Federspiel von Miuu ================================================================================ Kapitel 3: Was von einer Freundschaft blieb ------------------------------------------- Wie das so ist mit spontanen Entscheidungen, auf die man sich nicht lange vorbereiten konnte, packten Ash schon ziemlich bald die ersten Zweifel. War es klug gewesen, sich Misty einfach so anzuschließen? Natürlich, wenn tatsächlich das Schicksal der Welt auf dem Spiel stand, dann hatte er überhaupt keine andere Wahl, und dann war er auch gerne dazu bereit, seinen vorbestimmten Platz einzunehmen. Aber diese ganze Federlegende klang noch immer so fantastisch, dass es ihm irgendwie ein mulmiges Gefühl bereitete. Irgendetwas musste wohl dran sein an der Geschichte, schließlich saß er hier in diesem Augenblick ja tatsächlich auf dem Rücken von Zapdos, dem legendären Donnervogel, den nur die wenigsten Menschen überhaupt einmal zu Gesicht bekamen, geschweige denn dass sie in der Lage wären, ihn zu fangen. Irgendetwas musste wahr sein an dieser Geschichte. Aber hatte es ausgerechnet Misty sein müssen, mit der er diese Reise antrat? Er hatte viele Jahre damit verbracht, sich damit abzufinden, dass sie nicht mehr zu seinem Leben gehörte. Nun fand er diese Bemühungen von einem Tag auf den nächsten zerstört. Was machte diese Legende jetzt aus ihnen? Machte sie sie nur zu Verbündeten, zu gemeinsamen Kämpfern, oder konnte sie sie auch wieder zu Freunden machen? Wollte er das überhaupt noch, nach dem, was sie ihm über ihre Gründe, ihn zu verlassen, erzählt hatte? Er mochte diese Gedanken nicht, die ihm durch den Kopf gingen. Suchend sah er sich um, in der Hoffnung, irgendetwas zu erblicken, vielleicht Lavados, vielleicht nur irgendetwas, was ihn ablenken und auf andere Ideen bringen würde. Aber schon kurz nachdem sie Alabastia verlassen hatten, hatten sie das Meer erreicht, und unter ihm war weit und breit nichts zu sehen außer eintöniges, dunkles Blau. „Hey Misty!“ Sie blickte über ihre Schulter zurück und sah ihn fragend an. „Ich hab mich nur gerad gefragt… Wie war das bei dir, als du Arktos gefangen hast?“ Er suchte nach jeder erdenklichen Ablenkung und Misty war nun einmal der einzige Gesprächspartner, den er hier oben hatte. „Wie soll es schon gewesen sein? Ich hab dir doch gesagt, Arktos ist vor einiger Zeit bei mir aufgetaucht, hat mich angegriffen, und ich wusste irgendwie, dass ich es fangen muss. Ich hab genau wie du meine Pokémon gegen es eingesetzt, aber nicht daran geglaubt, dass wir wirklich eine Chance gegen ein so mächtiges Pokémon hätten.“ Anerkennend strich sie dem Eisvogel durchs Gefieder. „Aber dann ist mir dieses Wort in den Sinn gekommen, Wazu, und wie bei dir hat es damit funktioniert, Arktos zu fangen.“ Er hatte ihn gesehen, den eisblauen Pokéball, auf dem feine Linien sich zu einem Eiskristall formten. „Und danach?“ „Na ja… Ich war natürlich auch verwirrt und wusste nicht, was das alles bedeuten sollte. Aber nachdem ich Arktos wieder aus seinem Ball gelassen hatte, hab ich gespürt, dass es mir irgendetwas mitteilen, irgendetwas zeigen wollte.“ „Also hat Arktos dich zu dieser Insel geführt?“ „Genau. Es hat mich auf seinen Rücken steigen lassen und hat mir die Legende der Federn gezeigt.“ „Was meinst du, ob Lavados seinen Auserwählten auch schon gefunden hat?“ „Keine Ahnung. Ich weiß ja nicht, wann die Vögel angefangen haben, zu suchen, und wo sie überhaupt herkommen. Wenn Lavados den Dritten schon gefunden hat, sind sie vielleicht bereits auf dem Weg zu uns. Aber vielleicht sucht es ihn auch noch. Ich hab Zapdos ja auch vor dir gefunden.“ „Und was denkst du, wo wir jetzt hinfliegen? Wo könnte sich Lavados' Trainer aufhalten?