MSTory 6: Silent Müll von abgemeldet (MSTing zu 'Monster with a Heart.?') ================================================================================ Kapitel 5: Haarspaltereien -------------------------- Ein hohles Rauschen. Die Chaosfee spannt sich von einer Sekunde auf die andere und fährt auf dem Absatz herum, wirft die Bürste zur Seite. Den Schmerz, als sie sich dabei unachtsamerweise eine Haarsträhne ausreißt, nimmt sie beiläufig wahr; einen Moment später weitet sie nur noch verblüfft die Augen. Vor ihr, mitten in ihrem Gemach, steht Dando, links den viel kleineren Malik im Schwitzkasten, rechts fest eine seiner Sicheln umklammert, nur wenige Zentimeter vom Hals des Jungen entfernt. „Öffne mir ein Portal nach Silent Hill!“, gellt er, das Gesicht hochrot und die Augen funkelnd vor Wut. „Ich töte ihn, wenn du es nicht tust!“ Die Chaosfee erstarrt. Malik japst auf und ringt nach Luft. Er windet sich verzweifelt, kann sich kaum in Dandos kräftigem Griff bewegen. „Er ist verrückt geworden“, röchelt der Junge und sieht zwischen seinen fettigen Strähnen hindurch hilfesuchend zur Chaosfee. „Er tut es, ich kann es in seinen Gedanken lesen!“ Dandos Griff festigt sich noch und die Sichel wandert ein My höher. Malik stöhnt gequält. „Öffne das Portal!“, schreit der Schwarzhaarige abermals, funkelt die Chaosfee an, als wäre er zu allem bereit. Sekunden verstreichen, in denen nur Maliks gepeinigtes Ächzen zu hören ist. Dann... „In Hausschuhen? Du bist so süß“, kichert die Sue und entspannt sich wieder. Abermals verstreichen einige Sekunden. „... verdammt.“ Malik seufzt genervt. „Ich habe dir ja gesagt, dass sie nicht darauf hereinfällt“, murmelt er betreten und löst sich aus Dandos Umklammerung. „Hausschuhe!“ Letztgenannter schließt für einen Moment die Augen, fällt einen Schritt zurück. Die Chaosfee lächelt beinahe mitleidig. „Hättest du Arin im Schwitzkasten gehalten, hätte ich dir das vielleicht abgenommen, aber...“ „Ich will nach Silent Hill!“, fährt Dando dazwischen und unterbricht sie. Er lässt seine Sichel verschwinden, deutlich um Fassung bemüht. „Du hast gar kein Recht, mich hier gefangen zu halten, Chaosfee!“ Die Mary Sue rollt mit den Augen, während sie einen Schritt von ihrer Kommode fort- und auf die Beiden zu setzt. „Fängst du jetzt wieder an? Wir haben das Thema zweimal durchgekaut.“ Dando schreit. Er fährt herum, packt blindlings einen Beistelltisch an der Ecke und reißt ihn empor. Die Chaosfee stöhnt auf, hebt die Arme, doch sie verharrt kurz darauf und lässt nur noch die Schultern hängen. Erdbeeren und Trauben fliegen davon, Porzellan zerschellt. Das hölzerne Tischchen geht polternd zu Boden und rutscht noch einige Zentimeter auf dem blank polierten Parkett weiter. Sie seufzt auf, sichtlich entnervt und müde. „Dan, Malik, bitte. Ich möchte zu Bett gehen.“ „Eli auch!“, brüllt Dando, so laut, dass sich beinahe seine Stimme überschlägt und tritt gegen eine Chaiselongue; das Möbel rutscht quietschend davon, weiße Kratzer bleiben auf dem Parkett zurück. „Er hat große Angst und möchte nach Hause!“ Die Chaosfee zögert einen Moment. „Das kannst du nicht wissen“, entgegnet sie kleinlaut, „er ist nicht allein und...“ Dando schnippst. Kaum eine Sekunde später fliegt eine seiner Sicheln durch die Luft. Die Chaosfee tänzelt zur Seite. Als sie hinter sich Glas zerbersten und unzählige Splitter zu Boden gehen hört, knirscht sie mit den Zähnen. „Nun reicht es mir aber langsam mit deinen Anflügen!“ Festen Schrittes geht sie auf ihn zu, doch Dan weicht keinen Millimeter zurück. „Du wirst dich umgehend aus meinem Gemach entfernen, oder muss ich dich wieder hinausgeleiten?“ Von einem Moment auf den anderen wird sie immer wütender. „Ich habe genug davon, mich ständig wiederholen zu müssen!“ Wie er vor ihr steht, sichtlich unbeeindruckt und Argumenten völlig unzugänglich, macht sie nur noch zorniger. Sie könnte sich übergeben. „Du siehst es ja doch nicht ein!“ Plötzlich mischt sich Verzweiflung in ihre Wut, auflodernd wie ein Funke, der auf trockenes Stroh trifft und noch einige Sekunden braucht um sich festzusetzen. Sie verstummt abrupt, kneift die Augen zusammen und keucht. „Genug. Ich kenne diese Gefühle selbst. Es ist nicht nötig, sie auf mich zu übertragen, Malik.“ Sie sieht den Kleinen eindringlich an. Malik grinst zufrieden, kurz darauf erlischt das Chaos in der mächtigen Sue, das eigentlich Dandos Chaos ist. „Aber trotzdem: Wir können nicht...“ Malik spannt sich an. Die Tür wird aufgeschmettert; gleichzeitig fahren Dando und die Chaosfee herum und sehen erschrocken zum Großinquisitor Torquemada, nur in leichte, simple Baumwollkleidung gehüllt, die sich beängstigend über seine breiten Schultern spannt. Offenbar wurde er aus dem Schlaf gerissen. Der Hüne überblickt die Lage, noch ehe die Beiden sich seiner Anwesenheit völlig gewahr werden; nur Malik wusste bereits, dass er auftauchen würde. Er wippt nervös auf den Füßen. „Was geht hier vor?!“, donnert Torquemada und sieht gewohnheitsmäßig zuerst Dando an. „Ich hörte Schreie, Lärm und Getöse!“ Mit bebenden Schritten tritt er ein. „Habt ihr Bengel völlig den Verstand verloren?!“ Er besieht das auf dem Boden liegende Obst, den umgeworfenen Tisch und den zerbrochenen Spiegel. Seine Wangen röten sich. „Ich entschuldige mich für dieses Verhalten, Chaosfee. Offenbar brauchen sie auch einige Lektionen in Sachen Anstand.“ „Anstand?!“, blafft Dando und deutet anklagend auf den Großinquisitor; Schweiß tritt auf seine Stirn und eine Ader an seiner Schläfe beginnt deutlich zu pochen, nicht nur vor Wut, auch vor Aufregung, da er durchaus weiß, dass Torquemada ihn mit einem Schlag meterweit durch den Raum schleudern könnte ... und wahrscheinlich keine Hemmungen hätte, genau das aus disziplinarischen Gründen zu tun. „Wir sollten uns anstandshalber in Silent Hill befinden und unsere Freunde befreien, statt irgendeiner Sue aus der interdimensionalen MSTing-Organisation zu vertrauen!“ Eine von Torquemadas buschigen Augenbrauen zuckt. „Eine Sue aus der Organisation?“, blafft der Alte. Er fährt herum und starrt die Chaosfee an, die ihrerseits Malik einen entrüsteten Blick zuwirft. „Und nun?“, sagt der Kleine, der nach wie vor auf den Füßen wippt; es ist nicht länger ersichtlich, ob er dies vor Nervosität oder freudiger Erregung tut. „Malik, ich hatte vor, selbst alle einzuweihen. Wieso hast du...“ Doch Torquemada schneidet ihr mit einer herrischen Geste das Wort ab. „Ich dachte mir schon, dass auch Golden ihre Finger im Spiel hat“, sagt er nachdenklich. „Ich muss in nichts Weiteres ... eingeweiht werden.“ Er sieht zu Dando. „Nun? Du magst Recht haben!“, knurrt Torquemada anerkennend, sichtlich amüsiert. „Aber wir haben keine Wahl. Sie alle befinden sich außerhalb unserer Reichweite.“ Der Großinquisitor entspannt sich und verschränkt seine massigen, mit Narben übersäten Arme. „Außerdem ... haben wir kaum Kampferfahrung mit diesem Gegner. Nicht dort, wo er den Heimvorteil besitzt.“ Lautes, vor Selbstvertrauen strotzendes Kichern erklingt, viel zu schrill, als dass es von einem Menschen stammen könnte. „Ich schon!“ Die Sues fahren herum. Unter dem Torbogen, inmitten der halb geöffneten Flügel, steht Meon, wie ein zu groß geratener, grauer Fellflusen im schwarzen Mäntelchen. „Euer Geschrei war nicht zu überhören.“ Sie wuselt herein, nur um einen Moment später wie ein Flummi empor und auf eine Sofalehne zu springen. „Manchmal glaube ich, dass ich hier kaum wahrgenommen werde, da ich so klein und leise bin. Aber ich habe einst gegen MSTsaw gekämpft, falls ihr das vergessen haben solltet!“ „Hm?“, knurrt Torquemada. „Davon weiß ich nichts.