Warm, wärmer, Feuer von Shizana (Wichtelgeschichte für Caliburn) ================================================================================ One Shot -------- ‚Hallo Herausforderer,   die Arena ist vorübergehend geschlossen. Musste dringend weg. Kommt bitte morgen wieder.‘   Nagi tat einen gedehnten Seufzer. War ja klar gewesen. Nun stand sie hier vor der Arena von Fuen Town und der Arenaleiter war nicht da. Mal wieder. Eigentlich schockierte es sie überhaupt nicht. Nicht mehr. „Dieses Mädchen…“ Noch einmal sah sie zu dem weißen Zettel, der mit breiten Klebestreifen an der Tür zur Arena befestigt worden war. Neben dem in Rot geschriebenen Text zwinkerte ihr ein kleiner Chibikopf entgegen, der große Ähnlichkeit zu der ausgeflogenen Arenaleiterin aufwies. Der grinsende Smiley zeigte ein Victory, als wäre das alles nicht der großen Rede wert. Sie machte schließlich auf dem Absatz kehrt und trat von der großen Arena weg, bis sie vor dem Torbogen stand. Vor ihr führte ein breiter Weg in Richtung Stadt, ein zweiter schlängelte sich in Richtung des majestätischen Vulkans, der am Rande der Stadt thronte. Ihr schwante, welchen Weg sie gleich einschlagen würde. Sie könnte auch warten oder später wiederkommen, gar keine Frage. Mithilfe ihres Altaria kostete sie ein Flug hierher etwa zwanzig Minuten und es war erst kurz nach Mittag. Aber ihre letzten Besuche hatten sie gelehrt, dass „morgen“ ein dehnbarer Begriff sein konnte – sofern man Asuna hieß. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie bis spätabends ihre Zeit in der Kurstadt vertrödelte, um auf die Rückkehr der Kollegin zu warten. Oder dass sie am nächsten Tag eine Beschwerde von Trainern erreichte, dass die Feuer-Arenaleiterin seit zwei oder drei Tagen nicht anzutreffen gewesen sei. Dabei hatten sie schon so oft darüber gesprochen, dass ein Arenaleiter immer zugegen zu sein hatte und sich längere Abwesenheiten erst durch den Vorstand genehmigen lassen musste. Und nun stand sie schon wieder vor verschlossenen Türen. Es gab an sich nicht viele Möglichkeiten, wo die Feuerkämpferin sein könnte. Nagi war sich sogar ziemlich sicher, wo sie sich in diesem Augenblick aufhielt. Und das Ziel hatte sie bereits fest im Blick. Sie überprüfte noch einmal den festen Sitz der Gürteltasche an ihrer Hüfte. Dann holte sie den Pokéball hervor, um erneut die Dienste ihres Weggefährten in Angriff zu nehmen.   Keine zehn Minuten später war sie am Fuße von Entotsu-yama  gelandet, nachdem sie niemanden von der Luft aus an der Spitze des Vulkans hatte ausfindig machen können. Doch sie war sich sicher, dass sie hier richtig war. Asuna hielt sich meistens beim Vulkan auf, wenn sie ohne Abmeldung die Arena verlassen hatte. Natürlich, schließlich war sie eine Feuer-Trainerin. Bestimmt streifte sie sich den Flughelm von ihrem Kopf. Sie richtete noch einen Dank an ihren Pokémon-Partner, dann rief Nagi ihr Altaria in seinen Ball zurück und betrat den Pfad, der sie durch den Vulkan führen würde. Hoffentlich würde sie Asuna schnell finden. Im Inneren des Berges war es dämmerig und warm. Nein, das war untertrieben: Es war heiß. Die Luft war stickig, trocken und roch nach Rauch. Nagi war gezwungen, flacher zu atmen, wenn sie es hier länger aushalten wollte. Und das würde sie wohl oder übel müssen, dachte sie nur an die vielen Wegmöglichkeiten, die sie erwarteten. Asuna könnte überall sein. Sie schlug sich wacker voran, wägte ihre Wahl bei jeder neuen Weggabelung genau ab und folgte einfach ihrem Gefühl. Hin und wieder rief sie nach der Kollegin, doch die erhitzten Felsen schienen ihre Rufe einfach zu verschlucken. Sie erhielt keine Antwort, nicht einmal ein Echo, nur ab und zu knarrte es leise hinter den Felswänden und das Geräusch jagte ihr einen Schauer nach dem anderen über den Rücken. Dass der Vulkan aktiv war, war in ganz Hoenn bekannt. Minuten verstrichen, doch von der Feuer-Trainerin fehlte weiterhin jede Spur. Nagi rief nur noch gelegentlich nach ihr, da ihre Kehle bereits trocken wurde. Sie hatte die Hitze im Inneren des Berges schon wieder unterschätzt und sehnte sich bereits danach, bald wieder an die frische Luft zu gelangen. Sobald sie einen Ausgang gefunden hätte. Weitere Minuten vergingen, bis Nagi nicht mehr wusste, wie lange sie überhaupt schon in diesem Vulkan umherirrte. Vielleicht hatte sie sich ja getäuscht und Asuna war gar nicht hier. Die Wahrscheinlichkeit war zwar gering, aber nicht unmöglich. Was wäre dann? Mittlerweile hatte sie eine Höhle erreicht, die geräumiger war als die bisherigen. Frühere Expeditionsteams hatten hier vermehrt Deckenbeleuchtung angebracht, als es in den Gängen der Fall gewesen war. Ein Hoffnungsschimmer für Nagi, denn sie wusste endlich wieder, wo sie war. Irgendwo musste sich ein Aufstieg befinden, der am Rande der Vulkanspitze hinausführte. Wenn sie den jetzt noch finden würde, würde sie bald wieder klare Luft atmen können. „Asunaaa“, rief sie ein weiteres Mal und sah sich nach allen Richtungen um, um entweder die Kollegin oder zumindest den Ausgang irgendwo ausfindig zu machen. Abermals verschluckten die Felsen ihr Echo, doch dieses Mal blieb sie nicht ungehört. Sie kam für kurz ins Straucheln, als der Boden unter ihr in einer schwachen Vibration erzitterte. Der Schrecken fuhr ihr durch Mark und Bein, als sie nur kurz darauf ein dumpfes Brüllen vernahm. Für einen Moment konnte sie nicht analysieren, woher es gekommen war, bis es erneut ertönte. Dieses Mal konnte sie es ganz genau vernehmen – hinter ihr! Wie auf Kommando blickte sie über ihre Schulter zurück und erkannte schließlich das Pokémon, welches für den Aufruhr verantwortlich war. Ein Camerupt war auf ihr Rufen aufmerksam geworden und musste ihr gefolgt sein. Anhand seiner Haltung mit dem tiefer gesenkten Kopf und dem finsteren Blick erkannte sie schnell, dass es dem Eindringling nicht besonders wohlgesonnen war. Langsam, mit Bedacht, drehte sie sich um und wandte sich dem feuerfarbenen Bullen mit ihrem Körper zu. Als Arenaleiterin wusste sie natürlich, dass man einem erregten Pokémon nicht noch mehr Anlass geben durfte, Gefahr zu erkennen. So sah sie davon ab, ihre Hände in einer Geste der Besänftigung zu heben, und schenkte ihm ihre ganze Aufmerksamkeit. „Schon gut, Camerupt“, sprach sie es sanft an und behielt ihren Blick fest auf es gerichtet. „Es besteht keine Gefahr. Ich suche nur nach jemandem.