, sorry, das hättest du mir auch vorher sagen können.“ „Ach, ist doch kein Problem, Ruffy“, flötete sie, warf das lange schwarze Haar gekonnt über die Schulter und stützte ihr Kinn auf den Handrücken ab. Kaum zu glauben, dass dieses liebe Verhalten in Sekundenschnelle ins Gegenteil umschlagen konnte. „Ich hatte gefragt, was du so tust. Arbeitest du?“ „Nein, ich studiere noch“, antwortete ich und zog an meinem Strohhalm. Sie lächelte. „Oh das hätte ich doch fast ahnen können, so jung, wie du aussiehst.“ „Joa, bin vor kurzem 21 geworden.“ Ich wollte nicht „und du?“ fragen, das wäre sicherlich unhöflich gewesen, außerdem war es eindeutig, dass sie einige Jahre älter als ich war. Ich schien ihr damit sehr entgegenzukommen. Wir tauschten einige belanglose Dinge aus, wobei ich den Eindruck hatte, dass Hancock das unbedingt vertiefen wollte. Ich blockte ab. Sie wirkte ganz nett, aber mich öfters mit ihr zu treffen und ihr womöglich noch Hoffnung auf etwas machen, wollte ich irgendwie nicht. Objektiv betrachtet war sie eine wunderschöne Frau, wenngleich ich ihre Stirn zu hoch fand, dennoch konnte niemand das Gegenteil über sie behaupten. Was mich abschreckte, war ihr launenhaftes, zickiges Wesen. Wer wusste schon, wie ihre Stimmung das nächste Mal sein mochte? Zu Hause wurde ich bereits von einem breit grinsenden Ace erwartet, der gewiss die ganze Zeit hinter der Tür gehockt hatte, um mich ja nicht zu verpassen. „Uuuuuund?“ „Was und?“, fragte ich, streifte die Schuhe von meinen Füßen und ging bewusst an ihm vorbei, direkt zu Titi, die vor dem Käfig von Vivis Kanarienvogel Karuh, von dem Ace behauptete, er quake wie eine Ente, hockte. „Hey, steck' den Finger nicht durchs Gitter. Karuh beißt manchmal.“ „Duuuuuhhhh“, quietschte sie, woraufhin der Vogel zu zwitschern begann. „Du sollst mich nicht ignorieren, Ruffy. Erzähl mir lieber mal, wer diese Bekannte ist und weshalb wir extra wegen ihr das Abendessen verschieben mussten.“ Ich blickte zu ihm hinauf. „Du wirst nicht locker lassen, oder?“ Er schüttelte den Kopf. „Na gut“, seufzte ich, erhob mich wieder und zog Ace beiseite. „Bekannte war vielleicht hoch gegriffen, ich hab sie einmal in der U-Bahn angerempelt und bin eben wieder voll in sie hinein gerannt.“ „Ist das deine Masche? Ist sie wenigstens erfolgreich?“ Ich rollte die Augen. „Spinner. Das hab ich doch nicht mit Absicht gemacht. Jedenfalls hat sich mich eingeladen, was mit ihr zu trinken.“ „Uhhh, zweimal getroffen und schon ein Date gehabt...“ Er wackelte anzüglich mit seinen Augenbrauen. Was dachte der bloß von mir? „Hallo? Ich hab was mit ihr getrunken und das auch nur, weil ich höflich sein wollte“, waren meine letzten Worte, ehe mich, nachdem Vivi zum Essen gerufen hatte, an den Tisch setzte. Sie hatte sie wirklich mächtig ins Zeug gelegt. Neben dem obligatorischen Reis gab es gebratenes Gemüse und sogar Rindfleisch! Ace ließ nicht locker und erdolchte mich mit seinem Blick, während eine Ladung Essen nach der anderen in seinen Mund geschoben wurde. Ich verdrehte die Augen und stellte meine Schüssel ab. „Was willst du?“ Er schluckte herunter und lud sich noch mal Reis nach. „Ich will wissen, wer sie ist und was da läuft.“ „Keine Ahnung, ich weiß nur ihren Namen. Hamnock oder so und“, Vivi unterbrach mich: „Was? Doch nicht etwa Boa Hancock?“ „Psst! Sei leise, Weib! Er erzählt doch gerade.“ Vivi verengte die Augen und schüttelte den Kopf, während Titi auf ihren Schoss krabbelte[style , um von dort aus die Hände nach ihrem Teller auszustrecken. Ich zuckte die Schultern. „Keine Ahnung, vielleicht hat sie das gesagt, vielleicht auch nicht. Jedenfalls läuft da nichts, okay?“, betonte ich, nachdem ich die Skepsis in Aces Gesicht erkannte, stand auf und räumte mein Geschirr in die Spüle. „Ich mach das gleich, okay, Vivi?“ Sie blickte kurz auf, während sie Titi die Stäbchen aus der Hand nahm und ihr einen Löffel gab. „Hm? Ja, in Ordnung“ nuschelte sie, legte das Besteck zur Seite und sah zu Ace herüber, der sich soeben die letzten Reiskörner in den Mund schob. „Warum hilfst du mir nicht mal zur Abwechslung?“ „Höh?“, er ließ die Hände mitsamt der Schüssel und Stäbchen sinken, „Ruffy hat doch angeboten, abzuspülen. Wieso sollte ich das dann machen?“ „Ich meinte auch nur allgemein“, sagte sie und wollte auf seinen verwirrten Ausdruck hin zur Erklärung ansetzen, ich wollte es nicht hören und verzog mich umgehend in mein Zimmer. Mit einem Bauchplatscher ließ ich mich auf mein Bett fallen, umarmte das Kopfkissen und starrte die Wand an. Das Thema Hamnock oder Hancock war noch lange nicht vom Tisch. Wie ich meinen Bruder kannte, würde er mir noch tagelang diesen Quatsch vorsetzen und immer neue Fragen stellen. „Wie sieht sie aus?“ „Woher kennst du sie?“ „Wie alt ist sie?“ und die Frage aller Fragen: „Guter Körperbau, ja?“ Ich verdrehte die Augen und drückte das Gesicht ins Kissen. Hätte ich gewusst, was ich damit ins Rollen gebracht habe, hätte ich ihre Einladung ausgeschlagen und wäre direkt nach Hause gegangen. Oder hätte zumindest versucht es vor Ace zu verheimlichen. Kapitel 5: Es gibt nie genug Schokolade --------------------------------------- Noch halb verschlafen rührte ich in meinem Kaffee herum, damit die fünf Tütchen Zucker sich endlich auflösten. Ich hasste das Zeug, aber ohne es würden mir die Augen im Sekundentakt zufallen. Die Menschen um mich herum machten nicht Ansatzweise den Eindruck, als würde das frühe Aufstehen ihre Laune verringern. Bereits jetzt lachten und redeten sie bereits lautstark an den anderen Mensa-Tischen. Ich atmete tief ein. Es war eine Weile her, dass ich Nami das letzte Mal gesehen hatte. Trotzdem oder gerade deswegen drehten sich meine Gedanken fast ausschließlich um sie. Noch immer warf mir ihr Verhalten eine Menge Fragen auf, deren Beantwortung mir schier unmöglich war. Warum hatte sie so auf Hamnock reagiert? Kannte Nami sie bereits oder lag es tatsächlich daran, dass ich dabei gewesen war? Ob Nami eifersüchtig war? Ich schüttelte den Kopf, vorstellen konnte ich mir das beim besten Willen nicht. Vielleicht hatte sie ihr irgendwann bloß mal zu wenig oder gar kein Trinkgeld gegeben. Ich legte das Stäbchen zum Umrühren auf den Tisch und nahm einen vorsichtigen Schluck. Selbst wenn sie es gewesen wäre, wie kam sie darauf? Weshalb hätte sie es sein sollen?Hamnock war mir egal, ich war bloß höflich gewesen. Es war rein gar nichts zwischen uns vorgefallen und ich hatte ihr nicht einmal meine Nummer gegeben. Es war mir schon immer schwergefallen, Leute einfach so abzuweisen. Zumal sie mir gegenüber einen freundlichen, wenngleich auch etwas verrückten, Eindruck gemacht hatte. Auch Hancock hatte ich seitdem nicht mehr gesehen, worüber ich eigentlich ganz froh war. Ich wollte soeben den Deckel auf den Pappbecher drücken und aufstehen, als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte. „Hey Ruffy, du bist mal wieder hier? Ich dachte schon, du hättest aufgegeben.“ „Höh?“ Ich drehte mich herum und sah geradewegs in Lysops breites Lächeln, der zusammen mit Chopper hinter mir stand. „Ruffy, ich wusste, dass du wiederkommen würdest!“, flötete er und drückte mich kurz, während Lysop in seiner Umhängetasche kramte und mir einige Zettel hinhielt: „Ich hab alle Protokollzettel und Skripte für dich mitgenommen, damit du trotz Abwesenheit noch die Punkte darauf bekommst.“ „Konntest du den bisherigen Stoff den schon nachbereiten?“ Typisch Chopper. Strebsam wie eh und je. Lysop dachte wohl dasselbe, denn er klopfte dem Kleinen auf die Schulter und sagte: „Ich vermute mal es gab einen guten Grund, weshalb Ruffy die letzten Wochen nicht da war. Oder wolltest du bloß ein bisschen blaumachen? Hm?“ Ich nippte an meinem Kaffee und verneinte. „Bestimmt nicht, es ging einfach nicht anders.“ „Probleme zu Hause?“, fragte Lysop, dem das Lächeln zwischenzeitlich aus dem Gesicht gewichen war, leise. Ich nickte und beobachtete, wie Chopper seine kleinen Finger nervös ineinander verhakte. „Du kennst die Situation, ist ja so schon nicht leicht. Das Geld reicht nie aus, es hat kaum jemand mal Zeit und so weiter. Vor Kurzem bekam Vivi einen Anruf von ihrem Onkel, weil ihr Vater einen Unfall hatte und seitdem nicht mehr gehen kann...“ „Scheiße, Mann. Das tut mir echt leid für sie“, flüsterte Lysop fast ein wenig blass um die Nasenspitze und ließ sich auf den Stuhl neben mich sinken. „Ja, vor allem, weil es jetzt an ihr hängt, dass er versorgt wird. Ihr Onkel und ihre Tante fühlen sich dem nicht gewachsen oder besser gesagt, sie haben noch ihr eigenes Leben. Also sind sie und mein Bruder vor drei Wochen oder so darunter gefahren, um sich einen Überblick zu verschaffen und so schnell wie möglich nach einer Lösung zu suchen, weil keiner Lust hat, dass er zu uns zieht. Mal abgesehen davon, dass die Wohnung so schon viel zu klein ist.“ „Das kann ich mir vorstellen. Ace hat ihn ja gefressen, nicht?“ „Die schenken sich beide nichts“, seufzte ich. „Na ja und in der Zeit, als die beiden weg waren, musste ich auf meine Nichte aufpassen. Die Kleine soll ja von alledem nichts mitkriegen.“ „Ruffy, wenn ich dir irgendwie helfen kann oder du einfach bloß reden willst, kannst du gern immer zu mir kommen“, bot sich Lysop an, ich lächelte dankbar. „Zu mir auch! Ich erkläre dir auch gerne den Stoff, den du verpasst hast“, pflichtete Chopper bei und seine großen dunklen Augen leuchteten. Zwar studierte Chopper Medizin, aber bei seinem Intellekt konnte ich es mir durchaus vorstellen, dass er auch Bio-Wissen ohne Probleme aus dem Ärmel schütteln konnte. „Danke Leute.“ „Kein Problem dafür sind Freunde doch da. Wie geht es denn nun mit Vivis Vater weiter? Ist das jetzt geklärt?“ „Nein“, ich nahm einen weiteren Schluck, „deswegen sind Ace und Vivi gestern schon wieder nach Kyushu gefahren, obwohl sie eigentlich einen Kurztrip für diese Woche geplant hatten. Das stand eigentlich seit Monaten fest. Titi haben sie zu Dadan gebracht, damit ich auch mal Ruhe hab oder besser gesagt, studieren kann. Ansonsten hätte ich diese Woche schon wieder sausen lassen müssen.“ Die beiden schwiegen daraufhin. Chopper scharrte mit dem Fuß über den Boden und hielt die Tragegurte seines blauen Rucksacks umklammert. Sie kannten meine Lage nur zu gut, wussten, dass es für mich keine wirkliche Alternative gab, als mich dem zu beugen, bis ich eigenes Geld verdiente. Denn was ich von Opa bekam, deckte zwar sämtliche meiner Kosten, von Versicherung über Studiengebühren, aber für ein eigenes Zimmer oder gar eine kleine Wohnung würde es nicht reichen. Zwar steckte mir Dadan auch hin und wieder etwas zu, doch war das mehr im Taschengeldbereich. Wir blieben noch eine Weile zusammen am Tisch sitzen. Lysop besorgte sich einen Kaffee und für Chopper Kakao, bevor unsere jeweiligen Vorlesungen begannen. Aus Lysops Tasche ragte ein unglaublich dickes Lehrbuch der Biochemie, das vor allem auf Chopper Eindruck schindete und ihn an ein bestimmtes Thema, mit dem Lysop sich bereits profiliert haben musste, erinnerte. „Wahnsinn, Lysop, du trägst mal eben so einen dicken Wälzer? Wie viel stemmst du jetzt schon?“ Vor ein paar Wochen hatte er mir und Chopper vorgeschwärmt, dass er ab sofort regelmäßig ins Fitnessstudio rannte und wohl bereits große Fortschritte in der kurzen Zeit gemacht hätte. Chopper glaubte ihm mal wieder alles. Ich lächelte schief und grinste ihn mich hinein, als Lysop daraufhin antwortete: „90 Kilo!“ 90 Gramm vielleicht. „Wahnsinn, du bist so stark!“ „Ja, nicht mehr lange und ich lege sogar Zorro aufs Kreuz.“ Ich lachte. „Da kannst du aber noch lange trainieren.“ „Du wirst schon sehen, er wird jämmerlich gegen mich abstinken“, sagte Lysop mit stolz geschwellter Brust, während in Choppers Augen tausend Sterne zu funkeln schienen. „Woooooow!“ „Ich will euch ja nicht unterbrechen, Freunde, aber so langsam müssen wir, Lysop“, sagte ich mit dem Blick zur Uhr, holte mir schnell noch einmal Kaffee nach und steckte einige Zuckertütchen in die Bauchtasche meines Pullis. Wir verabschiedeten uns von Chopper und verabredeten, uns später bei mir zu treffen. Rasch ergatterten Lysop und ich Plätze in der letzten Reihe, ehe der Professor zur Tür hereinkam, die Treppe neben uns hinabstieg und den Saal allmählich zum Verstummen brachte. Bloß die paar Mädels in der Reihe vor uns unterhielten sich weiterhin ungestört und reichten kichernd eine Zeitschrift zwischen sich herum. Sie waren mir schon ein paar Mal aufgefallen, denn ihre Gespräche liefen in einer unglaublichen Lautstärke ab – von der Sinnhaftigkeit ganz zu schweigen. Ich fragte mich oft, weshalb jemand den Weg bis zur Uni machte, nur um sich mit seinen Freunden zu unterhalten. Das ging auch einfacher und ungestörter – vor allem aber störte man die anderen nicht. „Siehst du das hier? Das Kleid steht ihr ja mal gar nicht!“ „Und diese Schuhe erst. Furchtbar, dabei ist sie eh so riesig.“ Sonst blendete ich das Geschnatter aus, um mich auf das Wesentliche konzentrieren zu können, doch an diesem Tag trieb mich meine Neugier dazu einen Blick auf das Objekt zu werfen, das sie herumreichten. „Hey, das ist ja Hamnock!“ „Zunächst mal heißt sie Hancock und zum Zweiten, ach auch schon gemerkt?“, pflaumte mich eine dieser Zicken an, deren dicker schwarzer Ansatz jedem verriet, dass sie alles andere als naturblond war. „Joa“, erwiderte ich, leerte meinen Becher und warf ihn in den Mülleimer hinter mir. „Was habt ihr gegen sie? Sie ist doch eigentlich ganz nett. Ein bisschen verrückt vielleicht...“ „Das kannst du doch gar nicht wissen“, entgegnete das Mädchen neben ihr, musterte mich abschätzig und ließ den Kaugummi in ihrem Mund von der einen zur anderen Seite wandern. Auch Lysop sah mich skeptisch an. „Du kennst Boa Hancock? Die Boa Hancock? Red doch keinen Stuss, Ruffy“, sagte er und deutete mir an, es gut sein zu lassen. Doch ich ließ nicht locker und runzelte die Stirn. „Wenn ihr meint, aber so hab ich sie bei unserem Treffen erlebt.“ Ich erkannte genau den Augenblick, in dem ihre Gesichter einfroren und sie abwägten, ob ich log oder die Wahrheit sagte. „Du kennst Boa Hancock doch nicht wirklich, oder doch?“ „Der lügt doch!“ „Ist das dein Ernst, Alter?“ Lysop wirkte geschockt, er wusste, dass ich von uns beiden derjenige war, der nie log beziehungsweise dafür absolut nicht geschaffen war. „Doch, ich hab sie zweimal getroffen. Einmal in der U-Bahn und einmal auf der Straße. Warum? Was ist denn so besonders an ihr?“ War mal wieder etwas an mir vorbei gegangen? „Das fragst du noch?“, kam es synchron von den beiden Mädchen. „Boa Hancock ist doch derzeit der Star der Fernsehlandschaft!“ „Echt? Hamnock ist berühmt?“ „Wenn die Herrschaften in den letzten Reihen bitte ihre Privatgespräche beenden würden“, ermahnte uns der Professor scharf, woraufhin die Mädchen sich nach vorne wandten. „Der lügt doch. Als ob Boa Hancock noch mit der U-Bahn unterwegs wäre.“ „Und selbst wenn, als würde sie sich dann mit dem treffen“, vernahm ich es leise, konnte aber bloß den Kopf schütteln. Sollten die Ziegen doch glauben, was sie wollten. Selbst wenn es mir dermaßen egal war, ob Hancock nun Schauspielerin, Ärztin oder achtfache Mutter war. Ich kannte sie, sie bedeutete mir aber nichts. An diesem Tag hatte ich es tatsächlich geschafft keinen weiteren Gedanken mehr an Nami zu verschwenden und ich kann mich ehrlich nicht daran erinnern, wann es zuletzt der Fall gewesen war, dass ich mich so befreit und glücklich gefühlt hatte. Chopper und Lysop hatten mich später noch besucht und mich gehörig von meinen trüben Gedanken abgelenkt. Mit Aces Playstation 3 hatten wir uns heiße Gefechte, schnelle Rennen und Schießereien geliefert und vor allem Chopper schien insgeheim ein kleiner Crack zu sein. Vielleicht lag es auch daran, dass er die Hände unentwegt in der Schatzkiste – ein Karton voller Schokoriegel, von dem Ace tatsächlich dachte, ich wüsste nicht, dass er ihn besaß und vor mir geheim hielt - stecken hatte. „Mann, Chopper, nicht so viel. Du weißt doch, wie Zucker dich immer aufpuscht“, ermahnte Lysop ihn und zog den Karton zu sich, woraufhin Chopper fauchte: „Das ist meine Nervennahrung!“ „Okay, kein Grund gleich so zur Diva zu mutieren.“ „Lysop, einem Löwen klaut man ja auch nicht das Fleisch.“ „Und dann heißt es immer, dass Vegetarier so friedlich wären.“ „Wenn überhaupt, ist Chopper ein Schokotarier.“ Lysop lachte auf, als Chopper uns völlig verwirrt und mit schokobeschmiertem Mund ansah. Ich nutzte den Moment, um einen Blick in den Karton zu riskieren. Wie ich bereits gefürchtet hatte, sah es schlecht aus – mehr als schlecht. Ein kümmerlicher Riegel lag einsam und verlassen auf dem Boden der Packung. Ace würde mir den Skalp vom Kopf reißen, wenn er wiederkam. „Morgen muss ich dringend einkaufen. Nicht nur Aces Schokovorrat ist gähnend leer“, demonstrativ beugte ich mich hinunter und begutachtete das Angebot des Kühlschranks, das außer Resten und Gemüse, das eh nur Vivi aß, nichts zu bieten hatte. Seufzend fischte ich die letzten drei Dosen Pfirsichsaft heraus und reichte sie an Lysop und Chopper, die es sich auf dem Sofa bequem gemacht hatten. „Freunde, ich habe eine Idee“, begann Lysop in einem Ton, den er oft an den Tag legte, wenn er einem die normalsten Sachen der Welt als absolut verrückte und geniale Ideen verkaufen wollte, „wir gehen gleich essen. Im Kazaguruma ist heute doch all-you-can-eat-Buffet!“ „Oh toll, der Nachtisch dort ist der Wahnsinn“, begann Chopper trotz gefühlter fünf Kilogramm Schokolade im Bauch zu schwärmen und bestätigte Lysop wieder einmal in seinem Glauben genial zu sein. Normalerweise war ich beim Thema Essen immer gleich Feuer und Flamme, besonders all-you-can-Buffets waren eine meiner großen Leidenschaften, in einem kleinen Laden hatten Ace und ich einmal die Küche zum Verzweifeln gebracht, dennoch behagte mir die Vorstellung, auf Nami zu treffen, ganz und gar nicht. Und sie würde definitiv heute bedienen. Vivi hatte sich Urlaub genommen, da musste sie arbeiten. Ich seufzte und trank einen Schluck. Nichtmal einen Gruß hatte sie mir seit dem Vorfall zukommen lassen, was sie sonst immer getan hatte. Das musste sie ja wirklich regelrecht angepisst haben. Verstehe einer diesen Frauen, immerhin war sie doch diejenige, die mich nicht wollte. „Hey Ruffy, alles klar bei dir?“ Lysops wedelnde Hand vor meiner Nase gewann an Kontur, ich zwinkerte ein paar Mal und fuhr mir durchs Haar. „Ja, was sollte denn sein?“ „Keine Ahnung, aber du wirkst so nachdenklich.“ „Bist du etwa krank?“, erschrak Chopper und legte mir sofort die Hand auf die Stirn. „Lysop redet von Buffets und du bleibst so gelassen?!“ „Quatsch! Natürlich hab ich Hunger“, versuchte ich die beiden zu beruhigen, sprang auf und stürmte in mein Zimmer. „Ich hol mir bloß noch Geld, okay?“ Kaum hatte ich mein Portemonnaie und die Schlüssel geschnappt, verließen wir schon die Wohnung und machten uns auf den Weg zum Kazaguruma, das drei Blocks entfernt lag. „Hahaha, das hatte ich fast vergessen, Lysop“, lachte ich und strich mir einige Lachtränen aus den Augen. „Und das, obwohl es einer der besten Tage in der Schule gewesen ist.“ „Wenn ich nur an Vivis Gesicht denke, als das Zeug aus dem Reagenzglas geschossen kam“, stimmte er ein und japste nach Luft. „Hätte sie das gewusst, hätte sie wohl nicht mit uns zur gleichen Zeit an der Chemiestation gearbeitet.“ „Zu meiner Verteidigung: Ich konnte ja nicht ahnen, dass die Mischung so abgeht, wenn ich sie ohne zu Schwenken über die Flamme halte.“ „Boah, Ruffy, es gab doch vorher noch einen extra Einführungskurs!“ „Da muss ich wohl geschlafen haben!“ „Die Mischung ist echt bis an die Decke geflogen?“, fragte Chopper mit großen Augen, denen eine gewisse Faszination anzusehen war. Er war wirklich mit en einfachsten Dingen zu begeistern. „Und mit was für einer Geschwindigkeit“, antwortete Lysop und gestikulierte wild mit den Armen, um ihm die gesamte Stimmung von damals vor Augen zu führen. Ja, mit Lysop war es immer lustig, das war in der Schule schon so gewesen und war noch heute so. Besonders den Chemieunterricht hatten wir regelmäßig unsicher gemacht, einmal fast sogar für einen Brandunfall verursacht. Bestimmt waren einige der grauen Haare unseres Lehrers auf unserem Mist gewachsen. Der Höhepunkt aber war der Tag der Naturwissenschaften gewesen, bei dem unsere Stufe und Vivis verschiedene Stationen in den Fachräumen hatte absolvieren müssen, um am Ende des Tages eine Art Protokoll abzugeben. So gut ich mich auf dem Weg gefühlt hatte, so unsicher wurde ich, als wir schließlich den Laden betraten. Alle verdrängten Gedanken holten mich in Windeseile ein, brachten meinen Bauch zum Grummeln. Wie Nami wohl auf mich reagieren würde? Ich versuchte sie in dem Menschenauflauf, der sich um das Buffet drängte, ausfindig zu machen, doch nirgends erkannte ich ihren roten Schopf, den sie bei der Arbeit stets hochgesteckt trug. „Hey, ihr drei! Da vorne wird gerade ein Tisch frei“, begrüßte uns zu meiner großen Überraschung Namis ältere Schwester Nojiko, die die Urlaubsvertretung für Nami oder Vivi machte und sich so noch zusätzliches Geld verdiente, mit einem Tablett voller leerer Gläser an uns vorbeikam. „Kommt, ich bring euch hin.“ Lächelnd übernahm sie die Führung durch den Raum, schlängelte sich elegant zwischen den Gästen hindurch, ohne dass auch nur eines der Gläser ins Wanken geriet, bis sie uns einen der Ecktische in der Nähe der Bar zuwies. Wie unfassbar froh ich war, dass sie auch gleich unsere Getränkebestellung aufnahm und uns für das Buffet notierte. Lysop und Chopper hätten sogleich Lunte gerochen, wenn Nami mich mit der kalten Schulter gestraft hätte. Zumal außer Zorro keiner meiner Freunde wusste, was zwischen Nami und mir alles vorgefallen war. „Und, Ruffy, wie geht es deinem Bruder? Hab ihn lange nicht mehr gesehen“, fragte Nojiko, nachdem sie den Block weggesteckt hatte. Die beiden hatten ihren Abschluss zusammen gemacht. „Könnte besser sein, ne?“, erwiderte ich und steckte die Karte zurück in den dafür vorgesehenen Halter. „Hm“, Nojiko formte einen Schmollmund, „das hat Vivi auch gesagt, als ich sie vor kurzem beim Einkaufen mit der Kleinen getroffen hab. Die ist ja richtig gewachsen, seitdem ich sie das letzte Mal gesehen hab. Und so niedlich, wie Vivi in Kleinformat.“ „Titi ist echt ein Sonnenscheinchen und sie lacht immer so viel.“ Nojiko lächelte. „Na, von wem sie das wohl hat?“, sie zwinkerte und wollte soeben gehen, als sie sich noch einmal zu mir herumwandte. „Richtest du Ace bitte noch aus, dass er mich einfach anrufen soll, wenn er die Tätowierung geändert haben will?“ „Werde ich machen“, versicherte ich ihr und kam nicht umhin mich mit Schmunzeln daran zu erinnern, wie entsetzt Ace gewesen war, als sie seinen Namen falsch auf seinen Oberarm gestochen hatte. Das war zu der Zeit gewesen, als Nojiko ihre Leidenschaft fürs Tätowieren gerade erst entdeckt und versucht hatte, Übung darin zu bekommen. Nami hatte sich als Erste bereit erklärt, als Versuchskaninchen herzuhalten, das verschlungene Symbol aus Orange und Windmühle, war ihr so gut gelungen, dass Nojiko schließlich auch Ace dazu hatte überreden können, ihm ein Motiv zu stechen. Seine Euphorie darüber ein Gratistattoo zu bekommen, war jedoch rasch erloschen, nachdem sie ihm das Endresultat in Form seines falsch geschriebenen Namens und einem „Upsi“ präsentiert hatte. Inzwischen hatte er sich damit arrangiert, doch manchmal ärgerte es ihn dafür umso mehr. Vor allem wenn ihn jeder fragte, weshalb das S durchgestrichen sei. Namis eiskalter Blick, als sie eine Getränkebestellung an der Bar abgab und mich erspäht hatte, hatte Bände gesprochen, mir regelrecht die Sprache verschlagen, sodass ich ihrer Schwester bloß hatte, zu nicken können. Schon meine Anwesenheit schien sie dermaßen auf die Palme gebracht zu haben, dass es selbst Chopper und Lysop nicht entgangen war, die ihr freundlich zugewunken hatten, jedoch knallhart ignoriert wurden. „Wieso begrüßt Nami uns nicht?“, fragte Chopper verunsichert und folgte ihr mit den Augen, nachdem sie mit dem vollen Tablett verschwunden war. „Sie wird uns doch gesehen haben. Komisch, das ist gar nicht ihre Art.“ „Hm...Vielleicht ist sie ja auch zu beschäftigt“, versuchte ich die beiden abzulenken. „Außerdem sollten wir mal langsam reinhauen, sonst verdau ich mich noch selber!“ Zum Glück war das Thema damit erledigt gewesen, ich weiß nämlich nicht, ob ich noch weiterhin den Unwissenden hätte spielen können. Zumal ich schon immer ein verdammt schlechter Lügner gewesen bin. Das Handy ich hatte ich die ganze Zeit über auf lautlos gestellt, sodass mich ein ziemlicher Schock traf, als ich beim Verlassen des Restaurants die sechs Anrufe in Abwesenheit zusammen mit drei SMS entdeckte. Allesamt von Ace. Ruffy, warum gehst du nicht ran? Stimmt was nicht bei dir? Ruf mich zurück, wenn du das siehst! Was ist denn los? Ruffy? Bitte melde dich! Ich muss unbedingt mit jemandem reden, sonst dreh ich noch durch! Auf der Stelle antwortete ich ihm, bevor er sich noch mehr Sorgen machte. Sorry, ich war mit Lysop und Chopper unterwegs. Handy war lautlos. Ich ruf dich an, wenn ich zu Hause bin. Ruffy „Alles okay bei dir?“, fragte Lysop, als ich den Blick hob. Resigniert schüttelte ich den Kopf. Seine Augen spiegelten Besorgnis wieder, während er seine schwarzen Locken zum Zopf zusammenband. „Leute, das war echt ein schöner Abend und ich fand's total toll, dass wir noch mal wie in den alten Zeiten zusammen gezockt haben. Aber ich muss jetzt wirklich dringend nach Hause. Wir sehen uns morgen früh oder so“, verabschiedete mich von beiden und spürte die Hektik im Nacken allzu deutlich. „Geht uns genauso. Das müssen wir bei Zeiten unbedingt wiederholen, okay? Komm gut heim“, sagte Lysop und un ergiff meinen Arm, bevor ich mich abwenden konnte. „Wenn du jemanden zum Reden brauchst...“ „Danke...“ So schnell wie an diesem Abend habe ich den Heimweg wohl lange nicht mehr zurückgelegt und mir wurde schmerzlich bewusst, wie lange ich eigentlich schon mein Training vernachlässigt hatte. Heftig schnappte ich nach Luft, schloss die Tür hinter mir und ließ mich aufs Sofa fallen, ehe ich mein Handy hervorzog und die Wahlwiederholung drückte. Es dauerte keine fünf Sekunden, bis abgenommen wurde. „Na endlich! Ich dachte schon, du rufst gar nicht mehr an!“ „Du klingst ja gar nicht gut, was ist denn schon wieder passiert? Gab's wieder Stress?“ „Das fragst du noch? Dieser Mann ist ein Herzinfarkt im Anzug! Ehrlich, ich frage mich, warum ich mich jedes Mal bequatschen lasse mitzukommen, wenn er mir eh nur wieder die miesesten Sachen an den Kopf schmeißt und sich förmlich in Rage darüber redet, weshalb ich sein und Vivis Leben zerstört habe.“ „Oh Mann, Ace, ich weiß, dass dich das nervt und echt scheiße von ihm ist, aber mittlerweile ist das doch nicht Neues mehr. Versteh mich nicht falsch...“ Ich hörte ihn seufzen und spürte, wie mich ein beklommenes Gefühl eroberte. Natürlich musste noch was anderes vorgefallen sein, ansonsten hätte ich bloß ein paar SMS bekommen, in denen sich Ace darüber ausgekotzt hätte, was Kobra alles sonst wo stecken hatte. „Du hast ja recht“, brachte er nach einer Weile des Schweigens hervor, als ich meine letzten Worte allmählich bereute, „ich hätte echt nicht gedacht, dass Kobra sich noch toppen könnte, aber heute Abend hat er das definitiv geschafft.“ Mein Magen verkrampfte sich schmerzhaft, zwar konnte ich mir kaum vorstellen, was genau passiert sein könnte, bloß dass es Ace gewaltig getroffen haben musste. Und das war das Schlimmste an der ganzen Sache, vermochte doch kaum etwas ihn wirklich zu verunsichern. „Was hat er gemacht?“, brachte ich mit brüchiger Stimme hervor, obwohl ich es gar nicht genau wissen wollte. „Also eigentlich hat es ganz harmlos angefangen“, begann Ace zu erzählen, „zur Begrüßung hat er mir mal wieder klar gemacht, dass er mich eigentlich nicht da haben will, ich nicht gut genug für seine Tochter bin und dass ich ihre Chance auf eine erfolgreiche Karriere versaut hab – aber das bin ich ja längst gewohnt. Als ich ihm angeboten hab, dass wir auch gleich wieder fahren könnten und er selber sehen könnte, wo er bleibt, hat er sich darüber beschwert, dass Vivi wegen mir und Titi ja gezwungen wäre, in so einem Loch zu hausen. Auch 'ne Sache, die ich schon zigmal gehört ab. Ich hab dann auch auf Durchzug gestellt, bis er irgendwann wieder mit der ach so tollen Partie Corsa anfing, dem Sohn einer seiner Freunde. Was der alles schon erreicht hätte für sein Alter. Dummes Blabla eben.“ Ace atmete tief durch und auch ich nutzte die Pause, ehe er fortfuhr: „Aber dann hat er den Vogel endgültig abgeschossen und gesagt, dass er wünschte,das Balg wäre nie geboren worden. Hallo? Was geht in diesem Mann nur vor? Ich meine klar, wäre es ohne Titi anders, aber dass sie ihm so lästig ist und scheinbar scheißegal. Das finde ich unfassbar! Sie ist immerhin seine Enkeltochter.“ „Das ist echt übel...Selbst für ihn.“ Ace seufzte ein weiteres Mal. „Mich kann er meinetwegen so viel hassen, wie er will. Das geht mir sonst wo vorbei, aber es macht mich rasend, dass er so über meine Tochter spricht.“ „Was sagt Vivi dazu?“ „Du kennst sie doch. Erst hat sie versucht ihn zu beruhigen, als er trotzdem immer lauter wurde, kam sie nicht mehr dagegen an und ist in Tränen ausgebrochen, nachdem er den Spruch mit dem Balg hat fallen lassen. Dass er nicht mal davor haltmacht. Rafft er denn nicht, wie sehr er Vivi damit verletzt?“ Arme Vivi. Mit ihr hatte ich das meiste Mitleid, gerade sie hatte es nicht verdient, sich so etwas anhören zu müssen. Ständig tat sie alles ihr Mögliche, um es jedem recht zu machen, vor allem ihrem Vater. Doch dem schien das herzlich egal zu sein. Wenn er sie wirklich lieben würde, dann würde er sie unterstützen und ihr nicht noch zusätzliche Steine in den Weg werfen. Nichtmal Gramps war so hart und der hatte Dadans Hütte zum Beben gebracht, nachdem er von dem „Unfall“ erfahren hatte. Kapitel 6: Ein Tag voller E. coli und L. Zorro ---------------------------------------------- Ob sie in der Sache eine endgültige Lösung gefunden hatten, hatte Ace mir nicht gesagt. Er hatte mir bloß weiterhin sein Herz ausgeschüttet und ich hatte zugehört. Ich glaubte, ihm so am ehesten helfen zu können. Von Nojikos Nachricht hatte ich ihm nichts gesagt. Es gab momentan Wichtigeres als ein verhunztes Tattoo aus der Jugend. Die Möglichkeit, dass Kobra zu uns ziehen würde, schloss ich dennoch immer mehr aus. Von Anfang an erschien es mir als unvorstellbar und es rückte stetig in weite Ferne. Keiner wollte sich diesem tagtäglichen Albtraum aussetzen, mal abgesehen von der Tatsache, dass er schlecht in der Badewanne schlafen konnte, aber vor allem würde er gewiss keinen Tag überleben. Vorher würde Ace ihm das Kissen aufs Gesicht drücken. Es fehlte wirklich nicht mehr viel bis dahin und ich persönlich, wunderte mich, dass es noch nicht passiert war. Vielleicht hatte die Flucht der beiden ins Motel Schlimmeres verhindert. „Ach und Ruffy?“ „Ja?“ „Kein Wort zu Dadan. Du weißt, wie sehr sie dann ausflippt.“ Oh ja, das erschien ohne Umwege direkt vor meinen Augen. Dadan, wie sie fluchte, tobte, hochrot anlief und bereits die Ärmel hochkrempelte und mit der Faust wedelte, um Kobra eine Lektion zu erteilen. Ihm wortwörtlich einzuprügeln, dass er seine Tochter und ihr Leben zu respektieren hatte. Und die Kinder gefälligst unterstützen sollte! Dadan fiel es besonders schwer ihn und seine Ansichten zu verstehen, war sie doch regelrecht vernarrt und verrückt nach der kleinen Titi. Aber sie hatte sich auch von Anfang mit der Situation arrangiert, schien das Problem darin nie gesehen zu haben. Im Gegenteil sie war von Anfang an Feuer und Flamme gewesen. Selbst Gramps hatte sie mit ihrer Euphorie für das Kind angesteckt, so sehr, dass ich manchmal befürchtete, dass sie Titi Arme und Beine ausrissen, wenn sie sich mal wieder um sie stritten. Und so gerne ich sie, Vivi und Ace auch mochte, so froh war ich auch, dass ich ein paar Tage Ruhe vor ihnen und die Wohnung für mich allein hatte. Egal, wie blöd es sich auch anhören musste, aber die Probleme anderer konnten einem selber gewaltig auf den Magen schlagen. Außerdem gönnte ich es Dadan, dass sie Zeit mit ihrem Enkelkind verbringen konnte. Wenngleich mir Titis Lachen fehlte. Am nächsten Morgen war ich für meine Verhältnisse viel zu früh auf den Beinen, ich hatte noch einige organisatorische Dinge an der Uni zu erledigen, die ich nicht weiter aufschieben konnte. Vor allem aber durfte ich nicht vergessen, mich für die Modulabschlussklausur und meine Chemie-Wiederholungsklausur einzutragen, die Frist lief in einigen Tagen ab. Den Gedanken nachhängend machte ich mich auf den Weg. Der Druck der bevorstehenden Prüfungen bereitete mir momentan die größten Bauchschmerzen. Ich durfte nicht schon wieder durchfallen, ansonsten waren die letzten Jahre vergebens gewesen und ich konnte den Traum Entomologe zu werden endgültig an den Nagel hängen. Und das war das Letzte, was ich wollte. Die Straßen waren selbst um diese Zeit voll von Menschen, allen voran Studenten. Man erkannte sie leicht an den Kaffee to go Bechern und den Umhängetaschen. Es war offensichtlich, dass dieses Viertel das Günstigste war. „Hey Ruffy!“, hörte ich jemanden meinen Namen rufen. „Warte doch mal!“ „Höh?“ Stirnrunzelnd blieb ich stehen und schaute mich auf der Straße um, bis ich Zorro entdeckte, der vom Eckkiosk aus geradewegs auf mich zukam. Wohl darauf bedacht, sich nicht mit dem Kaffee in seiner Hand zu verbrühen. „Zorro! Was machst du denn hier?“, fragte ich ihn, nachdem wir uns mit einem Handschlag begrüßten hatten. Ich war ehrlich überrascht ihn hier anzutreffen, wohnte er doch einige Blocks weiter. „Dasselbe könnte ich dich wohl auch fragen“, sagte er und grinste. „Hast dich ja lange nirgends mehr blicken lassen.“ „Das stimmt, sorry, in der letzten Zeit war es noch mal superstressig“, begann ich meine Erklärung, mein schlechtes Gewissen meldete sich wieder einmal zu Wort und ich erzählte Zorro von dem Unfall, den Vivis Vater hatte, davon, dass er nicht mehr alleine wohnen konnte und sie nun schauen musste, wie sie die Lage regelte. Ich erzählte ihm auch davon, was Ace mir gesagt hatte, obwohl ich ihm eigentlich versprochen hatte, zu schweigen. Es tat so gut, sich selber einmal jemandem anvertrauen zu können. „Aber das hat er nicht gesagt, oder?“, Zorro verzog keine Miene, nippte an seinem Kaffeebecher und dennoch merkte ich, wie ihn diese Aussage schockte. Ich nickte und vergrub die Hände in den Hosentaschen. „Leider doch.“ „Hat dein Bruder ihm dafür wenigstens eine gelangt?“ Ich schüttelte grinsend den Kopf. „Nein, er hatte ja schließlich genug damit zu tun, sich um Vivi zu kümmern. Aber ich bin mir sicher, er stand kurz davor.“ Zorro zuckte mit den Mundwinkeln. „Das wird sie ja besonders hart getroffen haben.“ „Davon kannst du aber ausgehen. Hab am nächsten Morgen noch eine SMS von Ace bekommen, sie muss die ganze Nacht durchgeheult haben und gegessen hat sie scheinbar auch nicht mehr, seitdem sie dort angekommen sind.“ „...“ „...“ „Kommst du heute Abend mit trainieren?“, fragte Zorro nach einer Zeit des Schweigens und starrte in seinen leeren Kaffeebecher, bevor er flüchtig zu mir sah. Wohl prüfend, wie ich auf diesen plötzlichen Wechsel reagieren würde. Ich rieb mir den Nacken und war ihm dankbar dafür, dass er auf seine eigene Art und Weise versuchte, mir beizustehen. „Klar, wieso nicht? Ist ja jetzt auch schon wieder zu lange her, seitdem ich das letzte Mal da war.“ „Du hast viel verpasst“, sagte er und lachte kurz auf. „Lysop trainiert ja jetzt auch da.“ „Jaaaa, das hab ich schon von ihm gehört. Er meint, bald steckt er dich in die Tasche.“ Zorros Gesicht zierte ein vielsagendes Grinsen. „Na, das soll er mal versuchen.“ Ich lachte bei der Vorstellung daran, wie sehr Lysops Knie schlottern würden, würde Zorro tatsächlich ernst machen und ihn zum Duell fordern. Seine panische Stimme klang mir sogar schon in den Ohren, während Chopper am Ring entlang lief und ihn lautstark anfeuerte. „Ich würde sogar dafür bezahlen, das zu sehen.“ „Hehe, vielleicht lässt sich damit ja ein bisschen Geld machen, was? Auf Boxkämpfe wird immer viel gesetzt...Sag mal, gehst du jetzt auch zu Experimentalphysik?“ „Wäh? Physik? Warum machst du Physik? Ich war wirklich ahnungslos. Hatte ich jetzt auch noch vergessen oder verpasst, dass Zorro das Fach gewechselt hatte und warum sollte ich überhaupt auf dem Weg dorthin sein? Doch er schüttelte bloß amüsiert den Kopf und schlug mir auf die Schulter. „Oh Mann, Ruffy, guckst du dir auch mal deinen Semesterplan an? Dieses Semester steht sowohl für deine Fachrichtung als auch für meine Experimentalphysik im Nebenfach an.“ „Gut, dass du mir das sagst, Zorro. Das wäre jetzt glatt an mir vorbeigegangen.“ Ich kratzte mich im Augenwinkel. „Ich sollte wohl wirklich mal mehr auf meinen Plan achten. Eigentlich bin ich bloß so früh los gegangen, weil ich mich noch für die Klausuren eintragen muss und danach Praktikum habe.“ „Ah, schneidest du wieder Würmer auf?“ „Nö, das ist vorbei“, sagte ich. „Auch wenn das Bild der Renner beim Abendessen war. Jetzt spiel' ich mit Bakterien. Die sind so cooool! Mal sind sie blau, rot, oder schwarz und die machen immer so lustige Flecken auf den Schalen. Richtig schöne Muster!“ „Dass du noch keinen Alarm ausgelöst hast. Da warte ich jeden Tag drauf. Besonders dann, wenn sich die Vorlesungen mal wieder zum Erbrechen hinziehen.“ Ich grinste breit. „Na, Zorro, auch ich lern irgendwann mal dazu. Und außerdem sind wir doch in einem ganz anderen Gebäudekomplex als ihr!“ „Das beweis' mir mal. Noch heute kann ich es nicht glauben, dass ihr diesen Chemieunfall damals gerade an dem Tag fabriziert habt, als ich diese elendig schwere Englischabschlussklausur schreiben musste.“ Er grinste und hielt sich die Hand an die Stirn. „Allein der Moment, als Ace mit hochgerissenen Armen aufgesprungen ist und sich, wie ein Schneekönig gefreut hat.“ „Hahaha, so typisch“, kicherte ich, „aber zu meiner Verteidigung: Weder Vivi noch Lysop haben mir gesagt, dass ich das Zeug nicht so lange in die Flamme halten dürfe. Und Doc Bader hat doch selber immer alle Experimente in die Luft gejagt.“ Der Mann hatte in einer Stunde knallhart Wasser auf die Salzsäure geschüttet, obwohl er uns fünf Minuten zuvor noch das Gegenteil gepredigt hatte. Der Schaum war aus dem Reagenzglas geschossen, wie Lava aus einem Vulkan. Zorro warf den Becher in den nächsten Mülleimer. „Hey, vor mir brauchst du dich nicht zu rechtfertigen.“ Dass es Chopper und Lysop peinlich war, dass sie mich nicht auf das Modul hingewiesen hatten, war kaum zu übersehen, als sie Zorro und mich in den Hörsaal kommen sahen. „Sorry, Mann. Das hatte ich total verschwitzt“, stammelte Lysop, nachdem ich mich neben ihn gesetzt und meinen Block aus der Tasche geholt hatte. „Zum Glück hast du Zorro getroffen.“ „Ja, zum Glück, sonst würde mir jetzt der ganze Spaß hier entgehen.“ „Das hättest du dir wohl nie verzeihen können, was?“, stichelte Zorro mit vor Sarkasmus triefender Stimme und warf einen Blick nach vorne, wo bereits die Präsentation der Lernziele in vollem Gange war oder besser gesagt, sich im Schneckentempo vollzog. „Noch auf dem Sterbebett hätte ich daran denken müssen“, erwiderte ich trocken, notierte die Themen und das Klausurdatum und schielte herüber zu Lysop, der schwer ausatmete. „Daran, was mir damals entgangen ist, weil meine Freunde es nicht für nötig hielten, mich aufzuklären.“ „Ja ja, schon verstanden“, stieß er mit einem Seufzer aus. Ich beobachtete ihn noch eine Weile und unterdrückte ein Lachen bei dem theatralischen Anblick, den er so in sich zusammengesackt bot, während meine Hände wie automatisch damit begonnen hatten, auf dem Block herumzukritzeln. „Ist das eine Meerjungfrau?“, fragte Zorro verschlafen, er musste wohl für ein paar Minuten eingenickt sein. „Ja, du bist der Erste, der das erkennt“, entgegnete ich und zeichnete die Schuppen der Flosse. „Ace meint bloß, es seien Fische mit Perücken.“ „Nur weil er keine Ahnung von Kunst hat.“ Er grinste schief und steckte mich gleich an. Manchmal überraschte es mich selber, wie leicht mich die Zeit mit meinen Freunden ablenkte. Selbst Kleinigkeiten ließen mich alle Sorgen vergessen und einfach leben. Dass nicht mal der trockene Stoff meine Laune zu trüben vermochte, hatte ich bestimmt auch ihnen zu verdanken. Besonders der Karikatur, die Lysop von dem Prof angefertigt hatte und zu uns weiterreichte, trug einen erheblichen Teil dazu bei. Es war ein Wunder, dass der Mann beim Reden nicht selber einschlief. Wenn bereits die Hälfte des Hörsaals vor sich hindöste. Chopper musste sich vor lauter Kichern die Hände auf den Mund drücken, als er sie zu sehen bekam, sonst wäre man wohl sehr schnell auf uns aufmerksam geworden. „Geil, Lysop, aber da fehlt noch was“, mit dem Bleistift ergänzte Zorro die Skizze um ein entscheidendes Detail, die getönte Brille, die so ziemlich das Aufregendste an dem Typ war, das dem Ganzen noch mal eine völlig neue Note gab. „Wow, perfekt getroffen“, prustete ich, nachdem ich das Gesicht des Profs mit Zorros Kunstwerken verglich, und reichte das Blatt zurück an Lysop. Auch er wischte sich einige Lachtränen aus den Augen und schob den Zettel fix in seine Unterlagen, als sich die Leute aus der vorderen Reihe zu uns herumdrehten. Der Prof hingegen führte seine Präsentation unbeirrt vor, immerhin wurde er bezahlt, ob wir bestanden oder nicht. „Vorne spielt die Musik“, bluffte Zorro die Neugierigen mit vor der Brust verschränkten Armen an, bevor er sich Augen rollend zurücklehnte. „Was sind die Leute hier immer neugierig.“ „Also gut, wir treffen uns um sieben im Studio, okay?“, horchte ich noch einmal bei Zorro nach, als die Mittagspause sich dem Ende neigte. Wir hatten uns nach der Physikvorlesung in der Mensa verabredet, denn an diesem Tag gab's Schnitzel! „Alles klar, bis später dann. Und viel Spaß mit den Bazillen.“ „Den werde ich sicher haben“, antwortete ich grinsend, während Chopper bereits zur Sicherheitsbelehrung ansetzte. „Schon gut, ich weiß, dass ich vorsichtig damit umgehen muss.“ „Sicherheit im Labor ist das A und O!“ „Mit der Aussage kommst du aber ein paare Jahre zu spät, Chopper“, entgegnete Lysop und klopfte mir auf die Schulter. „Alles klar, Chopper. Viel Spaß bei“, ich überlegte kurz, „was auch immer. Ich hol mir meine Laborsachen aus dem Spind und fahr schon hoch. Die Anderen sitzen gewiss schon gespannt wie die Labormäuse vor dem Raum.“ „Man darf auch bloß nicht zu spät kommen, vielleicht verpasst man ja was“, kam es von Zorro. „Ja, mach dich nur lustig, aber da hängen Leute teilweise schon eine Stunde vorher rum. Warum auch immer“, pflichtete mir Lysop bei, woraufhin Zorro die Stirn runzelte. Er wusste anscheinend eindeutig Besseres mit seiner Zeit anzufangen. Nachdem wir noch ein paar Belanglosigkeiten ausgetauscht hatten, verabschiedeten Lysop und ich uns von den beiden, eilten zu den Spinden, die sich in einem anderen Flügel des Gebäudes befanden, packten unsere Sachen und erwischten sogar noch einen Aufzug, dessen Tür sich gefährlich langsam vor mir zu schließen drohten. Es war, wie ich gesagt hatte, eine Masse Leute tummelten sich bereits im Vorraum. Die Meisten waren direkt von der Physikvorlesung hierher gekommen. Dass dazwischen zwei Stunden Pause war, schienen sie gar nicht mitbekommen zu haben. Hatten die denn nie Hunger? Ich war unheimlich froh, als keine Minute später die dicke Tür aufging und wir unsere Plätze einnehmen konnten. Der Vorraum war stets brechend wohl und ich mochte es nicht so eingepfercht herumzustehen. Und obwohl Lysop und ich vier Stunden damit verbracht hatten, unsere Versuche vorzubereiten und durchzuführen, kam es mir bloß wie Minuten vor. Es machte mir wahnsinnigen Spaß zu lernen und jeden Tag selber etwas Neues entdecken zu können. Besonders gerne beobachtete ich die Dinge unter dem Mikroskop, das eröffnete einem ganz neue Möglichkeiten. „Und du willst ganz sicher, später nicht mit ins Fitnessstudio?“ „Ne, ich muss gleich noch in die Bib, Bücher vom letzten Modul abgeben“, redete Lysop sich raus und deutete auf seine Tasche. „Und du bist dir ganz sicher, dass es nichts mit Zorro zu tun hat?“ Zugegeben, es machte mir Spaß Lysop in die Ecke zu treiben und zu sehen, wie ihm die Schweißperlen über die liefen. „Äh, ich muss noch die Schalen ausspülen!“, sagte er und eilte zu den Waschbecken, vor denen sich ewig lange Schlangen bildeten. Ich stopfte meinen Kittel in die Plastiktüte und legte meine Schutzbrille vorsichtig darauf, nachdem ich meine Hände gereinigt hatte. Endlich nach Hause! Auf dem Weg zum Spind fiel mir eines der Plakate ins Auge, die ich mir normalerweise nicht näher ansah. Trotz Kind studieren – flexible Moduleinteilung lautete die in leuchtend roter Schrift gehaltene Überschrift, die mich dazu brachte umgehend an Vivi zu denken. Sie war immer so ehrgeizig gewesen und hatte trotz der frühen Schwangerschaft einen sehr guten Abschluss gemacht und all das, um jetzt zu kellnern. Welche Verschwendung! Jeden Tag wurde mir durch sie bewusst, welch großes Glück ich hatte, dass ich machen konnte, was ich wollte und dabei sogar noch die Unterstützung meiner Familie erhielt. Dabei könnte Vivis Vater doch locker ihr Studium und die Wohnung finanzieren, sodass sie gar nicht aufs Kellnern angewiesen wäre. Wenn er doch nur nicht so verbohrt wäre. Alles könnte so einfach sein, wenn er akzeptieren würde, dass sowohl Titi als auch Ace zu Vivis Leben gehörten. Dass sie sich eben für ihn entschieden hatte und nicht für diesen Corsa. Aber das war wohl zu viel verlangt. Den ganzen Weg durch die Stadt, bis hin zum Supermarkt ums Eck, hatte ich darüber nachgedacht. Mir das Hirn zermartert, wie es für sie möglich sein könnte, doch noch ihrem Traum zu folgen. Es war ein Teufelskreis. Es begann mit ihrem Vater und endete auch mit ihm. Ich machte mir oft solche Gedanken, immerhin war Vivi meine Freundin und ein Teil meiner Familie. Und ich kann es einfach nicht ertragen, meine Freunde traurig zu sehen. Schwer seufzend schob ich beinahe die gesamte Regalauslage an „Whitebeard's Chococrunch“Riegeln in den Wagen und besorgte noch ein paar Instantnudelsuppen und Tiefkühlpizzen – das fünf Sterne Schlemmermenü für jeden Studenten -, um die letzten Tage, bis Vivi wieder daheim war und für uns alle kochen würde, einigermaßen heil zu überstehen und nicht den grausamen Hungertod sterben zu müssen. Eigentlich überstieg das ganze Junkfood mein Budget, doch zum Glück hatte Dadan mir bei meinem Besuch ein paar Scheinchen zugesteckt. Zwar waren sie für ein neues Lehrbuch bestimmt, doch ich hoffte darauf, dass Opa sich bald von seiner großzügigen Seite zeigte. Nachdem ich zu Hause meine Sporttasche gepackt, die Riegel in ihr Versteck gebracht und die Einkäufe verstaut hatte, machte ich mich auf den Weg zum Fitnessstudio. Vorsorglich schrieb ich Ace, dass ich die nächsten zwei Stunden nicht zu erreichen sei, damit er mich nicht wieder mit SMS und Anrufen flutete, bevor ich das Handy ausstellte und mit den anderen Sachen in den Umkleidespind packte. Ich fühlte mich so befreit, wie schon lange nicht mehr. Endlich ein wenig Zeit nur für mich. Zorro entdeckte ich bei den Hantelbänken, suchte mir eine neben ihm und warf mein Handtuch samt Wasserflasche achtlos daneben. „Hier hat sich ja auch nichts verändert“, stellte ich fest, warf einen Blick durch den Raum und ließ mich auf die Bank sinken. „Was hast du erwartet? Dass die in ein paar Wochen das gesamte Studio neu sanieren?“ „Ne, aber wenigstens mal neu streichen“, erwiderte ich und deutete auf die gegenüberliegende Wand, von der die hellblaue Farbe bröckelte. Zorro lachte leise. „So lange, wie du nicht mehr trainiert hast, solltest du besser mit dem Lysop-Gewicht wieder einsteigen“, sagte er, erhob sich und steckte die kleinsten Scheiben an die beiden Enden der Stange. „Ist nicht wahr oder?“ Er nickte. „Und selbst die hebt er nur, wenn er einen guten Tag erwischt hat.“ „Ey, das hätte ich mir ja gleich denken können. Dieser Schwätzer“, lachte ich, legte die Stange in die Halterung und tauschte die Gewichte gegen schwerer aus. Zwar war es mehr als doppelt so viel, wie Lysop drückte, aber durch meine relativ lange Abstinenz hatte ich Abstriche verbüßen müssen, was mich ungemein ärgerte. Denn zuvor hatte ich ordentliche Fortschritte gemacht, beinahe zu Zorro aufgeschlossen. Durchaus neidisch, wenngleich die Bewunderung überwog, beobachtete ich ihn. Es gab gewiss Nichts, dass ihn davon abbringen konnte zu trainieren. Selbst in den stressigsten Zeiten war er regelmäßig hier anzutreffen. Ich fixierte wieder die Stange über mir. Und mich brachten die kleinsten Sachen aus dem Gleichgewicht. Wie auf Kommando erschien Namis Bild in meinen Gedanken. Obwohl meinem Verstand klar war, dass der Zug abgefahren war, gab es dennoch etwas in mir, das sie einfach nicht loslassen wollte. Wir hatten uns doch immer so gut verstanden, waren trotz kleiner Streitigkeiten immer auf einer Wellenlänge gewesen und eine gefühlte Ewigkeit befreundet gewesen. Und das alles sollte jetzt der Vergangenheit angehören? In meinen Erinnerungen verstauben? Weil ich es nicht verkraftete, dass sie sich für jemand anderes entschieden hatte? Ich konnte nicht anders, es ging einfach nicht. Ich wollte sie ganz oder gar nicht, andernfalls würde ich zerbrechen. Und dabei vermisste ich sie nur noch mehr. „Nicht so schnell oder willst du, dass die Wirkung gleich null ist?“, vernahm ich Zorros Stimme, was mich kurz zwinkern ließ und schließlich dazu brachte, mich aufzurichten. „Wie?“ „Du musst den Muskeln Zeit zur Regeneration geben, sonst kann sich da doch gar nichts aufbauen.“ Ich stützte mein Gesicht in den Händen ab, wischte mir den Schweiß beiseite und verharrte einige Sekunden in dieser Stellung. Allein der Gedanke an Nami bewirkte, dass ich alles um mich herum vergaß, nicht einmal bemerkt hatte, wie stark ich meinen Körper in der kurzen Zeit gefordert hatte. Dieser rächte sich, verlangte nach Wasser und pumpte mit voller Kraft Luft in meine Lungen. Zorro sah mich aus dem Augenwinkel heraus an. „Hast du wieder an die dumme Funzel gedacht?“ Ich nahm die Wasserflasche von den Lippen und nickte schwach. Ihm konnte keiner was vormachen. „...“ Er sagte nichts weiter, bedachte mich aber mit einem Blick, der wohl so viel sagen wollte, wie Sie ist es nicht wert. Ich strich meine Haare aus dem Gesicht, den Kopf weiterhin gesenkt. Zorro musste nichts sagen und trotzdem half es mir ungemein, ihn in meiner Nähe zu haben. Er verstand mich ohne viele Worte. „Vielleicht sollte ich erst einmal ein paar Minuten warten, bevor ich die nächste Wiederholung mache.“ „Wird wohl das Beste sein.“ Kapitel 7: Ein kleines bisschen Heldentum ----------------------------------------- Zorro hatte mir noch ein paar neue Übungen gezeigt, mir erklärt, wie oft ich sie wiederholen musste, um bald wieder meinen alten Stand zu erreichen und dabei von den Nachwuchstalenten in seinem Dojo erzählt. Direkt nach der Schule hatte er dort angefangen, den Einsteigerkurs im Kendo zu übernehmen, denn das Angebot des Leiters, einem gewissen Dulacre Mihawk, hatte Zorro nicht ausschlagen können. Er galt als einer der Besten, wenn nicht der Beste, auf dem Gebiet der Schwertkunst. Zudem brachte ihm diese Tätigkeit genug Geld ein, um seine winzige Wohnung und das Studium zu finanzieren. Ich hatte auch ein paar Mal drüber nachgedacht, mir einen Nebenjob zu suchen, was sich jedoch angesichts meines relativen vollen Lehrplans und meinen Pflichten zu Hause als schwierig bis unmöglich erwiesen hatte. Wer stellte schon jemanden ein, der oft kurzfristig absagen musste? „Hast du Lust noch was trinken zu gehen?“, fragte Zorro, als wir uns umzogen. Doch ich musste ablehnen, obwohl ich die Ablenkung gerne angenommen hätte. „Geldtechnisch sieht es bei mir sehr düster aus.“ „Dann eben ein anderes Mal.“ Ich nickte, schloss den Reißverschluss meiner Jacke und verließ mit ihm das Studio. „Und vergiss nicht, morgen früh haben wir wieder Physik. Ich hoffe doch, du kommst.“ Er hob erwartungsvoll eine Augenbraue. „Klar, das kann ich mir doch nicht entgehen lassen“, lachte ich, verabschiedete mich von ihm und trat den Heimweg an. Die Dämmerung war längst angebrochen, die Neonlichter diverser Läden leuchteten einladend und zogen die Menschen magisch an. Überall tummelten sich Grüppchen, die offensichtlich das Nachtleben erkunden wollten. Gut gelaunt und lachend gingen sie an mir vorbei, folgten wie Motten dem Licht. Ein wenig neidisch folgte ich ihnen mit den Augen. Oft kam es mir so vor, als hätten andere Menschen keinerlei Probleme. Sie wirkten so befreit und glücklich. Oder sie waren Meister der Vertuschung, ständig auf dem Weg den Schmerz in ihrem Inneren mit kurzweiligen Abenden und einer Menge Bekanntschaften zu betäuben. Es wäre so einfach, doch mir half es nicht. Ich war so vertieft in meine Beobachtungen gewesen, dass mir die Szene auf der anderen Straßenseite fast entgangen wäre. Ich presste die Augen zusammen, um besser erkennen zu können, was genau dort vor sich ging, nachdem ich eine schrille Frauenstimme hatte rufen hören. Ihre genauen Worte konnte ich nicht verstehen, nur dass ihr Ton auf nichts Gutes schließen ließ. Ich blieb stehen, prüfte den Verkehr und stürmte schließlich doch ohne zu schauen über die Straße, was mir das wütende Hupen eines Autofahrers bescherte. Doch dafür hatte ich keine Augen mehr gehabt, nachdem ich realisiert hatte, wer sich dort in Gefahr befand. Nami. „Lass mich gefälligst los!“, schrie sie, versuchte sich aus dem Griff des fremden Mannes zu winden, der sie jedoch immer weiter bedrängte. „Was stellst du dich denn so an? Ich hab dich doch nur gefragt, ob du mitkommen willst“, sein Lachen war gehässig, das Licht fiel ihm ungünstig ins Gesicht, ließ sein Grinsen wie eine schauerliche Fratze wirken, die von seiner seltsamen Nase betont wurde und seine prankenähnliche Hand, die von zahlreichen Schmuckstücken verziert war, schloss sich fest um ihren Oberarm. „Und ich habe jetzt dreimal Nein gesagt!“ „Hey! Lass sie gefälligst los“, sagte ich ohne zu zögern, woraufhin Nami den Kopf zu mir herumdrehte, und machte einen Schritt auf ihn zu. „Ruffy...“ „Was ist dein verdammtes Problem?“, bluffte er, zog Nami grob zurück und baute sich vor mir auf. Obwohl er mir riesig vorkam und noch dazu überaus breit war, ließ ich mich von dem Anblick nicht einschüchtern. Sollte ich Nami etwa diesem Ekel überlassen? Ihr in der Not den Rücken zu kehren aus gekränkter Eitelkeit? Ja, sie hatte mir weh getan und ja, ich war verdammt wütend auf sie gewesen. Trotzdem war sie immer noch meine Freundin und ließ meine Freunde nicht im Stich! „Ich sag's dir noch mal, lass sie los“, presste ich mit zusammengebissenen Zähnen hervor, fixierte ihn mit meinen Augen und ballte die Hände zu Fäusten. Ich spürte, wie meine Fingernägel sich in meine Handflächen bohrten, wie ich nur darauf wartete, aus dieser Lauerstellung herauszukommen. „Und was, wenn ich nicht auf dich höre? Was willst du schon ausrichten, Kleiner?“ „Komm doch her und find's raus!“ Es hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Der Typ ließ endlich von Nami ab. Grob stieß er sie zur Seite. Verunsichert und sichtlich eingeschüchtert stolperte sie von ihm weg, nicht ohne ihn dabei fest im Auge zu behalten, und suchte schließlich Schutz hinter mir. „Ruffy, lass es“, wisperte sie und erfasste zaghaft meinen Arm. „Lass uns abhauen.“ Unsanft entriss ich mich ihrem Griff und schüttelte den Kopf. „Nein“, erwiderte ich starr, „ich laufe nicht davon.“ Wenn ich jetzt davon rannte, war ich schwach und schändlich. Was wäre ich für ein Freund, wenn ich nicht einmal meine Freunde beschützen konnte? Was hätte ich dann für ein Recht stolz auf mich zu sein? „Du solltest besser auf die Kleine hören. Könnte sonst böse für dich ausgehen.“ Er trat einen Schritt ins Licht, wobei seine spitzen Zähne aufblitzten. Ich grinste schief, streifte meine Tasche von den Schultern und drückte sie Nami, die noch etwas entgegnen wollte, in die Arme, bevor ich meine Fingerknöchel zum Knacken brachte. Dem würde das Lachen noch vergehen. „Da wäre ich mir an deiner Stelle aber nicht so sicher.“ Sein Gesicht verfinsterte sich, er rieb sich die Wangen und die zahlreichen Ringe an seinen Fingern glänzten im schwachen Licht der Straßenlaterne. Noch immer verweilte ich in meiner Position, war nicht gewillt zuerst anzugreifen. Eine falsche Entscheidung könnte Nami in unnötige Gefahr bringen, was ich nicht riskieren wollte. Womöglich half es schon, sich von seiner Masche unbeeindruckt zu zeigen, um ihn auf diese Weise zu verunsichern. Angst hatte ich keine. Ich kannte sie nicht, wenn es ums Kämpfen ging. Wusste ich doch um meinen harten Schlag und meine Wendigkeit Bescheid. Das Einzige, das mich zurückhielt kurzen Prozess mit dem Schmierlappen zu machen, war Nami. Der Typ setzte sich in Bewegung, zunächst langsam, plötzlich rasant. Er holte aus, verfehlte mich nur knapp. Haarscharf war ich seiner Faust ausgewichen, während ich Nami aus der Gefahrenzone gestoßen hatte. Mit einem Schrei landete sie auf ihren Knien. Schnell suchte ich die Balance und verpasste ihm eine mit der Rechten, traf mit voller Wucht seinen Kiefer. Es knackte und knirschte, vermutlich seine Zähne. Er taumelte von mir weg, unfähig dazu sich zu fangen – zumindest für den Augenblick. Ich schnappte meine Tasche und Namis Hand. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie ihn an, als ich sie mit mir riss. Normalerweise rannte ich vor Problemen nicht davon, doch es wäre dumm gewesen, bis zum letzten Ende zu kämpfen. Ich hatte Nami beschützen wollen und das war mir gelungen. Erst zwei Blocks weiter verlangsamten wir unser Tempo, wohl eher Nami, die wild nach Luft schnappte und die Hände auf den aufgeschrammten Knien abstützte. „Danke, Ruffy“, durchschnitt sie die Stille zwischen uns, atmete unregelmäßig und blickte zu mir auf. „Zum Glück bist du vorbeikommen. Dieser widerliche Kerl hat mich davor schon fünf Minuten lang bedrängt.“ Ich reichte ihr die Wasserflasche aus meiner Tasche. Ihre Wangen glühten leuchtend rot. Trotz der Dunkelheit war es nicht zu übersehen. „Wir sind doch Freunde. Es ist selbstverständlich, dass ich dir helfe.“ Sie trank einige Schlücke, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und gab mir die Flasche zurück, als sie mich plötzlich umarmte. „Vielen Dank.“ Perplex ließ ich die Berührung zu, roch den Orangenduft, der ihre Haare umgab, und das dezente Parfüm. Es weckte so viele Erinnerungen. An den letzten Sommer, die anfänglichen Berührungen, das Date im Park und unseren Kuss. Schöne Erinnerungen, die mir schmerzhaft die Eingeweide zerquetschten. Zögerlich strich ich über ihren Rücken und sehnte mich doch nach mehr. So nah war ich ihr schon lange nicht mehr gewesen und doch war sie für mich unerreichbar. War es ihr überhaupt bewusst, wie sehr mich das quälte? Sie löste sich von mir, ich wusste nicht, was ich tun oder sagen sollte. Obwohl es so viel gab, das mir durch den Kopf ging. Ich wollte sie festhalten, weiter den süßen Duft einatmen, sie berühren, vor allem aber...küssen. „Wie schon gesagt, das war doch selbstverständlich“, kam es mir endlich über die Lippen, sie hatte mich schon misstrauisch gemustert, und ich wollte soeben meinen Weg fortsetzen, als ihre Hand meine Schulter streifte. „Würdest...würdest du mich noch nach Hause bringen? Bitte...“ „Ich muss morgen früh raus“, rutschte es mir heraus und noch im selben Augenblick hätte ich mich am liebsten dafür geohrfeigt. Wo wir uns doch gerade wieder annäherten. Doch sie sah nicht böse aus, viel mehr wirkte sie enttäuscht und ein wenig verzweifelt. Sie musste wirklich große Angst haben. „Kann ich dann...vielleicht mit zu...mit zu dir kommen?“ Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Vor einem Jahr hätte ich, sie wohl gleich hoch genommen und zu mir getragen. Aber heute... Einerseits hielt ich es für keine gute Idee, ich hielt ihre Nähe so schon kaum aus und wusste nicht, wie ich mich ihr gegenüber verhalten sollte, andererseits konnte ich es nicht verantworten, dass sie diesem Typen noch einmal in die Arme lief. Zumal er jetzt richtig wütend sein musste. Mir schoss die Frage in den Sinn, weshalb sie nicht ihren Neuen anrief und ihn bat sie abzuholen, doch ich schluckte sie herunter. Womöglich gab es einen Grund dafür, sie erwähnte ihn ja nicht mal, und ich wollte es mir nicht wegen so etwas mit ihr verscherzen. Denn manchmal schlug ihre Laune schneller um als das Wetter. Egal, wie unbehaglich die Vorstellung war mit ihr allein zu sein, ich konnte dem bettelnden Blick ihrer großen, braunen Augen nicht standhalten. Seufzend ließ ich die Schultern hängen. „Okay, dann komm.“ Sie lächelte erleichtert, bedankte sich ein paar Mal und wich mir keinen Zentimeter von der Seite, während wir von der Hauptstraße abbogen und die Seitenstraßen bis zur Wohnung entlang gingen. Allein die Vorstellung, dass sie mit zu mir kam und wir allein sein würden, trieb mir den Herzschlag bis zum Hals. Welch großer Sprung, wenn man bedachte, dass sie mich vor ein paar Tagen am liebsten noch zum Teufel gejagt hätte. „Ich hol dir mal Bettzeug. Möchtest du noch was trinken?“ „Wasser wäre toll“, hörte ich sie antworten, als ich Kissen und Decke aus meinem Bettkasten holte und ihr ins Wohnzimmer brachte, um anschließend eine Flasche aus dem Kühlschrank zu holen. „Bitteschön.“ Ich vermied es übermäßig Blickkontakt zu ihr zu haben. Ihre Augen verunsicherten mich jedes Mal aufs Neue, als raubten sie mir den Willen. Wie sehr ich mich auch wehrte, ich war ihr noch immer hoffnungslos verfallen... „Danke.“ Sie begann das Kissen aufzuschütteln. Das sichere Zeichen für mich, mich zurückzuziehen. Ich würde diese Nacht gewiss kein Auge zu machen, nicht mit Nami so nah bei mir, aber ich wollte mit meinen Gedanken wenigstens alleine sein. „Ruffy?“ „Hm?“ Sie warf einen Blick über die Sofalehne, ich hatte die Klinke bereits fest in der Hand. Nami senkte den Kopf. „Es tut mir leid, dass ich so gemein zu dir war. Es steht mir ja eigentlich nicht zu...“ „Schon in Ordnung“, flüsterte ich und wollte mich einem weiteren Gespräch entziehen, doch sie schien noch etwas auf dem Herzen zu haben. Zumindest deutete ich dies aus ihrer Körperhaltung – und ich sollte recht behalten. „Aber...es war irgendwie so komisch, dich mit ihr zu sehen.“ Ich schluckte die Bemerkung, dass es mir schon seit Monaten so ging, herunter. Streit war das Letzte, das ich jetzt gebrauchen konnte. Außerdem schien sie langsam zu begreifen. „Ich kam mir in dem Moment ganz seltsam vor“, fuhr sie mit brüchiger Stimme fort und spielte mit dem Saum der Decke. „Es hat mich verletzt, keine Ahnung wieso. Aber irgendwie...war ich...ja, man kann schon fast eifersüchtig sagen.“ Ein weiterer Seufzer entwich mir. „Nami, dazu gibt es keinen Grund“, war das Letzte, was ich zu ihr an diesem Abend sagte. Ich wollte mich nicht weiter mit dem Thema beschäftigen, schloss die Tür hinter mir und ließ mich, nachdem ich rasch meine Klamotten abgestreift hatte, ins Bett fallen. Es kam kein Einwand von ihrer Seite. Ich schlug die Hände über dem Gesicht zusammen und atmete flach, während mein Hals staubtrocken war und es in meinem Kopf laut pochte. Wie sehr wollte sie mich eigentlich noch verletzen? Wie viele Strohhalme hinwerfen und wieder wegreißen? Erschien es ihr so abwegig, dass ich vielleicht doch noch Gefühle für sie hegte und mich solche Aussagen erneut ins Straucheln brachten? Spielte sie gar damit? Was sollte das überhaupt heißen schon fast eifersüchtig? War sie es jetzt gewesen oder nicht? Und warum überhaupt? Sie hatte doch einen festen Freund, den sie mir damals vorgezogen hatte, oder lief das nicht, wie sie es wollte? War es womöglich vorbei? Wollte er sie nicht mehr und jetzt war ihr wieder eingefallen, dass ich ja auch noch da war? War das der Grund für ihr Verhalten? Es passte zumindest in gewissen Teilen und trübte meine Freude, dass sie überhaupt wieder mit mir sprach. Ich rollte mich auf die Seite, zog die Decke über mich, fror dennoch und schloss die Augen, als mein Handy wie verrückt zu vibrieren begann. „Das kann doch nur einer sein“, murmelte ich genervt, hievte mich mühsam aus dem Bett und wühlte in der Tasche meiner Hose herum, bis es mir in die Hände fiel. Wie ich es bereits gedacht hatte... „Jo, Ace, was ist los?“ „Woooohoooo!“, röhrte er mir ins Ohr und ich hielt das Handy von meinem Kopf weg, bis er verstummte. „Bist du zum Woooh-Girl mutiert oder was?“ „Viel besser“, sagte er und ich hörte, wie Vivi im Hintergrund anmerkte, er solle nicht so übertreiben, „Wir haben jetzt endlich mal geklärt, wie es mit Kobra weitergeht und sind fein raus. Yay!“ „Du hast ihm aber nicht das Kissen ins Gesicht gedrückt, oder doch?“, schmunzelte ich, woraufhin sein herzliches Lachen durch den Hörer dröhnte und mich sogleich ansteckte. Wie sehr ich das vermisst hatte, ihn dermaßen gut gelaunt zu erleben. „Nein leider nicht-“ „Hey du redest hier immer noch über meinen Vater!“ „-Sorry, Babe, aber du weißt selber, was er für ein Ekel ist“, vernahm ich die beiden miteinander sprechen, bis Ace sich wieder an mich wandte, „jedenfalls ist es jetzt sicher, dass er eine häusliche Pflegekraft bekommt, nachdem er sich ja die ganze Zeit dagegen gesträubt und verlangt hat, dass Vivi alleine zu ihm zieht und sich um ihn kümmert.“ „Weshalb hat er seine Meinung geändert?“ Ace lachte erneut auf. „Tja, ich glaube, es hat ihm ganz und gar nicht gefallen, dass er den heutigen Tag in der Badewanne verbringen konnte.“ „Wolltest du ihn etwa ertränken?“, fragte ich und konnte mir das Kichern nicht verkneifen. „Haha, gute Idee, Ruffy. Aber ich hab's erst mal damit versucht, ihm klar zu machen, was für eine miese Idee das ist.“ „Ich versteh nicht ganz...“ „Na, ganz einfach, nachdem ich ihn da heute morgen rein heben musste und ihm nichts besseres eingefallen ist, als mich wieder zu beleidigen, hab ich ihn einfach den ganzen Tag da sitzen lassen. Vivi hätte ihn niemals alleine daraus bekommen und er muss wohl ansatzweise kapiert haben, dass ich jetzt am längeren Hebel sitze. Das Wasser hat wohl nicht nur seine Haut aufgeweicht. Denn als Vivi dann nach ein paar Stunden mit ihm sprechen wollte, hat er schließlich von sich aus eingewilligt. Oh Mann, ich könnte platzen vor Freude!“ „Und Vivi? Wie geht's ihr damit?“ „Willst du sie das selber fragen? Ich muss diesen Sieg erst mal feiern. Bis morgen, Ruffy“, verabschiedete er sich von mir und übergab das Handy an Vivi, bevor ich überhaupt antworten konnte. „Hey, Ruffy, alles klar zu Hause? Kommst du gut zurecht?“ „Du kennst mich doch, ich werd' schon nicht verhungern. Und um Karuh kümmer' ich mich selbstverständlich auch.“ „Das ist lieb von dir“, sagte sie, der erleichterte Tonfall ihrer Stimme war kaum zu überhören. „Titi geht es auch sehr gut bei Dadan, auch wenn sie uns alle sehr vermisst. Dadan hat mich heute angerufen und mir davon vorgeschwärmt, was für eine begeisterte Gärtnerin Titi jetzt schon wäre. Sie hätte sie gestern beinahe nicht mehr aus dem Beet bekommen.“ „Ich glaube eher, dass Dadan sie zum Unkraut jäten missbraucht hat.“ Vivi kicherte leise. „Vielleicht ist es das.“ „Bist du denn auch zufrieden, so wie es jetzt ist?“ „Auf jeden Fall“, antwortete sie entschieden. „Dass ich euch alleine lasse und zu meinem Vater ziehe, hätte ich eh nie in Erwägung gezogen. Er ist zwar mein Vater, aber ich hab meine eigene Familie und wenn er die nicht akzeptiert...Nie hätte ich euch im Stich gelassen! Von daher fällt mir jetzt eine Riesenlast von den Schultern. Es war einfach von Anfang an die beste Idee.“ Meine Lippen umspielte ein Lächeln. Schön, sie so froh zu erleben. „Wann kommt ihr morgen wieder?“ „Oh, ich denke, dass wir früh losfahren und gegen Nachmittag zurück sind.“ „Bringt ihr Titi mit oder soll ich sie morgen von Dadan holen?“ „Nein, sie bleibt noch bis übermorgen bei ihr, Ace hat nämlich beschlossen, das morgen Abend ganz groß zu feiern.“ „Ab ins Bett mit dir, Vivs!“, hörte ich seine Stimme ungewöhnlich laut im Hintergrund. „Ace, ich hab dir doch gesagt, du sollst das Ding hier nicht benutzen! Und woher hast du den Sake? Und all die Erdnüsse?! Doch nicht etwa aus der Minibar? Weißt du, was das kostet?!“, stutzte sie ihn zurecht, doch viel half es nicht, da er sofort konterte: „Aber das ist eine Ausnahmesituation!“ „Sag nicht, der Vogel hat sich ein Megaphon besorgt.“ „Doch, gestern in so einem Kramladen am Bahnhof“, stöhnte sie, „schon den ganzen Tag muss ich das ertragen.“ „Hehe, aber was ist das im Vergleich mit ihm, wenn er mies gelaunt ist. Sieh's mal positiv.“ „Du hast recht. Ich freue mich ja auch ungemein und vor allem freu ich mich auf zu Hause, Titi und dich. Wir sind zwar noch nicht lange hier, trotzdem vermisse ich euch als wären es Wochen.“ Ein Rauschen durchzog den Hintergrund, es knackte und dröhnte plötzlich unangenehm laut im Hörer. „Komm ins Bett!“ „Ich glaube, wir sollten besser auflegen“, lachte ich. „Bis morgen und gute Heimfahrt.“ „Ich glaub's auch. Mach's gut, Ruffy“, verabschiedete sie sich, die Leitung knackte erneut kurz und ich hörte es nur noch tuten. Kopf schüttelnd stellte ich meinen Wecker und legte mein Handy neben das Bett. Kapitel 8: Eine neue Chance? ---------------------------- Unsanft riss mich der eingestellte Weckton aus dem Schlaf, seine Wirkung hatte er nicht verfehlt. Routiniert drückte ich das Handy aus, wickelte mich tief in die Decke und rieb mir die Augen, die schon wieder zu fielen. Ich liebäugelte bereits jetzt damit, Physik an diesem Morgen sausen zu lassen und einfach weiterzuschlafen. Bestimmt hätte ich es auch getan, hätte ich Zorro nicht versprochen, dass wir uns den „Spaß“ wieder gemeinsam antun würden. Gähnend schälte ich mich aus dem warmen Bett, obwohl ich noch Stunden hätte schlafen könne, streckte mich ausgiebig und machte mich auf in Richtung Küche, um die Kaffeemaschine anzustellen. Kaum hatte ich mein Zimmer verlassen, war meine Müdigkeit mit einem Schlag wie weggeblasen. Lange hatte ich mich nicht mehr früh morgens derart wach gefühlt. Wegen der Nachrichten von Ace und Vivi hatte ich ganz vergessen, wen ich letzten Abend mitgenommen hatte. Überhaupt vergessen, dass ich nicht alleine in der Wohnung war. Ich raufte mir das Haar, wusste weder vor noch zurück. Wie hatte ich das nur so leicht ausblenden können? Auf dem Sofa räkelte sich Nami, bloß Top und Höschen tragend, die Decke komplett von sich herunter gestrampelt. Wenn, dann kriege ich wohl immer das volle Programm. Obwohl ich mir unglaublich blöd dabei vorkam, die Situation so schamlos auszunutzen, konnte ich nicht anders, als es mir näher anzusehen und mir dieses Bild haarklein einzuprägen. Auf Zehenspitzen huschte ich die Wand entlang bis hin zur Schiebetür der Küche und wartete einen Augenblick, bevor ich mich ein Stück weit vor tastete, um einen besseren Blick auf Nami werfen zu können. Ein Glück, dass sie tief und fest schlief, andernfalls hätte sie mir wohl eine saftige Kopfnuss verpasst. Von diesem Anblick konnte ich gar nicht genug bekommen. Weder von ihren langen Beinen und dem knappen Höschen, das bloß das Nötigste verdeckte, noch dem leicht entblößten Bauch und ihrer unverkennbaren Tätowierung, der Verbindung einer Orange und einer Windmühle, auf dem linken Oberarm. Doch am längsten hafteten meine Augen an ihren Brüsten. Und je mehr Zeit verging, desto mieser und gleichzeitig glücklicher fühlte ich mich. Es war eine Sache, sich Dinge in der Fantasie auszumalen, eine andere sie leibhaftig vor sich zu sehen. Nami seufzte leise, riss mich aus meiner Starre. Einzelne Strähnen fielen ihr ins Gesicht und doch erkannte ich den entspannten Ausdruck darin. Wann würde sich dieser Anblick mir ein zweites Mal bieten? Zu verlockend war die Vorstellung sie zu berühren, über ihre Haut zu streichen. Mit den Fingerspitzen jeden einzelnen Zentimeter zu erforschen. Sie zu küssen. Am liebsten hätte ich mich zu ihr gelegt, sie in die Arme geschlossen und nie wieder gehen gelassen. Ich schluckte hart. Die Stimmen aus meinem Unterbewusstsein erschreckten mich selber, mir war bis dahin nicht bewusst gewesen, dass ich mich so sehr nach ihre verzehrte. Doch ich konnte die Lage nicht schamlos ausnutzen und sie einfach anfassen. Immerhin vertraute Nami mir. Ich rieb mir die Stirn und seufzte. Wie sehr ich wegen dieser Frau in einen Trottel mutierte, war unfassbar. Nachdem ich versucht hatte mit einer kalten Dusche von dem Trip herunterzukommen, zog ich mich rasch an und verstaute meine Sachen in der Tasche. Zum Glück hatte sie die ganze Zeit über geschlafen. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie peinlich die Situation ansonsten für mich gewesen wäre. Als ich erneut das Wohnzimmer betrat, um zur Küche zu gelangen, war Nami wach und bereits völlig bekleidet. Ich versuchte, nicht allzu enttäuscht auszusehen. „Guten Morgen“, zwitscherte sie, legte die Decke zusammen, platzierte das Kissen darauf und nahm auf dem Sofa Platz. „Hast du gut geschlafen?“ In dem Moment musste ich richtig dämlich geguckt haben, denn ihr Gesicht nahm einen skeptischen Ausdruck an. „Ist irgendwas passiert?“ „Was? Äh, nein“, stammelte ich mich aus der Affäre. „Ich hab nur gerade überlegt, was ich heute noch alles erledigen muss, bevor Vivi und Ace wiederkommen.“ „Vivi kommt heute wieder?“, freute sich Nami und faltete die Hände ineinander. „Ich hab sie so vermisst. Ohne sie zu arbeiten, ist nicht dasselbe. Da fehlt einfach der Spaß... Weißt du denn schon, ob ihr Besuch etwas gebracht hat?“ Es wunderte mich nicht, dass Nami das fragte. War sie doch Vivis beste Freundin und wahrscheinlich über manche Dinge noch besser im Bilde als ich, was ich jedoch nicht bedauerte. Schwach lächelte ich. „Ja, so wie ich das verstanden habe, ist ihr Vater endlich zur Vernunft gekommen und wird sich jemanden suchen, der ihm hilft.“ „Das ist wirklich besser“, stimmte Nami zu. „Überleg' dir mal Vivi müsste eine dermaßen schwere körperliche Tätigkeit übernehmen. Das würde sie doch keine zwei Tage aushalten. Ganz zu schweigen davon, dass sie noch weniger Zeit für Titi hätte.“ Sie erhob sich vom Sofa. „Die hätte ja dann nicht mitkommen dürfen“, klärte ich Nami auf. „Seine genauen Worte waren: aber ohne den Kerl und das Balg.“ „Krass“, flüsterte sie und hielt sich die Hand vor den Mund. „Dass er noch immer so eine Abneigung gegen die Kleine hat, dabei ist sie doch so niedlich.“ Ich beobachtete, wie Nami das eingerahmte Foto, das auf der Kommode neben dem Fernseher stand, in die Hand nahm und beim Betrachten lächelte. „So große Kulleraugen. Wie kann er denen nur widerstehen?“ Demonstrativ hielt sie es mir unter die Nase. „Keine Ahnung, aber ich glaube auch, dass er sie bloß einmal gesehen hat und da wird sie so drei Monate alt gewesen sein“, sagte ich und kratzte mich nachdenklich am Kinn, während sich auf Namis Gesicht das blanke Entsetzen abzeichnete. „Wie bitte?! Kobra hat seine Enkelin bloß einmal gesehen? Da ist es doch kein Wunder, dass er gar keinen Bezug zu ihr hat.“ Ich legte den Kopf schief und verschränkte die Arme vor der Brust. „Vielleicht würde er etwas auftauen, wenn er sie öfters oder überhaupt sehen könnte.“ Von der Seite hatte ich das Ganze noch gar nicht betrachtet, aber es hatte Sinn. War bei Opa schließlich auch nicht anders gewesen. Heute liebte er sie und zog mit der größten Freude Fratzen für Titi, um sie zum Lachen zu bringen. „Überzeug Ace mal von deiner Ansicht, ich glaube, er würde lieber seine eigenen Arme fressen, als das zuzulassen.“ Nami grinste, ehe sie wieder ernst wurde. „Ich finde wirklich, dass die beiden das mal in Betracht ziehen sollten. Du überzeugst deinen Bruder von der Idee und ich kümmere mich um Vivi.“ „Ich kann es ja mal probieren“, sagte ich zwinkernd, ging in die Küche und holte zwei Tassen aus dem Schrank. „Möchtest du auch Kaffee?“ „Gerne.“ „Frühstück kann ich dir glaube nicht anbieten“, ich öffnete zur Bestätigung den Kühlschrank, nachdem sie hinter mir aufgetaucht war, der wieder mal fast leer war. Dankend nahm Nami die Tasse entgegen und nippte kurz daran. „Kein Problem, ich esse eh immer erst im Kazaguruma.“ „...“ Ohne ein weiteres Wort zu wechseln, hatten wir beide unsere Tassen geleert und waren schließlich aufgebrochen. Nami zur Arbeit, ich zur Uni. An der Kreuzung hatte sie sich von mir verabschiedet – sogar mit Umarmung – und sich noch einmal für meine Hilfe bedankt. Doch wirklich bewusst, wie dankbar sie mir war, wurde es mir erst, als sie mir zum Dank ein Abendessen im Restaurant zum halben Preis versprach. Zumindest hatte ich mir eingebildet das gehört zu haben, denn eigentlich war mein Gehirn von all den Reizen, dem Gefühl ihres Körpers und ihrem Duft, vollkommen überflutet. Vielleicht hatte ich es mir tatsächlich nur eingebildet. Nami ist knauseriger als sonst jemand auf dieser Welt und Geld ihr Liebstes. Lieber würde sie selber drauf gehen, als eine ihrer Münzen, die sie wie Babys liebte, jemand einfach so zu überlassen. Nur was Klamotten betraf, kam es vor, dass ihr Portemonnaie lockerer saß. Sie war kaum um die Ecke gebogen, als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte. „Wie willst du mir das nur erklären?“ Ertappt drehte ich mich herum und rollte die Augen über Zorros süffisantes Grinsen. „Da gibt es nichts zu erklären“, gab ich ihm zu verstehen, während ich die Gedanken an sie abschüttelte und mich wieder in Bewegung setzte. „Wirklich nicht? Ich find's aber schon eigenartig, dich morgens mit Nami auf der Straße zu sehen.“ Ich blickte ihn ernst an. „Wenn du es wirklich wissen willst, ich hab sie gestern Abend getroffen, als sie von so einem schmierigen Typen angegraben wurde...“ „Ah, Ruffy hat den Helden gespielt.“ „Schwachsinn, ich hab sie nur verteidigt und dann wollte sie nicht mehr allein nach Hause und ist eben mitgekommen“, ich hob den Zeigefinger. „Spar dir deine Witze, sie hat auf der Couch geschlafen!“ „Das war's?“ „Das war's, mehr war nicht dabei.“ „Hm“, brummte Zorro und vergrub die Hände in den Hosentaschen. „Dabei habe ich gestern noch was über Nami erfahren, das dich vielleicht interessieren könnte. Aber wenn du so ablehnend bei dem Thema bist.“ Scheiße! Der Mistkerl hatte es mal wieder geschafft, mich hellhörig werden zulassen. Zorro kannte mich viel zu gut und wusste, dass mich alles interessierte, was mit Nami zu tun hatte. Und wenn es bloß Unsinn war. Ich ging stark davon aus, dass er wusste, dass ich noch immer Gefühle für sie hatte, wenngleich ich alles tat, um dies zu verbergen. Aber bei unserem letzten Treffen hatte ich mich definitiv verraten. „Okay, ich versteh schon.“ „Komm, spuck's aus, Zorro.“ „Ich war gestern nach dem Training noch im Kazaguruma.“ „Allein?“ „Nein, mit einer Bekannten aus dem Dojo.“ „Uhh! Zorro hat eine Bekannte“, neckte ich ihn und erkannte an dem Rotschimmer auf seinen Wangen, dass es ihm sichtlich unangenehm war. Endlich konnte ich ihn auch mal aus der Fassung bringen! „Willst du es jetzt wissen, oder bloß Witze reißen?!“ „Schon gut, fahr fort.“ Er knirschte kurz mit den Zähnen. „Also wir haben uns dort getroffen, um was zu trinken und dann kam dieser Suppenkasper, um persönlich unsere Bestellung aufzunehmen, was der sonst nie getan hat, wenn ich da war. Jedenfalls hat er sich gar nicht zügeln können, Tashigi mit Komplimenten zu überhäufen. Total affig!“ „Die Glückliche heißt also Tashigi“, flötete ich, um erneut den tiefroten Ton auf Zorros gebräunter Haut zu sehen. Was mir in diesem Moment mehr Freude verschaffte, als etwas Neues über Nami zu erfahren. Der Verlauf des Abends, die eigentliche Info, wunderte mich bisher kein Stück, hatte ich mit Hancock schließlich dasselbe erlebt. Doch Zorro hatte noch mehr zu berichten: „Wie dem auch sei, als ich diesen saublöden Kochlöffel dann gefragt habe, ob er sich nicht schämt, eine andere Frau anzuschleimen, während seine Freundin ebenfalls anwesend ist, meinte er nur, dass mich das gar nichts anginge und er keine Freundin hätte.“ Mein Kopf flog nach oben, ungläubig über das, was ich soeben gehört hatte. Mit großen Augen starrte ich Zorro an. War Nami wahrhaftig wieder Single? Ob sie deswegen darum gebeten hatte, mit zu kommen? Mir wurde gleichzeitig heiß und eiskalt, fühlte den Schweiß auf meiner Stirn stehen und mein Herz, das sich beinahe überschlug. Weswegen sie Schluss gemacht hatten? Wegen seines Verhaltens oder wegen Namis Eifersucht auf Hancock? Hatte ich doch noch eine Chance bei ihr? Hatte sie die Tür für mich wieder geöffnet? Unbewusst verkrampften meine Finger. Mein Verstand sagte mir, ich würde mir nur wehtun, wäre bloß ihre zweite Wahl. Doch mein Herz und vor allem mein Bauchgefühl schrien, dass ich es versuchen sollte, es sei ein sicheres Zeichen. Wenn nur diese Zweifel nicht wären... In Zorros Augen spiegelte sich eine immer größer werdende Erwartungshaltung wider. „Meinst du echt, sie ist nicht mehr mit ihm zusammen?“, murmelte ich, den Kopf gesenkt. „Wenn sie's wäre, wäre sie eine noch blödere Funzel als ich bisher angenommen habe.“ Den gesamten Tag über wollten mir Zorros Worte nicht mehr aus dem Sinn gehen. Nichts vermochte sie zu vertreiben. Ob ich jetzt freie Bahn bei ihr hatte? Oder änderte sich für mich doch nichts dadurch? Wie sollte ich in Bezug darauf das gestrige Treffen interpretieren und wie würde sie sich mir gegenüber verhalten, wenn wir uns das nächste Mal trafen? Würde sie mich weiterhin auf Abstand halten oder vermehrt Kontakt suchen? Ich konnte mir bei Nami diesbezüglich nie sicher sein. Letztes Jahr hatte ich schon einmal gedacht, sie wollte eine Beziehung mit mir und war kläglich gescheitert. Das durfte mir nicht noch einmal passieren, ich wollte den ganzen Schmerz nicht noch einmal durchleben. Das würde ich nicht ertragen. Ich würde es dieses Mal langsamer, bedachter angehen, auch wenn ich am liebsten sofort zu ihr gerannt wäre und ihr brühwarm alles gebeichtet hätte. Wie sehr sie mir fehlte. Wie sehr ich mich nach ihr verzehrte und wie oft ich an sie denken musste. Doch selbst mir leuchtete es ein, dass das alles andere als eine gute Idee war. Es würde sie bloß überfordern und eventuell auch ein schlechtes Licht auf mich werfen. Zum Glück musste ich an diesem Tag neben den Vorlesungen bloß die vorherigen Versuche auswerten, sodass ich nach nicht mal einer Stunde das Praktikum verlassen und nach Hause gehen konnte. Ob Vivi und Ace inzwischen angekommen waren? Ich freute mich sie wieder zu sehen und um ganz ehrlich zu sein, nicht mehr selber kochen zu müssen, sondern wieder von Vivis Kreationen verwöhnt zu werden. Wenn ich nur an ihre frittierten Süßkartoffeln dachte, lief mir wie Pawlowsches Hund das Wasser im Mund zusammen. Und dabei war mein Mittagessen keine zwei Stunden her. Dennoch malte ich mir in Gedanken bereits aus, welches Megagericht mich heute Abend erwarten würde. Hatte Vivi nicht etwas von groß feiern gesagt? Übersetzt hieß dies nichts anderes, als dass Ace uns zum Essen einladen würde. Gewiss ins Kazaguruma, weil ein anderes Restaurant ja fast so etwas wie Verrat bedeuten würde. So sehr ich diesen Koch auch nicht leiden konnte, so viel verstand er von seinem Handwerk. Nichtmal Vivis Künste konnten sich damit messen und sie war schon verdammt gut! Als ich die Wohnung erreicht hatte, deutete noch nichts auf eine Wiederkehr der beiden hin, zumindest hörte ich von drinnen nichts. Ich schloss die Tür auf und fand die Wohnung genauso vor, wie ich sie heute Morgen verlassen hatte. Das Kissen und die Decke, die Nami benutzt hatte lagen noch auf dem Sofa, die dreckigen Tassen standen unverändert in der Spüle. Schnell sorgte ich für Ordnung und vor allem dafür, dass Ace kein Futter für dumme Fragen bekam. Denn ich wusste genau, was er aus den kleinsten Sachen zusammen kombinieren würde. Ich hatte die Tassen soeben abgetrocknet, als die Tür aufgeschoben wurde. „Hey Ruffy“, wurde ich von Ace begrüßt, als er in die Küche kam. „Du räumst auf? Vernichtest du etwa letzte Beweise?“ Ich knuffte seine Schulter. „Unsinn, es war bloß etwas chaotisch.“ „Das ist aber lieb von dir“, kam es sogleich von Vivi, die mich drückte, und Ace bat, ihren Koffer wegzuräumen. „Und wie bist du so zurechtgekommen? Hast du dich so alleine auch nicht zu sehr gelangweilt?“ Sie deutete mir an, mich an den Tisch zu setzen, während sie begann, Tee zu kochen. „Eigentlich nicht. Ich war auch kaum zu Hause. Einmal war ich mit Zorro trainieren, dann waren Chopper und Lysop hier und wir sind danach essen gegangen.“ Vivi lächelte und stellte die Tasse vor mir ab. „Da hast du ja wirklich ein paar sehr schöne Tage verbracht.“ Ich nahm einen Schluck und verbrannte mir beinahe die Zunge. „Du, Vivi?“, begann ich und druckste ein wenig herum, was ihre Neugierde nur noch anwachsen ließ. „Sag mal, Nami... ist Nami wieder Single?“ Vivi neigte den Kopf und machte einen verdutzten Eindruck. „Wie kommst du denn darauf?“ „Hat das mit deiner Hamnock etwa nicht geklappt?“, mischte sich Ace dazwischen und gesellte sich zu uns. „Lass mich doch mal mit dieser Hancock in Ruhe“, konterte ich. „Ich hab sie erst zweimal gesehen.“ „Und bist gleich von ihr eingeladen worden, na, wenn das kein Zeichen ist.“ „Ace“, kam es ermahnend von Vivi, der es nicht entgangen war, wie unangenehm das Thema mir war. „Du weißt doch, dass Ruffy in dieser Hinsicht nie lügen würde.“ „Pff, aber auch nur weil er der mieseste Lügner unter der Sonne ist.“ Ich verdrehte die Augen und nahm einen Schluck von meinem Tee. „Also“, nahm Vivi die vorausgegangene Frage wieder auf, überlegte kurz und errötete leicht, „oh ja, sie hat mir vor einer Woche erzählt, dass Schluss zwischen ihr und Sanji sei. Ich wollte es dir die ganze Zeit sagen... Von wem weißt du das denn?“ „Zorro.“ Vivi kräuselte die Stirn, sah zu Ace herüber, der ebenfalls irritiert über die Antwort zu sein schien. „Seit wann ist Zorro bei Klatsch und Tratsch ganz vorne mit dabei?“, fragte er offen heraus. Ich zuckte die Schultern. „Keine Ahnung, er hat mir bloß gesagt, dass er sich wohl ein wenig mit Vivis Chef in die Haare gekriegt hat, weil der seine Bekannte unentwegt angegraben hat.“ „Oho, Zorro hat eine Bekannte“, flötete Ace auf dieselbe Weise, wie ich es bei Zorro getan hatte. Vivi fuhr sich seufzend durchs Haar. „Hast du etwa gedacht, er würde ewig alleine bleiben?“ „Ja, er machte einen glücklichen Eindruck mit seinen drei Schwertern“, antwortete Ace und sah zu mir herüber. „Hast du sie schon mal gesehen?“ „Nö, weiß genauso viel wie du, und zwar gar nichts.“ „Ich hätte es dir wirklich früher sagen sollen“, sagte Vivi, leerte ihre Tasse und stützte das Kinn auf der freien Hand ab. „Das hättest du wirklich tun sollen“, erwiderte ich gespielt aufgebracht. Ace lachte. „Super, vor ein paar Wochen noch alleine und jetzt gleich zwei in Aussicht. Vermassel das bloß nicht, Ruffy.“ „Hast du keine anderen Probleme?!“ Er lehnte sich zurück und grinste süffisant. „Jetzt nicht mehr.“ Vivis Lippen zierte ein Lächeln. Ace drückte ihr einen Kuss auf die Stirn, erhob sich vom Tisch und streichelte über ihr Haar. „Reservier' schon mal einen Tisch. Ich muss Marco noch wegen des neuen Schichtplans anrufen.“ Zufrieden grinste ich. „Ich wusste, dass wir essen gehen würden.“ Vivi kicherte mit vorgehaltener Hand. „Wer hätte auch was anderes erwartet?“ Doch Aces ernstes Gesicht, nachdem er das Telefonat beendet hatte, vertrieb unsere gute Laune schlagartig. Vivi fürchtete bereits, er hätte eine Abmahnung bekommen, weil er sich ständig spontan freinahm, gab sich die Schuld dafür, weil sie sich nicht gewachsen sah, ihrem Vater alleine entgegen zu treten. Er beruhigte sie umgehend, erklärte, dass er heute Abend noch in der Firma vorbeischauen sollte, weil es etwas Wichtiges zu besprechen gäbe. Ace sagte ihr, dass es wohl mit dem neuen System zu tun hätte, jedoch konnte ich ihm anmerken, dass er selber nicht wusste, worum es überhaupt ging. Wir sollten schon mal vorgehen, er würde so schnell er könnte nachkommen und vor allem sollten wir uns davon nicht die Laune verderben lassen. Immerhin wäre der Triumph über Kobra zu großartig als einfach so abgetan zu werden. „Ah, Vivi-chwan, wie schön dich wiederzusehen!“, begrüßte der blonde Koch sie, kaum dass die Tür hinter uns geschlossen war, und ich konnte nicht anders als die ganze Zeit auf seine gekringelte Augenbraue zu starren. „Und wie gut du aussiehst. Das Kleid steht dir wirklich ausgezeichnet.“ Vivi errötete leicht und warf sich eine Locke über die Schulter. Krass, dass er diese Masche selbst bei ihr so ungeniert abzog. Nicht dass Vivi nicht gut aussähe, nein, so war es ja nicht, nur war sie verheiratet. Hätte Ace das mitbekommen, wäre er in Flammen aufgegangen und hätte ihm kurzerhand das Maul gestopft. „Findest du? Ich bin mir immer so unsicher bei so gewagten Stücken, immerhin habe ich ja schon ein Kind geboren“, ihre Stimme klang süßlich und ich merkte genau, dass sie gern dieses Spiel mit ihm spielte. Es war ja nicht so, dass ich es ihr nicht gönnte, Komplimente zu bekommen, aber doch nicht von dem. „Und was für ein Schönes. Deine Tochter ist dir wie aus dem Gesicht geschnitten“, fuhr er fort, inzwischen hatte er uns an den reservierten Tisch geführt, und beachtete weterhin nur Vivi. „Und übrigens, Vivi-chwan, würdest du das nicht immer betonen, wüsste es keiner. Sieht man dir nämlich überhaupt nicht an.“ „Du übertreibst mal wieder, Sanji-kun“, winkte sie ab, griff sich die Speisekarte, nur um ihre Hände zu beschäftigen, und legte sie schnell nieder. „Übrigens habe ich dir noch gar nicht meinen Begleiter vorgestellt.“ Sie deutete auf mich und ich konnte genau sehen, wie das Herzliche aus seinem Gesicht verschwand. Entweder reagierte er bei jedem männlichen Gast so oder er erkannte mich wieder und fragte sich, warum ich erst das Glück mit Hancock und jetzt mit Vivi hatte. „Das ist Ruffy, Aces Bruder“, setzte Vivi fort. „Und Ruffy, wenn ich dir meinen Chef Sanji vorstellen dürfte.“ Er nickte bloß ab, bevor er sich wieder mit Leib und Seele Vivi widmete. Oh Mann, kein Wunder, dass Nami den Kanal voll hatte. Wenn er das Spielchen bei jeder Frau abzog, konnte einem ja nur schlecht werden. „Weißt du schon, was du trinken willst, Vivi-chwan?“, fragte er schließlich, woraufhin Vivi flüchtig die Karte studierte, obwohl sie die eigentlich auswendig kennen musste, und dann antwortete: „Ist Nami gar nicht da? Ich habe sie nämlich noch nicht gesehen.“ „Sie arbeitet heute aber.“ Sein Ton klang ernst, nichts mehr von der vormals so ausgelassenen Stimmung war geblieben. „Hm“, raunte Vivi, beschloss wohl in der Sache nicht weiter nachzuhaken und gab ihre Bestellung ab. „Bring mir bitte einen Sake und was möchtest du, Ruffy?“ „Nehm ich auch“, bestätigte ich, woraufhin Vivi zwinkerte, als wollte sie sagen, dass ich verstanden hatte, wie es abzulaufen hatte. Sanji verabschiedete sich mit Handkuss bei Vivi und brachte mich dazu, die Hand gegen die Stirn zu schlagen. Und wegen dem hatte Nami mich zurückgewiesen. Ich sah ihm nach, wie er Nojiko, die an der Bar einen Cocktail mixte, für einen Moment umgarnte und schließlich in der Küche verschwand. Wenn er Vivi in Aces Anwesenheit weiterhin schöne Augen machte, konnte es ja nur spaßig für mich werden. Das ließ er sich nämlich nicht bieten. Vivi kicherte fast so als hätten sie jeden meiner Gedanke mitbekommen. „Sanjis charmante Art ist zu Anfang etwas gewöhnungsbedürftig, das gebe ich zu. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich dran. Er ist wirklicher ein netter Kerl.“ „Charmante Art?“, wiederholte ich. „Ich finde das total aufdringlich! Komplimente kann man ja machen, aber so. Ich weiß nicht...“ „So gesehen hast du natürlich echt, aber es ist nun mal seine Art und ich finde, es gibt schlimmere Macken“, sagte Vivi zu, bettete den Kopf auf den Händen und schaute immer wieder fast sehnsüchtig zu Tür. „Meinst du, es dauert noch länger bei Ace? Ich hatte mich schon so auf den Abend gefreut.“ Ich blätterte in der Karte ohne sie wirklich zu lesen, betrachtete bloß die Bilder. Natürlich machte ich mir ebenfalls Gedanken um Ace, aber es brannte mir dermaßen unter den Nägeln zu wissen, was mit Nami war. Offensichtlich war die Sache zwischen den beiden Geschichte, nur was war jetzt mit mir? Nur eine Spielerei oder bestand noch Grund zur Hoffnung? Ich saß auf glühenden Kohlen. Der fragende Ausdruck von Vivis braunen Augen erinnerte mich daran, dass ich ihr noch eine Antwort schuldig war. „Kann ich dir nicht sagen. Ich hoffe nur, es ist nichts Schlimmes passiert. Irgendwie ist es ja schon seltsam, dass er so plötzlich noch persönlich antanzen musste.“ Vivis Stirn legte sich in Falten. „Oh nein, du meinst doch nicht, dass er entlassen wurde? Gerade jetzt, wo ich dachte, dass es bergauf ginge. Wir sollen wir dann bloß die Wohnung finanzieren? Mein Gehalt reicht niemals dafür aus.“ Bevor sie sich in weitere Horrorszenarien verstricken konnte, legte ich ihr beschwichtigend die Hand auf den Unterarm. „Jetzt mal nicht den Teufel an die Wand, Vivi. Bestimmt ist es bloß ein dummes Missverständnis oder so. Vielleicht hat er ja bloß die falschen Riegel in die falschen Verpackungen gesteckt oder die Nüsse falsch einsortiert. Oder wieder Riegel geklaut. Was weiß ich. Würde mich auch nicht wundern.“ Ich lachte bei der Vorstellung daran und schaffte es sogar, Vivis Gesicht ein wenig aufzuhellen. „Wahrscheinlich“, sagte sie, als eine überaus gut gelaunte Nami geschickt mit Tablett auf uns zu balanciert kam. „Hallo, ihr beiden. Schön, euch zu sehen“, kam es überschwänglich von ihr. „Zweimal Sake? Ist das richtig?“ „Ja“, stimmte ich zu, woraufhin Nami sogleich die Schalen abstellte und noch ein wenig am Tisch verweilte. „Wie geht es dir denn, meine Liebe? Du hättest mich ja auch ruhig mal anrufen können“, sagte sie, strich eine von Vivis Strähnen über ihre Schulter und hielt das Tablett lässig unter ihrem Arm. „Eigentlich schon, tut mir leid. Nur habe ich immer so viel im Kopf, wenn ich bei meinem Vater bin“, entschuldigte sich Vivi, der die Sache offensichtlich sehr unangenehm war. „Doch diese Besuche gehören ja jetzt endlich der Vergangenheit an. Er hat meinem Vorschlag endlich zugestimmt und ich habe mit ihm zusammen jemanden ausgesucht. Ein sehr netter Mann mittleren Alters. Seine Frau übernimmt die Haushaltsführung, sodass mein Vater trotzdem noch weiterarbeiten kann.“ Nami umarmte Vivi herzlich. „Das freut mich total für dich. Wenigstens eine Sorge weniger, was?“, sagte sie zwinkernd und verzog den Mund, als Sanji sie rief. „Ich muss leider auch mal wieder weitermachen. Da hinten muss abkassiert werden.“ In ihren Augen blinkte die Gier nach dem Geld und brachte nicht nur mich zum Schmunzeln. So war sie eben. Erst als Nami schon fast außer Sicht war, fiel mir auf, dass sie uns gar nicht abkassiert hatte, so wie es im Kazaguruma bei Getränken sonst üblich war. „Was ist mit dem Sake, Nami?“, rief ich ihr hinterher, woraufhin sie abwinkte. „Der geht aufs Haus, als Dank für gestern.“ „Wie?“, stutzte Vivi, ihr Kopf flog zu mir herüber und sie verengte die Augen. „Was habe ich verpasst?“ Kapitel 9: Sake, Truthahnbrust ...und ein Happy End? ---------------------------------------------------- Da hatte mich Nami aber eiskalt ins offene Messer laufen lassen. Vivi würde nicht locker lassen, bis ich mit der Sprache raus rückte – und sie würde sofort erkennen, wenn ich sie anlog. Ihre Finger trommelten auf dem Tisch, ihre dunklen Augen ruhten auf mir und ihre Lippen formten einen Schmollmund. „Warum spendiert Nami uns Sake, Ruffy? Sie lässt nie was aufs Haus gehen – selbst Nojiko muss bei ihr immer zahlen, also muss da ja schon was Besonderes zwischen euch vorgefallen sein.“ Bingo! Ein klarer Treffer mitten ins Schwarze. Vivi machte eben so schnell keiner was vor. Ich tippte mit den Zeigefingern gegeneinander, ließ meinen Blick durch das Lokal schweifen und überlegte, wie ich das am besten erzählen sollte, ohne dass sie sich sonst was dabei dachte. „Na ja“, begann ich herumzudrucksen und spürte es in meinen Wangen kribbeln. „Ich war gestern mit Zorro trainieren und hab sie auf dem Heimweg getroffen.“ Vivi hob eine Augenbraue an. „Und das ist so besonders, dass wir Gratisgetränke bekommen? Denkst du ehrlich, dass ich dir das abkaufe?“ „Ja?“ Sie grinste, verlor dabei ihren strengen Ausdruck, und zwickte mich spielerisch in die Wange. „Das glaubst du doch wohl selber nicht. Also los, raus mit der Sprache!“ Ich seufzte, verschränkte die Arme hinterm Kopf und lehnte mich gegen die Bank. „Dass du aber auch immer so schrecklich neugierig sein musst“, ein kurzer Blick zu Vivi, die selig lächelte, „Na schön, ich hab Nami auf dem Heimweg getroffen. Sie wurde von so einem schmierigen Kerl belästigt, ich hab sie verteidigt und dann hat sie bei uns übernachtet – auf der Couch! Das war's, zufrieden?“ Vivi hatte sich die Hände in Spannung vors Gesicht gehalten, die Augen weit aufgerissen und laut gequietscht, als mir die entscheidenden Worte über die Lippen gekommen waren. Sie klatschte aufgeregt. „Uh, ich wusste, dass da noch was zwischen euch sein würde. So konnte es ja nicht enden“, sie klang überaus freudig und konnte sich in ihrer Euphorie fast nicht mehr bremsen, fast ein wenig gruselig. „Ach, Ruffy, das ist so süß! Fast wie in einem Märchen. Das war eindeutig ein Zeichen, dass ihr zusammen gehört!“ „Ähm Vivi“, unterbrach ich sie und stellte die leere Schale vor mir ab. „Sie hat sich bloß unsicher gefühlt und außerdem ist doch noch nicht gesagt, dass sie das genauso sieht oder? Ich bezweifle das immer mehr.“ Sie bettete den Kopf auf den Händen. „Überlass das nur mir, ich werde das schon rauskriegen.“ Kopf schüttelnd beobachtete ich sie. Genau denselben Gesichtsausdruck hatte Titi, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Und sie bekam meistens, was sie sich vorgenommen hatte – es sei denn sie hatte es mit Vivi zu tun. „Tu, was du nicht lassen kannst“, sagte ich und gab Nami per Handzeichen zu verstehen, dass wir Nachschub wollten. Vivis eiserne Glaube daran, dass das alles doch was zu bedeuten hatte, ließ auch mich immer mehr daran glauben, in jeder Handlung seitens Nami Beweise dafür sehen. Ich sah mich in ihrem Lächeln, das sie mir beim Bedienen schenkte, bestätigt, in den zufälligen Berührungen, darin, dass sie bei uns stets länger verweilte und sogar in der Art, wie sie mit den anderen Gästen umging. Vielleicht gab es tatsächlich noch Hoffnung und es hatte einen Grund gehabt, weshalb ich so lange darauf warten musste. Wie immer versuchte ich, meine Gedanken nicht zu offensichtlich zu zeigen, aber ich fürchtete, Vivi konnte sie trotzdem lesen, denn jedes Mal, wenn wir uns ansahen, lächelte sie vielsagend. Wir hatten gerade unseren dritten Sake geleert, als Vivi sich kurz entschuldigte und auf die Toilette verschwand. „Hast du es ihr erzählt?“, fragte mich Nami unverblümt, als sie die Schalen einsammelte und eine neue Runde abstellte, und setzte sich kurz zu mir. „Was hätte ich denn tun sollen? Du kennst sie, sie ist immer so hartnäckig.“ Nami strich sich eine Strähne hinters Ohr und stemmte die Hand in die Hüfte. „Gut, lügen fällt bei dir ja eh flach...Was hat sie gesagt? Hat sie noch mehr Fragen gestellt?“ „Nein, sie-“, ich kam nicht weiter, denn plötzlich flog die Tür auf und drei Gestalten zogen die Aufmerksamkeit sämtlicher Anwesenden auf sich. „Drei Bier, bitte!“, dröhnte es aus dem Megaphon, das keinem geringerem als Ace gehörte, Hinter ihm erkannte ich Marco, der sonst so gelassen wirkte, sich in diesem Moment jedoch vor Lachen fast kringelte, und einen weiteren Mann mit Haartolle, den ich aber nicht kannte. Offensichtlich ein Kollege der beiden. „Ace!“, rief ich ihn, nachdem Nami ihn gleich angefaucht hatte, was der Mist mit dem Megaphon sollte, sie beinahe einen Herzkasper bekommen hätte und sich murrend zur Bar verzogen hatte. „Oh Mann, Nami ist so eine Spaßbremse“, lachte er, als er an den Tisch kam, sich neben mich auf die Bank setzte und das Megaphon in Greifweite platzierte. „Das sollte doch bloß ein Gag sein.“ „Na ja, wann bestellt jemand schon mal so, Ace-kun?“ „Und vor allem, wer außer Ace würde das tun?“, stellte Marco dem Fremden die Gegenfrage, als Nami die georderten drei Bier abstellte und mit wippendem Fuß auf ihr Geld wartete. „Leute, nein, steckt es wieder weg, die Runde geht auf mich“, kam es gönnerhaft von Ace, was ihm ein dankbares Nicken seitens seiner Kollegen einbrachte. „Und noch ein bisschen was für dich, Nami-san.“ Sie zählte penibel die Scheinchen konnte ihre Augen nicht von ihnen nehmen und mit einem Mal war der Ärger vergessen. „Ist die immer so?“, fragte Marco mit gerunzelter Stirn, nachdem sie wieder weg war. Ich nickte. „Geld ist Namis bester Freund.“ „Ach ja, bevor ich's vergesse: Thatch, das ist mein Bruder Ruffy. Ruffy, das ist Thatch, mein neuer Vorgesetzter“, machte er uns bekannt. „Und was ist mit Marco?“, fragte ich, woraufhin alle drei zu lachen begannen. „Marco ist befördert worden, hat es sogar bis in die Manageretage geschafft“, beantwortete Ace meine Frage und wollte fortfahren, bis Thatch ihm ins Wort fiel: „Nicht mehr lange und er ist die rechte Hand vom alten Newgate.“ „Ihr übertreibt mal wieder maßlos. Bis dahin ist es noch ein langer Weg.“ „Wow, Glückwunsch, Marco“, gratulierte ich ihm und wandte mich an Ace. „Warum musstest du deswegen in die Fabrik?“ Ace grinste und stellte das Bier ab, nachdem er einen Schluck genommen hatte. „Na, weil ich ebenfalls befördert wurde! Nie wieder Schokoriegel sortieren! Und das alles habe ich Thatch und Marco zu verdanken. Sie haben mich für den frei gewordenen Posten vorgeschlagen!“ Meine Augen fielen fast aus den Höhlen. Wir hatten ja mit allem gerechnet, doch das war wirklich eine sehr, sehr gute Nachricht! Ich freute mich ehrlich für ihn und kam somit nicht umhin mit den Dreien darauf anzustoßen. „Na, sieh mal an. Dich habe ich aber auch schon lange nicht mehr gesehen“, sagte Nojiko, die kurze Zeit später die nächste Runde brachte und deren Blick auf Ace ruhte. „Hey Nojiko“, er stand auf, um sie kurz zu drücken, „Wie geht’s dir denn?“ Sie stellte die leeren Gläser auf das Tablett, als Marco von Ace verlangte, er solle ihnen doch bitte Nojiko vorstellen, alles andere wäre unhöflich. „Und, Nojiko, willst du die Schürze nicht an den Nagel hängen und uns Gesellschaft leisten?“ „Nur zu gerne, aber ich muss heute bis zum Ende bleiben.“ „Dann mach doch jetzt zu und wir gehen woanders hin“, Marco musterte sie, „Bis wohin gehen deine Tätowierungen?“ Nojiko lachte bloß und zwinkerte ihm zu, während Ace die Augen verdrehte. „Mit dir kann man auch nirgends hingehen.“ „Oh tut mir leid, dass ich noch nicht der Monogamie-Sekte angehöre so wie du, Ace.“ „Das hat doch damit nichts zu tun!“, erwiderte er lautstark, woraufhin Marco zu fragen begann, wo sein Problem läge. Thatch beobachtete das Streitgespräch der beiden sichtlich amüsiert, nippte an seinem Glas und schüttelte den Kopf, während ich überhaupt nicht wusste, wie ich darauf reagieren sollte. „Schnucki“, sprach er Nojiko an, die gerade gehen wollte, „was kannst du jemandem empfehlen, der auf seine Figur achten muss?“ Perplex zwinkerte sie, begutachtete ihn für einen Moment. „Meinst du etwa dich?“ „Fängt das jetzt schon wieder an?“, grummelte Marco und fasste sich an den Nasenrücken. „Tut mir leid, dass mein Stoffwechsel nicht dem einer Spitzmaus gleicht“, fauchte Thatch und seine Blicke hätten töten können. „Auf jeden Fall kann ich das Fitness-Sandwich empfehlen“, versuchte Nojiko die Situation zu entschärfen, was ihr hinsichtlich Thatch auch gelang. „Und was ist da so drauf?“ „Was du magst“, antwortete sie und zückte den Block, „am besten du stellst es dir selbst zusammen.“ Thatch rollte die Karte in den Händen und grinste zu Marco herüber, als plane er die nächste Provokation. „Habt ihr auch extra magere Truthahnbrust?“ „Natürlich.“ „Willst du jetzt nach jeder einzelnen Zutat fragen?“, bluffte Marco und deutete in den Raum. „Nojiko hat besseres zu tun, als dir alles aus der Nase zu ziehen.“ „Immer diese Ungeduld“, seufzte Thatch, „ich wollte es doch gerade tun. Also, ich hätte dann gerne ein Vollkornsandwich mit extra magerer Truthahnbrust, Light-Mayo, Deko-Salat und Sprossen.“ „Light-Mayo?“, wiederholten Ace und Marco und rümpften gleichermaßen die Nase. Nojiko schüttelte lachend den Kopf und steckte den Stift zurück hinters Ohr. „Thatch, würdest du mehr oder überhaupt mal Sport machen, dann müsstest du auch nicht so auf deine Ernährung achten“, sagte Ace, leerte seine Schale und füllte gleich etwas aus der Flasche, die Nojiko gebracht hatte, nach. „Ace, was erwartest du? Beim Sport könnte man ja schwitzen und dann wird nachher noch die Frisur ruiniert.“ „Ich hab auch anderes im Kopf als meine Frisur!“, schrie Thatch und stand vom Tisch auf. „Am besten ich fahre gleich mit dem nächsten Bus nach Hause. Dann schaff ich's wenigstens noch bis zur Wiederholung von Sex and the City. Dabei kann ich immer so schön in meine Katze heulen und Pralinen futtern.“ Er verschwand in Richtung Toiletten und hinterließ nicht nur in Aces Augen Fragezeichen. „Thatch ist schwul, oder?“ Schockiert sah mich Ace an, während Marco die Stirn runzelte und lachte. „Ne, der ist bloß eine Diva. Und für die Frage hätte er dir gewiss die Augen ausgekratzt, Ruffy-kun.“ Beschämt wandte ich den Blick ab und durchsuchte den Raum nach Vivi. Wie lange war sie nun schon weg? Ob sie sich mit Nami oder Nojiko fest gequatscht hatte? Nachdem Thatch überraschend gut gelaunt - als wäre nichts gewesen - zurückkam, lockerte sich die Stimmung wieder und wir stießen ein weiteres Mal auf ihre Beförderung an. Kaum hatte ich die Schale abgesetzt, als das laute Dröhnen des Megaphons mich zusammenschrecken ließ. „Pfoten weg von meiner Frau, du perverser Koch!“ Die Wut über diese krasse Ansage war deutlich an Sanjis hochroten Kopf zu erkennen, während Vivis Gesicht eine Mischung aus Freude, Überraschung und Scham gleichzeitig zur Schau stellte. Ich konnte nicht anders, als mir ins Fäustchen zu lachen. Es war so vorhersehbar gewesen, dass Ace ihm einen fetten Strich durch die Rechnung machen würde. „Da bist du ja endlich“, säuselte sie, fiel Ace um den Hals und küsste ihn. „Ich dachte schon, du kämst gar nicht mehr.“ Er zog sie auf seinen Schoß, legte die Arme um sie und schien sich gar nicht am Anblick ihrer Beine satt sehen zu können. Wenngleich ich sie dafür beneidete, trotz allem noch so verliebt ineinander zu sein, war es mir dennoch unangenehm so darauf zu achten. Besonders beschämte es mich, wenn ich die beiden flüstern hörte. Zum Glück verstand ich meistens kein Wort davon. „Das ist also deine Frau, Ace-kun“, nahm Thatch das Gespräch wieder auf und musterte die beiden aus halb geschlossenen Augen, während er das Glas in seinen Händen schwenkte. „Um ehrlich zu sein, dachte ich schon, dass du bei deinen Erzählungen übertreiben würdest, aber jetzt sehe ich, dass jedes Wort stimmt.“ Er nahm Vivis Hand und deutete einen Kuss an, was Vivi erröten und Aces Gesicht ernster wirken ließ. „Das Pfoten weg gilt auch für dich!“ „Statt Thatch so anzufauchen, solltest du dich mal lieber etwas mehr ins Zeug legen. Vivi-sama hat definitiv eine Menge Verehrer“, neckte Marco ihn, was dazu führte, dass sich Aces Griff um ihre Taille verstärkte. „Als wenn ich das nicht wüsste“, antwortete er und streckte den beiden die Zunge raus, bevor er seinen Kopf gegen ihre Schulter legte und ihr etwas zuflüsterte, das ich jedoch nicht verstehen konnte. Vivi schenkte ihm ein Lächeln und streichelte flüchtig über seine Haare. „Du hast mir aber immer noch nicht gesagt, weshalb du erst jetzt gekommen bist.“ Er erzählte ihr den Grund für sein verspätetes Erscheinen, freute sich deutlich über ihre Reaktion und begann davon zu sprechen, dass sie jetzt vielleicht doch noch studieren könnte oder zumindest das Konto nicht jeden Monat überziehen müssten. Ich wünschte mir für sie, dass es für beides reichen würde, sie nicht mehr diese krassen Abstriche machen müssten und somit eine entscheidende Sorge verloren. „Ruffy, ich hab jetzt Feierabend, hast du Lust noch was mit mir zu unternehmen?“, fragte mich Nami, die mich just in dem Moment angestupst hatte, nachdem sie die Speisekarten verteilt hatte. „Endlich ist die Veranstaltung im Versammlungssaal vorbei.“ Sie massierte sich mit einer Hand den Nacken. „Habt ihr die Karaokemaschine schon aufgebaut?“, fragte Vivi sichtlich neugierig, Nami grinste schief. „Oh ja, du wirst deine Freude haben, wenn du dir jeden Abend dieses Gejaule anhören kannst.“ „Hast du gehört, Thatch? Dein Typ ist gefragt.“ Ace lachte. „Dann kannst du wieder dein Lied singen. So wie auf der Weihnachtsfeier.“ Vivi runzelte die Stirn und Nami schien ebenfalls wie ich, die Antwort gar nicht wissen zu wollen. „Ich kann nichts dafür, dass ich den Zettel mit Material Girl gezogen hab!“, beschwerte er sich lautstark und je mehr er kochte, umso mehr amüsierten sich Marco und Ace auf seine Kosten. „Willst du dich nicht dazu setzen?“, fragte ich und bot Nami den freien Stuhl an, doch sie schüttelte den Kopf. „Würd' lieber woanders hingehen.“ Da war es schon wieder, das Gefühl, das mich fast ohnmächtig werden ließ. Das starke Pochen in meiner Brust und die wachsende Hoffnung. Wie in Trance nickte ich, rutschte von der Bank herunter und verabschiedete mich von den anderen, während Nami das Restaurant bereits verlassen hatte. Ace wirkte enttäuscht, aber Vivi zwinkerte mir zu. Nichts hatte mich mehr dort halten können, nicht mal der Gedanke daran, dass Ace zur selben Zeit ein Festmahl für alle spendieren würde. Was war schon Essen im Vergleich dazu, dass Nami Zeit mit mir verbringen wollte. Genau das, nach dem ich mich beinahe ein Jahr gesehnt und es fast als unmöglich abgetan hatte. Die Hände in den Taschen ihrer kurzen Lederjacke steckend, wartete Nami draußen, den Kopf in den Nacken gelegt und blies ihren Atem in die kalte Nachtluft. Sie machte einen nachdenklichen Eindruck auf mich. Ob sie die selben Gedanke hatte wie ich? Fühlte sie genauso den Kampf zwischen Begierde und Zurückhaltung in sich? Obwohl ich mir unsicher war, wie ich weiter vorgehen sollte, fasste ich mir ein Herz, nachdem sie einen Schritt auf mich zu kam. „Worauf hättest du denn Lust?“ Blöder konnte man ein Gespräch auch nicht anfangen, doch Namis sich aufhellende Miene vertrieb meine Zweifel sogleich. „Wir könnten ein bisschen durch den Park gehen, oder einen Film anschauen“, schlug sie nach kurzer Überlegung vor. Angesichts des gestrigen Vorfalls war mir dabei gar nicht so wohl, aber wenn Nami damit kein Problem hatte, würde ich mich gewiss nicht querstellen. Ich stimmte ihr zu und mich durchflutete ein angenehm warmes Gefühl, als Nami sich wie selbstverständlich bei mir unter hakte und in Richtung Park dirigierte. Zwist blühte in mir auf, damals war der Park Anfang und Ende eines viel zu kurzen Vergnügens gewesen. Noch heute war mir mulmig zumute, fühlte mich unweigerlich daran erinnert, wie sie gleich nach dem Kuss all meine Hoffnungen abgewürgt hatte. Ich schielte zu ihr herüber, sah ihre Augen rastlos, in stetiger Bewegung, als würden sie etwas suchen. „Alles in Ordnung?“ „Hm? Ja, klar“, antwortete Nami lächelnd. „Ich war nur gerade in Gedanken.“ Ich blickte zu Boden, trat einen Stein beiseite und kuschelte mich mehr in meine Jacke. Es war frisch, doch nicht die Temperaturen brachten mich zum Frösteln. Eher dieses Gefühl von Lethargie, alles tun zu wollen, aber nichts zu können. Wie gerne ich Nami nach ihren Gedanken gefragt oder ihr gesagt hätte, dass ich mich ungemein freute, Zeit mit ihr zu verbringen. „Du siehst aber auch ziemlich nachdenklich aus“, merkte Nami an. „Dabei müsste doch jetzt bei euch alles bestens laufen.“ „Bei Vivi und Ace schon“, korrigierte ich und grinste. „Das freut mich wirklich total. Endlich haben sie den Druck seitens Kobra beenden können und jetzt ist Ace noch befördert worden.“ „Wow, dann wird ja auch nicht mehr in Versuchung kommen die Schokoriegel vom Band zu naschen, oder muss er jetzt andere sortieren?“ Ich lachte bei dem Gedanken daran. „Nein, scheinbar hat er es zum Schichtleiter geschafft. Das ist sehr gut – fast utopisch – für einen Ungelernten. Und es gibt bedeutend mehr Geld als vorher. Das hat er wohl dem Vitamin B zu verdanken.“ „Man kann ja nicht immer nur Pech haben“, fügte Nami dem hinzu, kam näher an mich heran und sah mir tief in die Augen. „Und wie geht es dir, Ruffy?“ Das Karussell in meinem Kopf geriet außer Kontrolle, die Phrasen und Worte jagten einander und ich war außerstande einen vernünftigen Satz zu bilden. Unter anderen Umständen – oder bei anderen Personen – wäre mir die Antwort leicht gefallen: ganz gut. Mein Standard für alle Lebenslage, wirklich schlecht ging es mir objektiv betrachtet ja nicht. Warum also unnötig Mitleid erhaschen? Bei Nami war das so eine Sache. Es war jedes Mal eine Überraschung, wie sie auf Dinge reagierte. Vielleicht enttäuschte meine Antwort sie, vielleicht verärgerte sie Nami auch. Andererseits bestand die wage Chance, dass sie sich darüber freute. Es war wie russisch Roulette bloß ohne Revolver. Man mochte mich in dieser Hinsicht für übertrieben vorsichtig halten, doch das war mir egal. Beim Pokern bluffte man doch auch, bis man sich sicher war und die Karten auf den Tisch legte. „Also“, fing ich an, nachdem sie eine Augenbraue hochgezogen hatte, und ging einige Schritte, um ihr nicht direkt ins Gesicht sehen zu müssen - das hätte mich nur noch nervöser gemacht. „So gesehen kann ich mich nicht beschweren. Das Studium läuft ganz gut – bis auf die gelegentlichen Ausfälle halt – und ich hab echt eine Menge Spaß.“ „Aber da ist doch noch irgendwas“, brachte sie mit brüchiger Stimme hervor. „Was meinst du?“, hakte ich misstrauisch nach. Ob sie doch was gemerkt hatte? Zwar war ich alles andere als verschlossen, aber so offensichtlich trug ich meine Gefühle ja auch nicht zur Schau. Nami zog den Reißverschluss ihrer Jacke nach oben und legte den Kopf in den Nacken. „Erinnerst du dich nicht mehr an die Busfahrt neulich? Sag mir, wenn ich falsch liege, aber ich hatte den Eindruck, dass es dir verdammt mies geht.“ „...“ „Und ich denke, dass ich daran schuld habe.“ Unsere Blicke trafen sich, ich fühlte mich in die Enge getrieben. Sie hatte recht, genauso war es gewesen. Doch konnte ich ihr das jetzt schon sagen? Wir verstanden uns gerade mal einen Tag wieder halbwegs, ohne betreten zu schweigen oder uns anzugiften. Musste sie es denn gleich wieder so ernst werden lassen? Ich wollte die Zeit mit ihr doch einfach genießen. Nicht darüber nachdenken, einfach mit ihr zusammen sein. „Ach Quatsch“, probierte ich den direkten Angriff nach vorn und lachte, um meine Unsicherheit zu überspielen. „Ich war bloß gestresst gewesen. So eine Fahrt mit einem Kleinkind zerrt eben ganz schön an den Nerven, weißt du?“ „Das glaub ich dir nicht.“ Nami, die zuvor einige Schritte von mir entfernt gestanden hatte, war bis auf wenige Zentimeter an mich herangekommen. Ich ballte die Hände in den Hosentaschen. Weshalb war ich so ein verdammt mieser Lügner? „Dann eben nicht“, presste ich zwischen den Lippen hervor und kehrte ihr den Rücken zu, sie sollte mein Gesicht nicht sehen. „Ruffy“, sie legte mir die Hand auf die Schulter und zwang mich dazu, mich umzudrehen. „Sei ganz ehrlich, hast du dich eben gefreut, als ich euch erzählt habe, dass Sanji und ich Schluss gemacht haben?“ Ich zuckte die Achseln. „Vielleicht...“ Was hätte ich anderes darauf antworten sollen, ohne sie gleich massiv vor den Kopf zu stoßen? „Ja oder nein“, sagte sie, klang dabei ungewöhnlich gefasst. Erneut zuckte ich die Schultern. „Was willst du denn bitte von mir hören?“, mein Ton war gereizter als ich es gewollt hatte. Sie schreckte leicht zurück, sackte in sich zusammen und presste sich die Hand auf den Mund. „Ich wollte doch bloß wissen, ob ich dir nicht egal bin...“ Entsetzt starrte ich sie an, während sie sich behutsam über die Augen wischte. „Wie kannst du so was nur denken? Immerhin sind wir Freunde.“ Ratlos verzog sie den Mund. „Vielleicht weil ich dir verdammt wehgetan habe?“ Zwar tat es weh, Nami derartig traurig zu sehen, aber wie lange hatte ich diese Einsicht von ihr herbeigesehnt. Dass sie endlich zugab, welchen Mist sie gebaut und mir damit angetan hatte. „Hm“, raunte ich mit der Situation völlig überfordert. Es war als würde die Ruine, die unsere Freundschaft darstellte endgültig einbrechen. Einerseits gut, es bedeutete Platz für einen Neuanfang, andererseits schlecht, wenn kein Interesse daran bestand. Ich hoffte, dass Nami das alles nicht aufgeben wollte, aber sicher war ich mir nicht. Umso mehr überraschte es mich, als sie meine Ärmel ergriff und mit verzweifeltem Tonfall sagte: „Das stimmt doch, oder?“ „Und wenn, was ändert das denn?“ „Vielleicht alles!“, schrie sie fast, ließ locker und machte einen Schritt zurück. „Vielleicht alles...“ Skeptisch kniff ich die Augen zusammen. Das konnte doch nicht sein... „Nami, was willst du damit sagen?“ Sie schniefte und tupfte mit einem Taschentuch durch ihr Gesicht. „Was meinst du, warum ich mich getrennt habe?“, nahm sie nach ein paar Minuten das Gespräch auf. „Nachdem Streit im Bus habe ich angefangen nachzudenken. Über dich, den letzten Sommer und über alles...Was meinst du, warum ich so auf diese Hancock-Schnepfe reagiert habe? Ich hatte Angst, dass alles zu spät wäre!“ Mit einer Art geistigen Lähmung hörte ich ihr zu und schwieg. Das alles war vollkommen surreal, wie eine Traumsequenz, die jeden Moment wie eine Seifenblase zerplatzen würde. Zu oft hatte ich diese Szene in Gedanken durchgespielt und gehofft, sie wäre Wirklichkeit. Und jetzt, wo mir dieser Wunsch erfüllt wurde, war ich unfähig angemessen zu reagieren. Doch gab es da überhaupt ein Patentrezept? „Warum hast du dann überhaupt was mit ihm angefangen?“, stellte ich die Frage, die mir Monate lang unter den Nägeln gebrannt hatte. Wenn sie scheinbar so für mich empfand, warum dann dieser Umweg, diese Ausflucht? „Ich hatte einfach Angst, dass ich unsere Freundschaft kaputtmache“, nuschelte sie, den Blick zu dem kleinen See am Rande des Weges gerichtet, das Gesicht durch den Schatten des Laternenlichts verhüllt. „Wäre es ernster geworden, wer weiß, ob wir dann noch Freunde geblieben wären.“ „Stattdessen verpasst du mir lieber einen Schlag ins Gesicht und bändelst mit diesem Vogel an?!“ Ich hatte mich schlicht nicht mehr unter Kontrolle. All diese aufgestaute Wut und Enttäuschung in mir hatte sich endgültig entzündet, verschaffte sich mit einem Mal Gehör. Nami schniefte erneut. „Ich weiß selber, wie blöd sich das anhört“, seufzte sie. „Ich versteh es ja selber nicht.“ „...“ „Aber ich kann verstehen, wenn du jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben willst.“ Sie wollte an mir vorbei rennen, doch ich packte sie am Arm und hielt sie fest. „Spinnst du? Alles, was ich wollte, war, dass du ehrlich zu mir bist.“ „Ruffy...“ „Wie stellst du dir das alles vor? Soll ich dir jetzt vor Freude um den Hals fallen und sagen 'vergeben und vergessen'?“ „Ich habe keine Ahnung“, gab sie zu. „Ich wollte bloß, dass du weißt, wie leid es mir tut. Der Rest liegt ganz bei dir.“ Ich schloss die Augen, ließ ihre Jacke los und nahm sie in den Arm. Obwohl sie mich so verletzt hatte, konnte ich ihr nicht wirklich böse sein. Selbst wenn jeder Andere nicht so reagiert hätte, wie ich, und sie einfach hätte stehen lassen. Ich konnte es nicht. Dafür bedeutete sie mir zu viel. Zaghaft streichelte ich über ihren Rücken. „Du hättest es mir ehrlich sagen können.