“ Er sieht suchend erst zur Chaosfee, dann zu Dando. „Ich auch nicht!“, entgegnet die Hausherrin verwundert. „Ihr erzähltet mir, ihr hättet ihn gemeinsam leicht besiegen können, aber das war vor seiner Wiederbelebung. Er soll schwach gewesen sein.“ „Ganz recht, ja, ja. Aber vorher war er mächtiger! Ich habe ihm fast zwei Tage lang die Hölle heiß gemacht und ihn in die Flucht geschlagen!“, bemerkt Meon energisch, während sie in die Pfötchen klatscht. „Darum war Setha auch zuletzt so ein alter Besen. Ich bin vielleicht ein Hamster und ein bisschen eingerostet, da ich meine Kräfte kaum mehr brauche. Aber ich war mal MSTing-Sue-Per! Du auch, Torquemada!“ Der Großinquisitor reckt provozierend das Kinn vor. „Ich bin nicht ... 'eingerostet'.“ „Wie auch immer!“, wehrt Meon ab. „Wir haben überhaupt keinen Grund, hier zu warten! Ich möchte ebenfalls nach Silent Hill gehen und Eli, Goe und Basy befreien! Und diesen neuen Jungen, wie heißt er doch gleich ... eh, ja. Ich vertraue Golden keine drei Meter weit!“ „Ich auch nicht“, stimmt Torquemada zu. „Und unter diesen Umständen revidiere ich meine Entscheidung.“ Dando grinst, während er Maliks Blick sucht und einen Satz denkt, den er ihn zu beantworten bittet; Maliks Antwort ist nur ein leises Kichern, welches Dan allerdings genügt. „Ich werde mich vorbereiten“, meint Torquemada dumpf und wendet sich um. „Diese Kommentatoren kümmern mich nicht, aber ich habe viele Fragen an MSTsaw. Soll sich die Hölle auftun, wenn Golden mir diese Chance nimmt.“ Die Chaosfee ringt nach Luft. „Ich muss wohl abermals darauf hinweisen, dass ich einen Pakt mit Golden eingegangen bin. Auch diese Chance muss erhalten bleiben! Vergesst nicht, dass sie unsere einzige Informationsquelle ist! Ihr könnt euch überhaupt nicht entscheiden, ehe ihr nicht wisst, was...“ Torquemada winkt ab. „Ich will nichts von irgendwelchen 'Pakten' wissen. Was du mit Golden zu schaffen hast, geht mich nichts an.“ „Mich auch nicht!“, ruft Meon. „Ich will die Jungs und Basy retten!“ Die Chaosfee lacht gekünstelt und stemmt die Hände an die Hüften. „Das ist Haarspalterei“, meint sie resignierend, wälzt einen Moment lang ihre Gedanken. „Aber gut. Ich bin ohnehin überstimmt, da ich euch beide zu Anführern ernannt habe, die mir in nichts nachstehen. Ich öffne euch ein Portal in diese Ruinenstadt.“ Dando klatscht in die Hände, während er freudig strahlend eine Schachtel Zigaretten hervorholt. „Ja! Wir können MSTsaw zu dritt problemlos aufhalten. So mächtig kann der alte Sack nicht sein, Silent Hill hin oder her.“ „Zu dritt?“ Torquemada verengt die Augen. „Nein. Meine Schüler begleiten mich, und wenn sie am Ende nur zusehen. Ihr vier braucht mehr Felderfahrung. Das ist mein Befehl und darüber diskutiere ich nicht. Informiere die anderen, Malik.“ Das Mädchen ist schwarzhaarig, blass und in ein blaues, mit weißer Spitze verziertes Kleid gehüllt. Ihre Augen wirken eine Spur zu groß, während sie die Kommentatoren mustert; sie sind so schwarz, dass sich die Pupillen kaum erkennen lassen und von einem unheimlichen Glanz erfüllt, der nicht in die Augen eines kleinen Mädchens passen will... „Seid gegrüßt, Kommentatoren“, spricht sie und nickt ihnen zu. „Wer bist du?“, fragt Eli sogleich. Das Mädchen kichert verschlagen. Wojtek saugt hörbar Luft ein, was nicht nur Goe auffällt. Auch das Mädchen bemerkt es und bedenkt ihn mit einem wissenden Blick. Wojtek zuckt zusammen. „Ich habe viele Namen. Ihr könnt mich aber Alessa nennen, wenn ihr möchtet.“ Goe räuspert sich sogleich. „Nun, Alessa, das ist ja alles sehr fein. Wenn Sie dann wohl so freundlich wären, uns zu sagen, was hier gespielt wird?“, sagt er süffisant und rümpft die Nase. „All dies finde ich ziemlich unredlich, wenn ich einmal ganz frei sprechen darf. Wieso tauchen Sie urplötzlich im Fernseher auf? Wo ist der Unflat MSTsaw? Wieso antwortet er uns nicht? Warum entspricht die Ausgestaltung des Lesezimmers nicht den gängigen ergonomischen Standards in Sachen Beleuchtung?“ Die anderen werfen ihm skeptische Blicke zu. Abermals lässt Alessa ihr verschlagenes Kichern hören. „MSTsaw ist im Moment verhindert.“ Sie beugt sich vor und ist schließlich so nah an der Mattscheibe, dass sie fast aus dem Fernseher herauszukommen scheint. „Was der alte Mann gerade tut, muss und soll euch aber nicht kümmern.“ Goe stutzt. Unterdessen bemerkt Basy, dass Wojtek immer unruhiger wird. Nervosität und ein Hauch von Angst zeichnen sich in seinem Blick ab. Er scheint sich Mühe zu geben, sein Zittern zu unterdrücken, doch es gelingt ihm kaum. „Altah, wat is'n los mit dia?“, fragt Basy und sieht ihn unsicher an. „Dieses... Sie sieht aus wie ein Mädchen, aber lasst euch nicht täuschen! Sie ist...“ „Wer oder was ich bin, spielt überhaupt keine Rolle!“, unterbricht die Unheimliche ihn. „Ich habe euch beobachtet, Kommentatoren. Mir ist bereits aufgefallen, dass du, Wojtek, mehr über mich und meine Stadt weißt als die anderen. Aber du fürchtest dich ohne Grund. Euch droht im Moment keine Gefahr. Niemand soll geprüft werden. Du solltest dir daher gut überlegen, was du von dir gibst. Ich bin eure einzige Hoffnung!“ „Unsere einzige Hoffnung?!“, platzt Goe heraus. „Wohl eher handelt es sich bei Ihnen um eine Mary Sue, gell? Die führen bekanntlich immer etwas im Schilde.“ Das Mädchen lacht schallend. „Na und? Vielleicht bin ich eine Mary Sue, aber vielleicht auch nicht? Vielleicht bin ich auch in Wahrheit eine MSTing-Sue ... oder euer aller schlimmster Albtraum?“ Ihre Augen schimmern wie schwarzes Öl. „Ich weiß, dass ihr viele Fragen habt, doch für ausführlichere Erklärungen fehlt uns die Zeit. So viel werde ich euch sagen, mehr nicht: Ihr glaubt, ihr befindet euch in MSTsaws Landhaus und kommentiert eine FF für ihn. Das stimmt aber nicht! In Wahrheit kann er euch weder sehen noch hören. Er weiß nicht, wo ihr seid und was ihr tut. Und das MSTing, das ihr macht, macht ihr für mich, nicht für ihn. Für mich und meine Verbündete, um genau zu sein. Wir wussten schon seit einigen Tagen, dass MSTsaw euch nach Silent Hill holen würde. Ich für meinen Teil habe nur gewartet und mich im richtigen Moment eingemischt, um euch hierher zu bringen. Der Raum, in dem ihr euch befindet, befindet sich auch nicht in MSTsaws Haus. Er ist eine Kopie des Raums, in dem ihr damals euer erstes MSTing abgehalten habt. Ich habe mich hierfür entschieden, da ich davon ausging, dass ihr euch dann wohler fühlen würdet. Aber wozu all das dient? Nun, das ist leider etwas komplizierter zu erklären... Konnte ich eure Fragen hiermit beantworten?“ „Überhaupt nichts wurde beantwortet!“, begehrt Goe auf. „Ich möchte meine Fragen gerne selbst stellen, wenn es recht ist, gell?“ Er rückt sich die Brille gerade und sieht das Mädchen fordernd an. „Erste Frage: Wer ist diese Verbündete? Zweite Frage: Woher wussten Sie, dass MSTsaw uns entführen will? Dritte Frage: Wie kommt es, dass MSTsaw noch lebt, wo er doch geltenden Naturgesetzen – unter anderen konstatiert vom Institut Kuschmelka (München) – nach tot sein sollte?“ Aber das Mädchen antwortet ihm nicht; es weitet nur verblüfft die Augen. „Wie ich feststelle, hast du weder Respekt noch Angst vor mir, Goe – verwunderlich, wo du doch angeblich so schlau bist. Einer deiner Mitkommentatoren scheint es besser zu wissen.“ Sie schmunzelt höhnisch. „Huch?“, nuschelt Goe, während er sich zur Seite neigt, um Wojtek besser sehen zu können. Der Rothaarige ist etwas blasser als sonst. Seine Stirn glänzt und er krallt die Hände fest in die Sessellehne. „Wojtek, sakra aber auch! Was hat es mit dieser unbedarften Maid auf sich?