I was born to serve you, Arthur! von DoctorMcCoy (OS-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 7: Blindes Vertrauen (2) -------------------------------- Merlin hatte jegliches Zeitgefühl verloren und konnte nicht sagen, wie lange er bereits durch den Wald irrte. Da ihm dieser Teil der Gegend auch nicht bekannt vorkam, war er sich nicht sicher, ob er überhaupt in die richtige Richtung lief. Er wusste nicht, wohin Morgana ihn verschleppt hatte. Er war mehr als verloren und nicht nur in einer Weise.   Mit jedem weiteren Schritt spürte er, wie ihn seine Kräfte verließen. Die Folter von Morgana hatte seine Spuren hinterlassen, auch wenn Merlin es ungern zugab. Normalerweise half ihm seine Magie bei Verletzungen, wie er schon häufiger festgestellt hatte. Er erholte sich schneller von Wunden als andere Leute. Dieses Mal war es jedoch ein Nachteil. Merlin wusste nicht, wie es funktioniert, es passierte schon fast automatisch und so wusste er auch nicht, wie er seine Magie davon abhalten sollte, sich selber zu heilen, denn dieses Mal war es kein Heilen, sondern machte es nur noch schlimmer. Das Armband reagierte selbst auf diese passive Magie und es fühlte sich an, als ob ständig kleine Stromschläge seinen Körper hindurchschlängelten. Jeder Versuch seiner Magie, ihm zu helfen, führte dazu, dass er sich nur schwächer fühlte. Er musste unbedingt dieses Armband loswerden, dass ihm Morgana angelegt hatte. Natürlich hatte er schon versucht, es einfach von seinem Arm zu streifen, aber es saß so nah eng, dass dies einfach unmöglich war. Fast schon schien es so, als ob es mit seiner Haut verschmolzen war. Merlin glaubte kaum, dass es mit normalen Methoden überhaupt möglich war, es loszuwerden.   Mittlerweile strauchelte er bei jedem Schritt und es glich schon fast einem Wunder, dass er noch nicht Bekanntschaft mit dem Boden gemacht hatte, jedoch war dies nur eine Frage der Zeit. Mit immer weniger Kraft kämpfte er sich den Weg entlang. Seine Sicht wurde immer verschwommener und seine Ohren schienen mit Watte zugestopft zu sein. Dennoch hörte er ganz genau das Knacken eines nahen Astes. Aufmerksam sah Merlin sich um, da er nicht lokalisieren konnte, woher das Geräusch genau kam, suchte nach dem möglichen Angreifer, um sich zu verteidigen. Mit jeder Bewegung wurde es jedoch schwerer, sich aufrecht zu halten. Wenn es nun wirklich ein Feind sein sollte, vielleicht sogar Morgana, glaubte Merlin nicht, dass er in der Lage wäre, irgendetwas zu machen. Ein weiteres Geräusch hinter ihm, ließ ihn sich umdrehen und eine Hand heben. In diesem Moment dachte er nicht an das Armband und dass er seine Magie nicht benutzen konnte. Verschwommen sah er eine Gestalt vor sich. Genau konnte er sie nicht erkennen, aber das typische Rot der Ritter von Camelot stach ihm entgegen. Ein Ritter, vielleicht sogar Arthur selber. Eine Flut von Erleichterung ging durch seinen Körper und mit dem Wissen, dass er nun sicher war, verließen ihn seine restlichen Kräfte. Es wurde schwarz um Merlin und er spürte nicht einmal mehr, wie er aufgefangen und sanft zu Boden gelegt wurde.   * * *   Mordred schritt durch den dichten Wald, ließ sich von seiner Magie leiten, um Merlin zu finden. Heute Morgen war Gaius zu ihm gekommen, mit der Bitte, seinen Ziehsohn zu suchen, da er bereits mehr als einen halben Tag überfällig war.   „Warum geht Ihr nicht zum König?“, war die einzige Frage des jungen Ritters gewesen. Arthur hielt viel von Merlin und wenn es nur den kleinsten Anlass dafür gab zu denken, dass der Diener in Gefahr schwebte, würde der König wohl nicht lange zögern und einen Suchtrupp losschicken. Warum kam der Arzt also zu ihm? Geduldig wie es Mordreds Art war, wartete er auf eine Antwort, beobachtete Gaius dabei, wie er abwog, was er nun sagen konnte. „Ich befürchte, dass Arthur nicht viel tun könnte“, gab der alte Mann besorgt zu.   