“ „Ruffy“, wiederholte Nami meinen Namen, drückte ihren Kopf gegen meine Brust. „Ich wünschte, das wäre mir vorher klar geworden.“ „Es ist alles gesagt“, entgegnete ich ihr, löste die Umarmung und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. „Die Zeit lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Aber wir können versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.“ In ihren Augen sah ich Hoffnung schimmern. „Meinst du...“ Ich schüttelte den Kopf und legte ihr den Finger auf die Lippen, bevor ich mich langsam zu ihr beugte und abwartete, wie sie reagieren würde. Warum ich das nach diesem Gespräch tat, wusste ich selber nicht genau. Es war mir einfach ein Bedürfnis gewesen. Denn unter all dem Ärger lagen immer noch Gefühle, die mich stark im Griff hatten und neu aufflammten, als ich ihre Lippen auf meinen liegen spürte. Kapitel 10: Symbiose -------------------- Die Zeit stand still, es war als wären wir die einzigen Menschen auf der Welt. Wie wir in diesem Park standen, uns an den Händen hielten und küssten. Eine Szene, die nicht klischeehafter hätte sein können und sich trotzdem so wunderschön und richtig anfühlte. Kein Wunder, dass es sie in jeder Schnulze gab. Nur störte in einem Film nicht so etwas Unbedeutendes wie das Wetter eine solche Begegnung. Aus den vereinzelten Regentropfen war inzwischen ein durchgängiger Schauer geworden, der uns dazu zwang, die Beine in die Hand zu nehmen und ins Trockene zu kommen. „Zum Glück hat der Laden hier 24 Stunden geöffnet“, sagte Nami, nachdem wir das Schnellrestaurant betreten hatten, und wrang ihre Haare aus. „Ja, Hunger habe ich nämlich auch.“ Mit großen Augen musterte sie mich. „Wie kannst du jetzt nur ans Essen denken?“ „Ähm, du hast mich um ein Luxusabendessen im Kazaguruma gebracht.“ Nami scharrte mit dem Fuß verlegen über den Boden. „Sorry“, entschuldigte sie sich. Ich winkte ab. „Kein Problem, ess' ich eben hier was. Ist zwar nicht das Beste, erfüllt aber seinen Zweck.“ Ich grinste und steckte Nami kurzerhand an, die sich mit mir zusammen in die Schlange von partylustigen Jugendlichen, die entweder gerade vom Feiern kamen oder dazu aufbrechen wollten, vor dem Schalter stellte. Im Gegensatz zu mir, der voll zuschlug, bestellte sie sich lediglich eine große Cola. „Ist das dein erstes Essen heute?“, fragte sie sichtlich amüsiert, als wir uns an den Tisch direkt neben dem Haupteingang setzten und sie die Menge auf meinem Tablett begutachtete. Ich fischte einige Pommes aus der Tüte, kaute sie kurz, bevor ich runter schluckte, und legte ein paar von ihnen auf meinen Chickenburger. „Nö.“ Sie kicherte, sog an ihrem Strohhalm und fixierte irgendetwas. „Guck mal da“, sagte sie plötzlich. „Das ist aber äußerst interessant...“ „Höh?“, auf ihren Stupser hin, drehte ich mich zur Tür um und mir fiel beinahe der Pommes-Burger aus den Händen, als ich sah, wer da gerade reingekommen war. Lachend und die Jacke schützend über sie beide haltend betrat Zorro zusammen mit einem Mädchen das Lokal. Während er seine Jacke wieder überzog, wischte sie ihre Brille am Saum ihrer Bluse ab. „Na, wen haben wir denn da?“, machte Nami sie auf uns aufmerksam und ich sah genau, wie das Lachen in Zorros Gesicht von der einen auf die andere Sekunde erstarb. Fragend blickte seine Begleiterin zu ihm herüber, ihr langes, dunkelblaues Haar war mittels Klammer nach oben gesteckt. „Alles in Ordnung, Zorro?“ „Ja, alles in Ordnung bei dir?“, stellte ich ihm dieselbe Frage und brachte seine Wangen zum Glühen. „Hey, was macht ihr denn hier?“, seine Stimme klang verunsichert und es war ihm deutlich anzusehen, wie unangenehm ihm diese Situation war. Das lag vermutlich weniger an seiner Begleiterin als viel mehr an uns, weil er uns und vor allem Namis ausgeprägte Neugier in Liebesdingen kannte. „Sind das Freunde von dir?“, fragte sie ihn, nachdem die beiden zu uns an den Tisch gekommen waren, und stellte sich uns kurzerhand vor. „Ich bin Tashigi.“ „Hey Tashigi, ich heiße Nami“, säuselte sie in einem derartig süßlichen Tonfall und sah zu Zorro herüber, dass es ihm die Wut in die Haarspitzen trieb. Ihn und Nami verband eh schon so etwas wie eine Hassliebe, die dadurch entstanden war, dass er einmal so dumm gewesen war und sich Geld von ihr geliehen hatte. Und damit erpresste und folterte sie ihn bis heute noch mit dem größten Vergnügen. „Und ich bin Ruffy“, stellte ich mich vor, nachdem ich den Rest meines Burgers herunter geschluckt hatte. „Ah, dann bist du Zorros bester Freund, nicht?“, hakte Tashigi nach, die derweil neben Nami Platz genommen hatte, während Zorro mit verschränkten Armen neben mir saß und sie keinen Moment unbeobachtet ließ. „Das kann man wohl so sagen“, lachte ich und stieß Zorro in die Seite, doch ihm war das Lachen vergangen. Kein Wunder, wenn man bedachte mit welch süffisantem Grinsen Nami ihn die ganze Zeit über ansah. Während Zorro mehr schwieg und stoisch seinen Burger aß, den Tashigi in der Zwischenzeit geholt hatte, erzählte sie uns gerne, dass die beiden vorher zusammen einen Film gesehen hatten und danach eigentlich ins Kazaguruma wollten, Zorro jedoch rückwärts wieder rausgegangen war, weil er zum einen keine Lust auf den „affigen“ Koch hatte und zum anderen weil irgendein Spinner mit Megaphon darin herumhantierte. Nami und ich konnten uns bei der Beschreibung kaum halten vor Lachen, wussten wir im Gegensatz zu Tashigi genau, von wem Zorro da gesprochen hatte. Sie machte wirklich einen sehr netten Eindruck auf mich, wirkte weder zickig noch arrogant. Eine Macke, die mir sonst häufig bei Frauen auffiel. Vor allem hatte sie damit bei mir gepunktet, dass sie genauso tollpatschig war wie ich. Sonst fielen mir ständig Tabletts und Dinge herunter, dieses Mal war das bei ihr der Fall gewesen. Wäre Nami das passiert hätte sie Zorro und mir ohne Umwege einen Satz heißer Ohren aufgrund ihrer Schmach verpasst, aber Tashigi war lediglich rot angelaufen und hatte ein „Entschuldigt bitte“ gemurmelt. Ihre unkomplizierte, freundliche Art war es auch, was mich überzeugte, dass sie äußerst gut zu Zorro passen würde. Zicken konnte er gar nicht ertragen und stellte da schnell auf Durchzug, wie man immer sah, wenn er und Nami aufeinandertrafen. Zudem machten sie denselben Sport und das war eine Sache, die Zorro überaus wichtig war – oder wie Ace es sagte „er ist mit den Schwertern verheiratet“. Nami hatte sie durch ein Kompliment zu ihrer Jacke auch gleich für sich gewinnen können. Das Leuchten in ihren Augen hatte Bände gesprochen. Äußerst Nami untypisch, witterte sie normalerweise in jedem weiblichen Wesen potenzielle Konkurrenz. Als wir den Laden schließlich verließen, nahm Zorro mich zur Seite und nuschelte mir zu: „Glaub ja nicht, dass du so schnell davon kommst. Ich will auch noch eine Erklärung für das hier.“ Ich schluckte. Was hatte ich mir nur gedacht? Wo ich ganz genau wusste, mit welcher sadistischen Freude Zorro jemanden mit unangenehmen Dingen aufzog. Da konnte ich mich wohl auf was gefasst machen. Eine Weile waren Nami und ich schweigend durch die Straßen geschlendert, kein wirkliches Ziel vor Augen und dennoch fanden wir uns schlussendlich vor ihrer Wohnung wieder. Diese befand sich am anderen Ende der Stadt, lag in einem großen Wohnkomplex und war wie alle anderen Wohnungen in diesem Haus über eine Außentreppe zu erreichen. „Da wären wir also.“ Nami machte einen unsicheren Eindruck, wusste wohl nicht, wie oder ob sie die Sache an der Stelle beenden sollte. Mir ging es ähnlich. Überhaupt war ich so schrecklich lethargisch, sobald es um Nami ging. Ganz anders als normalerweise, da fiel es mir nie schwer, schnell zu handeln oder irgendetwas zu sagen. Ich wollte es mir einfach nicht schon wieder mit ihr kaputtmachen. „Willst du vielleicht noch mit reinkommen? Ich bin irgendwie noch gar nicht müde.“ „Klar, wieso nicht“, kam es umgehend als Antwort, womöglich hatte unbewusst der Gedanke an die mich Zuhause erwartende Geräuschkulisse mit zu dieser Entscheidung beigetragen. Wir legten Jacken und Schuhe in dem kleinen Eingangsbereich der Wohnung ab, der durch die beiden riesigen Schuhregale an den Seiten noch weiter verschmälert wurde. Wow, seit ich das letzte Mal hier gewesen war, war noch mal einiges an neuen Teilen hinzugekommen. Allein die zehn Paar Stiefel ließen mich Bauklötzchen staunen. Vivi hatte ja schon verdammt viele Schuhe, aber Nami toppte sie um Längen. Wie viel Geld wohl in den beiden Regalen steckte? Hinter dem Eingangsbereich lag direkt Namis Wohnzimmer, in dem es eine fast winzige Küchenecke gab, die sie wohl eh kaum benutzte und zwei Türen, die zu ihrem Schlafzimmer und zum Bad führten. Namis Wohnung war so winzig, dass wir einmal darum gewettet hatten, wer von uns vom Eingang bis zum Bad springen konnte. Aber eine größere würde sich für sie alleine kaum lohnen hatte sie einmal gesagt, zum einen würde es mehr kosten, zum anderen war Nami die meiste Zeit außer Haus und schlief eigentlich nur hier. „Setz' dich doch“, sie bat mir die Couch an und ging rüber zu ihrem Kühlschrank. „Möchtest du was trinken? Saft oder Alkohol?“ Voreilig holte sie eine Falsche Sake hervor und hielt ihn demonstrativ vor ihre Brust. „Okay, gerne“, ließ sie mich noch gerade so zustimmen, bevor sie den Sake aus der Flasche in das Serviergefäß goss und aus dem Schränkchen zwei Schalen hervorholte. Geschickt trug sie die Sachen herüber, stellte sie auf dem Couchtisch ab und schenkte uns beiden ein. Ich konnte nicht anders, als jede ihrer Bewegungen zu verfolgen. Wie sie sich nach vorne beugte und mit der anderen Hand den Saum ihres kurzen Kleides zurecht zog. Ich erhaschte einen flüchtigen Blick auf ihre Schenkel und kam mir bei dem Gedanken an ihr Höschen, ob und was für eines sie trug, schon fast so pervers wie mein alter Musiklehrer vor, der Mädchen mit kurzen Röcken definitiv immer bevorzugt hatte. Mein Blick wanderte weiter nach oben, über den hellgelben dünnen Stoff des Kleides, der ihre Taille wunderbar umschmeichelte, bis hin zu dem atemberaubenden Dekolleté, das durch den Spitzensaum des Ausschnitts perfekt in Szene gesetzt wurde. Zwar kam ich mir mehr als seltsam vor, dass ich sie dermaßen anstierte und hoffte, sie bemerke es nicht, gleichzeitig liebte ich den Nervenkitzel, der damit einherging. Das Prickeln auf der Haut, das warme Gefühl im Bauch und der schnelle Herzschlag. Als drückte sie alle Schalter in meinem Gehirn auf einmal. „Bitteschön“, sie reichte mir lächelnd eine Schale, stieß mit mir an und leerte ihre in einem Zug. Ja, wer Nami zum Trinken herausforderte, der zog meistens den Kürzeren. Ich hatte sowieso keine Schnitte gegen sie. Bloß Zorro konnte ihr das Wasser reichen. Ich tat es ihr gleich und spürte, wie der Alkohol mir die Kehle herunter brannte und meine Temperatur aufheizte. Zwar hatte ich schon getrunken an dem Abend, doch das lag einen langen Spaziergang und eine fettige Mahlzeit zurück. Nami goss unsere Schalen umgehend wieder voll. Skeptisch blinzelte ich sie an. „Willst du mich etwa abfüllen?“ „Vielleicht“, kicherte sie und leerte ihre. Kopf schüttelnd sah ich ihr dabei zu. „Du hast wohl vergessen, was das letzte Mal passiert ist, was?“ „Nein, habe ich nicht. Ich musste das Kleid dreimal in die Reinigung geben, bis es wieder komplett sauber war. Da fällt mir ein, du schuldest mir noch dreimal Geld für die Reinigung!“ „Das kannst du dir in die Haare schmieren“, konterte ich frech, trank etwas und stellte die Schale ab. „Immerhin bist du selber dafür verantwortlich gewesen!“ „Das Kleid war aber aus dem Ausverkauf dieses Designerladens.“ Oh ja, dieser Ausverkauf war mir ein Begriff. Zwar war ich nicht dabei gewesen, aber Aces Schilderungen davon, wie Nami und Vivi sich per Ellenbogeneinsatz durch die anderen Frauen gekloppt hatten, hatten mir gereicht. „Das sind Bestien!“, hatte er gesagt und versichert, dass er die beiden nie wieder zusammen zu so etwas begleiten würde. „Du hast doch genug andere Kleider.“ Sie neigte den Kopf, legte die Hand auf mein Knie und sprach: „Es kann nie genug Kleider geben!“ Ich wich zurück, versank in der weichen Lehne der Couch. „Nami, du machst mir Angst.“ Doch sie schmunzelte bloß, packte mein Knie fester und kam immer dichter heran, sodass unsere Nasenspitzen sich fast berührten. Ihre Augen sprangen von meinen Lippen zu meinen Augen und wieder zurück. „Ähm, was wird das?“ „Mir war so, als wurden wir vorhin unterbrochen.“ Sie gab mir keine Chance einen möglichen Einwand zu formulieren, sondern schlang ihre Arme um meinen Hals und küsste mich. Wie automatisch schloss ich die Augen und begann mich auf ihr Spielchen einzulassen. Je stürmischer ihre Zunge dabei wurde, umso näher kam mir der Rest ihres Körpers. Nami rutschte auf meinen Schoss, ich spürte ihre Hände in meinen Haaren, auf meinem Rücken und auf meinen Wangen. Mein Herz hämmerte wie verrückt gegen meine Brust, kribbelnde Erregung flutete meinen Körper und ließ mich nach immer mehr lechzen. So lange hatte ich auf diesen Moment gewartet und nun flog mir alles an einem Abend zu. Das musste doch einen Haken haben oder ich zerbrach mir umsonst den Kopf. Langsam bewegte Nami sich auf mir, nachdem ich meine Hände an ihre Hüften gelegt hatte, raubte mir den letzten Rest Verstand und heizte mir gehörig ein. Ich stöhnte gegen ihre Lippen, woraufhin sie den Kuss löste, mir einige Haare aus dem Gesicht strich. Ein wenig enttäuscht öffnete ich die Augen. Gefiel es ihr etwa nicht mehr mit mir? Oder hatte sie was vor? „Nami?“ Sie lächelte, gab mir einen Kuss und schob behutsam ihre Hände unter mein Shirt. Ihre Fingerspitzen erkundeten beinahe jeden Fleck meiner Haut. Mir wurde heiß und kalt, meine Gedanken rasten. Würde es auf das hinauslaufen? Meine Atmung wurde schneller, meine Hände begannen, aus ihrer Starre zu erwachen und ebenfalls auf Erkundungstour zu gehen. Die anfängliche Zögerlichkeit abgelegt fiel es mir leicht, über ihre Hüfte hinab zu ihrem Po zu gleiten und von dort fand ich wie von selbst den Weg unter ihr Kleid. Allein diese weiche Haut und meinen Fingern ließ mich fast zerschmelzen. So oft hatte ich diese Szene im Traum erlebt, mir alles ausgemalt, doch die Wirklichkeit toppte all diese Vorstellungen um Längen. Das damit einhergehende Kribbeln, die Wärme, die den Körper durchzieht, und die zunehmende Erregung, die es mir stetig schwerer machte über all dies nachzudenken. Ich vergaß meine anfänglichen Zweifel, die Angst vor einer erneuten Enttäuschung und wollte bloß noch meine Lust ausleben, jeden Eindruck voll auskosten. Nami schnappte nach Luft, zog mir das Shirt aus und begann damit meinen Hals zu verwöhnen, während ihre rechte Hand sich an meiner Hose zu schaffen machte, bevor sie vorwitzig unter den Stoff meiner Shorts rutschte. Ich atmete tief ein und hörte das Blut in meinen Ohren pulsieren, als sich ihren Finger um meinen Penis schlossen. Ein Zucken durchfuhr meine Leistengegend und ich spürte, wie ich mich immer mehr versteifte. Ihr Mund löste sich von meiner Haut, sie richtete sich auf mir auf und blickte mich mit halb geöffneten Augen an. „Soll ich weiter machen?“, raunte sie gegen mein Ohr und verstärkte ihren Griff kurzzeitig, brachte mich zum Schlucken und schließlich zum Nicken. Mehr brachte ich nicht hervor, obwohl ich wollte, dass sie weitermachte und wie sehr ich das wollte! Langsam begann Namis Hand sich zu bewegen, jagte mir kleine Blitze durch den Körper und machte mich fast verrückt. Es hatte sich nie auch nur ansatzweise so angefühlt, wenn ich es mir selbst gemacht hatte. War letztendlich bloß ein Mittel zum Zweck gewesen. Namis Berührungen dagegen waren kaum damit zu vergleichen, so zärtlich und gleichzeitig atemberaubend. Ich bäumte mich unter ihr auf, meine Hände glitten von ihrem Po über ihren Bauch bis zu ihren Brüsten. Schon so lange hatten sie mich gereizt, waren immer wieder Teil meiner Gedanken gewesen, hatten so manches Mal meine Fantasie beflügelt. Sehnsüchtig legten sich meine Finger um ihre Rundungen, waren nicht imstande sie ganz zu erfassen. Namis Brüste waren nicht nur groß, sondern vor allem fest und dennoch weich. Ich stöhnte unter all den Eindrücken, lehnte meine Stirn gegen ihre Schulter und schob ihren BH nach oben. Meine Daumen strichen über die frei gewordene Haut, von der sich etwas immer fester Werdendes abhob – ihre Brustwarzen. Immer und immer wieder umkreiste ich sie mit meinem Zeigefinger, fühlte wie Namis Haut eine zarte Gänsehaut überzog und sie lauter keuchte. „Gut so?“, flüsterte ich, die Hände weiterhin fest um ihre Brüste gefaltet. „Mach weiter“, stöhnte sie und ließ von meinem Penis ab, um sich kurz drauf das Kleid über den Kopf zu ziehen und ihren BH abzulegen. „Wow“, hauchte ich, während der Anblick ihres nackten Busen meine Pupillen und Händen anzog wie Magneten. Nicht mal ihr Höschen, auf das ich jetzt freie Sicht hatte, vermochte das zu ändern. Namis Wangen waren gerötet, zaghaft ergriff sie meine rechte Hand und führte sie hinab. Ich hielt den Atem an und unterbrach unseren Augenkontakt nicht, als sie mich an ihre Vagina heranführte. Sie nickte, als wolle sie mir sagen, dass ich sie ruhig anfassen könnte. Kein einziges Haar säumte den Weg, bis ich ihre Klitoris erfühlte und anfing sie langsam zu reiben. „Hm...ja, genau so“, keuchte sie auf, warf den Kopf in den Nacken und fing erneut damit an, mich mit ihrer Hand zu stimulieren. Mein Herz pochte immer schneller und wie von selbst glitt mein Zeigefinger in sie hinein, nachdem ich sie stetig fordernder gereizt hatte. So viele neue Eindrücke auf einmal, ich konnte sie kaum alle verarbeiten. Diese enge Feuchte, die einzelnen Muskelkontraktionen, die zu spüren waren, und ihr süßlicher Geruch, der mit der Zeit viel intensiver geworden war, ließen mich durchdrehen. Ich war so sehr auf ihren Körper konzentriert, dass ich bloß am Rande wahrnahm, wie sie mich berührte. Ich ließ meinen Finger in stetig kürzeren Abständen in sie hinein gleiten, während ich mit der anderen Hand ihre rechte Brust verwöhnte und die Brustwarze der Linken mit der Zunge umkreiste. Namis Stöhnen war das Einzige, das ich hören wollte, das mir die Sicherheit gab, das Richtige zu tun. Denn obwohl es mir sehr gefiel, sie auf diese Weise zu berühren, hieß das noch lange nicht, dass es ihr ebenso erging. Trotzdem wurde ich zunehmend sicherer und meine Zweifel rückten in den Hintergrund. Sie wurde Wachs in meinen Händen, schien sich perfekt an die Bewegungen anzuschmiegen, bis sie langsam die Augen öffnete und mich anwies zu stoppen. Ich ließ die Hände sinken und sah irritiert zu Nami hinauf. „Was ist denn? Hab...hab ich was falsch gemacht?“, fragte ich unsicher, woraufhin sie mir eine Strähne zur Seite strich, die Arme um meinen Hals legte und sich dicht zu mir beugte, um mir ins Ohr zu flüstern: „Ich will dich, Ruffy.“ „Okay“, kam es umgehend von mir und ich hätte mich am liebsten sofort selber dafür geohrfeigt, ich war kurz davor, Sex zu haben und alles, was mir einfiel, war „okay“. Gut, was erwartete ich auch, wenn mein Blut schon lange nicht mehr in meinem Kopf war? Die Aufregung war für mich kaum noch auszuhalten, wie ich diesem Erlebnis entgegen fieberte, endlich all die geträumten Szenen mit realen Eindrücken verknüpfen zu können. Nami war damit beschäftigt mich meiner Hose zu entledigen, als ich ihr Handgelenk ergriff und sie daran hinderte. „Hast du ein Gummi?“ Meine Gedanken mochten sich zwar nur noch um diese eine Sache drehen, dennoch stürzte ich mich nicht kopflos ins Abenteuer. „Ja, warte kurz“, antwortete Nami, beugte sich über die Sofalehne und kramte in ihrer Umhängetasche, die dahinter lag, bis sie grinsend etwas zwischen ihren Fingern präsentierte. Es dauerte keine Minute, bis sie es mir übergerollt hatte und mich verlangend küsste. Das Höschen hatte sich bereits zu dem Rest der Kleidung auf den Boden gesellt, mein innerer Druck war nicht mehr auszuhalten, ich erfasste ihre Hüften und dirigierte sie so, dass ich langsam und vorsichtig in sie eindringen konnte. Auf der Stelle spürte ich, wie sie sich warm und eng um mich schloss, die Muskulatur sich stark zusammenzog, nur knapp konnte ich ein zu frühes Ende verhindern und ließ mir ein paar Sekunden mich an dieses Gefühl zu gewöhnen. Die Arme um Namis Taille geschlungen schmiegte ich meinen Kopf an ihre Brust und atmete tief ein und aus. Ihre Finger streichelten durch mein Haar, während die anderen Hand über meinen Rücken fuhr. Sie sagte nichts, aber ich merkte, dass es okay für sie war und sie mir die Zeit ließ, bis ich damit anfing, mich in ihr zu bewegen. Mit jedem Stoß flutete mich eine Welle der Erregung, wies mich an schneller zu werden und meine Arme enger um sie zu legen. „Hm...Ruffy“, seufzte sie, saugte an meinem Hals und schlang ihre Arme enger um mich. Ihr Becken hatte sich perfekt meinem Rhythmus angepasst, jedoch wollte ich mehr, fühlte mich eingeschränkt und drängte sie aufgrund dessen auf ihren Rücken, sodass ich mich ungehemmt bewegen konnte. Nami schlang kurz darauf ihre Beine um meine Hüfte, zog mich zu sich hinab und küsste mich voller Leidenschaft. Das Kribbeln in mir wuchs ins Unermessliche, ich konnte mich dem allen nicht mehr verwehren, musste mich der Lust hingeben. Mein Unterleib zuckte in Ekstase, sämtliche Muskeln verkrampften und ich erlebte den intensivsten Höhepunkt, den ich mir hatte vorstellen können. Unter Stöhnen sackte ich in mich zusammen, fühlte Schweißperlen meinen Rücken hinab laufen und Namis Hände, die mich streichelten. Noch immer rang ich um Luft, während ich sie packte und unsere Positionen tauschte, sodass sie nun auf mir lag. „Das war echt...wow...“ Sie kicherte, bettete den Kopf auf meiner Brust und malte kleine Kreise auf meiner Haut. Seufzend drückte ich ihr einen Kuss auf die Stirn und schloss die Augen. Das konnte doch alles bloß ein Traum sein. Kapitel 11: Affentheater ------------------------ Langsam öffnete ich die Augen, als ich ein sanftes Ruckeln an meiner Schulter spürte. „Ruffy?“, drang Namis Stimme gedämpft an mein Ohr, brachte mich dazu, mich aufzurichten und zu gähnen. „Oh Mann, wie spät ist es?“, fragte ich, während ich mir einen Überblick über die Lage verschaffte. Ich war noch immer völlig nackt, jedoch bis zum Bauchnabel zugedeckt, anscheinend musste Nami das getan haben, als ich geschlafen hab. Fast ein wenig verlegen schnappte ich meine Shorts, streifte sie über und suchte mein Shirt. Nami, die währenddessen auf dem Couchtisch hockte und die das Ganze sichtlich amüsierte, hielt es mir entgegen. „Na, du hast es ja eilig wieder zu verschwinden.“ „Hm?“ Ich musterte sie mit geneigtem Kopf, woraufhin sie sich erhob und im Vorbeigehen meine Wange streichelte. „Es ist erst neun. Komm trink noch einen Kaffee mit mir.“ „Fuck!“, rutschte es mir heraus, was mit einem Mal die Freundlichkeit aus Namis Gesicht wischte und sie stattdessen die Stirn in Falten legen ließ. „Was soll denn das bitte schon wieder heißen?!“ Mit gerunzelter Stirn sah ich zu ihr herüber, während ich meine Hose zu knöpfte. „Was meinst du?“ „Wolltest du dich gleich nach dem Spaß verziehen oder was?“ „Was? Äh nein! Aber ich muss um zehn beim Praktikum sein.“ Nami kräuselte die Stirn und ließ die Schultern sinken. „Ach so...“ Ich drückte ihr einen flüchtigen Kuss auf und verschwand in ihrem Bad, um mich in Rekordzeit fertigzumachen. „Ruffy“, begann sie, als ich meine Schuhe anzog. „Was ist denn jetzt...mit uns?“ Seufzend erhob ich mich und vergrub die Hände in den Taschen. War doch so klar gewesen, dass da noch was kommen musste. Einerseits konnte ich es ja verstehen, ich hatte auch lieber klare Verhältnisse, aber es war doch gerade so schön gewesen, dass Worte dies irgendwie bloß zu zerstören vermochten. „Lass uns da heute Abend drüber sprechen, okay? Jetzt fehlt mir dafür die Zeit.“ Sie gab sich mit der Antwort fürs Erste zufrieden, rang sich ein Lächeln ab und versprach nach der Arbeit anzurufen. Das sorgte zwar für ein mulmiges Gefühl bei mir, aber bis dahin hatte ich noch genug Zeit, mir etwas zu überlegen. Wobei mein Standpunkt zu der Sache so weit feststand. Mit einem Affenzahn rannte ich nach Hause, um meine Unterlagen zu besorgen, schlängelte mich durch die entgegen kommenden Menschen und war wieder ein Mal dankbar dafür, dass ich mich wie Gummi verbiegen konnte. Ansonsten wäre ich nicht ansatzweise so schnell vorangekommen. Nicht um diese Uhrzeit. Japsend hastete ich die Treppe hinauf, auf der ich Vivi, Ace und Titi, die auf seinen Schultern saß, sich an seinen Haaren festhielt und lachte, als sie mich erkannte, antraf. Dadan hatte sie echt früh zurückgebracht, das kannte man gar nicht von ihr. Sonst konnte sie bloß ein Brecheisen von der Kleinen trennen. Mehr aber wunderte mich, dass Vivi und vor allem Ace schon auf den Beinen waren und putzmunter aussahen. Nachdem was sie gestern alles in sich hinein geschüttet hatten. Die hatten mir ja gerade noch gefehlt, allein dieser schelmische Ausdruck in Aces Augen sagte alles und auch Vivi wirkte wie Miss Marple, die gerade einen Fall gelöst hatte. Ich stöhnte in mich hinein und begrüßte sie. „Hey, ihr drei. Wo wollt ihr denn hin?“ „Ja ja, die Frage lautet eher: Wo kommen wir denn her?“, fragte Ace und zog die Wörter unerträglich in die Länge, während er den Blick nicht von mir abließ. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht“, kam es umgehend von mir zurück, was ihn die Nase rümpfen ließ. „Ach? Siehst du das so?“, sagte er gespielt empört und bohrte mir den Finger in die Brust. „Solange du unter meinem Dach lebst, hast du dich gefälligst an meine Regeln zu halten - und mir Bericht zu erstatten.“ Ich kräuselte die Stirn und zog die Oberlippe hoch. „Ace, du bist schon so ein richtiger Vater“, sagte ich Kopf schüttelnd, schob seine Hand beiseite und brachte ihn damit zum Lachen. „Tja, es gibt nun einmal gewisse Erwartungen an diese Rolle. Und ich gebe jeden Tag mein Bestes.“ „Ace, lass gut sein“, schmunzelte Vivi, hakte sich bei ihm unter und schmiegte den Kopf an seinen Oberarm. „Wenn Ruffy nicht reden will, dann können wir ihn auch nicht zwingen. Außerdem muss er doch zur Uni!“ Vivi bewahrte mich wie so oft vor einer unangenehmen Auseinandersetzung. Sie war stets diejenige, die Ace stoppte und ihn somit vergessen ließ, worum es überhaupt ging. Und wie immer war ich ihr verdammt dankbar dafür. „Papa, in den Zoooo~“, quietschte Titi, streckte den Arm aus und machte Anstalten loszugehen. „Luffi, Affen gucken.“ „Dafür müssen wir doch nicht in den Zoo. Ruffy sieht doch haargenau wie ein Affe aus. Wie ein Totenkopfäffchen“, lachte Ace gehässig und streckte mir die Zunge heraus. „Wir gehen jetzt in den Zoo und du musst lernen!“ „Wenn ich wie ein Affe aussehe, dann siehst du aber aus wie eine Hyäne und so lachen tust du auch noch!“, schoss ich zurück, zog mein Augenlid herunter und zeigte ihm ebenfalls die Zunge. „Na, wer ist denn hier das Kind? Also manchmal kommt es mir so vor, als hätte ich drei“, sagte Vivi leicht genervt, seufzte und ergriff Titis Händchen. „Erzähl Ruffy doch mal, was es im Zoo gibt.“ „Affen!“ „Und was noch? Papa-?“ „Papagei“, begann Titi vorsichtig und fügte auf Vivis Nicken hinzu, „Mamagei, Titigei.“ „Ja, genau!“, jubelte sie, während Ace um ein Grinsen nicht herumkam. Ich verabschiedete mich von ihnen und wünschte ihnen viel Spaß. Komisch, hatte Ace nicht Hausverbot im Zoo? Nur zu gerne erinnerte ich mich daran, als wir vor einem Jahr das erste Mal mit Titi dort gewesen waren, obwohl Vivi Todesängste durchlitten hatte, dass sich das Kind dort irgendwas einfangen könnte. Damals hatte dort gerade ein frei begehbares Affengehege geöffnet, auf dem man Lemuren und kleine Affenarten beobachten konnte. Natürlich hatte Ace den Warnhinweis am Eingang dezent ignoriert und seine offene Nusstüte mit hinein genommen – mit verheerenden Folgen. Nicht nur dass einer der Totenkopfäffchen sich die Tüte gekrallt hatte, nein, es hatte auch noch seine Sonnenbrille aus dem Haar gemopst und war mit beiden in der Krone eines Baumes verschwunden. Das hatte er sich nicht bieten lassen und war trotz Vivis Zurechtweisungen, die währenddessen noch damit beschäftigt gewesen war, die Affen vom Kinderwagen fernzuhalten, dem Übeltäter sogleich gefolgt. Nur knapp war er dem Affen entkommen, als er zubeißen wollte, hatte dadurch aber seine Habseligkeiten wiederbekommen und eine Verwarnung mitsamt Rausschmiss von der aufgebrachten Tierpflegerin, die einer der anderen Besucher gerufen haben musste. Mein Bauch hatte noch nie so vom Lachen geschmerzt wie an diesem Tag. Ich schnappte mir meine Sachen und atmete tief aus. Schade, ich wäre wirklich gerne mitgegangen. Mein Blick wanderte zu meiner Wanduhr und ließ mich vor Schreck fast erstarren. Bereits Viertel vor zehn! Kopfüber stürmte ich aus der Wohnung, knallte die Tür hinter mir ins Schloss und raste regelrecht zur Uni. Völlig aus der Puste und den Schweiß auf der Stirn stehend kam ich vor dem Praktikumsraum an, wo Lysop wie ein aufgescheuchtes Huhn umherging und die Arme in die Luft riss, als er mich sah. „Da bist du ja endlich! Ich dachte schon, du kämst gar nicht mehr. Die anderen haben schon mit dem ersten Versuch angefangen.“ „Sorry, Lysop“, japste ich, warf im Gang meinen Kittel über und balancierte dabei meine Tasche in den Händen. „Ich hab verschlafen.“ Ich konnte ihm ja schlecht sagen, was wirklich Sache war. Nicht bis ich das mit Nami geklärt hatte. Ein Kribbeln lief mir den Rücken herunter, irgendwie fühlte es sich alles so verboten und aufregend an. Ein richtiges Geheimnis! An diesem Tag hatten wir den letzten Tag des Moduls „Mikrobiologie“, ein letztes Mal werteten wir unsere Platten der vorhergehenden Tage aus, schrieben Protokolle und bekamen die alten wieder. Es sah sogar ganz gut aus, hier und da mal ein Punkt Abzug, aber insgesamt durchgängig 95%, das war doch schon mal eine gute Vorarbeit für die Klausur. Kein Vergleich zu den Ergebnissen der Anfangsmodule, wo gerade Zuhause die Hütte gebrannt hatte. Lysop beschwerte sich mal wieder lauthals, schimpfte wie ein Rohrspatz und rechnete wie verbissen Punkte nach, bis er tatsächlich etwas fand und der Assistentin gleich sein Protokoll unter die Nase rieb. Sichtlich genervt hatte sie das Ergebnis geändert und ihm damit den Tag versüßt. „Yay 98%!“, feierte er und beobachtete die Hefezellen unter dem Mikroskop. „Das Modul wird gerockt, was?“ „Wenn du meinst“, lachte ich, wechselte mich mit ihm ab und fertigte die letzte Zeichnung an, bevor wir abgaben und vor dem Raum unsere Kittel auszogen. „Und was machst du heute noch?“, fragte er mich, nachdem er seine Sachen im Rucksack verstaut hatte. „Du fängst doch wohl Freitagabend nicht mit Lernen an, oder?“ „Spinnst du? Wir haben doch eine Woche Zeit dafür“, erwiderte ich. „Aber wahrscheinlich spiele ich heute Abend noch mal Babysitter. Und du?“ „Hm, schade“, sagte Lysop und begann zu grinsen. „Chopper und ich wollten eigentlich noch weggehen. Vielleicht kommt Kaya noch mit.“ Ich wurde hellhörig. „Wer ist Kaya?“ „Kaya ist Choppers Kommilitonin. Er hat sie mir letztens in der Mensa vorgestellt.“ Lysop hielt inne und wirkte so angetan. So hatte ich ihn bisher kaum erlebt und konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Sie ist echt toll, total nett und sie hat über jede meiner Geschichten gelacht.“ „Bestimmt hast du ihr auch von dem Chemieunfall erzählt, was?“ „Davon kannst du aber ausgehen“, lachte er, drückte den Knopf des Aufzugs und wir quetschten uns mit ein paar Kommilitonen hinein. Unsere Stunde Mittagspause verbrachten wir in der Mensa beim Mittagessen, bei dem Lysop wie ein einarmiger Knasti auf seinen Teller aufpasste, bloß damit ich nichts abbekam. „Sei nicht so geizig, Lysop. Die Kantinenfrau gibt mir immer soooo kleine Portionen.“ „Mann, Ruffy, ich kann nie in Ruhe essen, wenn du dabei bist. Deine Hände sind überall.“ Er beobachtete mich misstrauisch und schob sich eine Ladung in den Mund. Zumindest schaffte ich es, ihm seinen Müsliriegel zu klauen. Zwar bloß was für den hohlen Zahn, aber immerhin. Nachmittags erwarteten uns noch eine Vorlesung sowie eine abschließende Übung mit klausurrelevanten Themen und der Nachbesprechung sämtlicher alten Versuche. Obwohl ich Probleme hatte, mich wachzuhalten, hielt ich durch, nicht zuletzt dank Lysops grandioser Imitationen des Professors und den kleinen Manga, die er auf seinen Block kritzelte. Ohne ihn hätte ich wohl eine ganze Menge weniger zu lachen. Klar hatte ich auch andere Freunde, die mir sehr am Herzen lagen und die ich nie wieder hergeben würde. Aber jeder war schon etwas Besonderes und mit jedem war es anders. Mit Lysop hatte ich eine Menge Spaß und konnte herrlich herumalbern, was mit Zorro nie der Fall war, dafür war dieser in ernsten Belangen meine erste Anlaufstelle. Das hatte sich zwar auch erst in den letzten Jahren so entwickelt, weil Ace immer weniger Zeit für mich gehabt hatte, aber seitdem verband uns eine tiefe Freundschaft. Selbst wenn wir uns oft und gerne einen rein würgten. Ein Lachen unterdrückend dachte ich an den gestrigen Abend, als ich ihn mit Tashigi im Schnellrestaurant gesehen hatte. Zorro hatte so fröhlich und locker ausgesehen, wie es nur selten der Fall war. Er musste ja schwer in sie verliebt sein. Überhaupt schien derzeit Liebe in der Luft zu liegen. Wobei ich mir in meinem Fall ziemlich unsicher war. Mein Herz schlug einen Salto, wenn ich bloß an Nami dachte, jedoch blieb da noch immer diese fürchterliche Unsicherheit. Diese beißenden Zweifel, die nicht an das Wunder glauben wollten. Über meine Grübelei verpasste ich beinahe das Ende der Vorlesung, hätte Lysop nicht neben mir Druck gemacht, dass er schnell raus wollte. „Na, dann wünsche ich dir viel Erfolg bei deiner Kaya, Lysop“, verabschiedete ich mich von ihm, nachdem wir den Hörsaal verlassen hatten, und gab ihm die Hand. „Und grüß Chopper von mir.“ „Werde ich tun und dir viel Spaß beim Babysitten.“ Er eilte wie ein geölter Blitz davon. Eines musste man Lysop lassen, er mochte zwar kein starker Boxer sein, aber Rennen konnte er! Nachdem ich noch einmal kontrolliert hatte, ob alle Prüfungsanmeldungen korrekt eingegangen waren, machte ich mich auf den Heimweg. Irritiert blieb ich stehen, nachdem ich den Campus verlassen hatte. Moment hatte ich gerade Lysop, den Lysop Lügenbaron, der seit ich ihn kannte die tollsten Geschichten, die selbst Münchhausen alt aussehen ließen, erzählte, angelogen? Wobei so gelogen war es andererseits gar nicht, ich würde den Abend gewiss mit Titi verbringen. Immerhin war Freitag und am Freitagabend brummte das Geschäft im Kazaguruma da würde Vivi mit Sicherheit arbeiten müssen und bestimmt wollte sie das auch, denn es gab oft eine Menge Trinkgeld für sie. Auch wenn Ace es ganz und gar nicht passte, dass sie es von den meisten nur bekam, weil sie Vivi mit ihren Blicken beinahe auszogen. „Das sind doch alles Perverse“, hatte er einmal beim Abendessen genölt. „Ich an deiner Stelle würde von denen doch nicht mal ein Staubkorn bekommen.“ Vivi hatte gekichert und erwidert: „Ach komm, die Omis vom Kegelclub einmal haben dir doch Geld gegeben, obwohl du mir nur was vorbeigebracht hast.“ Ich weiß noch genau, was meine Reaktion auf die Geschichte gewesen war: ein langes Gesicht. Mir kniffen Omis bloß in die Wange und fragten, ob ich genug zu essen bekäme und Ace kriegte Scheine zu gesteckt. Na ja, dafür musste ich nicht ein Jahr lang Opas dumme Sprüche bezüglich Sex und Verhütung ertragen. Allein die Tatsache, dass Opa über so was geredet und Ace auch noch Tipps gegeben hatte, war verstörend genug, aber wenn er mir gegenüber immer betont hätte, dass Rausziehen alleine keine Verhütung wäre, hätte ich nach einer Therapie verlangt. Ich grinste bei dem Gedanken an Opa, selbst wenn mein Kopf plötzlich zu schmerzen begann. Vielleicht sollte ich ihn demnächst mal anrufen oder ich wartete einfach, bis er mal wieder unangemeldet morgens um sechs auf der Matte steht, denn nur der frühe Vogel fängt den Wurm! Dass er mit der Einstellung bei keinem von uns auf große Gegenliebe traf, war ihm entweder total egal oder er merkte es nicht. Aber das war damals, als wir noch bei Dadan wohnten, nicht anders, nur hat sie ihm eine ordentliche Ansage diesbezüglich gemacht, bevor sie einfach nicht mehr aufgemacht hat, wenn er Sturm geklingelt hat. Doch keine Tür der Welt vermag meinen Opa aufzuhalten, er hat kurzerhand versucht über das Fenster im Garten einzusteigen, immerhin kannte er von seiner Arbeit als Polizist noch alle Tricks. Dadan ist ausgerastet und wollte ihn mit dem Besen rausschubsen, während Ace und ich heulend vor Lachen danebenstanden. Das sind irgendwie auch so Sachen, die man sonst keinem erzählen sollte, klingt ja fast als sei man in der Geschlossenen groß geworden. Als ich zu Hause ankam, fand ich Ace und Titi schlafend auf der Couch vor, während Vivi die Küche aufräumte und mich regelrecht anstrahlte, nachdem ich sie begrüßt hatte. „Hallo Ruffy! Da bist du ja“, flüsterte sie, ging zum Kühlschrank und holte eine Plastikschüssel hervor. „Ich hab dir was zu Essen mitgebracht: Chop Suey mit Rind.“ Sonst leuchteten meine Augen nur so, wenn es Geschenke gab, aber das war ja eines. Zumindest für mich. Ich musste mich echt zusammenreißen, ihr nicht vor Freude um den Hals zu fallen. „Aww, vielen Dank, Vivi“, murmelte ich, nahm die Schüssel entgegen, während sie Stäbchen und Teller aus den Schränken kramte und es zum Aufwärmen in die Mikrowelle stellte. „Wart ihr eben noch essen?“ „Nein, das habe ich vorhin gekocht. Ich hoffe, es schmeckt dir.“ Allein der Geruch war umwerfend und auch der Anblick war kein Vergleich zu dem Fraß der letzten Tage, der bloß seinen Zweck erfüllt hatte. Sie stellte den Teller vor mir auf den Tisch und setzte sich zu mir, nachdem sie einen flüchtigen Blick zum Sofa geworfen hatte. „Und wie lief dein Tag heute? Was habt ihr so gemacht?“ Gierig schlag ich runter und fühlte mich fast ein wenig schlecht, dass ich was so Gutes nicht entsprechend würdigte. Eine Mahlzeit mit Rindfleisch war eh schon ein Grund zu feiern, aber das hier war eine neue Meisterleistung ihrerseits. Vielleicht schaute sie sich ja heimlich was bei der Arbeit ab. „Wir haben Versuche ausgewertet und Hefezellen beobachtet.“ Vivi neigte leicht den Kopf, den sie auf den Händen gebettet hatte. „Wie beobachtet? Wobei?“ Sie klang wirklich interessiert, was mich ungemein freute. Oft hatte ich den Eindruck, dass sich die beiden nicht für das interessierten, was ich machte. Vor allem Ace machte des Öfteren den Eindruck, als hätte er keine Lust sich näher mit der Materie zu beschäftigen. Es sei denn, ich hatte ein paar Ekelbilder parat. Interessiert hörte mir Vivi zu, als ich ihr alles über Hefezellen erzählte, was ich in den letzten beiden Tagen gelernt hatte. Sie wirkte fasziniert und staunte bei manchen Aussagen, wie ein kleines Kind. Als ich fertig war, holte Vivi zwei Gläser aus dem Schrank und schenkte uns Wasser ein. „Und was macht ihr als Nächstes? Euren eigenen Bakterienstamm züchten?“ „Nein, leider nicht“, lachte ich und leerte den Teller. „Das kommt wohl erst in der Vertiefung später. Das war heute leider der letzte Tag. Nächste Woche habe ich frei, bis auf Freitag, da schreib ich dann die Abschlussklausur.“ „Gut, dann hast du ja noch ein wenig Zeit zum Lernen“, sagte Vivi, räumte den Teller weg und setzte sich zurück an den Tisch, wobei ich dieses Mal einen ganz anderen Ausdruck in ihren Augen sah, und der gefiel mir ganz und gar nicht. „So und jetzt Butter bei die Fische: Wo warst du letzte Nacht?“ Ich schluckte und fühlte mich wie ein Kaninchen in die Enge getrieben. Vivi zu belügen war ein Ding der Unmöglichkeit, die Frau merkte es sogar, wenn ein Reiskorn aus dem Sack genommen wurde. Es blieb mir bloß die Flucht nach vorne und die Sache abzuwiegeln. „Na ja, weißt du“, fing ich an, wich ihren Pupillen, die in dem Moment Harpunen glichen, konsequent aus und spielte mit meinen Fingern, „ich bin ja gestern mit Nami noch weggegangen...“ „Ja, das hab ich gesehen“, schmunzelte sie, strich sich die Haare hinters Ohr und stützte sich auf den Ellbogen ab. „Und? Hast du endlich mit ihr gesprochen?“ Ich zog die Schultern hoch. Das auch. „Joa, wie man es nimmt. Ich hab ihr klar gemacht, wie sehr sie mich verletzt hat und so. Wenn du das meinst.“ Vivi nickte verständnisvoll, scheinbar ließ sie es damit auf sich beruhen, denn sie wechselte auch so gleich das Thema. Trotzdem war ich mir sicher, dass sie sich ihren Teil dazu dachte und vielleicht sogar ahnte, was tatsächlich geschehen war. „Zorro habe ich gestern auch noch getroffen. Zwar nur kurz, weil Ace die beiden gleich verschreckt hat, aber lange genug, um einen Blick auf seine Freundin werfen zu können.“ Ich hob eine Augenbraue an. „Ach, das musste sein, Vivi?“ Ein Grinsen zog sich über ihr Gesicht. „Tut mir leid, aber ich war einfach so schrecklich neugierig. Immerhin kannte sie ja keiner von uns vorher.“ „Ich find' sie nett, habe sie und Zorro noch in dieser Fresshütte da getroffen“, erzählte ich. „Und sag mal, was hat Ace eigentlich gemacht, Zorro schien ja mordmäßig angepisst von ihm.“ Vivi fasste sich an die Stirn und kicherte. „Ich hätte nie zulassen sollen, dass er dieses bescheuerte Megaphone kauft. Kaum hatten Zorro und sie das Restaurant betreten, hatte Ace ihn mit 'Hey Zorro, wie heißt denn dein viertes Katana?' begrüßt.“ Ich zwinkerte ungläubig und musste mich ernsthaft zusammenreißen, um nicht vor Lachen zu explodieren. Eine typische Ace-Aktion, die ihre Wirkung nicht verfehlt hatte. Aber das Megaphone war eindeutig ein Garant für Spaß, ich sollte es mir auch mal ausleihen. „Kein Wunder, dass er so gute Laune hatte“, merkte ich an, sah mich im Raum um und dann wieder zu Vivi. „Wo ist das Ding eigentlich?“ „Sanji hat es gestern Nacht noch einkassiert und gesagt, dass ich es erst heute nach Feierabend wieder ausgehändigt bekäme.“ „Und Ace ist nicht explodiert?“ „Hehe, zum Glück nicht, gab dann doch wohl wichtigeres als das“, kicherte sie und ich konnte mir schon lebhaft ausmalen, was sie meinte. Zum Glück hatte ich auswärts geschlafen. Nicht so wie letztes Mal, als ich mitten in der Nacht wach wurde, weil mir total schlecht war, und ich die beiden zusammen unter der Dusche erwischt hatte. Ich kann mich bis heute nicht entscheiden, für wen das peinlicher gewesen sein musste. Für Ace und Vivi, die mich wie einen Geist anstarrten, oder für mich, der wie immer bei solchen Dingen die Augen nicht abwenden konnte. Jedenfalls war es die folgenden Tage so still wie noch nie bei uns gewesen. Vivi erhob sich vom Tisch, räumte die leeren Gläser weg und fing an, das dreckige Geschirr zu spülen. Ich bedankte mich für das Essen, indem ich die Sachen abtrocknete und wegräumte. „Ich muss dann jetzt gleich auch los zu meiner Schicht“, verabschiedete sie sich von mir und verschwand ins Schlafzimmer, um ihren Kimono für die Arbeit anzulegen. Keine fünf Minuten, nachdem ich meine Sachen ausgeräumt und meinen Schreibtisch für den Lernmarathon hergerichtet hatte, vibrierte mein Handy. Das konnte doch noch nicht Nami sein. Mit nervös schlagendem Herzen schaute ich auf das Display und runzelte die Stirn: Unterdrückte Nummer? „Hallo?“, meldete ich mich vorsichtig, als sich eine mir nur zu gut bekannte Stimme zu erkennen gab. „Käpt'n, alles klar bei dir?“ „Zorro?“, fragte ich verwirrt und starrte das Handy an, als könne er mein Gesicht sehen. „Was soll das denn?“ „Hm?“ „Wie kommst du denn auf den Namen?“, lachte ich und er stimmte sogleich mit ein. „Keine Ahnung, es passt irgendwie zu dir“, antwortete er und kam direkt auf sein eigentliches Anliegen. „Verrat mir doch mal bitte, was ich von gestern halten soll.“ „Meinst du Ace und das Megaphone?“, stellte ich mich bewusst naiv. „Ich hab schon gehört, wie er dich begrüßt hat.“ „Du weißt genau, dass ich was anderes meine“, brummte er. „Du und Nami wirktet ja auf einmal wieder so vertraut.“ „Was bist du denn plötzlich so gesprächig? Und vor allem so neugierig! Das ist man von dir ja gar nicht gewohnt, Zorro.“ „...“ „Hehe, hab ich da etwa einen wunden Punkt getroffen?“ Was für ein Glück für mich, dass Zorro recht schnell abblockte, sobald man Gefühlsregungen bei ihm erkannte. Jedoch konnte ich mich nicht allzu lange darauf ausruhen. Gefasst und fast gleichgültig klingend erfolgte seine Antwort: „Blödsinn...Also kann ich jetzt davon ausgehen, dass ich diese Funzel wieder öfter sehen werde und sie vermutlich auch nicht mehr Funzel nennen darf?“ „Das kann ich dir nicht sagen. Frag Nami da doch am besten selber.“ „Bist du völlig bescheuert? Die lässt mich doch kein Wort sagen und nörgelt mir dann wieder die Ohren mit ihrem scheiß Geld voll!“ Ich presste meine Hand auf den Mund, damit Zorro nicht hörte, wie ich losprustete. Doch es war vergebens. „Hör auf zu lachen!“ „Zorro, ich versteh gar nicht, warum du immer so schnell gereizt bist. Auch gestern Abend. Tashigi ist doch total nett, warum willst du denn nicht, dass wir sie kennenlernen?“ Zugegeben, ein wenig Provokation war in der Frage mitgeschwungen, doch das Letzte hatte ich vollkommen ernst gemeint. Sie hatte auf mich nämlich nicht den Eindruck gemacht, dass es da irgendein aber gäbe, das man vor anderen hätte geheim halten müssen. „Es geht hier auch nicht um Tashigi“, presste Zorro deutlich hörbar zwischen den angespannten Kiefern hervor. „Nami hat gleich so komisch geguckt, als sie mich gesehen hat. Als hätte sie irgendwas ausgeheckt.“ „Ich glaube, du tust ihr Unrecht damit. So hinterlistig ist Nami auch wieder nicht“, versuchte ich ihn zu beschwichtigen. „Du musst es ja wissen“, entgegnete er, ehe wir uns anschwiegen und er das Gespräch für einen Augenblick in andere Bahnen lenkte. Wir tauschten uns über das Physikmodul aus und verabredeten mindestens ein Lerntreffen mit Lysop, der sich die Folien bloß anzusehen brauchte und schon selber die Vorlesungen hätte halten können. Er würde sicherlich seine helle Freude daran haben uns den Stoff zu erklären. Dann legte Zorro auf. Er war verabredet, mit Tashigi, im Dojo. Mehr hatte er mir nicht anvertraut, trotzdem wurde klar, wie hart es ihn erwischt hatte. In gewisser Weise war das typisch für Zorro, wenn er etwas tat, dann ganz oder gar nicht. Ich drückte das Handy aus, ließ mich aufs Bett fallen und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Wie geschickt ich doch durch den Tag gekommen war, ohne dass jemand meinem Geheimnis auf die Schliche gekommen war. Zwar hatte Vivi garantiert Lunte gerochen, aber sie hatte mich wenigstens nicht so weit ausgequetscht, dass mir nichts mehr anderes übrig geblieben wäre, als gleich zu gestehen. Selbst Zorro hatte ich ausweichen können und stattdessen ihn festnageln können. Ich grinste bis über beide Ohren. Dass er sich von seinen Gefühlen aber auch immer so schnell beschämen ließ. Ich rollte mich auf die Seite und schlüpfte unter die Decke. Es war noch gar nicht mal so spät, aber ich fühlte mich erschöpft wie lange nicht mehr. Wahrscheinlich waren die Eindrücke der letzten 24 Stunden zu viel für mich gewesen. War ja beinahe mit dem Ritt auf einer Achterbahn zu vergleichen oder einem freien Fall. Ich gähnte, schloss die Augen und umarmte mein Kopfkissen. Schlaf war in diesem Moment alles, was ich wollte. Kapitel 12: Mut lohnt sich -------------------------- „Du pennst schon? Was ist los mit dir, Ruffy?“, vernahm ich Aces Stimme durch das Kissen, das ich mir im Schlaf über den Kopf gezogen hatte, bevor ich spürte, wie er mir die Decke wegzog. „Wir beide, PS3 Duell, jetzt!“ „Mann, Ace!“, ich schlug ihm das Kissen gegen den Kopf, was er als direkte Kampfansage wertete und sich, wie ein Wrestler auf mich drauf warf. „Lass den Scheiß!“ „Wehr dich wie ein Mann, Ruffy“, lachte er, steckte mich in den Schwitzkasten und verpasste mir brüderliche Kopfnüsse. Mühsam befreite ich mich aus seinem Griff, sprang aus meinem Bett und stürzte mich auf ihn drauf, um ihm dieselbe Behandlung zuteil kommen zu lassen. Für einen kurzen Augenblick fühlte es sich wieder so an, als sein wir erst zehn Jahre alt und würden einen der zahlreichen Kämpfen führen, die wir auch damals zum Spaß ausgetragen hatten. Nie hatte ich Ace bezwingen können, er war stets der Stärkere von uns beiden gewesen. Das sah auch dieses Mal nicht anders aus. Er brauchte keine Minute, um den Spieß wieder umzudrehen und mich auf dem Bett festzunageln. „Noch ein paar letzte Worte oder willst du um Vergebung betteln?“ „Du spinnst doch“, lachte ich, blickte in sein fettes Grinsen, das rasch verschwand, als ein dünnes Stimmchen ertönte: „Papa, was machst du?“ Mit einem Satz sprang er von mir runter und nahm Titi auf den Schoss, die auf ihn zugelaufen kam und die Arme nach ihm ausstreckte. „Wir haben bloß herumgealbert, Krümel“, sagte er. „Und du? Bist du denn gar nicht müde?“ Sie legte ihre Händchen an seine Wangen und schüttelte den Kopf. „Neee!“ „Also als ich so alt war wie du, da musste ich um die Zeit aber schon längst im Bett sein“, säuselte ich, sah, wie sie die Nase krauszog und lachte. „Ja, weil Opa dich in den Schlaf gehauen hat“, fügte Ace grinsend hinzu und tat so als würde er Titis Hände essen wollen, als sie glucksend zurückzuckte. „Da siehst du mal, was du für ein Glück hast. Alle lieben dich und können gar nicht genug von dir kriegen. Und wer liebt dich am meisten?“ Er presste sie an seine Wange und küsste sie, während sie quietschte und kicherte. „Duuuuuu.“ Lächelnd beobachtete ich die Szene, die sich mir wie ein Traum anmutete, obwohl ich Ähnliches schon oft beobachtet hatte. Dennoch war es für mich kaum zu glauben, dass das derselbe Ace war, der zunächst noch so erschüttert und verstimmt auf die Nachricht der ungewollten Schwangerschaft reagiert hatte. Ich weiß noch genau, wie er sich damals zurückgezogen und intensiv gegrübelt hatte. Es war schwer bis unmöglich gewesen, ein Gespräch mit ihm anzufangen. Ständig war er uns ausgewichen oder nicht nach Hause gekommen. Aber ich konnte ihn immer verstehen, er war mitten im Studium gewesen und hatte sich entscheiden müssen, ob er weitermachte oder ob er Verantwortung übernahm. Zwar hatte Dadan ihn mit Engelszungen bearbeitet, dass er sich das gut überlegen solle, ob er abbräche, immerhin hatte er die Hälfte bereits geschafft und es gäbe doch Hilfen und Beratungen, aber das wollte er nicht und ließ sich auch nicht sagen, wie leichtfertig er handele. Sein Standpunkt war von Anfang klar gewesen: Er wollte von niemandem abhängig sein und erst recht wollte er es Kobra beweisen, dass er imstande war, für Vivi zu sorgen. Allein. Vielleicht hatte Ace keinen Traum von einem bestimmten Beruf oder Geld und Ähnlichem. Vielleicht machte er sich auch gar nichts daraus, denn wenn ich ihn sah, wie er strahlte, wenn Titi und Vivi bei ihm waren, dann kam ich immer mehr zu der Ansicht, dass er glücklich mit dem war, was er hatte. Er liebte die beiden offensichtlich über alles und schien seinen Platz im Leben gefunden zu haben. „Luffi, schläfst du?“, fragte Titi, die mit großen Augen zu mir aufschaute und sich an meinen Knien festhielt. „Ne, hab nur gerade nachgedacht.“ „Über was denkst du denn groß nach?“, fragte Ace, erhob sich von meinem Bett und machte Anstalten mein Zimmer zu verlassen. „Darüber, dass ich dich jetzt abziehen werde?“ „Das glaubst auch nur du“, entgegnete ich, schnappte mir Titi und folgte ihm ins Wohnzimmer, wo ich mit ihr auf die Couch kuschelte. „Überleg dir, was du tust. Ich hab deine Tochter!“ „Oh, das würdest du nicht ausnutzen“, sagte er, neigte den Kopf und hob eine Augenbraue an. „Willst du es herausfinden?“ Er drückte mir das zweite Gamepad in die Hand und stellte die Konsole an. „Gleich spuckst du aber nicht mehr so große Töne.“ Wir tauschten kurz Blicke aus, ehe wir damit begannen, wie wild auf den Knöpfen herumzudrücken, um der Spielfigur des jeweils anderen die Lebensenergie abzuziehen. Titi gähnte und kuschelte sich gegen meine Brust. „Luffi, langweilig!“ „Prinzessin, Geduld“, stammelte ich, versuchte die nahende Katastrophe abzuwenden und Aces Spielfigur endgültig auszuschalten. Das Glück schien auf meiner Seite, denn ich schaffte es, ihm bis auf einen Strich sämtliche Energie abzuziehen. Ich wollte ihm bereits einen Spruch drücken, als er zu mir rüber sah mit zusammengebissenen Kiefern, die sich plötzlich entspannten. „Krümel, Kitzelattacke!“ Das musste er Titi nicht zweimal sagen, umgehend fingen die kleinen Finger damit an, mich überall zu krabbeln und es fiel mir zunehmend schwerer, mich auf das Spiel zu konzentrieren. „Titi, hör auf, bitte“, flehte ich, doch sie kannte kein Erbarmen und freute sich wie eine Schneekönigin, während ich mich unter ihr wegduckte. „Das ist total unfair und Betrug!“ „Haha“, Ace lachte gehässig und auf meiner Seite des Spielfelds blinkte Game over auf. „Ich hab meine eigene Mini-Armee! Komm her, Krümel.“ Sofort stellte Titi die Kitzelattacke ein, krabbelte über mein Bein und schmiegte sich an Ace, der sich nach vorne zum Tisch beugte, einen Schokoriegel nahm und ihn auspackte. Titis Augen wurden immer größer und ich konnte sie so gut verstehen. Diese Riegel waren der Himmel auf der Zunge, so schokoladig und lecker. Vor allem die mit Karamell. Ich kam nicht umhin zu schmunzeln, als sie auf einmal aufgeregt hin und her rutschte und probierte an den Riegel zu kommen. Ace blickte sie ernst an. „Aber nur ein ganz kleines Stück und du sagst nichts der Mama. Hast du verstanden? Nichts der Mama sagen“, wiederholte er eindringlich, während Titi quengelig wurde und nach dem Riegel zu grapschen begann. Er brach etwas von dem Riegel ab und gab es ihr. Ihre kleines Gesicht strahlte vor Glück, als sie sich die süße Köstlichkeit in den Mund schob und sich dabei ordentlich beschmierte. „Dann will ich mal für dich hoffen, dass sie Vivi nichts sagt.“ „Du verrätst mich doch nicht oder, Titi?“ Er streichelte über ihren Kopf, sie drehte sich zu ihm und hielt die Händchen auf. „Mehr Schok'lade!“ Er zwinkerte ungläubig, während ich mich lachend gegen die Lehne warf. So klein und schon eine Erpresserin. Wie ich dieses Mädchen liebte. Ich schnappte mir einen Riegel, biss genüsslich ab und sah zu Ace. „Tja, wie willst du da nur wieder raus kommen?“ „Du hilfst mir damit nicht weiter, Ruffy“, fauchte Ace, bevor er sich ruhig an sie wandte. „Krümel, willst du, dass ich Ärger mit der Mama kriege?“ „Schok'lade!“ Er seufzte, legte den Kopf in den Nacken und rieb sich durchs Gesicht. Ich konnte Ace zwar nicht in die Knie zwingen, aber er hatte seinen Meister gefunden – in seinem Eigenfleisch und -blut. Gähnend kramte ich die zusammengefaltete Decke hinter meinem Rücken hervor, rückte das Kissen zurecht und kuschelte mich hinein. Während Ace Titi schweren Herzens und mit sichtbaren Zweifeln und Bauchschmerzen ein weiteres Stück Schokolade gab. „Das ist aber das Letzte“, sagte er und zeigte ihr zur Demonstration seine leeren Hände, ehe er ihr das Gamepad in die Händchen drückte. „Komm, jetzt machen wir Ruffy fertig.“ „Jaaaa!“ Es dauerte nicht lange, bis Titi die Lust am Spielen verlor. „Papa, lies vor!“, quengelte sie, presste den Kopf gegen Aces Brust und zog an seiner Kette. „Tut mir leid, Ruffy. Die Prinzessin hat entschieden.“ Er seufzte, stand mit ihr auf dem Arm vom Sofa auf und fischte ein Buch aus dem Regal neben dem Fernseher. Nachdem sie seine Wahl abgenickt hatte, setzten sie sich wieder aufs Sofa. „Willst du auch 'ne Cola?“ „Gerne, danke“, sagte er und schlug das Buch auf. „Und wie rasend brüllte er immerzu: 'Macht es mit Julia! Macht es mit Julia! Nicht mit mir! Mit Julia. Macht mit ihr, was ihr wollt, es ist mir egal.' “ Währenddessen bemühte sich Ace regelrecht verzweifelt zu klingen, um die Situation des Protagonisten, der sich offensichtlich in Todesangst befand, authentisch rüberzubringen. Trotzdem musste ich schmunzeln, Titi jedoch klammerte sich fester in sein T-Shirt. „Hey ihr drei, ihr seid ja noch wach“, begrüßte uns auf einmal Vivi und hängte ihre Handtasche an der Garderobe auf. „Hey Vivi.“ „Zieht ihr die Haut vom Gesicht, schneidet ihr das Fleisch von den Knochen. Macht das nicht mit mir! Mit Julia! Nicht mit mir!'“ Vivi runzelte die Stirn, kam zu uns herüber und begutachtete den Einband des Buches in Aces Hand. „Ich glaube nicht, dass das ein Kinderbuch ist.“ „Vivs, ich schwöre dir, wenn ich noch einmal Die Raupe Nimmersatt lesen muss, lauf ich Amok!“ „Davon bekommt man aber wenigstens keine Alpträume...“ „Du vielleicht!“ Ohne sich auf eine weitere Diskussion mit ihm einzulassen, nahm Vivi Ace das Buch aus der Hand und gab ihm stattdessen das Megaphone. „Bitteschön, gern geschehen. Aber das nächste Mal lässt du das Ding zu Hause, ja? Sanji hat sich tierisch darüber aufgeregt.“ „Ach, der“, winkte Ace ab und beobachtete, wie Titi sich an dem Ding zu schaffen machte. „Der ist doch bloß angepisst, weil ich ihm vor allen Leuten klar gemacht habe, dass er seine Pfoten bei sich behalten soll.“ „Da hast du sicher recht“, lachte Vivi, stellte das Buch zurück und ließ sich neben ihm aufs Sofa fallen. „Aber das hättest du auch anders tun können.“ „Und?“, fragte Ace. „Wie sieht der Fang des Tages aus?“ Sie grinste und zog ein Bündel Scheine unter dem Bauchgurt des Kimono hervor. „Genug für einen Großeinkauf.“ Er freute sich wie ein kleines Kind. „Wenn das so weitergeht, schreibt unser Konto bald schwarze Zahlen.“ „Sieht gar nicht mehr so abwegig aus, was?“, kicherte sie mit vor dem Mund gehaltener Hand und nahm Titi in den Arm, die ihr Unverständliches vorbrabbelte. Ich wartete ja nur darauf, dass sie die Sache mit der Schokolade erwähnte. Aces ertapptes Gesicht war Gold wert, allein wie nervös er sie beobachtete, während er Vivi die Schultern massierte. Doch scheinbar schien die Kleine Wort zu halten und erzählte Vivi lediglich von dem Ringkampf, den wir ausgefochten hatten. Sie lächelte und sah zu mir rüber. „Ich soll dich von Nami grüßen.“ „Oh Scheiße!“, entfuhr es mir, als es mir wie Schuppen von den Augen fiel und ich ohne auf Aces Kommentar zu reagieren in mein Zimmer stürzte. Sie tobte gewiss vor Wut, weil ich sie hatte warten lassen. Mein Handy vibrierte tatsächlich noch, als ich es schnappte, und ich schaffte es sogar, sie zu erwischen. „Ja?“ „Ich dachte schon, du hättest es vergessen“, fauchte Nami in den Hörer. Das fing ja gut an. Ich kratzte mich im Nacken und ließ mich auf meinem Stuhl nieder. Klar, ich hatte es auch vergessen, nur konnte ich ihr das ja schlecht auf die Nase binden. Sie würde ohne zu zögern auflegen und mich tagelang mit ihrem Arsch nicht ansehen. Ich grinste in mich hinein. Wobei so schlecht war der Ausblick ja auch nicht. „Ruffy?“ „Höh?“ „Hörst du mir überhaupt zu? Ich hab dich gerade was gefragt!“ „Was? Oh tut mir leid, das ist gar nicht bei mir angekommen.“ Was irgendwie auch nicht gelogen war. „Das merk ich schon“, keifte sie, atmetet hörbar tief durch und rang sich nach einer Weile dazu durch, weiterzusprechen. „Hast du...hast du inzwischen nachgedacht?“ Ich stützte den Kopf auf der freien Hand ab und starrte auf den Boden. Obwohl ich den ganzen Tag über im Hinterkopf hatte, dass ich Nami noch eine Antwort schuldig war, hatte ich die Gedanken so weit wie möglich von mir weggehalten. Mich lieber abgelenkt. Die Frage jetzt lautete: Was wollte ich eigentlich? Natürlich platzte ich noch immer vor Glück und auch vor Stolz, wenn ich die letzte Nacht Revue passieren ließ, doch es blieb ein bitterer Nachgeschmack. Gleichzeitig war das alles viel zu schnell gelaufen und ich hatte Angst, erneut verletzt zu werden, wenn ich ihr meine wahren Gefühle gestand. „Hm, ich bin mir irgendwie noch unsicher...wegen allem“, antwortete ich wie von selbst, verfluchte meine lockere Zunge und zuckte bereits zusammen, weil ich eine gepfefferte Antwort von ihr erwartete, doch sie blieb aus. „Das geht mir genauso...Also versteh mich nicht falsch, ich bereue nichts, aber es geht irgendwie so schnell“, sie hielt kurz inne. „Wenn man mal bedenkt, wie lange, wir nur das Nötigste miteinander gesprochen haben.