“ Doch ihre Worte zeigten keine Wirkung bei dem Pokémon. Das Camerupt begann ungeduldig mit den Hufen auf dem Boden zu scharren und gab einen weiteren, dumpf-kehligen Laut von sich. Eine Warnung an die unwillkommene Frau. „Bitte beruhige dich. Ich will dir nichts tun“, versuchte sie es erneut und bewahrte Ruhe. Im Normalfall genügte das, um ein wildes Pokémon zu besänftigen. Auf dieses Camerupt traf es jedenfalls nicht zu. Es scharrte ein weiteres Mal auf dem Boden herum und die gelsigen Vulkanhöcker auf seinem Rücken begannen gefährlich zu brodeln. Sie könnten jeden Moment in einem Feuerregen ausbrechen. Wenn es sich nicht bald wieder beruhigte, würde sich Nagi in ernst zu nehmender Gefahr befinden. „Ich will nicht gegen dich kämpfen“, sprach sie abermals auf das Vulkan-Pokémon ein und trat, um ihren Worten mehr Glaubhaftigkeit zu verleihen, einen Schritt zurück. Es brachte den gegenteiligen Effekt. Das Camerupt schnaubte einmal kräftig aus, dann polterte es mit schweren, schnellen Schritten auf die Arenaleiterin zu. Ganz wie ein Geröll, bedrohlich und unaufhaltbar, bereit, alles in seinem Weg plattzuwalzen. Der Boden erzitterte unter dem Gewicht des Pokémon und Nagi fürchtete, der Vulkan könnte durch die immense Erschütterung ausbrechen. Was wäre dann? Sie wäre verloren! Sie trat weitere Schritte zurück, wagte jedoch nicht, sich umzudrehen und wegzulaufen. Vielleicht, wenn sie ganz ruhig blieb, würde Camerupt einsehen, dass sie ihm wirklich nichts tun wollte. Wenn sie nicht vor ihm davonlief und ihm somit zeigte, dass sie nichts vor ihm zu verbergen hatte, vielleicht würde es dann im letzten Moment abdrehen oder gar stoppen. Sie war schließlich eine Arenaleiterin, sie musste auch zu einem wilden Pokémon durchdringen können! „HALT!“, schallte es in dem Moment hinter ihr und Nagi glaubte, die Stimme sofort zu erkennen, doch sie wagte noch immer nicht, sich von dem Camerupt abzuwenden. Im nächsten Moment flog etwas Kleines, das sie nicht richtig erkennen konnte, auf das wildgewordene Pokémon zu und ging nach einem angewiesenen „Flammenwurf!“ in Flammen auf. Während Nagi noch nicht richtig begriff, was genau sich dort vor ihren Augen abspielte, reagierte das Pokémon sofort und bremste scharf ab. Es stellte sich auf die Hinterläufe, um das brennende Etwas aus der Luft aufzuschnappen, und im nächsten Moment knusperte es genüsslich vor sich hin. Alle Aufregung war mit einem Mal verflogen und das Camerupt wandte sich, zufrieden schmatzend, von der Arenaleiterin ab und verschwand in einem der breiteren Gänge. Mit einem erleichterten Aufatmen ließ sich Nagi gegen die Wand hinter ihr sinken. Hätte sie es nicht besser gewusst, dann hätte sie gemeint, ihre Beine würden unter ihr nachgeben. Sie konnte spüren, wie alle Anspannung von ihr abfiel, nun, da die Gefahr gebannt war. „Sag mal, bist du lebensmüde? Hattest du irgendwie Todessehnsucht, oder wie?“, vernahm sie dieselbe Frauenstimme von vorhin und Nagi blickte auf. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, als sie die rothaarige Palmenfrisur erkannte, die der jungen Frau über ihr in einem Zopf von allen Seiten abstand. Wie bei einer Feuerblume – mit viel Fantasie. „Freut mich auch, dich wiederzusehen, Asuna“, gab sie leise an die junge Frau zurück. „Huch, Nagi-san?“ Rote Augen blickten irritiert zu der Flug-Trainerin herunter, als wäre es ein Ding der Unmöglichkeit, dass sie hier sein könnte. Ausgerechnet an diesem Ort, jetzt, in diesem Augenblick. Und dass ausgerechnet sie es war, die sich eben noch um ein Haar von einem wild gewordenen Camerupt zu Tode hätte trampeln lassen. „Tatsache!“, rief das Mädchen schließlich aus und ihr Gesicht erhellte sich vor lauter Freude. „Hey, was machst du denn hier? Dich hätte ich hier als Letztes erwartet.“ „Würdest du bitte herunterkommen? Es geht auf den Nacken, zu dir aufblicken zu müssen.“ „Oh“, kam es von Asuna und sie fuhr sich mit einem entschuldigenden Grinsen verlegen in den Nacken. „Ja klar, sorry“, und damit sprang sie in einem sportlichen Satz von dem zweimeterhohen Felsvorsprung zu der Kollegin herunter. Ihr folgte ein Schneckmag, das zwar weniger elegant bei dem Sprung aussah, aber nicht minder geübt neben seiner Trainerin landete. „Also, sag schon: Was machst du hier? Ich dachte, du seist in deiner Arena in Hiwamaki City.“ „Glaub mir, dort wäre ich jetzt auch lieber“, seufzte die Flug-Trainerin und stieß sich dabei von der Felswand ab. Die Hitze in ihrem Rücken war auf die Dauer zu viel des Guten. „Ich habe nach dir gesucht. Wieso bist du nicht bei deiner Arena?“ „Oh! Ich, äh… ähm… also, das ist leicht erklärt“, stammelte Asuna und ließ den Blick schuldbewusst zu Boden sinken. Unsicher spielte sie mit ihren Fingern herum. Nagi stieß einen gedehnten Seufzer aus. „Wir haben doch schon unzählige Male darüber gesprochen“, begann sie, ganz in ihrer Rolle als Verantwortliche aller Arenaleiter Hoenns, und sie verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr Blick lag abschätzend, und mit einer gewissen Verzweiflung, auf der Jüngeren. „Es ist okay, wenn du dir hin und wieder ein oder zwei Tage frei nehmen willst. Aber du musst dich wenigstens zuvor bei der Organisation erkundigen und abmelden. Es ist nicht in Ordnung, wenn niemand weiß, wo du bist. Und denk nur an die ganzen Trainer, die jetzt den ganzen Weg völlig umsonst zu deiner Arena gemacht haben.