Schneeketten von Hotepneith (Der 23. Fall Lord Sesshoumarus) ================================================================================ Kapitel 4: Lady Yaoko --------------------- Yaoko, also. Seine eisige Lordschaft nickte der Dienerin nur zu, damit sie ihn anmeldete. Diese Letzte der Schneefrauen würde er schon auch noch überstehen. Nur Frauen – die Krieger waren ja wohl kaum seiner Beachtung würdig, wenn es diese armseligen Dämonen geschafft hatten, sich von den yuki onna verhexen zu lassen. Aber nun gut. Wenn auch dieses Gespräch nichts brachte, würde er den männlichen Schlossbewohnern doch noch Aufmerksamkeit schenken müssen. Sakura oder wenigstens dieser menschliche Leutnant waren weit. Alles musste er selbst erledigen, wie überaus lästig. Er nahm sich fest vor, in weiter Zukunft möglichst nie ohne Diener auszukommen. Irgendjemand musste einem doch diese unbequemen Arbeiten abnehmen können.... „Oh, Lord Sesshoumaru, ich lasse ihn bitten....“ erwiderte im Zimmer die jüngste der Schwestern und ihm wurde die Tür geöffnet. Na schön. Während er kaum sichtbar den Kopf neigte, bemerkte er wenig begeistert, dass Raum und Schwester praktisch identisch mit allen anderen waren. Wieder war nur der Hauch eines Geruches anders. Yaoko senkte den Kopf: „Willkommen, werter Überraschungsgast.“ „Kaum überraschend.“ „Ich habe Yukiko von dem Brief an den Inu no Taishou abgeraten,“ gestand sie: „Nach...nun, nach seinem Besuch habe ich kaum erwartet, dass er sich hier noch einmal sehen lassen würde, oder sich auch nur für unsere....Anliegen interessiert. Bitte, nehmt doch Platz.“ Da half nun nichts, er musste da durch. So setzte er sich: „Ihr besitzt Eure Kette noch, Lady Yaoko.“ „Ja. Wie auch Yukiko. Wir tragen sie beide stets, so dürfte ein Diebstahl unmöglich sein.“ „Würdet Ihr sie mir zeigen?“ Er hatte nie zuvor eine Schneefrau so entgeistert gesehen. Was hatte sie denn? „Nun?“ „Äh...“ Die junge Dame suchte sichtbar nach Worten, die Hand an die Brust gelegt: „Ich...ja, ich zeige sie Euch, natürlich. Aber.....würdet Ihr bitte Euch abwenden?“ Ach ja, sie trug sie wohl unter dem Kimono und hatte Sorge, sein Blick könne sich in ihren Ausschnitt verirren. Wie albern. Was interessierte ihn denn das Dekolletee einer yuki onna oder überhaupt einer Frau? Yukiko hatte sich auch nicht so lächerlich angestellt, als sie ihm die ihre gezeigt hatte. Sie hatte ja auch kaum den Stoff auseinander ziehen müssen. Aber nun gut. Er sollte ja höflich bleiben. So wandte er mehr als betont den Kopf und fixierte die Schneewand des Zimmers. Er hörte das leise Rascheln von Stoff, ein seltsames Klirren, ehe sie deutlich ruhiger meinte: „Hier, bitte, Lord Sesshoumaru.“ Er betrachtete die Kette in ihrer Hand. Es handelte sich um eine Aneinanderreihung weißer Korallenteile, jeweils eines länglich geformt, eines zu verschiedenen Ausformungen von Schneekristallen verarbeitet. Vermutlich aufwendig in der Herstellung. Nun ja, Frauen standen auf derartige Dinge, sogar seine eigene, ganz sicher nicht sonderlich romantisch veranlagte, Mutter trug regelmäßig die Kette, die Vater ihr zur Eheschließung geschenkt hatte. Und hier sollte ja sogar ein Zauber eingewoben sein. „Die fehlenden Ketten sehen sehr ähnlich aus?“ „Es sind fünf gleiche Ketten für fünf Schwestern. Nur die Form der Schneekristalle ändert sich etwas, je nach dem Zauber, der darauf liegt.“ „Lady Suzuki erwähnte, dass auf ihrer ihre besondere Fähigkeit eines Bannes liegt. Und auf der Euren?“ „Des Vergehens. Kälte und Schnee bringen viele Lebewesen um, Dämonen oder nicht.“ „Angenommen, jemand besäße alle fünf Ketten...“ „So könnte er sie zusammenfügen, ja“ „Das würde die eigene Magie verstärken.