High Angle – B-Side von Atsusa ================================================================================ Kapitel 27: Familienbande ------------------------- Es war Abend geworden und die Welt lag in fahlem Dämmerlicht. Es trommelten zwar dicke Regentropfen gegen die großen Fensterscheiben der Pizzeria Balotelli, doch nichts konnte die Stimmung im Inneren trüben. Vergessen waren die Strapazen des heutigen Duells. Vergessen die Schmerzen und Verletzungen, denn es zählte nur eines: der Drachenclub hatte gewonnen. Gewonnen gegen eine wirklich gut trainierte Tennismannschaft. Gewonnen, obwohl Zeph kaum noch stehen konnte, obwohl es Wendys Arme zu zerreißen drohte und obwohl Teamchef Balotelli mitten im zweiten Satz mit einer Platzwunde vom Spielfeld musste. Gewonnen dank eines einzigen Jungen, der bis zuletzt auf seine Weise beharrlich das Spiel kontrolliert hatte – und der gerade erst damit anfing richtig aus sich hinauszugehen. „Hier.“ Die Rothaarige servierte die Getränke und blickte gewohnt mürrisch in die Runde. Vorbei war das kampfeslustige Grinsen und der offene Blutdurst, den sie während des Kampfes gezeigt hatte, denn das wilde, ungezähmte Feuer brannte nur noch auf Sparflamme. Sie hatte zwar keinen Verband, doch die Beule, die sie durch die Kopfnuss mit Balotelli davongetragen hatte, zeichnete sich deutlich unter ihrem schräg geschnittenen Pony ab. Zeph bückte sich unter den Tisch und zog eine kleine Flasche mit glasklarer Flüssgkeit hervor. „Haben gut gekämpft heute, nie? Ist Zeit für ein bisschen feiern.“ Er drehte den Verschluss auf. Der Geruch der Flüssigkeit war so stechend, dass sich unsichtbare Totenköpfe über dem Flaschenhals drehten. Wendy rümpfte die Nase und hob kritisch eine Augenbraue. „Sag bloß, das ist dein so genanntes Weihwasser?“ Ihre Mundwinkel zuckten. Zeph nickte. „Ist sehr gut! Hab ich selbst aus gefundenem Fallobst gebrannt.“ – „Schnaps?“ Neil hob abwehrend die Hände. „Ist das nicht ein bisschen heftig? Immerhin haben wir gerade ausgiebig Sport gemacht!“ ...und außerdem bin ich noch viel zu jung dafür! Wenn meine Eltern das mitbekommen, dann kann ich gleich wieder aus dem Club austreten! Angelo stimmte ihm zu. „Nach Geruch und Farbe zu schließen müsste der Alkoholgehalt dieser Spirituose mindestens 40 Volumenprozent betragen.“ Der Braunhaarige lachte. „Richtig. Ist so gut, muss man nicht mehr Zähne putzen, tötet alles ab!“ Neil erbleichte, doch Wendy schmunzelte nur. „Ich hole gleich ein paar Gläser!“ Der Neue schüttelte vehement den Kopf und blickte hilfesuchend zu Angelo herüber, doch dieser hatte sich schon wieder in sein Computerprogramm vertieft. „Keine Sorge. Wenn es zu stark ist, dann stirbst du und wachst einen Moment später wieder von den Toten auf...“ Ihr Lächeln wurde immer unheimlicher. „Sieh es einfach als eine Art Feuertaufe an. Wenn du das überlebst, dann überlebst du auch Balotellis Clubleitung.“ Zeph verschränkte die Arme und nickte zustimmend, während Neil immer weiter unter den Tisch rutschte. War der blonde Italiener so schlimm, dass ein selbst gebranntes Obstwasser dagegen harmlos war? Sein Blick, der inzwischen auf Tischkantenhöhe war, schweifte über die Theke in die Küche hinein, wo der Teamchef gerade dabei war den Teig für die Pizzas zu kneten. Die Wunde musste zwar nicht genäht werden, doch trug Balotelli noch immer den dicken Verband als eine Art Ersatzstirnband um den Kopf gewickelt. Er hatte Glück gehabt und trotz des kurzzeitigen Gedächtnisverlustes keine Gehirnerschütterung