“ Doch Wojtek kommt nicht dazu, ihm zu antworten. Abermals bricht das Mädchen in schallendes Gelächter aus, so laut diesmal, dass die Kommentatoren vor Schreck zusammen zucken. Schwarzweiße Stäubchen flimmern über die Mattscheibe und statisches Rauschen dringt aus den Lautsprechern. „Unbedarfte Maid?! Dass ich nicht lache! Ich bin die Herrin dieser Welt!“, ruft sie aus. „Aber MSTsaw, der Antagonist, hat mir die Herrschaft abspenstig gemacht! Von den MSTing-Sues wiederbelebt und mit anderen Gary Sues verschmolzen, um ihm Macht zu verleihen, kehrte er vor kaum zwei Wochen nach Silent Hill zurück. Doch als er sah, dass die Stadt in Trümmern lag, dass sie bei der Explosion des Deus Ex Machina zerstört wurde, wurde er rasend vor Wut und entfesselte die ihm verliehenen Kräfte!“ Während sie spricht, werden die Kommentatoren von Erinnerungen durchströmt, die nicht ihre eigenen sind. Sie sehen die Stadt, die aus nichts mehr als Trümmern und Ruinen zu bestehen scheint. Zwei Silhouetten zeichnen sich ab, die eine ist, das Gesicht halb mit Mull verbunden, MSTsaw, der auf die Knie fällt und die Hände über dem Kopf zusammenschlägt. Die andere dagegen ist eine junge Frau mit langem rotem Haar, halb nackt und nur einen schwarzen Rock tragend. Sie schreckt vor dem Alten zurück. MSTsaw beginnt zu schreien. „Er riss den Schleier entzwei und tat etwas Unglaubliches: Mit Hilfe seiner Kräfte ließ er den Deus Ex Machina neu entstehen!“ Die Szene geht weiter: MSTsaw wird von einer lodernden, roten Aura umgeben, während sein nicht verhülltes Auge wie eine kleine Sonne zu brennen scheint. Er erhebt sich, fährt herum und stürzt auf die junge Frau zu; sie reißt abwehrend die Hände empor und umgibt sich mit einem Schild aus purer Schwärze. Dann wird kurz alles dunkel ... und plötzlich steht MSTsaw mit erhobenen Händen da, vor ihm ein unmögliches Konstrukt aus Ringen und Metallstreben, welches sich aus dem Nichts heraus zu materialisieren scheint und die offenbar bewusstlose Frau umgibt. „Donner und Doria! Der Deus Ex Machina!“, wiederholt Goe die Worte ganz entsetzt, als die Bilderflut endet. „Aber wie kann das sein?“ „MSTsaws Kräfte sind nicht von dieser Welt und auch von keiner anderen. Sie sind von einer Natur, die es in unserem Multiversum eigentlich nicht geben sollte.“ „Von welchem Gary Sue hat er diese Kräfte?“, will Goe sofort wissen. „Das“, hebt das Mädchen an ... und seufzt einen Moment später nur resignierend, „weiß ich nicht. Ich weiß nur wenig über die Machenschaften der Organisation. Ich weiß nur, dass sie einen Fehler begangen haben. MSTsaw geriet außer Kontrolle. Eine Anführerin der Organisation, Nevan, die ihn hierher brachte, überwältigte er kurzerhand und sperrte sie in den Deus Ex Machina. Danach suchte er Alessa und nahm sie ebenfalls gefangen.“ Abermals strömen Bilder in die Geister der Kommentatoren; sie sehen einen unglaublich versifften Raum, in dem lediglich ein dürres, metallenes Bett und ein kleiner Schrank stehen; auf dem Bett liegt ein großes Bündel, das an eine bizarre Mumie erinnert. MSTsaw steht davor, von Ketten, Glut und Draht umwirbelt - doch die Erinnerungen reißen ab, noch ehe sich jemand einen Reim darauf machen kann. „Dank ihrer Kräfte, noch verstärkt durch seine eigenen, Nevans und die Macht einer dritten Mary Sue, gewinnt er seither mehr und mehr Einfluss über meine Welt.“ Goe neigt skeptisch den Kopf. „Eben hieß es, Sie seien Alessa. Wie können Sie aber hier sein, wenn Sie doch angeblich in MSTsaws Deus Ex Machina gefangen gehalten werden? Habe ich da nicht einen Widerspruch entdeckt, sapperlot?“ Das Mädchen bedenkt Goe mit einem undeutbaren, von unheimlichem Glanz erfüllten Blick. Schließlich schmunzelt sie vergnügt. „Ich bin ja auch Alessa. Zum Teil. Genau genommen ... bin ich ihre dunkle Seite. Bisher hat MSTsaw nur die menschliche Alessa überwältigt und gefangen genommen: Sie und ich stehen in einer Verbindung. Durch den Deus Ex Machina raubt er ihr ihre Kräfte und dadurch auch mir die meinen. Ich verliere die Kontrolle über meine Dimension und das ist das Problem. Deswegen seid ihr hier.“ „Aber angeblich sind wir doch hier, da MSTsaw zu wahnsinnig für sein MSTing ist“, murmelt Eli und ist ganz verwirrt. Das Mädchen seufzt. „So meinte ich das nicht. MSTsaw wollte, dass ihr eine FF für ihn kommentiert, um an eine weitere Sue zu gelangen, ja. Doch dazu ist es bisher nicht gekommen. Ich habe euch ... gerettet, könnte man sagen. Euer MSTing dient einem anderen Zweck: Die FF, die ihr kommentiert, steht in unmittelbarer Verbindung mit dem Silent Hill das ihr kennt und auch der Welt jenseits davon, in der wir uns befinden. Durch eure Kommentare beeinflusst ihr den Schleier, so wie ihr stets auch den Schleier beeinflusst, der die Welten anderer FFs von eurer Welt trennt! Ich kann diesen Einfluss dann auf mystische Weise nutzen um beispielsweise Personen von einer Ebene auf die nächste zu bringen.“ „Auf mystische Weise?“, schnalzt Goe und kratzt sich dabei übertrieben nachdenklich am Kinn. „Das kommt mir recht fadenscheinig vor, gell.“ Wojtek räuspert sich, schüttelt den Kopf und kneift kurz die Augen zusammen. „Ja, das ist doch alles völlig abstrus! Schleier zwischen den Welten, die durch Witze beeinflusst werden? Der ... Dämon braucht ein MSTing, um die Tore zwischen den Ebenen aufstoßen zu können?“ Alessa schreit. Ihre Augen werden zu pechschwarzen Löchern ohne Grund und dunkle Adern zeichnen sich unter ihrer Haut ab. „Du bist kein Mitglied des Ordens, närrischer Mensch! Du hast kein Recht, mich so zu nennen!“ Ihre Hände schnellen vor und klatschen von innen gegen den Bildschirm, so fest, dass der Fernseher ruckelt. Die Kommentatoren zucken vor Schreck zusammen, Wojtek jappst auf. „Ich warne dich! Ich mag geschwächt sein, aber das MSTing kann auch ohne dich stattfinden, Wojtek! Du warst nicht einmal eingeplant! Du bist nur hier, da ich meiner Verbündeten versichern musste, gut zu euch zu sein und euch zu schützen!“ „Oh Alessa, es dut uns leid“, sagt Eli sogleich. Die unheimliche Veränderung, die Alessa durchlaufen hat, scheint ihm keine Angst zu machen. „Für Wojtek ist das alles noch sehr neu. Er weiß nucht viel über MSTings und Mary Sues und hat Angst vor Silent Hill.“ Er blinzelt und ringt sich ein beschwichtigendes Lächeln ab. „Das ist mir alles völlig gleich“, zischt sie nur. „Wir haben ohnehin bereits zu viel Zeit vertrödelt. Hört zu, ihr müsst sofort weiter kommentieren! Noch ist meine Verbündete sicher, doch wer weiß, für wie lange? Wer weiß, wann MSTsaw sie findet? Beeilt euch!“ „Wer ist denn diese ominöse Verbündete eigentlich, wenn ich mal fragen darf?“, hakt Goe nach. „Kann man ihr vertrauen und bezieht sie ihre Informationen aus sicheren Quellen der Löblichkeit und Redlichkeit? Ist sie den Umständen angemessen keusch?“ „Wie bitte?! Das spielt überhaupt keine Rolle! Das Schicksal des Multiversums steht auf dem Spiel!“ „Oh Goe, vermutlich ist es ... Doktor Golden Chie, die taucht immer mal wieder auf. Sie ist nämlich eine Mary Sue.“ Das Mädchen fährt überrascht auf ... und stößt mit dem Kopf schmerzhaft gegen das Gehäuse des Fernsehers. „Wie bitte?! Woher weißt du das?!“, fragt sie entgeistert. Eli blinzelt. „Weiß ich niacht, es fiel mir nur so ein. In meinem Kopf sind so viele Ideen“, meint er mit leuchtenden Augen und nimmt sich das letzte Butterbrot vom Tisch. „ARGH!“ Der Bildschirm flimmert. Alessa - oder wie auch immer sie heißt - wird ausgeblendet. Basy niest. „Altah, is se nu eingeschnappt oda wat?