“ „Ash, woher soll ich das wissen? Vielleicht fliegen wir in Richtung Zinnoberinsel. Dort gibt es schließlich viele Feuerpokémon und eine Arena, die sich darauf spezialisiert hat. Vielleicht findet Lavados dort seinen Auserwählten. Ich denke zumindest, dass du und ich deswegen auserwählt wurden. Du hast mit Pikachu schon viele Erfahrungen mit einem Elektropokémon gemacht.“ „Und du mit deinen Wasserpokémon.“ Sie nickte nur. „Ein Trainer also, der gut mit Feuerpokémon umgehen kann…“ „Es ist aber nur eine Vermutung. Vielleicht wollen die Vögel auch ganz woanders hin. Oder der dritte Auserwählte hat überhaupt nichts mit Feuerpokémon zu tun. Ich weiß es nicht.“ Vielleicht dies, vielleicht das… Er mochte diese Ungewissheit nicht. Natürlich, woher hätte sie wissen sollen, was das Ziel der beiden Vögel war? Sie konnten zwar die Empfindungen ihrer Pokémon verstehen und vieles von dem, was sie ihnen mitteilen wollten, aber eben nicht alles, was in diesen legendären Wesen vor sich ging. Trotzdem störte es ihn, dass ihre Reise so vage war, dass er nicht wusste, was vor ihnen lag, was als nächstes geschehen würde, und ihn störte auch, dass Misty das ganze scheinbar so kalt ließ. Es war ungewohnt, sie so zu sehen. Das war nicht mehr das fröhliche und überschwängliche Mädchen, das er einst gekannt hatte. Aber gut, wenn das Schicksal der Welt auf dem Spiel stand, dann hatte sie allen Grund, ernst zu sein. Und hatte er nicht selbst gesagt, dass viel Zeit vergangen war? Warum sollte Misty sich nicht genauso verändert haben, wie er sich verändert hatte. „Und was machen wir, wenn wir Lavados haben?“ Trotz des Gegenwinds und der Flügelschläge ihrer Pokémon konnte er deutlich hören, wie sie genervt seufzte. „Ash, ich weiß es nicht, ok? Ich weiß von der ganzen Sache genauso viel wie du. Ich habe keine Ahnung, was passiert, wenn die drei Vögel die drei Federn zusammengeführt haben. Aber irgendwas wird schon passieren, keine Sorge.“ „Ich mein ja nur! Ich fänd's schon gut, zu wissen, wie wir weiter vorgehen, wenn wir den dritten gefunden haben.“ „Ja, Ash, das fänd ich auch! Aber ich kann es dir nun mal nicht sagen! Gedulde dich doch einfach mal und nimm die Dinge so hin, wie sie eben sind!“ „Aber ich –“ „Es geht hier aber nicht nur um dich! Meinst du, es interessiert irgendjemanden, ob dir das alles nun recht ist oder nicht?“ Sie ließ Arktos höher steigen, schneller fliegen, und Ash auf Zapdos hatte kurz Schwierigkeiten, mit ihr mitzuhalten. „Und hat dir schon mal jemand gesagt, dass du egoistisch bist?“ „Ich und egoistisch? Ich mache das ganze hier nicht für mich, falls du es vergessen hast! Ich versuche, die Welt zu retten!“ „Sicher. Aber das ganze Lob dafür wirst du dir hinterher nur zu gerne anhören, nicht wahr?“ Er merkte es. Er wusste, dass er unfair wurde und dass sie eigentlich nichts für seinen Unmut konnte. Aber er war schon mitten in diesem Streit drin und all die unterdrückten Gefühle brodelten mit einem Mal in ihm hoch. „Was machst du denn, wenn ich jetzt einfach abhauen würde?“ „Nach Lavados suchen.“ Sie trotzte, aber da würde er ihr in nichts nachstehen. „Na wenn das so ist, dann kann ich ja beruhigt gehen!“ Er schrie, vor Wut, und damit die Worte sie über den jetzt heftigeren Gegenwind überhaupt erreichten. Und für einen Moment dachte er tatsächlich daran, sein Pokémon umzulenken und einfach zurückzukehren. „Ash, mach keinen Mist!“ „Du hast mir nicht zu sagen, was ich machen soll!“ Sie biss sich auf die Unterlippe, wie, um sich selbst am Reden zu hindern. Sie wollte diesen Streit auch nicht, er war so unnütz, so überflüssig. Sie sollten zusammenhalten und sich nicht bekriegen, um der Legende Willen, um des Schicksals der Welt Willen und vielleicht noch für mehr als das. „Ash, komm schon… Du weißt, dass ich dich brauche.“ Etwas in ihrer Stimme und an ihren Worten hinderte ihn daran, sie schon wieder anzufahren. „Es tut mir leid.“ Er nickte. „Mir auch.“ Dann schwiegen sie. Um nicht wieder etwas zu sagen, was den anderen verletzen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)