“ Seufzend stimmte ich ihr zu. Die Situation überforderte mich und ich war noch nie ein Ass im Reden gewesen, besonders nicht, wenn es um solche ernsten Dinge ging. Alles, was ich sagte oder sagen wollte, kam mir so schrecklich falsch vor. Aber ich musste für klare Verhältnisse sorgen, wollte wissen, woran ich bin, das konnte ja nicht ewig aufgeschoben werden. Nami würde das auch nicht mit sich machen lassen. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter und nuschelte: „Wie stellst du dir das denn jetzt vor? Willst...willst du überhaupt mit mir zusammen sein?“ Mein Hals fühlte sie plötzlich an wie zugeschnürt. Ich hatte es tatsächlich über die Lippen gebracht und konnte nur noch darauf warten, was Nami erwidern würde. Die Wärme wich aus meinen Fingern und sie fühlten sich so taub an. Wenn sie ablehnte, wüsste ich nicht, wie ich damit umgehen sollte. Schon nach dem Kuss hatte ich lange gebraucht, um halbwegs zurechtzukommen, wenn sie mich jetzt wieder derartig fallen lassen würde. Mir wurde schlecht und schwindelig zugleich. Das wollte ich mir gar nicht ausmalen, zwar schätzte ich Nami auch nicht so ein, dass sie so was mit einem abzog, aber zu optimistisch ging ich nicht an die Sache heran. „Natürlich will ich das“, schrie sie beinahe in den Hörer und vertrieb die letzten trüben Gedanken. „Meinst du ehrlich, ich würde deine Gefühle so ausnutzen? Schlimm genug, dass ich das schon einmal gemacht habe...“ „...“ „Ruffy, ich meine es ernst.“ Was sollte ich nur sagen? Ich befand mich offensichtlich am Ziel meiner Träume, an dem Punkt, den ich so lange herbeigesehnt hatte und doch fühlte es sich an, als beobachtete ich das Ganze von außerhalb. War gleichzeitig von Freude und Unsicherheit geplättet. Nami wollte mit mir zusammen sein, mit mir. Ihr Atem rauschte an mein Ohr und ich hörte sie schlucken. „Ruffy...“ Meine Finger verkrampften sich um das Handy und ich musste mich zurückhalten, um nicht doch in lauten Jubel zu verfallen. Denn trotz aller Bedenken und Ängste, überwog die Freude, dieses unendliche Glücksgefühl, das ich nicht weiter unterdrücken wollte. „Am liebsten würde ich dich sofort sehen, Nami“, flüsterte ich, woraufhin ich sie erleichtert seufzen hörte. Selten hatte ich sie derartig unsicher erlebt, meist bekam sie alles, was sie wollte, sie nahm es sich einfach. „Wie wär's, wenn wir morgen den Tag zusammen verbringen würden? Ich hab meinen freien Tag und noch nichts vor“, hauchte sie in einer Tonlage, die mich fast verrückt machte. Umgehend sagte ich zu. Wie hätte ich dem Angebot widerstehen können? Sie gluckste leise und beendete das Gespräch, wohl wissend, dass ich wieder einmal an ihrem Haken hing und darauf wartete, von ihr eingeholt zu werden. Wie ein nasser Sack ließ ich mich auf mein Bett fallen, schlang die Arme um die Beine und bette meinen Kopf auf den Knien. Unfassbar, noch vor einer Woche hätte ich denjenigen für verrückt gehalten, der mir gesagt hätte, dass ich Chancen bei Nami hatte und jetzt lief alles darauf hinaus, dass sie meine feste Freundin wurde.Das plötzliche Klopfen an meiner Tür riss mich abrupt aus meinen Gedanken. „Alles in Ordnung bei dir? Kann ich kurz reinkommen?“, vernahm ich Vivis Stimme. „Klar, komm rein.“ Vivi betrat mein Zimmer und ich musste doch ein wenig Grinsen. Egal, wie oft ich sie in diesem plüschigen Bademantel und dem Handtuch auf dem Kopf auch zu Gesicht bekam, es sah immer zu lustig aus. Fehlte nur noch die obligatorische Gesichtsmaske mit den Gurkenscheiben – aber die trug immer jemand anderes. Sie schüttelte bloß lächelnd den Kopf, schloss die Tür hinter sich und setzte sich auf meinen Drehstuhl. „Du warst plötzlich so schnell weg, als ich Nami erwähnt habe“, begann sie. „Hab ich irgendwas Falsches gesagt? Ich wollte dich nicht verärgern oder so.“ „Was? Äh nein, Vivi, du hast nichts Falsches gesagt. Es hat mich bloß an was erinnert, deswegen bin ich überhaupt erst verschwunden.“ Sie legte sich die Hand auf die Brust. „Puh, ich hatte mir schon ein wenig Sorgen gemacht.“ „Ach Quatsch, ist doch alles gut“, versicherte ich ihr, woraufhin sie mein Lächeln erwiderte. „Das freut mich ungemein zu hören“, sagte sie und ihr Gesicht wurde ernster. „Weißt du, ich hab es dir zwar nicht gesagt oder gezeigt, aber es hat mich schon mitgenommen, wie schlecht es dir die letzten Monate wegen ihr ging. Klar, sie ist meine beste Freundin, aber das bedeutet nicht, dass ich es nicht absolut scheiße fand, was sie da abgezogen hat. Hab ihr des Öfteren deswegen ins Gewissen geredet.“ Ich blickte sie an. Es war lange nicht vorgekommen, dass sie so ernst mit mir gesprochen hatte. Meist lief es so zwischen uns ab, dass wir uns gegenseitig irgendetwas fragten und dann unserem eigenen Tagesablauf nachgingen. Es war schleichend gekommen und oft hatte ich es bedauert, immerhin war Vivi schon lange eine sehr gute Freundin von mir – nicht erst seit Ace. Die Probleme hatten sie stets voll im Griff gehabt, sodass ich immer den Anschein hatte, ich würde sie nur zusätzlich belasten, wenn ich sie um Hilfe bat. „Das ist lieb von dir.“ „Dafür sind Freunde doch da“, sagte sie, rutschte näher an mich heran und legte mir die Hand aufs Knie. „Also, wenn du mal mit jemandem reden willst, der dich nicht gleich aufzieht“, sie zwinkerte mir vielsagend zu. „Du weißt ja, wo du mich findest.“ Sie stand auf und steckte noch ein letztes Mal den Kopf herein. „Ach, bevor ich es vergesse, ich hab ein paar Reste vom heutigen Buffet mitgebracht. Wenn du was haben willst, solltest du schnell sein.“ Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Zumal das Essen aus dem Kazaguruma jedes Mal ein Highlight war. Dieser Koch war einfach viel zu gut. Unter anderen Umständen hätte ich ihn gewiss bewundert und verehrt. Aber so blieb nur das Gefühl von Neid. Ace schien es genauso zu ergehen wie mir, denn als ich die Küche betrat, setzte er gleich ein schiefes Grinsen auf und sagte: „Eines muss man ihm lassen, das Essen ist echt mit nichts zu vergleichen.“ Ich nickte, schaufelte mir die Reste auf einen Teller und packte ihn in die Mikrowelle. „Das ist echt furchtbar, wo der Typ so unsympathisch ist“, stöhnte ich und setzte mich an den Tisch. „Ich finde, ihr zwei tut Sanji ganz schön unrecht“, mischte sich Vivi ein, die Titi soeben in Bett gebracht hatte. „Er ist wirklich ein sehr netter Mensch. Man muss ihn eben nur besser kennenlernen.“ „Dass er zu dir nett ist, wundert mich nicht im geringsten“, spottete Ace und blickte vielsagend auf ihre Oberweite, was Vivi die Stirn runzeln ließ. „Wenn ich nur an das Theater denke, wenn er dich sieht. Und sein Blick, wenn ich dich abhole und es sogar wage, dich zu küssen.“ Er verdrehte genervt die Augen, ehe er sich räusperte, die Augen ein Stück weit zusammenkniff und Vivis Hände erfasste. „Aww Vivi-chwan, wie gut du 'eute wieder aussiehst! Dein blaues 'aar ist wie das azurfarbene Meer, deine weiße 'aut ist wie frisch gefallener Schnee und diese Lippen wie junge Pfirsiche. Vergiss dein Kind und deinen Mann und komm mit mir. Isch lass disch auch erst stehen, wenn ich eine 'übschere Frau sehe.“ Ich prustete vor Lachen und musste mir sogar den Bauch halten, während Vivi den Kopf schüttelte, aber um ein Kichern nicht drum rum kam. Zugegeben, Aces Parodien waren meist eher schlecht als treffend, aber mit welcher Überzeugung er an die Sache ging, war der helle Wahnsinn. „Ace, du spinnst. So was hat er nie zu mir gesagt“, sagte sie und knuffte seine Schulter. „Und außerdem ist Sanji doch kein Franzose.“ „Dafür hat er dir aber schon manch anderes vorgeschwärmt - selbst wenn ich direkt neben dir stand“, wandte er ein und fügte hinzu. „Aber es würde gut passen, gib es zu! Dieser Bart erinnert mich immer an einen Franzosen.“ Die Lachtränen aus den Augenwinkeln wischend ergriff ich das Wort: „Ace, erinnerst du dich noch, als wir an Vivis Geburtstag dort essen waren?“ Er nickte und konnte das Grinsen nicht verbergen, während ich mir einen Teil meiner Haare ins Gesicht strich, Sanjis Frisur imitierte und zwei Finger vor mich hielt, als würde ich rauchen. „Hat der Fisch gemundet, Spätzchen?“, imitierte ich ihn und sogar Vivi schien überzeugt. „Hey und ihr beide benehmt euch anständig, immerhin sitzt ihr mit einer bezaubernden Lady an einem Tisch! Alles Gute zum Geburtstag, Vivi-chwan.“ Ich nahm ihre Hand und deutete einen Handkuss an, Vivi kicherte amüsiert, während Ace sich nicht mehr halten konnte. „Ja, genau so! Ist das nicht schrecklich?“ „Sanji ist eben ein Gentleman und sehr charmant. Eben der Charme der alten Schule“, versuchte Vivi ihn zu verteidigen, woraufhin Ace bloß müde abwinkte. „Selbstverständlich, es ist an Charme nicht zu übertreffen, wenn man im Beisein seiner Freundin andere Weiber angräbt. Ich werde dich an deine Worte erinnern, wenn ich dich demnächst allein die Einkaufstüten tragen lasse, weil ich einer anderen helfen muss, sich für die richtige Birne zu entscheiden.“ Eingeschnappt funkelte Vivi ihn an und atmete schwer aus. Ein klassischer Schlag unter die Gürtellinie, aber recht hatte Ace allemal. Das war wirklich eine Unart, freundliches Verhalten hin oder her. Zumal Männer von ihm stets die kalte Schulter zu spüren bekamen. „Vivs, du weißt ganz genau, dass ich das nie tun würde“, sagte er und bettete den Kopf auf ihrer Schulter. „Jetzt schmoll doch nicht, Prinzessin. Ich geh auch morgen für dich einkaufen.“ „Ich schmoll doch gar nicht“, sie zwickte seine Wange und streckte ihm die Zunge raus. „Du brauchst nicht einzukaufen. Ich hab Sanji gebeten alles übers Restaurant mitzubestellen, du brauchst mir morgen Abend bloß helfen, es nach Hause zu bringen.“ „Oh Vivi, ne! Ernsthaft, du hast doch gewiss wieder nur Grünfutter gekauft“, Ace nölte wie ein Kleinkind, das gezwungen wurde, Spinat zu essen. „Willst du eigentlich, dass ich verhungere?“ Sie verengte die Augen zu Schlitzen, stemmte die eine Hand in die Hüfte und deutete mit dem Zeigefinger der anderen auf ihn, wobei es an ein Wunder grenzte, dass sie ihn damit nicht aufspießte. „Anstatt dass du dankbar bist, dass ich dir deinen freien Tag lasse, meckerst du wieder nur rum. Und zu deiner Info, ich hab auch viel Fisch gekauft“, sagte sie energisch. „Der schmeckt eh viel besser und man kann auch viel mehr damit machen.“ Ich hatte das Gespräch der beiden eher passiv verfolgt und mich mehr dem Essen auf meinem Teller gewidmet. Sich in den Streit einzumischen, war das denkbar Schlechteste, was ich hätte tun können, so beließ ich es dabei, mein Geschirr in die Spüle zu räumen und mich ins Badezimmer zu verziehen. Die würden sich auch von alleine wieder beruhigen und vertragen. Da brauchte ich nicht einen Anschiss von beiden Seiten zu riskieren.Denn keine Auseinandersetzung der beiden dauerte länger als fünf Minuten. Zumindest die dieser Natur. Ich gönnte mir eine schnelle Dusche, putzte mir die Zähne und huschte in mein Zimmer, wobei ich nicht drum herum kam, Zeuge davon zu werden, wie die beiden eng umschlungen auf der Couch lagen und irgendeinen Horrorfilm schauten. Sonst hatte ich bei so was immer die Augen verdreht, womöglich weil ich eifersüchtig darauf gewesen war, was sie hatten. Nicht dass ich es ihnen nie gegönnt hätte, nein, es freute mich ja auch sehr, dass sie trotz der äußeren Umstände derartig zusammenhielten. Aber jetzt, wo mir selber so etwas in Aussicht stand, freute ich mich definitiv mehr darüber. Bevor ich mich schlafen legte, warf ich einen letzten Blick auf mein Handy und fand - fast so als hätte ich es erwartet - eine Nachricht von Nami vor. Hey, Ich freue mich schon total auf morgen! Kann es kaum abwarten und muss die ganze Zeit an gestern denken... Kapitel 13: Und samstags kam Nami... ------------------------------------ Obwohl es Samstagmorgen war, öffnete ich pünktlich mit den ersten Sonnenstrahlen die Augen. Sogar noch bevor mein Weckton überhaupt losschrillte, was mit einem Wunder gleichzusetzen war. Oft hatte ich es bezweifelt, doch das war für mich der Beweis, dass eine innere Uhr tatsächlich existierte. Oder es war bloß die nicht abflauende Freude Nami zu sehen. Anstatt mich wie sonst noch einmal herumzudrehen und weiterzuschlafen, stand ich ohne Umschweife auf, zog mich an und ging in die Küche, wo ich zwei Scheiben Toast in den Toaster schob. Ich war gerade mit dem Frühstück fertig, als ich die Tür vom Schlafzimmer hörte und kurz darauf leise Schrittchen. „Luffi“, hörte ich Titi rufen, die auf mich zu gestürmt kam, nachdem ich mich irritiert herumgedreht hatte. „Guten Morgen.“ „Prinzessin, wie bist du raus gekommen?“, fragte ich sie, während sie auf meinem Schoss saß und die Toastkrümelchen mit den Fingern aufheben wollte. „Bin geklettert“, berichtete sie stolz, steckte den Finger in den Mund und sah mich mit großen Augen an. „Fhüüstück!“ „Du willst Frühstück? Was denn Toast oder Brei?“ Sie überlegte kurz. „Blei!“ Warum fragte ich überhaupt? Sie entschied sich immer für die Gläschen. Ich setzte sie kurz ab, holte eines der Fruchtgläschen aus dem Schrank, kratzte den Inhalt mit einem Plastiklöffel in einer Schüssel und stellte sie ihr mitsamt Löffel hin, bevor ich sie wieder auf den Schoss nahm. „Guten Appetit, Prinzessin“, sagte ich und durch wuschelte ihr Haar, während sie den Löffel ergriff und konzentriert probierte mehr Brei in ihren Mund zu transportieren als fallen zu lassen. Sie verweigerte konsequent jedes meiner Angebote, ihr zu helfen. „Nein, Luffi, alleine essen!“, wiederholte sie energisch und schob sich den Löffel in den Mund, während sie es nur zu ließ, dass ich ihr Gesicht mit einem Taschentuch sauber wischte. Es dauerte seine Zeit, bis sie fertig war. Doch ich blieb die ganze Zeit über geduldig und ließ sie alleine machen. Krass, welche Schritte sie in einem Jahr gemacht hatte. Auch, wie sich ihre Sprache entwickelt hatte, das R fiel ihr zwar immer noch schwer, aber einige Wörter klappten bereits wunderbar. Der Löffel lag keine Minute neben der Schüssel, als sie von meinem Schoss krabbelte und zu Karuhs Käfig im Wohnzimmer rannte. Sie deutete darauf, sah zu mir und sagte „Duuuuh, Fhüstück!“ „Willst du Karuh das Frühstück geben?“ „Ja.“ „Na gut“, sagte ich, ging zu ihr und nahm die Box mit dem Körnerfutter vom Fensterbrett, um es ihr zu reichen. Natürlich hielt ich es noch mit fest, es war ja noch viel zu schwer für sie. Ich öffnete den Käfig und zeigte ihr, wie sie das Futter in die Schale schütten musste. Karuh piepste freudig auf und flatterte mit den Flügeln. Es war einige Zeit her, dass er herumgeflogen war und Ace und Vivi schliefen beide noch. „Titi, was meinst du? Sollen wir Karuh ein bisschen fliegen lassen?“, fragte ich sie, woraufhin die braunen Augen zu glitzern begannen. „Oh ja!“, freute sie sich. „Gut, dann lassen wir den Käfig jetzt offen, machen alle Türen zu und lassen ihn ein bisschen fliegen, und wenn er wieder in den Käfig geht, kann er ja frühstücken, okay?“ Sie nickte und beobachtete mit Begeisterung, wie der gelbe Kanarienvogel auf die Stange der Öffnung hüpfte, zwitscherte und kurz mit dem Schnabel durch sein Gefieder strich, bis er losflog. Zum Glück hatte ich gerade noch die Tür zum Schlafzimmer schließen können, denn Karuh kam mir wie ein Kamikazeflieger entgegen. Ich mochte gar nicht daran denken, wie Ace ausgerastet wäre, wenn der Vogel in sein Zimmer gekracht wäre. Bestimmt hätte er ihn gepackt und geröstet. Er beschwerte sich ja schon über das Piepsen von Karuh bei Vivi. „Das stört mich beim Zocken!“, wurde er nicht müde zu wiederholen, was sie bloß amüsierte. Den Vogel hatte sie schon ewig, er hatte bereits einige Jahre auf dem Buckel und da würde sie sich gewiss nicht wegen so einer Banalität von ihrem geliebten Haustier trennen. Fasziniert folgte Titi dem Vogel mit den Augen und zuckte zusammen, als er auf ihrem Kopf landete. „Luffi, guck ma!“, rief sie und versuchte Karuh auf ihrem Kopf zu erspähen. „Nicht bewegen“, ermahnte ich sie, schlich mich an und bot Karuh meinen Zeigefinger als Sitzstange an, woraufhin er rüber hüpfte, sodass ich ihn Titi zeigen konnte. „Streck mal deinen Arm aus.“ Vorsichtig kam sie dem nach und quiekte überrascht auf, als er von meinem Finger auf ihren Arm wechselte. „Ganz ruhig bleiben“, sagte ich, hielt ihre Hände und lächelte, als Karuh sich putzte. „Guck mal, Karuh vertraut dir, Titi. Komm, wir gehen ganz langsam zum Käfig und setzen ihn wieder rein.“ Fröhlich piepend hüpfte Karuh in den Käfig und steckte das Köpfchen in die Futterschale, um kurz darauf, die leeren Schalen fallen zu lassen. „Duuuh.“ „Guten Morgen, ihr zwei“, begrüßte Vivi uns, gähnte und strich sich durch die Haare, bevor sie auf uns zu kam. „Ah, ihr habt Karuh schon gefüttert? Das ist ja lieb von euch.“ „Luffi hat Fhüstück gemacht“, sagte Titi, nachdem Vivi sie auf die Wange geküsst hatte. „Blei.“ „Echt? Er ist ja ein richtiges Goldstück“, sagte Vivi lächelnd und legte mir die Hand auf die Schulter. „Dankeschön, dass du dich um sie gekümmert hast. Ich hab gar nicht mitbekommen, wie sie rausgegangen geschweige denn aus dem Bett geklettert ist.“ „Ich war auch noch nicht lange wach, da ist sie schon in die Küche gekommen.“ „Hm“, stutzte Vivi, verschränkte die Arme vor der Brust und kniete sich zu Titi. „Vielleicht bist du ja jetzt alt genug, dass wir das Gitter abmachen können. Dann musst du auch nicht mehr klettern.“ Titi erzählte ihr freudestrahlend, wie Karuh durch den Raum geflogen war, während ich mich langsam ins Badezimmer verdrückte, um mich fertigzumachen. Nach einer Katzenwäsche inklusive Zähneputzen verließ ich das Bad wieder und ging in mein Zimmer, um mein Zeug zusammenzusuchen. Mein Herzklopfen wurde wieder stärker, meine Gedanken kreisten nur noch um Nami. Bald würde ich sie wieder sehen, sie wieder berühren können, den ganzen Tag mit ihr verbringen. „Du willst schon weg?“, fragte mich Vivi, als ich aus dem Zimmer kam. Ich nickte und fügte im Kopf bereits eine Ausrede zusammen, doch alles, was sie sagte, war: „Dann wünsche ich dir einen schönen Tag!“ Sie lächelte und Titi winkte mir zum Abschied, bis ich die Wohnungstür hinter mir schloss. Statt den Weg zu Nami zu laufen, beschloss ich die U-Bahn zu nehmen, die um einiges schneller war als ich zu Fuß. Immerhin wohnte Nami in einem anderen Viertel der Stadt. Ohne das rege Gedränge des Berufsverkehrs erkannte ich die Haltestation kaum wieder. Es waren so wenig Leute dort, dass man beinahe von leer sprechen konnte und auch der kurz darauf ankommende Zug war in seiner Gästezahl leicht zu überblicken. Wahrscheinlich war ich deshalb so kopflos in die Linie hereingestürmt, was prompt mit einem Zusammenstoß endete. „Hast du keine Augen-“, herrschte mich eine Frauenstimme an, die schlagartig verständnisvoll klang. „Ruffy, du bist es!“ Ich wagte es kaum, aufzusehen. Hancock. „Hallo Hancock“, konnte ich gerade noch sagen, bevor sich die automatische Tür schloss und der Zug sich in Gang setzte, obwohl sie noch ein paar Mal den Knopf gedrückt hatte. Sie wedelte mit den Armen, als wollte sie mir irgendwas sagen, doch ich zuckte bloß die Schulter und schüttelte den Kopf. Was ging nur in dieser Frau vor? Das war ja schon beinahe unheimlich, dass ich immer in sie hinein rannte. Wenigstens war ich dieses Mal schnell von ihr losgekommen, kaum auszudenken, wenn sie mich festgenagelt – oder wenn Nami uns wieder zusammen gesehen hätte. Erleichtert ließ ich mich auf einem Platz sinken, obwohl ich eh in drei Stationen wieder aussteigen musste. Aber das hatte mir schon einen kleinen Schock verpasst. Ich kramte mein Handy aus der Hosentasche. Hey Nami, Ich bin gleich bei dir :) Ruffy Ich kam nicht mal dazu, es wieder wegzustecken, als ich bereits eine Antwort erhielt. Bis später :-* Lächelnd betrachtete ich das Display. Ich hatte es schwarz auf weiß, ihre Worten von gestern klangen mir noch immer in den Ohren und trotzdem fühlte sich das alles wie ein Traum an, ein verflucht schöner Traum, aus dem ich fürchtete, jeden Moment aufzuwachen. Das musste wohl Liebe sein, kein Wunder, dass die Menschen süchtig nach ihr waren, wie Junkies nach Meth. „Hey Ruffy“, begrüßte Nami mich keine Sekunde, nachdem ich geklingelt hatte, schenkte mir eine Umarmung und zog mich in ihre Wohnung. „Und worauf hast du Lust? Wollen wir etwas unternehmen oder willst du erst mal hier bleiben?“ Bis zu dieser Frage hatte ich mir keine Gedanken darüber gemacht, hatte ich bloß die Zeit mit Nami verbringen wollen, doch in dem Moment, als sie mich fragte, kam mir die Idee. Grinsend erfasste ich ihre Hand und zog sie förmlich mit mir. Es grenzte an ein Wunder, dass sie es nebenbei noch schaffte, ihre Stiefeletten anzuziehen und sich ihre Handtasche zu schnappen. „Wo willst du hin, Ruffy?“, fragte Nami überrascht, versuchte mit mir Schritt zu halten und aufgrund des Weges, den ich einschlug, zu deuten, wohin die Reise gehen könnte. „Du wirst es gleich sehen“, sagte ich ihr und merkte, wie sehr ich sie damit folterte, während wir in die nächste Seitenstraße einbogen und uns immer weiter vom Stadtkern mit all seinen Geschäften, der Hektik und dem Lärm entfernten. Von hier an schien sie die Orientierung zu verlieren, immer und immer wieder blickte sie zu den Seiten, begutachtete staunend die alten Bauwerke und konnte scheinbar gar nicht glauben, dass es auch so einen Teil in dieser Stadt kam. „Guck mal da vorne, Nami!“ Ihre Augen folgten meinem Finger, der auf ein über und über mit Efeu bewachsenen Haus zeigte, das vor uns auftauchte, und begannen zu strahlen. Sie sah so niedlich aus und für einen Moment hatte ich komplett vergessen, was das letzte Jahr zwischen uns vorgefallen war. „Das ist ja schön“, staunte sie, als wir vor dem Haus zum Stehen kamen, „aber du wolltest mir doch nicht nur das zeigen, oder, Ruffy?“ Ich verneinte, führte sie hinter mir her, bis wir auf eine brusthohe Mauer trafen, hinter der zahlreiche Bäume zu erkennen waren, öffnete das alte verschnörkelte Eisentor und bat Nami einzutreten, woraufhin sie verstand, wo wir uns gerade befanden. „Der botanische Garten?“, murmelte sie, lächelte und wirkte dennoch verwirrt über meine Ortswahl. Um ehrlich zu sein, weshalb es mich aufgerechnet hier gezogen hatte, weiß ich auch nicht genau. Vielleicht war es die Stille, die Ruhe und die schönen Pflanzen, die so arten- und zahlreich wie sonst nirgends in dieser Stadt hier vertreten waren. Vielleicht war es aber das Gefühl, das ich jedes Mal hatte, wenn ich dort gewesen war. Das Gefühl von innerer Sicherheit und großer Zufriedenheit, das ich gerade nach dem letzten Sommer so dringend gebraucht hatte. Ich zeigte Nami die verschiedenen Pflanzen, die man hier kaum zu Gesicht bekam, in anderen Ländern jedoch maßgeblich das Naturbild prägten. Besonders die Vertreter aus dem tropischen Regenwald versetzen sie in Staunen. „Findest du es nicht auch faszinierend, dass wir alle die Geschlechtsorgane von Pflanzen so schön finden?“ Sie sah von den Blumen auf, musterte mich, während ihr Gesichtsausdruck von irritiert zu wütend wechselte, und wollte soeben etwas einwenden, hatte den Mund bereits geöffnet, doch unterließ es dann mit einem Seufzen und schüttelte den Kopf. Nami war bereits aus der Schule solche Fragen von mir gewohnt und diese war noch eine der harmlosesten gewesen. Zunächst hatten wir eine ganze Weile die diversen Lilienarten des Gartens betrachtet, die vor allem durch ihre farbenfrohen Blüten zu gefallen wussten, später waren es die unterschiedlichsten fleischfressenden Pflanzen, deren Bezeichnung allein Namis Neugier geweckt hatte und die uns festhielten. Wie gespannt sie dabei zugesehen hatte, als ich mit meinem Finger nur vorsichtig und flüchtig über die Venusfliegenfalle gestrichen war und diese sich daraufhin so schnell geschlossen hatte. Kaum zu glauben, dass eine Pflanze eine verhältnismäßig so schnelle Reaktion besaß. „Uiui“, hatte sie gequietscht, war leicht zusammengezuckt und hatte die Hände vor den Mund gepresst. „Hehe, Lysop hat einmal seinen Finger länger auf der Pflanze gehabt. Du hättest mal sein Gesicht sehen sollen, als sein Finger von den Klappen eingeschlossen war.“ Nami lachte. „Er hat bestimmt gedacht, dass er jetzt gefressen wird.“ Ich stimmte in ihr Lachen mit ein. „Genau so war es auch.“ So schnell, wie es gekommen war, verschwand Namis Lächeln auch und der Hirschkäfer, der aus einer der großen Blüten gekrabbelt kam, war nicht unschuldig daran. Sichtlich angewidert und erschrocken hatte sie einen Satz zurückgemacht, sich hinter mir versteckt und laut auf gequietscht, als ich ihr den Käfer unter die Nase gehalten hatte. So ein Prachtstück war es wert von oben bis unten, begutachtet zu werden. „Wow, hast du schon mal so einen Großen gesehen? Und wie der schimmert!“ Meine Faszination für den Käfer teilte Nami nicht im Geringsten und schien sich ernsthaft zu fragen, warum ich mich so ausgiebig damit beschäftigte. Das war nicht der erste Vorfall dieser Art. Schon in der Schule waren zahlreiche Begegnungen mit Insekten derartig verlaufen. Nami hatte immer mit Ekel und Angst reagiert, während ich mich gar nicht hatte sattsehen können. Insekten hatten mich mein Leben lang begeistert, sei es sie zu beobachten, sie zu sammeln oder sie zu fangen. Ihre Farben- und Formenvielfalt, die Tatsache, dass sie überall zu finden waren und ihre unglaubliche Anpassungsfähigkeiten gehörten wohl mit zu den Hauptgründen, weshalb ich sie so mochte und waren mit einer der Ausschlaggeber gewesen, weshalb ich mich für diesen Studiengang entschieden hatte. „Bitte, Ruffy, tue ihn weg!“, kreischte Nami, verkrallte sich in meinem Shirt und presste ihren Kopf gegen meinen Rücken, als ich ihr den Käfer erneut zeigen wollte und er prompt losflog, geradewegs auf sie zu. „Ihhh!“ „Du stellst dich aber an. Es ist doch nur ein kleiner Käfer“, lachte ich und kassierte kurz darauf eine Kopfnuss und wütendes Gefauche, dennoch konnte ich ihr nicht böse sein. So war Nami eben, aufbrausend und temperamentvoll. Und genau das reizte mich so an ihr. Den botanischen Garten verband ich, seit ich das erste Mal da gewesen war, mit positiven Gefühlen, doch an diesem Tag hatte dies eine enorme Verstärkung erlebt. Die ganzen Blumen und Bäume mit Nami zu betrachten, während wir die einzigen Menschen dort waren, war so unglaublich gewesen und konnte lediglich von dem Kuss getoppt werden, mit dem sie sich bei mir bedankt hatte, nachdem ich ihr verbotenerweise eine der Stargazer-Lilien gepflückt hatte. Für diese Belohnung würde ich es wieder tun. Und selbst wenn ich diese Filme nie gemocht hatte, es war ein unbeschreibliches Gefühl selbst einmal Teil einer solchen Kitschszene zu sein. Ich wünschte mir, sie würde niemals enden. Mittlerweile war ich süchtig nach dem Rausch, den Gefühlen und der Nähe. Es schien zu stimmen, ertrug man eine Menge Leid, bekam man schließlich die Belohnung dafür. Und meine war zuckersüß, ließ mich zunehmend vergessen. Was ein kurzer Augenblick ausmachen konnte, ich würde es nicht glauben, hätte ich es nicht selbst erlebt. Namis Umarmung lockerte sich, sie öffnete langsam die Augen und blickte mir tief in die Augen, sagte jedoch nichts als wolle sie selber jeden Eindruck einfangen – und den Moment nicht zerstören. Einige Augenblicke hatte wir einfach so beisammengestanden, bis das Knurren meines Magens mich in Verlegenheit brachte. „Zeit für's Mittagessen. Oder was sagst du?“ Ich fuhr mir durchs Haar, senkte den Blick und hörte bereits Namis genervtes Stöhnen, doch stattdessen zuckte sie die Schultern, nickte und sagte: „Lass uns was essen.“ Wir mussten nicht lange suchen, bis wir ein Restaurant fanden, wobei Restaurant großzügig formuliert war, Sushikarussell passte definitiv besser. Wenn ich da allein an die ganzen Schnörkel und Bahnen dachte, die die Häppchen auf den kleinen Tellern von der Küche ausgehend zurückzulegen hatten. Interessiert und skeptisch wirkte Namis Blick, als sie die Achterbahn für Sushirollen betrachtete, deren Weg einmal den Raum entlang fuhr und schließlich an dem Loch in der Plastikfassade hängen blieb, das sich genau an unserem Tisch befand und dazu diente, sich selber zu bedienen. „Das ist echt krass“, flüsterte sie, nahm einen Schluck von dem Tee, den die Kellnerin uns zuvor gebracht hatte, und traute sich gar nicht anzufangen. „Ich wohn ja jetzt schon eine Weile in der Stadt, aber so war ich noch nie essen.“ „Hm? Wusstest du nicht, dass es so was gibt, Nami?“, fragte ich sie, wickelte die Stäbchen aus der Serviette und schüttete Sojasoße in eine kleine leere Schale. Sie schüttelte den Kopf und grinste. „Nicht dass es so was auch in Restaurants gibt, ich dachte, das gäbe es nur in dieser einen Spielshow. Weißt du, welche ich meine?“ Es dämmerte mir und ich konnte nicht anders als zu lachen, während ich mich an die Abende erinnerte, an denen ich diese Sendung mit Dadan und Ace im Fernsehen gesehen hatte. Die Kommentare der beiden dazu waren meistens besser und lustiger gewesen, als das Programm an sich und vor allem Dadan wollte einfach nicht verstehen, dass man für so etwas Tolles auch noch so ein hohes Preisgeld bekam. „Ja klar weiß ich das. Wie könnte man so eine Sendung auch je vergessen?“, sagte ich, nahm den ersten Teller vom Band und gab ihn Nami, bevor ich einen für mich runter nahm. „Aber sag mal, Nami, wäre das nicht auch eine Idee für dein Restaurant?“ Sie lachte laut auf, bevor sie ohne Vorwarnung die Augen zusammenkniff, sich dichter zu mir beugte und flüsterte: „Nur über meine Leiche! Ist dir überhaupt bewusst, was für ein Verlustgeschäft das hier ist? Ein Abend damit und dich als Gast und ich kann das Kazaguruma schließen, Ruffy.“ „Ach, jetzt übertreibst du aber“, scherzte ich und verstummte, als ich ihr finsteres Gesicht sah. Beim Geld hörte die Freundschaft auf und Nami lebte diese Weisheit wie keine Zweite. Zum Glück beruhigte sie sich auch immer schnell, sodass wir das Essen nicht mit betretenem Schweigen verbringen mussten, sondern teilweise in Erinnerungen an die Schule schwelgten und teilweise über die aktuellen Dinge unseres Lebens sinnierten. Bevor Nami mich über den wahren Umfang ihres Jobs aufgeklärt hatte, hatte ich immer angenommen, dass sie wie Vivi auch die acht bis zehn Stunden mit Bedienen verbrachte und in ruhigen Momenten durchatmen konnte, doch dem war definitiv nicht so. Da sie Teilhaberin des Ganzen war, hatte sie zudem noch die Aufgabe den Dienstplan einzuteilen, sich um die Getränkebestellungen zu kümmern und Buchhaltung zu machen, wobei ich der festen Ansicht war, dass gerade Letzteres ihr am meisten Spaß machte. „Eigentlich dürfte ich dir das gar nicht sagen, aber Vivi ist die Einzige, die ich nicht dazu zwinge ihr Trinkgeld mit der Küche zu teilen“, flüsterte sie hinter vorgehaltener Hand und tunkte das Makiröllchen in die Soße. „Mehr als den Mindestlohn könnte ich ihr auch gar nicht bezahlen, aber ich weiß ja, wie dringend sie auf das Geld angewiesen ist.“ Ich schwieg und stierte auf den leeren Teller vor mich, der schon eine ganze Weile so da lag. Mein Magen meldete sich erneut und auch Nami blickte suchend um sich. „Warum kommt denn gar nichts mehr bei uns vorbei?“, fragte sie und erkannte, dass das ganze Band keinen einzigen Teller mehr trug. „Höh, das kann doch nicht sein. Ich hab immer noch Hunger!“ Wir hatten uns kaum auf die Suche nach dem Grund gemacht, als der Übeltäter plötzlich sogar namentlich erwähnt wurde. „Bonney, jetzt nimm verdammt noch mal den Kopf daraus!“, brüllte ein rothaariger Typ mit Fliegerbrille im Haar, dessen Lippen schwarz geschminkt waren, und probierte eine pinkhaarige Frau, deren Kopf halb auf dem Sushiband lag, davon wegzuziehen. „Lass mich los, Kid“, keifte sie, nachdem sie sich von dem Band hatte lösen können, und schob sich sogleich die nächste Ladung rein. Sie schien seine Vorliebe für seltsame Lippenbemalung zu teilen, denn sie hatte bloß die Mitte von Ober- und Unterlippe rot geschminkt, was in meinen Augen beides ziemlich seltsam aussah. Die hinzugekommene Kellnerin versuchte ebenfalls sie aus dem Ding zu zerren, während ihr rothaariger Begleiter diese lautstark wegen des vergessenen Sakes zusammenstauchte. Die Kellnerin wusste offensichtlich nicht mehr, wo ihr der Kopf stand, denn mal redete sie auf die pinkhaarige Frau ein und mal entschuldigte sie sich bei dem Typ, dessen einziger Beitrag zur Sache sein lautes Organ war. „Das ist ja wohl die Höhe!“ Nami kochte und ihr Gesicht lief rot an. Das verhieß nichts Gutes und zugleich fieberte ich dem Vulkanausbruch entgegen, als sie ruhig vom Tisch aufstand, auf die beiden zu stöckelte und sie zunächst freundlich begrüßte, ehe es aus ihr herausbrach: „Für wen zum Teufel haltet ihr beiden euch eigentlich? Du hör auf hier herumzuschreien und trichter deiner Freundin lieber mal etwas Benehmen ein! Und entschuldige dich gefälligst bei der Kellnerin für dein grobes Verhalten. Und du“, Nami packte die pinkhaarige Frau an ihren Hosenträgern, „Du nimmst gefälligst deinen Schädel und deine Haare aus dem Essen, da kriegt man ja Plaque bei dem Anblick! Nimm dir wie jeder anständige Mensch einen Teller und das war's! Verdammt, ich hab doch nicht dafür bezahlt, dass du hier die Küche leer fressen kannst, verstanden?!“ Der Rothaarige wollte irgendwas einwenden, sein saures Gesicht sprach Bände, ebenso wie das seiner Freundin, doch beide wichen zurück, als Nami sich erneut umdrehte, die Faust gehoben hatte und einen Ausdruck in den Augen hatte, der Luzifer persönlich das Blut in den Adern gefrieren lassen würde. Dann wandte sie sich an die Kellnerin, die der Szene mit tellergroßen Augen und ungläubigem Blinzeln beigewohnt hatte. „Lassen Sie sich so was bloß nicht bieten. Kunden haben sich auch entsprechend zu benehmen“, sagte Nami ruhig, schenkte ihr ein flüchtiges Lächeln und kam zurück an den Tisch. „So, jetzt müsste hier wieder was vorbeikommen.“ „Miss, ich möchte Ihnen vielmals danken“, die Kellnerin war ihr gefolgt und verbeugte sich vor Nami, „Bitte, Ihr Essen und das Ihres Begleiters gehen auf mich!“ „Das ist aber nett von Ihnen, vielen Dank“, flötete Nami überglücklich, die Hände wie zum Gebet gefaltet, „Aber ich hab das doch gerne gemacht. Kann ja nicht angehen, dass Sie für dieses unmögliche Verhalten geradestehen müssen.“ Die Kellnerin nickte dankbar und nahm ihre Arbeit wieder auf, während Nami ihr kurz nachsah und sich schließlich an mich wandte: „Du gibst ihr ein fettes Trinkgeld, verstanden?“ Dagegen hatte ich keine Einwände und selbst wenn, ich hätte sie gegen Nami eh nicht durchsetzen können. Nachdem wir das Restaurant verlassen hatten, schmiegte Nami ihren Kopf an meine Brust, legte die Arme um mich und nuschelte: „Wollen wir zu mir gehen?“ Das musste sie mir nicht zweimal sagen, ich ignorierte die abfälligen und befremdlichen Blicke der Passanten, beugte mich zu ihr runter und küsste sie leidenschaftlich,bevor wir uns auf den Weg zu ihr machten. Den Rest des Nachmittags verbrachten wir mehr nackt als angezogen, was nicht zuletzt Namis stürmischen Angriff auf meine Person zu verdanken war. Kaum dass die Tür ihrer Wohnung ins Schloss gefallen war, hatte sie mich angesprungen und sogleich voll in Beschlag genommen. Und wieder hatte mein Blut pulsiert, mein Kopf das Denken aufgegeben und meinen Instinkten vollen Lauf gelassen. Wie hätte ich Nami auch widerstehen können? Sie war schon so lange fester Bestandteil meiner Sehnsüchte und Wünsche, das Erste, an das ich morgens dachte und das Letzte, das mich vor dem Schlafen einholte. Ich weiß nicht, ob man dabei schon von Liebe sprechen konnte, aber ich wollte sie schon jetzt nie wieder loslassen, bekam nur bei dem Gedanken an sie Schmetterlinge im Bauch – die ich lange Zeit für ein fieses Gerücht gehalten hatte! - und wollte am liebsten Tag und Nacht mit ihr verbringen. Besser konnte ich es nicht beschreiben, es gab schlicht keine Worte, die dieses Gefühl erfassen konnten, das mich beherrschte, wenn Nami in meiner Nähe war oder mich gar küsste. Keine Droge der Welt vermochte so viel Oxytocin in meinem Körper auszuschütten, wie sie. Ich war süchtig nach dem Rausch, den sie mir verschaffte, wollte, dass er niemals zu ende ging... Kapitel 14: Familienzusammenführung mal anders ---------------------------------------------- Es war das erste Mal, dass ich bei einer Klausur völlig gelassen blieb und mich ohne Panik auf die Fragen konzentrieren konnte. Ich hatte mich sehr gut auf den Stoff vorbereitet, obwohl ich so viel Zeit wie möglich mit Nami verbracht hatte, und hielt mich nicht lange an den einzelnen Aufgaben auf. Wow, Mikrobiologie musste mir echt liegen und dabei hatten die Stoffkreisläufe noch so wahnsinnig kompliziert ausgesehen. Ich benötigte die angesetzten zwei Stunden nicht einmal, um alle Fragen zu beantworten und die Klausur prüfend durchzugehen. Überrascht und auch ein klein wenig stolz, erhob ich mich aus der Reihe, gab die Klausur bei einem der wissenschaftlichen Mitarbeiter ab und verließ den großen Hörsaal, in dem wir geschrieben hatten. Im Vorraum herrschte bereits reges Geschnatter und Panikmache. Jedes Mal dasselbe, als würde das noch etwas am Endergebnis ändern. Ich verabschiedete mich bei ein paar Bekannten und machte mich auf den Weg nach Hause, wobei ich mein Handy wieder einschaltete, das den ganzen Morgen ausgestellt in meiner Hosentasche geruht hatte. Mich traf fast der Schlag, als die vielen Mitteilungen auf dem Bildschirm aufblinkten und mir sagten, dass ich zehn Anrufe auf der Mailbox hatte. Mir war sofort klar, wer da so panisch versucht hatte, mich zu erreichen, weshalb ich ohne Umschweife Aces Nummer wählte. „...“ „Ace? Ist was passiert?“, fragte ich und fürchtete mich schon vor seiner Antwort. „Du musst sofort ins städtische Krankenhaus kommen, Ruffy! Vivi hatte auf der Arbeit einen Schwächeanfall.“ Wie in Trance legte ich auf und meine Füße trugen mich wie von selbst zur nächsten U-Bahn-Station, von der aus ich ins Stadtzentrum fuhr und dort die Linie suchte, die m Krankenhaus hielt. Objektiv klang es nicht einmal schlimm, doch der Klang seiner Stimme hatte mir Magenschmerzen bereitet. Es war die denkbar ungünstigste Zeit, um die U-Bahn zunehmen. Von überall drangen die Massen durch die Gänge und man musste beinahe die Luft anhalten, um sich an den Menschen vorbei zu quetschen. Nur mir Mühe und Not konnte ich mich noch mit in den Waggon pressen, was mir einige scharfe Blicke seitens der anderen Menschen einbrachte. Ich kümmerte mich nicht weiter drum, was wussten die schon, weshalb ich unbedingt diesen Zug nehmen musste? Immer wieder blickte ich auf die Uhr meines Handys, betete, dass der Zug doch etwas schneller fahren könnte und hoffte, dass ich bald bei Ace sein würde. Hoffentlich war es nichts Ernsteres mit Vivi und sie erholte sich wieder davon. Klar, die letzten Monate waren kein Zuckerschlecken für sie und es war offensichtlich gewesen, dass sie körperlich abgebaut hatte, aber dennoch hätte niemand von uns erwartet, dass sie einmal einfach zusammenbrechen würde. Vielleicht hatten wir den Gedanken auch nur weit zur Seite geschoben... Endlich erreichte ich die Haltestelle des Krankenhaus, drückte mich an den anderen Gästen vorbei ins Freie und stolperte über den Bahnsteigrand, hielt zum Glück aber das Gleichgewicht. Zwei Treppenstufen gleichzeitig nehmend hastete ich hinauf auf die Straße, von wo aus es bloß noch ein Katzensprung war. „Halt, junger Mann, wo wollen Sie denn hin?“, rief mir die Empfangsdame des Krankenhauses hinterher, ich rammte die Füße in den Boden und kehrte um. „Oh, Entschuldigung“, brachte ich verlegen heraus und mir wurde bewusst, dass ich mal wieder viel zu kopflos gehandelt hatte. „Ich würde gern wissen, auf welcher Stadion Portgas D. Vivi liegt.“ Die Frau horchte auf, tippte auf der Tastatur herum und gab mir die Information schließlich preis, nachdem sie mich gefragt hatte, ob ich zur Verwandtschaft gehöre. Mein Bauchgefühl wurde mit jeder Minute schlechter, Vivi befand sich derzeit noch in einer Reihen von Untersuchungen. Bloß Routine, wie mich die Frau beruhigen wollte, trotzdem krampfte sich alles in mir zusammen. Allein die Tatsache, dass sie ins Krankenhaus gebracht wurde, reichte aus, um bei mir sämtliche Alarmglocken schrillen zu lassen. Als die Aufzugtür sich öffnete, entdeckte ich als erstes Ace, der mit hängenden Schultern auf der Bank im Flur saß, während Titi auf seinem Schoss herum kletterte und auf alle möglichen Dinge deutete, bis sie mich sah und lächelte. „Luffiiiiiiii!“ Aces Kopf flog nach oben. „Zum Glück bist du da“, sagte er ein wenig erleichtert, als ich mich zu ihm setzte und sogleich von Titi in Beschlag genommen wurde, die Gefallen daran gefunden hatte, an meiner Kette zu zupfen. „Ich bin auf direktem Weg von der Klausur hergekommen.“ Ich war leicht außer Atem und sah, wie Ace ein schlechtes Gewissen bekam. „Oh scheiße, hab ich dich etwa gestört?“ Titi war inzwischen wieder zurück auf seinen Schoß gekrabbelt und brabbelte seine Sätze nach. Vor allem „scheiße“ gefiel ihr gut, was Ace entweder ignorierte oder schlicht weg keinen Kopf dafür hatte. „Nein, keine Sorge. Ich hab das Handy ja erst wieder angemacht, nachdem ich abgegeben habe.“ „Wo ist die Mama?“, fragte Titi, piekste Ace mit dem Zeigefinger in die Wange und sah zu ihm hinauf. „Mama suchen?“ Ace erfasste die kleine Hand und gab Titi einen Kuss aufs Haar. „Wir müssen noch warten, Krümel“, sagte er und zeigte auf das rote Licht über der gegenüber liegenden Tür. „Wenn die Lampe aus ist, dann können wir sie besuchen. Sie liegt in dem Zimmer hinter der Tür.“ Fasziniert begutachtete sie das intensive Rot, während Aces Gesicht immer sorgenvoller wurde. „Soll ich dir vielleicht einen Kaffee holen? Oder Tee?“, fragte ich vorsichtig, woraufhin er seufzte. „Danke, aber ich hab gewiss schon zehn Stück getrunken.“ „Wie lange wartest du denn schon hier?“, rutschte es mir überrascht über die Lippen. Zehn Kaffee trank man nicht mal eben in fünf Minuten. Ace musste schon mindestens zwei Stunden auf dieser Bank hocken. Er richtete den Blick auf die Wanduhr und schien zu überlegen. „Seid zwölf Uhr. Um elf hat Nami angerufen und mir Bescheid gesagt, dass sie Vivi ins Krankenhaus gefahren hat.“ „Vivi Mama krank?“ „Krass, hat sie dir auch gesagt, was genau passiert ist?“ „Anscheinend ist ihr zuerst das Tablett aus der Hand gefallen, und als sie es aufheben wollte, wäre sie beinahe umgefallen und hat was von verschwommener Sicht gesagt. Sie war wohl schon den ganzen Morgen recht wackelig auf den Beinen. Nami hat dann gleich Nägel mit Köpfen gemacht und sie her gefahren, damit sie mal durch gecheckt wird. Und seitdem warte ich darauf, dass mir jemand mal was sagt.“ „Ich hoffe nur, es ist nichts Ernstes.“ Mit gerunzelter Stirn blickte Ace zu mir herüber. Ich blinzelte, streckte die Arme aus und verschränkte sie hinter dem Kopf. „Sieh's mal so, das könnten auch die Symptome einer normalen Grippe oder...Schwangerschaft sein.“ Er hob eine Augenbraue an und ignorierte das herum turnende Kleinkind in seinen Armen. „Das hätte ja gerade noch gefehlt.“ Seine Aussage verwirrte mich und obwohl ich mich dabei unwohl fühlte, war ich neugierig genug, um nachzufragen. „Warum? Ich meine, klar, es pendelt sich ja gerade erst alles mit Titi und dem Geld so wirklich ein, aber so schlimm wäre das doch auch nicht, oder?“ Er hob eine Augenbraue an und ignorierte das herum turnende Kleinkind in seinen Armen. „Das hätte ja gerade noch gefehlt.“ Seine Aussage verwirrte mich und obwohl ich mich dabei unwohl fühlte, war ich neugierig genug, um nachzufragen. „Warum? Ich meine, klar, es pendelt sich ja gerade erst alles mit Titi und dem Geld so wirklich ein, aber so schlimm wäre das doch auch nicht, oder?“ „Na ja, ich hatte mir das schon alles anders vorgestellt“, widersprach er. „Oh... Aber das würdet ihr doch auch hinkriegen“, versuchte ich ihn aufzuheitern. „Misch dich da nicht ein, Ruffy“, zischte Ace und musterte mich mit scharfem Blick. „Mama suchen“, wiederholte Titi das fünfte Mal, wurde zunehmend quengeliger, was ich ihr angesichts der langen Zeit, die sie schon hatte hier sitzen und warten müssen, kaum verübeln konnte, und rutschte fast von Aces Schoss herunter. Mich wunderte überhaupt, dass die kleine Prinzessin so geduldig war, dabei unterhielt Ace sie weder die ganze Zeit, noch hatte sie Schuppi, ihr geliebtes Plüschkrododil, das Dadan ihr einmal geschenkt hatte, dabei. Und dass, obwohl sie sonst keine Reise ohne das Vieh machen konnte. Ace hievte sie hoch, stand auf und ging mit ihr auf dem Arm zum Ende des Ganges, um aus dem riesigen Fenster zu sehen. Ich hörte, wie er ihr Fragen stellte, sah, wie er ihr verschiedene Sachen und Gebäude zeigte und sie immer wieder küsste und ich hörte Titi meinen Namen sagen. Während die beiden aus dem Fenster schauten und Titi auf jede Taube deutete, die vorbei flog, kramte ich meine Handy aus der Tasche. Huhu Nami, Danke, dass du dich um Vivi gekümmert hast. Leider haben wir immer noch nicht Bescheid bekommen, was mit ihr ist. Ich hoffe nur, es ist nichts Schlimmes. Ruffy Ich hatte soeben meinen Namen getippt, als die Fahrstuhltür aufging und niemand Geringeres als Vivis Vater mitsamt eines anderen Mannes hinauskam. Er war alt geworden, seitdem ich ihn das letzte Mal persönlich gesehen hatte. Das vormals tiefschwarze Haar durchzogen einige graue Strähnen und auch sein Gesicht wirkte eingefallener, was mich angesichts der ganzen Umstände nicht weiter verwunderte. Sein Begleiter schob den Rollstuhl aus dem Aufzug, ein hochgewachsener und breiter Mann mit einer derartig seltsamen Lockenpracht, dass ich die Augen gar nicht von ihm ablassen konnte. Kobras Blick war hart, als er sich umsah und Ace am Ende des Ganges ausmachte. Ich stand sofort auf, verneigte mich vor ihm. „Guten Tag, Nefeltari-sama“, begrüßte ich ihn und erhielt ein Nicken. „Wo ist Vivi?“, fragte er mich, klang dabei weder vorwurfsvoll noch wütend, bloß besorgt. „Sie wird momentan scheinbar noch untersucht“, beantwortete ich seine Frage dürftig, als Ace zum Glück bemerkt hatte, was vor sich ging und zurück kam. „Schön, dass du so schnell kommen konntest“, sagte er und sorgte für perplexes Blinzeln meinerseits. Hatten die beiden sich bis vor kurzem nicht noch gehasst? Sich gegenseitig Pest und Cholera gewünscht? Und hatte Ace nicht bereits Pläne geschmiedet Ebola und Tuberkulose zu kreuzen? „Es war doch selbstverständlich, dass ich direkt herkomme. Ich danke dir für den Anruf.“ War ich im falschen Film oder war Vivis Unfall das Drama, das sie gebraucht hatten, um sich anzunähern? „Kein Problem“, flüsterte Ace und rang sich tatsächlich ein schwaches Lächeln ab, ehe er wieder neben mir Platz nahm. „Vivi Mama?“, wiederholte Titi einige Male und zeigte dabei mit dem Finger auf die rote Lampe. Ace nickte. „Ja, wenn das Licht aus ist, dann können wir sie sehen.“ „Luffi Wurm?“ Sie blickte ihn mit großen Augen an. „Ja, Ruffy sammelt gerne Würmer, nicht?“ Ich wusste ganz genau, dass Ace auf das Foto anspielte, das ich von dem im Kurs aufgeschnittenen Regenwurm gemacht hatte. Es hatte ihn irgendwie fasziniert, was so alles in das kleine Ding reinpasste, während Vivi sich das Abendessen ein zweites Mal durch den Kopf hatte gehen lassen. „Wer ist das?“, fragte Titi schließlich, zeigte direkt auf Kobra und wandte den Kopf zwischen ihm und Ace hin und her. Er wagte es kaum Blickkontakt zu Kobra aufzunehmen, machte sein Gesicht noch immer einen völlig versteinerten Eindruck. „Das ist der Papa von deiner Mama“, klärte Ace sie auf. „Dein Opa.“ Titi schüttelte das Köpfchen und schien kurz empört. „Nicht Garp!“ „Stimmt, Krümel, das ist nicht dein Opa Garp“, lachte er leise, hörte sich jedoch leicht verunsichert an und sah zu Kobra, als brauchte er seine Erlaubnis, um weiterzusprechen. „Das ist dein Opa Kobra.“ „Opa?“ Sie neigte den Kopf, drehte sich zu ihm herum und man sah es ihr deutlich an, wie es in ihr arbeiten musste. Wahrscheinlich verstand sie die äußeren Umstände nicht, nur dass sie jetzt noch einen Opa hatte. Doch auch Kobra machte einen unsicheren Eindruck, als wüsste er nicht mit der Situation umzugehen. „Willst...willst du sie mal halten?“, fragte Ace ihn schließlich und Unsicherheit durchzog seine Gesichtszüge. „Nur, wenn du willst. Dann würde ich nämlich schnell mal Kaffee für uns alle holen. Also...nur wenn, das okay ist...“ Ich hatte Ace selten so wortkarg und zurückhaltend erlebt. Meist ging er mit dem Kopf durch die Wand. Doch hier wäre es völlig fehl am Platz gewesen. „Ja, aber natürlich“, kam es zunächst zögerlich von Kobra, dem Ace daraufhin Titi übergab, die ihn angestrengt musterte und sogleich damit begann, ihn wie uns auch mit dem Finger zu pieken. „So, sei bloß brav, Krümel. Ich bin gleich wieder da.“ „Papa?“ Sie sah ihm nach, bis er ins Treppenhaus verschwand, bevor sie sich wieder Kobra widmete. Ich hätte zu gerne gewusst, was sie in diesem Moment gedacht hat. Es war einfach zu niedlich, wie sie ihn angesehen und schließlich die Nase kraus gezogen hatte. Fast so als wollte sie damit sagen, jetzt lach doch mal! Es geschah etwas, von dem ich eigentlich erwartet hatte, es nie mehr zu erleben, Kobra lachte tatsächlich. Okay, es war eher ein Schmunzeln. Doch der Eisklotz hatte zu tauen begonnen. „Genau das hat Vivi auch immer getan, als sie noch so klein war“, sagte er zu seinem Begleiter, der sich mir als Igaram vorgestellt hatte. Igaram beugte sich zu Titi runter und zwickte sie spielerisch in ihre Wange. „Sie müssten sie mal erleben, wenn sie mit ihrem Plüschkrokodil Schuppi spielt“, sagte ich und zog das Interesse der beiden auf mich. „Normalerweise dürften wir gar keine Arme und Beine mehr haben, weil Schuppi uns ja alle regelmäßig frisst.“ „Schuppi alle fressen“, wiederholte Titi als würde sie mir zustimmen, klatschte in die Händchen und zauberte erneut ein Lächeln auf Kobras Gesicht. „So? Spielst du gerne mit Krokodilen? Deine Mama hatte immer fürchterliche Angst vor denen. Sie hat dafür immer mit einer Plüschente gespielt.“ „Ist die gelb, flauschig und hat eine rote Schleife um den Hals?“ „Ja, woher weißt du das?“, fragte Kobra leicht verdattert. „Das ist Titis absoluter Liebling nach Schuppi“, klärte ich ihn auf. „Seit ihrer Geburt liegt die Ente mit in ihrem Bettchen.“ Sein Gesicht machte einen gerührten Eindruck. „Die hat Vivi damals von ihrer Mutter zum ersten Geburtstag bekommen.“ Dass diese alte Plüschente einen dermaßen hohen emotionalen Wert hatte, hätte ich vorher nicht für möglich gehalten und dass es eine solche Wirkung hatte, erst recht nicht. Aber es schien als hätte genau dieses Stofftierchen die Verbindung zwischen Vivi in dem Alter und Titi für Kobra endgültig verdeutlicht. Vielleicht dachte er daran, wie schwer es für die kleine Vivi gewesen sein musste, ohne Mutter aufzuwachsen und wie schwer es für die erwachsene Vivi sein musste, ohne die Unterstützung ihres Vaters zu leben. „Opa, wo ist Papa?“ „Er ist nur kurz was holen gegangen. Gleich ist er bestimmt wieder da.“ „Dann Mama suchen?“, fragte Titi mit großen Kulleraugen und zeigte wieder einmal auf die Lampe. Kobra legte ihr die Hand auf den Kopf. „Bald, ja.“ Ein paar Minuten später kam Ace mit einem kleinen Karton, in dem er vier Becher und etwas Verpacktes hinauf balanciert hatte. Er reichte jedem von uns einen Kaffee und nahm Titi wieder auf seinen Schoss, stellte den Becher neben sich und packte aus dem Papierchen ein Reisbällchen aus. „Guck mal, Krümel. Für dich.“ Titis Augen funkelten, sofort griff sie danach und probierte sich gleich das ganze Reisbällchen in den Mund zu schieben, wobei es fast zerbröselte. „Pass auf.“ Schnell fing Ace es auf, brach ein kleines Stück ab, gab es ihr und wartete, bis sie es gegessen hatte. Neidisch beobachtete ich, wie Häppchen für Häppchen in dem kleinen Mund verschwanden. Mein Magen knurrte. „Danke, dass du mir auch eins mitgebracht hast.“ „Sorry, Ruffy, aber ich hatte nicht mehr genug Geld.“ „Hättest du doch was gesagt, dann hätte ich dir was gegeben.“ Irritiert und wahrscheinlich mit demselben Gesichtsausdruck sahen Ace und ich Kobra an. Der Mann machte ja eine 180° Drehung durch! „Nein, schon okay. Hauptsache Titi hat erst mal was“, wiegelte er ab, als diese plötzlich quietschte: „Licht aus!“ Nur knapp verfehlte Ace den Kaffee neben sich, als er wie von der Tarantel gestochen aufsprang und direkt vor der Tür stehen blieb. Nervös wippte er mit dem Fuß und ich hörte genau, wie er aufatmete, als die Klinke sich herunter drückte. „Nicht so stürmisch, junger Mann“, entgegnete die Ärztin, eine Frau gehobenen Alters, unter deren Kittel jugendliche Kleidung auszumachen war, nachdem Ace sie beinahe umgerannt hatte. „Und? Was ist mit meiner Frau? Kann ich zu ihr?“ „Mama suchen!“, forderte Titi, als die Ärztin ihre Wange streichelte. „Du kannst deine Mama jetzt besuchen“, sagte sie zärtlich zu ihr und wandte sich an Ace, während sie das Klemmbrett eingehend studierte. „Also, Portgas. D-san, ihre Frau hatte einen Schwächeanfall. An sich nichts Wildes, aber ich vermute, dass er auf eine extreme oder zumindest lange andauernde Stresssituation zurückgeht. Ihre Frau weist nämlich die klassischen Symptome des allgemeinen Anpassungssyndroms auf.“ „Allgemeines was?“ „Allgemeines Anpassungssyndrom“, korrigierte sie. „Und was hat das genau zu bedeuten?“ „Unter dem allgemeinen Anpassungssyndrom versteht man ein Reaktionsmuster des Körpers auf lang anhaltende Stressreize. An sich ist Stress normal, in Maßen kann er sogar leistungssteigernd sein. Aber wenn ein Organismus gar nicht mehr dazu kommt sich zu erholen, kann das schwerwiegende Folgen für Körper und Organe haben.“ „Ist sie etwa schwer krank?“ Die Ärztin rang sich ein Lächeln ab, nachdem sie den Kopf geschüttelt hatte. „Ihr Frau befindet sich derzeit noch im sogenannten Widerstandsstadium. Einem Stadium, in dem der Stress bereits Auswirkungen auf den Organismus hatte, jedoch noch nicht zu irreparablen Schäden geführt hat. Wir haben eine Vergrößerung der Nebenniere festgestellt, zudem haben wir in ihrem Blut einen hohen Entzündungswert gemessen. Ein Magengeschwür oder eine sonstige Entzündung haben wir nicht gefunden. Was sie jetzt und generell dringend braucht ist viel Ruhe, Sie sollten vermeiden sie mit Stress oder sonstigen Belastungen zu konfrontieren und sie sollte mehr und gesünder essen.“ Die Ärztin hatte kaum ausgesprochen, als Ace bereits an ihr vorbei in den Raum stürmte. Kobra und ich blieben ihm dicht auf den Fersen. „Mama!“ „Titi“, begrüßte Vivi sie, nahm sie in den Arm und küsste ihre Stirn, nachdem Ace sie ihr übergeben hatte. „Und ihr seid alle gekommen. Sogar du, Papa.“ „Das versteht sich doch wohl von selber.“ Das Entsetzen über ihren Anblick stand Ace deutlich ins Gesicht geschrieben. Voller Sorge prüften seinen Augen die Geräte, an die Vivi angeschlossen war, sowie ihre blasse Haut und die schwach geöffneten Augen. „Wie geht’s dir?“ „Schon besser“, sie richtete sich auf und lächelte. „Mir ist gar nicht mehr schwindelig und Luft bekomme ich auch wieder.“ „Und die Geräte?“ Vivi schielte zur Seite. „Ach, das ist doch bloß zur Stabilisation. Das eine überprüft doch nur meinen Puls und das andere versorgt mich mit Sauerstoff. Nichts weltbewegendes.“ „Jetzt versuch nicht, es herunter zu spielen! Schlimm genug, dass du überhaupt so was brauchst“, platzte es stürmischer aus Ace heraus, als er geplant hatte und ich wich ein Stück zurück. „Ich habe mir totale Sorgen um dich gemacht – und mache sie mir immer noch. Mensch, Vivi, was machst du denn für Sachen?“ „Tut mir leid“, flüsterte sie, streichelte mit dem Daumen über seinen Handrücken. „Das war niemals meine Absicht.“ „Ist doch jetzt völlig egal. Hauptsache du wirst schnell wieder gesund.“ „Ja, Vivi, hungern ist nicht mehr, die Ärztin hat extra betont, dass du mehr essen musst“, fügte ich grinsend an und rief ein schwaches Kichern bei ihr hervor. „Das heißt für dich, zu jeder Mahlzeit gibt es extra Mayo!“ „Ich hab wohl wirklich etwas zu wenig gegessen in letzter Zeit.“ „Mama, Hunger, essen“, blubberte Titi, spielte mit Vivis Haaren und kuschelte sich ganz dicht an sie heran. „Vivi, es tut mir so leid, dass es überhaupt so weit kommen konnte.“ Kobra war auf der anderen Seite an Vivis Bett herangefahren, während Ace einen Schritt zurück gemacht hatte. „Würdet ihr uns bitte alleine lassen?“ „Natürlich“, sagte Ace, nahm Titi wieder auf den Arm und verabschiedete sich von Vivi mit einem Kuss. „Ich bring Titi nach Hause und komme dann gleich zurück, okay?“ Sie nickte und bat ihn noch um ein paar Dinge, die er ihr mitbringen sollte. Auch ich verabschiedete mich bei ihr und auch bei ihrem Vater sowie Igaram, bevor ich zusammen mit Ace und Titi das Krankenhaus verließ und zurückfuhr. Kapitel 15: Titi, die Herzkönigin --------------------------------- Ohne Umschweife legte Ace sich mit Titi ins Bett, kaum dass wir Zuhause angekommen waren. Die Aufregung und Sorge um Vivi mussten ihm gehörig zugesetzt haben und Titis Heulerei beim Verlassen des Krankenhauses und die gesamte Fahrt über hatten es nicht besser gemacht, sondern seine letzten Reserven gekostet. Sie verstand ja noch nicht, warum Vivi nicht mitgekommen war. Wenigstens hatte sie sich beruhigen können, als er sich mit ihr hingelegt hatte. „Hey, was ist mit Vivis Klamotten?“, fragte ich, blieb im Türrahmen stehen und beobachtete, wie er sich und die Kleine zudeckte, sich auf die Seite rollte und den Arm um sie legte. „Ja, gleich, nur mal kurz die Augen ausruhen.“ „Das kenn' ich, von wegen kurz mal die Augen ausruhen. Ich weck dich dann in einer halben Stunde“, sagte ich, als eines der Kissen auf mich zugeflogen kam. „Daneben!“ Die Auszeit gönnte ich ihm, lehnte die Tür halb an und verschwand in die Küche, um mir eine Instantnudelsuppe zu kochen. Zusammen mit dem heißen Becher und Stäbchen machte ich es mir auf dem Sofa gemütlich, schaltete den Fernseher ein und zappte ein wenig durch die Kanäle. Mal wieder blieb ich bei den Animes kleben, obwohl ich meistens weder Kontext noch Vorgeschichte kannte, aber ich schaute unheimlich gerne Kampfszenen und holte mir Inspiration für meine eigenen Zeichnungen. Die letzten Nudeln verschwanden in meinem Mund und ich wollte gerade die Brühe austrinken, als ich mein Handy vibrieren spürte. Ich erkannte Namis Nummer auf dem Display. „Ja?“ „Ruffy? Hast du was von Vivi gehört?“ „Wir haben sie vorhin besucht, beziehungsweise gewartet, bis die Ärzte uns zu ihr gelassen haben.“ „Und was hat sie? Wird sie wieder gesund oder wird sie was davon tragen?“ „Scheinbar hat sie das allgemeine Anpassungssyndrom, aber was das genau heißt, kann ich dir leider auch nicht sagen. Jedenfalls kommt das von zu viel Stress, daher auch der Schwächeanfall. Die Ärztin hat ihr geraten mehr zu essen und mehr auf sich zu achten, ansonsten gab es keine Warnung. Also denke ich mal, dass sich das wieder hinbiegt. Und“, fügte ich noch schnell hinzu, obwohl ich hörte wie, Nami bereits zur Antwort ansetzte, „ihr Vater war auch da. Er und Ace haben sich nicht mal gestritten.“ „Haben sie wohl doch noch kapiert, dass sie Vivi damit zugrunde richten werden. Wie lange hätte sie sich denn noch vierteilen sollen, um es auch bloß allen recht zu machen?“ „Ich glaube, in Zukunft wird ihr Vater nicht mehr abweisend und kalt auf Titi reagieren.“ „Hat er sie gesehen?“ „Ja, sie hat auf seinem Schoss gesessen und ihn „Opa“ genannt.“ „Uiui“, quietschte Nami in den Hörer. „Wie niedlich, da konnte Kobra sicher nicht widerstehen, was? Wer kann das bei ihr schon?“ „Niemand und genau deswegen habe ich manchmal de Befürchtung, sie wird später mal eine richtig verwöhnte Prinzessin werden.“ Nami lachte. „Keine Sorge, ich denke, Vivi wird das zu verhindern wissen. Weißt du schon, wann sie wieder entlassen wird?