Geister von Alaiya (Wenn Wege sich kreuzen) ================================================================================ Kapitel 2: Gewinner und Verlierer --------------------------------- „Roserade, Zauberblatt!“ Das Blumenpokémon sprang in die Luft und ließ bunte Blütenblätter auf den Boden regnen, die seinen Gegner erst verwirrten, ehe sie an Geschwindigkeit gewannen und zu gefährlichen Geschossen wurden. „Weich aus!“, rief der junge Trainer am anderen Ende der Kampffläche seinem Moukazaru zu, das sich daraufhin zu einem Ball zusammenrollte und so rollend auswich. Das Feuerpokémon schaffte es aus der Reichweite der Attacke zu kommen, wenngleich es einige Kratzer davontrug. Jedoch konnte es noch kämpfen, entrollte sich und sah mit entschlossenem Blick zu Natanes Roserade hinüber. „Jetzt, Moukazaru, setz' Flammenrad ein!“ Mit entschlossenem Blick sah der Trainer zu Natane hinüber, während sein Pokémon sich erneut einigelte und seinen Körper nun mit Flammen umhüllte. Eine brennende Spur hinterlassend rollte es über den grasbewachsenen Boden der Arena, ehe es als Flammenkugel auf Roserade traf, das zurückgeworfen wurde und am Boden liegen blieb. „Roserade, zurück“, rief Natane und holte ihren Pokéball heraus, um ihr Pokémon zurückzurufen. „Du hast mich besiegt“, sagte sie dann zu dem Trainer und lächelte ihn an. Dieser schien selbst noch etwas überrascht. Dann jedoch stieß er die Hand in die Luft. „Juhu!“ Damit stürmte er zu seinem Moukazaru hinüber und fiel ihm um den Hals. „Danke, Partner.“ Das Pokémon gab einen zufriedenen Laut von sich. „Du hast deine Pokémon gut trainiert“, meinte Natane nun zu ihm, während er aufstand und sie angrinste. Die junge Frau ging auf ihm zu und holte ihren Orden aus ihrer Tasche heraus. „Damit hast du dir das hier verdient.“ Der Junge hielt die kleine Plakette ehrfürchtig in der Hand. „Danke“, begann er leise. Es dauerte einen Moment, ehe er auf einmal in Jubel ausbrach. „Juhu! Mein zweiter Orden!“ Während das Kind kurz darauf die Arena verließ, sah Natane zu der rothaarigen Frau, die während des ganzen Kampfes am Rand der Arena gesessen war, und dabei erstaunlich gelangweilt ausgesehen hatte. Ein Teil von Natane wollte sich darüber beschweren – immerhin waren ihre Kämpfe nicht langweilig! - doch sie hielt sich zurück. „Und? Was sagst du?“, fragte sie stattdessen freundlich. „Du hättest gewinnen können“, erwiderte Ran ausdruckslos. Natane seufzte. Sie war ohnehin ratlos, was sie mit der anderen Frau machen sollte. Es war mittlerweile acht Tage her, dass sie sie gefunden hatte, und mittlerweile war sie wieder auf den Beinen, wenngleich die Joy der Stadt gesagt hatte, dass sie sich noch schonen sollte. Hätte sie nicht darauf bestanden, so wäre Ran wahrscheinlich schon verschwunden, denn selbst sie konnte sehen, dass diese sich unwohl fühlte. Sie rechnete fast damit, dass Ran irgendwann einfach verschwinden würde. Etwas, das sie an sich wenig stören sollte, immerhin war ihr Haus keine Unterkunft, doch ein Problem gab es dabei: Natane fühlte sich für Ran verantwortlich. Sie wusste, dass es dafür keinen wirklichen Grund gab – immerhin war Ran eine erwachsene Frau und hatte mit ihr wenig zu tun, aber sie konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass es falsch wäre, sie wegzuschicken. Vielleicht war es auch nur ihre eigene Neugierde, sagte sie sich. Denn sie wusste noch immer nichts über diese Frau, obwohl sie sich sicher war, dass es einiges zu wissen gäbe. Wer war Ran und wie war sie in die alte Villa gekommen? Wo kam sie überhaupt her? „Wieso meinst du das?“, fragte sie. „Dein Roserade war noch nicht wirklich besiegt.“ Ran sah sie mit leeren Augen an. „Es war stärker, als sein Gegner. Du hättest gewinnen können.“ Natane zuckte mit den Schultern. „Aber darum geht es nicht.“ „Wie kann es bei einem Kampf um was anderes gehen?“ Bei diesen Worten klang Ran tatsächlich etwas gereizt, wodurch sie mehr Emotionen zeigte, als je in den vergangenen Tagen. „Du hast nie eine Liga herausgefordert, oder?