Mordred nickte stumm. Wenn Gaius nicht zu Arthur ging, musste es etwas mit seinen Geheimnis zu tun haben. Dieses musste unter allen Umständen gewahrt bleiben, das war dem Druiden nur allzu bewusst, wusste er doch selber wie es war, sich immer verstecken zu müssen. „Morgana weiß es“, kam es plötzlich von Gaius und der Schwarzhaarige sah den alten Mann geschockt an. Wenn Morgana wirklich heraus gefunden hatte, dass Merlin Emrys war, war der junge Mann nicht mehr sicher, ob er jetzt in Camelot war oder nicht. Sie würde ihn vernichten wollen. Und dass Merlin nun schon so lange vermisst wurde, war kein gutes Zeichen. „Ich werde mich sofort auf den Weg machen.“ Seine Entscheidung war getroffen. Er konnte Emrys nicht den Rücken zukehren.   „Danke, Mordred.“ Gaius Stimme war nun nicht mehr nur von Sorge erfüllt, sondern es hatte sich auch ein Funken Erleichterung hinzugemischt. „Ich bin Euch etwas schuldig.“ Mordred nickte dem Hofarzt zu und war schon fast wieder aus der Tür verschwunden, als er sich noch einmal umdrehte. „Wieso misstraut Merlin mir so sehr?“ Diese Frage hatte er schon länger einmal stellen wollen, denn er verstand einfach nicht, was Merlin gegen ihn hatte. Nie hatte er ihm oder Arthur irgendeinen Schaden zugefügt, wenn man mal von dieser kleinen Sache bei den Sklavenhändlern absah. Aber dieses Gefühl von Merlin ging weitaus tiefer und an dem Blick von Gaius war sich Mordred sicher, dass der alte Mann Bescheid wusste.   Dennoch hatte er an diesem Morgen keine Antwort auf seine Frage erhalten, obwohl es ihm immer noch beschäftigte. Vielleicht könnte er Merlin ja bald selber fragen. Wenn wirklich Morgana ihre Finger im Spiel hatte, hoffte Mordred, dass er überhaupt fähig war, zu helfen. Seine alte Freundin war mächtig, mächtiger, als er es je gedacht hätte. Zwar war dies auch Emrys, aber wenn sie ihm eine Falle gestellt hatte? Mordred betete einfach, dass er nicht zu spät kam.   Mit seiner Magie suchte er die Gegend ab, schaute in die Ferne, ob etwas zu erkennen war. Wenn er ohne diese Fähigkeit die weite Gegend um Camelot hätte durchsuchen müssen, hätte er wohl nicht die kleinste Chance gehabt, alleine den verlorenen Diener zu finden.   Gerade wollte er sich nach rechts drehen, als er eine Bewegung wahrnahm. Er schaute näher hin. Etwa 300 Meter von ihm entfernt lief eine Person. Von dieser Entfernung konnte Mordred nicht mit Gewissheit sagen, ob es sich wirklich um Merlin handelte, aber die Statur passte und es war sehr wahrscheinlich. Je näher der Ritter kam, desto klarer wurde seine Sicht und er war sich nun hundertprozentig sicher, denn er erkannte das rote Halstuch, dass Merlin immer trug.   Als er näher kam, sah er wie Merlin sich hektisch umdrehte, wohl auf der Suche nach den Geräuschen, die Mordred verursachte. Irgendetwas stimmte nicht. Seine Bewegungen waren unkoordiniert und schienen schwach. Mordred näherte sich von hinten, was er nicht beabsichtigt hatte, aber anscheinend fiel es Merlin auch schwer, die Quelle der Geräusche zu ermitteln, sodass er sich in die falsche Richtung gedreht hatte. Aber nun konfrontierte er ihn, mit erhobenem Arm. Reflexartig tat Mordred es ihm gleich, obwohl er keinerlei Absichten hatte, seine Magie gegen Emrys zu richten. „Merlin“, sprach er stattdessen ruhig, um ihn nicht zu erschrecken. „Ich bin-“ Weiter kam er nicht, denn er stürzte vor, um den bewusstlosen Merlin aufzufangen. Vorsichtig ließ Mordred ihn zu Boden gleiten.   