erlitten. So hatte er nun zwar einen heftigen Brummschädel, den er durch Schmerzmittel zu beruhigen versuchte, war ansonsten aber so fit wie immer und nicht davon abzubringen gewesen, für alle heute die Pizzeria zu schließen und ihnen zur Feier des Tages ein Essen auszugeben. Wendy war zurück in die Küche gegangen und erkundigte sich nach dem Rechten. Balotelli nickte und deutete auf ein paar Schüsseln mit Zutaten. Neil atmete tief durch. Gerade nochmal Glück gehabt. Wenn seine Klassenkameradin jetzt mit Essen machen beschäftigt war, dann würde die so genannte „Feuertaufe“ zumindest noch warten, bis er etwas im Magen hatte. Gott sei Dank! Er hatte sich schon ausgemalt, wie er mitten in der Nacht durch eine ihm noch unbekannte Stadt irrte, bloß weil ihm der heilige Himbeergeist – oder so ähnlich – erschienen war und ihn verfolgte, bis er irgendwo im hintersten Eck der Stadt auf irgendwelche gruseligen Typen traf, die ihn finster angrinsten, bevor sie ihn ausweideten und seine Organe an zwielichtige Ärzte verkauften. Wie bestellt blitzte es plötzlich hell, gefolgt von einem lauten Donnerschlag. Oh weh! Das waren bestimmt schon die Vorboten der Hölle! Zeph klopfte ihm mit seiner dürren großen Hand auf die Schulter. „Bist etwas schreckhaft, nie?“ Seine trägen braunen Augen hatten etwas Beruhigendes an sich. Fast wie die Augen einer Kuh, die zufrieden auf der Weide stand und graste. Neil nickte verhalten. „Ich bin soviel Aufregung einfach nicht gewohnt. Da wo ich herkomme ist es schon Gesprächsthema, wenn bei einem Sturm mal ein Blumenkübel umgeweht wird.“ Er richtete sich langsam wieder auf und lehnte sich zurück. „Aber hier... Hier ist irgendwie alles ganz verrückt!“ Wieder sah er in Richtung Küche. Balotelli feixte und warf den Pizzateig in die Höhe, während Wendy nicht aufhören konnte zu lachen. „Ich hab bis vor einer Woche nicht mal gewusst, dass Drachensteigen überhaupt eine Sportart ist und jetzt sitze ich hier mit euch am Tisch und habe so viele Fragen!“ Er beugte sich nach vorne und umklammerte die Tischkante mit seinen Händen, während er Zeph mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. „Und zwar... Warum machst du überhaupt beim Drachenclub mit? Du sagst immer, dass du keine Lust hast und dir alles zu anstrengend ist, aber trotzdem lässt du Balotelli mit dir machen, was er will!“ Der plötzliche Redeschwall Neils ließ einen Hauch von Erstaunen in Zephs Augen aufflackern. Lässig verschränkte er die Arme und lächelte leicht. „Ist ganz einfach, eigentlich. Chef nervt und ist anstrengend, aber lässt uns immer machen, was wir wollen.“ Er deutete auf Angelo, der zu seiner Linken sitzend immer noch am Tippen war und nur ab und an einmal über die halbmondförmigen Gläser seiner Lesebrille zu ihnen hinüberblickte. „Ich mag den Club. Ist mit den Anderen wie eine Familie. Nicht so wie daheim...“ Seine Augen wanderten zum Fenster, an dem die Regentropfen sich zu kleinen Rinnsalen vereinten und hinabflossen. „Ist besser. Hier sind alle immer da und wenn ich komme, dann sehen sie mich und ich sehe sie. Daheim gibt es immer nur die Arbeit. Eltern kommen nach Hause, Eltern sind erschöpft. Trinken etwas Wodka und denken alles ist gut so.“ Neils Klammergriff an der Tischkante löste sich betroffen. Unglaublich, dass der große Dürre soviel erzählen konnte! „Sie fragen nie, wo neue Klamotten her sind, wie die Schule war und warum ich manchmal Verletzungen habe. Ist ihnen egal. Club ist besser. Auch wenn Chef nervt, Wendy schimpft und alle immer nur 'Training' sagen und ich danach blaue Flecken habe, ist das doch mehr wie Zuhause.