“ „Nein, ich hab sie nur kurz gesehen. Aber Ace fährt gleich wieder hin“, sagte ich, rieb meinen Nacken und stellte den Fernseher aus. „Das heißt, ich komme mal wieder in den Genuss, mit ihr alleine zu sein.“ Kichern drang durch die Leitung. „Jetzt tu doch nicht so, als wäre das so schrecklich. Wenn du willst, leiste ich dir dabei Gesellschaft und bring ein paar Filme mit.“ „Das wäre echt toll.“ „Gut, dann bis nachher“, verabschiedete sie sich und legte auf. Mit einem ziemlich debilen Grinsen schob ich das Handy zurück in meine Hosentasche. Es kam mir immer noch vor wie ein Traum, dass ich so viel Zeit mit Nami verbrachte. Allein der Gedanke jagte mir einen angenehmen Schauer über den Rücken, der sich jedes Mal verstärkte, wenn mir bewusst wurde, dass niemand davon wusste. Es war meine Idee gewesen, es geheim zu halten. Ich wollte dem Ganzen seine Zeit lassen, sehen wie es sich entwickelt und alles auf mich zukommen lassen. Nami hatte dem gerne zugestimmt. Sie wollte Stress auf der Arbeit vermeiden und ich hatte (noch) keine Lust mich mit den nervigen Fragen meiner Umwelt auseinanderzusetzen. Verbotene Früchte schmeckten einfach viel süßer! Ich warf den leeren Nudelbecher in den Mülleimer und öffnete vorsichtig die Tür zum Schlafzimmer. „Oh, wie niedlich...“ Schnarchend lag Ace auf dem Rücken, alle viere von sich gestreckt und den Mund geöffnet. Haargenau wie Titi. Es tat mir beinahe ein wenig leid, dass ich dieses Bild zerstören musste, aber Vivi wartete auf ihre Klamotten und zu spät sollte er im Krankenhaus besser auch nicht auftauchen. Behutsam hob ich Titi hoch und legte sie in ihr eigenes Bett, ehe ich auf Zehenspitzen zurück zum Bett schlich, den Teil der Decke erfasste, auf dem Ace nicht lag, und sie mit aller Kraft unter ihm wegzog. Überrascht aufgrund der plötzlichen Bewegung, riss er die Augen auf, konnte jedoch nicht mehr schnell genug reagieren, um nicht mitsamt der Decke auf dem Boden zu landen. Mit zu Schlitzen verengten Augen richtete er sich auf und fasste sich die Decke. „Sag mal, geht's noch?“ „Anders hätte ich dich doch nicht wach bekommen“, sagte ich und amüsierte mich immer noch köstlich über das Geschehene. „Und ich konnte es nicht verantworten, dass Vivi die Nacht über ganz alleine sein würde.“ Meine Worte hatten ihre Wirkung nicht verfehlt, allein die Erwähnung von Vivi hatte ausgereicht, um den Ärger aus Aces Gesicht zu fegen. Mit einem Mal sprang er auf, riss eine Reisetasche von ihrem Schrank und warf sie aufs Bett. „Ich geh noch schnell unter die Dusche, dann bin ich weg. Pass bitte gut auf Titi auf“, leierte er fast wie eine Maschine herunter, bevor er sich noch einmal zu mir herumdrehte und ein paar Scheine aus seiner Hosentasche kramte. „Hier, bestell dir was.“ „Wow, danke, Mister Rockefeller!“ Skeptisch musterte er mich, dabei hatte ich das vollkommen ernst gemeint. Es war nicht selbstverständlich, dass er mir so viel Geld bloß zum Verfressen gab. „Ich kann es dir auch wieder wegnehmen.“ „Das würdest du nicht tun“, erwiderte ich, verstaute das Geld in meiner eigenen Tasche und machte es mir wieder auf dem Sofa bequem. „Außerdem wartet Vivi.“ Genervt winkte er ab und schloss die Tür hinter sich. Kurz konnte ich ihn fluchen hören. Wie sehr er sich ärgern musste, dass er keine Zeit hatte, sich an mir zu rächen. Ich lachte mir hämisch ins Fäustchen. Oh, ein Sieg über Ace schmeckte verflucht süß. „Papa! Papa, raus holen“, hörte ich Titi aus dem Schlafzimmer rufen, weshalb ich aufstand, um nach ihr zu sehen. Sie begann immer schnell zu quengeln, wenn man sie nicht sofort aus dem Bett hob. Okay, eigentlich quengelte sie immer, wenn sie nicht beachtete wurde. Weil sie keine Antwort bekommen hatte, hatte die kleine Prinzessin den Entschluss gefasst, selber aus dem Bettchen zu klettern. Ich bekam sie gerade noch zu fassen, bevor sie über das Gitter steigen konnte. „Luffi, alleine machen“, sagte sie und zeigte auf ihr Bett. „Dich kann man auch keine Sekunde aus den Augen lassen.“ Ich kniff sie zärtlich in die Wange, während sie mir die Hand ins Gesicht streckte und nach meiner Nase griff. Eine Verhaltensweise, die sie die letzte Zeit öfter an den Tag legte, aber mir deutlich am häufigsten machte. „Schuppi holen, Luffi.“ Sie lehnte sich weit aus meinem Arm heraus und versuchte sich zu strecken, um an das Plüschkrokodil in ihrem Bett zu kommen. Ich setzte sie ab, holte es heraus und drückte es ihr in die Hände. „Sonst noch einen Wunsch, Prinzessin?“ Sie sah mich mit großen Augen an, schüttelte den Kopf und hielt Schuppi fest an sich gepresst. Selbst wenn ich manchmal genervt davon war, auf sie aufzupassen, konnte ich irgendwie nicht genug von ihr kriegen. So niedlich, wie sie sich selbst für die alltäglichsten Dinge begeisterte, wie das bunte Plastikwindrad, das im Blumentopf steckte und sogleich von ihr in Augenschein genommen wurde. Die Pflanze sowie das Rad waren ein Geschenk von Nami zu Vivis Geburtstag gewesen und aus dem vormals zarten Sprössling war inzwischen eine nicht zu verachtende Minipalme geworden. Titi drehte mit der Hand die Flügel des Windrads. „Du musst pusten.“ „Pusten?“ Ich hockte mich neben sie, nahm das Windrad aus dem Topf und zeigte ihr, was ich gemeint hatte. „Schau, das funktioniert mit Luft“, erklärte ich ihr und puste erneut gegen die Flügel, sodass sich das Rad in Bewegung setzte. Fasziniert verfolgte sie das Schauspiel, nahm mir das Windrad aus der Hand und hielt es vor meinen Mund. „Pusten!“ „Du bist schon wieder wach, Krümel?“ Mit einem Schlag verlor das Windrad seine Spannung und Titis Aufmerksamkeit galt allein Ace, der soeben das Zimmer betreten hatte und zum Glück bereits eine Hose trug. „Papa, Mama suchen“, forderte sie, wollte auf den Arm genommen werden und wollte dabei Schuppi gar nicht aus der Hand geben. „Nein, du kannst die Mama heute nicht mehr besuchen“, flüsterte Ace ihr zu, während sie Schuppis Glubschaugen drückte und ihn plötzlich entsetzt ansah. „Tut mir leid, Prinzessin.“ „Mama suchen?“, fragte sie ein weiteres Mal und klang, als würde sie jeden Moment losflennen. „Nein, erst morgen wieder.“ Ace hatte das zweite „Nein“ kaum ausgesprochen, da hatten sich ihre Augen bereits zur Hälfte mit Tränen gefüllt, waren ihre Mundwinkel rapide abgefallen und leuchtete ihr Gesicht hochrot auf. Doch Ace konnte sie damit nicht weichklopfen, er hasste es, wenn sie die Diva heraushängen ließ, und ignorierte sie während dieser Phase konsequent. Weder das Trommeln ihrer kleinen Faust gegen seine Brust störte ihn, noch die Attacken mit Schuppi, noch das ständige Ziehen an seiner roten Perlenkette. Titi biss bei ihm eindeutig auf Granit, was sie nur noch bockiger werden ließ. Ohne ein Wort zu sagen, setzte Ace sie auf dem Boden ab und begann damit Vivis Sachen zusammenzusuchen und einzupacken. „Papa, hochnehmen“, plärrte Titi, zog an seinem Hosenbein und resignierte schließlich, als er noch immer nicht auf sie reagierte. Es tat mir jedes Mal unendlich leid, das mit anzusehen. Aber es war das einzig Vernünftige. Wie hieß das noch mal? Negative und positive Verstärkung? Je nachdem wie man auf das Verhalten eines Kindes reagierte. So was Ähnliches hatte mir Nami mal erzählt, als die den Pädagogikkurs in der Schule belegt hatte. Nur Ignoranz machte ihnen klar, dass ein entsprechendes Verhalten sie nicht weiter brachte – klingt zumindest logisch für mich. Ehrlicherweise konnte ich mir kaum vorstellen, dass Ace jemals auch nur eine Erziehungstheorie gelesen hatte, sondern schlichtweg keine Lust darauf hatte, sich mit einem zickenden Kleinkind auseinanderzusetzen. Titi ließ sich auf den Po fallen und presste das Stofftier fest an sich. „Titi, schau mal“, ich hielt ihr die Windmühle entgegen und pustete vorsichtig, sodass es sich leicht dreht. Augenblicklich hellte sich ihr Gesicht auf und sie griff danach. „Gib mir!“ „Hier, und jetzt schön pusten.“ Konzentriert probierte sie die Flügel auf dieselbe Weise zur Bewegung zu bringen wie ich, es haperte noch ein wenig, aber es sah nicht hoffnungslos aus. Auch wenn viel mehr Spucke als Luft zwischen den kleinen Lippen hervor gepresst wurde. Aus dem Augenwinkel heraus erkannte ich, wie Ace einen Haufen bunter Dinge in die Tasche stopfte, die mich stutzig machten, sodass ich näher hinsah. Warum war ich bloß immer so neugierig? „Ace, du kannst Vivi doch nicht solche Höschen ins Krankenhaus bringen!“ „Warum nicht? Beim letzten Mal lief's genauso.“ Mir klappte die Kinnlade herunter und ich zweifelte gehörig an seiner Aussage. „Willst du mir damit sagen, dass du deiner gebärenden Frau diese Höschen mitgebracht hast? Diese?“ Er zog die Schultern hoch und schüttelte den Kopf, als wollte er sagen äh ja und?, und stopfte die mehr als knappen Teile zu dem Rest. Ich winkte ab, auch wenn es eher aussah, als wollte er Brook-sensei, unserem alten Musiklehrer, die Freude seines Lebens bereiten. Unbeirrt schloss er die Tasche, nachdem er noch zwei Handtücher rein gequetscht hatte. „Bis morgen, Krümel“, nutzte Ace die Gunst der Stunde, streichelte Titis hellblaue Strubbelhaare und schnappte sich die Tasche, um auf der Stelle zu verschwinden. „Das machst du toll“, bestärkte ich Titi in ihrem Vorgehen, erhob mich aus der Hocke und wandte mich an Ace, bevor er mit entwischte. „Bleibst du jetzt die Nacht dort, oder wie hast du dir das gedacht? Kommst du dann morgen früh her? Ich muss nämlich morgen unbedingt zur Uni – hab da den Nachschreibetermin für Chemie.“ Ratlos blieb Ace stehen, fuhr sich durchs Haar und überlegte einen Moment. „Ja, Mist, dann hab ich ein Problem. Meinen Urlaub hab ich so gut wie aufgebraucht und ich glaube, noch mal so kurzfristig freinehmen, kann ich vergessen“, murmelte er, rieb sich das Kinn und blickte für einen Augenblick aus dem Fenster, bevor er mich besorgt ansah und sich die Hand vor die Stirn schlug. „Oh das hab ich ja total vergessen! Wir wollten doch zusammen dafür lernen...Das tut mir total leid, Ruffy.“ Er raufte sich das Haar und war sichtlich darum bemüht zu erfahren, wo ihm der Kopf stand. Ich winkte ab, obwohl ich seine Hilfe gewiss gut hätte gebrauchen können, immerhin hatte er fast vier Semester Lebensmittelchemie studiert, die Grundlagen hätte er mir sicher locker erklären können. „Kein Ding, es ist ja schließlich etwas sehr Dringendes dazwischengekommen...Soll ich Dadan gleich anrufen, dass sie morgen vorbei kommt?“, bot ich an, woraufhin Aces Augen sich weiteten und er die Hände in einer abwehrenden Geste vor sich hielt. „Bloß nicht! Das letzte Mal, als sie unbeaufsichtigt hier war, hat sie sämtliche Schubladen und Schränke durchstöbert und die komplette Küche umgeräumt. Vivi ist dermaßen ausgerastet.“ Ich grinste, obwohl ich nicht entscheiden konnte, was ich witziger fand, Dadan, die mal wieder ihrer Neugier Befriedigung verschafft, oder Vivi, die wie ein Vulkan in die Luft geht – wobei das fast als Weltwunder bezeichnet werden konnte. Vivi fraß Wut eher in sich hinein, als dass sie sie an anderen ausließ. „Hm, Titi bei ihr Vorbeibringen schaff ich aber auch nicht.“ Ace seufzte, kramte das Handy aus der Hosentasche und scrollte scheinbar die Kontaktliste durch. „Eine Möglichkeit wüsste ich noch. Daumen drücken“, sagte er, rief besagte Möglichkeit an und sah unglaublich nervös aus, während er darauf wartete, dass abgenommen wurde. „Luffi, schau mal!“ Titi präsentierte mir stolz, wie sie das Windrad anpustete. Wie konnte so etwas Simples, bloß so niedlich sein? Ich setzte mich wieder zu ihr, legte den Arm um sie und pustete selber noch einmal gegen die Flügel, was sie zum freudigen Quietschen brachte. „Ah“, sagte Ace, blickte kurz zu uns herüber und ging ohne die Tasche aus dem Raum. Das musste ja wirklich wichtig sein, wenn er unsere Hintergrundgeräusche währenddessen nicht haben wollte. Das Windrad hatte für Titi mittlerweile an Reiz verloren und sie widmete sich mit großer Hingabe dem imaginären Fressen meines Beines. Angestrengt schob sie Schuppi immer wieder gegen mein Bein und sagte: „Schuppi frisst Luffi. Yam, yam, yam- Schuppi großen Hunger!“ „Oh bitte nicht, hab Gnade“, winselte ich spaßeshalber, woraufhin Titi gluckste. Manchmal erschreckte es mich schon, wie sadistisch sie bisweilen sein konnte. Von Vivi hatte sie das sicher nicht, ansonsten würde Schuppi uns alle bemuttern und mir vor allen Dingen Kekse bringen. Andererseits war sie richtig verschmust und suchte von sich aus den Kontakt zu einem. „Luffi fressen“, lachte sie, fasste Schuppis Maul und hielt es an meinen Arm. Ich konnte mir das Lachen kaum verkneifen, als sie plötzlich die kleine Stirn in Falten legte. „Hey, nicht lachen! Schuppi frisst dich!“ „Oh, tut mir leid“, ich nahm einen gequälten Gesichtsausdruck an. „Nein, friss nicht auch noch meinen Arm! Den brauche ich doch.“ Erneut ertönte dieses süße Glucksen und die zuvor an den Tag legte Ernsthaftigkeit war verschwunden. Kaum zu glauben, dass sie schon zwei Jahre alt war. Wie schnell die Zeit vergangen ist, das machte mich bei genauerer Betrachtung fast ein wenig ängstlich. Wie würde es in fünf Jahren sein? Wo würde ich leben? Wo arbeiten? Wer würde um mich herum sein? Würde ich immer noch so einen guten Draht zu Titi haben? Dann wäre sie schon längst in der Schule. Und von da würde es nicht mehr lange dauern, bis sie in die Pubertät käme und Ace das Leben zur Hölle machen würde. Am meisten fieberte ich dem Augenblick entgegen, wenn sie ihm ihren ersten Freund vorstellte. Gewiss würde Ace den Kerl packen, zunächst mit dem Kopf gegen den Türrahmen hauen, anschließend in der Tür einklemmen und ihm anschließend noch einen Freiflug spendieren. Titi stände nur daneben, jammernd und winselnd, wie ungerecht er doch sei und ihrer großen Liebe im Weg stände. Vielleicht würde er Kobra dann verstehen. Ob der Vorstellung konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, was die noch kleine Titi umgehend mit einem Schmollmund quittierte. „Nein, Luffi! Nicht so!“ Beleidigt ließ sie mich links liegen, rappelte sich auf und schob die Tür auf, als sie Ace geradewegs in die Arme lief. „Papa“, rief sie, woraufhin er sie hochnahm, und spielte an seiner Kette, während sie zu mir rüber schielte. „Luffi äget.“ Pff, nicht nur eine Sadistin, auch noch eine Lügnerin! „So?“, fragte er, beobachtete ihre Reaktionen. „Was hat er denn getan?“ „Nur gelacht“, murmelte sie und legte den Kopf an seine Halsbeuge. „Zu meiner Verteidigung, deine Tochter wollte mich an ihr Krokodil verfüttern“, rechtfertigte ich mich spaßeshalber, woraufhin Ace selbst schmunzeln musste und Titi in den Bauch pikte. „Wie oft hab ich dir gesagt, man verfüttert keine Menschen an Krokodile? Hm?“ Sie wandte den Kopf ab und spielte die Prinzessin auf der Erbse, während mich etwas anderes momentan mehr interessierte. „Was hat dein Telefonat jetzt eigentlich ergeben?“ Ace grinste triumphierend. „Ich hab jetzt jemanden gefunden, der morgen auf Titi aufpasst.“ „So? Wer? Doch hoffentlich nicht Marco, oder?“ Er lachte und nahm die bösen Blicke von Titi billigend in Kauf, sie hatte sich bereits ein paar Mal die Augen gerieben und gegähnt. „Nein, nicht Marco“, sagte er und machte eine kurze Pause, die mich vor Neugier fast in den Wahnsinn trieb. „Ich hab Kobra gefragt und er hat zugesagt.“ Zum zweiten Mal fiel mir die Kinnlade herunter und ich zweifelte ein wenig an meinen Ohren. Zwar hatte ich selbst miterlebt, wie die beiden sich im Krankenhaus leicht angenähert hatten, aber dass er jetzt sogar Titi für einen Tag übernahm - und dass Ace überhaupt an diese Möglichkeit gedacht hatte – das überraschte mich dennoch. „Ich will mich ja nicht selber loben, aber der Plan ist eigentlich perfekt. Kobra besucht Vivi morgen eh den gesamten Tag über und so kann Titi auch dabei sein. Vielleicht gewöhnt er sich so an sie.“ „Ja, aber nur, wenn sie ihn nicht den Krokodilen zum Fraß vorwirft.“ „Ach, Quatsch, sie will ja nur dich verfüttern“, widersprach Ace nicht ohne mir einen hämischen Blick zukommen zulassen und legte Titi, die mittlerweile eingeschlafen war, in ihr Bett und deckte sie zu. „Okay, Ruffy, wir sehen uns vielleicht noch morgen früh. Pass gut auf Titi auf, ich verlasse mich auf dich. Also mach mir keine Schande.“ Ich rollte die Augen, als wäre er so viel vernünftiger als ich. Vielleicht dachte er das, doch dem war definitiv nicht so. Vivis Meinung dazu interessierte mich. Sie wäre wohl eher auf meiner Seite. Nachdem ich mich von ihm verabschiedet hatte, schloss ich die Wohnungstür, schnappte mir eine Dose Saft aus dem Kühlschrank und verkrümelte mich in mein Zimmer. Mir stand am nächsten Morgen noch eine Klausur bevor, für die ich noch einiges zu tun und nachzulesen hatte. Zumal ich es die Woche über Dank Nami und Mikrobiologie gehörig hatte schleifen lassen. Ich schnappte mir Aces alte Bücher und begann dort weiterzumachen, wo ich das letzte Mal aufgehört hatte. Kohlenhydrate und Aminosäuren, auch wenn mich das Thema immer hungrig machte, blieb ich konzentriert bei der Sache. Das wollte ich auf jeden Fall erledigt haben, bevor Nami kam. Kapitel 16: High Five, Bro! --------------------------- Ich hatte das Buch noch keine zehn Minuten zugeschlagen und die Protokollzettel weggeheftet, als es klingelte. Bevor ich öffnete, schaute ich nach Titi, die zum Glück wie ein Stein schlief und friedlich vor sich hin schnarchte. Ganz der Papa. „Hey“, säuselte Nami und fiel mir um den Hals, kaum dass ich die Tür geöffnet hatte. „Endlich bin ich hier. Dachte schon, der Feierabend kommt nie.“ Ich küsste sie, zog sie währenddessen hinein und schob mit dem Fuß die Tür zu. Wir hatten uns ein paar Tage nicht gesehen und schon kam es mir vor, als sein wir monatelang voneinander getrennt gewesen. Es fiel mir schwer sie loszulassen, den Kuss zu unterbrechen. Ich war süchtig nach diesem Gefühl, süchtig nach dem, was es in mir auslöste und süchtig nach ihr. „Nicht so stürmisch“, hauchte sie, drückte ihre Hand gegen meine Brust und brachte mich dazu, innezuhalten. Ich blinzelte und realisierte, dass ich kurz davor gewesen war, sie auf die Couch zu navigieren. Verlegen und mit leicht geröteten Wangen wich ich zurück. „Oh, tut mir leid.“ Sie kramte in ihrer Umhängetasche und holte eine Schüssel heraus. „Ich hab dir was von der Arbeit mitgebracht.“ „Uuiiiiiiiiiiiii!“ „Rinderfilet“, sagte sie grinsend, während ich es voller Vorfreude auf einen Teller packte und aufwärmte, und sah sich ein wenig im Wohnzimmer um. „Schläft die Kleine?“ „Ja, wie ein Stein“, antwortete ich, umarmte sie von hinten und bettete meinen Kopf auf ihrer Schulter, als sie eines der eingerahmten Bilder von der Kommode nahm, um es eingehender zu betrachten. Es zeigte Titi im Alter von ein paar Monaten, wie sie gerade selbstständig sitzen konnte und breit und absolut zahnlos in die Kamera lachte. „Sie ist so goldig, wenn sie lacht. Und dieses kleine Stirnband mit Schleifchen passend zu dem rosa Kleidchen.“ „Hehe, soll ich dir verraten, wessen Idee diese Kombi war?“ „Vivis? Oder ist das auf Dadans Mist gewachsen?“, fragte sie und drehte den Kopf zu mir, um meine Reaktion zu sehen. Ich grinste sie breit an. Wie falsch sie doch lag. „Rate weiter.“ Ihr Gesichtsausdruck wechselte von unsicher auf irritiert. „Ace? Ne, oder? Aber jetzt wo du es sagst, wundert mich das gar nicht mehr“, lachte sie und blickte noch einmal auf das Foto und stellte es wieder an seinen Platz. „Sie ist ja auch schließlich seine kleine Prinzessin.“ Ich küsste ihren Hals, löste mich von ihr und ließ mich aufs Sofa fallen. „Wir lieben sie alle, aber er wohl am meisten. Finde ich immer noch unfassbar, wenn ich an seine anfängliche Reaktion denke.“ „Hm“, seufzte Nami. Ich wusste, dass sie Vivi damals beigestanden und so manches Tränchen getrocknet hatte. Ihr Blick schweifte zum nebenstehenden Bild und sorgte dafür, dass das Nachdenkliche wieder aus ihrem Gesicht verschwand. „Das Foto ist auch so schön“, sagte sie nach einer Weile, die sie es stumm gemustert hatte, und setzte sich neben mich, um es mir zu zeigen. „Ihr seht alles so glücklich aus und guck mal, Dadan weint ja sogar vor Freude!“ „Vielleicht weint sie auch aus Frust, weil Ace an dem Abend noch zu ihr gesagt hat, sie sähe in dem Glitzerpulli wie eine Christbaumkugel aus. Und dann hat er sie gefragt, ob es den auch in ihrer Größe gab.“ Nami verkniff sich ein Lachen. „Die Gute hatte es aber auch nie leicht mit euch.“ „Was heißt denn mit euch? Ace hat sie doch die ganze Zeit geärgert und ihr solche Sachen an den Kopf geworfen, nicht ich“, verteidigte ich mich spaßeshalber, wobei es den Tatsachen entsprach, denn im Gegensatz zu Ace hatte ich Dadan tatsächlich nie wegen ihres Gewichts oder ihrer schlechten Geografiekenntnisse aufgezogen, selbst wenn er es niemals ernst gemeint hatte. Aber es waren schon fiese Sachen gefallen, auch wenn ich Fleischwurst im Tütü und Schmalzgrab noch heute spitze fand. Das Piepen der Mikrowelle riss mich aus meinen Gedanken. Fast hätte ich das Essen vergessen! Ich stürzte vom Sofa, eilte zur Küche und holte den heißen Teller heraus, den ich in meinen Fingern hin und her jonglierte, um mir nicht die Pfoten zu verbrennen. „Willst du was trinken, Nami?“ „Was habt ihr denn?“ Neugierig warf sie einen Blick mit in den Kühlschrank hinein. „Oh Rosentee! Darf ich den haben?“, sie hörte sich an wie ein kleines Mädchen, das sich Bonbons aussuchen wollte. Ich hob die Schultern. „Klar, bedien dich.“ Freudestrahlend fischte sie die Dose aus der Kühlschranktür, öffnete sie und setzte sich an den Tisch, nachdem sie einen Schluck genommen hatte. Ich nahm neben ihr Platz und genoss das Essen richtig. Der erste Happs seit Stunden fühlte sich an wie eine Erlösung. Über den ganzen Stress hatte ich total Vergessen, wie hungrig ich eigentlich war, dafür rächte sich mein Magen nun doppelt. „Hey, schling nicht wie so ein Alligator, Ruffy!“, wies Nami mich zurecht, setzte die Dose wieder an und schielte prüfend immer wieder zu mir herüber, wirkte aber nicht annähernd so wütend dabei, wie zu Schulzeiten, wo sie mir in der Cafeteria regelmäßig Kopfnüsse spendiert hatte, wenn meine Tischmanieren ihr zuwider waren. „Es schmeckt einfach zu gut!“ Nami stützte das Kinn auf dem Handrücken ab. „Ich weiß. Unser Restaurant ist nicht umsonst das Beliebteste im Viertel.“ Ich schluckte herunter. „Ich glaube, das liegt aber nicht nur am Essen“, sagte ich zwischen zwei weiteren Happen und sorgte für Stirnrunzeln bei Nami, die die Dose wieder ergriff. „Wie meinst du das?“ „Du, Vivi und Nojiko im Service? Glaub mir, es kommen einige Leute nur zum Trinken und so eine ausgefallene Getränkeliste oder günstige Preise habt ihr ja auch nicht. Ace sagt das auch.“ Umgehend schlich sich ein freches Grinsen auf ihre Lippen. „Dass ich das mal sagen würde, aber damit hast du vollkommen recht.“ „Ich hab immer recht!“ „Übertreib es nicht, Ruffy, okay?“, sagte Nami, warf mir einen gespielt ermahnenden Blick zu und wandte sich blitzschnell herum, als sie das Knarren der Tür hörte. „Papa? Mama?“, rief Titi, tapste durch den Raum und kam auf mich zu, nachdem sie mich am Tisch entdeckt hatte. „Luffi!“ „Bist du schon wieder aus dem Bett geklettert?“ Sie streckte die Arme aus, kletterte auf meinen Schoss und kuschelte sich an meinen Arm, bevor sie hochschaute. Absolut niedlich, aber mir wollte der Gedanke dennoch nicht aus dem Kopf, dass sie sich bei dieser Kamikazeaktion irgendwann noch das Genick brach. „Wo ist Papa?“, fragte sie statt mir zu antworten und fügte, ehe ich ihr antworten konnte, hinzu. „Wo ist die Mama?“ „Die sind nicht hier. Sind beide im Krankenhaus, kommen aber bestimmt morgen wieder.“ Ihre Wangen blähten sich auf und ihre Augen wurden feucht, während sie ihre Hände in meinem Ärmel verkrallte. „Mama! Mama suchen!“ „Morgen kannst du sie besuchen. Aber jetzt ist es viel zu spät, du müsstest längst schlafen“, sagte ich, streichelte ihren Rücken und legte den Kopf auf ihren. „Wenn du schläfst, vergeht die Zeit viiiiiel schneller.“ „Oh, kann ich irgendwas tun?“, flüsterte Nami. „Ja, kannst du ihr ein Glas Wasser geben?“ „Natürlich.“ Sie öffnete den Küchenschrank, holte einen kleinen Becher hervor und füllte ihn mit Wasser, ehe sie ihn Titi reichte. Zunächst weigerte sie sich, trank dann aber doch ein bisschen. „Titi-chan, du musst doch nicht weinen“, versuchte Nami sie zu beruhigen und strich über ihre Wange, während sie den Becher fest in ihren Händchen hielt, „wir sind doch auch noch hier. Was meinst du, soll ich dir was vorlesen?“ „Vorlesen?“, wiederholte sie und schien den Grund ihrer Traurigkeit langsam zu vergessen. Nami nickte. „Ja, komm wir suchen uns ein Buch aus“, sagte sie, fasste Titi an der Hand, nachdem ich sie abgesetzt hatte, und ließ sich von ihr zu dem Regal im Wohnzimmer führen, wo sie sich sofort ein dickes Buch aus dem untersten Brett schnappte. „Pass auf!“ Nami gelang es gerade noch rechtzeitig zu verhindern, dass Titi das Buch auf die Füße fiel. Sie las den Titel und ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Märchen aus tausendundeiner Nacht. War ja klar, dass Vivi das besitzt...Komm, Titi, setzen wir uns aufs Sofa.“ „Ja!“ „Warte mal“, unterbrach ich die beiden. Nami hatte es sich bereits bequem gemacht und Titi war dabei zu ihr aufs Sofa zu klettern – warum konnte dieses Mädchen so gut klettern? -, hielt jedoch inne, als sie meine Stimme hörte. „Titi, bevor Nami dir vorliest, zieh ich dir erst mal einen Schlafanzug an und die Zähne müssen wir auch noch putzen.“ „Nein“, quietschte sie und drückte ihr Gesicht in die Polster. „Will nicht!“ „Was meinst du, wie weh dir die Zähne tun, wenn du sie nicht mehr putzt?“ „Hör auf deinen Onkel, der kennt sich mit so was aus“, scherzte Nami und spielte offensichtlich auf einen Vorfall aus der Schulzeit an, als ich nach dem Biss in eine Kirschtasche vor Schmerzen fast krepiert wäre. „Haha, Fräulein Colgatelächeln, danach ist mir das aber nicht noch einmal passiert“, ich streckte ihr die Zunge entgegen und erfasste Titis Hand. „Nein, Nami“, weigerte sie sich. „Soll Nami mit dir gehen?“ „Jaaaa!“ „Okay, dann gehen wir jetzt ins Badezimmer, Titi“, sagte Nami lächelnd, packte sie an der Hand und drehte sich kurz vor der Tür zu mir. „Die Zahnbürste ist im Spiegelschrank, Zahnpasta auch und den Schlafanzug hol ich dir.“ „Danke“, sie hockte sich vor Titi, „wollen wir doch mal sehen, wer besser Zähne putzen kann, ich oder Ruffy.“ Während die beiden im Badezimmer verschwanden, holte ich einen frischen Schlafanzug aus dem Schlafzimmer. Hoffentlich musste Nami nicht denselben Kampf ausfechten, den ich sonst immer mit Titi abends führte. Ich spitzte die Ohren doch ich konnte sie weder weinen noch jammern hören. Scheinbar konnte sie sich bei Nami benehmen. Ich klopfte an der Tür. „Luffi, nich gucken“, rief Titi. „Ich gucke nicht, versprochen!“ Die linke Hand vor den Augen öffnete ich mit der rechten die Tür und reichte den Schlafanzug rein. Das Nicht-gucken-Ritual kannte ich nur zu gut, ich glaube, das konnte sich wirklich jeder anhören, sogar Vivi. „Danke“, kam es von Nami, „oh wie süß, da sind ja kleine Kätzchen drauf, Titi.“ „Nich gucken, Nami!“ „Hab gar nichts gesehen!“, beteuerte sie und schloss die Tür. Zwar hatte ich ursprünglich vorgehabt den Abend allein mit Nami zu verbringen, aber es hätte gewiss keinen guten Eindruck auf sie gemacht, hätte ich Titi einfach wieder ins Bett geschickt, um sie für mich allein zu haben. Sie hatte es sich zusammen mit Titi auf dem Sofa gemütlich gemacht, natürlich mit Decke, während mir bloß der Sessel blieb. Nami konnte wirklich gut vorlesen. Ihre Stimme war so leise und hatte etwas überaus Beruhigendes an sich, wie ich es sonst nur selten von ihr gewohnt war, doch es brachte mich dazu, ihr selber gespannt zuzuhören. Ich gab meine sitzende Position auf, legte die Beine über die Lehne des Sessels und stützte den Kopf mit einer Hand ab, während meine Augenlider immer schwerer wurden. „Ruffy? Ruffy, schläfst du?“, vernahm ich Namis Stimme, gähnte und blinzelte, bis ich sie vor mir stehen sah, Titi auf dem Arm haltend. „Ich hab nur meine Augen ausgeruht“, kam es instinktiv von mir, bevor ich mich aus dem Sessel schälte und Titi betrachtete. „Ist sie eingeschlafen?“ Namis Gesicht nahm einen schelmischen Ausdruck an. „Zeitgleich mit dir“, erwiderte sie. „Wobei die Geschichte doch gar nicht so langweilig war.“ „Das stimmt. Aber deine Stimme war so beruhigend, das kennt man so gar nicht“, gähnte ich, streckte die Arme aus und zuckte zusammen, als ich einen Schlag auf meinen Hinterkopf spürte. „Ach ja? Was soll das denn wieder heißen?!“ „Nur, dass du sonst nicht so leise sprichst“, rechtfertigte ich meine Aussage, rieb die schmerzende Stelle und prüfte, ob Titi trotz des lauten Fauchens weiterhin schlief. Sie rümpfte leicht die Nase, ihre Lider bewegten sich flüchtig, doch die Augen blieben geschlossen. Nami wirkte ein wenig beschämt, obgleich es eher daher kam, dass sie Titi fast wieder geweckt hätte. Bevor sie die Gelegenheit dazu bekam, brachten wir sie in ihr Bettchen und Nami konnte sich an dem Anblick gar nicht sattsehen. „So süß...“ Obwohl ich mir den Abend ganz anders vorgestellt hatte, musste ich in gewisser Weise zugeben, dass es trotz der häufigen nervenaufreibenden Situationen hin und wieder auch sehr schön war, ein Kleinkind um sich zu haben. Ich wusste das Ganze nicht mehr zu schätzen oder achtete nicht mehr verstärkt darauf, aber Nami war noch völlig in dem Bann des Unbekannten, der Faszination, die von diesem kleinen Wesen ausging, das uns auf eine seltsame Art und Weise half, uns selber besser zu verstehen. Nami drehte sich herum, schmiegte sich an mich heran und malte mit ihrem Finger Kreise auf meinem Oberarm. „Ich würd'mich jetzt auch gerne hinlegen... Was ist mit dir?“, fragte sie, blickte zu mir und hauchte mir einen zaghaften Kuss auf die Wange. Wieder begann es heftig in mir zu kribbeln und die tollsten Bilder erschienen in meinem Kopf. Unfassbar, was eine einzige kleine Berührung alles auslösen konnte, welche Wellen sie schlug und alles veränderte. Meine Knie wurden weich, mein Hals trocken und in meinen Ohren hörte ich das Blut rauschen. Ich konnte nicht anders als ihr zuzustimmen, wobei ich mich fragte, ob ich mich jemals zuvor so schnell ausgezogen und ins Bett gelegt hatte. Nami suchte den Blickkontakt zu mir, während sie ihr Shirt abstreifte und den Reißverschluss ihres Rocks langsam herunter zog. Ihre Unterwäsche jedoch behielt sie an, störte sich nicht an meinen Blicken, die über ihren ganzen Körper wanderten, und schien sie eher noch zu genießen, als würde sie aus jedem Einzelnen Bestätigung ziehen. Dabei war gerade sie doch die Letzte, die das bräuchte. Vielleicht waren meine Ansichten nicht gerade objektiv - wenn es überhaupt eine rein objektive Sicht der Dinge geben konnte -, aber es gab in meinen Augen keinen einzigen Makel an Namis Äußerem. Für mich war sie perfekt. Es war perfekt, wie ihre Haare in Locken über ihre Schultern fielen, wie ihr Busen geformt war, wie ihre schmale Taille in die breiten Hüften überging, die sie erst so richtig weiblich machten. Sie lächelte fast ein wenig schüchtern, bevor sie sich zu mir legte, meine Arme um sich positionierte und dabei ihre Finger mit meinen verknotete. Ihr Atem war leise, doch spürte ich ihn als warmen Hauch an meinem Hals, der mich dazu anstachelte, mehr aus dieser Situation zu machen... Wie jeden Morgen wurde ich vom nervigen Klingeln meines Handys unsanft aus dem Schlaf gerissen und brauchte erst mal eine Weile, bis ich es fand - was nicht zuletzt daran lag, dass ich mit meiner Hand lieber Namis Körper erkundete, als nach dem blöden Ding zu suchen. Rasch stellte ich den Wecker aus, nachdem ich die Lampe auf meinem Beistelltisch angestellt und das Handy endlich entdeckt hatte. „Guten Morgen“, nuschelte sie, schlug verschlafen und nur halb die Augen auf und kuschelte sich sofort wieder an mich, nachdem sie sich die Nacht aus meinem Griff gelöst oder ich mich weggedreht hatte. „Wie spät ist es?“ „Sieben Uhr“, antwortete ich, küsste ihre Stirn und streichelte über ihre Hüfte. Allein das Gefühl ihrer weichen Haut reichte aus, um das Verlangen wieder neu zu entfachen. Wie eine Droge, die ewig nach einem rief. Nami blinzelte, strich sich die leicht zerzausten Haare aus dem Gesicht und zog die Decke hoch. „Noch so früh? Stehst du immer um die Zeit auf?“ „Nein, ich stelle dann meistens wieder auf Schlummern und schlaf' dann noch bis acht oder so“, antwortete ich ihr, woraufhin sie nur stöhnte und die Augen wieder schloss. „Ruffy?“, unterbrach Nami das Schweigen zwischen uns und richtete sich leicht auf, sodass das Licht meiner Tischlampe auf ihren Rücken fiel und ihr Gesicht in Schatten hüllte. „Hm?“ Ich wandte den Kopf zu ihr und stützte mich auf meinem Ellbogen ab. Selten hatte ihre Stimme eine derartige Tonlage gehabt, ich konnte nicht sagen, ob sie traurig, nachdenklich oder verlegen war. Es hätte alles sein können und das ließ mir doch ein wenig mulmig werden. „Darf...darf ich dich mal was fragen?“ „Ja, klar?“ Aufregung machte sich in mir breit, ließ unzählige Fragen aufkommen und doch hörte sich jede Einzelne falsch an. Immerhin kannte ich Nami in dieser Beziehung noch nicht lang genug, um sagen zu können, wie sie reagieren oder was sie sagen würde. Ihre Zähne blitzten für einen kurzen Moment in einem kleinen Lächeln auf. „Wann kommt dein Bruder eigentlich wieder nach Hause?“ Hatte ich mich bis vor einer Sekunde noch im Halbschlaf befunden, war ich auf der Stelle hellwach. „Fuck! Das hab ich ja total vergessen“, sagte ich, sprang aus dem Bett und lugte vorsichtig zur Tür hinaus, umzuprüfen, ob Ace schon zurückgekehrt war. Die Luft schien noch rein zu sein. „Schnell“. Scheuchte ich Nami auf die Beine, die sich am liebsten wieder in die Decken gehüllt und weitergeschlafen hätte. Stattdessen murmelte sie Flüche, während sie ihre Habseligkeiten einsammelte. Ich konnte mir bei ihrem Anblick ein Schmunzeln nicht verkneifen, obwohl ich früher immer die Augen gerollt hatte, wenn sie die Diva spielte. „Oh Nami“, säuselte ich ihr von hinten ins Ohr, nachdem ich die Arme um sie geschlungen hatte. „Du wusstest doch, dass das bloß eine kurze Nacht wird.“ Sie ließ die Schultern hängen, zuckte erschrocken zusammen und ihr Kopf flog förmlich zu mir herum, als die Wohnungstür plötzlich knarrte. Ich hielt mir den Zeigefinger an die Lippen und wartete eine Zeit, bis ich flüsterte: „Warte hier.“ „Aber“, wollte Nami einwenden, als ich ihr die Hand auf den Mund presste, was ihr die Zornesröte ins Gesicht steigen ließ. „Willst du das gleich alles auffliegt?“, fragte ich sie, woraufhin die Verbissenheit aus ihren Zügen wich und sie schwach den Kopf schüttelte. „Ruffy? Bist du wach?“ Ich kniff die Augen zusammen, verzog den Mund und seufzte leise. Das konnte ja heiter werden. „Ja, ich komme sofort. Zieh mich nur noch schnell an“, antwortete ich Ace, ehe ich mich fast geräuschlos an Nami wandte. „Ich versuche ihn in der Küche festzuhalten und du schleichst dich dann langsam raus, okay?“ Sie nickte, hielt ihre Klamotten fest in den Händen und küsste mich flüchtig, bevor ich das Zimmer verließ. Hoffentlich ging das gut. „Hey Kleiner. Alles klar bei dir?“, begrüßte er mich, nachdem er aus dem Schlafzimmer gekommen war und sein Hemd zu knöpfte. Allem Anschein nach schlief Titi noch. Sehr gut, dann konnte sie wenigstens nicht den Plan in letzter Sekunde zunichtemachen. Ich hob die Schultern an. „Ja, was sollte schon sein?“, stellte ich die Gegenfrage, folgte ihm in die Küche, wo die Kaffeemaschine bereits durchgelaufen war, und versuchte geschickt vom Thema abzulenken. „Wie geht es Vivi denn? Schon besser?“ „Im Vergleich zu gestern auf jeden Fall. Sie hat fast die ganze Nacht tief und fest geschlafen und hat auch alles gegessen, was ihr vorgesetzt wurde. Okay, ich musste sie schon dazu drängen, aber sie hat nichts übrig gelassen“, erzählte er und klang sogar ein wenig glücklich dabei, während er zwei Tassen aus dem Schrank holte, Kaffee in sie hinein goss und mir eine reichte, die ich kurz musterte, bis ich es wagte, einen Schluck ohne Zucker zu nehmen. Großer Fehler. „Ich denke, morgen oder übermorgen kann sie auch wieder nach Hause“, er seufzte kurz, „dass es aber auch erst so weit kommen musste, bis sie mal was sagt.“ „Na ja, so war Vivi doch schon immer“, entgegnete ich, zwang mich zu einem weiteren Schluck Kaffee, um kein Misstrauen bei Ace hervorzurufen, und unterdrückte den Würgereiz. Wie konnte es Leute geben, die das Zeug literweise soffen – und dass ohne Zucker?! „Hoffentlich hat sie daraus jetzt gelernt und frisst nicht wieder allen Kummer in sich hinein...Oder ich muss einfach mehr darauf achten, wie es ihr wirklich geht. Meinst du, ich war zu nachlässig?“ Obwohl ich es schon einige Male gesehen hatte, wirkte Aces ernstes Gesicht immer so fremd und hart, dass ich kaum imstande war, ihn länger anzusehen. Als stände ein völlig anderer Mensch vor einem. „Das ist doch Quatsch“, sagte ich frei heraus, was ich dachte, während ich hinter Ace Nami auf Zehenspitzen zur Tür schleichen sah. „Du hast doch schon alles dir Mögliche getan und dich um sie gekümmert. Ich bin mir manchmal ehrlich nicht sicher, ob andere genauso reagiert hätten wie du. Von daher hast du keine Schuld daran, wie ich finde.“ Schwach hoben sich seine Mundwinkel, er senkte den Blick und nahm einen Schluck Kaffee. „Hey Nami.“ Ertappt und fassungslos blickte ich ihn an. Woher? Auch in Namis Gesicht stand Fassungslosigkeit geschrieben, als sie die Arme hängen ließ und plötzlich einfach sagte: „Aber du hast mich doch gar nicht gesehen!“ Ace lachte, stellte die Tasse ab und schnappte sich die Schüssel, die Nami gestern mitgebracht hatte. „Meinst du, ich hätte mich noch nie irgendwo rausgeschlichen? Und außerdem hast du Spuren hinterlassen. Beweisstück A“, sagte er mit dem Ton eines Fernsehermittlers und deutete auf den Sticker am Boden. „Ganz schön dumm Plastikware mit deinem Namen drauf in fremden Küchen stehen zu lassen. Erst recht, wenn es eine Küche ist, in der immer nach Essbarem gesucht wird!“ Dieser trockene Ton und die Überzeugung, die sich darin fand, fehlte bloß noch, dass er eine Zigarette oder Pfeife im Mundwinkel hatte. „Beweisstück B: Ruffy ist nie so früh wach und ansprechbar. Ich dachte mir gleich, dass hier irgendwas faul sein muss und dann fand ich auf der Couch Beweisstück C, deine Lederjacke. Es war eindeutig, dass sie nur dir gehören kann, Vivi hasst Leder.“ „Scheiße, daran habe ich gar nicht mehr gedacht“, stöhnte Nami, ließ ihre Stiefel fallen, kam zu uns und bekam von Ace ebenfalls eine Tasse Kaffee in die Hand gedrückt, während ich meine vor lauter Nervosität beinahe fallen ließ. Die beiden wirkten so gelassen, wenngleich die Situation alles andere als locker war, und mich graute es schon vor all den neugierigen Fragen, die Ace mir stellen würde. Doch stattdessen klopfte Ace mir bloß auf die Schulter, zwinkerte, was mich völlig aus dem Konzept brachte, und stellte die Tasse in die Spüle. Wahrscheinlich hätte er mir am liebsten eine Bro-Fist gegeben, doch vor Nami käme das äußerst unpassend. „Ich bin auch schon wieder weg, hol nur noch schnell den Krümel und ihre Sachen“, sagte er und verabschiedete sich von uns. Nicht wissend, was zu sagen war, standen Nami und ich einander gegenüber starrten Löcher in die Tassen und blieben wie zur Salzsäule versteinert, bis Ace mitsamt Titi, die weiter auf seinem Arm schlief, die Wohnung verließ. „War ja klar, dass das nicht lange gut gehen konnte“, merkte ich überflüssigerweise an, doch die Stille zwischen uns war für mich inzwischen unerträglich geworden. Nami nickte, leerte die Tasse und schenkte sich ein wenig aus der Kanne nach. „Aber es hat eine gute Sache.“ Ich neigte den Kopf, während Namis Mund ein Lächeln zierte. „Ace wird es nur Vivi erzählen und ich meine, die beiden dürfen es doch wohl wissen. Immerhin ist Vivi meine beste Freundin“, versuchte Nami das Beste aus der Situation zu machen und entlockte mir ein Lachen. „Ja, für dich ist das eine gute Sache, Vivi quetscht dich ja auch nicht aus wie eine Zitrone!“ „Ich glaube, du kennst wirklich nur ihre liebe, geduldige Seite“, deutete Nami spöttelnd an, warf sich eine Locke über die Schulter und lehnte sich gegen die Küchenzeile. „Aber auf der Arbeit ist sie teilweise ganz anders.“ Sie hob vielsagend eine Braue an und kicherte amüsiert über mein ratloses Gesicht, das gewiss ziemlich dämlich aussehen musste. Um ehrlich zu sein, hatte ich keine direkte Ahnung, was sie damit hatte andeuten wollen, oder ob sie mich einfach an der Nase herumführte. Klar, wusste ich, dass Vivi auch mal aus der Haut fahren konnte und einen ziemlichen Dickkopf besaß. Vielleicht spielte Nami auch gar nicht darauf an, eine dunkle Ahnung beschlich mich dennoch, doch wollte ich der nicht nachgehen. Man musste nicht alles wissen. „Wie du meinst“, ich probierte äußerst gelassen zu wirken, stellte die Tasse in die Spüle und suchte im Kühlschrank nach Essbarem, „es ist ja nicht so, dass ich mich für die Sache schämen würde. Ich hatte nur keine Lust, von den beiden regelrecht verhört zu werden. Es grenzt schon an ein Weltwunder, dass Ace einfach so gegangen ist und nicht einen blöden Kommentar oder eine Frage hat fallen lassen.“ „Mach dir keine Gedanken das kommt bestimmt noch“, sagte Nami grinsend und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. „Ich geh dann auch mal nach Hause, ruf mich doch heute Abend mal an.“ Sie umarmte mich flüchtig, schlüpfte in ihre Stiefel und warf mir von der Tür aus einen Luftkuss zu, bevor sie verschwand und mich allein zurück ließ. Ich rieb mir die Nasenwurzel, lehnte mich gegen den Küchenschrank und stieß hart die Luft zwischen den Zähnen heraus. Das versprach, ein toller Tag zu werden. In den Augen anderer mochte ich hemmungslos übertreiben oder völlig überzogen auf so etwas reagieren, nur war es mir einfach total unangenehm, Liebesdinge mit meinem Bruder zu besprechen. Alles andere war kein Problem, aber nicht dieses Thema! Ich kam mir jedes Mal so seltsam vor und wünschte mir im Boden zu versinken, wenn er damit anfing, begann mich auszufragen, welche Erfahrungen ich denn hätte. Doch vor allem wollte ich nicht wissen, was er mit Vivi machte und wie. Mein Kopfkino funktionierte leider viel zu gut. Ich seufzte und schnappte mir was Essbares, bevor ich im Bad verschwand.Wenigstens die Uni würde mich für eine Weile ablenken können. Kapitel 17: *Bonus-Ace-Kapitel* ------------------------------- Kaum hatte ich mir den Krümel und ihre Sache geschnappt, verließ ich auch schon wieder die Wohnung. Ich hatte mich schwer zusammenreißen müssen, um nicht zu grinsen. Weswegen genau konnte ich nicht einmal sagen. Ruffys Gesicht, nachdem er aufgeflogen war, oder die Tatsache, dass Vivi die ganze Zeit mir ihrer Vermutung recht gehabt hatte und ich nun den Beweis dafür hatte. Tja, wenn Nami nie gelernt hatte, sich irgendwo rauszuschleichen, dann konnte ich schließlich am wenigsten dafür. „Papa? Mama suchen“, sagte Titi und wurde zunehmend ungeduldig. „Ja, wir gehen doch jetzt zu ihr.“ Ihr Gesicht hellte sich auf. „Mama suchen!“ Ich rang mir ein Lächeln ab, schob den Schultergurt der Tasche zurecht und stieg die Treppen des Hausflurs hinunter. Es beruhigte mich, dass Titi die Situation wohl nicht so sehr mitnahm, wie ich befürchtet hatte, dennoch nagte das schlechte Gewissen an mir. Offensichtlich hatte ich Vivi vor allem mit meinem Verhalten in den letzten Monaten überfordert. Anders konnte ich es mir nicht erklären. Natürlich war es nie wirklich einfach gewesen, doch schien sie es bis zu einem gewissen Punkt gut zu verkraften. Wahrscheinlich war sie Stress und Sturheit von zwei Seiten gleichzeitig einfach nicht gewachsen. Ich seufzte und stieg in die gerade angekommene U-Bahn ein. Mir wäre es sicherlich nicht anders gegangen, aber sie ist nun einmal ganz anders als ich. Sicherlich wäre mir schon viel früher der Kragen geplatzt und ich hätte meinem Ärger Luft gemacht. Sie nicht. Ansonsten wäre es wohl nie soweit gekommen. Die meisten Vorwürfe aber machte ich mir, weil ich von alledem nichts gemerkt und angenommen hatte, sie regle das schon. Zwar hatte ich ihr oft genug gesagt, sie solle sagen, wenn sie etwas störte, doch inzwischen hätte ich es besser wissen müssen. Wissen müssen, dass sie eben [i"]nie etwas sagte oder sich beschwerte. Manchmal verfluchte ich meinen Dickschädel. Titi blubberte einige mir unverständliche Wörter vor sich hin und fummelte dabei am Reißverschluss ihrer Jacke. „Hey, pass auf, gleich klemmst du dich ein.“ War ja schließlich schon oft genug vorgekommen, dass sie das geschafft hatte. „Ga nich“, protestierte sie und streckte mir die Zunge entgegen. Das Spiel konnte sie haben, ich hab es schließlich erfunden! Die irritierten und teils skeptischen Blicke der anderen Leute im Abteil ignorierend lieferten wir uns eine ganze Weile ein Fratzenduell, bis Titi sagte: „Mir is langweilig!“ „Was meinst du, wie oft mir langweilig ist?“ Natürlich bekam ich keine andere Antwort auf diese Frage als: „Mama suchen!“ Ich gab auf, eine Diskussion wäre bloß Zeit- und Nervenverschwendung. Zum Glück hatten wir unser Ziel endlich erreicht. So früh am Morgen waren die Gänge des Krankenhauses noch leer. Kein Wunder, die offizielle Besuchszeit begann schließlich erst am späten Vormittag. „Mama, Mama, Mama, Mama, Mama“, kam es wie in einer Endlosschleife von Titi, seitdem wir das Krankenhaus betreten hatten, und stoppte auch nicht, als wir vor ihrem Zimmer angelangt waren. „Willst du anklopfen?“ „Jaaaa!“ Ich beobachtete eine Weile, wie Titi mit ihren Patschehändchen gegen die Tür haute und wollte ihr gerade sagen, dass Vivi das doch nicht hören konnte, als von der anderen Seite ein „Ja, bitte“ zu hören war. Kaum dass ich die Tür geöffnet hatte, stürmte sie geradewegs auf Vivi zu, die gar nicht so schnell gucken konnte, wie Titi zu ihr gekrabbelt kam. „Das ging aber schnell“, sagte sie, bevor ich sie zur Begrüßung küsste. „Ja, hab mich extra beeilt, nur für dich“, sagte ich grinsend und rückte den Stuhl näher ans Bett. „Obwohl zu Hause ja auch einiges los war.“ Vivi runzelte die Stirn. „Ist was mit Ruffy?“ „So kann man das jetzt nicht sagen“, deutete ich an und merkte, wie Titi an meinem Ärmel zupfte. „Papa, ich will auch!“ „Was willst du? Das erzählen oder einen Kuss?“ „Kuss.“ „Kriegst du, Prinzessin, aber einen richtig feuchten Dadan-Schmatzer!“ „Ihh“, kicherte sie, als ich sie im Klammergriff an mich presste und einen Kuss auf ihre Wange drückte. „Kein Dadan-Schmatzer.“ Sie wischte über ihre Wange. „Du hast es so gewollt.“ „Ace, musst du es immer so übertreiben?“, fragte Vivi gespielt belehrend. „Irgendwann traumatisierst du sie noch.“ „So ein Unsinn, ich musste das schließlich jahrelang über mich ergehen lassen…“ „Und wir sehen ja, was aus dir geworden ist.“ „Hahaha, Dr. Freud“, erwiderte ich und zwickte Vivi in die Seite, weil ich genau wusste, wie kitzelig sie dort ist. „Erzähl mir lieber, was mit Ruffy ist“, lenkte sie ab. Ich ließ den Blick aus dem Fenster wandern. „Ich weiß echt nicht, ob ich dir das jetzt noch erzählen soll…“ „Jetzt mach es doch nicht so spannend, Ace“, sagte Vivi, beugte kurz auf die andere Seite des Bettes und nahm etwas von dem nebenstehenden Tisch. „Guck mal, ich hab dir auch den Pudding vom Frühstück aufbewahrt.“ „Solltest du den nicht besser selber essen?“ „Den gibt es zu jedem Essen und ich kann ihn jetzt schon nicht mehr sehen. Außerdem wette ich, dass du heute noch nichts gegessen hast.“ „Als wäre ich so abhängig vom Essen“, sagte ich, doch mein Magen bewies mir mit einem lauten Grummeln das Gegenteil. Vivi lachte und hielt mir einen Löffel entgegen. Sie kannte mich einfach zu gut. „Sage ich dir eigentlich oft genug, dass ich dich liebe?“ „Nein, ich glaube nicht“, sie schielte provokant zu mir herüber, sodass ich den Löffel mitsamt Pudding erst mal zur Seite stellte. Hatte ich mich da etwa verhört? „Wie bitte, Fräulein?“ „Du hast mich schon verstanden.“ Da lag sie schon im Krankenhaus und provozierte noch weiter. Typisch Vivi, ihren Humor verlor sie immer zuletzt. „Pff, wenn das so ist“, ich verschränkte die Arme vor der Brust, „dann esse ich die Schoko-Hörnchen, die ich vorhin noch für dich gekauft habe, selber. Oder geb‘ sie Ruffy, der wäre wenigstens dankbar!“ „Schoko-Hörnchen!“, freute sich Titi und begann gleich damit jeden Winkel nach besagten Teilchen abzusuchen, selbst unter der Decke sah sie nach. Dementsprechend enttäuscht war ihr Gesicht, als sie nichts fand. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, ihrem Welpen-Blick nicht immer nachzugeben, aber als nebst großen Kulleraugen auch noch ihre Unterlippe zu zittern begann, konnte ich nicht mehr widerstehen. Ich zog die Tüte mit den Hörnchen aus der Tasche. Ihre Stimmung hellte sich auf. „Wie heißt das Zauberwort?“ „Bitte, Papa.“ Vivi nahm meine Hand und streichelte sie. Auf ihren Lippen lag ein schwaches Lächeln. „Danke, dass du noch vorbeigekommen bist. Es ist zwar nur noch heute und morgen, aber ich vermisse es so, zu Hause zu sein. Am schlimmsten ist, dass ihr nicht hier seid.“ „Vivi, ich…“, wollte ich einwenden, sie seufzte und drückte meine Hand etwas fester. Wieder fühlte ich dieses Schuldgefühl an mir nagen. „In gewisser Weise bin ich es ja auch selbst schuld“, murmelte sie, ich schluckte. Das war sie gewiss nicht. Jeder von uns trug eine gewisse Schuld an der jetzigen Situation. „Red‘ doch nicht so einen Stuss“, sie sah mich mit großen Augen an. „Natürlich hättest du den Mund aufmachen und was sagen können. Aber…“ Der Satz lag mir auf der Zunge, aber es viel mir unglaublich schwer, Vivi gegenüber einzugestehen, was ich mir selber längst bewusst war. „Aber wer sagt, dass es dann anders gelaufen wäre? Ich bin manchmal einfach zu dickköpfig.“ „Ace…“ Meine Mundwinkel zuckten, aber ich war außer Stande noch etwas zu sagen. Zumindest etwas, das ausgesprochen nicht total hirnrissig klang. Vivi richtete sich ein wenig auf, rückte näher zu mir heran und streichelte mit der anderen Hand über meine Wange. „Einigen wir uns darauf, dass wir es erst gar nicht mehr so weit kommen lassen, okay?“ „Einverstanden“, sagte ich, stand auf und beugte mich über sie, um sie zu umarmen. „Ich auch, ich auch“, quengelte Titi, bis wir sie in die Umarmung mit einschlossen. „Kommst du später noch mal vorbei?“ „Ja, auf jeden Fall. Soll ich dir noch was mitbringen?“ „Was zu lesen wäre nicht schlecht.“ „Dein Wunsch ist mir Befehl“, lachte ich und streichelte Titi über den Kopf. „Und du sei schön lieb, ja? Sonst gibt’s wieder Dadan-Schmatzer.“ „Nööö.“ Vivi schmunzelte. Ich küsste sie ein letztes Mal, bevor ich ging. „Ace, was ist mit dem Pudding?“ Ich hielt die Türklinke bereits in der Hand. „Iss du den mal lieber…Und Vivi?“ „Ja?“ „Ich liebe dich.“ Sie lächelte. „Ich liebe dich auch.“ Erst am Ausgang fiel mir wieder ein, dass ich Vivi ja eigentlich noch von meiner morgigen Entdeckung erzählen wollte. Aber das konnte ich auch später noch tun. Zumal sich gleich etwas anderes in mein Sichtfeld drängte, das mächtig nach Ärger aussah. „Was soll das heißen, ich kann sie noch nicht besuchen? Ich gehör schließlich zur Familie!“, donnerte Dadan der verzweifelten Frau am Empfangstresen entgegen, die bereits Schutz hinter ihrem PC-Monitor suchte. „Bitte, meine Dame, Besuchszeit ist erst in einer Stunde. Verstehen Sie doch…“ „Sieht diese Panzerfaust etwa wie eine Dame für Sie aus?!“, meldete sich nun auch Garp aus dem Hintergrund zu Wort. „Halt dich daraus, alter Mann!“ Na klasse, die doppelte Dröhnung schon am frühen Morgen. Doch noch hatten die beiden mich nicht entdeckt. Ich scannte die Umgebung nach möglichen Verstecken ab, fand außer einem Getränkeautomaten jedoch nichts Geeignetes. Kurz sah ich zu den beiden herüber, vergewisserte mich, dass sie noch damit beschäftigt waren, die arme Frau in Grund und Boden zu streiten, bevor ich einen Satz hinter den Automaten machte. Doch etwas irritierte mich. Es war ruhig, zu ruhig. Mein Herz pochte, wie damals als Dadan mich beinahe beim wieder ins Haus schleichen erwischt hatte. Zum Glück war sie damals in ihrer nächtlichen Trance direkt in die Küche gewatschelt, um sich die letzten Stücke von Ruffys Geburtstagskuchen reinzustopfen. Sollte ich es wagen, nachzusehen oder warten, bis die beiden lauthals streitend an mir vorbei stampften? Mein Blick wanderte zu der Uhr über dem Fahrstuhl. Wenn ich mich nicht beeilte, kam ich schon wieder zu spät. Anscheinend waren die beiden gegangen oder der Sicherheitsdienst hatte ihnen eine Ladung Pfefferspray für Bären in die Augen gesprüht. Ich wagte mich aus meinem Versteck heraus, niemand zu sehen, zum Glück. Doch kaum hatte ich das Krankenhaus verlassen… „Ace! Was machst du denn hier?“ Ich drehte mich um und sah Dadan neben dem Aschenbecher stehen und hektisch an ihrer Zigarette ziehen. „Ich hab keine Zeit, ich muss zur Arbeit!“ „Boah, Dadan, ich hab dir doch gesagt, dass man in der Seitenstraße nicht parken darf! Den Strafzettel kannst du mal schön bezahlen!“, polterte die kräftige Stimme meines Großvaters um die Ecke, als er neben Dadan stehen blieb und ihr ohne einen weiteren Kommentar den roten Wisch vor die Augen hielt. „Es ist dein Auto, Garp, also bezahlst du.“ „Spinnst du? Ich hab dir gleich gesagt, dass das Parken verboten ist, aber du wolltest ja nicht so weit laufen.“ Wo war ich da nur rein geraten? Am besten rannte ich, die würden mich eh nicht einholen können, vor allem nicht Dadan. Doch zu spät. „Ach, sieh mal an, musst du nicht arbeiten? Was lungerst du so früh schon hier rum?“ „Das versuche ich doch, die ganze Zeit zu sagen! Ich bin eh schon spät dran.“ „Nicht so schnell, warum hast du mir denn nicht erzählt, was mit Vivi los ist?“ „Weil ich dafür einfach keinen Kopf hatte und den jetzt auch nicht habe. Tut mir leid, aber ich werde euch ab sofort einen Newsletter schicken.“ „Was ist denn das schon wieder?“, fragte Dadan verwirrt und drückte die Zigarette im Aschenbecher aus, nur um aus ihrem Hemd eine neue zu fischen. „Alte, wie oft muss ich dir das noch erklären? Das ist eine E-Mail und die empfängt man auf einem Computer. Und ja, du hast so ein Ding zu Hause, siehst es aber nie, weil deine Katzen immer drauf rumhängen", presste Garp sichtlich genervt heraus. „Jetzt lass mal meine Katzen aus dem Spiel! Die Tierchen haben dir doch gar nichts getan!“ „Nichts getan?!“, Gramps Gesicht schwoll rot an. „Die Viecher haben mir auf die Autositze gepisst!“ „Da musst du dich nicht wundern. Die merken es halt, ob sie jemand mag oder nicht.“ „Das bezahlst du mir auch noch, dass wir uns da verstehen!“ „Du kriegst keinen Cent von mir!“, schrie Dadan und bohrte ihren Finger beinahe mitsamt der dazwischen eingeklemmten Zigarette in Garps Hemd. Aus dem Augenwinkel sah ich einen Typ vom Sicherheitsdienst aus dem Gebäude kommen, der zielgerichtet auf die beiden zuging. Meine Chance abzuhauen. „Ich ruf euch heute Abend mal an, aber jetzt muss ich echt los!“ Ohne auf den Verkehr zu achten, überquerte ich die Straße. Das wütende Hupen störte mich herzlich wenig. Gegen die beiden war das gar nichts. Ich hatte Glück und erwischte die Bahn noch. Aus dem Fenster konnte ich noch beobachten, wie Dadan und Garp auf den armen Mann losgingen und sich ausnahmsweise mal einig waren. Ich seufzte und fuhr mir durchs Haar. Jetzt fühlte ich mich genau wie Ruffy heute Morgen. Kapitel 18: Von Experimenten und neuen Erkenntnissen ---------------------------------------------------- Nachdem ich beinahe zu spät zur Physik-Vorlesung gekommen wäre, schaffte ich es zum Glück noch einen Platz neben Zorro und Lysop zu ergattern, die trotz der Ausführungen des Professors über die Unmöglichkeit eines Perpetuum mobiles (was auch immer das war), heftig diskutierten und ihre Finger fast komplett verbogen, um auf irgendetwas auf einem Zettel hinzuweisen. „Wenn ich es dir doch sage“, hörte ich Zorro eindringlich sagen, als ich mich neben die beiden setzte und den Block aus meiner Tasche kramte, sie sich jedoch nicht von mir stören ließen, „15 Fragen, jede gibt einen Punkt, das heißt, du musst mindestens fünf richtig haben, um zu bestehen.“ „Aber das macht doch gar keinen Sinn, Zorro!“, feuerte Lysop zurück, hielt sich die Stirn und fuhr erneut eine Zeile mit dem Finger entlang. „Wie sollen 40 Vorlesungen in 15 Fragen gequetscht werden? Hast du dir die letztjährige Klausur angeguckt? Oder die Probeklausur? Das waren mehr als 30 Fragen!“ „Sollte nicht eigentlich der Stoff zur Diskussion stehen?“, machte ich den Fehler mich einzumischen, als beide plötzlich an einem Strang zogen und mich anfauchten: „Du hast dich doch noch nicht mal informiert!“ Womit sie natürlich nicht ganz Unrecht hatten, ich schob solche Information immer bis zum Schluss auf, schließlich sagte mir irgendjemand jedes Mal, wie die Lage aussähe. „Wenn die Herren in der letzte Reihe ihre Aufmerksamkeit wieder nach vorne richten würden“, räusperte sich der Professor viel sagend und schenkte uns einen scharfen Blick, was Lysop in sich zusammensacken und Zorro verächtlich schnauben ließ, während ich mir ein Grinsen nicht verkneifen konnte und fleißig mitschrieb, auch wenn ich nicht wirklich was verstand. Aber ich wollte nicht noch eine Prüfung wiederholen müssen. Chemie reichte mir voll und ganz und ärgerte mich zudem genug. Es war ja nicht so, dass ich absolut keine Ahnung vom Stoff hatte, nur war diese Klausur dermaßen fies aufgebaut gewesen. Tja, ich war definitiv zu leichtfertig daran gegangen, hatte gedacht, mit meinem Halbwissen und ein paar von Aces alten Aufzeichnungen würde ich das Kind schon schaukeln, aber habe dabei gnadenlos versagt. Dementsprechend groß waren meine Augen auch gewesen, als ich noch am selben Abend erfahren musste, dass ich mit Pauken und Trompeten durch gerasselt war – wenigstens die Zulassung zum chemischen Praktikum hatte ich noch bekommen. Das Schlimmste waren aber die Fragen, die Ace mir daraufhin gestellt hatte. Ob ich überfordert sei mit der Situation, ob es daran liege, dass er mich so oft um einen Gefallen bittet, oder ob ich noch immer so schlimmen Liebeskummer hätte. Meine aufrichtige Antwort, dass ich einfach zu wenig gelernt hatte, schien er nicht zu akzeptieren. Trotz der immer lauter werdenden Privatgespräche zog der Professor sein Programm durch, wurde nicht müde die stetig gleichen Formeln an die Wand zu projizieren und erinnerte uns an den Klausurtermin, der in drei Wochen anstand. Wir warteten den eiligen Hauptstrom nach Ende der Veranstaltung an der Treppe zum Ausgang ab, bis wir uns von unseren Plätzen erhoben und den Raum verließen. Nach einem kurzen Abstecher in der Mensa, gingen wir weiter zum Chemiegebäude und blieben einen Moment draußen stehen. „Mann, ich wünsche dir viel Erfolg bei Chemie“, sagte Lysop, kratzte sich am Hinterkopf und wirkte ernsthaft besorgt, vielleicht zweifelte er daran, ob ich es dieses Mal schaffte. „Hoffentlich läuft es gleich besser. Hast du denn noch viel gelernt?“ „Joa, kann man so sagen“, antwortete ich wahrheitsgemäß, immerhin hatte ich mehr getan als letztes Mal, und nippte an meiner Cola. „Hab ein paar Bücher von Ace bekommen und vieles nachgelesen.“ „Hat er dir denn ein bisschen unter die Arme gegriffen?“, fragte Zorro, schielte aus den Augenwinkeln zu mir herüber und hielt die Arme vor der Brust verschränkt. „Ist ja immerhin eine Sache, die er halbwegs drauf hat.