“ „Ihr werdet nicht weit kommen“, murmelt die Chaosfee, während sie die Gruppe vor sich eindringlich besieht. Die Jungs tragen dunkle Kapuzenmäntel, Torquemada seine schwere, mit Intarsien verzierte Rüstung. Er überragt selbst Viggo noch um eine gute Kopflänge. Meon, die auf Dandos Schulter sitzt, fällt im ersten Moment kaum auf. Zusammen wirken sie durchaus ... ein wenig albern. Die Entschlossenheit in ihren Augen macht den Eindruck wett, doch die Hausherrin hat nur wenig Hoffnungen, dass sie damit weit kommen werden. „Nur MSTsaw kann das Portal auf die andere Seite öffnen. Es würde an ein Wunder grenzen, selbst einen Weg zu finden.“ „Wir werden sehen!“, gellt Torquemada. „Natürlich. Kontaktiert mich, wenn ihr der Suche überdrüssig seid. Ich werde bis dahin wach bleiben...“ Die Chaosfee winkt mit der Hand. Vor ihnen öffnet sich ein wirbelndes, aus nichts als Farben bestehendes Portal. Weiße Nebelschwaden wehen daraus hervor. „Bis bald!“, zwitschert Meon, sichtlich nervös. „Bitte kümmere dich um Basys Kinder!“ Abermals nickt die Chaosfee. Einen Moment später ist die Gruppe im Portal verschwunden. Es schließt sich sogleich. Die Mary Sue bleibt allein in ihrem verwüsteten Gemach zurück. In Gedanken versunken wendet sie sich um, um zumindest ihr Haar noch fertig zu richten und greift zur Bürste. Mühselig seufzend entfernt sie den ausgerissenen, rabenschwarzen Büschel, der sich erstaunlich fest zwischen den Borsten verfangen hat. Als sie ihn endlich heraus hat, hält sie einen Moment inne, seufzt nachdenklich; ein einzelnes der Haare fällt ihr gerade ins Auge und womöglich liegt es an ihrer Nervosität, dass sie in diesem völlig Banalen so etwas wie ein Omen sieht; doch ein so akkurat in der Mitte gesplisstes Haar, fast so, als sei es gespalten worden, hat sie noch nie gesehen. „Was für ein erstaunlicher Zufall“, kichert sie wehleidig und sieht es für mehrere Minuten an, ehe sie sich ein Haarband greift. Verfallene, rissige Straßen, Häuserzeilen, von denen der Putz bröckelt, zerschlagene Fenster und kaputte Fahrzeuge; eine tote, nur noch dem Namen nach von anderen Ruinen zu unterscheidende Stadt, in der kein Leben mehr ist, und über der feiner, eine Spur zu stofflich wirkender Nebel wie ein Leichentuch hängt... Die Fenster entlang der Häuserzeilen, viele von ihnen bereits eingebrochen, wirken wie schwarze Löcher. Kein Lichtstrahl dringt daraus hervor und auch die Straßenlaternen, sofern sie überhaupt noch stehen, sind schon lange erloschen. Nichtsdestotrotz haben sich fünf seltsame Gestalten in dieses Chaos verirrt, sind soeben aus dem Nichts erschienen. „Altah“, grummelt Viggo, während er unter seiner Kapuze hervorlugt. „Es war scho damals a Loch un nu...“ „Sei still“, zischt Torquemada befehlend. Viggo zuckt zusammen. „Malik …?“ Der Kleinste der Gruppe berührt seine Schläfen. Ohne ein Wort zu sagen, ohne auch nur einen Schritt zu tun, steht das seltsame Gespann starr mittig auf der ausgestorbenen Kreuzung. Unterdessen neigt Dando den Kopf, um in den Himmel zu sehen; er erblickt ihn nur vage. Kein einziger Stern ist zu sehen. Dennoch bildet er sich ein, in der Ferne den Mond ausmachen zu können; doch das Licht der bleichen Scheibe durchdringt den Nebel kaum und ist nicht viel mehr als ein etwas hellerer Fleck. „Ich spüre überhaupt nichts“, bemerkt Malik einen Moment später. „Das meine ich wörtlich! In weitem Umkreis existiert kein Lebenszeichen.“ „Nicht mal Ratten?“, hakt Dando nach, während er eine Zigarette anzündet. Das Feuerzeug braucht einige Versuche, ehe es in der feuchten Luft anspringt; dann lässt sein Flämmchen für einen Moment den Nebel aufleuchten. Dans Gesicht leuchtet fahl unter der Kapuze auf. „Nein. Keine Ratten.“ Malik sieht sich nervös um. „Und auch sonst nichts. Das gefällt mir nicht! Nicht mal die Kreaturen sind noch hier...“ „Wahrscheinlich hat die Explosion des Deus Ex Machina einfach alles ausgelöscht“, meint Meon nachdenklich, während sie den Kragen ihres Mäntelchens enger zurrt. „Wie kalt und nass die Luft ist. Und es stinkt nach Fäulnis und Rost.“ „Wie auch immer“, murmelt Torquemada desinteressiert. Er hebt eine Hand; Sekunden später glimmt ein weiß leuchtender Energieball über seinen Fingern, der sogleich gen Himmel zischt und wie eine Leuchtkugel ganz langsam wieder zu Boden schwebt. Das Licht lässt die zerfallenen Gebäudefassaden wie bleiche Skelette aufleuchten, soweit es den Nebel noch durchdringen kann. Arins bunter Haarschopf wirkt wie ein vergessener Farbtupfer in all der Einöde. Torquemada in seiner prächtigen Rüstung scheint nicht in diese Welt zu gehören. Irgendwo klappert ein Fensterladen, bewegt durch eine sanfte Böe. „Wir gehen“, ordnet der Großinquisitor an und tut den ersten Schritt, welcher dumpf in der Ferne verhallt. Die Sues folgen ihm. „Wo sollen wir hin, Leute?“, will Arin wissen, der etwas schneller geht, um mit Torquemada Schritt halten zu können. „MSTsaws Landhaus? Die Kirche? Wir könnten auch zum See: Dort muss der Alte irgendwann wieder rausgekommen sein.“ „Kannst du wirklich nichts spüren, Malik?“, will sich Dando vergewissern, übergeht die Frage des Anderen gleichgültig. Er sieht Malik beinahe ängstlich an. „Nein, Dan“, entgegnet der genervt, „Eli ist hier nirgendwo.“ „Es wird sein, wie die Chaosfee sagte“, mahnt Torquemada zuversichtlich. „Wir müssen einen Zugang auf die andere Seite finden. Schweigt jetzt! Unterhaltet euch nicht die ganze Zeit.“ Meon kichert. „Ach, uns hört ohnehin keiner! Soll ich mal hoch fliegen und gucken ob ich irgendetwas verdächtiges finde? Ich sehe gut! ... ach was, ich tue es einfach.“ Meon hüpft von Dans Schulter; noch im Fall materialisieren sich ihre dunklen Flügelchen. Die Hamster-Sue gleitet in einer ausholenden Schraube empor. Torquemada sieht ihr knurrend nach. Beinahe zwanzig Meter über dem Boden sieht Meon auch nicht besser; um sie herum ist nichts außer kühlem, weißen Dunst, der zunehmend gräulicher wird, je weiter sie sich von Torquemadas leuchtender Kugel entfernen. Mit dem schwachen Mondschein und dem Licht als Orientierungspunkten dreht sie sich langsam um die eigene Achse. Unter sich kann sie gerade noch so die Dächer der höheren Gebäude erkennen. Dann blitzt etwas auf, erst bläulich, kurz darauf gelblich. Die Hamsterdame bemerkt es nur aus dem Augenwinkel, wirbelt herum und sieht in diese Richtung, doch die Erscheinung ist erloschen. Nur der fast völlig gedämpfte Mond hängt weiter oben im Himmel. Meon stutzt und gleitet vorsichtig voran. Sekunden später nimmt sie abermals das Wetterleuchten wahr, viel näher; sie kommt abrupt zum Stehen, verengt die Augen, sieht empor zum bleichen Mond. Erneut flackern blaue und gelbe Lichter darum auf, die deutlich den Nebel durchdringen. „Was ist das?!“, ruft von unten Torquemada; sie müssen genau unter ihr sein. „Zieht bei unserem Glück noch ein Gewitter auf?“ Meon verengt die Augen. Der Mond erlischt, nahezu zeitgleich mit Torquemadas Leuchtfeuer. Plötzlich schwebt sie in einem Meer aus trüber Dunkelheit. „Bewege dich nicht! Ich werde mich bemühen, dich nicht zu treffen“, knurrt Torquemada, so leise, dass sie ihn kaum hören kann. Blaue und gelbe Lichter flammen in der Entfernung auf. Nun, wo Torquemadas künstliche Fackel erloschen ist, wirken sie viel heller – und viel näher. „Da ist etwas am Himmel!“, schreit Meon und fällt blitzschnell zur Seite, alarmiert und angespannt von einer Sekunde auf die andere. Das Flackern hört nicht mehr auf, wirkt fast wie ein Morsecode. Erst jetzt dämmert ihr, dass ohnehin Neumond sein müsste. „Auseinander!“, schreit Torquemada und stürmt mit einem ausholenden, gemessen an seiner Statur viel zu schnellen Satz nach vorn. Malik hat den Gedanken bereits Sekunden vorher bemerkt; um ihn herum wabert der Grund, ehe der Junge fast augenblicklich einfach darin versinkt. „Altah?!