“ – „In dieser Aussage stimme ich dir zu.“ Zum ersten Mal hatte Angelo aufgehört zu schreiben und sah beide offen an. „Es ist unsere Maxime, dass jeder das tut, was er möchte. Der Drachenclub ist unser persönliches Sanktuarium. Die Grundregel lautet Akzeptanz. Deswegen frage ich dich – mit Verlaub – was kannst du, Neil, dazu beitragen und was wünschst du dazu beizutragen?“ Er schob den Laptop zur Seite und nahm einen großen Schluck aus seiner Teetasse, immer den Neuen im Blick, der gerade ziemlich perplex war, weil er so plötzlich von dem ein Jahr jüngeren, aber eine Klassenstufe über ihm stehenden Angelo angesprochen wurde. Was er konnte und was er wollte... Seiner Ansicht nach konnte er gar nichts und wollte alles. Immer war er unscheinbar und durchschnittlich gewesen und hatte nicht wirklich herausragende Talente. Außer vielleicht... „I...ich denke, ich kann ganz gut malen... Ja... Und eigentlich... Eigentlich will ich alles wissen!“ Er sah zur Seite, um Angelos bohrendem Blick auszuweichen. „Gerade von dir, A...angelo. Die anderen sind alle so stark und trainiert und lassen Drachen steigen, aber was machst du? Da...das möchte ich gerne wissen... Mit Verlaub.“ Als der blonde Teamchef wenig später mit strahlendem Lächeln und Wendy gewohnt unbeeindruckt die ersten Pizzas servierten, erklärte Angelo anhand von digitalen Blaupausen und den aufgeklappten Drachen der drei Piloten der Kite Knights den Zusammenhang zwischen Grundgerüst und fertigem Modell. Neil kam gar nicht mehr aus dem Staunen heraus und fand das Essen fast schon unwichtig, soviel gab es zu entdecken und zu verstehen. Icarus, Aquila und Sting passten wie die Faust aufs Auge zu ihren Besitzern. Und jetzt verstand er auch, warum Balotelli, Zeph und Wendy immer diese länglichen Taschen dabei hatten, trugen sie ihre Drachen doch stets bei sich, um jederzeit bereit für ein Duell zu sein. Zeph, der inzwischen vom Weingeist benebelt auf der Sitzbank eingenickt war, schreckte grunzend aus dem Halbschlaf hoch und machte sich zugleich über seine Pizza her, als es an der Tür klopfte. Es war inzwischen pechschwarze Nacht geworden und regnete noch immer in Strömen. Balotelli legte den Kopf schief und ging zum Eingang. „Wer kommt denn um diese Uhrzeit noch vorbei, obwohl wir geschlossen haben?“ Durch die Dunkelheit und die von innen beschlagenen Scheiben war kaum etwas zu erkennen, doch als er den Schlüssel umdrehte und die Tür öffnete, blitzte und donnerte es gleichzeitig. „Vald?“ Vald Hernandez, 17 Jahre, Chilene und der wohl einzige Typ, an dem pinke Haare noch besser aussahen als lachsfarbene Stirnbänder bei ebenfalls 17-jährigen Italienern, stand völlig durchweicht an der Tür. Sichtlich unerfreut. In der Küche fiel eine Schüssel klirrend zu Boden. „Ah, Bellissimo!“ Balotelli holte sein strahlendstes Lächeln aus sich heraus. „Was machst du denn hier? Und überhaupt, wie siehst du denn aus, bist ja ganz nass!“ Vald presste die Zähne zusammen. „Warum ist hier zu? Es ist Dienstag, schon vergessen?“ Wirklich nicht erfreut. Die Art, wie er vor der Tür stand, hatte fast schon etwas von einem trotzigen Kind. „Ich hab angerufen, aber du gehst ja nicht mal an dein Scheiß Handy ran, Balotelli!“ Ein trotziges Kind, das man vergessen hatte. Er verschränkte die Arme. Der Blonde lachte nervös. „Ah, ah! Scusi! War etwas viel los heute und wir haben spontan Ruhetag gemacht.“ – „Ruhetag?