“ „Ich weiß…“ „Du kannst von Glück reden, wenn sich noch niemand beim Vorsitzenden beschwert hat.“ Allein der Gedanke bereitete Nagi Kopfschmerzen. Sie konnte nur hoffen, dass ihr Telefon nicht sturmklingeln würde, sobald sie wieder Zuhause war. „Hey, aber du wusstest doch, wo ich bin!“, warf Asuna nun ein und grinste über das ganze Gesicht. Ganz als wäre das Entschuldigung genug, um ihr nicht länger böse zu sein. Doch Nagi war resistent gegen ihre Sonnenscheinchenart. „Nimm das nicht so auf die leichte Schulter, Asuna“, tadelte sie streng. „Du bist eine Arenaleiterin. Du hast eine Verantwortung gegenüber den Trainern und eine Verpflichtung gegenüber der Hoenn-Liga, diese Trainer zu fördern. Du musst Freizeit und Arbeit differenzieren können.“ „Ja, ich weiß… Aber es war wirklich wichtig! Ich musste herkommen!“ Skepsis machte sich auf Nagis Gesicht breit. Doch das Mädchen blieb beharrlich, das erkannte sie anhand ihrer Haltung, wie sie sich verzweifelt die ineinander verflochtenen Hände an die Brust drückte. Sie stieß schließlich einen geschlagenen Seufzer aus. „In Ordnung“, gab sie nach, „was war denn so wichtig?“ Sofort hellte sich das Gesicht der jüngeren Arenaleiterin auf und im nächsten Moment hatte sie auch schon nach Nagis Hand gegriffen, um sie nun hinter sich her zu ziehen. „Komm mit“, erklärte sie und sah mit einem breiten Grinsen zu der Kollegin zurück, „ich zeig‘ es dir!“ Noch etwas überrannt stolperte Nagi hinter ihr her. Sie hatte mit einem Vortrag gerechnet, nicht, dass sie gleich einen Ausflug unternehmen würden. Der Gedanke, noch länger in diesen stickig-warmen Gängen umherzuirren, behagte ihr so gar nicht. Frische Luft, einfach nur raus aus dieser überdimensionalen Brutkiste, mehr wollte sie doch gar nicht – fürs Erste. Zum Glück schlug Asuna genau die Richtung ein, die auch Nagi als Nächstes gewählt hätte. Das Mädchen führte sie den Abhang hinauf, half ihr über die ungleichmäßigen Steintreppen, und dann endlich, endlich, war Tageslicht zu erkennen. Nagis Herz machte einen freudigen Hüpfer, als sie den ersten erfrischenden Windhauch in ihrem Gesicht spürte, und dann endlich waren sie aus dem Vulkan heraus. Lange hatte sie sich nicht mehr so sehr über klare, kühle Luft gefreut. „Wir müssen da hoch“, wies sie Asuna von der Seite an und deutete dabei zur Vulkanspitze hinauf. Ihr Schneckmag machte den anstehenden Kletteranstieg schon einmal vor und wies den beiden Menschen den Weg, dem sie gleich folgen würden. Nagi folgte ihrer Handgeste. „Du willst da hinauf klettern?“ „Na klar“, strahlte Asuna zurück. „Komm schon, das sieht schwerer aus als es wirklich ist. Ich kenne den Weg inzwischen im Schlaf.“ ‚Na schön‘, ließ sich Nagi schlussendlich überreden und gab sich selbst einen gedanklichen Schubs. Es wäre ihr lieber gewesen, wären sie das kurze Stück geflogen – das wäre auch viel angenehmer gewesen –, aber das bisschen Klettern würde sie auch noch schaffen. Jetzt, da sie wenigstens aus dieser stickigen Irrhöhle heraus war. Schlimmer konnte es nicht mehr werden. „Folge mir einfach“, spornte Asuna sie an und eilte auch schon voraus. Und das wörtlich, sie kletterte geschickt wie ein Menki den steinigen, dünnen Pfad hinauf. Im Nullkommanichts hatte sie die Flug-Trainerin hinter sich gelassen. Einmal noch atmete Nagi tief durch, ehe auch sie ihr Glück versuchte. Die ersten Schritte waren ein wenig holperig, ihre Griffe an der groben Felswand unsicher. Doch sie fasste schnell Vertrauen in sich, so schwer konnte das ja nicht sein. Sie war Höhen gewohnt, früher war sie oft auf die höchsten Bäume geklettert. Dieses kleine Hindernis würde sie auch noch bewältigen können. Und dann, nur wenige Minuten später, hatten sie ihr Ziel erreicht. Asuna reichte ihrer Mentorin hilfsbereit die Hand, um ihr das letzte Stück zu erleichtern. Anschließend standen sie nebeneinander, nur für einen kurzen Moment, um die Aussicht zu genießen, ehe Asuna wieder die Führung übernahm. „Sei vorsichtig“, mahnte sie mit allem Ernst in der Stimme. „Wenn du ein Pokémon siehst, bleib kurz stehen und warte seine Reaktion auf dich ab. Wir schwimmen hier in heißer Lava.“ Kurz pausierte sie und schien nachzudenken. Dann grinste sie breit zu der Kollegin herüber. „Hast ja schon bemerkt, dass besonders die Camerupt im Moment sehr nervös sind.“ „Schon“, bestätigte Nagi ihre Worte und zog die Brauen skeptisch zusammen. „Aber wieso eigentlich? Normalerweise beruhigen sich die Pokémon, wenn sie spüren, dass man ihnen nichts tun will.“ „Hihi, das wirst du gleich erfahren.“ Damit ging Asuna leichtfüßig voraus und winkte Nagi hinter sich her. Diese folgte ihr nur misstrauisch, aber immerhin. Je seltsamer sich ihre ehemalige Schülerin verhielt, umso neugieriger wurde sie auf das, was sie ihr zeigen wollte. Asuna blickte sich immer wieder aufmerksam um bei jedem Schritt, den sie tat. Sie kannte den Vulkan besser als ihr eigenes Zimmer, dennoch ließ sie Vorsicht walten. Kein Pokémon zeigte sich, lediglich zwei aneinander gekuschelte Camaub ließen sich neben einem hohen Stein entdecken, doch sie verhielten sich ruhig. Die beiden Frauen stiegen am Rande des Vulkanmundes etwa einen Meter hinab. Sie waren dem Herzen des Vulkans so nahe, und das spürte Nagi mit einem unwohlen Schaudern. Es war hier so warm, so unerträglich heiß und schwül, dass jede noch so gute heiße Quelle dagegen alt aussah. Die Luft roch rauchig, vermischt mit einer schwefeligen Note. Es gab keine treffende Bezeichnung für diesen Geruch, der Nagi in diesem Moment in den Sinn kommen wollte, aber sie fühlte sich unwohl. Alarmiert. Ganz im Gegensatz zu ihrer jungen Kollegin, die sich allem Anschein nach überhaupt nicht an der Hitze oder dem Geruch störte. Vermutlich hatte sie schon so viel Zeit an diesem Ort verbracht, dass sie es schlichtweg gewohnt war. Sie war eben die geborene Feuer-Trainerin. Vor einem großen Stein an der sandig aussehenden Felswand machte Asuna schließlich Halt. Kurz musterte sie ihn von allen Seiten, dann winkte sie die Kollegin mit einem gehauchten „Pssst!