“, fragte Natane nun und legte den Kopf schief, während sie die andere ansah. Ran reagierte zuerst nicht auf die Frage, was Natane mittlerweile nicht verwunderte, wenngleich es sie dennoch ärgerte, da sie es nicht mochte, wenn ihre Fragen scheinbar ignoriert wurden. Sie hielt sich jedoch – erneut – zurück und wollte fortfahren, als die andere Frau doch etwas erwiderte. „Nein.“ „Was?“ Überrascht von der Antwort hatte die Arenaleiterin beinahe vergessen, was ihre eigene Frage gewesen war. Doch Ran sagte nichts mehr. Als die Überraschung nachließ, kam es Natane wieder in den Sinn. „Ach so.“ Sie grinste etwas und stemmte nun wichtigtuerisch die Hände in die Hüften. „Dann kannst du es natürlich nicht verstehen.“ Mit belehrendem Tonfall fuhr sie fort: „Wir Arenaleiter kämpfen nicht, um zu gewinnen, sondern um die Fähigkeiten der Trainer zu prüfen. Immerhin haben die meisten Trainer, die uns herausfordern, nur wenige Wochen bis hin zu ein paar Monaten Erfahrung. Natürlich sind wir ihnen überlegen. Doch nur, weil wir sie besiegen können, heißt das nicht, dass sie den Orden nicht verdienen. Es geht darum, wie gut ein Trainer seine Pokémon trainiert hat, wie taktisch er denkt und wie schnell er reagiert. Davon machen wir es abhängig, ob sie der Orden und damit am Ende auch der Ligaherausforderung würdig sind.“ Die andere Frau reagierte kaum auf ihre Worte, so dass es nicht einmal deutlich war, ob sie zuhörte. Sich ein Seufzen verkneifend, sprach Natane weiter: „Daher passen wir das Level der Herausforderung der Erfahrung des Trainers an. Sonst würden diese ohnehin keine Chance haben.“ Bei diesen Worten setzte sie einen äußert zufriedenen Gesichtsausdruck auf. Immerhin war sie schon seit gut vier Jahren Arenaleiterin. Dabei verdrängte sie den Gedanken daran, dass sie sich am Anfang, in der Zeit kurz nachdem die Arena aufgemacht hatte, des öfteren hatte hinreißen lassen, auch würdige Trainer zu besiegen, da sie es eigentlich nicht mochte, zu verlieren. Doch wer verlor schon gerne? Als Ran immer noch nicht reagierte, spürte Natane einen kleinen Stich. Sie konnte es wirklich nicht leiden ignoriert zu werden. „Aber wie kann jemand, der nicht gewinnen kann, würdig für irgendetwas sein?“, fragte Ran mit trotzigem Unterton. „Weil Stärke und gewinnen nicht unbedingt miteinander zu tun haben“, entgegnete Natane nun etwas ungehalten. „Selbst der stärkste Trainer wird ab und an auch einmal besiegt. Manchmal sogar von jemanden, der Schwächer ist, als er selbst. Ist er deswegen nicht mehr stark?“ Wieder antwortete Ran nicht, doch nun sprachen ihre Augen Bände, auch wenn sie die Arenaleiterin nicht direkt ansah. „Willst du mir sagen, dass du noch nie einen Kampf verloren hast?“, fragte diese. Der Ausdruck in Rans Augen wurde noch finsterer und zum ersten Mal, seit sie das Gespräch begonnen hatten, sah sie Natane direkt an. Für einen Moment schreckte die Arenaleiterin zurück, doch dann war es ihre aufgestaute Wut, die nun die Oberhand gewann. „Du kannst mir nicht erzählen, dass du nie einen Kampf verloren hast. Also wer bist du, dass du darüber urteilen kannst?“ „Das geht dich nichts an!“, erwiderte Ran mit eisiger Stimme. „Ach ja?“, fuhr Natane sie an. „Darf ich nicht einmal erfahren, wen ich bei mir im Haus unterbringe?“ „Darum habe ich dich nicht gebeten.“ Nun war Rans Stimme bestimmend und ihre Augen kalt, beinahe herablassend. „Aber...“, setzte die Arenaleiterin an, brach jedoch ab, da ihr klar wurde, dass es kaum etwas gab, was sie wirklich erwidern konnte. Dennoch war sie nicht bereit einfach so nachzugeben. „Wenn du glaubst, so gut darüber urteilen zu können, wieso kämpfst du dann nicht eine Runde gegen mich? Ein eins gegen eins Kampf? Was sagst du?“ Ran, die bisher noch immer auf dem Boden gesessen hatte stand auf. „Ich kämpfe nicht mehr“, sagte sie nur, wobei ihre Stimme wieder vollkommen bar jeder Emotion war. „Nie mehr.