Merlin regte sich nicht, schien vollkommen weggetreten zu sein. Vielleicht war das auch besser so. Effizient untersuchte der Ritter den Zauberer, um festzustellen, was für Verletzungen er erlitten hatte. Merlin war mehr als blass, er schwitzte stark. Sein halbes Hemd war bereits feucht, aber außer diesen zwei deutlichen Merkmalen hatte er keinerlei Wunden, nichts, was auf seinen ernsten Zustand schließen würde. Also war es eindeutig, dass wohl Magie am Werk lag. Als Mordred etwas ins Auge fiel, hob er Merlins rechtes Handgelenk an. Der Mann hatte nie Schmuck getragen, soweit der Ritter wusste. Feine Linien waren darauf zu erkennen. Runen, alte Runen. Mordred kam dieses Artefakt bekannt vor, aber er hoffte, dass er sich irrte. Jedoch würde es den Zustand von Emrys erklären. Bei der Berührung hatte der Ritter festgestellt, wie kalt Merlin war. Sofort zog er seinen Umhang ab und legte ihn über Merlins leblosen Körper.   Nach einem Blick nach oben zu den Baumkronen, entschied sich Mordred, Merlin kurz alleine zu lassen, auch wenn es ihm nicht besonders gefiel. Die Sonne war zwar für einen Nachmittag noch relativ hell, aber an dieser Stelle des Waldes drang wenig Licht durch und somit auch nicht viel Wärme, was Merlin jetzt zu allererst einmal brauchte. So machte sich der Ritter auf, um ein wenig Feuerholz zu sammeln. Ungefähr zehn Minuten später erreichte er ihr Lager wieder, entzündete ein Feuer mithilfe von Magie und setzte sich neben die Flammen. Im Moment konnte er nicht mehr tun, als abzuwarten, dass Merlin wieder erwachte.   * * *   Merlin spürte die Hitze des Feuers und konnte das Knistern der Flammen hören. Irgendwer hatte also dafür gesorgt, dass er ein wenig Wärme bekam. Vorsichtig drehte er den Kopf, probierte, seine Augen zu öffnen, was ihm allerdings erst nach mehreren Versuchen gelang. Die Gestalt hinter dem Feuer konnte er allerdings immer noch nicht erkennen. Er hoffte zwar, dass es Arthur war, aber auch jeder andere Ritter würde wohl genügen.   „Merlin.“ Die Stimme kam dem jungen Zauberer bekannt vor, aber er brauchte eine Sekunde, um sie wirklich einordnen zu können. Sofort war er wieder halbwegs bei Bewusstsein und hatte sich sogar auf seinen Ellbogen gestützt, um den Ritter in die Augen sehen zu können. Es war deutlich zu spüren, dass Merlin nicht begeistert war, dass ausgerechnet Mordred ihn gefunden hatte. Er vertraute den Jungen nicht. „Wie geht es dir?“, kam jedoch die Frage, ohne das Mordred auf die offensichtliche Feindlichkeit einging. Er war es mittlerweile gewohnt, von Merlin mit diesem Blick bedacht zu werden, obwohl es ihn jedes Mal aufs Neue verletzte. Er schaute zu Emrys auf, hatte ihn schon immer verehrt und alles was er sich wünschte, war Akzeptanz von seinem großen Idol. Aus irgendeinem bestimmten Grund schien ihm das aber verwehrt zu bleiben. So hatte er sich inzwischen damit abgefunden, von Merlin so behandelt zu werden.   Merlin ließ sich wieder auf den Boden nieder, war das Abstützen schon fast zu anstrengend. Die Schmerzen waren nicht wirklich abgeklungen und Merlin bezweifelte, dass er diese Sache überleben würde, wenn er dieses Armband nicht bald los wurde. Eine Antwort blieb er dem jungen Ritter schuldig, sodass dieser näher gekommen war und seine Hand auf Merlins Brust legte. „Was ist passiert?“ Mordred konnte es sich denken, denn sicherlich hatte Merlin sich dieses Armband nicht selber umgelegt. Morgana!   Auch dieses Mal reagierte Merlin nicht auf die Worte von Mordred, sondern wandte seinen Blick ab, indem er seinen Kopf in die andere Richtung drehte. Dieses Mal aber eher, weil er sich schämte. Ohne dass er sich hatte wehren können, hatte Morgana ihn gefangen genommen, gefoltert und fast getötet. Dabei sollte er der mächtigste Zauberer sein, der je auf der Welt gewandelt war. „Ich bin nicht dein Feind, Merlin.