“ Er trank etwas von seinem Kaffee und ein zynisches Grinsen schlich sich auf seine Lippen. Ich konnte mir genau denken, worauf Zorro da anspielte: die zahlreichen missglückten Experimente, die Ace im Laufe der Schulzeit zum Besten gegeben hatte. Unvergessen und die ewige Nummer eins, war wohl der Tag, als er mit Schwung das Wasser auf die Salzsäure gekippt hatte und Nojiko und Zorro nur knapp den fliegenden Säurespratzern ausweichen konnten. Wie oft Dadans Küche oder ihr Haus nur knapp dem Schicksal entkommen waren, auf die Grundmauern niederzubrennen, war kaum in Zahlen zu fassen. Seine selbst gebastelten Feuerwerkskörper oder die Geschichte, als er als Kind aus einer Tischkerze mittels Servietten ein Lagerfeuer gemacht hatte, werde ich wohl bis ans Ende meines Lebens niemals vergessen. Ein Glück, dass Dogura und Magura fast immer so schnell mit dem Schlauch da gewesen waren. Zu meiner Schande musste ich gestehen, dass ich bei jeder einzelnen Aktion von ihm mit leuchtenden Augen daneben gestanden hatte. Bloß einmal sind wir nur knapp Schlimmeren entkommen. Ich hab bis heute regelrechte Magenkrämpfe, wenn ich an den Augenblick denke, als Shanks uns den Böller aus der Hand geschlagen hat, nachdem er uns damit im Garten hatte hantieren sehen. Shanks hatte nur ein paar Jahre in unserem kleinen Dorf gewohnt, bis er mit Makino, einer jungen Frau, die damals Besitzerin der einzigen Kneipe im Ort (und somit Dadans Stammtränke) gewesen war, weggezogen war. Ace und ich hatten uns immer gut mit ihm verstanden, sehr gut sogar und ich würde lügen, wenn ich sagte, dass Shanks niemals mein Vorbild gewesen ist. Denn das war er, selbst heute noch. Seine ganze Art hatte mich fasziniert, wie cool er selbst in provozierenden Lagen blieb, mit welcher Hingabe er von seinen Reisen erzählt hatte. Erst Shanks hatte den Wunsch in mir geweckt, die Welt mit eigenen Augen zu sehen. Ja, manchmal war er mir vorgekommen, wie der Vater, den ich mir immer so sehr gewünscht hatte. Nur an diesem Tag war nicht viel von seiner sonstigen Gelassenheit übriggeblieben. Ich sehe seine winzigen Pupillen noch heute genau vor mir. Seine verzweifelten Worte, bis er schließlich das Ding aus Aces Hand gerissen hatte. Kein Augenaufschlag später war es explodiert und hatte dabei die Haut an seinem linken Unterarm und der Hand dermaßen verbrannt, das man beinahe auf die Knochen hätte schauen können. Weder Ace noch ich waren tagelang danach nicht imstande dazu, auch nur ein Wort zu sagen. Der Schock saß viel zu tief in unseren Gliedern und war um einiges schlimmer und strafender als die Brüllkonzerte von Dadan und Opa. Selbst die Schelle, die Opa jedem von uns verpasst hatte, war nichts im Vergleich zu dem schlechten Gewissen und der Panik, die dieses Erlebnis in mir hervorgerufen hatte. Nachdem Shanks aus dem Krankenhaus entlassen worden war, war Dadan mit uns zu ihm gegangen, damit wir uns bei ihm entschuldigten. Nie werde ich den Moment vergessen, als wir in Shanks' Wohnzimmer kamen und dicke Krokodilstränen über Aces Wangen kullerten, als er Shanks bandagierten Oberkörper sah. Er war uns beiden nie böse gewesen, obwohl er und Makino ihren Aufbruch um einige Monate verschieben musste, und hatte uns damals sogar noch umarmt und getröstet, während Dadan erneut zur Furie mutiert war. Heute weiß ich, dass sie sich einfach schreckliche Sorgen um uns gemacht hat und das nur so hatte ausdrücken können. Doch trotz der zahlreichen Unglücke hatte Ace sein Interesse für Chemie und Pyrotechnisches nie verloren, zumal allein seine Kochkünste fast ein Fall für die Giftküche sind. Zum Glück konnte Vivi dermaßen gut kochen, dass er das an den Nagel hatte hängen können. Ich musste abgeschweift sein, denn sowohl Zorro als auch Lysop erwarteten eine Antwort von mir. „Hm?“ Zorros linkes Auge schrumpfte, während das rechte wuchs. „Hast du schon wieder vergessen, was ich dich gerade gefragt hab?!“ Ich wich seinem Blick aus und fuhr mir durchs Haar, woraufhin ich ihn stöhnen hörte. „Na, das kann ja gleich was geben.“ „Wird schon klappen“, erwiderte ich optimistisch auf die misstrauischen Gesichter der beiden und kontrollierte die Zeit auf meinem Handy. „Muss jetzt auch los.“ Die beiden wünschten mir viel Erfolg, fragten nach eventuellen Ideen fürs Wochenende, wobei wir uns vorerst auf eine spätere Lerneinheit bei mir einigten, und Zorro schüttelte beim Weggehen den Kopf, als könnte er es einfach nicht fassen, dass ich die Frage vergessen hatte. Als würde ich so was mit Absicht tun. Manchmal überkamen mich einfach die Gedanken und lösten wahre Kaskaden in meinem Gehirn aus. Irgendwie schien jedes Wort bei mir tausend kleinere Verknüpfungen zu haben, die umgehend aufgerufen werden mussten und dabei die ersten verdrängten. Blieb mir nur zu hoffen, dass mir das auch bei der Klausur weiterhelfen würde. Meine Finger fühlten sich kalt an, obwohl ich mich eigentlich gut vorbereitet fühlte. Die Angst wieder zu versagen nagte unaufhörlich an mir und wurde nicht besser, als ich mit einer beachtlichen Zahl anderer Studenten vor dem Hörsaal auf Einlass wartete. Viele waren das letzte Mal durchgefallen, waren genauso aufgeregt wie ich und klammerten sich teilweise noch an ihre Notizzettel. Als würde das noch etwas ändern. Mein Blick wanderte zu der großen Uhr über der Tür. Noch zehn Minuten bis zum Einlass. Ich ließ mich gegen die Wand sinken, den Kopf leicht hängend, wie von selbst fischte ich mein Handy aus der Tasche und fand eine Nachricht von Ace vor. Die Oberlippe kräuselnd, öffnete ich sie und sah bereits die Bitte, ihn zurückzuhalten, damit er Kobra nicht zu Tode würgte, vor meinem inneren Auge erscheinen. Doch zu meiner eigenen Überraschung wollte er nichts von mir. Hey Ruffy, Tut mir leid, dass ich das Lernen vergessen hab! Hoffe, du hast den Stoff trotzdem gepackt. Drück dir ganz fest die Daumen! Ace Wann hatte er mir das letzte Mal etwas Vergleichbares geschrieben? In der Schulzeit? Ich verspürte den unbändigen Drang zu lächeln, obwohl ich nicht wusste weshalb. Im Grunde genommen war dies lediglich eine einfache Standartfloskel, doch bedeutete sie mir in diesem Augenblick so viel. Es ging einmal allein um mich. Rasch bedankte ich mich bei ihm, ehe ich das Handy ausschaltete und zurück in die Tasche steckte, als sich die Türen plötzlich öffneten. Das Zeichen, auf das alle – egal welche Bauchschmerzen ihnen diese Klausur auch bereiten mochte – gewartet hatten. Wie Lemminge in die Klippen, stürzten die Leute in den Saal, darauf bedacht zuerst die hinteren Reihen zu füllen. „Aber meine Damen und Herren, warum nehmen Sie denn nicht die energetisch günstigeren Plätze hier vorne ein?“, begrüßte uns der Chemieprofessor, grinste halbherzig und sorgte für Augenrollen unter den Studenten, die sich natürlich nicht von ihrem eigentlichen Vorhaben abbringen ließen. Erst nachdem die Assistenten die Klausurbögen ausgeteilt hatten und wir sie herumdrehen durften, beruhigte ich mich einigermaßen und wurde sogar locker, als ich die Aufgaben im Groben überflog. Ich hatte es mir viel schlimmer vorgestellt, wenigstens war ich nicht völlig ratlos. „Und? Wie lief es?“, überrannte Lysop mich, kaum dass ich den Saal verlassen hatte, was mehr schwebend und unbewusst als sonst wie geschehen war. „Hast du alles geschafft?“ „Ja und mein Kopf fühlt sich jetzt total leer an.“ „Als wäre das was Neues“, spottete Zorro, kassierte dafür von mir einen Knuff in die Seite, was er als direkt Aufforderung sah, mich in den Schwitzkasten zu nehmen und mir eine Kopfnuss zu verpassen. „Leute“, wollte Lysop schlichten und quietschte laut auf, als Zorro schlagartig von mir abließ und andeutete, ihn in seinen Griff zu nehmen. „Haha, Lysop, das wird wohl nichts“ lachte ich und sah ihm nach, wie er um die nächste Ecke rannte, nur um vorsichtig hinter ihr hervor zu spähen. „Die Luft ist rein, du Angsthase! Ich tue dir schon nichts!“ „Hör auf, Zorro!“, kreischte er zurück, nachdem Zorro erneut die Hände nach ihm ausstreckte, und bekam reihenweise befremdliche Blicke zugeworfen. „Lass uns zu dir gehen, bevor die Lysop noch einfangen“, sagte Zorro, gab mir einen Klaps auf die Schulter und machte eine schnelle Bewegung, die Lysop in seinem Versteck zusammenzucken ließ. „Verdammt, Mann, lass es!“ „Und gerade der hat vor kurzem noch so große Töne gespuckt“, witzelte ich in Anspielung auf den starken Lysop, der jeden auf die Matte schicken konnte, während ich mit Zorro das Gebäude verließ und Lysop uns wie ein Schatten folgte, bis er endlich davon überzeugt war, dass Zorro ihn in Ruhe ließ. „Hier ist es aber verdächtig still“, stellte Zorro fest, nachdem wir in der Wohnung angekommen waren, und sah sich prüfend um. „Keiner Zuhause?“ Das Piepsen von Karuh, das das einzige Hintergrundgeräusch darstellte, beantwortete seine Frage nur halb. Auch aufs Lysops Gesicht schlichen sich ratlose Züge. Ich schlug mir die Hand vor die Stirn. „Oh Mist, ich hab euch das ja gar nicht erzählt“, murmelte ich, woraufhin die beiden zunehmend neugieriger wirkten, selbst wenn Zorro das exzellent kaschieren konnte. „Was ist denn passiert, Ruffy?“, fragte Lysop und kam näher an mich heran, als wollte er mich stützen oder so, doch ich wich zurück. „Vivi ist seit gestern im Krankenhaus, weil sie einen Schwächeanfall hatte.“ Die beiden wirkten ehrlich bestürzt. Immerhin kannten sie Vivi solange wie ich, verstanden sich gut mit ihr und vor allem Lysop mochte sie besonders. Vielleicht oder gerade weil Vivi ihn nie mit irgendwas aufgezogen, sondern stets vehement verteidigt hatte. „Oh scheiße. Ist es was Ernstes? Wie geht es ihr denn jetzt?“ „Schon besser“, antwortete ich wahrheitsgemäß und ging in die Küche, um uns etwas zu trinken zu holen. „Es war einfach zu viel Stress für sie in letzter Zeit, aber die Ärztin meinte, wenn sie sich schont, dann ist sie bald wieder ganz die Alte.“ Zorro nickte dankend, als ich die Dose vor ihm abstellte, und öffnete sie sogleich, um einen Schluck zu nehmen. „War ihr Vater auch schon da?“ „Ja.“ „Oh, was hat Ace dazu gesagt?“, fragte Lysop, nestelte nervös an dem Verschluss der Dose und schaffte es sogar sich vollzuspritzen, was weder Zorro noch ich trotz des ernsten Themas ohne Grinsen beobachten konnten. Ich zuckte mit den Mundwinkeln, setzte mich zu den beiden an den Tisch und verschlang die Finger hinterm Kopf. „Ganz ehrlich, ich glaube, das war das Beste, was den beiden hätte passieren können.“ „Spinnst du? Wie kannst du so was sagen, Ruffy?“, keifte Lysop, während seine Hand in die Höhe flog und Zorro einen undefinierbaren Brummlaut abgab. Meine Worte mussten wenig Sinn auf sie machen und mir erginge es nicht anders, steckte ich in ihrer Haut. „Beruhig' dich, Lysop“, sagte ich nebenbei, nahm einen Schluck von meinem Eistee und schielte zu ihnen herüber, denn irgendwie gefiel es mir verdammt gut, sie so in der Hand zu haben und zu sehen, wie die Neugierde an ihnen zerrte, bevor ich weitersprach. „Dass Vivi das passiert ist, finde ich ganz und gar nicht gut! Bin auch gleich ins Krankenhaus gefahren, nachdem ich davon erfahren hatte. Aber wisst ihr, der Vorfall hat ihrem Vater und Ace endlich mal die Augen geöffnet. Wenn sie jetzt nicht kapiert haben, dass das ewige Herumreißen an ihr, Vivi kaputt macht, dann weiß ich auch nicht.“ „Die beiden haben sich vertragen?“ Ich hob die Schultern an, stellte die Dose wieder ab und lehnte mich leicht vor. „So wie es scheint, nähern sie sich langsam an. Den Hauptanteil daran wird Titi haben, die hat Kobra-sama nämlich gleich in ihren Bann gezogen.“ Zorro schüttelte den Kopf und sein schwaches Lächeln sprach Bände, während Lysop beinahe wie Dadan aussah, bevor sie vor Rührung losplärrte. „Hey, kein Grund sentimental zu werden.“ „Das bin ich doch gar nicht“, verteidigte er sich umgehend und wich unseren Blicken aus. „Ich freu mich bloß so für Vivi.“ „Na klar, Lysop“, lachte Zorro, klopfte ihm auf die Schulter, wobei dieser sich fast verschluckte und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. Ich verkniff mir das Kichern, um Lysop nicht noch weiter in Verlegenheit zu bringen und verlagerte das Thema immer weiter in Richtung des ursprünglichen Treffgrundes: die Physikklausur. Wir schafften es tatsächlich einiges vom Stoff nachzuarbeiten, was nicht zuletzt an Lysops super Erklärungen lag. Man merkte einfach, dass er sich schon immer gerne mit solchen Dingen beschäftigt hatte. Andernfalls wären wohl viele seiner Erfindungen totale Reinfälle gewesen. Mit Freude erinnerte ich mich oft an seine Kartoffelpistole, mit der er Brook-sensei im Musikunterricht dutzende Kartoffelstückchen in den Afro geschossen und der es nicht mal bemerkt hatte. „Ruffy, nicht träumen“, ermahnte mich Zorro, dem es offensichtlich nicht entgangen war, dass ich mit meinen Gedanken ganz woanders, aber sicher nicht bei den elektromagnetischen Wellen, war. „Hm? 'Tschuldigung“, ich streckte mich und gähnte ausgiebig, „ich werde langsam müde. Immer so viel lernen...“ Theatralisch ließ ich meinen Kopf auf die Tischplatte sinken und hoffte den Stein Zorro mit meinem Bambiblick zu erweichen, doch der packte mich am Kragen und zog mich unbeeindruckt nach oben. „Mann, piss dich nicht an!“ Er wollte gerade zum Gegenschlag ausholen, als die Tür aufgestoßen wurde und mit einem Mal das Chaos die Wohnung in Beschlag nahm. „Fighting evil by moonlight, winning love by daylight.Never running from a real fight!“ Lysops Verzweiflung stieg ins Unermessliche, sah jeglichen Funken Hoffnung aufs Fertigwerden dahinschwinden und geriet doch ins Strahlen, als kurz darauf Ace mitsamt Titi ins Wohnzimmer herein gestolpert kam. „He is the one named Luffy-kun“, beendete er seine Gesangeinlage, grinste mich viel sagend an und hob eine Augenbraue. „Jo, Ruffy, ich hab soeben erfahren, welche Heldentat auf den Konto gegangen ist…“ Zorro hob misstrauisch eine Augenbraue und musterte mich eingehend aus den Augenwinkeln heraus. Ich konnte mir schon genau denken, worauf er anspielte und es war eindeutig, dass die Nami-Vivi-Post mal wieder fleißig gearbeitet hatte. Mein Mund verzog sich zu einer Fratze und ich schüttelte den Kopf, in der Hoffnung, dass er verstand und es einfach runterschluckte. Ich wollte Zorro und Lysop nicht auf diese Weise mit den neusten Veränderungen in meinem Leben vertraut machen. „Nicht so wichtig“, lachte Ace und setzte die strampelnde Titi vor uns ab. Kaum Boden unter den Füßen, kam sie rüber getapst und streckte die Arme aus. Sogar bei Zorro erspähte ich für einen Augenblick so etwas wie Rührung, bevor er seinen üblichen Ausdruck wieder annahm. Zum Glück besaß die Titi die Gabe, der umgehenden Ablenkung, die ich mehr als alles andere in diesem Moment gebraucht hatte. Dennoch faszinierte mich Zorros bröckelnde Fassade in diesem Moment mehr. Ich grinste in mich hinein, was sogleich Misstrauen bei ihm hervorrief. „Was soll das blöde Grinsen?“, fuhr er mich an, zog die Augenbrauen zusammen und betrachtete mich mit stechendem Blick. „Oi, Zorro, hast du dir die Falten eigentlich in die Stirn sticken lassen? Ein anderes Gesicht sieht man ja nie bei dir“, fragte Ace, nachdem er aus der Küche wiedergekommen war und sich aufs Sofa geworfen hatte. „Oder ist das wenigstens beim Sex anders? Deine Freundin sieht ja alles andere als schlecht aus.“ Die Vene auf Zorros Stirn hob sich in dezentem Blau von der braunen Haut ab, während er die Kiefer aufeinander presste und die Lider geschlossen hatte. Lysop wurde zunehmend unruhiger, hielt Titi fester im Arm und störte sich nicht einmal daran, dass sie wie verrückt an seinen Haaren zog. Zu sehr war er damit beschäftigt von Zorro zu Ace und wieder zurückzusehen. „Oh, du hast sogar was anderes drauf!“ Ace grinste, machte sich auf dem Sofa lang und legte die Beine über die Lehne, während ich krampfhaft versuchte die aufkeimenden Bilder meines Kopfkinos zu verdrängen. Zu viel Information! „Halt die Klappe, Portgas!“ „Mehr hast du mir nicht entgegenzusetzen?“, fragte er provokant, leerte die Dose und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Schade, ich hatte dich immer für einen ernst zu nehmenden Gegner gehalten.“ „Was willst du eigentlich, du Willy Wonka für Arme?“, konterte Zorro, nachdem er vom Stuhl aufgesprungen war und sich vor Ace aufgebaut hatte. „Kümmer' dich lieber um deine Schokolade!“ „Willy Wonka?“, wiederholte Ace, erhob sich und stellte sich vor Zorro, sodass er beinahe dessen Stirn mit seiner berührte. „Mir gehört die Fabrik nicht, ich packe nur die Riegel ein!“ Es dauerte keine Sekunde, bis er realisierte, was er da gerade verzapft hatte und entsprechend schnell wandelten sich die Gesichtszüge der beiden. Nun war es Zorro, der triumphierend grinste. „Denk jetzt bloß nicht, du hättest gewonnen“, versuchte Ace die Schmach abzuwenden, zerdrückte die leere Dose in seiner Hand und drängte sich an Zorro vorbei, aber nicht ohne ihn dabei anzurempeln. „Jetzt fällt dir wohl nichts mehr ein, Umbalumba. Pflück lieber noch ein paar Kakaobohnen.“ „Halt's Maul, Lorenor“, schallte es aus der Küche und brachte nicht nur Zorro zum Lachen. „Wenn hier jemand, wie ein Umbalumba aussieht, dann eindeutig du!“ „Ace, Titi hört alles“, rief ich, ehe ich Zorro auf die Schulter klopfte. „Haha, klasse gemacht, Zorro. Jetzt schmollt er gewiss.“ Tatsächlich hatte sich Ace in der Küche verschanzt, bis Zorro und Lysop gegangen waren und Titi lautstark verkündet hatte, dass sie hungrig war. Ich staunte nicht schlecht, als ich sah, dass er die Zeit nicht bloß vertrödelt, sondern bereits zu kochen begonnen hatte. Es roch gar nicht mal so schlecht, obwohl ich noch genau in Erinnerung hatte, welche Abartigkeiten er in der Vergangenheit zustande gebracht hatte. Der Salat aus der Mikrowelle war noch das einzig Genießbare gewesen. Meine Hoffnung starb, als ich den klebrigen Brei im Topf erspähte, der sogar Titi zum Schaudern brachte. Zu meiner Überraschung versuchte Ace es gar nicht erst, uns vom Gegenteil zu überzeugen. Sein Blick sprach Bände. „Ace! Du kannst doch nicht den Topf in den Mülleimer werfen!“ Er zuckte die Schultern. „Warum nicht? Den kriegst du gewiss nie wieder sauber.“ Er drückte mir eine der Dosen in die Hand, die er aus dem Kühlschrank geholt hatte, und nahm einen Schluck aus der Eigenen. „Ich versuche nie wieder Geld zu sparen. Das endet ja doch nur im Chaos“, seufzte er und besah die Prospekte diverser Imbisse, die mittels Magneten an der Kühlschranktür befestigt waren. Wir hatten uns noch nicht auf einen Lieferservice geeinigt, als es an der Wohnungstür schellte. „Such du was aus, Ruffy. Ich geh mal nachsehen, wer da ist.“ Ich nickte, blickte ihm nach und schloss die Schiebetür der Küche bis auf einen Spalt. Ich hätte ja mit allen möglichen Leuten gerechnet, allen voran Zorro oder Lysop, die irgendwas hier vergessen hatten. Oder Nami, die dachte Ace sei Vivi besuchen. Meinetwegen auch Opa, der sich selber spontan für ein paar Tage eingeladen hatte. Aber gewiss nicht den Besucher, der von Ace soeben hereingebeten wurde. Wenngleich ich seiner Stimme anhörte, dass er alles andere als begeistert war. „Vivi-chwan ist also noch nicht wieder zu Hause?“ Normalerweise war ich nicht so neugierig, dennoch kam ich nicht umhin einen Blick durch den Spalt zu riskieren. Meine Vermutung bewahrheitete sich, es war wahrhaftig Sanji, den Ace ins Wohnzimmer führte. „Luffi, das haben“, blubberte Titi, deutete auf das Bild der XXL-Pizza und strahlte mich erwartungsvoll an. „Oh ja! Die will ich auch. Weißt du was? Wie bestellen sie uns auch gleich, ja? Aber mit Extra-Extra Käse!“ „Kääääse!“ „Nein, leider nicht“, hörte ich Ace währenddessen antworten. „Sie soll diese Nacht auf jeden Fall noch zur Überwachung bleiben. Ihre Ärztin meinte, sie geht nicht weg, bevor sie gesund ist...oder tot.“ „Haha, etwa die alte Lady mit der Krokodilshaut?“, fragte Sanji für einen Moment belustigt, bevor seine Stimme wieder einen ernsten klang annahm. „Hm. Aber es ist doch hoffentlich nichts Ernstes? Obwohl es schon recht dramatisch aussah, wie sie plötzlich umgekippt ist.“ Ace seufzte, zumindest hörte es sich so für mich an, denn ich musste mich ganz schön anstrengen, um die beiden zu verstehen. Titis Schwärmereien von der Pizza erschwerten mir die Sache nur zusätzlich. In groben Stücken hörte ich, wie Ace ihm von ihrer Diagnose erzählte, die im Krankenhaus gestellt wurde, davon, dass Vivi sich schonen sollte und noch mal mit dem Schrecken davon gekommen sei. Sanji hatte das Ganze wortlos angehört. „Oh, wie peinlich, jetzt habe ich glatt vergessen dich zu fragen, ob du etwas trinken möchtest“, sagte Ace verlegen. „Schon in Ordnung“, erfolgte sofort die Antwort, „ich wollte mich eh nur kurz nach Vivi-chwan erkundigen.“ Beide erschienen zurück in meinem Blickfeld und ich konnte aus dem Augenwinkel beobachten, dass Sanji den Knauf gerade erfasst hatte, als Ace sich offensichtlich nachdenklich am Kopf kratzte. „Bevor du gehst“, fing er an und es war allzu deutlich, wie sehr er momentan mit sich kämpfen musste, dass er seinen Stolz und alles, was ihm oft den Weg versperrte, herunterschluckte, „...wollte ich mich bei dir bedanken.“ Sanji ließ den Türknauf los und wirkte überrascht - soweit ich das deuten konnte, immerhin hatte ich mich nie mit seiner Mimik beschäftigt. „Vielen Dank, dass du dich um Vivi gekümmert hast!“, brachte Ace hervor. Meine Augen klebten plötzlich regelrecht am Türspalt und für eine Weile schien die gesamte Szene starr wie ein Gemälde, bis Sanji lächelte. Schwach, aber ehrlich. „Das war doch selbstverständlich. Ich tue schließlich alles für meinen persönlichen Streichelzoo. Nami-Mausi, Nojiko-Kätzchen und Vivi-Häschen stehen bei mir immer an erster Stelle. Außerdem ist es ein Verbrechen einer Lady in Not nicht zu helfen.“ „Du redest hier immer noch über meine Frau“, zischte Ace gespielt böse, erwiderte Sanjis Lächeln und verabschiedete sich bei ihm, ehe er zu mir in die Küche kam, den Kühlschrank öffnete und ohne sich etwas zu nehmen wieder schloss. „Vielleicht ist er gar nicht so schlecht, wie ich dachte...“ Seine Worte gingen mir eine Weile nicht mehr aus dem Kopf. Vielleicht sah ich das Ganze zu verkrampft und lebte eine Rivalität, die womöglich gar nicht mehr existierte. So schön es auch gewesen war, den Abend mit Ace zu verbringen und das letzte der Stück der von ihm bezahlten Pizza zu spachteln- es war alles fast haargenau wie früher gewesen, fehlte bloß noch Dadan, die alle fünf Minuten reinkam, um wegen irgendwas rumzumeckern und die Tür zu knallen-, so froh war ich am nächsten Tag, als Vivi endlich wieder zurück war. Es fehlte einfach etwas ohne sie. Kapitel 19: Zwei Brüder, eine Macke ----------------------------------- Ich hatte Ace lange nicht mehr so glücklich gesehen, wie an dem Tag, als Vivi endlich zurück nach Hause kam. Er hatte in der letzten Zeit einen sehr nachdenklichen Eindruck auf mich gemacht und es schien, als hätte er eingesehen, dass es so nicht weitergehen konnte. Einmal hatte er mich gefragt, ob er nicht genug auf Vivi achten würde. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Natürlich achtete er auf sie, auf uns alle. Nur liegt es in seiner Natur gleich in den Kampfmodus zu wechseln, anstatt sich genauer mit den Problemen auseinanderzusetzen. Vivi war nun einmal ein stilles Mädchen, das noch ruhiger wurde, sobald es ihr schlecht ging. „Das wird nie wieder vorkommen, das verspreche ich dir“, hatte er gesagt und sie gedrückt als wollte er sie nie wieder loslassen, „ich liebe dich, Vivi.“ Ich beschloss mich für einige Tage bei Nami einzuquartieren, zumal Ace und Vivi eine Weile für sich brauchten. Nami seufzte erschöpft, die Augen halb geschlossen und schmiegte sich an mich. Ihre Hände streiften über meine Beine und ihr Rücken berührte meinen Bauch, ehe sie den Kopf zurücklegte und mich mit großen Kulleraugen ansah. „Massierst du mich bitte?“, schnurrte sie in einem unbekannten Tonfall, verhakte ihre Finger in meinen und schloss die Arme um sich. „Meine Schultern sind total verspannt.“ „Aber ich kann das doch gar nicht“, druckste ich ein wenig überfordert, als sie mich plötzlich böse ansah. „Ich hab den ganzen Tag geschuftet und gefühlte tausend Kilo hin und her getragen und da kannst du mir nicht mal die Schultern massieren!?“ Ich schluckte, wagte es keine weiteren Widerworte zu geben und begann vorsichtig ihre schmalen Schultern zu massieren, nachdem sie auffordernd ihre Haare zur Seite genommen und sich vor mich gekniet hatte. „Hm, ruhig ein bisschen fester...“ „So?“, fragte ich nach, während ich fester zupackte und ein wenig besorgt war, ihr damit nicht weh zu tun, fühlte sie sich doch so zerbrechlich an. Sie stöhnte genüsslich, ließ den Kopf nach vorne hängen und streichelte über meine Beine, bis sie auf einmal meine Hände wegschob und über ihre Schulter zu mir sah. „Massierst du mir den ganzen Rücken?“ Und noch ehe ich ihr antworten konnte, zog sie sich das Top über den Kopf, holte aus ihrer Nachttischschublade etwas hervor, drückte es mir in die Hand und öffnete den Verschluss ihres BHs, um diesen unachtsam auf den Boden zu werfen und sich selbst flach aufs Bett. Mal wieder fehlten mir die Worte, wie so oft, wenn ich mit Nami zusammen war. Es kam mir noch immer alles so neu, aufregend und unbekannt vor. Als würde ich jedes Mal eine völlig neue Erfahrung machen, sobald es enger zwischen uns wurde. „Worauf wartest du?“, raunte sie, den Kopf auf den Armen gebettet, die Beine lässig angewinkelt, sodass sie sachte mit den Füßen wippte. Mein Blick wanderte über ihren nackten Rücken zu dem Ding in meiner Hand, das sich als ein Fläschchen Pfirsichöl herausstellte. Allein die Vorstellung, was man alles damit anstellen konnte, sorgte dafür, dass meine Hormone überkochten. Meine Nackenhaare richteten sich auf, während ich mich über sie beugte, ihren Rücken küsste und schließlich in ihrem Nacken hängenblieb, wo ich zärtlich ihre Haare zur Seite strich, um ihren Hals zu erreichen. Wie von selbst wanderten meine Hände ihre Seiten entlang, versuchten vorwitzig sich den Weg zu ihren Brüsten zu bahnen. „Lenk nicht ab, Ruffy“, seufzte sie und schob sie wieder zurück, woraufhin ich in ihr Ohr wisperte: „Und was ist meine Belohnung dafür?“ „Lass dich überraschen“, flötete Nami verführerisch, was mich sofort überzeugte und dazu brachte das Öl in meinen Händen zu verreiben und ausgehend von ihren Schultern ihren Rücken durchzukneten. Sie wandte sich unter meinen Berührungen, seufzte und stöhnte leise gegen ihre Unterarme, als ich mich näher zu ihr herunter beugte und meine Erregung ihren Po berührte. Mitten in der Massage drehte Nami sich herum, blickte mich aus halb geschlossenen Augen an und schlang die Arme um meinen Hals, bevor ich realisierte, was Sache war. Hastig nach Luft ringend sank ich neben ihr in die Kissen, spürte, wie sie sich an mich kuschelte und ihren Kopf auf meiner Brust platzierte. Ihre Finger tänzelten über meinen Unterarm, sorgten für eine zarte Gänsehaut. Meine Hand vergrub sich in ihrem Haar, meine Augenlider schlossen sich allmählich. Eigentlich hätte ich diesen Moment genießen sollen, einfach ausklingen lassen und mich freuen, Zeit mit ihr zu verbringen, doch irgendwas in mir rumorte unangenehm und wühlte einige der verdrängten Fragen wieder auf. War es ihr tatsächlich ernst mit mir? Oder war das bloß eine ihrer Launen? Sah sie mehr in mir, als jemanden, der sofort sprang, wenn sie pfiff? Oder genoss sie gerade diese Sache in vollen Zügen? Ein pelziger Kloß bildete sich in meinem Hals, hinderte mich am Schlucken und dennoch drängten sich die Worte aus meinem Unterbewusstsein immer weiter in den Vordergrund. „Nami“, räusperte ich mich, noch immer im Unklaren darüber, wie ich sie mit meinen Gedanken konfrontieren und ob ich dies überhaupt tun sollte. Doch zu spät ihre Neugierde war geweckt. „Hm?“ Sie hatte sich halb auf mich gerollt, sodass sie mir geradewegs ins Gesicht schauen konnte. Ihre Pupillen spießten mich auf und mir wurde zunehmend unwohler, doch so leicht konnte ich sie in dem Moment nicht mehr abspeisen. Wie sollte ich das am besten formulieren, ums sie am wenigsten vor den Kopf zu stoßen? „Was ist das hier eigentlich für dich?“ Schockiert über meine lockere Zunge, ganz besonders über den Tonfall, sog ich die Luft ein. Wenn sie mir jetzt nicht den Hals umdrehte...Tatsächlich zogen sich ihre Augenbrauen zusammen und legten ihre Stirn in Falten, doch bevor sie mich aus voller Kehle anbrüllte, wandte sie den Kopf zur Seite und schien über irgendetwas nachzudenken. Hatte sie sich diese Frage noch nicht gestellt? Oder versuchte sie eine Antwort darauf zu finden, die mich nicht vor den Kopf stieß? Wie sehr es mich ankotzte, dass wir irgendwie trotz der inzwischen herrschenden Intimität zwischen uns, uns nicht einmal ohne zig Gewissensbisse die Wahrheit sagen konnten. Als könnte alles, was bis dahin aufgebaut worden war, wie Glas zerspringen. Unser Fundament war noch lange nicht gebaut. Einen endgültigen Bruch wollte weder Nami noch ich riskieren wie es aussah. War das in gewisser Weise nicht ein gutes Zeichen? Namis Mundwinkel zuckten für einen Herzschlag nach oben, ehe sie den Arm ausstreckte und mir durchs Gesicht strich. Eine Reaktion, mit der ich am allerwenigsten gerechnet hätte. Mein Gesichtsausdruck in diesem Augenblick musste ziemlich bescheuert sein, denn auf einmal lachte sie sogar kurz auf, während ihre Hand sich um meinen Nacken legte. „Gewiss keine bedeutungslose Spielerei“, sagte sie und schenkte mir ein aufrichtiges Lächeln, das mich ein wenig schuldig dafür fühlen ließ, dass ich so auf eine Benennung des Ganzen gepocht hatte. „Dafür sind meine Gefühle für dich einfach zu stark.“ Ich war der Letzte, der es mochte Sachen zu zerreden und in ihre kleinsten Partikel aufzuteilen, doch bei Nami rasten meine Gedanken und sehnten sich nach einer Definition. Vielleicht lag es vor allem daran, dass wir die meiste Zeit mit Sex verbrachten. Keine tiefer gehenden Gespräche, keine Ausflüge oder Dates. Sobald wir uns trafen, klebten unsere Lippen schon aneinander und eines folgte dem anderen. Am Anfang hatte ich mir darüber noch nicht den Kopf zerbrochen, hatte ich es schließlich genossen ihr auf diese Weise nahe zu sein und meine Lust auszuleben. Doch das reichte mir inzwischen nicht mehr, ich wollte ihr auf eine andere Art ebenfalls nahe sind. Womöglich sogar noch mehr als körperlich, um sie und ihre Handlungen vollkommen zu verstehen. Die Enttäuschung nagte insgeheim weiter an mir, was meinen Wunsch nach Sicherheit stetig anwachsen ließ. „Und das soll ruhig auch jeder wissen“, hauchte sie mir entgegen, nachdem sie auf meinen Schoss gestiegen war, und küsste flüchtig meine Nasenspitze. Wenn man bereits morgens das Gefühl hatte auf Wolken zu schweben, dann konnte der Tag ja nur perfekt werden. Jedenfalls hatte er perfekt begonnen, als ich neben Nami aufgewacht war, sie küssen und umarmen konnte und mit ihr frühstücken. Zumal in der Nähe ihrer Wohnung eine Bäckerei lag und es daher immer frische Croissants gab, die teilweise sogar noch warm waren. Wahrscheinlich hätte ich mich nicht von ihr lösen können, hätte sie nicht zur Arbeit gemusst. „Jetzt zieh nicht so ein Gesicht“, sagte sie, als wir uns auf der Straße verabschiedeten. „Heute Abend hab ich doch wieder Zeit für dich.“ Sie schenkte mir einen letzten Kuss, der es mir bloß schwerer machte, sie gehen zu lassen, bevor sie mir winkte und an der nächsten Ecke abbog. Schwermütig sah ich ihr nach, obwohl ich in diesem Moment am liebsten die ganze Welt umarmt hätte, und machte mich schließlich auf den Nachhauseweg. Jeden Abend hatte ich mich spät aus der Wohnung geschlichen, stets darauf bedacht, niemanden auf mich aufmerksam zu machen und war morgens früh wieder gekommen, um meine Sachen für die Uni zu holen. Einmal hatte ich nachts Vivi überrascht, die gerade dabei gewesen war den Kühlschrank zu plündern. Zu meiner großen Überraschung hatte ich diesbezüglich bisher keinen Kommentar oder eine Frage von Vivi gehört, bei Ace hatte ich seit dem morgendlichen Vorfall das Thema tunlichst vermieden. Ob er es einfach vergessen hatte? Und sie es deshalb nicht wusste? Vielleicht hatten sie auch genug Eigenes an der Backe, sodass sie einfach nicht die Nerven hatten, sich näher mit meinem Liebesleben zu beschäftigen. Egal, was es war, ich war unendlich glücklich darüber. Endlich konnte ich kommen und gehen, wann ich wollte und niemand stellte mir Fragen, als sei ich erst vierzehn. „Luffi, essen kommen“, zwitscherte Titi, schob angestrengt die Tür auf und stolperte in mein Zimmer geradewegs auf mich zu. Entschlossen packte sie mich an der Hand, zog mich von meinem Stuhl und führte mich umgehend in die Küche, wo Vivi bereits am Tisch saß und Ace mit einer schlecht sitzenden Schürze vor dem Herd herum hantierte. Skeptisch hob ich eine Augenbraue und warf einen Blick über seine Schulter in die Töpfe und den Wok vor ihm. Noch immer schwebte die Hühnchen-Ananas-Curry-Pampe vor meinem inneren Auge. „Keine Sorge“, kicherte Vivi, als sie meinen Blick registriert hatte. „Ich war die ganze Zeit hier und hab ihm jeden Schritt vorgesagt.“ „Denkst du echt, ich hätte das ohne dich nicht hingekriegt?“, fragte Ace gespielt aufgebracht , die Augen weit aufgerissen, den Mund zur Schnute verzogen und fuchtelte mit dem Pfannenwender vor ihrer Nase herum, sodass er mich verblüffend an Dadan erinnerte, wenn wir früher eines ihrer verbrannten Meisterwerke nicht hatten essen wollen. Fehlte nur noch ihr „Vogel, friss oder stirb!“ um die Illusion zu perfektionieren. Ich musste ein Lachen unterdrücken, als ich mich zu Vivi setzte, die ebenfalls ihre Probleme hatte bei dem Anblick ernst zu bleiben. Während wir beide uns zierten und versuchten ernst zu bleiben, brachte Titi es knallhart auf den Punkt: „Papa sieht aus wie Oma!“ Mit einem Schlag war jeder Funke von Selbstbeherrschung verflogen und sowohl Vivi als auch ich konnten unsere Schadenfreude nicht länger an uns halten. „Also wo sie recht hat“, fiepste Vivi, wischte sich eine Träne aus den Augenwinkeln und formte einen Schmollmund, als sie Aces bitterböses Gesicht sah. „Jetzt sei doch nicht so. Das liegt eben an der Schürze.“ „Rosa mit Spitze steht dir ausgezeichnet“, japste ich, hielt mir den Bauch und schaffte es nicht mehr einer Kopfnuss zu entgehen, doch die Schmerzen waren nichts im Vergleich zu dem Ziehen in meinen Muskeln, das das gar nicht enden wollende Lachen mit sich zog. Die Luft um Ace herum brannte, das plötzliche Klingeln an der Tür kam gerade recht. „Denkt bloß nicht, das hätte sich damit erledigt.“ „Jetzt schmollt er wieder, weil er sich in seiner Männlichkeit verletzt fühlt“, kicherte Vivi und fühlte die auf dem Tisch stehenden Gläser mit Wasser. „Ja ja, zumal ihn Zorro schon vor kurzem als Umbalumba bezeichnet hat.“ Vivi blickte mich zwinkernd an und unterdrückte ein Lachen. „Mir fällt erst jetzt auf, wie gut das passt.“ „Haha, ich bin aber dreimal so groß wie ein Umbalumba“, fauchte Ace und hielt Vivi zwei Briefe unter die Nase, die sie mit fragendem Blick annahm. „Lies selbst.“ Kaum hatte sie die Umschläge geöffnet brannte es mir unter den Nägeln zu erfahren, was in den Briefen stand. Jedenfalls musste es etwas Positives sein, denn nicht nur ihr Gesicht erhellte sich mit jeder Zeile auch Aces Mund formte schließlich ein Lächeln. „Oh, Ruffy, ich werde jetzt auch Studentin“, jubelte Vivi, faltete die Briefe zusammen und bekam einen für sie überraschend plötzlichen Kuss von Ace aufgedrückt. „Das ist ja toll! Ich freu mich voll für dich. Und Geldtechnisch geht das auch in Ordnung?“ Ace blickte vielsagend zu einem der Umschläge, auf dem ich Kobras Namen lesen konnte. „Ich glaube, das Problem hat sich erledigt.“ Vivi strahlte wie ein Honigkuchenpferd und vergaß über ihre Freude beinahe das mühevoll von Ace gekochte Mittagessen. „Ich werde wohl gleich mal im [i"]Kazaguruma vorbeischauen müssen, zum Einen muss ich ihr noch mein Attest abgeben, zum Anderen will ich das so schnell wie möglich geklärt haben. Auch wegen der Versicherung und allem.“ „Ich hab schon das Gesicht von dem Koch vor Augen, wenn du ihm das eröffnest. Gewiss wird er dich anflehen zu bleiben und ein Teil seiner Welt wird zerbrechen – zumindest für fünf Sekunden.“ „Also!“ Genau daran hatte ich auch denken müssen, nachdem der Gedanke an Nami, die sich gleichzeitig für Vivi freute und vor Wut tobte, verblasst war. Das Gespräch der letzten Nacht kam zurück in mein Gedächtnis, warf in mir die Frage auf, ob ich ihnen endlich von uns erzählen sollte. Nami war bereit sich zu mir zu bekennen, damit wäre die Sache fest, ich hätte Sicherheit und hatten Ace und Vivi es nicht verdient, dass ich ihnen gegenüber mit offenen Karten spielte? Zudem fühlte ich mich zunehmend schlechter, sie immer wieder anzulügen, selbst wenn ein Teil von mir der Ansicht war, dass sie es eh schon längst bemerkt hatten. „Ich“, kratzte ich all meinen Mut zusammen, der wie eine Seifenblase zu platzen drohte, als die beiden mir ihre Aufmerksamkeit schenkte. „Ich muss euch noch was sagen.“ „Was denn? Dass du mit Nami zusammen bist?“, fragte Vivi nebenbei, als sei es das Normalste der Welt, ließ einen Haps in ihrem Mund verschwinden und legte die Hand auf meinen Unterarm. „Meinst du, wir reden nicht miteinander? Ich wusste es doch die ganze Zeit.“ „Du kannst den Mund jetzt wieder zu machen“, spottete Ace, sein dreckiges Grinsen sprach Bände, als er mein Kinn demonstrativ anhob, und machte es mir leicht, mir vorzustellen, wie blöd ich im Moment wirken musste. Klar, Ace hatte sie vor einigen Tagen gesehen, davor jedoch hatte es kein einziges Anzeichen gegeben, weshalb sie daraus hätten schließen können, dass wir in irgendeiner Weise anbändelten geschweige denn noch großartig Kontakt pflegten. Vermutlich war es reine Spekulation von seiner Seite aus gewesen, die Vivi mit handfesten Beweisen aus erster Hand bestätigt hatte. Blieb bloß noch die Frage, warum die beiden direkt davon ausgegangen waren, dass ich ihnen genau das beichten wollte? War ich im Grunde genommen zu lesen wie ein offenes Buch? „Woher?“, brachte ich gerade noch hervor, der Rest zerbröselte auf meiner Zunge zu Buchstabensalat. „Ace hat mir erzählt, dass sie hier war. Ich hab sie drauf angesprochen, als sie mich im Krankenhaus besucht hat. Warum auch nicht?“ Vivi zuckte die Achseln, warf ihr Haar über die Schulter und leerte ihr Glas aus, ihre anfängliche Coolness löste sich jedoch rasant in Luft auf. „Oh Mann, das freut mich so sehr“, quietschte sie, räumte das Geschirr vom Tisch zusammen und begann abzuspülen. „Nami lesen“, blubberte Titi, während sie hoch konzentriert eine Serviette zerfetzte und plötzlich abrupt stoppte, nach oben sah und ihr Kunstwerk Ace präsentierte. „Da!“ Lobend tätschelte er ihren Kopf, nahm die Papierschnitzel hoch erfreut entgegen und blickte viel sagend zu mir. „Besser als jede versteckte Kamera.“ „Ich dachte, du wärst auf meiner Seite, Prinzessin!“ Gespielt beleidigt hatte ich die Wangen aufgebläht, mich zu Titi geneigt und zwickte sie sachte in die Seite, sodass sie umgehend giggelte. „Nicht Luffi!“ Doch dieses Mal wickelte sich mich nicht um den Finger, stattdessen hob ich sie von Aces Schoss, der daraufhin aufstand und ihr Meisterwerk im Müll verschwinden ließ, ehe er das Abtrocknen für Vivi übernahm, und kitzelte sie so doll, dass sie sich wie ein Regenwurm kringelte. „Gleich heult einer“, mahnte Vivi mit lachenden Augen, räumte das Geschirr weg und wirkte ehrlich verwirrt, als Ace von hinten die Arme um sie schlang und den Kopf gegen ihren Nacken lehnte. „Die kleine Petze hat es doch nicht anders verdient.“ Mit hochgezogener Augenbraue hatte Vivi bereits die Lippen geöffnet, um etwas zu entgegnen, doch er ließ ihr erst gar nicht die Chance dazu, sondern löste schlagartig seine Umarmung, erfasste ihre Hand und führte sie aus der Küche. „Ich hab noch eine Überraschung für dich!“ „Och, Ace, doch nicht jetzt.“ „Was du wieder von mir denkst...Nein, das ist es nicht, aber wirst du ja gleich sehen“, hörte ich ihn noch sagen. Um ehrlich zu sein, hatte ich aber im ersten Moment auch das gedacht, was Vivi vorgeschwebt sein musste. Ich verbrachte den Tag mit den in den letzten Tagen liegen gebliebenen Aufgaben, der Abgabetermin einiger Protokolle rückte immer näher und ich konnte mir keine Ausrutscher mehr erlauben. Gegen Abend jedoch hatte ich die Nase voll von der Anatomie der Insekten und beschloss Nami zu besuchen. Auch wenn ich sie zuletzt vor ein paar Stunden gesehen hatte, kam es mir bereits vor als lägen Tage dazwischen, als sie mir das letzte Mal die Zunge provokant entgegen gestreckt hatte. Es hatte mich ganz schön erwischt. Bereits aus einigen Metern Entfernung konnte ich erkennen, dass heute Abend mehr los war als sonst. Unter die Hintergrundmusik mischte sich das schiefe Gejaule einiger Mädels, die wahrscheinlich die Karaokemaschine ganz schön malträtierten, sowie ein lautes Stimmenwirrwarr, in dem ich auch Namis Stimme erkannte. Sie hörte sich ein wenig gestresst an und freute sich gewiss, wenn ich sie ein wenig ablenken konnte. „Hey Ruffy, wie geht’s dir?“, begrüßte mich Nojiko, nachdem ich das Kazaguruma betreten hatte, „ Nami ist heute an der Bar, wenn du sie suchst.“ Sie zwinkerte mir zu und beantwortete damit die Frage, ob sie Bescheid wusste. Na ja gut, was erwartete ich von einem derart eingespielten Team wie Nami, Vivi und Nojiko. „Soweit ist alles super“, erwiderte ich grinsend und fügte schnell hinzu, „War Vivi schon da?“ Nojiko strahlte. „Ja, ich kann’s noch immer kaum glauben. Wobei du Sanji’s Gesicht hättest sehen sollen. Zum Glück wird sie uns ja als Aushilfe erhalten bleiben, ansonsten wäre der arme Kerl wohl am Boden zerstört gewesen.“ „Nojiko! Kommst du endlich?!“, rief Nami, ehe ich Nojiko antworten konnte. Ich folgte ihr an die Bar, an der Nami wirklich alle Hände voll zu tun hatte. „Wenn Sanji das nächste Mal ein Special plant, dann kann er sich hier aber die Füße platt stehen“, zischte sie, „verzieht der sich einfach. Männer.“ „Nami, lach doch mal“, sagte ich grinsend, während ich mir den letzten freien Platz in ihrer Nähe sicherte. „Ruffy! Wie schön, dass du da bist“, sie beugte sich über den Tresen, um mich zu küssen, was von den anderen Gästen nicht unkommentiert blieb. „Ach, Namilein, deswegen willst du mich nicht auf einen Sake einladen?“, ein großer breiter Typ musterte mich abschätzig, ehe er Namis Locke um seinen beringten Zeigefinger drehte. Ich musste die in mir aufbrodelnde Wut echt unterdrücken und wäre ich wie Ace, wäre ich wohl direkt explodiert. So beließ ich es dabei auf dem Strohhalm meines Cocktails rumzukauen und das Ganze nicht aus den Augen zu lassen. „Hey Teach, kannst du deine Hände auch mal bei dir lassen?“, presste sie gestresst hervor und blickte ihn scharf an. Abwehrend hob er die Hände und lehnte sich zurück. „Schon gut, ich kann schon verstehen, dass du jetzt, wo dein Freund da ist, nicht mehr nett zu mir sein kannst.“ „Dein Gelaber ist echt nicht zu ertragen“, platzte es aus mir heraus und Teach wandte sich von Nami ab. Er erhob sich von seinem Stuhl und baute sich vor mir auf. „Hey, kein Grund sich so an mich zu drücken.“ Ich stieß ihn grob gegen die Schulter, woraufhin er mein Handgelenk umfasste. „Ruffy“, flüsterte Nami und machte Gesten es gut sein zu lassen. Aber ich sah nicht ein, wieso ich derjenige sein sollte. Ich konnte doch nicht zulassen, dass jemand so respektlos mit meiner Freundin umsprang. „Was willst du Bengel überhaupt“, raunte er mir entgegen und ich bekam eine exklusive Aussicht auf seine Zahnlücken. „Nicht mal 1,6m groß und meinen hier aufmucken zu müssen.“ „Ich bin 1,74m!“ Er lachte in einem tiefen Basston und mir platze fast eine Ader. Nami presste die Kiefer aufeinander und blickte sich zu Nojiko um, die in ein Gespräch mit ihren zwei Fans vertieft war. „Hey Teach, lassen wir es dabei und du bekommst einen Sake aufs Haus, ok?“, versuchte sie zu schlichten. „Nein, Nami! Belohn‘ ihn doch nicht auch noch dafür.“ Den Augenkontakt nicht unterbrechend spannte ich die Muskeln meines rechten Arms an, der sich noch immer in den Pranken von Teach befand und riss ihn schließlich los. Er schnaubte verächtlich und kramte in seiner Hosentasche nach einigen Berrys. „Weißt du, Nami, bisher fand ich’s immer echt nett mit dir, aber dein kleiner Giftzwerg hier, geht ja gar nicht.“ „Pass auf, was du sagst!“, sagte sie energisch, nicht ohne zuvor das Geld in ihre Gewalt zu bringen. Er wandte sich von mir ab, jedoch konnte er sich einen letzten Stoß gegen meine Schulter nicht verkneifen. „Das nächste Mal werde ich nicht mehr so nett zu dir sein.“ „Oh ja, ich zittere schon vor Angst“, sagte ich Augen rollend und nahm einen Schluck. Der Dicke kämpfte sich seinen Weg durch die anderen Gäste, die das Schauspiel eher stumm verfolgt hatten. Nami seufzte und wischte mit ihrem Handrücken über die Stirn. „Bei dem musst du echt aufpassen, Ruffy.“ Ich wollte ihr gerade erwidern, dass ich gewiss keine Angst vor so einem Maulheld habe, als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte. „Du bist immer noch hier?“, fauchte ich, als ich in die grinsenden Gesichter von Marco und Thatch blickte. „Du bist wirklich der Bruder von Ace“, lachte Marco und Thatch fügte auf meinen verwirrten Blick hinzu. „Der legt sich auf der Arbeit auch ständig mit dem guten Teach an. Eine richtige Hassliebe sozusagen.“ „Ace und auch du sollten mal lernen, dass man erst denkt, bevor man handelt. Das kann sonst fies ins Auge gehen.“ „Zwei Brüder, eine Macke“, lachte Thatch und Marco klopft ihm auf die Schulter. „Arme Vivi-sama, mit 20 Jahren schon dreifache Mutter und nur ein Kind kann sich benehmen.“ Ich schwankte ein wenig zwischen Wut und Lachanfall, blickte zu Nami herüber, die sich eher für Zweiteres entschieden hatte. „Haha, sehr witzig!“ Kapitel 20: Wachsmalstifte und Golddublonen ------------------------------------------- Die Tage und Wochen zogen ins Land, meine Semesterferien rückten immer näher und ich könnte es gar nicht mehr abwarten, endlich alle Prüfungen hinter mir zu lassen. Wenngleich ich noch einen Berg an Unterlagen und Skripten zu büffeln hatte. Wahrscheinlich war das der Hauptgrund dafür, dass ich mehr Zeit bei Nami verbrachte als Zuhause. Denn dort fand ich die nötige Ruhe, um dich darauf zu konzentrieren – zumindest wenn Nami arbeiten war. Außerdem entkam ich auf diese Weise Botengängen und sonstigen Aufgaben, die Vivi mir ansonsten sofort aufs Auge gedrückt hätte. Natürlich klappte dies nicht immer und sobald es um Titi ging, konnte ich eh nicht mehr „Nein“ sagen – Nami schon gar nicht. Mittlerweile hatte sie einen echten Narren an Titi gefressen und sah es jedes Mal als besonderes Ereignis an, wenn Vivi sie bat, auf sie aufzupassen. Inzwischen ging Titi seit einem Monat regelmäßig in den Kindergarten, was eine Entlastung für uns alle darstellte, selbst wenn zu Beginn jeder Abschied mit Tränen und Wutausbrüchen von statten gegangen war. Manchmal war es Titi selber und manchmal Ace. Um dem zu entgehen, hatte Dadan sich mehr als dezent angeboten, jeden Tag nach ihr zu sehen, wenn es denn nicht anders ging. Ace war sofort Feuer und Flamme gewesen, bei Vivi biss sie auf Granit. „Sie kann doch nicht immer ihren Willen bekommen, wie soll es dann erst später werden?“, hatte sie geantwortet und schließlich trotz Murrens von allen Seiten Recht bekommen. Mit der Zeit gewöhnt man sich eben an alles und so hatte sich auch Titi mit der Tatsache angefreundet, nicht mehr jeden Tag Zuhause zu sein. Viel mehr freute sie sich mit den anderen Kindern zu spielen, zu malen und Mittagsschläfchen zu halten. Ein wenig beneidete ich sie dafür, was würde ich geben, um nochmal so sorglos zu sein, wobei ich auf der anderen Seite dann so viel vermissen würde, was man als Kind nicht haben kann. Bei diesen Überlegungen fand ich nie auf einen grünen Zweig, irgendwas gibt es immer, dass das eine überwiegt und dem anderen unterlegen ist. Liegt wahrscheinlich daran, dass man meistens immer nach dem dürstet, was man eh niemals haben wird. Auch wenn sich manchmal doch eine Chance ergab, seinen Traum zu verwirklichen. „Ist Vivi schon sehr aufgeregt, bald wieder die Schulbank zu drücken? Ich stelle mir das wirklich als Herausforderung vor, sich wieder ans Lernen zu gewöhnen…Willst du auch einen Kaugummi?“, fragte Nami beiläufig, kramte in ihrer Handtasche und holte zwei Streifen Kaugummi hervor. „Klar, danke“, ich nahm den Kaugummi, wickelte ihn aus der Folie und steckte ihn in meinen Mund, während die Folie ihren Weg in meiner Hosentasche fand, ehe ich die Arme hinter dem Kopf verschränkte, „Du hättest sie mal sehen sollen, als sie ihre Kursunterlagen bekommen hat. Sie hatte nur noch Augen für die Uni und ich hab noch mehr Bilder mit Titi malen müssen als sonst.“ „Ach komm“, sie knuffte mir in die Seite, „Als würde dir das keinen Spaß machen. Ist doch so oder nicht?“ „Nami, wer von uns beiden ist denn vor Freude ausgerastet, als Vivi angerufen und darum gebeten hat, dass wir sie abholen und uns um sie kümmern sollen, bis sie Feierabend hat?“ Für einen Moment lächelte sie ertappt, ehe sie blitzschnell in den Angriff ging, um sich nicht weiter von mir in die Defensive treiben zu lassen. Das machte sie oft, wenn man einen weichen Kern bei ihr traf. „Sie ist aber zum Fressen goldig! Lacht immer so viel und wenn sie einen dann so interessiert anschaut und einem alles zeigen will.“ Sie geriet regelrecht ins Schwärmen. Kein Wunder, für sie war der ganze Umgang etwas Besonderes und zudem bekam sie nur die Rosinen ab. Nami war nicht nächtelang der Schlaf geraubt worden, weil Titi zahnte, wobei ich zugeben muss, dass nur Vivi während dieser Zeit kein Auge mehr zu machen konnte. Der Kindergarten war gar nicht so weit von unserer Wohnung entfernt. Er lag in der Nähe des Parks und war selbst von weitem dank seiner bunt bemalten Fassade nicht zu übersehen. Vor allem der riesige Löwenkopf an der Wand stach einem sofort ins Auge. Ein paar Bäume umgaben das Gebäude und versperrten größtenteils die Sicht auf den angrenzenden, umzäunten Hof, auf dem um diese Uhrzeit Totenstille herrschte. „Meinst du, die anderen Kinder wurden alle schon abgeholt?“ Ich checkte die Uhr auf meinem Handy, ließ den Kaugummi über meine Zunge gleiten, ehe ich eine Blase blies. „Wir haben jetzt kurz vor halb vier, ich glaube, Vivi hat gesagt, dass er um fünf schließt.“ „Hm“, raunte sie, beugte sich ein wenig zur Seite, um den leeren Hof zu inspizieren als hätte sie zuvor irgendetwas übersehen. „Hoffentlich musste sie jetzt nicht ganz alleine warten.“ Besorgnis machte sich in Namis Augen breit. „Ach quatsch“, erwiderte ich, tätschelte ihre Schulter, klingelte an der Tür und war nicht minder überrascht, als uns ein bekanntes Gesicht öffnete. Davon hatte Vivi gar nichts erzählt! „Hey Ruffy, Nami, was macht ihr denn hier?“ Ich brauchte nicht lange, um meine Sprache wieder zu gewinnen. „Hallo Tashigi!“, ich umarmte sie kurz zur Begrüßung, „Was machst du denn hier? Holst du auch jemanden ab oder arbeitest du etwa hier?!“ „Warum hätte sie uns sonst die Tür aufmachen sollen?“, fragte Nami, verdrehte die Augen und erntete ratlose Blicke seitens Tashigi, die wohl immer noch rätselte, was wir an ihrem Arbeitsplatz verloren hatten. Konnte ich ihr nicht verdenken. „Da hast du allerdings recht“, gab ich leicht beschämt zu, versuchte es mit einem Grinsen zu überspielen und kratzte meine Wange, ehe ein Stups von Nami mich wieder darin erinnerte, weshalb wir eigentlich da waren. „Ach ja, ich wollte meine Nichte Titi abholen...Vivi hat doch angerufen und Bescheid gesagt?“ „Vivi? Ach sooo“, ihr Gesicht hellte sich auf, nachdem sie eins und eins zusammengezählt hatte, „Portgas D.-san. Ja, sie hat heute Mittag Bescheid gegeben, dass die Kleine von ihrem Onkel abgeholt wird. Das bist du?“ „Du hast es erfasst!“ „Hast du die ganze Zeit mir ihr gewartet, bis wir kommen?“, fragte Nami und ich meinte, herauszuhören, dass sie das ehrlich beschäftigt hatte. Sie kam aus dem Hintergrund näher an uns heran und schob den Gurt ihrer Tasche zurück auf die Schulter. Tashigi schüttelte den Kopf, was Nami die Stirn runzeln ließ. „Es sind noch ein paar andere Kinder da“, klärte sie uns auf, gab den Weg ins Gebäude frei und lächelte, „aber kommt doch erst mal rein. Ich glaube, es wird nicht so einfach, sie von ihren neuen Freunden zu trennen.“ Nami und ich tauschten Blicke aus, wobei ich ratlos die Schultern zuckte, bekam ich in letzter Zeit doch kaum was mit, dass sich im Leben der Drei tat. Es kam mir schon beinahe so vor, als wohnte ich gar nicht mehr mit ihnen zusammen. Irgendwie fühlte es sich für mich komisch an, solch eine Information von einer Außenstehenden zu bekommen. Jedoch erwiderte ich nichts darauf, sondern folgte Tashigi stumm durch den Flur. An den Seiten standen kleine Garderoben, an denen nur noch wenige Jäckchen hingen. Die Wände waren ebenso farbenfroh mit Fingerfarben bemalt worden wie die Außenfassade. Kichernd deutete Nami auf eine weiße Plüschjacke mit Häschenohren an der Kapuze. „Wie goldig!“ „Titi hat auch so eine“, flüsterte ich ihr zu, als Tashigi auch schon die Tür zum Aufenthaltsraum öffnete. „Hat Dadan ihr gekauft.“ „Wer auch sonst.“ Damit hatte sie allerdings recht. Weder Vivi, noch Ace oder mir wäre es je in den Sinn gekommen, ihr solch ein Kleidungsstück zu kaufen. Überhaupt war alles Kitschige und Plüschige zum Anziehen, das Titi besaß, mal auf Dadans Mist gewachsen. Mit einem Schlag jedoch war jeglicher Gedanke daran wie fort geblasen. Der Himmel hatte uns ein unbezahlbares Geschenk bereitet und vor allem Nami konnte ihr Glück kaum fassen. Nachdem Tashigi die Tür aufgeschoben und uns den Blick auf den Raum freigegeben hatte, war uns sogleich etwas ins Auge gesprungen, das wir so dort niemals erwartet hätten. Inmitten einer Bande Kleinkinder, zu der auch Titi gehörte, saß Zorro, ein viel enges und kurzes T-Shirt, auf dem „Mama“ stand, tragend, gab immer wieder einem der Kinder einen anderen Wachsmalstift und malte selber hin und wieder etwas auf das große Blatt in ihrer Mitte. Er schien nicht einmal bemerkt zu haben, dass die Tür geöffnet wurde, sein Kopf war nicht hochgegangen, stattdessen wirkte er richtig vertieft in die Sache. Auch die Kinder schenkten dem Treiben um sie herum keine Beachtung und waren viel mehr damit beschäftigt, ihre jeweiligen Lieblingsfarben vor den anderen zu verteidigen und einen möglichst größten Teil des Papiers für ihre Kunstwerke zu beanspruchen. Geschickt gelang es Zorro die aufkeimenden Streitereien bereits früh zu unterbinden, anerkennend nickte ich. Das gelang mir ja nicht mal, wenn ich mit Titi alleine war. Kurz schielte ich zu Nami herüber, die fleißig Fotos mit ihrem Handy schoss und es grinsend in der Tasche verstaute, als sie meinen Blick bemerkte. „Das ist unbezahlbar. Jetzt hab ich was gegen Zorro in der Hand, wenn er sich weigert seine Schulden zu begleichen.“ „Du bist manchmal echt unmöglich.“ „Wartet ihr einen Moment hier?“, lenkte Tashigi unsere Aufmerksamkeit zurück auf ihre Person. „Ich hol sie schnell, okay?“ „Alles klar, vielen Dank.“ Sie ging über den hellgelben Teppich herüber zu der Gruppe um Zorro, der kaum dass sie ihm die Hand auf die Schulter gelegt hatte, mit panischem Gesichtsausdruck zur Tür herüber starrte und mit einem Mal hochrot wurde. „Hey Zorro!“, ich winkte ihm überschwänglich, woraufhin er die Augen zukniff, die Finger verkrampfte und sich auf die Unterlippe biss. Die Kinder gerieten in den Hintergrund, egal wie oft sie auch an seinem Unterarm rüttelten oder an seiner Kleidung zupften. Es fiel mir nicht schwer, mir auszumalen, was ihm in dieser Situation durch den Kopf gehen musste und wie sehr er Nami und mich mental verfluchte. War doch immer dasselbe mit ihm. „Na, hast du den Job gewechselt, Zorro?“, stichelte Nami mit dieser schrecklich süßlichen Stimme, die sie immer benutzte, wenn sie sich am Unglück anderer ergötzte – man konnte es nicht anders ausdrücken. „Das machst du wirklich toll!“ Tashigi lächelte, beugte sich ein Stück herunter und wandte sich an Zorro: „Siehst du, ich bin nicht die einzige, die so denkt.“ „...“, ein Zähneknirschen war alles, was er von sich gab. Einen sarkastischen Kommentar sichtlich unterdrückend. „Zorro, gefällt dir unser Bild nicht mehr?“, fragte ein kleiner, blonder Junge und bekam bloß ein Kopfschütteln, bevor Zorro tief ein und ausatmete und den Eindruck machte, als wäre das Ganze nie vorgefallen. Er stand auf, nahm Titi auf den Arm, kam auf uns zu und drückte sie mir in die Arme, ehe er ruhig die Tür schloss. Perplex zwinkernd sahen Nami und ich uns gegenseitig an, während Titi mit dem pinken Wachsmalstift, den sie fest in den Händen behalten hatte, auf meinem T-Shirt herum malte. War das gerade tatsächlich geschehen? „Was sollte denn das jetzt?“, nuschelte Nami, selbst sie hatte seine Reaktion mehr als aus dem Konzept gebracht. „Tut mir leid, das wollte ich nicht“, meldete sich Tashigi auf einmal zu Wort, die nach Zorros seltsamer Aktion sogleich zu uns geeilt war. „Aber aus irgendeinem Grund ist Zorro das schrecklich peinlich. Dabei seid ihr doch seine Freunde.“ „Na, Tashigi, Zorro zeigt eben nicht gerne Gefühle“, versuchte Nami zu erklären, was Tashigi sichtlich verunsicherte. Wahrscheinlich kannte sie diese Seite nicht oder Zorro vertraute ihr und schätzte sie so sehr, dass er bei ihr nicht den Stein mimte. Wenn sie wüsste, wie viel das bedeutete. „Vor allem nicht vor uns!“ Sie neigte den Kopf und stützte das Kinn auf dem Handrücken ab, ehe sie einen Seufzer ausstieß. „Oh je“, sagte sie zermürbt, die Stirn in Falten gelegt, „und ich hab ihn auch noch in diese prekäre Lage gebracht. Er ist sicher wütend.“ „Zolo, böse?“, fragte Titi, sah zwischen uns Drei hin und her und reichte mir den Stift. „Zolo geben.“ Schwach lächelte Tashigi, beugte sich zu ihr und nahm den Wachsmaler entgegen, bevor sie ihre Wange streichelte, um Titi das Gefühl zu geben, dass alles in Ordnung sei. Die Verwirrung über den abrupten Stimmungswechsel war ihr deutlich anzusehen. „Aww, das ist aber lieb von dir, Titi. Ich werde Zorro den Stift gleich wiedergeben.“ „Stift“, nuschelte sie, zupfte an dem Kragen meines T-Shirts und kuschelte sich gegen meinen Arm. Das Lächeln verschwand genauso schnell von Tashigis Gesicht, wie es erschienen war. Es bereitete ihr gehöriges Kopfzerbrechen und dabei war sie doch die Letzte, die daran schuld hatte. Gut, im Grunde genommen war es eine Verkettung höchst unglücklicher Umstände, für die niemand was konnte. Was musste Zorro aber auch immer so stur sein? „Mach dir keine Vorwürfe, Tashigi. Du wusstest es schließlich nicht besser“, probierte ich sie aufzuheitern und legte ihr die freie Hand auf die Schulter, während Nami die Arme vor der Brust verschränkte und leicht die Nase rümpfte. „Wenn der Marimo auch nie den Mund aufkriegt.“ „Nami...“ „Ist doch wahr“, verteidigte sie sich und senkte beschämt den Kopf, als sie erkannte, wie unangenehm Tashigi die Situation war. „So meinte ich das nicht...“ „Ist schon gut“, winkte sie ab, verschränkte die Arme vor der Brust und drehte den Kopf in Richtung des Aufenthaltsraums. Das flaue Gefühl in meinem Magen wurde immer stärker. „Tashigi“, sie blickte zu mir, „warum hat Zorro eigentlich dieses viel zu kleine T-Shirt an?“ „Wie kommst du darauf, ihr jetzt so eine dämliche Frage zu stellen?“, fauchte Nami und verpasste mir eine Kopfnuss. „Als würde dich das gar nicht interessieren...“ Tashigi, die seit unserem Eintreffen überfordert wirkte, brauchte einige Zeit, bis sie die Eindrücke halbwegs verdaut hatte und antwortete: „Einem der Kinder ist nach dem Mittagessen ein Missgeschick passiert.“ „Verstehe, Zorro wurde von oben bis unten vollgekotzt!“, stellte ich fest und spürte erneut Schmerzen in meinem Hinterkopf. „Was denn?“ Namis Kopf deutete in Richtung Tashigi, die jedoch zu unserer völligen Überraschung still kicherte. Sie hatte ja auch noch was vor sich. Blieb nur zu hoffen, dass Zorro nicht zum Fels mutierte und wenigstens ihr nachsah, was heute geschehen war. Zuhause bei Nami, lachten wir beide noch einmal herzlich über Zorros seltsames Schauspiel, der Anblick war einfach zu komisch gewesen. Die Stunden mit Titi vergingen, wie ihm Flug und es war fast so, als hätten wir erst fünf Minuten gemalt, als Vivi angerufen hatte. „Das müssen wir unbedingt nochmal wiederholen“, sagte Nami zum Abschied, nicht ohne Hintergedanken und drückte Titi einen Kuss auf die Stirn. „Mach’s gut, kleine Prinzessin.