“ „Nur, wenn er sie bereits besitzt.“ „Also womöglich ein Dieb im Auftrag einer anderen yuki onna, die Euch und Euren Schwestern die Regentschaft streitig macht?“ „So habe ich es noch nicht gesehen, Lord Sesshoumaru, “ gab Lady Yaoko zu: „Natürlich sind meine Schwestern entsetzt gewesen bestohlen worden zu sein....Was ist Kichi?“ Das galt ihrer Dienerin, einem jungen Mädchen von kaum sechzehn Jahren, das sich verneigte. „Oh, ja, geh nur.“ Als Kichi den Raum verlassen hatte, meinte Yaoko: „Manchmal vergesse ich, wie kalt es Menschen hier vorkommt. Aber sie wärmen sich drüben in der Küche gleich wieder auf.“ „Eure Dienerin ist sehr jung.“ Selbst Sakura war älter gewesen, als er sie im Takaeda-Schloss zugeteilt bekommen hatte. „Sie ist die Jüngste hier, ja. Wenn es Euch meine Schwestern noch nicht gesagt haben: Schneefrauen verursachen Schneestürme, ja. Aber wir warnen auch Kinder vor ihnen. Wenn sie zu sterben drohen, nehmen wir Mädchen manchmal mit her, um sie zu unseren Dienerinnen auszubilden. Sie leben hier ruhiger und besser als in ihren Dörfern.“ „Sind die Krieger auch einer von Euch Schwestern zugeteilt?“ „Nein, wir teilen sie.“ Das klang vollkommen unbefangen, aber Seine Lordschaft spürte ein Prickeln im Kreuz, da er inzwischen ahnte, was sie meinte. Aber sich dann wegen der Kette so eigen schüchtern benehmen? „Selbstverständlich ist Euch kein Fremder aufgefallen?“ „Nein. Darum rätseln ja auch meine Schwestern so.“ „Ihr nicht?“ fragte er sofort. Lady Yaoko lächelte ein wenig: „Ihr seid aufmerksam. Ja, ich nicht. Ich habe alles, was ich möchte. Und wenn meine Schwestern, wie ja auch Yukiko, ihre Ketten stets getragen hätten, wäre kaum etwas geschehen.“ Hm. Waren sich die Fünf nicht immer einig? Auch die Anderen hatten zuvor ja schon erwähnt, dass es wohl hauptsächlich Yukiko gewesen war, die das Hilfsersuchen geschrieben und durchgesetzt hatte. Diese besaß ihre Kette aber noch. Unterschiedliche Ansichten, was die Ketten betraf, oder insgesamt? „Die Schneeketten wurden von Eurer Mutter hergestellt.“ „Ja. Sie gab in jede einen Teil ihrer Macht, je nach dem, welche besondere Fähigkeit die jeweilige Tochter hat.“ „Aber jede Schneefrau könnte sie nutzen.“ „Das weiß ich nicht genau, ich vermute aber ja. Ihr erwähntet ja zuvor, dass eine andere yuki onna uns die Regentschaft streitig machen könne.....“ „Aber daran habt Ihr bislang nicht gedacht.“ „Nein. Es ist ein Erinnerungsstück an Mutter für mich, mit durchaus magischen Nebenwirkungen. Aber ich sah es bislang nie als Element einer Herrschaft. Auch ohne das wäre ich zauberkundig.“ Log sie oder nicht? Die stetige Magie der Schneefrauen machte es in der Tat schwer festzustellen, was wirklich wahr war. Aber er sollte zunächst mal davon ausgehen, dass sie vermuteten einen Hundedämon nicht anlügen zu können. Er musste wirklich in Ruhe nachdenken. Und zunächst auch noch diese männlichen sogenannten Krieger ansehen, die sich von den yuki onna hatten verzaubern lassen. „Danke, Lady Yaoko. Wenn ich weitere Fragen habe...“ „Natürlich, Lord Sesshoumaru. Vielleicht könnten wir uns ja nochmals treffen, unter vier Augen, wenn Ihr...diese Angelegenheit erledigt habt?“ Eher nicht, dachte er sofort. Ach du liebe Güte. Die Schneefrauen schienen ja sehr interessiert an der Männerwelt zu sein. Ob sie da auch Vater so angemacht hatten? Vermutlich. Eher noch mehr. Er war stärker als er und auch noch der Fürst. Im Gang draußen erkannte er vor sich Etsu, die Dienerin der ältesten Schneeschwester, auch die älteste Menschenfrau hier. Sie war ihm bislang recht höflich und vernünftig vorgekommen und so sagte er ihren Namen. Sie fuhr herum, sichtlich erschrocken, wer sie auf dem Weg zu ihrer Herrin ansprach, ehe sie sich eilig auf die Knie warf und zu Boden blickte. Nun ja, höflich war sie, wenn wohl auch ein wenig schreckhaft. Er ging näher: „Zeige mir das Zimmer der Krieger.