“ Ohne auf eine Antwort zu warten ging sie an Natane vorbei und verließ die Arena durch die Eingangstür. Noch immer wütend sah die Leiterin ihr hinterher, ohne Anstalten zu machen, ihr zu folgen. Dabei war sie sich nicht einmal wirklich sicher, warum sie genau sauer war. War es, wegen Rans allgemein abweisender Haltung, oder, wegen ihrer Einstellung zu Kämpfen? Natane konnte es nicht genau sagen. Sie wusste nur das sie sauer war. War es wirklich zu viel verlangt, etwas zu erfahren? Was konnte daran so schlimm sein? Immerhin wollte sie Ran nicht ausspionieren – sie machte sich nur Sorgen. Denn auch ohne genaueres zu wissen, war ihr klar, dass Ran ihr leid tat. Denn etwas war geschehen, dass diese sehr verletzt hatte und was irgendwie dazu beigetragen, dass sie verletzt in der Villa gelegen war. War es so unverständlich, dass sie mehr wissen wollte? Doch warum bestand diese Frau so sehr darauf, dass Schwäche gänzliches Versagen bedeutete und nur Sieger stark sein durften? Natane hatte solche Worte des öfteren von erbitterten Trainern gehört – gerade von solchen, die einmal bereits an einer Liga gescheitert waren. Doch wie eine solche kam Ran ihr nicht vor. Sie seufzte. Wenn sie ihr jetzt nicht folgte, wurde Ran nicht zurückkommen. Das wusste sie. Und noch immer fühlte sie sich verantwortlich. „Verdammt“, murmelte sie, sauer auf sich selbst und lief raschen Schrittes los, um ebenfalls die Arena zu verlassen. Zum Glück konnte Ran nur in eine Richtung gelaufen sein, da die Arena am Ende einer Straße gelegen war. Wenn Natane sich beeilte, würde sie die Frau einholen, denn allzu weit konnte sie noch nicht gekommen sein. Mit diesem Gedanken fest im Kopf lief sie los, auch wenn sie nicht ganz sicher war, in welche Richtung sie sich am Ende der Straße wenden sollte. Wohin könnte Ran gegangen sein? Zurück in den Wald wohl eher nicht. Doch wohin dann? Bevor sie sich diese Frage beantworten konnte, prallte sie auf etwas hartes und fiel zu Boden. „Autsch“, wimmerte sie leise und erkannte erst jetzt, dass sie mit einem wesentlich jüngeren Mädchen von vielleicht zehn oder elf Jahren zusammen gestoßen war, das nun, samt ihres Fahrrads, auf dem Boden lag. „Tut mir leid“, entschuldigte Natane sich sofort. Das Mädchen, dessen langes Haar mit einem roten Haarband zurückgehalten wurde, reagierte jedoch nicht, sondern sah die Hauptstraße von Hakutai City hinab. „Alles in Ordnung?“, fragte Natane vorsichtig, während sie sich selbst wieder aufrichtete. Das Mädchen sah sie mit glasigen Augen an. „Hey, ist alles in Ordnung mit dir?“ Langsam wurde die Arenaleiterin besorgt. „Diese Frau...“, begann das Mädchen langsam. „Hast du etwa Ran gesehen?“, fragte Natane. Sie zögerte. Natürlich konnte das Mädchen nicht wissen, wer Ran war. „Eine Frau. Etwa mein Alter. Lange rote Haare.“ Langsam nickte das Mädchen. „Ja... Rote Haare...“ Für einen Moment schloss es die Augen. „Diese Frau gehörte damals zu den Leuten, die meinen Papa im Kraftwerk festgehalten haben...“ Verwirrt sah Natane das Mädchen an. „Was?“ „Das Kraftwerk im Tal“, erwiderte dieses Geistesabwesend. „Vor drei Jahren haben die Leite vom Ginga-dan es besetzt.“ Langsam nickte die Arenaleiterin. Sie konnte sich noch an den Vorfall mit dem Ginga-dan, das damals von einer Gruppe Trainer und der damaligen Champion Shirona besiegt worden war, erinnern. Und als sie nun darüber nachdachte, kam auch die Erinnerung daran, dass diese ganz zu Anfang, als man noch wenig von ihnen gehört hatte, das Kraftwerk in der Nähe von Sono Town besetzt hatten. „Ja, ich erinnere mich“, erwiderte sie vorsichtig. „Aber... Das Ginga-dan wurde damals besiegt.“ „Sie haben damals meinen Papa entführt und dort gefangen gehalten“, fuhr das Mädchen fort, ohne auf Natanes letzten Einwurf zu achten. „Und diese Frau... Sie... Sie war eine von ihnen. Sie... Sie haben sie damals Mars genannt.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)