“ Beim Abendessen kreisten meine Gedanken, nur noch um ein Thema. Bis Namis Geburtstag blieben mir bloß noch wenige Tage und mir nicht so recht einfallen, womit ich ihr eine Freude machen konnte. Die davonlaufende Zeit wirkte sich alles andere als förderlich auf meine Kreativität aus. Alles erschien mir ungeeignet für sie oder drückte nicht aus, wie viel sie mir bedeutete. Es war zum Haareraufen! „Ich hab dir doch vor kurzem von diesem Typ erzählt, der in meine Abteilung versetzt wurde, Teach heißt er“, hörte ich Ace sagen, als er sich mal nicht eine riesige Ladung Fleisch in den Mund schob. Ich horchte auf, das war doch dieser grobe Kerl aus dem Kazaguruma. „Ja, war das nicht der Dicke? Was ist denn mit dem?“ „Heute war seine Frau da, keine Ahnung weshalb, auf jeden Fall war sie auf einmal im Vorraum, als wir Pause gemacht haben und, Vivs, ob du es glaubst oder nicht, sie sieht haargenau so aus wie er! Das ist echt heftig! Ich musste auch erst zweimal hinsehen, ob ich mich nicht täusche. Marco hat sie auch für ihn gehalten und sie dann erst mal mit Hey Teach, seid wann trägst du denn Lippenstift? begrüßt, bis sie ihn angeschrien hat, dass sie nicht er wäre und er wohl was an den Augen hätte. Oh Mann, wie peinlich ihm das war. Thatch und ich mussten natürlich lachen und haben ihn später noch damit aufgezogen.“ Vivi schüttelte den Kopf. „Wenn ich's nicht besser wüsste, könnte das auch eine Schulgeschichte sein.“ Ace lachte laut auf und leerte sein Glas. „So kam es mir auch vor! Vor allem, als Teach dann raus kam und sie wie seine Mutti auf ihn eingeredet und rumgefuchtelt hat. Da tat er mir schon ein bisschen Leid, obwohl du ja weißt, dass er nicht mein bester Freund ist...So hysterisch wie die war und dann vor uns.“ „Warum war sie denn überhaupt so aufgebracht? Es muss ja auch einen Grund gegeben haben, dass sie in die Firma gekommen ist. Macht man gewiss nicht einfach so...Und sei es bloß ein vergessenes Handy.“ Vivi schenkte uns allen Wasser nach, musterte Ace vielsagend aus den Augenwinkeln und gab Titi einen Löffel, nachdem der Erste auf dem Boden gelandet war. Ace kräuselte die Lippen. „Ich will's irgendwie auch nicht wissen, die sind beide so gruselig und wenn du dir dann vorstellst, dass...“ Er schüttelte sich wie eine nasse Katze. Vivi hatte die Hand über die Augen gelegt und grinste, jedoch eher aus Verlegenheit. „Was du immer für Gedanken hast. Vielleicht denken andere Menschen das auch über uns.“ Er machte ein Zischgeräusch und eine wegwerfende Handbewegung. „Ja klar... Oh bevor ich's vergesse“, Ace prustete in seinen nicht vorhandenen Bart, „das Beste kam ja erst danach.“ Voller Euphorie sah er Vivi an, bis diese endlich fragte: „Was ist passiert?“ „Marco und Thatch liefern sich schon seit Monaten ein Streichgefecht und heute konnte Marco es für sich gewinnen“, er lachte und probierte krampfhaft die Sprache wieder zu finden, doch es wollte ihm nicht gelingen. „Maco“, blubberte Titi, „Maco, Papa Arbeit.“ „Genau, die beiden arbeiten zusammen“, bestätigte Vivi sie und säuberte ihre Hände, während Ace sich allmählich fing. „Das war so geil. Thatch hat immer Pomade und einen Kamm dabei, irgendwie ist Marco an die Pomade gekommen und hat sie gegen flüssige Schokolade ausgetauscht. Thatch hat natürlich nicht den Inhalt überprüft, als er seinen Kamm wie gewöhnlich eingetaucht und sich dann damit gekämmt hat. Das hättet ihr sehen müssen.“ Schallendes Gelächter füllte den Raum und sogar einige Tränchen sammelten sich in seinen Augenwinkeln. Selbst Vivi, die normalerweise genervt den Kopf schüttelte, lachte. „Als er es bemerkt hat, war eh vor bei. Maaaaaaaaarcoooooo, du rufst jetzt sofort beim Friseur an!, hat er die ganze Zeit geschrien und versucht, nicht alles vollzutropfen und Marco dann immer: Aber ich hab doch gar keine Nummer!“ „Wie ist es ausgegangen? Hat Thatch noch seinen Friseurtermin bekommen?“ „Ja, das auf jeden Fall. Der ist wie eine Elefantenherde und blind vor Wut davon gestampft und hat immer wieder gemurmelt, dass Marco das noch bereuen würde.“ „Alles in Ordnung, Ruffy?“, fragte Vivi, nach einigen Minuten der Stille, und musterte mich besorgt. „Du hast ja dein Essen noch gar nicht angerührt. Oder schmeckt es dir nicht?“ Tatsächlich hatte ich mehr in dem Gemüse herum gestochert, als es zu essen. Ich mischte ein wenig Reis darunter und hob den Kopf. Zu meiner Linken übte Titi sich im Essen mit den Fingern, Reiskörner klebten ihr auf der Stirn und ich meinte, etwas Paprika in ihrem Haar hängen zu sehen. Ace, der mir gegenüber saß, befreite sie vom gröbsten Schmutz, bevor er sich eine neue Ladung auf den Teller schaufelte, alles unter dem strengen Blick von Vivi, die ihm einige Servietten reichte und sich kurz darauf wieder an mich wandte. „Hm?“ „Du bist so still.“ „Was? Nein, ich hab nur gerade über was nachgedacht. Nichts Wildes...“ „Und das sollen wir dir glauben?“, Ace hob eine Augenbraue an und richtete die Gabel auf mich. „Hör auf, dir Vivi vorzustellen!“ „Äh, was?“ „Ace“, zischte Vivi und ihr Gesicht zeigte eine Mischung aus Scham und Belustigung, so wie man es oft bei ihr sah, wenn ihr Anstand ihr verbot, über irgendwas zu lachen. „Ich denke kaum, dass Ruffy deswegen so weggetreten ist. „...“ „Du grübelst sicher darüber, was du Nami zum Geburtstag schenken kannst, hab ich recht?“ Mit großen Augen wandte ich den Kopf zu ihr. Echt unheimlich, wie gut sie meine Gedanken lesen konnte. Ich nickte, Vivi lächelte aufmunternd und wollte gerade etwas sagen, als Ace ihr in die Parade fuhr: „Wenn's weiter nichts ist...Ich weiß, was du ihr schenken kannst: Gutscheine. Sie wird dir dafür um den Hals fallen.“ Ich linste zu Vivi, die den Mund verzogen hatte und wohl am liebsten vehement den Kopf geschüttelt hätte. Und ehrlich gesagt, konnte ich mir auch kaum vorstellen, dass Nami sich darüber freuen würde, mal abgesehen davon, dass ich nicht wüsste, wofür ich ihr Gutscheine schenken sollte. „Zieht Vivs etwa Fratzen?“, fragte Ace misstrauisch, nachdem ich nicht auf seinen Vorschlag reagiert hatte. „Was hast du gegen meine Idee, ich hab dir das doch auch dieses Jahr geschenkt und du hast dich gefreut!“ Vivi seufzte und drehte sich zu ihm. „Natürlich habe ich mich gefreut. Das war eine wirklich schöne Geste“, sagte sie in versöhnlichem Ton und legte ihre Hand auf Aces, was dazu führte, dass seine Stirn sich wieder glättete. „Aber ich glaube nicht, dass es was für Nami wäre.“ „Was du wirklich brauchst, ist wohl eher so etwas wie ein Portmonee, das niemals leer wird“, begann Ace aufzuzählen und jonglierte währenddessen seine Stäbchen als wären sie Dirigierstöckchen. „Eine Katze, die darauf dressiert wurde, zu stehlen. Ein Esel, der Münzen scheißt. Den Schatz des fliegenden Holländers. Eine goldene Gans. Oder Mitarbeiter, die umsonst arbeiten!“ „Wenn du herausgefunden hast, wo es das Alles gibt: Ersteres könnten wir auch gut gebrauchen“, schmunzelte Vivi, schob ihr Geschirr beiseite und bettete den Kopf auf der linken Hand. „Wenn du willst, können wir morgen etwas zusammen für sie aussuchen, Ruffy. Ich hab Nami nämlich auch noch kein Geschenk besorgt.“ Kapitel 21: Die D.s - Detektive im Einsatz ------------------------------------------ Müde zuckten meine Lider, als ich Vivis Stimme vernahm. Zunächst hielt ich sie für eine Traumillusion, bis sie ihrer Stimme durch Klopfen an der Tür Nachdruck verlieh. „Ruffy? Bist du wach?“ „Hm…kannst ruhig reinkommen“, stöhnte ich, schälte das Gesicht aus dem Kissen und sah zu Vivi, die am Türrahmen gelehnt stand. Statt wie sonst das Haar offen zu tragen, hatte sie einen groben Zopf geflochten, der ihr über die Schulter hing. Ich richtete mich auf, suchte nach meinem Handy. „Wie spät ist es?“ „Acht Uhr“, erwiderte sie, „Ich wollte nur sichergehen, dass du gleich fertig bist, wenn ich wiederkomme.“ „Wo willst du denn hin?“ „Nami hat mich gebeten, ihr bei den Vorbereitungen zu helfen und außerdem muss noch die Inventur für die Getränke gemacht werden. Dauert aber bestimmt nicht lange, denn viel gibt es nicht zu tun. Frühstück hab ich dir auf den Tisch gestellt“, sie lehnte sich zurück, scheinbar blickte sie zu ihrem Schlafzimmer, „und wenn du dich beeilst, dann kriegst du es noch. Also, bis später, Ruffy!“ Vivi grinste breit und winkte kurz zum Abschied. Ich nuschelte etwas zur Antwort, zog die Decke über den Kopf und war mit einem Schlag hellwach. Frühstück! Auf dem Tisch. Noch! Ohne Weiteres sprang ich aus dem Bett, stürmte in die Küche und fühlte mich im siebten Himmel. Pfannkuchen! Vivi hatte mir tatsächlich Pfannkuchen gemacht! Der Tag versprach, super zu werden. „Hm, ich hab doch Pfannkuchen gerochen?“, raunte Ace verschlafen und wuschelte sich durch die Haare. Zufrieden leckte ich den letzten Rest Sirup von den Lippen. „Da hättest du früher aufstehen müssen“, sein Blick versteinerte, „Vivi hat welche für mich gemacht!“ „Sie ist meine Frau, nicht deine, meine!“ „Ich bin aber immer lieb zu ihr“, war das Letzte, was ich sagen konnte, bevor Ace mich erwürgt hätte. Mit einem Satz rettete ich mich ins Bad und machte mich fertig. Als Vivi zurückkam, sprach sie mit Ace einige Dinge ab, während Titi und ich ihr Katzenpuzzle gerade fertig hatten. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so viel Zeit mit Vivi alleine verbracht und dabei so viel Spaß gehabt hatte. Obwohl wir uns bei den Vorschlägen fürs Namis Geschenk öfters uneinig gewesen waren. Was nicht zuletzt an unseren völlig verschiedenen Geschmäckern lag. Vor allem aber wurde mir bewusst, wie wenig ich Nami doch eigentlich kannte, wie wenig ich über ihre Vorlieben wusste. Natürlich verbrachten wir viel Zeit miteinander und inzwischen kannte ich ihre Wohnung in und auswendig, doch konnte ich nicht sicher sagen, was ihr gefallen und was sie eher abstoßen würde. So manches Mal sah Vivi mich dementsprechend entsetzt an, als ich etwas aus dem Regal nahm und ihr zeigte. „Damit kannst du aber nicht bei Nami auftauchen“, kommentierte sie sowohl die Ohrringe, die ich ihr gezeigt hatte, sowie ein Kleid und einen Lippenstift, seufzte und sah mich mitleidig an, zumindest deutete ich ihren Blick so. Schlau wurde ich nicht aus ihrem Verhalten, aber obwohl ich mir insgeheim richtig dämlich vorkam, immerhin schien ich ja nichts über meine eigene Freundin zu wissen. „Lass den Kopf nicht hängen“, hatte sie gesagt und mir die Hand auf die Schulter gelegt, als wir nach vier Stunden noch immer nicht fündig geworden waren. „Mir fällt es auch immer wahnsinnig schwer, etwas für Ace auszusuchen. Entweder ist es zu pragmatisch oder ich weiß nicht, ob es ihm überhaupt gefallen würde. Oder ich komme mir komisch dabei vor, das zu verschenken.“ Ich stieß die Luft hinaus, vergrub die Hände in den Hosentaschen und blickte flüchtig zu ihr. „Ehrlich?“ „Ehrlich.“ „Aber ist doch auch irgendwie komisch, dass ich keinen Schimmer hab, worüber sich Nami freuen könnte.“ Vivi schmunzelte. „Du weißt es schon, aber es kommt dir seltsam vor, genau das zu verschenken. Richtig?“ Mal wieder traf sie den Nagel auf dem Kopf. Natürlich hatte ich bereits einige Anhaltspunkte gehabt, die sich vorwiegend um das Thema Geld gedreht hatten. Aber schlicht und ergreifend Geld zu verschenken, erschien mir als viel zu unpersönlich. Vivi legte den Zeigefinger auf die Lippen, runzelte die Stirn und ließ den Blick durch den Laden schleifen, bis sich ihre Miene aufhellte und sie zwischen den Regalen verschwand, um schließlich mit vollen Händen zurückzukommen. „Was soll ich denn damit, Vivi?“ Doch statt mich aufzuklären, drückte sie mir den Gegenstand in die Hand und sagte: „Ich hab den Anfang gemacht, jetzt lass ein bisschen deine Fantasie spielen!“ Perplex starrte ich sie und den Gegenstand in meinen Händen abwechselnd an, bis die Ideen tatsächlich zu sprudeln begannen. „Wer kommt denn heute Abend alles?“, fragte ich Vivi, während wir uns verschiedene Badebomben anschauten, „Nur du, Titi und Nojiko?“ Vivi schüttelte den Kopf und hielt mir eine nach Rosenblüten duftende unter die Nase. „Die hole ich mir auch“, schmunzelte sie, „Nein, ob du es glaubst oder nicht, aber ich habe Tashigi auch eingeladen.“ „Tashigi?“, ich machte große Augen. Kannte Vivi sie tatsächlich mittlerweile so gut, dass sie sie zu ihrem heiligen Mädelsabend einlud? Oder aber. ob die Drei etwas ganz anderes im Schilde führten. Vivi konnte ich von dem Verdacht freisprechen, aber bei Nami und Nojiko war ich mir ehrlich gesagt nicht sicher. Als könnte sie meine Gedanken lesen, lachte Vivi kurz auf und packte ein Töpfchen Gesichtsmaske in ihren Korb. „Was du wieder von uns denken musst, Ruffy! Nein, Nojiko und ich haben uns darüber unterhalten, dass es schön wäre, Tashigi näher kennenzulernen, jetzt wo sie und Zorro… Na, du weißt schon, ernsthaft zusammen sind.“ „Verstehe, ihr wollt sie ausquetschen.“ „Ruffy!“, fiepste Vivi, errötete leicht und legte noch einen Tiegel Haarmaske in ihr Körbchen, bevor sie zur Kasse ging und wir beide zahlten. „Es geht nicht darum sie auszuquetschen, ich möchte nicht, dass sie sich ausgeschlossen fühlt.“ „Nenn‘ es, wie du willst, Vivi“, lachte ich und nahm von der Kassiererin das Wechselgeld entgegen, „Hauptsache ihr habt Spaß.“ „Den werden wir sicher haben“, erwiderte sie lächelnd. Nach einem kurzen Stopp im nahe gelegenen Supermarkt, bei dem sich Vivi mit allerlei Knabbereien eindeckte, machten wir uns auf den Heimweg. Bereits, nachdem wir aus der Stadt zurück waren, war Vivi zusammen mit Titi aufgebrochen, um mit Nojiko Namis Wohnung herzurichten. Während ich noch damit beschäftigt war, Namis Geschenk hübsch herzurichten und zu verpacken, hörte ich die Tür ins Schloss fallen. Offensichtlich war Ace gerade nach Hause gekommen. „Sind die Mädels schon rüber gegangen?“, fragte er um sich blickend und ließ sich neben mir aufs Sofa sinken. Ich nickte und versah das Geschenkpapier mit Klebestreifen. „Vor einer halben Stunde sind sie los. Vivi meinte, dass sie gegen elf morgen wieder hier sind.“ „Super, was hältst du davon, heute Abend richtig fertig gemacht zu werden?“, fragte Ace und hielt mir vielsagend die Videospiele in seinen Händen unter die Nase. Wie schaffte er es nur immer, die meisten Titel schon vor der Veröffentlichung besitzen zu können? Ungläubig schnappte ich mir die Spiele und studierte eingehend die Verpackung sowie die DVD im Inneren. Tatsächlich, Originalware. „Bekomme ich auch eine Antwort oder gibst du dich mit der Hülle zufrieden?“ „Das lasse ich mir nicht entgehen“, erwiderte ich grinsend, bevor mir ein weiterer Gedanke kam, „Obwohl, es gäbe da schon noch was…“ „Wenn du von Pizza sprichst, die ist schon unterwegs!“ Ich musste wohl übers ganze Gesicht strahlen, denn Ace lachte nur laut und wuschelte mir durch die Haare. „Du bist so einfach glücklich zu machen, Ruffy!“ „Hey, jetzt tue nicht so, als wärst du anspruchsvoller“, feixte ich und bemerkte, wie Ace an seinem Handy herumspielte, „Ist was mit Vivi?“ „Hm?“, er legte es beiseite und schüttelte den Kopf, „Nur Marco und seine üblichen Spinnereien wieder.“ „Hat er etwa wieder einen Weg gefunden, Thatch zur Weißglut zu treiben?“ Ace grinste spitzbübisch und warf einen Blick über seine Schulter, als müsste er sich vergewissern, dass Vivi nicht doch plötzlich hinter uns auftauchte. „Eigentlich wollte ich es dir gar nicht erzählen, weil du ja nicht lügen kannst, aber ich denke, das geht schon klar…“ Jetzt weckte er tatsächlich meine Neugier. Was konnte so interessant sein, dass er es vor mir verheimlichen wollte? „Jetzt mach keinen Staatsakt draus, Ace! Was plant ihr?“ „Du meinst, was plant Marco“, korrigierte er mich und ergänzte auf meinen erwartungsvollen Blick hin, „Du weißt doch, dass Marco ein Auge auf Nojiko geworfen hat.“ „Ein Auge ist gut“, lachte ich, „laut Nami, betet er den Boden an, auf dem sie wandelt.“ Ace hielt sich die Hand vor die Stirn. „Marco hat mir sogar erzählt, dass er seit Nojiko die Finger von anderen Frauen lässt und für sie sogar in die Monogamie-Sekte einsteigen würde. Sie hat ihn regelrecht verhext.“ Er trank einen Schluck Cola, als das plötzliche Türklingeln ihn aufspringen ließ. „Pizza!“ Ace breitete den Karton auf dem Couchtisch aus und riss sich ein Stück ab. Ich tat es ihm gleich. „Jedenfalls“, kaute er, „habe ich ihm heute Morgen erzählt, dass sie heute Abend einen Mädelsabend abhalten.“ „Ja und? Will Marco sich jetzt verkleidet darein schmuggeln?“, lachte ich und fing mit der Zunge den herabtropfenden Käse auf. Ace wischte sich die Finger an einer Serviette ab. „So ein Unsinn. Wobei es schon ähnlich bescheuert ist. Gegenüber von Namis Wohnung ist doch dieses Café.“ „Ja?“ „Marco hat für uns dort einen Tisch gemietet und er will dort den ganzen Abend verbringen.“ Ich schüttelte ungläubig den Kopf. „Und was soll das bringen?“ „Er denkt, damit könnte er Nojiko überzeugen, dass er es ernst meint.“ „Als Stalker ganz sicher“, ich schnappte mir unter Aces wachsamen Augen ein weiteres Stück Pizza. „Das hat Thatch auch gesagt, weshalb er sich gleich an Marco gehängt hat. Du hast ja damals mitbekommen, dass er auch nicht ganz abgeneigt ist“, Ace seufzte, „seitdem darf ich beiden während der Arbeit Fragen zu Nojiko beantworten.“ „Du bist wirklich nicht zu beneiden“, ich dachte kurz an Nami und ob sie über all das bereits im Bilde wahr – Vivi bestimmt-, „Aber Vivi und Nojiko sind ja heute nicht Namis einzige Gäste.“ „Klar, der Krümel ist auch mit“, erwiderte Ace beiläufig und eroberte das letzte Stück Pizza. Ich grinste. „Zorros Freundin wird auch anwesend sein.“ Ace wurde hellhörig. „Erst wollte ich den beiden absagen, aber jetzt will ich selber wissen, was die beiden vorhaben… Was sagst du, kommst du mit, Ruffy?“ „Das kann ich mir doch nicht entgehen lassen!“ Nachdem wir jedes seiner neuen Spiele kurz angetestet hatten, hatten Ace und ich beschlossen, uns mit Marco und Thatch im Café zu treffen. Da es trotz Abendstunden noch angenehm warm war, trafen wir die beiden an einem der zahlreichen Außentische an. „Na das kann ja heiter werden“, flüsterte Ace mir zu, als wie von weitem sahen, wie Marco in einer Sporttasche zwischen seinen Füßen herumwühlte, „Fehlt nur noch, dass Thatch einen Trenchcoat, Sonnenbrille und Ferngläser trägt.“ Doch im Gegensatz zu Marco, saß dieser ihm ganz entspannt gegenüber, nippte an seinem Getränk und begrüßte Ace mit: „Bitte sag ihm, dass das alles total hirnrissig ist, Ace.“ „Das habe ich euch beiden schon heute Morgen gesagt“, entgegnete er und nahm zwischen den beiden Platz. Unsere Begrüßung fiel kurz aus, während Thatch mir zunickte, als ich einen weiteren Stuhl an den Tisch heranzog, war Marco ganz vertieft in seine Kamera. Eigentlich war das mit dem Stalker nur ein Scherz von mir gewesen, aber so langsam glaubte ich es selber. „Du hast gar nicht erwähnt, dass ihre Schwester im vierten Stock wohnt, Ace-kun“, murmelte Marco, zündete eine Zigarette an und rieb sich kurz die Nasenwurzel, „egal, wie nah ich ran zoome, ich sehe nur die Gardinen oder die Pflanzen auf dem Fensterbrett.“ „Marco, ich weiß, dass du mir sowieso nicht zuhörst, aber das habe ich dir alles gesagt“, rechtfertigte sich Ace ein weiteres Mal, bestellte bei der Kellnerin eine Runde Bier und ließ sich in den Stuhl sinken. „Ich habe dir erzählt, dass Vivi und Nojiko eine Überraschung für Nami planen. Dass Vivi den Krümel auch mitnimmt…“ „Ja ja, schon klar“, winkte Marco ab, nahm die Zigarette von den Lippen und trank einen Schluck, „komm zu den Stellen, die interessant für mich sind.“ „Nojiko ist anwesend.“ „Ja.“ „Sie ist Single.“ „Ja.“ „Und nicht an dir interessiert.“ „Ja“, entgegnete Marco monoton, ehe er seinen Fehler bemerkte, „bitte was?“ Thatch und Ace verfielen in schallendes Gelächter, das ziemlich ansteckend war, auch wenn mir Marco ein wenig leidtat. Nojiko musste ihn echt um den Verstand bringen. Er warf uns einen giftigen Blick zu, woraufhin sich Ace räusperte und einen Schluck nahm. „Sie ist dir nicht abgeneigt, aber wenn du so verbissen an die Sache herangehst, verschreckst du Nojiko nur. Sie kann es nicht leiden, wenn jemand so klammert.“ „Woher willst du das wissen, Ace-kun?“, Marcos Ton war scharf. Ace zuckte die Schultern. „Ich bin mit ihr zur Schule gegangen und wir waren all die Jahre befreundet, da hab ich schon eine gewisse Ahnung.“ „Willst du uns etwa sagen, dass du ganz persönliche Erfahrungen gemacht hast?“, zwitscherte Thatch, fischte eine Zigarette aus Marcos Schachtel und zündete sie an. Ich musste unweigerlich an mein letztes Treffen mit Thatch denken. Er erwähnte ein Fan von Sex and the City zu sein, tatsächlich konnte ich mir in diesem Moment sehr gut vorstellen, wie Thatch mit den Hauptcharakteren an einem Tisch saß und trinkend und rauchend Beziehungsparadigmen durchkaute. Ich konnte das in mir aufkeimende Kichern kaum unterdrücken. „Was gibt‘s denn da zu lachen, Ruffy?“, zischte Ace, stützte das Kinn auf der linken Hand ab und blickte zu Thatch. „Und du hast einfach nur einen Vollschatten. Da war, ist und wird auch nie etwas mit Nojiko sein.“ „Genau, Thatch. So was kannst du deinem fetten Kater erzählen“, Marco visierte mal wieder Namis Küchenfenster mit der Kamera an, „Kannst du Vivi-sama anrufen und fragen, ob sie oder die Kleine mal durchs Fenster schauen?“ „Bitte?! Mein Kater und fett? Das muss ich mir von dir nicht sagen lassen!“, Thatch konnte sich nur durch Ziehen an der Zigarette, davor schützen zu hyperventilieren. „Die Tierärztin hat auch gesagt, dass mein Yoshi 7 Kilo gesunde Katermasse ist.“ Ob der Kater so hieß, weil er ähnlich verfressen wie der Dino war? Fragen konnte ich dies Thatch aber im Moment nicht, ansonsten würde er mir wahrscheinlich die Augen auskratzen. „Nimm’s nicht persönlich. Du weißt doch, dass Katzen Marco generell suspekt sind.“ „Die sehen mich immer an, als wäre ich das Abendessen!“ Thatch wollte etwas erwidern, doch Ace winkte ab und zückte stattdessen sein Handy, um auf Marcos Bitte zurückzukommen. Unglaublich, dass ich hier der Jüngste war. Ihre Methoden entsprachen denen von Vierzehnjährigen. „Hey Vivs“, begann Ace das Gespräch und nickte Marco zu, „Ist alles in Ordnung bei euch? Ja, bei uns auch. Du, ich hätte da mal eine Bitte an dich…“ „Ist das dein Ernst?“, ich konnte kaum glauben, was Ace mir gerade geschildert hatte, und war in Namis Küche verschwunden, damit sie das Gespräch nicht mithörten, „Wo seid ihr denn?“ Ich kniff die Augen ein wenig zusammen und konnte sie aufgrund ihres Winkens auf der Terrasse des Cafés erkennen. Ich winkte zurück und lachte, als ich Marco mit seiner Kamera herumhantieren sah. „Ihr seid doch nicht ganz normal.“ „Hey, Ruffy und ich sind völlig unschuldig“, verteidigte Ace sich und ich hörte eine Stimme im Hintergrund, „War allein Marcos Idee!“ „Was erhofft er sich denn davon?“ Ich konnte mir kaum vorstellen, dass er mit so einer Aktion Nojiko für sich gewinnen konnte. „Ich kann es dir nicht sagen, aber du musst mir jedes Mal mitteilen, wenn sie etwas über Marco fallen lässt.“ „Vivi?“, hörte ich Nami rufen, „Vivi, was machst du denn da?“ „Ich fülle bloß die Chips um“, antwortete ich, riss alibimäßig ein paar Tüten auf und füllte sie in eine Schale. „Vivs, komm bitte noch mal ans Fenster, damit ich dich in voller Pracht bewundern kann“, säuselte Ace sarkastisch und ich erfüllte ihm seinen Wunsch, aber nicht ohne ihm die Zunge entgegen zu strecken. „Das ist eine wirklich tolle Gesichtsmaske. Titi haben wir auch ein bisschen ins Gesicht geschmiert.“ „Vivi, wie lange dauert das denn?“, fragte Nami, die urplötzlich hinter mir aufgetaucht war, vor Schreck beendete ich das Telefongespräch. Skepsis lag in ihrem Blick und ich war mir sicher, dass nur die dicke Schicht Maske in meinem Gesicht meine geröteten Wangen verbergen konnte. Trotzdem bemerkte Nami, dass etwas faul war. „Das war Ace oder?“ Ich nickte ertappt, den Kopf leicht gesenkt. „Vivi, morgen ist mein Geburtstag, heute sollte es nur um uns gehen“, Nami legte den Arm um mich, „was ist so wichtig, dass er dich extra anruft?“ Ihr Griff wurde fester und wusste, dass sie nicht eher ruhen würde, bis ich sie einweihte. Aber ich hatte Ace versprochen, dicht zu halten. „Er hat nur gefragt, ob mit Titi alles okay ist…“ „Das glaube ich dir nicht“, sie ließ los und versuchte an mir vorbei aus ihrem Küchenfenster zu sehen. „Er ist da unten oder?“ „Ich weiß nicht, was du meinst, Nami.“ Ich konnte gar nicht so schnell schauen, wie sie sich an mir vorbeigedrückt hatte und aus dem Fenster winkte. Mit gehobener Augenbraue musterte sie mich. „Was soll das?“ Ich seufzte, warf meinen Zopf über die Schulter und beugte mich näher zu ihr. „Ich werde es dir kurz und knapp aufschreiben und danach verlieren wir hierüber kein Wort mehr, ok?“ „Lass mal sehen, was du anzubieten hast.“ Nami verschränkte die Arme, während ich ihr die gegenwärtige Situation kurz auf Papier schilderte. Als ich fertig war, drehte ich das Blatt um und schob es ihr zu als wäre es ein Preisangebot für einen Neuwagen oder die eigene Unversehrtheit. Nami nahm es, blickte kurz darauf und grinste breit. „Nicht dein Ernst.“ Seufzend nickte ich erneut. Nami wies mir mit dem Zeigefinger an, näherzukommen. „Du hast meine Erlaubnis, aber nur weil ich zufällig weiß, dass das nicht auf Einseitigkeit beruht.“ „Hey, ihr beiden, kommt ihr wieder rüber? Nojiko hat den Film gerade eingelegt.“ „Na klar, Tashigi“, flötete Nami und schnappte sich eine Chips-Schüssel, mit der sie zurück zum Bett ging, „hat dir Nojiko schon alle Geschichten von Zorro aus der Schule erzählt?“ Armer Zorro, fehlte nur noch, dass er sich ebenfalls da unten herumtrieb. „Mama!“ „Komme!“ „Thatch, warum stört es dich eigentlich nicht, dass Marco so hinter Nojiko her ist? Ich dachte, du magst sie auch?“, fragte ich ehrlich interessiert und knabberte an dem Fruchtspieß von meinem Cocktail. Mit dem Strohhalm sog Thatch die letzten Tropfen auf, bevor er mir die Hand auf die Schulter legte. „Marco jagt wie ein Falke und ich habe keine Lust, mir dabei die Augen aushacken zu lassen.“ „So reden nur Feiglinge und Menschen, bei denen die Frisur an erster Stelle steht.“ „Fängst du damit schon wieder an? Sei doch froh, dass ich ein fairer Verlierer bin und das Feld für dich räume. Ich könnte genauso gut aufstehen, bei Ruffys Freundin klingeln und ihrer Schwester erzählen, dass du hier mit Kamera und Megafon hockst und über Aces Frau versuchst, sie auszuspionieren.“ „Oh ja und ich weiß ganz genau, dass Vivi jetzt, während sie mit den Mädels zusammensitzt, so angespannt sein wird wie eine Samba tanzende Elfe. Sie ist für sowas einfach nicht geschaffen.“ Ich kicherte und musste dabei an eine von Vivis Geschichten aus ihrer Kindheit denken. Als sie mit Corsa in einem Laden Schokolade geklaut hatte und aufgrund ihres schlechten Gewissens am nächsten Tag wiederkam, um das Geld an der Kasse zu hinterlassen. Marco vergrub das Gesicht in den Händen. „Ich weiß. Es ist nur so frustrierend“, er pausierte kurz und zündete eine neue Zigarette an, „Ich war die letzten Wochen so oft bei ihr gewesen und trotzdem hat sie mir immer noch nicht ihre Nummer gegeben. Ich wollte mich doch einfach mal mit ihr alleine treffen und nicht immer diesen angepissten Koch im Nacken haben.“ Ace nickte verstehend und schielte auf sein vibrierendes Handy, ehe er Marco einen Stoß in die Seite verpasste. „Scheint fast so, als wären deine Gebete erhört worden“, er grinste übers ganze Gesicht und auch Marcos Miene hellte sich mit einem Schlag auf. Nojiko hat mich gerade gefragt, ob ich Marcos Nummer habe. Sie wäre nie dazu gekommen, ihn zu fragen, weil es wohl immer so hektisch war. Aber ich bin mir sicher, da geht was :) Vivi ♥ Kapitel 22: Happy Birthday, Nami! --------------------------------- „Ich kann immer noch nicht glauben, dass das gestern tatsächlich passiert ist“, flüsterte Nami ohne Begrüßung, nachdem ich ihren Anruf angenommen hatte. Noch im Halbschlaf drehte ich mich auf den Rücken und rieb mir durchs Gesicht. „Ich kann nicht fassen, dass ich mich dazu hab überreden lassen… Na ja, wenigstens musste ich mich ja nicht aktiv daran beteiligen.“ Sie lachte kurz. „Und Vivi hat dir erlaubt, zu telefonieren?“ „Sie schläft noch, aber Titi ist schon wach. Gell, Süßmaus?“, ich hörte es kurz Rascheln und darauf lachen gefolgt von einem freudigen „Ja!“, Nami schmunzelte. „Wir machen Frühstück und wecken sie und Nojiko gleich. Möchtest du mit Ruffy sprechen?“ „Luffi?“ „Hallo Prinzessin, wie gefällt es dir bei Nami?“ Sie gluckste in den Hörer: „Guuuuuut! Wir machen jetzt Fhüstück!“ „Hmm… Frühstück“, mein Magen knurrte auf Kommando. „Haha, vielleicht war das ein Zeichen aufzulegen“, lachte Nami und fügte hinzu, „Wir sehen uns ja heute Abend. Ich freu mich schon.“ „Ich mich auch und Nami… Alles Gute zum Geburtstag, meine Süße!“ „Danke, Ruffy. Du bist der Beste.“ Da mir ein Teil von Namis Geschenk noch fehlte, beschloss ich diese Besorgung mit einem Frühstück außer Haus zu kombinieren. Ich hatte gerade mein Shirt übergestreift, als mein Handy vibrierte. „Hallo?“ „…“ Ich nahm das Handy vom Ohr, um zu schauen, ob überhaupt eine Verbindung bestand. Ich schüttelte den Kopf mit einem Grinsen. „Zorro, wieso schmollst du denn ins Telefon?“ „Tue ich ja gar nicht!“ „Doch, du rufst an und sagst nichts. Ich nenn‘ das schmollen.“ „Du denkst daran, dass wir nächste Woche Physik schreiben“, sagte er, ohne auf meinen vorherigen Satz einzugehen. „Da du so was ja gerne mal übersiehst…“ „Danke, Zorro“, kicherte ich, „ich wollte mich auch bei dir für neulich entschuldigen.“ „…Tun wir einfach so als wäre das nie passiert…“ „Was ist denn passiert? Haha, Spaß. Rufst du nur wegen der Physikklausur an?“ Mein Magen knurrte plötzlich so laut auf, dass ich Zorro schmunzeln hörte. „Sorry, ich wollte eigentlich eine Kleinigkeit frühstücken gehen und noch etwas für Namis Geburtstag besorgen.“ „Das ist noch ein Grund, weshalb ich dich anrufe… Wollen wir uns beim Kiosk treffen?“ „Nein, Zorro. Ich hab nur wenig Zeit. Ich hol‘ dich zu Hause ab“, sagte ich ohne seine Antwort abzuwarten und steckte das Handy in die Hosentasche. Wenn ich Zorro besuchte, dann brauchte ich eine Viertelstunde für die Strecke. Andersherum konnte es sich manchmal zu einer zweistündigen Irrfahrt entwickeln. Nami hatte immer gesagt, Zorro sei dümmer als ein Lachs, den die fänden immer nach Hause. Ich drückte Zorros Klingel im geheimen Klingelzeichen, damit er runterkam. „Willst du erst essen?“, fragte er mich und mein Magen übernahm prompt die Antwort. Verlegen kratzte ich mich am Kopf. „Dachte ich mir, aber passt mir auch ganz gut in den Kram. Mein Kühlschrank ist nämlich leer... seit Tagen…“ „Boah, Zorro, du musst doch essen“, entgegnete ich geschockt, als wir uns auf den Weg zum Bäcker machten. „Ansonsten verdauen sich deine Gehirnzellen selber!“ „Und was ist dann deine Ausrede?“ Mit aufgeblähten Wangen schielte ich zu ihm. Selten hatte ich ein derart dreckiges Grinsen auf seinen Lippen gesehen – das letzte Mal, als er Ace den Todesstoß versetzt hatte. „Pah, und du willst mein bester Freund sein“, ich verschränkte die Arme hinter dem Kopf, als er mich plötzlich packte und in eine Hofeinfahrt zog. „Was sollte das denn werden? Der Bäcker war doch schon in Sichtweite!“ Auch mein Bauch protestierte gegen diese Zwangspause. Zorro ignorierte mich und beobachtete aufmerksam die Straße, bis er endlich antwortete: „Hast du nicht gemerkt, dass du die ganze Zeit über einen Schatten hattest?“ Ich runzelte die Stirn. „Seit du mich abgeholt hast, ist uns so ein seltsamer Typ gefolgt.“ Mein Gesicht entspannte sich. „Ach, du meinst Hamnock. Keine Sorge, sie ist ganz ok, ein wenig launisch aber harmlos.“ Zorro entglitten für einen Augenblick die Gesichtszüge. „Das war keine Frau, du Gummikasper.“ „Jetzt ernsthaft?“, er nickte, „wird wohl bloß ein Zufall sein.“ Ich machte mich wieder auf den Weg zum Frühstück, während Zorro nur noch den Kopf schütteln konnte. Einen Kaffee und drei Partybaguettes später traute sich Zorro endlich mir zu offenbaren, weshalb er sich überhaupt mit mir treffen wollte. „Sag mal, weißt du, was ich der Fun… äh Nami zum Geburtstag schenken könnte? Sie hat Tashigi und mich eingeladen.“ Er wirkte gequält, offensichtlich hatte Nami sich den schwachen Teil ausgesucht, um die Einladung auszusprechen, denn Zorro hätte garantiert abgelehnt. „Du hast doch noch Schulden bei ihr, oder?“ Zerknirscht stimmte er zu. „Dann leg ihr doch einfach das Geld mit Zinsen in eine Karte. Du kennst sie doch.“ „Mehr nicht?“ „Zorro, was willst du mit dem Geschenk denn erreichen?“ Er nahm einen Schluck aus seinen Kaffeebecher. „Ich will, dass sie mit diesen ständigen Provokationen aufhört… Und Tashigi da raushält.“ Ich lachte, was mir einen bösen Blick einbrachte. „Du weißt genau, dass sie das nur macht, weil du ihr noch Geld schuldest!“ „Oh Mann, schenkst du ihr auch nur Geld?“ „Natürlich nicht, aber das wirst du heute Abend ja sehen.“ „Verstehe… Meinst du, Lysop hätte die Tage noch mal Zeit, uns Physik zu erklären?“ „Wenn er nicht wieder 100 Kilo drückt, hat er gewiss Zeit.“ Zorro lachte aus vollem Hals und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, wobei mir wieder etwas einfiel. „Das wollte ich dir ja noch erzählen!“, Zorro horchte interessiert auf, „Wir haben in Biochemie einen neuen Dozenten bekommen. Der ist richtig gruselig, stell dir einen großen Typ mit Reißzähnen vor, der mit seinen Assistentinnen über Massenvernichtungswaffen sinniert. Wir müssen ihn auch mit Master ansprechen und solche Sachen. Jedenfalls schlottern Lysop schon die Knie, wenn er während der Vorlesung nur in unsere Richtung schaut. Und das Beste war, einige Tage danach ist er zu mir und Lysop in den Aufzug gestiegen. Er hat kein Wort gesagt und uns völlig ignoriert. Nicht mal Lysops Zähne Klappern schien ihn zu stören und dann, kurz bevor er ausgestiegen ist, fing er an, wie ein irrer Lokführer zu lachen. Du hättest sehen müssen, wie Lysop aus dem Stand zwei Meter nach oben geschossen ist.“ Ein Schwall Kaffee kam aus Zorros Mund geschossen, ehe er nach Luft ringend zu Lachen begann und die Aufmerksamkeit sämtlicher Passanten auf sich zog. Sein Lachen war geradezu ansteckend. Erst nach einer Weile beruhigte er sich wieder. „Ohne den Lügenbaron Lysop wäre die Uni ganz schön trist.“ Ich nickte. „Du sagst es. Aber er meinte, er wäre so sehr in seiner Meditation vertieft gewesen, dass ihn die Lautstärke an sich erschreckt hätte“, mein Blick fiel auf die Straßenuhr, „Zorro, danke für die Baguettes, aber ich muss jetzt los und Namis Geschenk besorgen. Wir sehen uns heute Abend.“ Glücklich, die letzten Exemplare erwischt zu haben, kam ich zurück nach Hause und fand zu meiner Überraschung eine leere Wohnung vor. Toll, Duschen ohne anzustehen! Als ich beschlossen hatte, Namis Geschenk zu verpacken, jedoch weder Geschenkpapier noch Band finden konnte, hörte ich auf einmal den Schlüssel im Schloss drehen. „Hallo, ich bin wieder zu Hause“, flötete Vivi, zog die Wohnungstür zu und sah sich suchend im Wohnzimmer um. „Hallo Ruffy, ist Ace gar nicht da?“ „Nein, bin ganz alleine“, sie legte ihre Tasche auf der Couch ab und wollte in die Küche gehen, „Vivi, wo ist das Geschenkpapier?“ Sie stoppte, öffnete die Kommode im Wohnzimmer und reichte mir Geschenkband und Papier. „Sag mal, hast du eine Ahnung, ob Ace heute noch weg wollte? Am Kühlschrank hängt keine Nachricht und geschrieben hat er mir auch nicht“, sagte sie, als sie mit einer Tasse in der Hand zurück ins Wohnzimmer kam. „Ne, weiß ich nichts von“, antwortete ich ihr, die Zunge halb vor geschoben, während ich mit der Schere probierte, Kringel in die Schnüre zu ziehen und darauf meine gesamte Konzentration richtete. „Ich war aber auch bis vor Kurzem noch unterwegs.“ „Hm“, raunte Vivi, die zwischenzeitlich hinter mir aufgetaucht war. „Er hatte mir gestern noch gesagt, wir treffen uns hier, nachdem ich Titi zu Dadan gebracht habe.“ „Vielleicht ist er ja schon vorgegangen“, sagte ich mit Blick auf die Uhr. „Es ist zwar noch früh, aber was anderes könnte ich mir jetzt nicht vorstellen.“ Vivi schürzte die Lippen. „Damit könntest du recht haben“, sagte sie wenige Sekunden später, warf einen Blick über meine Schulter und riss die Augen auf. „Aber, Ruffy! So kannst du das aber nicht Nami geben!“ „Warum nicht?“ Sie schob den Kopf nach vorne, ihr Mund stand halb offen. „Hast du dir dein Werk mal näher angeschaut?“ Ich hob die Schultern. „Mit Liebe eingepackt.“ Für einen Moment huschte ein Lächeln über ihre Lippen, ehe sie sich neben mich auf den Boden hockte, das Geschenk komplett auspackte und mir Schritt für Schritt zeigte, wie es ordentlich ging. Es hatte mich zwar gewurmt, dass Vivi mich wie Kleinkind behandelt hatte, dennoch musste ich zugegeben, dass ihre Version kein Vergleich zu meiner war. Ich räumte die Verpackungsutensilien zurück in den Schrank, legte mich aufs Sofa und kramte mein Handy aus der Tasche. Weder verpasste Anrufe, noch neue Nachrichten. Es hatte mir den ganzen Tag in den Fingern gejuckt, doch ich hatte mir fest vorgenommen, Nami persönlich zu gratulieren und mich so noch mehr auf ihr Gesicht freuen zu können, wenn sie mein Geschenk sah. Ich grinste bei der Vorstellung, wie sich überrascht ihre Augen weiteten. Das schrille Klingeln meines Handys riss mich aus meinen Gedanken. „Hallo?“ „Hey Ruffy“, meldete sich Ace zu Wort. „Bist du zu Hause? Ich kann Vivs nicht erreichen, ist sie bei dir?“ „Ja, was gibt es denn?“ „Sag ihr bitte, dass ich schon im Kazaguruma bin.“ Ich kicherte. „Das hatten wir uns schon fast so gedacht. Sind schon viele Leute da?“ „Ne, nur Sanji, Nojiko, Nami und zwei, die ich nicht kenne“, erwiderte Ace, stockte kurz und plötzlich hörte ich ihn begeistert rufen. „Jo, Zorro!“ Alles, was ich darauf vernahm, war ein mehr gegrummeltes als gesprochenes „Schieb‘ es dir sonst wohin!“. „Wie du hörst, Zorro ist gerade gekommen. Mit seiner Freundin. Wann seid ihr ungefähr da?“ „Keine Ahnung, Vivi ist noch im Bad.“ „Okay, dann also frühestens in einer halben Stunde. Wir sehen uns dann.“ „Ja, bis gleich und ärger Zorro nicht zu sehr.“ „Würde ich nie tun“, lachte er und legte auf. Der arme Zorro durfte sich jetzt wohl einiges anhören, aber vielleicht hielt sich Ace zurück. Immerhin war Tashigi anwesend. Ich schälte mich von der Couch, ging in mein Zimmer und zog ein frisches T-Shirt über. Es dauerte nicht lang, bis auch Vivi komplett fertig war und wir in Richtung Kazaguruma aufbrachen. Auf dem Weg erzählte ich ihr von Aces Anruf, woraufhin sie nur den Kopf schüttelte und etwas davon nuschelte, dass ihm das ja wieder früh eingefallen wäre. Ehrlicherweise musste ich ihr da recht geben und verstand, wenn sie sich über ihn ärgerte. Doch angesichts der Party, die uns erwartete, löste sich dieser Ärger auch bald in Luft auf. Vivi und ich staunten nicht schlecht, über den Anblick, der sich uns beim Betreten bot. Obwohl wir beinahe pünktlich waren, war der Großteil von Namis Gästen bereits anwesend. Es waren auch einige wenige mir Unbekannte unter ihnen. Nojiko stand mit Ace etwas abseits. Sie tauschten ab und an einige Worte aus, lachten und tranken ihren Sake. Es war nur allzu offensichtlich, was die beiden amüsierte. Nami zeigte sich von ihrer besten Seite und nahm Zorro vor Tashigi ordentlich in die Mangel. Wenn man sie nicht kannte, konnte man fast meinen, sie unterhalte sich liebevoll mit einem alten Freund, doch die Freude ihn in der Hand zu haben blitzte deutlich in ihren Augen. Ab und an wandte sie sich an Tashigi und gerade in diesen Momenten schien Zorro all seine Willenskraft aufzuwenden, um bloß nicht einzuknicken. Wahrscheinlich brodelte es in ihm heftig und er hätte Nami am liebsten angebrüllt, doch vor Tashigi die Fassung zu bewahren, beherrschte ihn komplett. Trotz dessen gab es etwas, das Vivi und mich in diesem Augenblick mehr faszinierte. Am anderen Endes Raumes spielten sich zeitgleich gar surreale Szenen ab. „Sag mal, Ruffy, träum ich?“, flüsterte Vivi, während sie zwar auf Nami zu ging, den Blick aber nicht von dem Gesehenen abwenden konnte. „Ich seh‘ es jedenfalls auch“, sagte ich, schluckte und runzelte die Stirn. Was zum Teufel suchte Hancock hier? Lauerte sie mir nun überall auf? Wäre sie ein Mann gewesen, hätte ich wohl schon längst über Polizeischutz oder einen Umzug nachgedacht. „Vivs, da bist du ja!“, rief Ace, nachdem er uns im Getümmel entdeckt hatte, und zog sie in eine stürmische Umarmung. „Hab dich so vermisst…“ „Ich dich auch, aber…“ Als hätte er die Fragen in unseren Gesichtern genau lesen können, klärte uns Ace ungefragt über die Situation auf. „Hancock stand heute Nachmittag plötzlich vor der Tür“, er musterte mich streng, „du gibst aber nicht jedem gleich unsere Adresse, oder? Da war vor Kurzem noch so ein Gruselclown an der Tür und wollte mit dir sprechen. Der ist fast in Tränen ausgebrochen, als er mich und Titi gesehen hat.“ „Was? Ich hab dieser Frau nichts gegeben“, verteidigte ich mich, ein wenig entsetzt darüber, für wie naiv Ace mich zu halten schien. „Ich weiß genauso wenig, woher sie die hat! Und das sagst du mir erst jetzt?! So einen Clown kenne ich gar nicht!“ Wen meinte Ace denn damit schon wieder? Hatte ich etwa einen ganzen Fanclub, von dem ich nichts wusste. Aber wieso? Ace grinste süffisant und schlug mir auf die Schulter. „Ach, ich glaub dir doch, Ruffy. Aber nur weil du eh nicht lügen kannst.“ „Das ist aber noch keine Erklärung, weshalb sie jetzt hier ist“, erinnerte Vivi Ace an die Ausgangssituation. „Ja, das ist eigentlich kurz erzählt: ich bin sie nicht mehr losgeworden.“ „Wie bitte?“ Ace zuckte mit den Schultern. „Es ist, wie ich es dir sage, Vivs. Sie hat geklingelt, ich hab nichts Böses ahnend aufgemacht und dann hat sie sich gleich in die Wohnung gequetscht und dabei gefaselt wie ein Wasserfall. Ich kann dir aber nicht genau sagen, was sie so von sich gegeben hat, hab nämlich nach zwei Sekunden auf Durchzug gestellt. Eigentlich war sie bei Hübsch und wohlhabend immer meine Lieblingsschauspielerin gewesen, weil ich fand, dass sie die biestige Zicke echt gut spielt. Aber als ich sie heute erlebt hab, ist mir klar geworden, dass sie ja genauso ist, wie in der Serie.“ Kichern brach aus Vivi heraus und auch ich musste mir ein Schmunzeln verkneifen. All die Monate hatte Ace vehement abgestritten, Serien wie Sex and the City, Hübsch und wohlhabend oder Frustrierte Ehefrauen zu sehen, obwohl entweder Vivi oder ich ihn mehrmals dabei überrascht hatten. „Als ich sie gefragt hab, was mit den verschiedenen Charakteren am Ende passiert, hat sie mich bloß angepampt, dass die Drehbücher so weit noch nicht geschrieben wären.“ „Warum hast du sie überhaupt mitgebracht?“, lenkte ich das Thema in eine andere Richtung. „Nami war gewiss nicht allzu begeistert davon.“ „Ihr Gesicht hättest du mal sehen sollen“, warf Ace lachend ein. „Als hätte ich ihr das gesamte Geld abgeknöpft.“ „Nami hasst Hancock.“ „Ich glaube, jetzt ist sie aber schon glücklich, dass ich sie mitgebracht habe“, Ace deutete mit den Augen in Richtung Bar, wo Sanji all sein Repertoire auffuhr, um Hancock einzuwickeln, die bisweilen noch den Eindruck einer launischen Wildkatze machte, zusehends jedoch zum Schmusetiger mutierte und sich begeistert davon zeigte, derart im Mittelpunkt zu stehen. „Man könnte schon fast sagen, dass du deine gute Tat für heute damit erledigt hast“, sagte Vivi lächelnd, drückte Ace einen Kuss auf die Wange und bat ihn ihr etwas zu trinken zu holen. Mein Blick wanderte durch das Lokal, blieb wieder an Nami hängen, die Zorro mittlerweile gewaltig in der Mangel hatte. Jedenfalls schien ihn die Unterhaltung mit ihr extrem zu fordern. Zumindest was seine Selbstbeherrschung betraf. „Zeit, Zorro zu retten“, schmunzelte Vivi, näherte sich mit mir der Gruppe und drückte Nami fest an sich, nachdem sie Tashigi und Zorro begrüßt hatte. „Ich hab dir zwar heute Morgen schon gratuliert, aber trotzdem wünsche ich dir noch mal alles Gute, meine Süße. Und außerdem ist es doch viel schöner, wenn ein Geschenk folgt.“ Nami grinste und ihre Augen wuchsen in Erwartung, als Vivi in ihrer Handtasche wühlte und das perfekt verpackte Geschenk herausholte. Wir konnten gar nicht so schnell gucken, wie Nami das Papier abgerissen und das Präsent inspiziert hatte. „Das hast du dir echt gemerkt? Wow, vielen Dank, Vivi!“ Sie legte den Arm um Vivi und presste ihre Wange an ihre. Währenddessen zischte Zorro mir giftig zu: „Du hast gesagt, sie würde es lassen, wenn sie das Geld wieder kriegt!“ Ich zuckte hilflos die Achseln und Zorro leerte seinen Sake mit einem Schnauben. „Ja, du hattest mir doch erzählt, es sei dein Lieblingsduft“, lächelte Vivi. „Aber das muss doch schon Monate her gewesen sein...“ Namis Augen glänzten, es war ihr deutlich anzusehen, wie sehr sie das berührte. „Alles Gute zum Geburtstag, Nami“, drängelte ich mich dazwischen, schlang meine Arme um sie und presste sie so fest an mich, dass sie „Nicht so stürmisch, Ruffy“ japste und nach Luft schnappte. Der vertraute Geruch von Vanille und Mandarinen umgab ihre Haare und am liebsten, hätte ich sie gar nicht mehr losgelassen. Doch insgeheim konnte ich es nicht erwarten, ihr Gesicht zu sehen, wenn ich ihr mein Geschenk übergab. Langsam löste ich die Umarmung, küsste sie und drückte ihr die Geschenktüte in die Hand, bevor noch jemand dazwischen funkte. Überrascht betrachtete Nami die Tüte, lugte flüchtig hinein und lächelte. „Das wäre doch nicht nötig gewesen, Ruffy.“ Ich runzelte Stirn. Sogar ich erkannte, dass sie log. Nami liebte es über Alles, Geschenke zu bekommen und wäre mir garantiert an die Gurgel gesprungen, hätte ich nichts für sie gehabt. „Das sieht aber verdächtig nach Vivi aus“, stellte sie messerscharf fest, nachdem sie die perfekte Verpackung mitsamt der Bilderbuchschleife inspiziert hatte, und stieß mir den Ellbogen in die Seite. „Den Inhalt hat sie aber nicht ausgesucht, oder?“ Ich schüttelte den Kopf. „Das habe ich schon noch alleine geschafft. Ich hoffe, es gefällt dir.“ „Das hoffe ich auch.“ Sie streckte die Zunge heraus. Bestimmt aufgeregter als sie, beobachtete ich, wie Nami das Geschenk auswickelte und es überrascht in den Händen hielt. „Eine Minischatztruhe?“ „Du musst sie aufmachen.“ Namis Augen blitzten in freudiger Erwartung auf – wahrscheinlich malte sie sich tatsächlich Bares in der Truhe aus. „Karten?“ „Ja, schau doch mal hin.“ Sie drehte die Karten um, lachte und fiel mir um den Hals. „Danke, Ruffy!“, sie küsste meine Wange. „Woher wusstest du, dass ich schon immer in den Sabaody Park wollte?“ „Weil du es mir schon vor Jahren erzählt hast“, lachte ich und drückte einen Kuss auf ihre Haare, als sie ihren Kopf an meine Schulter legte. „Ohhh, Ruffy wird ganz rot“, hörte ich Ace flöten, bis Vivi einschritt: „Ace, hast du Marco schon begrüßt?“ „Was?! Er ist auch hier…oh, wie soll ich das denn verstehen, Vivs?“ „Frag ihn doch selber, er ist bei Nojiko am Buffet.“ Mehr brauchte es nicht, damit sich Ace wie eine Dampflok durch Namis Gäste schob. Vivi schüttelte lachend den Kopf und folgte ihm. „Solange wohne ich hier noch nicht, deswegen bin ich umso erstaunter, dass ich hier so schnell Anschluss gefunden habe“, antwortete Tashigi auf Vivis Frage, ob sie auch hier zur Schule gegangen ist. „Hätte ich Zorro nicht im Dojo kennengelernt, wäre mein einziger Kontakt hier wohl immer noch Smoker-sama.“ „Wer ist das denn?“, fragte Nami, zog an ihrem Strohhalm und rutschte von meinem linken Oberschenkel auf den rechten. Kurz schmiegte ich die Wange an ihren Rücken und legte die Arme um sie. Bevor Tashigi, die zwischen Vivi und Zorro auf einer Eckbank saß, antworten konnte, fiel Ace ihr ins Wort: „Das ist aber nicht der Zigarrentyp, der vor dem Kindergarten Streife läuft?“ Tashigi kicherte leise in ihre Hand. „Und ob.“ „Nicht dein Ernst“, Ace schüttelte ungläubig den Kopf. „Ace wollte Titi letztens abholen, und ich war gerade dabei das Abendessen zu kochen, als mich ein fast panischer“, böse blitzte er Vivi an, „nein, als er mich anrief und meinte, da wäre so ein Schrank in der Tür, der Titi nicht rausrücken würde.“ „Oh ja“, Tashigi atmete tief ein, „Smoker-sama ist da wirklich streng. Vivi, du bist bei uns als Kontaktperson eingetragen und daran hält er sich eisern.“ „Aber ich bin ihr Vater?!“ „Schon klar, Ace, ich selber weiß das und handele da anders als er. Aber seit er vor Jahren mal etwas lockerer mit den Vorschriften umgegangen ist, hat er sich die dabei Hände verbrannt. Von daher kann ich ihn verstehen. Das darfst du ihm nicht übel nehmen.“ „Pff!“ „Mal abgesehen davon, wer würde schon Willy Wonka kleine Kinder anvertrauen.“ Ein schallendes Gelächter ging durch die Runde, selbst Vivi konnte es sich nicht verkneifen. „Aber einem chronischen Kettenraucher mit Terminator-Hintergrund... Warum fängst du jetzt wieder damit an?“, giftete Ace und war drauf und dran, Zorro die Augen auszukratzen. Doch noch bevor Vivi beschwichtigend eingreifen konnte, gesellte sich ein weiterer Partygast an unseren Tisch und zog die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. „Gefällt dir deine Party, Nami-Mäuschen? Brauchst du noch etwas? Hier, ich hab dir noch einen Drink mitgebracht.“ „Dankeschön, Sanji, wie aufmerksam von dir“, sagte Nami lächelnd und nahm den Drink entgegen. „Ja, sehr gut sogar. Gutes Essen und meine Freunde, was will ich mehr?!“ Sanji erwiderte kurz ihr Lächeln, bevor er sich an Ace wandte, der darüber sogar seine Wut auf Zorro vergaß. „Du hast auf jeden Fall etwas gut bei mir, Ace. Danke, dass du mich mit Hancock bekannt gemacht hast. Selten habe ich so eine leidenschaftliche Frau getroffen“, er geriet regelrecht ins Schwärmen. Ace winkte lachend ab. „Lass dich leidenschaftlich abstechen“, kommentierte Zorro trocken und nahm ein Schluck von seinem Bier. Vivi und Tashigi zuckten synchron zusammen, während Ace und mir ein Lachen rausplatzte. „Wie war das, Marimo?“ „Ich denke, du hast mich schon verstanden, Schnitzelfee.“ „Ich hab es dir ja gesagt“, flüsterte Nami in mein Ohr, „Zorro spielt einfach zu gerne mit dem Feuer.“ Da hatte sie allerdings mehr als recht. Es schien, dass Provokation der Treibstoff war, der Zorro am Laufen hielt. „Er hat das nicht so gemeint“, wiegelte Tashigi ab, die Luft zwischen den beiden brannte förmlich. „Halt dich daraus, Tashigilein“, zischte Sanji ohne sie dabei anzusehen, „das ist allein eine Sache zwischen mir und diesem Babygorilla.“ Zorro trank sein Bier aus, verschränkte die Arme kurz vor der Brust und stand dann auf. „Hör mal zu, du Topfreiniger, es ist eine Sache, wenn du mich so anpampst, aber mit meiner Freundin sprichst du gefälligst respektvoll!“ „Sei bloß froh, dass so viele liebreizende Damen anwesend sind. Ansonsten würdest du mich richtig kennenlernen!“ „Darauf kann ich auch verzichten!“ „Hey Leute, es ist mein Geburtstag! Da will ich hier keinen Zoff, sondern gute Laune, klaro?!“ Ich küsste Namis Nacken, der daraufhin von einer zarten Gänsehaut überzogen wurde, und schnappte mir mein Glas zum Anstoßen. „Auf Nami!“ „Auf Nami!“ Kapitel 23: Nami, Zuckerwatte und Riesenräder --------------------------------------------- „Hast du gesehen, wie glücklich Nojiko ist?“, fragte Nami beiläufig, während sie das Licht im Kazaguruma löschte und die Tür abschloss. „Den ganzen Abend nur am Strahlen.“ „Du doch auch, oder nicht?“ Ich schlang meine Arme von hinten um sie und vergrub mein Gesicht in ihren Haaren. Zusammen mit Nojiko, Ace, Vivi und Marco hatten wir die groben Reste von Namis Geburtstagsparty aufgeräumt. Eigentlich wäre das auch Sanjis Aufgabe gewesen, aber Nami hatte ihm – in ihrer unvergleichlichen Großzügigkeit – freigegeben, sodass er noch seine eigene after-Party veranstalten konnte. Hoffentlich würde das nicht mit einer Suchanzeige im Stadtblatt enden. Hamnock traute ich alles zu. „Na klar“, konterte Nami, wand sich in meiner Umarmung und legte ihre Arme um meinen Hals. „Immerhin fährst du mit mir in den Sabaody Park!“ Allein dafür, Nami so glücklich zu sehen, hatte es sich gelohnt, dreimal die Woche mitten in der Nacht für meinen von Ace vermittelten Nebenjob aufzustehen. Es war echt hart gewesen, den Schokoriegeln zu widerstehen und sie, statt in meinen Mund in die Regale zu räumen. „Oh ja, lass uns gleich morgen früh hin, ok? Ich hab gehört sie haben eine völlig neue Achterbahn und die Fressmeile extrem ausgebaut!“ „Wie kann jemand, der nur Essen in der Birne hat, so dünn sein?“ Sie zog an meiner Wange mit einem gespielt genervten Ausdruck im Gesicht. „Gute Gene?“ Nami lachte und schüttelte den Kopf, bevor sie mich küsste. „Wie gut, dass ich meine Party vor den Ruhetag gelegt hab“, sagte sie und nahm meine Hand, „ Aber lass uns erst mal nach Hause gehen.“ Ich schnappte nach Luft, als ich mich an Nami schmiegte und mein Herzschlag langsam ruhiger wurde. Ihrer Haare rochen immer noch nach Mandarinen und Vanille. Ich streichelte ihren Arm entlang und beobachtete die zarte Gänsehaut, die meine Berührung auf ihrer Haut hinterließ. Namis rechte Hand spielte mit meinen Haaren, während ihre linke, mein Handgelenk umfasste. Ich hob den Blick. „Soll ich aufhören?“ Sie schüttelte sanft den Kopf und öffnete ihre Augen. Ihre geröteten Wangen ließen sie noch verführerischer wirken. „Ruffy“, sie drehte sich zu mir und strich einige Haarsträhnen hinter mein Ohr, „warum hast du dich eigentlich nicht für Hancock entschieden?“ „Huh? Wie kommst du denn jetzt darauf?“ Nami zuckte die Schultern. Manchmal wurde ich einfach nicht schlau aus ihr. Wieso fing sie denn gerade jetzt mit Hamnock an, es war nie ein Thema zwischen uns gewesen. Ich legte die Stirn in Falten, während ich sie musterte. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, als sie meine Wange streichelte. „Hast du sie dir mal näher angesehen? Sie ist nicht umsonst Schauspielerin und Model…“ „Ja und? Dafür hat sie aber auch einen ganz schönen Schatten.“ Und das war gewiss noch untertrieben! Nami kicherte und strich über mein Schlüsselbein. „Und ich nicht, oder wie? Komm, ich weiß genau, wie Zorro über mich redet, wenn ihr alleine seid.“ „Niemand ist perfekt, Nami“, sagte ich, ergriff ihre Hand und legte sie an meine Wange. „Natürlich hast du deine Macken, die habe ich auch. Aber ich kenne dich schon so lange und es hat mich nie gestört.“ Ich wollte sie nicht in falscher Sicherheit wiegen, Lügen waren nie mein Stil. Nicht nur, weil ich es nicht konnte. Nein, das waren meine ehrlichen Gedanken. Ihr Geiz hatte mich nie gestört, auch ihr Temperament war etwas, das ich mitunter an ihr schätzte. Egal, wie oft ich mir schon eine Kopfnuss dabei eingefangen hatte. Wenn mich etwas in den vergangenen Jahren gestört hatte, dann war das ihre Unaufrichtigkeit mir gegenüber gewesen. Aber das war keine ihrer grundsätzlichen Charakterzüge. Namis Pupillen weiteten sich. „Ruffy…“ „Hm?“, ich schloss die Augen und spürte ihren Atem auf meinem Gesicht, „Nami, wir sind schon vorher so lange Freunde gewesen. Und das gewiss nicht aus Gewohnheit, sondern weil du es wert bist und ich weiß, was ich an dir habe. Allein deswegen warst du immer ohne Konkurrenz.“ Sie sagte nichts, aber ihre Lippen auf meinen waren Antwort genug. Ich legte die Arme um sie, als sie mich unter sich festnagelte und ihrer Leidenschaft freien Lauf ließ. Nach einem ausgiebigen Frühstück machten wir uns schon früh auf den Weg zum Sabaody Park, der von Namis Wohnung aus eine knappe Stunde und dreimal Umsteigen entfernt lag. „Möchtest du auch einen Schokoriegel?“, fragte ich Nami und bot ihn ihr an. Sie drehte den Kopf zu mir, die Augenbrauen waren hochgezogen. „Wir haben doch eben erst gefrühstückt!“ „Aber nichts süßes!“, erwiderte ich und schluckte den ersten Bissen runter. Hm, Erdnussbutter und Schokolade, nur Karamell war besser. „Und der Zucker mit Kaffee?“, stichelte Nami, während sie meine Wange und danach in meinen Bauch kniff. „Das war ja bloß ein Getränk!“, Ich grinste sie und merkte, wie der Schmerz in meinem Bauch stärker wurde. „Hey, kein Grund, gewalttätig zu werden!“ „Blödmann“, zischte sie, drückte mir einen kleinen Kuss auf die Wange und konnte ihr Grinsen nicht unterdrücken. Ich warf einen Blick über meine Schulter aus dem Waggonfenster. „Hey, hier müssen wir raus, Nami“, sagte ich und packte sie im selben Augenblick an der Hand, um mich mit ihr zusammen durch die Menschenmenge nach draußen zu kämpfen. Zum Glück war der Andrang im Park selbst nicht so stark wie in der U-Bahn und dank unserer Karten konnten wir an der wartenden Schlange vorbei direkt in den Park. „Whoaaaa!“ Ich wusste gar nicht, wo ich zuerst hinschauen sollte. Bereits vom Eingang aus stachen einem das Riesenrad und die Achterbahn, die sich gefühlt durch den ganzen Park zu ziehen schien, ins Auge. Und bereits hier fanden sich die ersten Imbissstände. Mein Magen grummelte leise. Aber würde ich jetzt schon wieder anfangen zu essen, würde Nami mir ein Satz heißer Ohren spendieren. „Ich dachte, du wärst schon einmal hier gewesen?“ „Pff, das ist doch ewig her gewesen, da gab‘s die Achterbahn noch gar nicht.“ „Ich habe keine Ahnung, wo wir zuerst hinsollen“, sagte Nami, während sie sich umsah und etwas entdeckte, „toll, ein Parkplan!“ Mit einer lässigen Handbewegung schlug sie den Plan auf und fand sich sofort zurecht. Dafür beneidete ich sie jedes Mal, alleine wäre ich aus der Karte nicht schlau geworden. Als ich mit Ace im Park gewesen war, hatten wir uns auf unserem Weg an der Anzahl der Fressbuden orientiert. „Guck mal, Ruffy! Wenn wir hier hergehen, können wir mit dem Karussell anfangen, dann auf das Riesenrad-„ „Woah! Und dann direkt ins Zuckerdorf!“ „Lass mich doch mal ausreden!“, fauchte Nami, riss den Plan an sich und folgte mit den Augen ihrer geplanten Route. „Ja, gute Idee, danach holen wir uns Zuckerwatte.“ Über ihr Zustimmen erstaunt, blickte ich auf die Karte und sah nach kurzem Suchen den Grund für ihren Meinungsumschwung. „Waaaaaas?! Und uns das Horror-Haus entgehen lassen? Das kannst du vergessen! Komm, Nami, schnell. Bevor wir noch lange anstehen müssen!“ „Ruuuuuffy!“ Doch ich ignorierte ihre Einwände und zog sie an ihrer Hand mit mir. „Das Foto ist doch gut“, sagte ich und hielt Nami mein Handy unter die Nase. Sie lachte und deute in die rechte Ecke des Displays. „Da hast du auch die Augen halb geschlossen, Ruffy.“ „Aber du siehst toll aus.“ Und wie sie das tat. Perfektes Zahnpastalächeln, die Haare trotz Bewegung nicht im Gesicht klebend. Nami nahm mir das Handy aus der Hand. „Hey!“ „Wir sind jetzt ganz oben, schau dir lieber diese Aussicht über den Park an“, sagte Nami grinsend und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr, „Fotos von mir kannst du dir auch später anschauen.“ Womit sie vollkommen recht hatte. Die Schlange vor dem Riesenrad war riesig gewesen und fast hätten wir aufgegeben und wären weitergegangen. Doch dann wäre uns dieses Highlight durch die Lappen gegangen. Ungläubig riss Nami die Augen auf und deutete auf die Wasserbahn. „Ich glaub‘ das jetzt nicht. Sieh mal, wer da unten herumirrt“, kicherte sie und auch ich konnte mir das Grinsen nicht verkneifen. Zorro. Trotz der Entfernung war eindeutig klar, dass er sich verirrt hatte. Allein, dass er sich, während wir ihn beobachteten, dreimal im selben Radius bewegte, sprach Bände. „Zorro ist doch garantiert nicht alleine hier“, bemerkte Nami, ich nickte zustimmend. Bestimmt hatten Tashigi und er dieselbe Idee gehabt und wollten das gute Wetter ausnutzen. Während ich Zorro beobachtete, suchte Nami den Park nach seiner Begleitung ab. „Nein, doch nicht jetzt“, rief sie, als sich das Riesenrad allmählich wieder in Bewegung setzte und unsere Gondel langsam zurück gen Boden fuhr. „Ich hab sie noch nirgends entdecken können.