“ ruft Viggo entsetzt und sieht sich verwirrt um. Dando verpufft zu einer schwarzen Rauchwolke, mit ihm Arin, der näher bei ihm stand. „Ey, isch hab keinin Plan wat“, mechanisches, surrendes Getöse bricht los, als vor ihm eine blau und gelb glühende Kugel auf den Boden kracht, sich blitzschnell zu drehen beginnt und eine Woge knisternder Energie entfesselt. Viggo schreit mehr vor Schreck als vor Schmerz, kreuzt abwehrend die Arme vor sich ... und wird von den Füßen gefegt. „Geht in Deckung!“, verhallt Torquemadas Schrei in allen Richtungen. Es ist nahezu unmöglich, auszumachen, wo er steht. Im selben Moment rast die kaum fußballgroße Kugel los; wie ein leuchtender Kreisel fegt sie über den Boden, hinterlässt eine dampfende Spur. Viggo rollt zur Seite und entgeht ihr nur um Haaresbreite. Er kann unglaubliche Hitze fühlen, die von ihr abstrahlt. Noch in derselben Bewegung springt er auf und lässt das Ding nicht aus den Augen, als es sich die Straße entlang frisst und zusehends kleiner wird, erst viel weiter hinten wieder verharrt. „Wat is dat?!“, ruft er, während er, nach den Anderen suchend, ziellos in alle Richtungen sieht. Neben ihm erscheinen Dando und Arin aus einer Rauchwolke heraus. Ersterer berührt ihn sofort an der Schulter. Die Kugel rast erneut heran, viel schneller diesmal und umgeben von einer Welle tosender Energie, deren Knistern an das Zwitschern unzähliger Vögel erinnert. „Berührt sie nicht!“, befielt Torquemada. „Kehrt zur Kreuzung zurück! Und ihr alle schweigt!“ Dando murrt nur noch genervt. „Keine fünf Minuten draußen und ich könnte schon wieder vor Wut kotzen.“ Die Jungs verpuffen, kurz bevor die Kugel den Asphalt zerfetzt, wo sie eben noch standen. Mittig auf der Kreuzung materialisieren sie sich wieder. Torquemada steht, den Hammer in beiden Händen, nur wenige Schritte entfernt und sieht sich verbissen um. „Was geht hier vor?!“, hallt Maliks mentale Stimme durch ihre Köpfe. „Ein Ablenkungsmanöver“, entgegnet Torquemada auf demselben Weg. „Ich hätte mir denken können, dass die Organisation einen ihrer Spitzel hier positioniert.“ „Da Organisation?!“, bellt Viggo entsetzt, ehe Arin ihm in die Seite knufft und mit vor die Lippen gehaltenem Finger daran erinnert, keinen Ton von sich zu geben. „Ich habe niemanden gespürt!“, verteidigt sich Malik gegen den unausgesprochenen Vorwurf. „Kein Wunder.“ Torquemada packt seinen Hammer fester, späht wie ein Falke nach dem Leuchten. „Es muss Orianna sein und die ist eine Maschine, eine seelenlose Marionette aus Metall und ketzerischer Technologie. Hier kannst du nichts spüren!“ „Malik, wo bist du?“, denkt Dando und sieht sich um; die Jungs bilden mit Torquemada einen Kreis, um alle Richtungen gleichzeitig überblicken zu können. „Meon?!“ „Mir geht es gut!“, denkt der Hamster in ihren Köpfen. „Ich bin hier oben und suche das Licht! Es ist wohl verschwunden!“ „Und ich habe mich in einer der Ruinen versteckt, gefühlt zehn Schritte entfernt. Zweites Stockwerk, Wände zu drei Seiten, keine intakte Decke. Es mieft.“ Die Jungs hören Torquemada mit den Kiefern mahlen, scharf Luft einsaugen. Seine Stiefel knirschen auf dem Asphalt, als er seinen Stand noch weiter festigt. „Meon, bleib am Himmel und greife erst an, wenn ich es befehle. Malik, sammle deine Energie und bereite dich vor. Das hier wird nicht so glimpflich ausgehen wie erhofft...“ „Eine Diskokugel ist Mitglied der interdimensionalen MSTing-Organisation?“, denkt Arin spöttisch, ehe er den Kloß in seinem Hals hinunter würgt. „Es ist eine ihrer Waffen, Narr“, tadelt Torquemada, „daher nenne ich es ein Ablenkungsmanöver. Die MSTing-Sue selbst ist...“ Ein hoher, kreischender Ton dringt in ihre Ohren. Explosion. In einiger Entfernung zerbirst das oberste Stockwerk eines Wohnblocks in einer Woge aus Flammen und Gestein. Die Männer fahren herum, Arin und Viggo reißen entsetzt die Augen auf. Aus dem Inferno fällt ein zusammengekauertes, von einer pulsierenden, gelben Aura umgebenes Bündel heraus und zu Boden, dicht gefolgt von den brennenden Überresten eines Mantels, die noch in der Luft vergehen. Ehe das Bündel aufschlägt, beginnt der Bürgersteig zu wabern, als bestünde er plötzlich aus Wasser. Malik versinkt ohne Widerstand darin und die Erscheinung ebbt ab. Lodernder Feuerschein erfüllt die Umgebung weiträumig, hebt die Fassaden und selbst den Nebel orange hervor. „Es geht mir gut“, versichert Malik sogleich telepathisch, „ich konnte mich rechtzeitig schützen und habe nun auf der anderen Straßenseite Deckung gesucht. Wände bieten offenbar nur geringen Schutz.“ „Gut gemacht“, lobt Torquemada nüchtern, reißt noch währenddessen den Arm empor und deutet auf die Lücke im Mauerwerk. Ein massiver Blitz bricht aus seiner gepanzerten Hand hervor, zuckt binnen eines Lidschlags davon und schlägt tosend in das Gebäude ein. Abermals ertönt eine Explosion und verhallt in der Ferne; das Gebäude stürzt ein als bestünde es aus Bauklötzen. Schutt und Mauerwerk fallen zu Boden, und nur Momente später klafft eine glühende Wunde in der Häuserzeile. „Unglaublich, dass es trotz der Feuchtigkeit noch brennt...“, murmelt Arin leise. Torquemada knurrt und starrt aus verengten Augen in das Flammenmeer. „Orianna, sagst du?“, denkt Meon kleinlaut und traut sich kaum, den Großinquisitor in seiner Konzentration zu stören. „Das ist ihr Name. Sie ist gefährlich. Ihre mechanischen Waffen können Fleisch und Stahl gleichermaßen ohne Mühe zerreißen und der Kugel ist es ein Leichtes, infernalische Energiestürme zu entfesseln.“ „Aber ich kann die Kugel nirgendwo mehr leuchten sehen!“, entgegnet Meon aufgebracht; noch immer sind sie durch Maliks mentale Kräfte verbunden. „Ja“, antwortet Torquemada und lässt seinen Blick keine Sekunde von der brennenden Ruine weichen. „Dass Orianna selbst ebenfalls Hitzeangriffe einsetzen kann, ist mir neu. Achtet auf den Boden, falls die Kugel von unten zuschlägt.“ „Dann hat sie wohl ein Update erhalten“, meint Malik rabiat. Abermals erklingt ein schrilles Pfeifen, noch lauter diesmal. Torquemada spannt sich. In der Gluthitze blitzt es zweimal schnell hintereinander, ein violetter, leuchtender Bolzen zischt heraus. Arin setzt vor, streckt eine Hand aus; das Geschoss erlischt wenige Schritte vor ihnen, scheint von einer unsichtbaren Barriere regelrecht absorbiert zu werden. Der Großinquisitor stutzt. „Ich habe sie nicht getroffen?!“ „Die schaffen wir“, sagt Dando trocken, während er kampflustig grinst. „Die ist nicht das Problem“, wehrt Torquemada ab. Als aus dem feurigen Schutt ein Mädchen herausspringt, grazil durch die Luft segelt und einen Salto später leichtfüßig zu Boden kommt, weiten die Jungs überrascht ihre Augen. Oriannas Landung erzeugt Lärm, als wöge sie beinahe eine Tonne, und ein schwelender Balken zerbirst unter ihren Sohlen als träfe sie auf keinerlei Widerstand. Die Flammen spiegeln sich auf ihrem metallischen Körper, lassen ihn regelrecht glühen. Mit abgehackten, bizarren Roboterschritten nähert sie sich. Ihre starren, lampenartigen Augen durchdringen den Nebel wie Flutlichter, fixieren die Gruppe voller eiskalter Berechnung. „Altah...