“ Mordreds Stimme war leise, klang fast schon traurig. „Gaius hat mich geschickt, um dich zu suchen. Ich bin nur hier, um dir zu helfen.“   Bei der Erwähnung seines Ziehvaters wandte sich Merlin wieder an den Ritter. Gaius hatte ihn geschickt? Der Hofarzt wusste doch, wie Merlins Meinung zu dem Druidenjungen war. Merlin vertraute ihm nicht oder eher fiel es ihm schwer, nicht jedes Mal, wenn er Mordred ansah, an die Bilder in seinem Kopf zu denken, wo eben jener Arthur kaltblütig ein Schwert in den Körper rammte. Auch wenn er vielleicht Arthur jetzt treu war, würde er irgendwann auf diesem Feld stehen und das Schicksal seines Königs besiegeln.   Trotzdem wollte Merlin dem Jungen in diesem Moment eine Chance geben, besonders da ihm keine andere Wahl blieb. Wenn Mordred ihm nicht half, würde er hier wohl sterben. „Morgana“, bestätigte er also die Vermutung des Druiden.   Die Hand von Mordred wanderte von Merlins Brust zu seinem Handgelenk. „Sie hat dich gefoltert“, stellte er nüchtern fest. Keinerlei Emotion schwang in seiner Stimme mit, auch wenn er großen Hass verspürte. Morgana sah einfach nicht, dass sie den falschen Weg eingeschlagen hatte. Außerdem war es unverzeihbar den großen Emrys solche Schmerzen zugefügt zu haben. „Was wollte sie wissen?“   „Nichts. Sie wollte, dass ich mich vor ihr fürchte.“   Mordred nickte verstehend. „Aber das ist ihr nicht gelungen.“ Dazu sagte Merlin nichts. So gerne er da zugestimmt hätte, war er sich nicht sicher, ob es wirklich der Wahrheit entsprach. Nicht, dass er vor Morgana nun davon laufen würde beim nächsten Treffen, aber sie hatte einen wunden Punkt bei Merlin getroffen. Seine Magie war seine Stärke und diese zu verlieren war hart und noch schlimmer war es, wenn die eigenen Kräfte sich gegen sich selber richteten.   Mordred versuchte den Blick von Merlin zu deuten, da er anscheinend nicht reden wollte. Er schluckte schwer, als er den Schmerz in den hellen Blau erkannte. „Ich verstehe.“ Und er tat es wirklich. Auch wenn Mordred seine Kräfte nicht wirklich regelmäßig einsetzte, da er sich genau wie Merlin verstecken musste, konnte er sich nicht vorstellen, wie schrecklich es sein musste, diese zu verlieren. „Wir müssen den Armreif loswerden.“   „Ich habe es bereits versucht“, gab Merlin ehrlich zu und wollte sich wieder aufsetzen. Er hatte es satt, auf den Boden zu liegen und zu Mordred aufsehen zu müssen. Das machte die Situation nicht angenehmer. Da Mordred merkte, dass man Merlin von diesem Vorhaben nicht wirklich abhalten konnte, half er dem Zauberer, sich aufzusetzen und sich schließlich gegen einen Baum zu lehnen. Das schmerzvolle Stöhnen, was von Merlin kam, ließ der Ritter unkommentiert.   Mordred setzte sich neben den Verletzten und schaute eine ganze Weile auf das silberne Schmuckstück. „Wenn ich mich nicht irre, handelt es sich um den Armreif von Akathen“, fing er an zu erzählen. „Er wurde in den alten Tagen benutzt, um Zauberer zu bestrafen, die ihre Kräfte missbraucht hatten. Je mehr Magie sie einsetzten, umso schwächer wurden sie. Irgendwann starben sie an den Schmerzen ihrer eigenen zugefügten inneren Wunden.“   Merlin nickte, obwohl es sich alles Andere als gut anhörte. Mit so etwas hatte er schon gerechnet und er befürchtete, dass es wohl schneller der Fall sein würde, als ihm lieb war. Sein Brust hob und senkte sich schwerfällig, hatte er Mühe gleichmäßig zu atmen. „Wie-“, fing er an, brach aber wieder ab, da er nicht die Kraft hatte, weiter zu sprechen. Modred würde schon verstehen und das tat er auch. Besorgt richtete er seinen Blick zu Boden. „Die Geschichten sagen, dass man es nicht abnehmen kann, bevor der Zauberer, der bestraft werden soll, tot ist.