“ heran. „Schau“, flüsterte sie ihr zu und ein Lächeln lag auf ihrem Gesicht. „Aber Vorsicht, dass du nichts anfasst. Du würdest dich sofort verbrennen.“ Dann deutete sie hinter den Felsen. Nagi straffte noch einmal die Schultern, gab sich dann selbst einen Ruck und trat neben die Kollegin. Vorsichtig lugte sie an deren ausgestreckten Hand vorbei, um zu erkennen, was für das Fernbleiben der jungen Arenaleiterin verantwortlich sein musste. „Ach Gott“, wisperte sie schließlich und auch auf ihre Lippen zauberte sich ein Lächeln. Die Feuer-Trainerin neben ihr begann über das ganze Gesicht zu strahlen. „Nicht wahr?“, bestätigte sie ihre Mentorin und blickte dann ebenfalls auf das versteckte Ei, das sich hinter dem Felsen in einer ausgeschmolzenen Kuhle versteckte. Es war von einer sonnengelben Färbung, das obere Viertel war wiesengrün mit vereinzelten, ungleichgroßen Karos direkt darunter. „Einmal im Jahr kommen viele Feuer-Pokémon, die einst in dieser Gegend geboren wurden, hierher, um ihre Eier abzulegen. Das vor uns ist ein Camaub-Ei. Die Eltern schauen meist nur einmal am Tag vorbei, um zu sehen, wie weit ihre Jungen schon fürs Schlüpfen sind. Bis dahin bleiben sie auch am Vulkan.“ „Verstehe“, bestätigte Nagi die Worte der Kollegin. „Also deswegen warst du die letzte Zeit so wenig in der Arena?“ Es war sonnenklar, dass sie schon länger abwesend gewesen sein musste. Jetzt, da Nagi über die Umstände am Entotsu-yama  Bescheid wusste, musste sie es gar nicht erst hinterfragen. Asuna neben ihr nickte. „Ja. Es ist eine sehr wichtige Zeit. Die Pokémon legen ihre Eier nahe am Vulkanmund ab, da es dort am wärmsten ist. So schlüpfen die Jungen schneller und die Familien können weiterziehen. Die Brutzeit dauert so nur wenige Tage. Allerdings…“ Kurz hielt sie in ihren Erklärungen inne, ehe sie mit gedämpfter Stimme fortfuhr: „Es ist auch sehr gefährlich. Entotsu-yama  ist aktiv. Sollte der schlimmste Fall der Fälle eintreten, wären die Jungen rettungslos verloren. Die Eier von Feuer-Pokémon vertragen zwar sehr viel mehr Hitze als andere Pokémon-Eier, und sie brauchen sie auch, aber einem Vulkanausbruch würden auch sie nicht standhalten. Wären es Lavados-Eier oder so, dann wäre es vielleicht möglich. Aber selbst das wäre sehr riskant.“ „Und deswegen schaust du regelmäßig nach ihnen?“ „Mhm.“ „Aber… wenn es wirklich zu diesem Ernstfall käme, dann könntest du als Mensch auch nichts dagegen tun. Es wäre zu gefährlich.“ „Vielleicht.“ Asuna stieß ein schweres Seufzen aus. „Wenn es schon zu spät wäre, dann wäre es leider so. Aber ich würde es vermutlich noch rechtzeitig bemerken.“ Dabei senkte sich ihr Blick auf ihr Schneckmag, das noch immer die Umgebung aufmerksam im Auge behielt. Es entlockte der Feuer-Trainerin wieder ein Lächeln. „Sie würden es spüren und mich warnen. Und bis zum Entotsu-yama  ist es nicht weit. Ich würde es auf jeden Fall versuchen.“ Die Flug-Trainerin schwieg daraufhin und besah die jüngere Kollegin mit nachdenklichem Blick. Ein teils verträumtes, teils traurig wirkendes Lächeln lag auf deren Gesicht, während sie vor sich zu Boden blickte. Und Nagi wusste im ersten Moment nicht, was sie sagen sollte. Dann schlich sich auch auf ihre Lippen ein Lächeln, als es ihr bewusst wurde: Sie brauchte nichts zu sagen. Wenn sie ehrlich war, erfüllten sie die Worte der Jüngeren mit Stolz, auch wenn sie sich den Grund dafür nicht erklären konnte. Doch es war ein gutes Zeichen. Asuna war eben die, die sie war. Sie stand für das, woran sie glaubte. Und noch vielmehr: Das Mädchen übernahm endlich Verantwortung. Wenn auch nicht die, die sich Nagi gewünscht hätte, doch immerhin. „Gehen wir“, sprach sie schließlich und schenkte der Kollegin ein freundliches Lächeln. „Du hast dich doch bereits vergewissert, dass es den Eiern gut geht? Lass uns zur Arena zurückkehren.“     Es war inzwischen später Nachmittag, als die beiden Frauen den Vulkan hinter sich gelassen und sich wieder in der Feuer-Arena eingefunden hatten. Noch war es sonnig draußen, doch in nur wenigen Stunden würde die Abenddämmerung einsetzen. Spätestens dann würde sich Nagi wieder auf den Weg nach Hause begeben – aber noch nicht jetzt. Sie hatte die Einladung der Jüngeren sofort angenommen, es sich im Wohnraum gemütlich zu machen. Und nun saß sie hier an dem niedrigen Tisch, der den Mittelpunkt des Raumes darstellte, hatte ihre Gürteltasche neben sich auf dem hölzernen Boden abgelegt und ließ ihren Blick durch das Zimmer schweifen, während Asuna in der Küche verschwunden war. Alles hier wirkte warm. Die Wände in ihrem dezenten Gelb, die vielen Kerzen, die unangezündet weiträumig verteilt aufgestellt waren, der altmodische Kamin ihr gegenüber und selbst das glatte Holz unter ihr, das sich anfühlte, als würde es von etwas beheizt werden. Nicht zuletzt die vielen Fotos, die zum einen Teil über dem Kamin aufgestellt waren, aber auch vereinzelt an den Wänden Platz gefunden hatten, strahlten sehr viel Lebhaftigkeit in dem Zimmer aus. Alle in einem anderen Bilderrahmen. Fast wie eine kleine Gallery – eine unordentliche, gar chaotische Gallery, aber immerhin. Jedes einzelne Foto erzählte eine eigene kleine Geschichte. Für einen Moment verlor sich Nagi in einem Bild an der Wand rechts neben ihr, auf dem sie eine jüngere Version ihrer Kollegin ausmachen konnte zusammen mit