“ Valds Fäuste zuckten. „Ich dachte wir hatten ne Vereinbarung. Dienstags und Samstags Pizza liefern. Ungefragt. Immer. Und bei Sonderwünschen tu ich kurz anrufen.“ Mamma Mia! Da hatte jemand anscheinend großen Hunger! „Scusi! Heute ist soviel passiert, dass ich das direkt vergessen habe!“ Der Todesblick folgte. Balotellis Herz rutschte vor Angst in die Hose. „Das macht aber überhaupt nichts, si!“, versuchte er die Situation noch zu retten. Angstschweiß bildete sich auf seiner Stirn. „Komm doch einfach rein und ich mache dir schnell was!“ Dem musste ja echt eine Laus über die Leber gelaufen sein, so wie er heute wieder drauf war. Dass er manchmal seinen aggressiven Tag hatte, war Balotelli ja bekannt, aber heute war es mal wieder besonders schlimm. Vald zog die durchweichte Jacke aus und warf sie über einen Stuhl am Tresen. „Cerveza, por favor!1 Und die Frage, wer wie aussieht, kann ich nur zurückgeben.“ Er hob kritisch eine Augenbraue, setzte sich auf den Stuhl daneben und deutete auf Balotellis Verband. „Bist du gegen 'ne Wand gelaufen, oder was?“ Der Italiener war hinter den Tresen getreten und zapfte ein frisches Bier für seinen ungebetenen Gast und doch liebsten Stammkunden. Ah, da war er wieder, der würzige Duft nach Sportshampoo, durch den Regen noch deutlicher wahrzunehmen als sonst. Lächelnd stellte er Vald das goldgelbe Getränk hin. „Nicht ganz, Bellissimo, deine Fr...“ Ein heftiger Tritt gegen sein Schienbein ließ ihn zurücktaumeln. „Ahi!“ - „¡¿Cómo?!“ Valds Augen verengten sich zu Schlitzen. Echt seltsam, wie sich Balotelli heute verhielt. Musste wohl doch eine ernstere Verletzung sein. Aber eigentlich verhielt er sich sowieso immer wie nach einem Schlag auf den Kopf. Mit leichten Tränen in den Augen rieb der Blonde sich das Schienbein. Er wusste ganz genau, was gerade passiert war. Nur nichts anmerken lassen. Beiläufig linste er unter den Tresen und bekam von Wendy folgende stumme Mitteilung: den Finger auf den Lippen, einen drohenden Blick und die Halsabschneider-Geste. „Verrate bloß nicht, dass ich hier bin, sonst bist du sowas von tot, du Experte!“ Eigentlich war es der perfekte Moment, Wendy dazu zu zwingen endlich einmal ein klärendes Gespräch zu führen, aber andererseits hatte er keine Lust sich das Lokal seiner Eltern in Schutt und Asche legen zu lassen und danach noch mehr Verletzungen als ohnehin heute schon davonzutragen. Argwöhnisch nippte Vald an seinem Bier. Irgendwas hatte der doch... „Alles in Ordnung, si si!“ Balotelli wedelte aufgeregt mit den Händen. „Soll ich dir das übliche machen, Bellissimo?“ Der Chilene brummte entnervt. „Zwei Jumbopizzas. Eine zum hier essen, eine zum Mitnehmen. Belag wie immer.“ Augenblicklich flitzte Balotelli in die Küche und suchte die Zutaten zusammen. „Mamma mia! Zwei Jumbopizzas! Hast du etwa Besuch?“ Wenn er schon nicht den großen Streitschlichter spielen durfte, dann wollte er Vald wenigstens ein bisschen ausquetschen. „Nee“, antworte dieser knapp, „alles für mich allein. Ich brauch einfach 'n bisschen mehr im Moment“. Er drehte sich um und stützte die Ellenbogen auf dem Tresen ab, um sich zurückzulehnen. Angelo hatte sich nicht einmal durch den spontanen Besucher aus der Ruhe bringen lassen und erklärte dem immer noch wissbegierigen Neil, der kaum gleichzeitig essen, nicken und zustimmen konnte, die Funktionsweise von Wendys pinkem Skorpiondrachen. „Eigentlich ist es ganz einfach. Das Grundgerüst ist, wie du sehen kannst, wenn du den Drachen mal umdrehst, an einen Delta-Drachen angelehnt. Das Material ist extra etwas robuster, damit es höhere Temperaturen aushält. Fühle doch mal.