“ „Nami, da vorne!“ Im selben Moment, als wir Tashigi in der Menge entdeckten, stoppte unsere Gondel wieder. Dieses Mal auf der Hälfte der ursprünglichen Höhe, jedoch hoch genug, um eine gute Übersicht zu haben. Tashigi bewegte sich zielstrebig auf die Wasserbahn zu, wo Zorro sich noch immer wie ein Satellit in seiner Umlaufbahn drehte. Bis er plötzlich aus dem Kreis ausbrach und in Richtung Achterbahn davon schwirrte. „Ruffy, mach doch was!“, Ich spürte, wie sich Namis Fingernägel in mein T-Shirt krallten. „Tashigi war fast bei ihm und jetzt läuft dieser Mooskopf in die völlig falsche Richtung.“ „Nami, du kriegst ja fast eine Herzattacke“, lachte ich, als ich mein Handy aus der Hosentasche holte und Zorro eine Nachricht schrieb. „Stimmt nicht! Aber ich kenne doch Zorro und außerdem mag ich Tashigi. Es würde mir leid tun, wenn sie jetzt den ganzen Tag nach ihm suchen würde.“ „So kenn ich dich ja gar nicht…“ Mit einem Ruck fiel mir Nami in die Arme, als das Riesenrad weiterfuhr. Unsere Blicke trafen sich, ein flüchtiges Lächeln, bevor ich ihre Lippen auf meinen fühlte. Obwohl ich mit Engelszungen auf sie einredete, konnte ich Nami nicht überzeugen, mit mir in das Horror-Haus zu gehen. Weshalb ich sie einfach mitzog und einen Wutanfall ihrerseits riskierte. Doch Nami war viel zu beschäftigt, sich an meinem T-Shirt festzuhalten und ihr Gesicht bei jedem plötzlich auftauchenden Skelett an meine Schulter zu pressen. Die Achterbahn, das Aushängeschild des Parks, hatte es uns beiden angetan. Und wir nahmen für einige Fahrten gerne die lange Wartezeit in Kauf. Dasselbe galt für die Wasserbahn. Die erste Fahrt hatte uns beide komplett durchgeweicht, sodass erst ein paar Fahrten mit dem Freefall-Tower uns wieder halbwegs trockneten. Natürlich waren auch die Snacks nicht zu kurz gekommen. „Hattest du es dir so vorgestellt?“ Mit Nami an der einen Hand und einen Schokoapfel in der anderen verließen wir den Sabaody Park. Nami strich ihr Haar über die Schulter. „Nicht ganz.“ Ich schluckte einen Bissen runter. Er fühlte sich auf einmal so kratzig und trocken an. „Hat es dir etwa nicht gefallen?“ „Gefallen ist nicht ganz das richtige Wort“, erwiderte sie und ich spürte, Enttäuschung in mir aufkeimen, „Ich fand’s absolut super!“ Der Rest meines Apfels blieb mir beinahe im Hals stecken. Dieses kleine Biest. Mit einem Ruck zog ich Nami in eine enge Umarmung und kitzelte ihre Seite. Sie quiekte kurz auf. „Nein, bitte nicht! Hahaha“, ihr Kichern wurde stärker, obwohl sie es unterdrückte. „Hör auf.“ „Ich wäre wegen dir fast erstickt.“ „Ich wollte dich doch bloß ärgern, knihihi.“ Nami schnappte nach Luft, als ich von ihr abließ, und knuffte mich in die Seite. „Der Tag mit dir war einfach wunderschön“, sagte sie leise und nahm meine Hände. Mein Herzklopfen wurde stärker, als sie mir in die Augen sah und ihr Gesicht näherkam. „Danke, Ruffy.“ Nachdem ich Nami bei ihrer Wohnung abgesetzt hatte, hatte ich mich nach einer ausgiebigen Verabschiedung von ihr auf den Heimweg gemacht. Mal wieder hätte ich beinahe meinen Ausstieg verpasst und schaffte es dennoch im letzten Augenblick mich durch die sich schließenden Bahntüren zu quetschen. Ich war gerade bei unserem Wohnhaus angekommen, als mein Handy vibrierte. Danke, Ruffy. Hatte Tashigi schon eine halbe Stunde verzweifelt gesucht. *lach* Ich konnte mir das Schmunzeln nicht verkneifen und antwortete ihm, nachdem ich meinen Schlüssel rausgekramt hatte. Kein Problem, Zorro. Immer wieder gerne :D Gehst du morgen trainieren? Die Antwort kam umgehend, als ich gerade die Treppen zur Wohnung hinauf stieg. Ja. Schreib mir, wenn du Zeit hast. Zu meiner großen Überraschung war niemand zu Hause. Ich schloss die Türe hinter mir, streifte meine Schuhe von den Füßen und ging in die Küche, wo ich wie erwartet einen Zettel am Kühlschrank fand. Hallo Ruffy, Sind mit Gramps Dadan besuchen. Kommen gegen Abend wieder und bringen Essen mit! Ace&Vivi Klasse! Was die beiden mir wohl mitbrachten? Egal, es musste bestimmt gut sein. Der Tag konnte für mich wirklich nicht besser laufen. Frisch geduscht und mit einem eiskalten Getränk ließ ich mich auf die Couch fallen, um mir die Fotos vom Sabaody Park anzuschauen und die schönsten an Nami weiterzuschicken. Dabei orientierte ich mich daran, ob ich die Augen offen hatte oder nicht. Gibt es eigentlich Bilder, auf denen du nicht perfekt aussiehst?! Auf ihre Antwort wartend nahm ich einen Schluck und ging, ohne auf den Anrufer zu achten, ans klingelnde Handy. „Du hättest doch nicht extra anrufen müssen“, murmelte ich im Glauben, mit Nami zu sprechen, und saß mit einem Mal kerzengerade auf dem Sofa. „Doch, das musste ich“, donnerte mir Dadans Stimme. „Du bist ja heute gar nicht mitgekommen.“ „Höh, Dadan, ich wusste nicht, dass ihr heute was zusammen machen wolltet.“ Großer Fehler. Wie immer bemerkte ich dies zu spät. „BITTE?!“ Mein rechtes Ohr klingelte und zeigte frühe Anzeichen eines Tinnitus. Doch das wütende nashornähnliche Schnauben, das Dadan in den Hörer abließ, war stärker. Sie atmete einmal tief durch. „Ruffy, ich fass‘ es nicht, dass du das vergessen hast!“, motzte Dadan. „Wir hatten doch schon vor Wochen festgelegt, dass wir alle zusammen mit der Kleinen hier in den neuen Wildpark gehen und danach Essen. Damit wollten wir doch auf meinen neuen Job anstoßen!“ Ich biss die Zähne aufeinander und zog scharf die Luft ein. Na, da hatte ich mich ja mal wieder reingeritten. Selbst jetzt, wo Dadan mich drauf hingewiesen hatte, konnte ich mich nur ganz dunkel dran erinnern, dass da was gewesen wäre. Ich musste sie irgendwie wieder besänftigen. „Oh, Dadan, das tut mir so leid wirklich. Weißt du, Nami hat gestern Geburtstag gefeiert und…“ „Nami?“, Dadans Tonlage änderte sich schlagartig. Zweiter Fehler. Wie konnte jemand, der mit einer so neugierigen Familie aufwachsen war, nur so unüberlegt vor sich hin blubbern? „Ich dachte, Nami und du ihr versteht euch nicht mehr so gut. Als du das letzte Mal hier warst, bist du ja schon zusammengezuckt, als ich nur ihre Mutter erwähnt hab.“ „Moment mal, Dadan, das stimmt ja nun nicht“, widersprach ich ihr, obwohl ich genau wusste, dass es umsonst war. „Ich habe nur nichts dazu gesagt, dass du Bellemere getroffen hast.“ „Jetzt verstehe ich auch, warum Bellemere vor Kurzem zu mir meinte, dass wir uns ja jetzt gewiss öfters sehen würden. Und ich hab schon gedacht, ob sie in ihrer Scheune, was anderes als Orangen und Mandarinen anbaut.“ Ein kurzes Schweigen herrschte zwischen uns. Ihr freudiger Pfiff sorgte für einen weiteren Hörsturz meinerseits. „Ruffy, du hättest mir doch erzählen können, dass du eine Freundin hast. Ace hat es mir damals auch erzählt.“ „Ja, als es schon zu spät gewesen ist und du drei Monate später, Oma geworden bist.“ Dadan lachte kurz auf, dann wurde sie leise. „Es ist aber noch nichts passiert, oder?“ „DADAN!“ „Tut mir leid, tut mir leid. Bei euch beiden weiß man nie. So selten, wie Ace und du euch meldet. Da erwarte ich jedes Mal eine neue Hiobsbotschaft.“ „Du übertreibst auch nie, oder?“, fragte ich inzwischen mehr als nur leicht genervt. „Als würdest du uns nur Weihnachten sehen.“ „Gefühlt ist das ja auch so“, blaffte sie zurück, ich hörte, wie sie eine Zigarette anzündete. „Dafür musst du mich aber nächste Woche besuchen kommen. Sonst bin ich sauer, klar?“ „Mach ich, Dadan“, sagte ich resignierend. „Wann passt es dir denn am besten?“ „Wenn Nami auch Zeit hat.“ War ja so klar. Jetzt war Nami an der Reihe von Dadan ausgequetscht zu werden. Am besten Gramps war auch noch mit von der Partie – und seine Aufklärungstafeln. Doch ich wusste, es brachte nichts, mit Dadan zu diskutieren. „Okay, ich frage sie und sage dir dann Bescheid.“ „Aber nicht vergessen, Ruffy“, sagte sie trällernd und ich wollte bereits auflegen, als ihr noch etwas einfiel. „Oh, aber, Ruffy, ruf früh genug an, damit ich Zeit habe den Kuchen zu backen. Ja?“ „Mach ich, Dadan. Bis nächste Woche dann.“ „Tschüss, hab dich lieb.“ Kaum hatte Dadan aufgelegt, öffnete sich bereits die Wohnungstür. Und als ich die Schachtel in Vivis Händen sah, war mein Ärger schon fast wieder verflogen. „Hallooooo! Was habt ihr mir mitgebracht?“, ohne auf die Antwort zu warten, war ich auf die Drei zugestürmt und hatte die Schachtel an mich gerissen. Vivi schmunzelte. „Immerhin hast du uns dieses Mal begrüßt.“ „Ja, ich mache jeden Tag Fortschritte“, witzelte ich und öffnete den Deckel. Mein Magen heulte auf. Schnitzel und Pommes, das war Entschädigung genug für das Telefonat mit Dadan. „Sag mal, Ruffy, warum galt Dadans Einladung denn nicht für dich?“, fragte Ace mit stichelndem Unterton, während er die schlafende Titi in seinen Armen wiegte. „Sie war auch ziemlich angepisst.“ Ich stopfte eine weitere Ladung Pommes in meinen Mund und rollte die Augen. Vorsichtig ließ sich Ace neben mir aufs Sofa sinken. Dass man in dieser Familie immer alles zwei Mal durchkauen musste. „Du, das hat Dadan mich eben auch gefragt“, erwiderte ich und stopfte mir den Rest Pommes rein. „Hab ihr auch gesagt, dass ich es vergessen hab.“ „Vergessen?“, Ace traute seinen Ohren nicht. „Damit bewegst du dich bei Dadan aber auf ganz dünnem Eis.“ „Ich weiß, hab die Konsequenzen auch schon zu spüren bekommen.“ Er horchte auf, während er Titis Köpfchen streichelte. In solchen Momenten konnte ich mich nicht entscheiden, ob Ace oder doch Dadan der Neugieriger war. „Was willst du hören, Ace?“ „Was musst du tun, damit Dadan dir das verzeiht?“ In aller Ruhe leerte ich meine Dose, während Ace vor Neugierde fast platzte, sich das aber nicht anmerken lassen wollte. Was lügen und schauspielern betraf, war ich nicht der Einzige, der auf diesem Gebiet regelmäßig versagte. „Soooo lustig, wie du dir das wieder vorstellst, ist es gar nicht“, versuchte ich möglichst gelassen zu antworten. „Da hat sie von dir schon viel Schlimmeres verlangt.“ Wenn ich nur allein daran, dass sie damals völlig empört in unsere Schule geschnauft war, um Aces Lehrerin dafür „den Kopf zu waschen, dass der Junge die ganze Woche Nachsitzen und Strafarbeiten erledigen muss“. Ihr Gegenüber hatte Ace das alles als ein Missverständnis dargestellt, dass nur solche Ausmaße angenommen hatte, weil die alte Kranich ihn eh nicht leiden konnte und ihm einen reinwürgen wollte. Dementsprechend aus allen Wolken war Dadan gefallen, als sie, nachdem sie Kranich bereits in den Boden geschrien hatte, die ganze Geschichte erfuhr. Dass er es geschafft hatte, sich von einem armen Mädchen aus seiner Klasse sämtliche Projekt- sowie Hausaufgaben erledigen zu lassen, hatte Ace ihr natürlich vorenthalten. Aufgeflogen war das Ganze schließlich, als Ace zu faul geworden war, ihre Ausarbeitungen wenigstens abzuschreiben und stattdessen gleich Alles in ihrer Schrift abgegeben hatte. Ein Highlight war auch, dass sie Ace, nachdem sie von Vivis Schwangerschaft erfahren hatte, wortwörtlich an seinen Ohren zu Kobra geschleift hatte, um ihn um Verzeihung zu beten und zu versichern, dass er Vivi natürlich auch heiraten würde. Ich glaube, Dadan war die Einzige gewesen, die nicht auf der Stelle tot umfallen wollte. Dagegen hatte ich wirklich verdammtes Glück gehabt! „Ja, komm, Ruffy. So doll kann es nicht sein, wenn du jetzt auf Zeit spielst“, zischte er mir zu, aber lächelte Vivi an, als sie ihm etwas zu trinken hinstellte und sich zu uns setzte. „Was soll schon sein, Ace?“, sagte Vivi, die Beine angewinkelt in den Sessel gekuschelt. „Dadan wird Ruffy und Nami zum Kaffeetrinken eingeladen haben.“ „Oooooohh, da kannst du dich ja auf einiges gefasst machen.“ Sein Grinsen zog sich von einem Ohr zum Anderen. „Warum?“, fragte ich, den Kopf schief gelegt. „Im Gegensatz zu dir habe ich nichts Gravierendes vor ihr verheimlicht!“ Kapitel 24: Ruffy kennt keinen Schmerz -------------------------------------- „Wie haben Nami die Karten gefallen? Seid ihr schon im Park gewesen?“ Während Zorro und ich unsere Übungen am Butterfly-Gerät durchzogen, er mit Leichtigkeit, wurstelte Lysop an den dem Regal mit den Kurzhanteln herum. Tatsächlich war es Lysop gewesen, der heute unbedingt trainieren wollte und auf unsere Unterstützung dabei, nicht verzichten konnte. Ich vermutete, dass er sich allein nicht ins Fitnessstudio traute, seitdem er vor einigen Wochen von einem blonden Typen aufgemischt wurde. Genervt rollte Zorro die Augen. „Du sollst da keine Handtücher zusammenlegen, Lysop!“, fuhr er ihn an, „Ich bin nur mitgekommen, weil du meine Unterstützung wolltest. Und jetzt benimmst du dich wie ein altes Waschweib, das am Fluss die Wäsche auf die Steine klopft!“ Lysop sah betroffen zu mir herüber, aber mehr als ein schadenfrohes Grinsen konnte er von mir nicht erwarten. Zorro hatte voll ins Schwarze getroffen. Seitdem wir angekommen waren, hatte Lysop ohne Punkt und Komma durch geplappert und dabei keinen Finger krumm gemacht. Außerdem war es zur Abwechslung ganz schön, mal nicht Zielscheibe von Zorros schlechter Laune zu sein. „Lach nicht so blöd, Ruffy. Meinst du, ich sehe nicht, dass du mit den Wiederholungen kaum hinterherkommst?!“ Obwohl die Sicht auf seinem linken Auge aufgrund eines Kendo-Unfalls eingeschränkt war, hatte er mitbekommen, wie ich es langsam anging. „Wow, Zorro, iss‘ ein Peanut-Crunchie”, ich passte mein Übungstempo seinem an und spürte die Anspannung in meinen Muskeln. „Bist ja heute richtig zickig.“ Selbst Lysop, der bis vorhin auf Briefmarkengröße zusammen gefaltet war, konnte sich sein Lachen nicht verkneifen. Zorro knurrte nur und schloss die Augen, als er stoisch seine Übungen am Butterfly-Gerät beendete. „Könnte daran liegen, dass Mihawk meine Dan-Grad Prüfung schon wieder verschoben hat.“ Mihawk, Zorros Lehrmeister und Chef im Dojo, hatte seine Prüfung bereits vor einem halben Jahr verschoben, weil er der Ansicht war, dass Zorro nicht hart genug für den nächsten Rang trainiert hatte. Dabei kannte ich niemanden, der mit so viel Disziplin seine Ziele in Angriff nahm wie Zorro. Er war damals am Boden zerstört gewesen und hatte sich für eine Weile zurückgezogen, weil er sich vor uns nicht die Blöße geben wollte. In diesen Dingen war er sehr eigenbrötlerisch. Ich nahm die Arme vom Gerät und trank einen Schluck aus meiner Wasserflasche. „…Das tut mir leid, Zorro.“ Er winkte Kopf schüttelnd ab, aber ich ahnte, dass es ihn schwer getroffen hatte. „Wann hat er es dir gesagt?“ „Vor-„ „ZORRO BITTE AN KASSE DREI, ZORRO BITTE!“ Offensichtlich war Lysop nicht der Einzige gewesen, der aufgrund von Aces spontaner Ansage einen Herzkasper bekommen hatte, denn einige drehten sich in seine Richtung und warfen ihm böse Blicke zu. Eine Frau hatte sich so erschrocken, dass ihr ganzer Smoothie auf ihrem Top gelandet war. „Wer zum Teufel hat den Spinner mit dem Megafon rein gelassen?!“ „Hey, beruhigt euch, das brauche ich für meine Klienten!“, lachte Ace und versuchte die aufgebrachte Menge zu beschwichtigen, indem er das Megafon in seine Sporttasche wandern ließ. Zorro schnaufte und nahm einen Schluck Wasser. „Der hat gerade noch gefehlt.“ „Hey, alles klar bei euch? Schafft Lysop jetzt Zahnstocher mit Trauben dran, oder sind die immer noch zu viel für ihn?“ Neckisch stieß Ace Lysop in die Seite. „Letzte Woche habe ich 100 kg gestemmt!“, behauptete er mit stolz geschwellter Brust und erschrak, als Ace in Gelächter ausbrach. Dass er diese Lüge noch immer aufrecht hielt. „Er könnte Trauben stemmen, wenn er sich an meinen Trainingsplan für ihn halten würde“, brummte Zorro, der inzwischen auf der Bank neben den Geräten saß und die Arme vor der Brust verschränkte. „Oh, ich seh' schon, du hast wieder ja wieder 'ne Toplaune“, witzelte Ace, aber das Lachen verschwand aus seinem Gesicht nach Zorros ernstem Blick. „Was ist denn mit dem Messerwerfer los?“ Ich schüttelte stumm den Kopf, um Ace klar zu machen, dass er besser einen Gang runterfuhr. Er setzte sich neben Zorro auf die Bank. „Meine Prüfung wurde verschoben, schon wieder.“ „Was? Nicht dein Ernst, oder? Welchen Grund hat das alte Falkenauge denn jetzt wieder verschoben? Angst, dass du ihm den Rang abläufst? Immerhin hast du die letzten Jahre so hart dafür trainiert.“ Schwach hob sich Zorros Mundwinkel. „Ist in Ordnung, Ace.“ „Nein, dir wird so etwas reingedrückt und dann musst du dich noch mit den Spinnenärmchen rumschlagen.“ „Hey!“, empörten Lysop und ich uns. Doch die beiden ignorierten unseren Einwand. „Geh nach Hause und komm erst mal zur Ruhe. Ich kümmere mich um die beiden“, Ace griff nach seinem Megafon und grinste breit. „Vor allem Lysop werde ich mir vornehmen.“ Jetzt musste sogar Zorro schwach grinsen. Zwar wusste er, dass Ace ihm in Sachen Disziplin nicht das Wasser reichen konnte. Doch konnte er dieses Defizit mit seinem Sadismus und der Dickköpfigkeit halbwegs ausgleichen. Allein Lysops erstarrtes Gesicht sprach Bände. Er wusste genau, was auf ihn zukommen würde. „Der drückt sich aber gerne vor seinen Aufgaben.“ „Keine Sorge, Zorro. Ich werde dich würdig vertreten.“ „Danke.“ „Ace~“, Lysops Stimme klang flehend, seine Beine zitterten wie Wackelpudding und konnten kaum noch dem Druck der Beinpresse standhalten. Er wirkte wie ein Tier, das den Gnadenschuss kaum noch abwarten konnte. „NOCH ZEHN WIEDERHOLUNGEN!“, dröhnte es ihm erbarmungslos aus dem Megafon entgegen, bevor Ace sein eigenes Training wieder aufnahm. Zum Glück hatte ich meinen Plan schon abgearbeitet, so konnte ich Lysops leidendes Gesicht viel mehr genießen. Ich glaube, selbst Zorro hätte dieser Anblick aufgeheitert. „Wie lange bleibst du noch, Ace?“ „Bis Lysi fertig ist, wohl?“, wandte er sich grinsend an Lysop, dem nur noch die Tränen in den Augen standen. Es war so mies, aber auch so lustig. Armer Lysop, er hatte sich den Nachmittag sicher ganz anders vorgestellt. Nicht mal Zorro ließ ihn so eisern trainieren. Mir entwich ein schadenfrohes Kichern. Auch wenn ich selbst noch nicht meine Bestform erreicht hatte. Ich leerte meine Wasserflasche und lehnte mich auf der Bank zurück. „Ich bin schon durch mit meinem Training, dann kann ich ja schon meinen Shake trinken und nach Hause!“ „Lass mich nicht alleine, Ruffy!“, klagte Lysop weinerlich und stemmte mit schlottrigen Knien gegen die Beinpresse. „DU BIST NICHT MAL HALB DURCH!“, Ace legte das Megafon zur Seite und wedelte mit dem Plan, den Zorro für Lysop zusammengestellt hatte, herum. „Siehst du, Lysop, Zorro hat für dich nach den 3 Sätzen an der Beinpresse, noch drei Sätze Kurzhanteln und Butterfly vorgesehen… Komm, jetzt schwitz nicht aus den Augen.“ „Ace, ich glaube, Lysop sollte wirklich besser an dem Punkt Schluss machen“, sagte ich und Lysop sah mich mit der Dankbarkeit eines halbverhungerten Hundes an, dem ein Stück Wurst hingeworfen wurde. „Nicht, dass er sich noch ernsthaft was zerrt.“ „Du hast recht! Dann fällt er ja noch weiter zurück.“ Ace ließ vom Butterfly-Gerät ab und schaute flüchtig auf sein Handy. „Ich wollte einfach nur sehen, wie weit Lysop geht, um seine 100 kg-Lüge aufrecht zu halten.“ „Das stimmt wirklich!“, schrie Lysop mit seiner typischen Lügen-Fistelstimme. Mit großen Augen sahen Ace und ich einander an, ehe wir in schallendes Gelächter ausbrachen. Nachdem Lysop nur noch ein mitleiderregendes Pfützchen auf dem Stepper dargestellt hatte, hatte sogar Ace Mitleid mit ihm gehabt und ihn aus dem Training entlassen. Aces Blick, als Lysop wie ein geölter Blitz Richtung Dusche rannte, hatte Bände gesprochen. „Hält sich für Mister Universum und ist doch nur das Spaghettiärmchen.“ Tatsächlich hatte Lysop das Fitnessstudio schon vor uns verlassen und nicht mal draußen gewartet, um sich zu verabschieden. Ace und ich tauschten verwirrte Blicke aus, bevor wir uns auf den Heimweg machten. „Ich hab ja schon irgendwie ein schlechtes Gewissen, dass ich Lysop so gequält hab“, sagte Ace und trotz seiner Bemühung es zu unterdrücken, formte sein Mund ein Grinsen. Ich glaubte Ace kein Wort. Gewiss hatte er es insgeheim genossen, Zorros Plan so streng durchzusetzen und zu ignorieren, dass Lysops Augen in Tränen versanken. Ich kicherte und musste zugeben, dass es mich mehr amüsiert hatte, Lysop für seine Lügen leiden zu sehen, als es eigentlich sollte. Aber ich bezweifelte, dass er etwas daraus gelernt hatte. Garantiert würde er Chopper die nächsten Tage erzählen, dass er dank Ace jetzt 125 kg stemmen konnte. „Das war einfach längst überfällig gewesen. Wenn du wüsstest, was er allein Chopper für Lügengeschichten erzählt hat.“ „Lass mich raten, dass er es locker mit Zorro aufnehmen kann?“ Ace nahm einen Schluck aus seiner Wasserflasche und spuckte ihn mir fast entgegen, als ich kopfschüttelnd erwiderte: „Nein, dass er mehr schafft als Zorro.“ „Haha, und hat er sich schon an seinen eigenen Haaren aus einem Sumpfloch gezogen?!“ „Das nicht, aber letzte Woche hat er seine Freundin Kaya alleine vor dreizehn zwielichtigen Kerlen beschützt.“ Ace prustete mir das Wasser entgegen und hustete. Das hatte er davon. „Der Junge macht mich so fertig“, japste er zwischen einigen Hustern und klopfte sich mit der Faust gegen die Brust. „In seiner Fantasie ist Lysop wohl schon der nächste Terminator. Ich brauche deine Kleidung, deine Stiefel und dein Motorrad!“ Ich lachte laut, obwohl es mich nicht wundern würde. „Nicht nur dich“, ich wischte mir das Wasser vom Gesicht. „Aber ich hätte eindeutig weniger zu lachen ohne ihn.“ Ace und ich verabschiedeten uns nach zwei Blöcken voneinander. Nami hatte mich zum Abendessen eingeladen. Und das konnte ich mir nicht entgehen lassen. Denn obwohl Nami es hasste, selber zu kochen, war sie wirklich gut darin. Leider hatte sie mir nicht verraten, was sie für uns vorbereitet hatte. Ich war gerade in ihre Straße eingebogen, als ich das Scheppern von Müllcontainern hörte. Von Obdachlosen über betrunkene Studenten bis streunenden Katzen konnte alles für den Krach verantwortlich sein. Weshalb ich zusammenzuckte, als ich plötzlich Namis Stimme hörte: „Nimm sofort deine Pfoten da weg!“ „Dass du dich immer noch so zierst, Nami“, sagte eine wesentlich leisere Männerstimme mit schmierigem Unterton. „Was sollte das eigentlich beim letzten Mal?“ Meine Alarmglocken schrillten und ich rannte, ohne Namis Antwort abzuwarten, in Richtung der Müllcontainer. „Fass mich nicht an, Arlong!“, presste Nami hervor und klang dabei, als hätte sie einen Knebel im Mund. Ich riss das Tor zu den Containern auf. Meine Augen weiteten sich vor Entsetzen. „NAMI!“ Aus zusammengepressten Lidern fixierten ihre Augen mich, ihre Hände krallten sich in das Handgelenk dieses riesigen Kerls, der sie am Hals packte und gegen den Zaun gedrückt hatte. Er warf den Kopf über die Schulter. Mit Daumen und Zeigefinger drückte er Namis Wangen ein, wahrscheinlich, damit sie ihn weder beißen noch schreien konnte. Ihre Füße schwebten über dem Boden und sie versuchte verzweifelt Halt zu finden, während seine freie Hand ihren Oberschenkel streichelte. Seine reptilienartigen Augen sahen mich stechend an, seine spitzen Zähne blitzten zwischen den schmalen Lippen auf. Mein Blick fiel auf seine lange knöcherne Nase. Kein Zweifel. Es war der Typ von einmal. Kannte sie ihn etwa? Hatte sie nicht eben seinen Namen gesagt? „Lass sie sofort gehen!“, schrie ich ihm entgegen, bereit meiner Forderung Nachdruck zu verleihen. Seine Lippen formten ein herausforderndes Grinsen. „Ruffy“, nuschelte sie. Tränen stiegen in ihre Augen, während sie mit den Fäusten gegen sein mit Armbändern behangenes Handgelenk hämmerte. „Was willst du, Kleiner? Sieh zu, dass du Land gewinnst“, lachte er, wobei seine Zähne wie Messer glänzten und verstärkte seinen Griff um Namis Hals. Ihr Strampeln wurde wilder. Ich ballte die Hände zu Fäusten, in mir brodelte es, als seine Hand von Namis Oberschenkel zu ihrem Hintern wanderte und dabei den Saum ihres Rocks streifte. Ich presste die Kiefer aufeinander und spürte, wie mir die Adern auf der Stirn standen. Ich konnte es einfach nicht mehr an mich halten. „Nimm deine scheiß Flossen von Nami, du Bastard!“ Seine Pupillen zogen sich zusammen. „Moment mal… du bist das!“ Anscheinend erkannte auch er mich wieder. Dann musste ich wohl einen gewissen Eindruck bei ihm hinterlassen haben. Sein Griff um Namis Hals ließ kurz nach, beinahe berührten ihre Zehen den Boden. „Willst du heute wieder für die kleine Schlampe den Helden spielen? Dann kannst du dir gleich eine ordentliche Abreibung für letztes Mal abholen!“ Namis Schläge auf sein Handgelenk wurden erneut mehr und sie schaffte es, gegen sein Schienbein zu treten. Er verlor für einen Moment seine drohende Fassade, bevor er Namis Hals fester zudrückte und sie gegen den Papiercontainer warf. „Nami!“, ich wollte zu ihr eilen, doch er baute sich vor mir auf. Die Goldringe glänzenden an seinen Wurstfingern. „Fick dich, Arlong“, knurrte Nami, hielt sich das blutende Knie und versuchte, aufzustehen. „Lass ihn bloß ihn Ruhe. Das ist eine Sache zwischen uns beiden.“ „Sag du mir nicht, was ich zu tun habe!“, brüllte Arlong sie an und schlug gegen ihr Knie. Nami schrie auf. Mein Blut kochte. Er wollte sich gerade mir zu wenden, da versenkte ich bereits meine Faust in seinen Zähnen. Namis Augen weiteten sich und sie schlug die Hände auf den Mund, um den aufsteigenden Schrei zu ersticken. Arlong machte einen Schritt zurück, tastete seinen Mund ab und fixierte mich. „Du weißt wohl nicht, was du getan hast.“ „Ich hab einem Frauenschläger auf die Fresse gegeben!“ Er lachte gehässig, wobei er seine Ringe überprüfte. Nami war zwischenzeitlich hinter die Container gekrabbelt und ich sah aus dem Augenwinkel, wie sie auf ihrem Handy tippte. Wäre Nami nicht in unmittelbarer Nähe, wäre mir wohler gewesen. So musste ich darauf achten, dass sie aus Arlongs Reichweite gelangte. Das Adrenalin rauschte durch meine Adern und ließ mich knapp seinem Gegenschlag ausweichen. „Pah, Glück“, schnaubte er und setzte erneut zum Schlag an. Er traf meine linke Schulter. Ein dumpfer Schmerz breitete sich in mir aus. Ich sah hinunter. Ein gezacktes Messer steckte zur Hälfte in ihr, Blut quoll aus der Wunde. „Wie feige bist du bitte?!“ Arlong zeigte seine widerliche Fratze in einem bösartigen Grinsen. „LASS NAMI ENDLICH IN RUHE!“ Wut strömte durch meinen Körper, vernebelte mein Denken und ließ mich nur noch zuschlagen. Wenn Arlong meine Fäuste blockte, versuchte ich mit Tritten seine Verteidigung zu brechen. Beinahe wie Gummi schlängelte ich mich durch seine Angriffe und wandelte sie Gegenangriffe um. Ich war wie im Rausch und bemerkte gar nicht, wie Nami an uns vorbei durchs Tor huschte und sich in Sicherheit brachte. Meine Wunde blutete stärker, nachdem Arlong mich von den Beinen geholt hatte. „Ist Nami es wirklich wert, dass ich dir jetzt die Lichter ausknipse, du Gummikasper?!“, lachte er und wollte mir sein Messer ein weiteres Mal in den Körper rammen. Knapp rollte ich mich zur Seite und sprang getrieben von Adrenalin und grenzenloser Wut wieder auf. „Nami ist meine Freundin und sie ist es mehr als wert!“ Arlongs Reißzähne blitzten auf. „In dir hat sie wirklich ihren persönlichen Trottel gefunden, das kleine Biest.“ „Nenn…sie…nicht…BIEST!“ Mit gebündelter Kraft verpasste ich Arlong einen Fausthieb direkt auf sein Großmaul und schaffte es ihn zu Boden zu bringen. Mein Atem rasselte und das Blut rauschte in meinen Ohren. Letztes Mal waren Nami und ich im Überraschungsmoment geflohen. Aber das konnte doch nicht zum Dauerzustand werden. Zumal Arlong ihr jetzt schon in der Nähe ihrer Wohnung auflauerte. Was zum Teufel wollte er von ihr? Ich rang nach Atem und spürte, meine Knie weich werden. Sirenenlärm erfüllte die Luft, doch ich konnte die dazugehörigen Fahrzeuge noch nicht ausmachen. Arlong ächzte und war dabei sich aufzurichten, als ich meine Kraft noch einmal bündelte und den Kragen seines Hawaiihemdes ergriff. „Du lässt Nami gefälligst in Ruhe! Ein drittes Mal will ich dir das nicht sagen müssen“, um meiner Drohung Nachdruck zu verleihen, spendierte ich ihm eine kräftige Kopfnuss. Die Sirenen kamen näher. „Komm, Ruffy“, rief Nami aus sicherer Entfernung und winkte mich zu sich. Sie sah angespannt und dennoch erleichtert aus. Ich warf einen letzten Blick auf Arlong, der auf dem Boden zwischen einigen Müllsäcken lag und ausgeknockt zu sein schien. Hoffentlich hatte es gereicht, damit er Nami ein für allemal in Frieden ließ. Der Gedanke daran, dass er dies zum Anlass nehmen könnte, um ihr erst recht das Leben zur Hölle zu machen, ließ meine Gedärme schmerzhaft verkrampfen. „Geht’s dir gut? Hat er dich verletzt?“ Nami schüttelte den Kopf, während sie die Haustür öffnete. Durch die Treppenhausfenster sahen wir die mittlerweile eingetroffene Polizeistreife. Namis Anspannung löste sich, als sie sah, wie diese zielstrebig Richtung Arlong gingen. „Hoffentlich sperren sie ihn weg“, murmelte sie, verschloss die Wohnungstür hinter uns und ließ sich neben mich aufs Sofa fallen. „Was passiert wäre, wenn du nicht gekommen wärst…“ Ihre Hände bedeckten ihr Gesicht, ihr Kopf lag im Nacken. Sie schielte zwischen den Fingern zu mir herüber. „Deine Schulter“, wisperte sie mit geweiteten Augen. Mittlerweile prangte ein handteller großer Blutfleck auf meinem T-Shirt. Es war nicht zu übersehen, dass sie sich dafür verantwortlich fühlte. „Komm, ich wasch dein Shirt, Ruffy. Zieh es aus.“ „Klar, Nami. Du musst dir doch nichts ausdenken, damit ich mich ausziehe“, neckte ich sie und sah sie mir schon eine verpassen, doch sie lächelte nur müde und nahm mein T-Shirt entgegen. „Die Wunde sieht echt böse aus.“ „Hm?“, ich riskierte einen Blick darauf, „das ist doch bloß eine Fleischwunde. Das verheilt schnell wieder.“ Ich grinste sie optimistisch an, obwohl ich aufgrund des Brennens hätte schreien können. Nami verschwand im Bad und kam nach einigen Augenblicken mit Kompressen, Mullbinden und einem feuchten Lappen zurück, um die Wunde zu versorgen. Ich hätte sie so gerne aufgeheitert und es waren mir plötzlich so viele dumme Sprüche zu dieser absurden Situation eingefallen, aber es schien, als wollte sie für den Moment nicht reden. „Nami, was hast du mit so einem Typen zu schaffen?“, fragte ich nach einiger Zeit des Schweigens. Obwohl ich mir das Schlimmste ausmalte und vor Nervosität hätte kotzen können, brannte ich darauf, die Wahrheit zu erfahren. Nami seufzte und ließ sich tiefer in das Sofakissen sinken. Ich nahm ihre Hand und drückte sie sanft. Sie sah zu mir herüber und presste die Lippen aufeinander. Es war deutlich zu sehen, wie sie die passenden Worte für den Anfang suchte. Ich rückte näher an sie und streichelte ihren Handrücken, bevor ich ihr einige Haarsträhnen hinters Ohr strich. „Nami“, flüsterte ich, „du musst so was nicht mit dir allein ausmachen.“ Sie lachte schwach und fasste sich an den Hals. „Wenn du wüsstest, wie lange ich das schon mit mir selbst ausmache…“ Ich runzelte die Stirn. Was sollte denn das bedeuten? Als könnte sie meine Gedanken lesen, fuhr sie fort: „Das Ganze hat ein halbes Jahr nach Eröffnung angefangen.“ „Was? So lange?“, platzte es aus mir heraus. Ehrlich gesagt, hatte ich gedacht, dass sie sich nicht länger als ein Jahr mit Arlong hätte rumschlagen können, ohne dass es irgendjemandem aufgefallen wäre. Nicht einmal Vivi schien etwas davon zu wissen. „Arlong hat mich abends abgefangen, nachdem ich den Laden abgeschlossen hatte. Ich war alleine gewesen, weil ich noch die Lohnabrechnungen gemacht habe“, sie stockte, drückte meine Hand und atmete schwer aus. „Ich glaube, ich hatte noch nie so eine Panik, wie in dem Moment als dieser Riesenkerl plötzlich hinter mir stand und mich so widerlich angegrinst hat. Ich hab geschrien und er hat nur gelacht und gemeint, dass ich Grund zu schreien habe, wenn ich nicht mit 100.000.000 Scheinchen um die Ecke komme. Das wäre der Standardpreis für jeden, der ein Restaurant oder sonst einen Laden in seinem Viertel führt und Ruhe haben will.“ Das Blut wich mir aus dem Gesicht und ich konnte Nami nur ungläubig anglotzen. Wie hatte sie diese Last nur all die Monate mit sich herumtragen können. Und wie hatte keiner von uns das bemerken können? „Das hast du bisher niemandem gesagt?“ Ich konnte es kaum glauben, aber sie schüttelte den Kopf. „Nicht einmal Sanji“, fügte sie auf meinen entsetzten Blick hin hinzu. „Es lief auch einige Zeit ganz ruhig. Da war er damit zufrieden jede Woche 100.000 zu bekommen, die konnte ich auch immer gut zusammensparen und an Sanji vorbei schieben. Aber vor einem halben Jahr fing er damit an, dass das nicht mehr reiche und ich entweder den Rest der 100.000.000 aufbringen sollte oder jede Woche 500.000 weiterzahlen sollte.“ Mir war nur noch schlecht. Mein Magen schnürte sich bei dem Gedanken zu, dass Nami mir das die ganze Zeit verheimlicht hatte. „Weißt du, Ruffy, 100.000 kann ich problemlos in der Woche an allen vorbei und Arlong in seinen Rachen schieben. Aber 500.000. Nicht nur, dass ich Sanjis Vertrauen damit extrem missbrauche, was meinst, was passiert, wenn das jemandem beim Finanzamt auffällt. Ich käme in Teufelsküche und ich will das Alles einfach nicht mehr!“ Sie schluchzte, schniefte ein paar Mal und wischte sich über ihre Augen. Ich legte vorsichtig den Arm um sie, streichelte ihren Rücken und schmiegte meinen Kopf an ihren. „Mach dir keine Sorgen, Nami. Er wird dir nichts mehr tun, das verspreche ich dir.“ Kapitel 25: Melonen und Meerjungfrauen -------------------------------------- Nami nickte schwach, den Kopf gesenkt. Eine Träne tropfte auf ihren Rock, in dem sich ihre Finger verkrallt hatten. Eine Weile saßen wir schweigend nebeneinander, bis ich es nicht mehr aushielt. „Nami“, Ich zog sie enger an mich und schmiegte meine Wange an ihre, „wein nicht, Nami.“ In dem Augenblick fiel mir nichts Besseres ein, wie ich sie trösten könnte, als sie einfach zu halten und für sie da zu sein. Mein Magen knurrte plötzlich laut auf. Ich errötete und fürchtete schon Namis Zorn, dass ich in so einer Situation ans Essen denken konnte. Überraschenderweise kicherte sie und wischte sich über die Augen. „Ich habe das Essen ganz vergessen“, flüsterte sie mit einem leisen Lachen und gab mir einen Kuss auf die Nasenspitze. „Es ist alles hier, ich muss nur anfangen.“ Ich hielt ihre Hand fest, nachdem sie aufgestanden und gleich in die Küche wollte. Ein fragender Blick. „Wenn du nicht willst, musst du nicht kochen. Werde schon irgendwas Essbares finden.“ Ich grinste aufmunternd. „Ich habe es dir aber versprochen“, entgegnete Nami, löste sich aus meinem Griff und verschwand in der Küche. „Soll ich dir helfen?“ Sie spähte ins Wohnzimmer zu mir. „Spinnst du?! Du würdest nur mehr Arbeit machen! Denk mal daran, wie toll du letztens beim Spülen geholfen hast.“ Tatsächlich hatte ich vor einigen Wochen im Kazaguruma nach Feierabend helfen wollen und angeboten den Abwasch zu machen. Zunächst waren mir Nami und vor allem Sanji sehr dankbar gewesen. Dies hatte sich aber schnell geändert, nachdem mir mehr Teller runterfielen, als ich gespült hatte. Beiden war der Kragen geplatzt und sie hatten beschlossen, dass ich beim Fegen des Gastraums wohl nicht so viel Schaden anrichten konnte. „Ihr ward trotzdem schneller fertig als ohne meine Hilfe!“ „Aber sind jetzt um zehn Teller ärmer!“, hörte ich Nami in der Küche lachen. Es klang ehrlich und nicht, als würde sie es sich abpressen, nur um mich zu beruhigen. Wahrscheinlich gab es ihr im Augenblick wirklich Sicherheit, dass sich Arlong in diesem Moment dem Verhör der Polizei stellen durfte. Und wenn nur einer von denen, sich von meinem Opa hatte beeinflussen lassen, dann hatte er garantiert nichts zu lachen. Zu Schade, dass mein Opa selbst ihn sich nicht mehr vorknöpfen konnte. Beim Blick auf mein Handy sah ich, dass Ace mir geschrieben und mich daran erinnert hatte, dass ich morgen für Izou einspringen musste, immerhin hatte er extra mit mir getauscht, damit ich nach Namis Geburtstag freihatte. Um ein bisschen Geld anzusparen, hatte ich mir vorgenommen, den Nebenjob so lange wie möglich durchzuziehen. An sich war es auch ganz lustig mit allen, aber das frühe Aufstehen musste echt nicht sein. Aces Antwort kam prompt und ehrlich wie immer. Obwohl er es nicht sehen konnte, rang ich mir ein schiefes Grinsen ab und stellte sofort meinen Wecker. Ich kannte mich und wusste, ich würde es sofort wieder vergessen, sobald Nami mit dem Essen kommen würde. Allein der Gedanke brachte meinen Magen wieder zum Schreien. „Ruffy?“, rief sie wie aufs Stichwort. „Kannst du den Tisch decken? Bin gleich fertig.“ „Na klar!“ Mit einem Arm wischte ich sämtliche Sachen vom Tisch, um Platz für das Geschirr zu machen. Damit Nami sie nicht sah, schob ich sie mit dem Fuß unter den Tisch, bevor ich in die Küche sprang und die Schränke durchwühlte. Natürlich nicht, ohne dabei einen Blick in die Töpfe zu riskieren. Es roch so gut! „Hey! Nein, Ruffy!“, Nami schlug die Deckel vor meiner Nase zu und schaute mich böse an. „Das soll eine Überraschung sein!“ „Schon gut, Nami“, sagte ich versöhnlich, wickelte die Arme um sie und versuchte doch, wenigstens einen Blick zu erhaschen. „Deck‘ den Tisch! Und lass nicht wieder alle Teller fallen“, sagte sie barsch und schob mich dabei aus der Küche, ich konnte gar nicht mehr widersprechen. Gerade als ich uns etwas zu trinken eingeschenkt hatte, kam sie bereits mit zwei kleinen Tellern in der Hand herein. „Bitteschön, die Vorspeise. Ich hoffe, es schmeckt dir.“ „Woooooow“, mir lief bei dem Anblick der Vorspeise das Wasser im Munde zusammen. „Was ist das?“ Nami kicherte und setzte sich neben mich. „Melone mit Schinken, da ist wirklich superlecker. Probier mal…Hey, Ruffy, kau doch wenigstens!“ „Waff denn?“, ich kaute kurz und schluckte runter. „Ich probier doch. Und es ist superlecker!“ „Du hast die ganze Melone und den Schinken quasi eingeatmet?!“ „Weil es so gut schmeckt“, sagte ich grinsend und versuchte mit meiner Gabel, etwas von Namis Schinken zu mopsen. „Hallo?! Das ist meiner. In der Küche steht noch eine Portion für dich.“ Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. „Du denkst einfach an alles, Nami“, schmatze ich zufrieden. „Ich liebe dich.“ „Was?“ „Hm?“, ich schluckte meine zweite Portion runter und schielte zu Nami herüber, die sich mit einer Hand die Wange hielt und errötet war. „Geht’s dir nicht gut?“ „Meintest du das ernst, Ruffy?“ „Klar, du denkst doch auch immer an alles“, grinste ich sie an und drehte den Kopf in Richtung Küche. „Gibt’s noch mehr?“ „Hast du schon wieder vergessen, was du mir gerade gesagt hast?!“ Ich schaute sie mit großen Augen an, auf ihren Wangen lag immer noch ein rötlicher Schimmer. Wobei ich nicht wusste, ob er aus Wut oder Verlegenheit entstanden war. Erwartung lag in ihren Augen und ich runzelte kurz die Stirn, bis es mir wie Schuppen von den Augen fiel. „Achsooo! Das meinst du“, sagte ich lachend, woraufhin sich ihr Gesicht aufhellte, und rückte näher an sie heran. „Natürlich stimmt das. Ich würde dich nie anlügen!“ Sie war plötzlich feuerrot und wich meinem Blick aus, schlang jedoch ihre Arme um mich. „Shishishi… Kein Grund, verlegen zu sein…“ „Oh, Ruffy… Dass du das wirklich ernst meinst“, flüsterte sie in meine Haare, während ich ihren Rücken streichelte. Nami seufzte, bevor sie wieder losließ und mich anstrahlte. Kaum zu glauben, dass die Sache mit Arlong heute passiert war. Hoffentlich würden wir und vor allem Nami endlich Ruhe vor ihm haben. Es freute mich, sie wieder so entspannt zu sehen. „Bist du bereit fürs Hauptgericht?“, fragte sie, während sie den Tisch abräumte. Ich grinste und streckte ihr die Zunge heraus. „Da fragst du noch? Zum Glück kannte Nami meinen großen Magen und hatte mehr vorbereitet, sodass auch ich satt geworden war. „Ruffy?“ Sie hob den Kopf, um mich anzusehen und malte mit ihrem Finger kleine Kreise auf meinem Bauch. Ihre Augen wirkten plötzlich wieder so unsicher und verängstigt. „Was ist, wenn sie Arlong wieder gehen lassen?“ Wahrscheinlich hatten diese Gedanken sie den ganzen Tag nicht losgelassen und waren stets im Unterbewusstsein präsent gewesen. Wen wunderte es? Nach all den Erfahrungen, die Nami mit ihm machen musste. Gewiss würde sie noch eine Weile daran zu knabbern haben. Ich drückte ihr einen Kuss auf ihre Stirn und zwirbelte eine ihrer Haarsträhnen um meinen Finger. „Er ist gewiss in der Abteilung für Erpressungsdelikte und Körperverletzung“, begann ich und ließ Nami währenddessen nicht aus den Augen, „mein Opa war dort mal Abteilungsleiter… Nami, wenn ich eins weiß, dann das mein Opa knallhart ist und keine Gnade kennt. Ja, da brauchst du gar nicht, deine süße Stirn zu runzeln. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie seit seinem Fortgehen ihre Vorgehensweise total verändert haben.“ „Meinst du?“, sie klang nicht sehr überzeugt. Ich nickte und küsste ihre Hand. „Klar, die werden ihn ausquetschen wie eine Zitrone und seine Vergangenheit Stück für Stück auseinandernehmen. Und denkst du, bei all dem, was er verbrochen hat, steht er morgen wieder vor dir?“ Nami schüttelte zaghaft den Kopf. „Na, siehst du, shishi“, ich tippte mit dem Zeigefinger auf ihre Nase, „ansonsten musst du meinen Opa fragen, wenn du mir nicht glaubst!“ „Haha, klar, Ruffy“, sie kicherte kurz, „als ob dein Opa heute noch Einsicht in Ermittlungsverfahren hat.“ „Bestimmt nicht offiziell“, lachte ich und drückte Nami auf ihr verwirrtes Blinzeln hin fest an mich. Ich spürte ihre Lippen auf meiner Wange. „Ich liebe dich auch, Ruffy“, hauchte sie und verwickelte mich in einen leidenschaftlichen Kuss. Mein Herz schlug bis zum Hals, ich war unfähig die Augen zu schließen. Nami… Als ich am nächsten Morgen bei der Fabrik ankam, sah ich schon von Weitem, dass Ace mit einem Kaffee in der Hand vor der Tür bereits auf mich wartete. „Na, gut geschlafen?“, fragte er mit sichtlichen Hintergedanken, während er die Tür entsperrte. „Konntest dich gewiss gar nicht losreißen, nur um jetzt wieder Regale zu sortieren.“ „Das schon, aber viel zu kurz“, gähnte ich, streckte mich kurz und lachte, als Ace die Augen rollte. Als hätte er wirklich Schlaf damit gemeint. „Aber immerhin kann ich in vier Stunden wiedergehen.“ „Haha, ich auch“, erwiderte er und öffnete mit seiner Mitarbeiterchipkarte die Tür zu einem kleinen Büro. „Bin doch schon seit fünf Stunden hier und so was von durch!“ Er leerte den Kaffeebecher, während er sich in den Firmencomputer einloggte, um mir einige Dokumente zum Abzeichnen zu öffnen. Dabei erzählte Ace mir noch einige interessante Eigenheiten seiner Kollegen. „Also der Einzige, der beruflich genauso drauf ist wie privat, ist Thatch. Ich würde auch an deiner Stelle bei Problemen oder, wenn was reklamiert werden muss, zuerst zu Thatch kennen. Der kennt sich genauso aus wie Marco, aber kriegt nicht gleich einen Tobsuchtsanfall. Als ich in der Abteilung neu angefangen habe, habe ich einmal mit dem Hubwagen ein ganzes Regal umgerissen, da hat Marco ganz schön Federn gelassen.“ „Shishishi, keine Sorge, ich denke nicht, dass ich das toppen werde“, kicherte ich und folgte Ace in den Werksverkaufladen, wo er sich gleich besagten Wagen schnappte. „Ich weiß nicht, kann mir das schon gut vorstellen“, lachte er und schob die Palette, auf der sämtliche Schokoriegelpakete gestapelt waren, vor die entsprechenden Regale. „Ja und bei Teach musst du auch ein bisschen aufpassen, aber den hast du, wie ich gehört habe, ja schon kennengelernt.“ „Ja, leider.“ Ich erinnerte mich nur ungern an diese Begegnung und wie schmierig er Nami gegenüber gewesen war. Zum Glück hatte ich bisher noch nicht mit ihm zusammenarbeiten müssen. „Egal, was dir passiert und du machst, versuche zu verhindern, dass Teach was davon mitbekommt. Der petzt nämlich immer direkt bei Marco.“ Eine Stunde waren Ace und ich im Laden komplett alleine. Er zeigte mir einige Tricks, wie ich Dinge, wie das penible Sortieren nach Mindesthaltbarkeit, umgehen konnten und so Zeit sparen konnte. Dabei erwähnte er immer wieder, sich bloß nicht von Marco erwischen zu lassen. Oh Mann, Marco musste ein regelrechter Tyrann sein. Wahrscheinlich zuckte ich deswegen zusammen, als er plötzlich hinter mir stand. Wie hatte er sich so lautlos an mich schleichen können? „Hey Marco.“ „Schon wieder am Schlafen, eh?“ Er musterte mich mit einer hochgezogenen Augenbraue und mir wurde schlagartig klar, wovon Ace die ganze Zeit geredet hatte. Er hatte wirklich einen stechenden Blick. „Guten Morgen, Marco“, flötete Ace aus dem Lager und ich versuchte mich zu erinnern, wann er zu Hause zu dieser Uhrzeit mal dermaßen gut gelaunt gewesen war. „Kaffee ist schon durchgelaufen!“ „Auf dich ist wenigstens Verlass“, sagte er und klopfte mir auf die Schulter, bevor er mich streng fixierte. „Wehe, du boxt die Riegel auch einfach so in die Regale wie dein Bruder!“ Ich schluckte und schüttelte den Kopf. „Mach ich nicht.“ „Gut so.“ Nur wenig später hörte ich die Ladentür erneut aufgehen, gefolgt von einem fröhlichen: „Mooooorgen! Marcoooo, ist schon Kaffee fertig?“ „Hallo Thatch! Du hast aber gute Laune.“ „Ja, hab gestern beim Pachinko gut abgeräumt“, erzählte er und kam mit einem breiten Grinsen im Gesicht um das Regal herum. „Ah, der kleine Ruffy. Alles gut bei dir?“ Ich nickte, als Marco schon mit zwei Tassen aus dem Büro in den Laden kam und eine Thatch reichte. „Warst du wieder im Mermaid-Café, eh?“ „Mermaid-Café? Gibt’s da etwa echte Meerjungfrauen?“ „So süß das Glitzern in deinen Augen ist, Ruffy-kun“, sagte Marco schließlich, nachdem die beiden irritierte Blicke ausgetauscht hatten. „Die Mädels dort verkleiden sich nur.“ „Oh, schade“, seufzte ich. „Das wäre einfach cool!“ „Da stimm‘ ich dir zu“, lachte Thatch und klopfte mir auf die Schulter, als er sich fast flötend an Ace wandte. „Ace, willst du deinen Mädels nicht eine besondere Freude machen?“ „Was willst du mir wieder andrehen?“ Thatch tippte beide Zeigefinger aneinander. „Nur was kleines Süßes, dem keine Frau widerstehen kann…“ Marco hob eine Augenbraue, scheinbar hatte Thatch zumindest sein Interesse geweckt. „Da gibt es doch einen Haken, sonst hättest du es doch gleich gesagt“, die Skepsis war Ace deutlich anzusehen, so als wäre er schon des Öfteren in eine von Thatchs Fallen getappt. „Was sollte an einem Kätzchen denn der Haken sein?“ „Vergiss es, Thatch. Ich darf keine Haustiere halten, auch wenn Vivi mir ständig damit in den Ohren liegt.“ „Siehst du, sie wünscht sich ein Kätzchen. Und dein Töchterchen bestimmt auch!“, er sah zu mir, eigentlich wollte ich da nicht mit reingezogen werden. „Hab ich recht, Ruffy?“ Ace sah mich warnend an. „Öhm… ehrlich gesagt… keine Ahnung.“ „Marco, dann musst du das Kätzchen nehmen, bitte“, flehte Thatch und packte Marcos Kragen. „Mein Kater akzeptiert keine Artgenossen und ich kann sie doch nicht die ganze Zeit im Bad halten.“ „Nein.“ „Aber du hast so eine große Wohnung!“, warf Thatch ein. „Und ich habe die Kleine die letzten Wochen mühsam aufgepäppelt. Sie ist so zutraulich und stubenrein!“ „Nein, Thatch! Katzen mögen mich nicht und ich sie nicht“, Marco löste sich aus seinem Griff und zog sein Hemd glatt. „Frag doch Izou...“ „Schade, Nojiko liebt Katzen“, sagte Ace beiläufig und zwinkerte mir unauffällig zu, während Marco erneut hellhörig wurde. „Wirklich?“ Ace nickte. „Klar, sie hat doch selber welche auf dem Hof.“ Thatchs Gesicht hellte sich auf und Marco schnaufte. Die beiden wussten wirklich, welche Knöpfe sie bei ihm drücken mussten. „Ok…“ „Toll, Marco!“, freute sich Thatch und wäre ihm wohl am liebsten um den Hals gefallen, aber ließ es dann doch bleiben. „Ich bringe sie dir gleich nach der Arbeit nach Hause. Ihr werdet bestimmt die besten Freunde!“ Marco schnaufte erneut und warf Ace und mir giftige Blicke zu, als er unser Grinsen sah. Eine Weile herrschte Stille zwischen uns und für Ace und mich rückte der Feierabend immer näher. „Ace, weißt du, ob Nojiko gerne Motorrad fährt?“, fragte Marco plötzlich, während er die Bestandsaufnahme erledigte. Ace zuckte die Schultern und räumte den Karton in den Müllwagen. „Keine Ahnung, selber fahren kann sie nicht. Warum? Willst du eine Tour mit ihr machen?“ „Boah, kannst du Motorradfahren, Marco?“, fragte ich und klang dabei verdächtig nach Chopper, wenn er wieder auf eines von Lysops Märchen reingefallen war. Mit stolz geschwellter Brust wollte er mir antworten, aber Thatch kam ihm zuvor: „Klar, Ruffy, was denkst du, warum Marco sonst so eine seltsame Frisur hat. Da kann der Helm auch nicht mehr viel zerstören.“ Thatch lachte unverhohlen auf und kassierte prompt einen giftigen Blick seitens Marco. „Du bist doch nur neidisch, weil Nojiko sich für mich entschieden hat und nicht für dich, eh.“ „Klar, jede Frau träumt von einem Ritt auf dem Ananasexpress. Als ob die gute Nojiko mit zehn Stundenkilometer und einem schreienden Vogel am Steuer gesehen werden wollte“, konterte Thatch lachend und trieb Marco die Zornesröte ins Gesicht. „Nur weil du nicht fahren kannst.“ „Was soll ich mit einem Motorrad? Ich kann erstens wegen meiner Haare keinen Helm tragen und zweitens, kannst du mir mal sagen, wie ich meinen Kater dann transportieren soll? Etwa in einem Fahrradkörbchen?“ Ace und ich brachen bei der Vorstellung in schallendes Gelächter aus. Aber ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich Thatch oder Marco lustiger fand. „Seitdem du vierzig geworden bist, bist du richtig durchgebrannt, eh.“ „Tzsii“, Thatch machte ein Geräusch wie eine zischende Flasche, „du sollst diese Zahl doch nicht sagen!“ Ace stieß mir seinen Ellbogen in die Seite. „Du kannst Thatch wirklich fast alles sagen, aber da sieht er rot. Hat mir letztens fast den Kopf abgerissen, als ich ihm gratuliert habe.“ „Was? Thatch, bist du schon so alt?“, fragte ich ungläubig und fasziniert zugleich, sein Gesicht versteinerte. „Dann könntest du ja sogar mein Vater sein – oder Vivis! Und wenn du Vivis Vater wärst, dann wärst du sogar schon Opa!“ Aces Backen blähten sich und er verkniff sich mit aller Gewalt in wildes Gelächter auszubrechen, während Marco dreckig auflachte. Thatchs Lippen waren plötzlich nur noch schmale Striche und seine Augen funkelten mich voller Zorn an. „Ishley-chan und Mello-chan haben mir gestern noch gesagt, dass ich keinen Tag älter aussehe als 29!“ „Wer?“, fragte Ace lachend und schob die Palette in den nächsten Gang. „Denkst du dir jetzt schon Fans aus?“ „Das sind die Mädels aus Thatchs Pachinko Café“, antwortete Marco. „Klar sagen die dir das. Ist schließlich ihr Job, dir Honig ums Maul zu schmieren, damit du möglichst viel Geld verballerst.“ „Ja, aber gestern habe ich doch so viel gewonnen“, protestierte Thatch energisch, „da haben sie an mir nur Verlust gemacht.“ „Eh, dann pass‘ mal lieber auf, dass Arlong keinen Wind davon kriegt.“ Meine Ohren klingelten und ich schreckte zusammen. Arlong? Wo hatte er denn noch alles seine schmierigen Griffel mit im Spiel? Thatch leerte seine Kaffeetasse, stellte sie auf einem Regal neben sich ab und schüttelte den Kopf. „Laut Jimbei haben sie seit gestern Nachmittag nichts mehr von ihm gehört. Er wollte abends eigentlich die Einnahmen der letzten Tage abholen.“ „Was? Dieser Kredithai lässt sich doch nie Zeit, wenn’s um Geld geht, eh.“ „Wer ist denn dieser Arlong? Hör‘ den Namen zum ersten Mal“, Ace blickte fragend in die Runde und runzelte die Stirn, als ich seinen Blick erwiderte. Er schien mir irgendwas anzumerken. „Moment mal – Ruffy, du weißt doch irgendwas.“ Ihre Köpfe drehten sich augenblicklich zu mir und ich merkte, wie mir das Blut in die Wangen stieg. Ich war ein schlechter Lügner und Ace merkte sofort, wenn ich etwas verheimlichte. Ich schluckte und beschloss, die Karten einfach auf den Tisch zu legen. „Ich hab Arlong gestern niedergestreckt.“ Marco und Thatch nickten, als wollten sie sagen, klar hast du das! „Er lügt nicht. Ruffy kann nicht lügen“, murmelte Ace und schien nicht glauben zu können, was gerade passierte. „Klar, Ace. Dein kleiner Bruder haut den Geldeintreiber Nummer eins der Stadt nieder und wir sollen euch diese Räuberpistole jetzt glauben, oder was?“ „Genau. Überleg‘ dir mal, wie naiv und leichtsinnig das wäre. Dann könnte er sich ja auch gleich Teach zum Feind machen“, sagte Thatch mit einem Grinsen, hielt kurz inne und winkte ab. „Oh, das hat er ja tatsächlich gemacht.“ „Bist du eigentlich lebensmüde, Ruffy-kun?!“ „Woooow! Wie cool! Ruffy, wie hast du das gemacht?!“, Ace Stimme war voller Bewunderung und… Stolz? Das machte mich fast verlegen. Ich zuckte die Schultern und versuchte es mit einem Grinsen zu überspielen, bevor ich wie Chopper durch den Gang tänzelte. „Es hat mich einfach wütend gemacht, wie er Nami angetatscht hat…“ „Bitte was?!“, kam es von den Drei wie aus einem Mund. „Was ist passiert?“ Ich erzählte ihnen, von den Zusammentreffen mit Arlong, in welcher Beziehung er zu Nami stand und womit er wohl das Meiste seines Geldes verdiente. Auch zeigte ich ihnen die Narbe, die er mir verpasst hatte. Sie konnten gar nicht fassen, was ich ihnen erzählte, bis Ace schließlich ausrastete: „Wenn er Vivi auch nur ein Haar gekrümmt hätte, wäre er jetzt tot!“ „Was anderes hätte ich von dir nicht erwartet, Ace-kun“, sagte Marco und fischte eine Zigarette aus seiner Hosentasche. „Wenn dein kleiner Bruder schon so rangeht.“ Er klopfte mir anerkennend auf die Schulter, während Ace mein Haar verstrubbelte. „Ich bin so stolz auf dich, Kleiner! Keiner legt sich ungestraft mit uns an!“ Auf dem Rückweg fragte Ace mich über die ganzen Details des Kampfs aus und über den damaligen Abend, als ich mich mit Teach quer gestellt hatte. Als wir endlich zu Hause ankamen, wurden wir lautstark von Titi begrüßt, die glucksend auf Ace zugestolpert kam. Von Vivi war nichts zu sehen, wahrscheinlich war sie noch im Bad oder Schlafzimmer. „Papa“, quietschte Titi vergnügt und legte die Arme um Aces Hals, während er sie hochnahm und an sich drückte. „Na, hast du mich vermisst, Prinzessin?“ Er streichelte über ihren Kopf und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Ja! Und Luffi auch.“ Sie streckte eine Hand nach mir und erfasste meinen Zeigefinger. „Oh, was für eine Ehre, ich habe dich auch vermisst“, sagte ich und wollte sie Ace abnehmen, als plötzlich Vivi aus dem Schlafzimmer geschossen kam und geradewegs auf mich zusteuerte. Ace konnte gerade noch Titi aus der Schusslinie ziehen, bevor sie ausholte und mir eine volle Breitseite verpasste. „Spinnst du, Vivi?!“ Ich rieb mir die schmerzende Wange und sah in ihr zorniges Gesicht. Ihre sonst so warmen Augen funkelten mich an, ihre Kiefer waren angespannt. Ich hatte keine Ahnung ,was in sie gefahren war. Titi sah uns mit großen erschrockenen Augen an und auch Ace erkannte Vivi nicht wieder. „Vivs, alles in Ordnung?“ Sie presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. „Nein, es ist nichts in Ordnung!“, donnerte es aus ihr heraus. Schon beinahe erschreckend, wie Wut sie verändern konnte. Titi begann zu weinen. „Hat dein Bruder dir etwa nicht erzählt, was er gestern abgezogen hat?!“ Beruhigend wiegte Ace Titi in seinen Armen und streichelte ihren Rücken, bevor er mit den Schultern zuckte. „Doch hat er.“ „Und du sagst nichts dazu? Nein, lass mich raten, du hast ihn gewiss noch darin bestärkt und angefeuert.“ Vivi sah erst mich, dann ihn fassungslos an. Ihre Hände waren verkrampft. „Was soll ich denn jetzt dazu sagen, Vivi? Ich bin nicht sein Vater. Wenn Ruffy meint, dass er seine Probleme so lösen will, dann ist das seine Entscheidung.“ „Ja und deswegen kann er sich ruhig in Gefahr stürzen und seinen Hals riskieren?“, Vivi standen Tränen in den Augen. „Ich verstehe das einfach nicht. Ist euch das bisschen Nervenkitzel so wichtig?“ „Vivi, es ging mir nicht um den Nervenkitzel“, verteidigte ich mich. „Nami war schließlich in Gefahr! Ich konnte nicht einfach nichts tun.“ Sie biss sich auf die Lippen, es war deutlich zu sehen, wie es in ihr arbeitete und sie die einzelnen Argumente abwägte. „Bei so Typen hilft kein Gutzureden“, probierte Ace mich zu unterstützen, „die verstehen eben keine andere Sprache als Gewalt.“ Sie warf Ace einen enttäuschten Blick zu, bevor sie sich auf mich einschoss: „Überlegt ihr euch auch mal, was dabei alles passieren kann? Was wäre, wenn der Kerl dir wirklich die Kehle aufgeschlitzt hätte?!“ Ihre Stimme klang tränenverschluckt, die Wangen leuchteten rot. „Ach komm, es ist doch alles gut gegangen und er hat bloß meine Schulter erwischt“, sagte ich, tätschelte die Stelle und grinste optimistisch, was Vivi zum wilden Stier werden ließ. Ich wich einen Schritt zurück. „Ihr seid doch beide völlig bescheuert!“, ihr Finger deutete abwechselnd auf mich und Ace. „Das ist kein blöder Actionfilm, sondern das wahre Leben. Was denkt ihr, wer ihr seid? Mitglieder vom Fight Club?!“ „Hallo? Was habe ich jetzt damit zu tun?“ „Ich weiß genau, wie deine Augen geleuchtet haben müssen, als Ruffy dir das alles erzählt hat. Oder wie genau du alles nachgebohrt haben musst.“ „Wahrscheinlich verstehst du auch einfach nicht, dass wir niemandem in so einer Situation den Rücken zu drehen können“ erwiderte Ace pampig. Titi drückte sich gegen ihn und vergrub das Gesicht in seiner Halsbeuge. „Jetzt reiß dich mal zusammen, Vivi!“, sagte ich lauter als ich eigentlich wollte und packte ihre Schultern, sie hatte den Kopf gesenkt. „Nami ist meine Freundin und für meine Freunde riskiere ich mein Leben und lasse sie nicht im Stich. Das hätte ich für dich auch getan.“ Sie schniefte und für einen Augenblick dachte ich, sie hätte es verstanden. „ Was, wenn dieser Kerl es jetzt erst recht auf dich abgesehen hat?“ Ace rollte die Augen, wohl wissend, dass eine Diskussion in diesem Zustand sinnlos war. „Vivi, es tut mir leid…“ „Macht doch, was ihr wollt. Ich mache mir bloß Sorgen“, sie wischte sich ein paar Tränen von der Wange und nahm ihre Tasche vom Sofa. „Ich gehe jetzt zu meinem Erste-Hilfe-Kurs und Titi nehme ich mit.“ Vivi nahm, ohne Ace auch nur kurz anzusehen, Titi aus seinem Arm und ging zur Tür. „Lass deine schlechte Laune nicht an mir aus!“, rief er ihr hinterher, aber da war die Tür bereits ins Schloss gefallen. Mit hängenden Schultern ließ er sich aufs Sofa gleiten. Ich setzte mich auf den Sessel neben ihn. Unfähig das Geschehene in einen logischen Kontext bringen zu können. Das schlechte Gewissen nagte an mir, dass Ace wegen mir Streit mit Vivi hatte. Eigentlich dürfte sie nur wütend auf mich sein. Ich wusste ja, dass sie von Leichtsinnigkeit und Gewalt nicht viel hielt. „Tut mir leid, Ace. Ich wollte nicht, dass das so eskaliert.“ Er winkte ab und fuhr sich durchs Haar. Plötzlich wirkte er extrem erschöpft und müde. „Sie ist sowieso so zickig und empfindlich in letzter Zeit. Vielleicht wird ihr wieder alles zu viel und sie sagt es nicht.“ Ich nickte und faltete die Hände ineinander. Ace hatte bestimmt recht. In ein paar Wochen fing Vivis duales Studium an und momentan war sie mitten in den Vorbereitungen für die Kurse und in ihrem Führerschein, den sie zwar finanziert bekam, aber der trotzdem auch sehr zeitintensiv war. „Meinst du, es wäre besser, wenn ich ihr einige Zeit aus dem Weg gehe?“ Ace zuckte die Schultern und erhob sich schwerfällig. „Ich hab keine Ahnung, blicke da selber nicht durch. Mach am besten, was du für richtig hältst“, er streckte sich und gähnte, „ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht, Ruffy.“ „Schlaf gut.“ Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Wenn Vivi auf mich sauer war, war das eine Sache und womöglich sogar berechtigt. Aber dass sie das auf Ace ausgeweitet hatte. Vielleicht war es an der Zeit, den beiden ihre Ruhe zu lassen und auszuziehen. Wahrscheinlich war ich auch ein Teil von Vivis Problemen und das wollte ich nicht sein. Vielleicht war sie einfach angespannt und hätte unter anderen Umständen, die Dinge wie ich gesehen und verstanden, dass ich Nami nur auf diese Weise hatte helfen können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)