einem Jungen, vielleicht in ihrem Alter, wie sie sich gegenseitig einen Arm um die Schultern gelegt hatten und breit in die Kamera grinsten. Beide hatten Dreck im Gesicht und ihre Kleidung wirkte mitgenommen, aber irgendwie passte es. Der Junge auf dem Foto war ihr unbekannt. Nagi kannte niemanden, der ihm ähnlich sah. Daraus schlussfolgerte sie, dass es sich um einen Freund aus Asunas Kindertagen handeln musste, bevor diese nach Fuen Town gezogen war. Ihr war der Grund für diesen Umzug nicht bekannt – wie so vieles, was das Mädchen betraf. Was wusste sie überhaupt über sie? Selbst in der Zeit, als Nagi noch als Mentorin für Asunas Einstieg in den Arenaleiterpflichten gedient hatte, hatten sie kaum über Privates gesprochen gehabt. Doch wenn sie sich die Fotos an der Wand so betrachtete, dann erschien es ihr offensichtlich, dass sich das Mädchen kaum verändert haben musste. Vermutlich hatte sie damals viele Freunde gehabt, die sie vor einigen Jahren für ihr neues Leben hatte zurücklassen müssen. „Hier“, wurde sie aus ihren Gedanken gerissen und Nagi beobachtete, wie das rothaarige Mädchen einen bunt verzierten Tonbecher mit frisch zubereiteten Tee vor ihr auf den Tisch stellte. Grüner Tee, wie sie es gewünscht hatte. Nur ein Fertigtee, hatte Asuna sie vorgewarnt, aber es war die Geste, die für sie zählte. Mit einem Lächeln nahm sie den Becher entgegen und genoss für einen Moment den aromatischen Duft, der von dem Heißgetränk ausging. Dann schenkte sie dem Mädchen ein Lächeln. „Danke.“ Auch Asuna antwortete mit einem Lächeln, dann ließ sie sich mit ihrem Orangensaft neben der Flug-Trainerin nieder. Sie entschied sich für einen lockeren Schneidersitz. „Also, erzähl mal“, begann sie sogleich das Gespräch. „Wieso bist du eigentlich hergekommen?“ Nagi hielt mitten in ihrer Bewegung inne, gerade als sie sich den Tee an ihre Lippen heben wollte. Sie war mit ihren Gedanken so weit vom Ursprung abgedriftet, dass sie selbst überlegen musste, welcher Intention sie mit ihrem Spontanbesuch gefolgt war. „Ach, ja“, fiel es ihr dann wieder ein und sie stellte ihren Becher zurück auf den Tisch. Asuna neben ihr legte den Kopf in einem fragenden Ausdruck schief, als die Kollegin nach ihrer Gürteltasche griff und sie sich auf den Schoß hob. Mit gewohnten Handgriffen öffnete sie erst Druckknopf, dann Reißverschluss, ehe sie den Deckel zurückschlug und mit beiden Händen in die Tasche griff. „Ich möchte dir etwas geben. Bei dir ist es besser aufgehoben“, erklärte sie, ehe sie nur langsam und ganz vorsichtig die Hände wieder aus der Tasche zog. Sie holte ein rotfarbenes Pokémon-Ei hervor, welches sie behutsam auf ihrem Schoß ablegte, ohne es loszulassen. Asunas Augen weiteten sich augenblicklich. „Ei, was ist denn das? Für mich?“, dabei rückte sie näher an die Kollegin heran und neigte sich dicht vor das Ei, um es sich vom Nahen zu betrachten. „Ich gehe davon aus, dass es sich hierbei um ein Feuer-Pokémon handelt. Immerhin war es Katsura, der es mir anvertraut hat.“ „Katsura?“, platzte es aus dem Feuermädchen heraus und sie starrte ungläubig zu Nagi hoch. „Er? Der Feuer-Arenaleiter aus Kanto? Der Katsura? Aber wie… wie kommst du zu ihm? Wieso… wieso vertraut er dir ein Ei an?“ „Lange Geschichte“, winkte Nagi ab. Sie lenkte die Aufmerksamkeit zurück auf das Ei auf ihren Beinen. „Ich habe es jetzt seit einer Woche, aber es tut sich nichts. Kein Laut, keine Bewegung, gar nichts. Allmählich mache ich mir Sorgen… Deswegen dachte ich, dass das Ei einfach eine andere Umgebung braucht, in dem sich das Baby wohlfühlen kann. Ein Umfeld, wo es wärmer ist und wo es Artgenossen hat, deren Gegenwart es spüren kann.“ „Ah, ich verstehe!“ Jetzt kehrte das gewohnte Grinsen auf Asunas Gesicht zurück und sie sah fast so aus wie ihre jüngere Version auf dem Foto von vorhin. Nur ohne Dreckspuren auf den Wangen, Nase und Stirn. „Also hast du gleich an mich gedacht, weil es bei mir viel wärmer ist und ich Feuer-Pokémon habe. Haha, kein Problem! Ich brüte das Baby im Nullkommanichts aus, du wirst schon sehen. Schließlich bin ich eine Feuer-Meisterin!“ ‚Das ist jetzt etwas übertrieben‘, ging es Nagi durch den Kopf und sie meinte damit sowohl Asunas Betitelung für sich selbst als auch ihr Denken, die Wahl wäre so offensichtlich und ohne jeglichen Zweifel auf sie gefallen. Dass dem nicht so war und Nagi durchaus anfängliche Zweifel hatte, verkniff sie sich zu erwähnen. Schließlich wollte sie das Mädchen nicht kränken und sie hatte im Vulkan immerhin bewiesen, dass sie reifer geworden war. Hoffentlich täuschte sie ihre Intuition, was das Mädchen anbelangte, nicht. Asuna stieß in diesem Moment einen gedehnten Pfiff zwischen Daumen und Zeigefinger aus, ehe sie nach dem Ei langte. Nagi machte keine Anstalten, sie an ihrem Vorhaben zu hindern. Und so hielt die Feuer-Trainerin das Ei nun in ihren Armen und hob den wertvollen Schatz vor sich in die Höhe. Ihre Augen nahmen ein helles Strahlen an, während sie das Ei vor ihren Augen drehte, um es von allen Seiten betrachten zu können. „Ich kann es kaum erwarten, dass du schlüpfst! Was für ein Pokémon magst du wohl sein, hm?“, sprach sie zu dem Ei und strich bewundernd über das gelbe Flammenmuster, das Unter- und Oberseite des Eis fast mittig voneinander abhob. Dann drückte sie es sich behutsam an die Brust und blickte sich um, just in dem Moment, in dem ihr Schneckmag und Macargo in den Raum krochen. Kurz legte sie das Ei in ihrem Schneidersitz ab, um unter den Tisch zu greifen. Sie holte eine zusammengerollte, silberne Matte hervor, welche sie neben sich ausrollte und glatt strich. „Was ist das?