“   Erneut nickte Merlin. Das waren gute Aussichten. Nun wusste er, was zu tun war. „Bringst du mich zurück nach Camelot?“, fragte er seinen Retter und vergaß für diesen Moment, dass er sich Mordred so vollkommen auslieferte. Nun war es auch nicht mehr wichtig.   „Merlin?“   Er wollte nicht hier in diesem Wald sterben. Wenn er die Chance haben könnte, wollte er sich wenigstens noch verabschieden. Und bis Camelot war es sicherlich nicht so weit. Mit Mordreds Hilfe würde er bestimmt noch rechtzeitig ankommen. „Bitte?“, fügte er noch an. Mordred machte sich nicht gerade beliebter, indem er ihm diesen Wunsch verwehrte. Was machte es für den Ritter für einen Unterschied, ob Merlin jetzt hier starb oder in Camelot? Befürchtete er, dass er Arthur noch etwas über Mordred verraten könnte. Merlin war sich immer noch nicht sicher, ob der Druidenjunge von Anfang an etwas geplant hatte. Vielleicht hatte er Angst, dass es nun ans Licht kommen könnte.   Mordred schüttelte den Kopf, da er nicht akzeptieren wollte, wie die Lage aussah. „Ich kann dich nicht sterben lassen, Emrys.“ Schon seit seinen Kindertagen hatte er die Geschichten des großen Zauberers Emrys gehört und von klein auf seine Hoffnungen in ihn gelegt, hatte von den Tagen geträumt, wo er mithilfe von König Arthur die neuen und alten Wege vereinen würde. Das konnte nicht jetzt einfach so plötzlich vorbei sein.   „Du kannst nichts tun, Mordred.“ Merlins Stimme war kalt, aber nicht nur, weil es sich um Modred handelte, der hier bei ihm saß, sondern auch wegen der ganzen Situation. Merlin hatte versagt, würde seine Aufgabe, sein Schicksal, nicht fortführen können. Arthur würde Morgana schutzlos ausgeliefert sein, mit einem weiteren Verräter in seinen Reihen. Der junge Zauberer wollte gar nicht daran denken, was passieren würde. Er musste auf jeden Fall zurück, sich bei Arthur entschuldigen, dass er ihn einfach im Stich ließ und wenn Mordred ihm nicht helfen wollte, würde er den Weg alleine bestreiten. So zog Merlin seine Beine an, stützte sich mit der rechten Hand auf den Boden ab und rappelte sich mit einem Schwung auf die Beine. Sofort hielt er sich an dem Baum fest, an den er zuvor noch gelehnt hatte. Kurz drehte sich die Umgebung um ihn herum, bevor sie wieder still stand und Merlin bereit für die Heimreise war. Er wandte sich von Mordred ab. „Vertraust du mir?“ Diese plötzliche Frage ließ Merlin sich wieder umdrehen. Mit so etwas hatte er nicht gerechnet. Kein Wort kam über seine Lippen, denn ihm war nur zu gut bewusst, dass Mordred die Antwort sowieso nicht gefallen hätte. „Ich habe eine Idee“, sprach er weiter. „Allerdings musst du mir dafür dein Vertrauen schenken.“   Merlin sah ihn einfach nur an, versuchte herauszufinden, ob es sich um eine Falle handelte oder ob der junge Ritter es wirklich ernst meinte. Aber selbst wenn, Merlin würde es schwer fallen, ihm zu vertrauen. Jedes Mal sah er das Bild aus der Prophezeiung. Jedes Mal und er konnte es einfach nicht abstellen. Mordred würde böse werden, wenn er es nicht schon war und Arthur töten. „Mordred“, kam es ihm schließlich über seine Lippen in Ermangelung irgendwelcher passenden Worte.   „Ich weiß, dass du mir aus irgendeinem Grund misstraust, Merlin. Ich bin nicht blind.“ Mordreds Blick war fest auf Merlin gerichtet, wollte er keine Schwäche zeigen, wollte er nicht zeigen, wie sehr es ihn doch verletzte. „Aber ich bin vermutlich der Einzige, der dir in dieser Situation helfen kann.“   „Und wie?“   „Der Reif speichert die Magie für einen winzigen Augenblick und schickt sie dann zurück durch deinen Körper.“   Merlin nickte. Das hatte er in den letzten Stunden oft genug erlebt. Er verkniff sich jedoch einen bissigen Kommentar dazu und wartete einfach darauf, dass Mordred mit seinen Erklärungen fortfuhr. „Wenn also zu viel Magie auf einmal in den Armreif gegeben wird, wäre es möglich, dass es zerbricht.