“ Der Bookman fährt überrascht von seinem Tisch auf, als er spürt, wie sich hinter ihm ein Plothole öffnet; einen Moment später hört er die Kugel summen, die blitzschnell auf ihn zu schwebt. Noch ehe sie ihn erreicht, wechselt die Farbe ihres Lichts von milchigem Weiß zu Grün, und das Okular der eigentümlichen Gerätschaft beginnt zu leuchten. Während sie zur Ruhe kommt, scheinbar schwerelos vor dem Alten verharrt, projiziert sie halb durchsichtige Bilder in die Luft. Drei aus nichts als auf fantastische Weise gebündeltem Licht bestehende Szenen manifestieren sich; die Erste zeigt zunächst nur ein dunkles Etwas, kaum größer als eine Faust. Drei metallische Klicks später wurde die Aufnahme so weit vergrößert, dass der Bookman einen überrascht dreinblickenden Hamster im schwarzen Mantel erblickt. Auf dem zweiten Bild ist ein Gesicht zu sehen, halb verborgen hinter fettigen Zotteln und von unnatürlich grüner Hautfarbe; das sichtbare Auge des Jungen erinnert eher an das einer Katze als an das eines Menschen. Die dritte Aufnahme zeigt einen wahren Hünen in prunkvoller, verschlissener Rüstung, das gealterte Gesicht deutlich von vielen Kämpfen entstellt. „Berührt sie nicht! Kehrt zur Kreuzung zurück! Und ihr alle schweigt!“, ertönt es aus dem Inneren der Kugel, knackend, verzerrt, viel zu mechanisch; trotzdem hat der Bookman keine Mühe, die grollende Stimme zu erkennen. „Vielen Dank, Orianna. Halte sie hin, ohne eine ernsthafte Auseinandersetzung zu provozieren.“ Seine von tiefen Schatten umrahmten Augen verengen sich. „MSTing-Sues!“, ruft er in die Tiefen der Bibliothek hinein, dass es von den Wänden nur so wieder hallt. Der Bookman springt auf, eilt um den Tisch herum und hält auf eines der Regale weiter hinten zu, während die Kugel wieder in einem Plothole verschwindet. Sofort wird Unruhe laut. Hinter ihm landet eine junge Frau, heruntergesprungen von einem der fast deckenhohen, uralten Bücherregale. „Ich habe Ihnen verboten, auf die Regale zu springen, Rayne“, zischt der Bookman, während er eine filigrane, metallene Schiene an seinem rechten Arm montiert. „Lassen Sie mir doch den Spaß“, murrt die Rothaarige mit gespielter Unterwürfigkeit. Der Bookman legt einen Gürtel mit unzähligen kleinen Taschen um seine Hüfte. „Wie auch immer. Sind noch mehr Mitglieder hier?“ Er saugt tief Luft ein: „MSTing-Sues!“, ruft er abermals aus. „Ich habe Sie gehört!“, blafft von der Seite jemand; ein gealterter Brillenträger in grauem Tweed eilt herbei, das Gesicht verkniffen und wächsern, ohne jedes Anzeichen von Leben in den Augen. „Ich nehme an, das reizende Gör hat Probleme gemacht?“ „Sind Sie ausgerüstet, Eckhardt?“, ignoriert er seine Frage, und der im Vergleich zu ihm noch wesentlich jüngere Mann nickt nur abgehackt. „Wie Sie wissen sollten, lege ich meine Dei Ex Machina nicht ab“, sagt er belehrend und hebt die behandschuhte Rechte, an der eine beinahe tellergroße, wie poliertes Kupfer schimmernde Scheibe befestigt ist. „Natürlich.“ Im zweiten Stock der Bibliothek werden hastige Schritte laut; zwei junge Frauen eilen die Umführung entlang. Während eine, schlank, noch dazu in enges Leder gekleidet und das Gesicht hinter einem Schleier verborgen, mit der Anmut eines Geparden über das Geländer springt, eilt die andere die Treppe hinunter, dass sich ihr Samtmantel nur so bauscht. „Dar Pha auch noch?“, stellt der Bookman überrascht fest und mustert die Lederträgerin mit gerunzelter Stirn, während sie gemessenen Schrittes zur Gruppe kommt. „Es ist gemütlich in Ihrer Bibliothek, Bookman“, spricht sie warm und mit zartem, türkischem Akzent. „Wir bemühen uns, keine Unordnung zu verursachen.“ Helga eilt herbei, während sie ihren wie eine Rose gestalteten Hut möglichst akkurat zu richten versucht. Rayne rollt wohlwollend mit den Augen, Eckhard schüttelt den Kopf. „Eitle Ziegen“, zischt der Alchemist, „ich werde froh sein, wenn Nevan zurückkehrt und Sie allesamt wieder aus der Bibliothek verschwinden!“ Während Rayne beherzt den Mittelfinger hebt, wirft sich der Bookman seine Kutte über. „Sie Vier sollen mir nun nach Silent Hill folgen. Die Kugel hat mir gezeigt, dass Orianna dort auf die beiden ehemaligen MSTing-Sue-Per und vier weitere Gary Sues unterschiedlicher Stärke getroffen ist.“ Simultan weiten die MSTing-Sues überrascht ihre Augen. „Stecken Sie jeweils eines dieser Plotdevices in Ihre Ohren, um Ihre Gedanken zu schützen.“ Er reicht ein kleines Etui herum, in der sich zehn Metallteilchen auf dunklem Schaumstoff befinden, jedes etwas größer als eine Erbse. „Können wir uns mit Torquemada messen?“, begehrt Helga auf, während sie das Gerät in ihrem Ohr befestigt. Ihren Hut wirft sie kurzerhand zur Seite; er kommt dumpf auf einer Kommode auf. „Wir können nicht riskieren, dass sie sich in MSTsaws Reichweite begeben“, entgegnet der Bookman nüchtern. „Ich muss Ihnen nicht erklären, was auf dem Spiel steht.“ „Wir sind dir an Stärke überlegen, Seelenlose!“, gellt Torquemada mit eiserner Stimme und scheint Orianna mit seinem Blick zermalmen zu wollen. „Wenn du uns angreifst, wirst du ohne Kompromisse vernichtet!“ „Genau, Altah!“ Arin rammt Viggo einen Ellbogen in die Seite. Neben Orianna beginnt der Raum zu wabern; ein Riss tut sich auf, gleißende Lichter wirbeln aus dem Nichts herein und die Kugel manifestiert sich. Sie nimmt eine feurige, rote Farbe an und richtet ihre Linse in den Himmel. „Verflucht“, denkt der Großinquisitor, sodass es in ihren Köpfen verhallt. Ein Schweißtropfen fließt seine Stirn hinab. „Sie hat die Organisation informiert. Seid auf alles vorbereitet.“ „Torquemada, Meon, ich bewache dieses Gebiet im Auftrag der interdimensionalen MSTing-Organisation“, spricht Orianna; ihre Stimme klingt unangemessen laut, ist jedoch völlig ausdruckslos und monoton, wie eine computergenerierte Durchsage - und im Grunde ist sie nichts Anderes. „Rechtfertigen Sie Ihre Anwesenheit. Anderenfalls werde ich Sie angreifen.“ „Wir haben vor dir nichts zu rechtfertigen“, entgegnet der Inquisitor, packt seinen Hammer fester. „Torquemada, Meon, Sie sind nicht länger Mitglieder der interdimensionalen MSTing-Organisation. Sie müssen Ihre Anwesenheit in unserem Hoheitsgebiet rechtfertigen. Ich räume Ihnen zwei Minuten ein, beginnend mit dem Ende meines Satzes.“ Torquemada bleckt die Zähne. „Soll ich es versuchen? Ich bin schnell und treffe Orianna, ehe sie weiß, was geschieht!“, schlägt Meon telepathisch vor, doch Torquemada wehrt verbissen ab. „Nein! Sie weiß, dass du dort oben bist. Sie kommuniziert mit ihrer Kugel.“ „Hey, wollten wir nicht eigentlich nach den Anderen suchen? Ich habe keine Lust auf das hier“, murmelt Arin zwischen zusammengepressten Lippen hindurch, woraufhin Dando ihn aus dem Augenwinkel ansieht, ohne auch nur den Kopf zu bewegen. „Frag' mich? Ich wusste bis eben nicht mal, dass es so was wie die da gibt.“ „Ey, wat sollin wia tun? Torquemada hat se nisch mal angekratzt!“ „Ihr sollt schweigen!“, begehrt Torquemada in ihren Köpfen auf. Die Gary Sues zucken zusammen. Um Orianna herum beginnt der Raum zu wabern. Aus fünf Plotholes erscheinen weitere Mitglieder der Organisation, die sich bis auf einen in eine Reihe mit Orianna stellen. Die flackernde Feuersbrunst hinter ihnen hebt die MSTing-Sues noch eindringlicher hervor als es ihre jeweils äußerst ausfallenden Kluften bereits tun. Trotzdem würdigt Torquemada die lasziv gekleideten Frauen und den Anzugträger keines Blickes. Stattdessen kreuzen seine Augen die des kleinen, beinahe verhutzelt wirkenden Uralten, der sich einige Schritte vor die Gruppe stellt und in seiner braunen Kutte noch am unscheinbarsten wirkt. „Der Bookman!“, denkt Malik entsetzt, nur um kurz darauf frustriert zu seufzen. „Und sie alle können ihre Gedanken vor mir schützen.“ „Verdammte Scheiße“, zischt Dando und schnippst mehr aus dem Reflex heraus. In seinen Händen erscheint eine große, rostige Sense, woraufhin Torquemada ihm einen beinahe flehenden Blick zuwirft. „Großinquisitor Torquemada...“, ergreift der Bookman das Wort; gefasst, sehr höflich und beinahe wehmütig. „Ich bin nicht überrascht, Sie hier zu treffen.“ Hinter ihm wollen sich die MSTing-Sues in Bewegung setzen, doch eine blitzschnelle Geste des Alten genügt, um ihnen Einhalt zu gebieten. „Ich nehme an, dass Sie nicht zufällig hier auftauchen, Torquemada?