“, wollte Nagi neben ihr wissen, die das Tun der Jüngeren aufmerksam verfolgte. Asuna entgegnete ihr mit einem Grinsen. „Eine hitzeisolierende Matte für meine Pokémon, extrembeständig. Weißt du, wenn sie sich entspannen, steigt ihre Körpertemperatur an. Und ich will ja auch nicht, dass sie mir Löcher in den Boden brennen oder gar die ganze Bude abfackeln. Bei aller Liebe“, lachte sie. „Du hast deine Wohnung nicht brandgesichert?“ „Das ist doch viel zu teuer.“ Asuna sah vorwurfsvoll zu ihrer Mentorin und zog einen beleidigten Schmollmund. Als hätte die Flug-Trainerin wissen müssen, dass sie sich einen solchen Luxus gar nicht leisten konnte. Nagi verkniff sich jeglichen Kommentar und beließ es bei einem beiläufigen „Mhm“. Stattdessen hob sie sich ihren Tee an ihre Lippen und beobachtete die beiden Pokémon, die sich gerade zu ihrer Trainerin gesellten und neugierig zu dem Ei in ihrem Schoß blickten. Sie hatten es also schon entdeckt. „Ah, da seid ihr ja!“, begrüßte auch Asuna ihre beiden Partner und hob ihnen vorsichtig das Ei entgegen. „Schaut nur, unsere kleine Familie hat Zuwachs bekommen. Ihr werdet mir doch helfen, das Ei auszubrüten, nicht wahr?“ Die beiden Lavaschnecken streckten ihre Hälse und betrachteten sich besagten „Neuzugang“ näher. Im ersten Moment schienen sie unschlüssig, was sie damit anfangen sollten. Die Pokémon tauschten einen Blick untereinander aus, nickten dann einstimmig zu ihrer Trainerin hoch und es wirkte, als würden sie lächeln. Das Plumpsen war nahezu zu hören, als der Feuer-Trainerin ein riesiger Stein von ihrem Herzen fiel. „Danke, ihr seid spitze! Wir werden das schaffen.“ Sie hob sich das Ei vor ihr Gesicht und wieder strahlten ihre Augen, als sie abermals zu es sprach: „Hörst du? Wir freuen uns schon sehr auf dich! Also lass uns nicht mehr zu lange warten, ja?“ Ein Lächeln schlich sich auf Nagis Lippen. Sie war erleichtert, dass sich ihre Zweifel gegenüber dem Mädchen als unbegründet herausstellten. Es war alles so, wie es sein sollte: Asuna freute sich über das Ei und hatte alles im Griff. Nagi hatte keine Bedenken, dass sie es schaffen konnte. Sie würde sich gut um das Baby-Pokémon kümmern, dessen war sie sich sicher. „Du bist reifer geworden“, gewährte sie ihren Gedanken Raum und trank von ihrem Tee. Ihr anhaltendes Lächeln vermochte sie dadurch aber nicht zu verbergen. Wieder grinste Asuna zu ihr herüber. Sie hatte das Ei mittlerweile ihrem Schneckmag anvertraut, welches sich auf der Isomatte seinen Platz gesucht hatte und sich nun um das Ei schmiegte. Macargo lag neben ihm. Es wirkte noch ein wenig unsicher, was es mit dem Ei anfangen sollte, und schien zu fürchten, seine Hitze könnte ihm eher schaden als nützen. „Ja, jedenfalls reifer als eine gewisse Person, die sich heute um ein Haar von einem Camerupt zu Boden hätte trampeln lassen.“ „Hm.“ „Was hast du dir eigentlich dabei gedacht? Du bist doch sonst nicht so neben der Spur, dass es an Lebensmüdigkeit grenzt.“ „Was war das eigentlich?“ „Was?“ Die unerwartete Gegenfrage warf Asuna völlig aus der Bahn. Hatte sie ihre Mentorin eben noch belehren wollen, wusste sie jetzt schon wieder nicht, wovon diese sprach. „Vorhin“, bemerkte Nagi und nahm einen weiteren Schluck von ihrem Tee, während sie dem Mädchen geradewegs in die Augen blickte. Doch diese wusste anscheinend noch immer nicht, worauf sie hinaus wollte. Also stellte sie den Becher wieder vor sich auf dem Tisch ab und lehnte sich lässig nach vorne. „Als das Camerupt wild war, hattest du ihm etwas zugeworfen und es wurde sofort wieder zahm. Was war das gewesen? Ich habe es nicht erkennen können.“ „Ach, das meinst du.“ Asuna begann daraufhin in ihrer Hosentasche nach etwas zu suchen. Als sie schließlich fand, wonach sie gesucht hatte, hielt sie in ihrer Hand eine kleine, durchsichtige Tüte mit runden, dunklen Keksen darin. „Das war ein Lavakeks. Die kennst du bestimmt. Die Kekse sind eine Spezialität von hier, die speziell gebacken werden in einem Ofen, der mit Asche vom Entotsu-yama  ausgelegt ist. Diese hier sind gekauft, weil ich es bisher noch nicht geschafft habe, selbst welche zu backen. Sie sind ein wenig bitter.“ Daraufhin reichte sie Nagi einen der Kekse und langte auch selbst nach einem Exemplar, in das sie dann herzhaft hineinbiss. Ein paarmal kaute sie und schien zu überlegen, wie die den Geschmack noch beschreiben könnte, ehe sie den Bissen hinunterschluckte und erneut abbiss. Etwas skeptisch beobachtete Nagi sie dabei, ehe sie es ihrer jungen Kollegin gleichtat. Sie nahm nur einen vorsichtigen Bissen, kaute ebenfalls ein paarmal und wog den Geschmack ab. Dann verzog sie das Gesicht, ehe sie den Bissen tapfer hinunterschluckte. „Hast recht“, kommentierte sie gedrückt und langte nach ihrem Tee, „die sind wirklich bitter.“ „Mhm, efwaf“, nuschelte Asuna mit vollem Mund, ehe sie ihren letzten Bissen ohne Mühe hinunterschluckte. Die bittere, trockene Note schien sie nicht zu stören. „Aber für die meisten Feuer-Pokémon sind sie ideal. Sie schmecken aber besser, wenn man sie zuvor anzündet und einen Moment brennen lässt.“ Wie zur Demonstration holte sie daraufhin ein kleines Feuerzeug aus der anderen Hosentasche hervor, schnippte es einmal und hielt den Rest ihres Kekses über die herausragende Flamme. Das Gebäck fing sofort Feuer und gab knisternde Geräusche von sich. „Was machst du denn da?!“, platzte es aus Nagi heraus, die erschrocken auf das brennende Etwas in Asunas Hand blickte. Doch diese winkte nur mit einem kurzen Auflachen ab. „Keine Panik, mir passiert nichts“, versuchte sie die Kollegin zu beruhigen. „Siehst du? Hier ist der Keks mit feuerresistentem Gesteinsmehl verarbeitet worden. Wenn man den Keks anzündet, fängt er hier kein Feuer und man kann ihn getrost halten, ohne sich zu verbrennen.“ Sie deutete mit ihrer freien Hand auf den dunklen Umschlag, der am unteren Teil um das Gebäck geschlagen war wie bei einem Onigiri mit einem Algenblatt.  