“ „Ja, Lord Sesshoumaru.“ Sie stand auf, erleichtert, dass der anscheinend so mächtige Dämon nichts weiter von ihr verlangte. Lady Yukiko schien nervös seit er hier war, aber auch vermutlich die anderen Damen. Nun gut. Wenn man bedachte, wie sie sonst mit Männern umsprangen, musste ein junger, durchaus gut aussehender, Dämon, der immun gegen Liebeszauber war, sie wohl beunruhigen. Zumal, wenn man die Diebstähle betrachtete. So öffnete sie nur die Tür: „Das Zimmer der Krieger, Lord Sesshoumaru.“ Der Hundeprinz trat in die Pforte und sah sich mit einer raschen Wendung seines Kopfes um. Verächtlich betrachtete er die fünf Krieger, Dämonen verschiedener Rassen, die offenbar auf ihren Matten lagen und zu nichts weiter in der Lage waren, als empor an die Decke zu starren. Sie reagierten wohl wirklich nur, wenn eine der Schwestern etwas von ihnen wollte. Schloss sie das als Diebe aus? Aus eigenem Antrieb sicher. Aber was, wenn sie den Befehl und die nötigen Informationen von einer Schneeschwester erhalten hätten? Vermutlich hätten sie davon allerdings selbst unter strengstem Verhör nichts mehr zu erzählen gewusst. Wäre das ein perfekter Diebstahl? Nicht war je perfekt, das hatten ihn gewisse Mordermittlungen gelehrt. Er wandte sich um und Etsu schloss die Tür, wartete höflich auf ihre Entlassung. Sesshoumaru beschloss, doch einmal seiner Neugier nachzukommen. Es war ja nur ein Mensch: „Lebtest du schon hier im Schloss, als mein mächtiger Herr und Vater hier war?“ „Nein, Lord Sesshoumaru. Ich kam ein wenig später.“ „So weißt du nicht über den Zwischenfall?“ „Nichts Genaueres, edler Lord. Ich sah nur die Folgen.“ „Nun?“ „Die Damen waren dabei das Schloss und die Insel zu reparieren. Es schneite unaufhörlich. Lady Yukiko erzählte mir, dass dies nur der Fall war, weil der...der mächtige Inu no Taishou die Hälfte der Insel zerstört hatte. Er besäße ein wahrhaft höllisches Schwert.“ Die Schneefrauen hatten es wohl in der Tat übertrieben, wenn Vater hier mit dem Höllenschwert gewedelt hatte. Mehr sicher nicht, sonst würden weder die yuki onna noch die Insel mehr existieren. Das Höllenschwert mit der gesamten Macht eines Dämonenfürsten hatte ganz andere Wirkungen. Und, wenn er zusätzlich bedachte wie nachsichtig sein Vater in aller Regel mit weiblichen Annäherungsversuchen umging – ja, sie hatten es eindeutig übertrieben. Hatte Vater erst spät bemerkt, was sie wollten, oder hatten sie gar versucht ihn zu so einem nutzlosen Krieger wie die fünf dort hinter ihm zu machen? „Wenn ich aus dem Schloss möchte, nach oben, muss ich durch das Zimmer einer der Damen und dann durch den Aufenthaltsraum gehen.“ „Ja, Lord Sesshoumaru.“ „Dann melde mich deiner Herrin.“ Etsu gehorchte. Lady Yukiko blickte neugierig auf: „Oh, könnt Ihr schon etwas berichten?“ „Ich erstatte Euch keinen Bericht,“ knurrte Sesshoumaru unwillig: „Ich werde die Diebstähle aufklären.“ „Wie Ihr es nennt.“ Sie neigte jedoch den Kopf, um zu zeigen, dass sie den Tadel verstanden hatte. Natürlich war der Erbprinz der westlichen Länder nicht verpflichtet einer Schneefrau Bericht zu erstatten. Sie sollte nicht vergessen, wer er war, und vorsichtiger sein. „Ich gehe an die Oberfläche.“ Ein wenig frische Luft würde ihm beim Nachdenken helfen. Er musste noch einmal genau überlegen, was welche der Schwestern gesagt hatte, worin die Übereinstimmungen und die Widersprüche lagen, ehe er weiter fragte – oder gar bereits die Lösung fand. Versagen kam nicht in Betracht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)