“ Der Angesprochene runzelt die Stirn. „Halte mich nicht zum Narren, Greis! Du und deine Schergen, ihr seid hier, weil Taldeer es so wollte, nicht wahr?“ Er verengt die Augen. „Weil sie es ... vorausgesehen hat.“ Doch zu seiner Überraschung kann sich der Bookman nur ein sardonisches Grinsen abgewinnen, schüttelt den Kopf. „Die Augen der Runenprophetin scheinen getrübt – und nicht nur ihre Augen.“ „Ach ja?!“, gellt Torquemada zurück. „Auch du warst stets nur blind! Blind und naiv!“ Der Alte verzieht keine Miene. „Sie wissen genau, dass das nicht stimmt. Ich sehe heute vieles mit anderen Augen.“ Beiläufig hebt er den linken Arm, bis der Saum des Ärmels verrutscht. Unterhalb seines Handgelenks sitzt ein blutrotes, nervös hin und her zuckendes Auge inmitten einer kränklich wirkenden Flechte. „Ich sollte dazu in der Lage sein, euch vor dem Sharingan zu schützen“, versichert Malik beflissentlich. „Wahrscheinlich versucht er, euch zu hypnotisieren.“ Gleichzeitig richtet Malik sich auf, um besser durch das eingebrochenen Fenster sehen zu können. Er befindet sich im toten Winkel der MSTing-Sues, die alle zum Großinquisitor und den Anderen sehen; sie sollten ihn nicht bemerken, denkt er sich und richtet sich noch etwas weiter auf. Der Meister reagiert nicht auf seine telepathische Botschaft. Malik spürt, dass er beinahe bis zum Zerreißen angespannt ist, noch viel nervöser als Dando. Arin hat Angst, und Viggo ist scheinbar zu dumm, um die Gefahr überhaupt wahrzunehmen, welche dieses interdimensionale Gespann wie eine Aura umgibt; der fragt sich nur, woher der Bookman ein Sharingan hat. Meon denkt an ihre Adoptivkinder und ihre Enkel, um sich zu beruhigen. „Eines deiner unzählbaren Plotdevices?“, fragt Torquemada mit gespielter Gleichgültigkeit, als er das rote Auge erblickt. In Wahrheit ist er alarmiert: Er hätte dem Greis nicht zugetraut, den eigenen Körper mit derartigen Experimenten zu entweihen. „Nicht neu“, entgegnet der Bookman monoton, während er den Arm wieder senkt. „Wie ich bereits herausfinden konnte, sind Sie dagegen nicht gefeit.“ Torquemata stutzt. Unter seinem linken Auge zuckt bedrohlich ein Nerv. „Nein, er hat nichts getan!“, versichert Malik sofort. „Er bezieht sich wahrscheinlich auf eure Auseinandersetzung auf dem Kreuzfahrtschiff damals!“ „So ist das also...?“, denkt der Großinquisitor, als er zu verstehen beginnt. Unterdessen interpretiert der Bookman die Pause wohl falsch und fährt fort: „Scheinbar wissen Sie nicht, worum es sich dabei handelt, aber das soll mir nur recht sein. Ich bin auch nicht hier, um über meine Plotdevices zu sinnieren ... oder um mir über Taldeer den Kopf zu zerbrechen.“ „Ich hingegen umso mehr!“, grollt Torquemada zurück, so aggressiv, dass selbst Viggo seine Nervosität noch bemerkt. „Ihr Name fiel, als MSTsaw uns angriff. Offenbar ist er der Organisation und insbesondere Taldeer nicht wohlgesonnen!“ „MSTsaw griff die Welt der Chaosfee an?“ Der Bookman ist sichtlich überrascht; beiläufig wirft er den Jungs einen Blick zu und mustert vor allem Dando etwas eindringlicher. „Sein Onkel, ja. Das ist mir bekannt.“ „Ich habe keinen Onkel mehr“, murmelt Dando, viel zu leise, als dass der Alte es hören dürfte. Die rothaarige MSTing-Sue kichert hämisch. „Er behauptet, er habe keinen Onkel mehr“, wiederholt sie ihn laut. Abermals lächelt der Bookman schmerzvoll. „Wenn du nur wüsstest, wie Recht du hast, Junge.“ „Scheißt du dich an, Danny?“, denkt Arin verkniffen und gibt sich die größte Mühe, seine Hände nicht zu sehr zittern zu lassen. „Es sind fünf MSTing-Sues und einer ihrer Anführer, du verdammter Idiot!“, faucht Dan mental zurück. Arin dreht unwillkürlich den linken Fuß, als wolle er jeden Moment herumfahren und rennen. „Uuh, wer war es nur gleich, der die Organisation stets vernichten wollte?“ „Hört auf, meine mentalen Kräfte mit eurer sinnlosen Streiterei zu verschwenden! Das hier ist anstrengend genug!“, gellt Malik aggressiv. „Ich muss mich konzentrieren, um hier gleichzeitig euer aller Bewusstsein zu verbinden!“ Malik schwitzt immer stärker. Beinahe so, als wäre es eine üble Laune des Schicksals, sieht plötzlich die Rothaarige über die Schulter und in seine Richtung. Ruckartig fährt Malik zusammen. Unten kann er sie raunen hören. „Verflucht. Sie hat mich gefunden.“ „Hey, willkommen im Club, Malky!“ „Ich habe keine Zweifel daran, dass wir beide uns lange miteinander beschäftigen könnten, Torquemada“, sagt der Bookman, als spräche er über eine Banalität. Sein Gegenüber knurrt. „Wenn du nicht wusstest, dass wir uns hier begegnen, kannst du dich nicht auf mich vorbereitet haben. Und es sieht dir nicht ähnlich, unvorbereitet in einen Kampf zu ziehen!“ Erstmals wendet Torquemada den Blick von ihm ab und sieht kurz zu den fünf anderen MSTing-Sues. „Oder ein Gefolge bei dir zu haben.“ Einer seiner Mundwinkel verrutscht zu einem missglückten Grinsen. „Da sehen Sie, wie ernst es mir ist.“ „Ihr ängstigt mich nicht.“ „Sie vielleicht nicht, Torquemada: Ihrem Gefolge allerdings rechne ich nur sehr geringe Überlebenschancen aus.“ Arin jappst auf, während Viggo sich stumm auf die Lippen beißt. Dando packt seine Sense fester. „Wie es wohl um Ihre Rechenkünste steht, wenn ich hinter Ihnen auftauche und Ihnen meine Sense in den Schädel ramme?“, erkundigt Dan sich mit zitternden Pupillen. Arin und Viggo sehen ihn an, als hätte er völlig den Verstand verloren, während Torquemada nur noch schwer ausatmet. Der Bookman hüstelt. „Ersparen wir uns doch das Geplänkel“, meint er und hebt beschwichtigend die Arme. „Torquemada, ich muss Sie freundlich, jedoch bestimmt, auffordern, sich umgehend zurückzuziehen. Sie wissen bereits, dass MSTsaw hier residiert, nehme ich an?“ „Dafür habt nur ihr euch zu verantworten!“ „Wir MSTing-Sue-Per, auch wir drei in dieser Runde, ob ehemalig oder nicht, wissen sehr gut, wofür wir uns zu verantworten haben.“ Dann saust Meon herab und kommt plump auf Dandos Schulter zur Ruhe. Er kann nur mit Mühe einen Schrei unterdrücken. „Was ist? Wenn sie mich ohnehin bemerkt haben, kann ich mich ja auch setzen! Ich bin wirklich sehr aus der Übung.“ Sie kichert verlegen, woraufhin Torquemada nur noch verächtlich ausspuckt. Unterdessen beginnt der Boden neben Dando zu schwingen; Sekunden später hüpft Malik daraus hervor. „Wir gehen in diese Stadt, Bookman. Ihr werdet uns nicht aufhalten“, bestimmt Torquemada und ignoriert das Geschehen hinter sich scheinbar vollkommen. „Ich fürchte, das kann ich nicht zulassen. Wir dürfen nicht riskieren, dass MSTsaw noch mehr hochrangige Sues einfängt und ihrer Kräfte beraubt.“ „Noch mehr hochrangige Sues? Also ist es wahr, dass er seinen Deus Ex Machina hat auferstehen lassen?“ „Aber wie kann das sein?!“, quietscht Meon entsetzt. „Wir haben ihn zerstört! Wir...“ „Torquemada, Meon“, faucht der Bookman eisern und unterbricht den Hamster kurzerhand, „wenn MSTsaw Nevan besiegen konnte, kann er auch Sie besiegen. Wir gehen das Risiko nicht ein, dass er noch mächtiger werden könnte.“ Die Frauen ziehen ihre Waffen; zwei Kurzschwerter, ein unscheinbarer Dolch, zwei schlanke Pistolen mit glühenden Elementen im Lauf. Der im grauen Anzug spannt sich sichtbar und hält demonstrativ einen schimmernden Talisman vor sich. Orianna berührt die Kugel; ihre Hand versinkt darin, und kaum schwebt das mechanische Gebilde zur Seite, materialisiert sich eine rote, blitzende Kette aus Energie zwischen dem unwirklichen Paar. „Er hat Nevan bezwungen?!“, entfährt es Torquemada überrascht. Seine Augen weiten sich. „Ich werde Ihnen keine Fragen beantworten. Ziehen Sie sich zurück! Die interdimensionale MSTing-Organisation kümmert sich um diese Angelegenheit.