Dort hielt sie den brennenden Keks und machte tatsächlich nicht den Anschein, als würde sie die Hitze stören. „Pokémon können den Part ungestört mitessen, einem Menschen würde ich es aber nicht empfehlen. Es schmeckt wie Kohle. Das bekommt man nicht mal mit viel Wasser runter“, erklärte sie weiterhin. Dann schüttelte sie kräftig die Flammen aus, bis sie erloschen und wieder der Restkeks von zuvor zu erkennen war. An der Form hatte sich nicht viel verändert, lediglich die Färbung des eben noch lebkuchenfarbenen Gebäckes erinnerte nun vielmehr an Bitterschokolade; beinahe schwarz. Der Keks dampfte noch, dennoch brach sich Asuna ein kleines Stück davon ab und schob es sich in den Mund. Wieder wägte sie den veränderten Geschmack ab, ehe sie zufrieden lächelte. Sie brach ein weiteres Stück ab und reichte es Nagi, wonach sie den Rest des nur noch halben Kekses in zwei Hälften teilte und an ihre beiden Pokémon gab. „Es schmeckt jetzt würziger. Probier mal“, forderte sie die Kollegin auf, während ihr Schneckmag und Macargo bereits an ihrem Keksanteil knabberten. Sie wirkten sehr erfreut über die kleine Leckerei ihrer Trainerin. Zögerlich nahm Nagi das verbrannte Stück entgegen und musterte es von allen Seiten. Allem Unmut zum Trotz schob sie es sich schließlich in den Mund und kaute nur vorsichtig. Kurz darauf begann sie zu husten und beeilte sich, einen großen Schluck von ihrem Tee zu nehmen. Asuna lachte verlegen. „Naja, ist vielleicht nicht jedermanns Sache. Aber die Pokémon lieben es.“ Sie erhielt keine Antwort. In nur wenigen Zügen hatte Nagi ihren Becher komplett geleert und stellte ihn erst wieder ab, als nichts mehr von ihrem Tee übrig war. Sie seufzte einmal, dann stützte sie ihren Ellenbogen auf dem Tisch ab und lehnte das Gesicht in die Hand. „Magst du noch einen Tee haben? Ich mache dir gern noch einen“, lächelte Asuna zu hier herüber. Ein kurzes Kopfschütteln. „Ist schon okay. Ich bleibe nicht mehr lang.“ „Oh, wirklich? Du willst schon wieder los?“, ließ Asuna ihre Enttäuschung verlauten und stemmte die Hände in ihren Schneidersitz, während sie den Kopf hängen ließ. „Du bist doch gerade erst angekommen. Und ich sehe dich nur noch so selten.“ „Wärst du von Anfang an hier gewesen… Egal.“ Nagi seufzte ein weiteres Mal und schloss die Augen. Nur für kurz, während sie schwieg. Dann sah sie wieder auf und richtete ihren Blick gedankenverloren aus dem Fenster zu ihrer Linken. „Einen Moment bleibe ich noch“, sprach sie leise. Asuna musterte sie aufmerksam, sagte aber nichts. Es verstrichen Momente des Schweigens, bis die Feuer-Trainerin nicht mehr still sitzen konnte. Sie rutschte unruhig auf ihrem Platz herum, bis sie es nicht mehr aushielt. Mit einem Stöhnen voran ließ sie sich nach vorn fallen, verschränkte die Arme auf dem Tisch und senkte ihren Kopf darauf. „Weißt du, du kannst es mir ruhig sagen“, sprach sie dann, ohne die Kollegin anzusehen. Nagi rüttelte das wieder wach. Sie löste ihren Blick vom Fenster und sah zu dem Mädchen herüber. „Was meinst du?“ „Das merkt doch ein Blinder“, brummte diese zurück. Dann sah auch sie zu der Flug-Trainerin herüber. Kaum dass sich ihre Blicke trafen, spielte sich auf Asunas Lippen ein vorsichtiges Lächeln. „Dich bedrückt doch etwas, habe ich recht?“ Keine Antwort. Nagi sah sie lediglich an, als wüsste sie die Worte des Mädchens nicht zu deuten. Doch Asuna kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie etwas zu überspielen versuchte. „Bist du deswegen hergekommen? Weil du mit jemandem reden wolltest?“ Nagi übte sich weiterhin im Schweigen. Alles was sie tat, war ihren Blick von dem Mädchen abzuwenden und stattdessen auf das Ei zu starren, das sie ihr mitgebracht hatte. Als sei das Antwort genug auf ihre Fragen. Asuna folgte ihrem Blick. Ihre beiden Partner hatten sich derweil aneinander gekuschelt und waren eingeschlafen. Noch immer hielt Schneckmag das Ei umschlungen und wärmte es mit seinem Lavakörper. Es entlockte der Feuer-Trainerin ein Schmunzeln. Doch um ihre Pokémon ging es hier gar nicht! Also wandte sie sich wieder der Kollegin zu. „Das Ei war nur der Anlass, nicht wahr? Weißt du, ich freue mich wirklich, dass du an mich gedacht und es mir anvertraut hast. Aber ich hätte mich auch so über deinen Besuch gefreut.“ „Ich weiß“, ging Nagi endlich auf das Gespräch ein und seufzte schwer. Das war ein Anfang. Jetzt durfte Asuna nur nicht locker lassen! „Du warst schon vorhin so durch den Wind. Als wir beim Vulkan waren, meine ich. Es sieht dir normalerweise gar nicht ähnlich, so unvorsichtig zu sein.“ „Das Camerupt ließ sich nicht beruhigen“, wehrte Nagi ruhig ab und wollte dem noch etwas hinzufügen, da kam ihr Asuna bereits zuvor. „Weil du unruhig warst.“ Die Worte ließen die Flug-Trainerin aufhorchen. Sie wollte etwas entgegnen, fand aber in diesem Moment nicht die richtigen Worte. Also fuhr Asuna fort: „Pokémon spüren das. Das weißt du vermutlich besser als ich. Und gerade zu solch einer Zeit, in der die Pokémon schon angespannt genug sind…“ Sie brach in ihrem Redeschwall ab und pausierte kurz. „Komm schon, was ist los?“, beendete sie schließlich ihren Part und schenkte der Kollegin ein ermutigendes Lächeln. Doch es blieb still zwischen ihnen. Für mehrere Sekunden zeigte Nagi keinerlei Anstalten, etwas darauf zu erwidern. Bis sie sich endlich regte, nach ihrer Tasche griff und sich erhob. „Zerbrich dir nicht meinen Kopf“, sprach sie sanft. „Es ist alles in Ordnung. Nichts, worüber du dir Gedanken machen müsstest. Ich muss langsam zurück.“ Damit wandte sie sich ab und entfernte sich in Richtung Tür. „Warte!“ Sofort war Asuna aufgesprungen und hechtete der Kollegin stolpernd hinterher. „Du willst gehen? Wie läuft es zwischen dir und Mikuri-san?