“   Die Worte ließ sich Merlin zuerst einmal durch den Kopf gehen. Wie es klang, schien sich der Druide nicht sicher zu sein und es war wohl nur eine Vermutung. Also gab es eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass dieser Plan auch nach hinten losging. Morgana hatte immer wieder Zauber auf ihn gerichtet und das Armband hatte sich kein einziges Mal beschwert. Irgendwie bezweifelte Merlin, dass dies klappen könnte. „Möglich?“, hakte er noch einmal nach, um ganz sicher zu gehen, dass er den Jungen richtig verstanden hatte.   Zaghaft nickte Mordred. „Es ist nur eine Vermutung und es wäre möglich, dass ich Euch damit umbringe.“ Merlin wusste, was passierte, wenn es schief ging. Unglaubliche Schmerzen und in seinem Zustand dann der Tod als Folge. „Aber Ihr habt nichts zu verlieren, oder?“   Nein, nicht wirklich. Entweder starb Merlin nun hier bei dem Versuch, sich zu retten, oder er starb in Camelot. In diesem Moment fiel ihm etwas auf. Mordred war sehr erpicht darauf gewesen, dass er nicht zurück kehrte. Erst hatte er vermutet, dass es zum Selbstschutz war, aber was wäre, wenn es doch noch eine andere Möglichkeit gäbe, den Armreif loszuwerden und Mordred befürchtete, dass Gaius vielleicht davon Kenntnis haben könnte. Der Ritter hatte wirklich Recht gehabt, Merlin müsste ihn in dieser Situation vertrauen und genau da lag das Problem. Er tat es nicht.   Da Merlin immer noch ruhig war, versuchte Mordred es erneut, ihn zu überzeugen: „Ich kann mir vorstellen, dass ihr Euch unsicher seid. Morgana hat sicherlich starke Zauber angewandt, aber der Armreif ist so konzipiert, dass er das aushalten muss. Schließlich wurde er zur Selbstbestrafung entwickelt. Wenn wir allerdings gleichzeitig unsere Kräfte einsetzen, bin ich davon überzeugt, dass es funktionieren könnte.“   Zusammen? Merlin war schwach, mehr als schwach. Er bezweifelte, dass er einen starken Zauber auf die Reihe kriegen könnte. Vielleicht, wenn er alle seine verbliebenen Kräfte einsetzte, könnte er es schaffen, aber es war ausgeschlossen, dass er es hinkriegen würde, wenn er erst den Weg nach Camelot auf sich nahm, um sicher zu gehen, dass Mordred die Wahrheit sprach. So musste er sich hier und jetzt entscheiden. Riskieren zu Sterben mit der Chance auf Leben oder Vorsicht walten lassen mit der möglichen Konsequenz des Todes?   Es war eine Frage des Vertrauens, wie Mordred vorhin gesagt hatte. Entweder er vertraute dem Jungen jetzt, ging dabei ein Risiko ein, oder er misstraute ihm und begab sich damit auch in Gefahr. Jede Variante schien ihr Wagnis zu haben. Allerdings hatte Merlin nicht die leiseste Ahnung, welche er wählen sollte.   „Beantworte mir eine Frage. Offen und ehrlich.“   Mordred nickte. „Natürlich!“   „Wieso bist du hier? Du dienst Arthur, nicht Gaius oder gar mir.“ Merlin verstand nicht, wieso er dies machte. Arthur zu beschützen war Teil seiner Pflicht als Ritter, aber Merlin war nur ein Diener, nicht viel mehr.   Mordred seufzte. Verstand Merlin es etwa immer noch nicht? Wie wichtig er war? Manchmal hatte Mordred das Gefühl, dass Merlin nicht sah, was für eine entscheidende Rolle er für die Zukunft für Albion spielte. Es war nicht nur die Tatsache, dass er Arthur vor Gefahren beschützte, nein, es war viel mehr. „Du bist wichtig, Merlin. Ich achte dich für deinen Mut und deine Loyalität zu Arthur. Ich wünschte, ich könnte so selbstlos sein wie du es bist, wenn es um den König geht.