“ „Ich vertraue deiner Golden nicht!“ „Es wäre mir neu, dass Sie jemals jemandem vertraut haben.“ „Was für ein Gruselkabinett. Fetischnutten, Rentner und Roboter“, denkt Dando gehässig, während er nervös mit der Zunge über seine Frontzähne rubbelt. „Altah, da weißt aba scho, wat dat heißin tut wo gesagt wurde MSTsaw hat Nevan besiegt? Da habin wia zu dritt nisch geschafft!“ „Hm...“ Dando setzt seine Sense ab, da ihm die Arme taub werden. „Irgendwas war von Anfang an seltsam an MSTsaw.“ „Vielleicht hat er sie ja mit seinen Ketten ausgepeitscht und sie hat sich freiwillig ergeben, Danny? Aber scheiß auf MSTsaw! Du planst nicht wirklich, dich jetzt den MSTing-Sues anzulegen, oder, Torquy?!“, gellt Arins gedankliche Stimme. „Die ängstigen mich nicht. Wahrlich, und wenn ich im Kampf gegen Taldeers Marionetten falle: Ich habe mich entschieden!“ „Ich kann mich an keine dieser Leute erinnern, aber ich helfe dir, wenn du es darauf anlegst! Für deren Waffen bin ich zu schnell!“ „So soll es sein, Meon. Doch dann müssen wir sie überlisten. Die Welpen würden sie mit Leichtigkeit ausschalten. Wir müssen sie ablenken und in der Zwischenzeit könnt ihr euch davonmachen. Mögt ihr einen Zugang zu MSTsaws Reich finden.“ „Altah, isch heul' hiea jedin Moment los! Dat geht doch nisch!“ „Du wirst meinen Anweisungen folgen, Viggo. Nur wie... Verfluchte Organisation! Wie viel einfacher wäre es, wären sie hier nicht erst aufgetaucht.“ „Malik, was sollten wir deiner Meinung nach tun?“, denkt Meon schließlich. Doch Malik antwortet ihr nicht. Sie sieht aus dem Augenwinkel zu ihm und stellt fest, dass er seine Augen geschlossen hat, als würde er angestrengt über etwas nachdenken. „Malik!“, kommt es von Dando. „Wir könnten einen deiner hochgeistigen Ratschläge gebrauchen! Wenn...“ Ruckartig fährt Oriannas Kopf empor. „Wir werden angegriffen“, stellt das Maschinenmädchen fest; sogleich fährt die Kugel auseinander, wird zu einem Geflecht aus dünnen Ringen und Drähten, welches sich schützend um sie legt und mit einem Kraftfeld aus gleißender Energie umgibt. Die anderen MSTing-Sues reagieren nur eine Sekunde später – zu spät. Um die MSTing-Sues herum beginnt die Luft zu flirren; plötzlich werden sie von unsichtbaren Kräften gepackt, von den Füßen gerissen und davon geschleudert. Der Bookman reagiert noch während des Falls, verlagert sein Gewicht und wirbelt herum, um in der Hocke aufzukommen und den Sturz abzufangen. Halt suchend berührt er den Boden – und stellt fest, dass sein linker Arm auf keinen Widerstand trifft, viel zu tief absinkt und plötzlich von einer warmen Hand gepackt wird, die sich unangenehm fest um das empfindliche Auge schließt. Ein kleines Plothole ist unter ihm erschienen! Vor Torquemada kniet die Chaosfee, nur einen engen, schwarzen Latexanzug am Leib. Mit lodernden Augen umklammert sie den dürren Arm des Bookman, der aus einem Plothole vor ihr ragt. „Boah, Altah!“ „Noch eine Bewegung und ich schließe dieses Kazaana. Ihr Sharingan wäre dann verloren“, ruft sie, während sie den Meister der Plotdevices eisern fixiert und darauf achtet, das rote Auge unterhalb seines Gelenks komplett mit ihrer Hand zu verdecken; sie kann fühlen, wie es nervös zu zucken beginnt. „Igitt...“, macht sie und unterdrückt den Impuls, das glitschige Ding freizugeben. „Chaosfee!“, rufen Meon und Torquemada wie aus einem Mund. „Wir haben keine Zeit zu vergeuden. Ich bin euch gefolgt, um euch eventuell zu helfen, ein Portal auf die andere Seite zu öffnen. Siehe da – ich kann euch helfen, wenn auch nicht so wie ursprünglich gedacht.“ Malik kichert. „Ich war ein wenig abgelenkt, da ich bereits seit gut zehn Minuten mit ihr in telepathischem Kontakt stand. Wir haben uns überlegt, wie wir sie möglichst unauffällig austricksen könnten.“ „Ich dachte, es läge daran, dass du vorhin beinahe gesprengt worden wärst, du durchtriebener Hund!“, murmelt Arin anerkennend. Mit der Chaosfee vor sich fühlt er sich plötzlich viel sicherer. Auch Dando atmet, hörbar erleichtert, auf. „Geht jetzt!“, ruft die Mary Sue, während sich die Gegner wieder erheben. Noch rührt sich keines der Organisationsmitglieder vom Fleck. „Führt euren Plan aus und sucht einen Zugang auf die andere Seite! Die MSTing-Sues werden nicht riskieren, dass ich ihren Anführer seines wertvollen Arms entledige. Ich verschaffe euch Zeit, solange ich kann und ziehe mich dann zurück.“ „Aber die MSTing-Sues sind mächtig.“ Torquemada sieht sie mit undeutbarem Blick an. „Hieß es nicht, du dürftest dich hier nicht einmischen?“ Die Chaosfee schmunzelt. „Ich habe mit Golden abgemacht, mich nicht in ihre Angelegenheiten mit diesem MSTsaw einzumischen. Das hier allerdings ... auch wenn es ziemliche Haarspalterei ist.“ „Oh Chaosfee“, jappst Meon ergriffen. „Wir sind uns so nah.“ „Meinetwegen. Macht euch endlich auf den Weg! Ihr begreift wohl, dass wir...“ Sie spürt, wie der Boden erzittert, als Torquemada, den Hammer fest umklammert, neben sie tritt. Die Chaosfee verstummt abrupt. Meon hüpft auf Torquemadas linke Schulter, sieht zurück zu den Jungs. „Geht und rettet die Anderen! Und Wojtek auch, wenn es recht ist!“, ruft der Hamster energisch, Dando einen mahnenden Blick zuwerfend. „Ich will verdammt sein, wenn meine neuen Schüler auf ihrer ersten Mission sterben. Ihr werdet es nicht wagen, noch mehr Schande über mich zu bringen! Anderenfalls finde ich eure Leichen und ramme sie unangespitzt in den Boden!“, brüllt der Großinquisitor aus voller Kehle. Malik hüstelt verlegen. „Ich, eh, will diesen rührenden Moment nicht zunichte machen, aber ich sollte wohl bleiben, um euch vor dem Sharingan zu schützen, und...“ „Bewegt euch!“, rufen die Anführer noch, ehe Meon sich abstößt, wie ein kleiner Komet in Richtung der MSTing-Sues zischt und ihr Torquemada, den Hammer emporgerissen, mit donnernden Schritten nachsetzt. „Uneinsichtiger Narr“, flucht der Bookman. „Es war wohl sinnlos, darauf zu vertrauen, dass Sie den Ernst der Lage begreifen!“ Meon schlägt wie eine Kanonenkugel gegen Oriannas Barriere; das komplette Konstrukt wird davon geschleudert und der Hamster rast blitzschnell hinterher. Als hinter ihm Eckhardt in die Hocke geht und seine Sigille auf den Boden drückt, seufzt der Alte nur noch resignierend. „Wohl an, MSTing-Sues! Kämpft und lasst nicht zu, dass sie weiterkommen!“ Vorne schreit die Chaosfee auf, als unter ihr plötzlich die Straße aufbricht, zischende, kochend heiße Dampffontänen empor stieben und sie zurück drängen. Der Bookman verzieht das Gesicht vor Schmerz, nutzt die Sekunde jedoch und stemmt sich mit aller Kraft empor; im selben Maß, in dem er seinen Arm hier aus dem Plothole zieht, verschwindet er auf der anderen Seite darin. Als er alarmiert bemerkt, wie die Chaosfee eine Faust ballt, ist gerade noch Rayne heran, um ihn mit übermenschlicher Stärke vom sich ruckartig schließenden Portal wegzureißen. „Vielen Dank“, jappst der Alte nüchtern, während er sich erhebt und beiläufig zur Kenntnis nimmt, dass die Finger seiner Linken nun alle so lang die der Kleinste sind und er das Auge vorerst nicht wird einsetzen können, da im Dampf die künstlichen Lider verbrüht wurden, sich nicht öffnen lassen. „Dies erschien mir sinnvoller als ein kompletter Verlust“, spricht Eckhardt im Vorbeirennen, flankiert von Rayne, die ihm mit gezückten Schwertern nachsetzt. Der Bookman ballt die Rechte zur Faust, woraufhin eine dünne, zwei Handlängen messende Klinge unter seinem Ärmelsaum hervor schnappt. Entschlossen fixiert er den wie einen Stier auf ihn zustürzenden Torquemada. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)