“ Treffer. Nagi verlangsamte ihren Schritt, bis sie ganz stehengeblieben war. Ihre Hand lag bereits an der Tür, doch sie öffnete sie nicht. Ihr Blick war zu Boden gesenkt und sie sagte nichts. Es reichte, damit Asuna zu ihr aufholen konnte. Ihr blieb nicht verborgen, dass sich etwas an der Kollegin verändert hatte. Es war förmlich zu spüren, nahezu greifbar. Aber sie wusste nicht, was es war. „Was ist?“, fragte sie deshalb, hörbar verunsichert. „Geht es ihm nicht gut?“ „Ihm geht es gut“, gab Nagi zur Antwort. Und leise, nach einer kurzen Pause, fügte sie noch wie in Gedanken hinzu: „Glaube ich.“ „Glaubst du? Was soll das heißen?“ Eine weitere Pause folgte, in der Nagis Antwort auf sich warten ließ. Asuna war unsicher, ob sie ihr überhaupt noch darauf antworten würde. Dann seufzte die Flug-Trainerin und löste ihren Flughelm von ihrem Rücken. „Ich habe ihn lange nicht mehr gesehen. Er ruft auch nicht mehr jeden Abend an. Und wenn wir denn mal telefonieren, sind es meist immer dieselben Themen.“ „Oh…“ „Ich nehme es ihm nicht übel“, warf Nagi sofort ein, um das heikle Thema abzumildern. „Er hat eben viel zu tun. Jetzt, da er den Posten des Champs von Daigo-san übernommen hat. … Dann noch seine ganzen Wettbewerbe… Er ist viel unterwegs. Und die Menschen lieben ihn.“ Wieder kehrte eine Pause ein, bis sie noch ein leises „Besonders die Frauen“ zwischen ihren Lippen hervorpresste. „Verstehe“, kam es geflüstert von Asuna, die den Blick betreten zu Boden gesenkt hatte. Das Fettnäppchen, in das sie ungewollt getreten war mit diesem Thema, hatte eine schwer drückende Atmosphäre im Raum erzeugt. Kein Wunder. Aber hätte sie ahnen können, dass es wegen Mikuri war, weswegen die Kollegin so bekümmert war, dann hätte sie es auch gar nicht erst angesprochen. Klar, die Beziehung zwischen den beiden war längst kein großes Geheimnis mehr gewesen – dass es im Moment so schlecht zwischen ihnen zu laufen schien hingegen schon. „Aber du liebst ihn doch?“, schwenkte sie plötzlich in der Stimmung um und schaffte es, es trotz dem fragenden Untertons optimistisch klingen zu lassen. Als sich Nagi daraufhin nach ihr umwandte, lächelte sie ihre Mentorin aufmunternd an. „Und er liebt dich. Das wird schon wieder, du wirst schon sehen. Du darfst dich nur nicht verunsichern lassen! Ich glaube ganz fest an euch, er wird heute Abend bestimmt noch anrufen.“ „Ach, Asuna…“ „Und wenn nicht“, warf das Feuermädchen ein und ballte die Hände vor ihrem Körper zu Fäusten, wobei sie eine Kampfhaltung einnahm, „dann bekommt er es mit mir zu tun!“ Es war nicht zu ändern, die Worte entlockten der Flug-Trainerin ein Lächeln. Das war eben typisch Asuna. Sie schaffte es, noch im Dunkelsten einen kleinen Hoffnungsschimmer zu entflammen. Einfach so mit ihrer Art, so naiv sie auch im Endeffekt sein mochte. Nagi wandte sich nun gänzlich von der Tür ab und drehte sich dem Mädchen zu. Die kurze Distanz zwischen ihnen war schnell überbrückt und schon hatte sie ihre Hand nach ihr ausgestreckt, um sie in ihre Arme zu ziehen. Ihre Lippen hauchten einen zarten Kuss auf die Stirn der Feuer-Trainerin. „Du bist ein liebes Mädchen“, flüsterte sie dabei sanft.     Wenig später war alles für Nagis Aufbruch nach Hiwamaki City vorbereitet. Ihr Altaria war ausgeruht und startklar. Gerade saß sie auf und überprüfte noch einmal den korrekten Sitz ihres Helmes, bevor sie ein letztes Mal zu Asuna blickte. „Flieg vorsichtig“, sprach das Feuermädchen zu ihr hinauf und strich dem flauschigen Vogel-Pokémon über den glatten, blauen Hals. Nagi nickte versprechend und wollte wohl etwas zum Abschied erwidern, da erregte etwas hinter Asuna ihre Aufmerksamkeit. Um auch die Kollegin darauf hinzuweisen, nickte sie einmal in einer Geste, dass sie sich umdrehen sollte. „Ich glaube, du wirst gesucht“, erklärte sie knapp. Daraufhin wandte sich auch die Feuer-Trainerin um und erkannte ihre beiden Pokémon-Partner, die mit dem Ei zwischen ihren Körpern auf sie zugekrochen kamen. Sofort eilte sie ihnen entgegen und ging vor ihnen in die Hocke. „Was ist denn?“ Schneckmag nickte bedeutend zu dem Ei, während Macargo aufgeregte Laute von sich gab. Es reichte zumindest soweit, dass die Trainerin das Ei an sich nahm. „Oh!“, machte sie sofort und hielt das Ei auf etwas Abstand. Unter der roten Schale bewegte sich etwas und es war ein leises Klopfen von innen zu vernehmen. „Nagi-san! Ich glaube, es schlüpft!“ Weiteres Klopfen ertönte gegen das Innere der Eischale. Asuna hatte Mühe, das Ei richtig festzuhalten, da das Rütteln immer kräftiger wurde. Und dann knackte es einmal, zweimal, bis sich kleine Risse durch die Schale zierten. Ein weiteres, letztes Knacken ertönte, und dann brach das Ei an der Spitze auf. Es ging so schnell, dass das Mädchen davon erschrak. Nur einen Moment später fehlte beinahe der komplette rote Oberteil des Eis und große, dunkle Augen fixierten Asuna mit neugierigem Blick. Das kleine, rote Baby-Pokémon mit dem lockenartigen Kopf und einem gelben, runden Schnabel wirkte selbst noch in ihren Armen zierlich. „Ein Magby!“, rief Asuna begeistert aus und wirbelte das kleine Pokémon in ihren Händen durch die Luft, wobei die restliche Eischale zu Boden segelte. „Das ist das erste Mal, dass ich eines direkt vor mir sehe. Gott, bist du niedlich, Kleines!“ „Glückwunsch“, sprach nun auch Nagi und sie lächelte zu den Feiernden herunter. „Ich wusste, dass du das schaffst. Das ging wirklich schnell.“ „Bestimmt, weil es mit dir im Vulkan war und dann bei meinen Pokémon. Ah, ich bin ja so glücklich!“ Nach einer weiteren Pirouette drehte sich Asuna Nagi zu und sprang ihr förmlich entgegen. Voller Stolz hob sie das frisch geschlüpfte Magby der Flug-Trainerin entgegen und schenkte ihr das wärmste Lächeln, das sie aufbringen konnte. „Sieh nur, Nagi-san, jetzt sind wir Eltern!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)