“ Zwar hatte Mordred sich schon einige Male für den König eingesetzt, aber da es sozusagen zu seinen Pflichten gehörte, schien es nicht so viel wert zu sein. „Ich habe schon immer zu dir aufgesehen und als Gaius mir berichtete, dass Morgana dein Geheimnis kennt, wusste ich, dass ich keine Zeit verlieren darf. Ihr seid zu kostbar, dass Camelot auf euch verzichten könnte.“   Alles Worte, die man von einem Druiden erwarten würde. Ein Junge, der den großen Emrys bewunderte. Trotzdem konnte Merlin sich nicht dazu durchringen, diese Worte ernst zu nehmen. Es fiel ihm einfach schwer die Tatsache zu akzeptieren, dass Mordred vielleicht doch auf ihrer Seite stand. Der große Drache hatte Merlin nun schon so häufig vor dem Jungen gewarnt und er vertraute Kilgharrah. Mordred würde Arthurs Untergang sein.   Jetzt stellte sich die Frage, wie Merlin das am Besten verhindern konnte. Mit welcher Variante hatte er mehr Chancen auf ein Überleben? Nach Camelot zu reisen würde anstrengend werden, selbst wenn Mordred sich dazu entschließen sollte, ihm zu helfen. Vielleicht wäre er schon halb tot, wenn er dort ankam und selbst wenn es dann noch einen weiteren Weg gäbe, wäre es fraglich, ob es noch funktionieren würde. „Lass es uns versuchen“, entschied er sich deshalb für die riskantere Methode.   Mordreds Miene hellte sich sichtlich auf. „Du vertraust mir also?“ Seine Stimme war voller Hoffnung, aber Merlin sagte darauf nichts. Er konnte diese Frage nicht beantworten, ohne sich einen Feind zu machen, allerdings drückte sein Blick alles aus, damit der Ritter verstand. Es hatte sich rein gar nichts verändert. Vermutlich würde es das nie.   Trotzdem würde er deswegen nun nicht seine Hilfe verweigern. Es wäre egoistisch und kindisch. Und es würde nur noch mehr zerstören. So legte er seine Hand auf das silberne Schmuckstück. „Ich weiß nicht, wie viele Schmerzen es dir bereiten wird und ich möchte mich im Vorfeld dafür schon entschuldigen.“ Mordred blickte zu Merlin auf und zeigte ihm mit seinem Blick, wie leid es ihm tat. Vermutlich wusste er, dass es schmerzen würde, auch wenn er sich so vage ausgedrückt hatte. „Benutz den stärksten Zauber, den du kennst und zu dem du in der Lage bist“, ordnete er an. Merlin nickte nur, versuchte nun bereits seine ganze Kraft auf den Zauber zu lenken, den er gleich sprechen würde. „Bereit? Eins, zwei, drei.“   Gleichzeitig sprachen sie beide ihren Zauber auf. Unverzüglich sah Merlin, wie der Armreif aufleuchtete, heller als er es bisher gesehen hatte. Die Kraft sammelte sich in dem Schmuckstück, das konnte der junge Zauberer deutlich spüren. Angst durchflutete ihn, erwartete er bereits die Schmerzen, die darauf immer gefolgt waren, aber diese blieben aus. Für einen kurzen Moment glaubte Merlin wirklich, dass es funktioniert hatte, als das Licht immer heller wurde, bis es so grell war, dass er seinen Kopf wegdrehen musste. Im nächsten Moment spürte er nur noch eine gewaltige Druckwelle, unter der er seinen festen Stand verlor und durch die Luft flog.   * * *   „Merlin? Merlin?“ Mordred kniete neben den Zauberer. Mit so einer gewaltigen Explosion hatte der junge Ritter nicht gerechnet. Das Leuchten war immer stärker geworden, bis das Armband die Magie wieder abgegeben hatte, dieses Mal nicht nach innen, sondern durch die Überlastung nach außen. Eine Explosion von reiner Magie, die sie Beide von den Füßen gehauen hatte. Für einen kurzen Moment war selbst Mordred besinnungslos gewesen. Als er wieder zu sich gekommen war, hatte er Merlin ein paar Meter weiter entdeckt, regungslos am Boden liegend. Er schüttelte den Diener vom König an der Schulter, erst sanft, dann ein wenig fester, als er nicht reagierte. Merlin lebte, so viel stand fest, er atmete und das Armband lag zerbrochen neben ihn. Die Gefahr war vorbei, so hoffte Mordred zumindest. Merlin hatte dennoch einiges mitgemacht und vielleicht war es für seinen Körper einfach zu viel gewesen.   Da er immer noch nicht reagierte, schnappte sich Mordred einen Arm und hievte ihn mit einem Ruck auf seinen Rücken. So machte er sich mit dem verletzten Merlin auf den Rückweg nach Camelot, damit Gaius ihn sich ansehen konnte. Mit jedem Schritt wurde die Last schwerer, aber irgendwie schaffte der Ritter es, wieder im Schloss anzukommen. Mittlerweile war es später Abend, sodass sie auch nicht vielen Leuten auf den Weg zu dem Schloss begegneten. Einige Wachen boten ihre Hilfe an, aber außer dass Mordred einen vorschickte, um Gaius Bescheid zu sagen, dass er mit einem Verletzten kam, lehnte er die restliche Hilfe dankend ab.   Als er in der Kammer des Hofarztes ankam, befahl er ihn direkt, Merlin auf die Liege zu legen. Mordred tat wie geheißen und trat daraufhin einen Schritt zurück, damit der alte Mann seiner Arbeit nachgehen konnte. Mordred konnte nicht anders, als Gaius zu bewundern. Auch wenn es sein Ziehsohn war, der dort lag, ging er mit einer Professionalität an die Untersuchung als ob es irgendjemand aus dem einfachen Volk wäre. Keine Sekunde ließ er sich von seiner eigenen Sorge übermannen. „Was ist passiert?“, fragte er, während er Merlin untersuchte.   Kurz blickte sich Mordred in den Raum um, um sicher zu gehen, dass keiner da war, der lauschen könnte. „Morgana, wie Ihr befürchtet hattet. Sie hat ihn gefoltert mit einem magischen Armreif.“ Kurz zeigte er dem Hofarzt die Reste, die von dem Artefakt noch übrig waren. „Wir mussten es mit Gewalt entfernen und seitdem ist er nicht mehr aufgewacht.“ Gaius nickte, um zu signalisieren, dass er verstanden hatte. „Der Armreif von Akhaten?“, fragte er noch nach, da ihm das Artefakt bekannt vorkam. Uther hatte jahrelang im Geheimen nach diesem Armreif gesucht. Es wäre eine gute Waffe gewesen. „Wie habt ihr es entfernen können?“ Gaius wusste, dass es nur abfiel, wenn der Zauberer tot war.   „Mit vereinten Kräften“, berichtete Mordred und blickte zu Boden. „Wird er es schaffen?“ Der Druide fühlte sich schuldig. Auch wenn er wusste, dass es keinen anderen Weg gegeben hätte, hatte er dennoch das Gefühl, dass er zum Teil daran schuld war, dass Merlin nun hier lag. „Ich kann erst etwas Genaueres sagen, wenn er aufwacht“, antwortete Gaius nüchtern, aber man merkte deutlich, dass er sich Sorgen um seinen Ziehsohn machte. „Seine Verletzungen liegen im Inneren seines Körpers. Wir können nur hoffen, dass seine Magie ihn heilt.“ Mordred nickte. Mit einem letzten Blick auf den Verwundeten trat er zurück. „Ich werde Euch jetzt alleine lassen.“ Seine Aufgabe war erfüllt. Er sollte Merlin suchen und er hatte ihn zurück nach Hause gebracht. Außerdem glaubte der Ritter nicht, dass Merlin ihn sehen wollte, wenn er aufwachte.   „Mordred.“ Der Angesprochene drehte sich um. Es war nicht die Stimme des Heilers, sondern die von Merlin. Erleichtert, dass er wieder aufgewacht war, lächelte Mordred ihn an. „Vielen Dank, Mordred.“ Es war nur ein Flüstern, aber für den jungen Mann genügte es. Mehr hatte er nie gewollt. Auch wenn er wusste, dass es wohl eine einmalige Sache sein würde. Der Blick von Merlin hatte sich nämlich nicht geändert. Es lag immer noch dieses tiefe Misstrauen darin. Aber das hatte Mordred mittlerweile akzeptiert. „Gern geschehen, Emrys.“ Er deutete eine leichte Verbeugung an. „Eines Tages werde ich mir dein Vertrauen verdienen, Merlin.“ Weiterhin würde er Arthur und Merlin dienen, sie mit seinen Kräften beschützen, soweit es ihm möglich war. Und vielleicht würde Merlin ihn eines Tages dann mit anderen Augen sehen. Ihn anschauen und den Mann erkennen, der er wirklich war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)