“ Neil stopfte den letzten Rest Pizza in den Mund und wischte sich die fettigen Hände an einer Serviette sauber, bevor er das pink-schwarz gestreifte Gewebe berührte. „Mh-hm!“, murmelte er prüfend. Fühlte sich ganz anders an als der Stoff, mit dem Icarus bezogen war. Ein pink-schwarzer Skorpion. Und die Haltegriffe mit den Nieten sahen auch ziemlich biestig aus. „...und der beste Teil kommt erst noch!“ Angelo rückte die Brille zurecht. Dass nun endlich einmal jemand ernsthaftes Interesse für sein Schaffen zeigte, machte ihn ungeahnt redselig. „Wenn du hier und hier das Gewinde lockerst und daran ziehst...“, mit geübter Hand griff er die beiden Krebsscheren und zog sie nach außen, „kannst du den Luftwiderstand vergrößern, was die Steuerbarkeit bei Starkwind erhöht.“ Vald wandte sich wieder um und sah Balotelli beim Belegen des Teigs zu. Es konnte sein, dass der Drachen... „Ist das hier so ne Art Drachenclubtreffen?“ Nee, besser er fragte gar nicht, weil eigentlich wollte er es auch gar nicht wissen. Käse wurde auf die Pizza gestreut. „Ma si, so etwas kennst du, Bellissimo?“, antwortete der Blonde überrascht. Natürlich wusste er Bescheid, sich etwas dumm zu stellen würde aber mit Sicherheit die eine oder andere Information aus dem gebräunten Chilenen locken, die Wendy, die noch immer unter dem Tresen hockte und echt sauer war, dass er Vald nicht einfach rausschmeißen konnte, bestimmt auch gerne haben wollte. „Ich hab gerade ziemlich Stress mit meinem Club. Seit mein Kumpel so ein blödes Buch mit 'ner Anleitung zum Kontrollieren von Kirits gefunden hat, trainieren wir jeden Tag wie blöd.“ Wie schön! Ethan war also auf den Geschmack gekommen und versuchte nach seinem letzten Duell gegen ihn Bat noch stärker zu machen? Vald stützte den Kopf auf die Hände und ließ seinen Blick ins Leere gleiten. „Seit zwei Monaten dreht der total am Rad und weil alle anderen feige abgehauen sind, bin ich der einzige, der sich noch mit ihm duelliert. Ziemlich uncool, oder?“ – „Und du verlierst immer?“ Balotelli klopfte sich das Mehl von den Fingern und schob die beiden Pizzas in den Ofen. Vald verneinte. „Nee, wir machen uns mit unseren Kirits immer gegenseitig die Drachen kaputt. Nur meiner, Jaws, ist echt übel, mich haut es danach jedes Mal vor Hunger von den Socken.“ Der Blonde lachte amüsiert. „Was?“ Vald war schon wieder genervt. „Ma si, das passt wirklich zu dir! Viel essen zu müssen ist echt gut für mein Geschäft!“ – „Und dann machst du einfach den Laden dicht, Frechheit...“ Er knallte ihm das leere Bierglas vor die Nase. „Noch eins!“ Balotelli nickte und zapfte ihm ein weiteres Bier. „Und wie sieht er so aus, dein Jaws? Mein Icarus ist genau wie ich, ein strahlender Held, nur geflügelt und mit Pfeil und Bogen! Ein richtig toller Typ!“ – „'n Haifisch. Mit Blitzen.“ Wow. So kurz konnte man das natürlich auch sagen. Schweigen. Balotelli bereitete einen Nachtisch vor. Schließlich waren die Pizzas fertig und Vald konnte endlich etwas gegen seine schlechte Stimmung tun. Ein Stück nach dem anderen wurde fast schon inhaliert, bevor der Italiener überhaupt die zweite Pizza in einen großen Karton umschichten konnte. „Na du haust ja heute ganz schön rein, Bellissimo!“ – „Bin ja auch fast gestorben, weil einer hier einfach den Laden dichtgemacht hatte.“ Langsam wich die schlechte Laune einem Grinsen. Pizza war eben doch ein Allheilmittel. „Scusi, Vald! Wird nicht wieder vorkommen!“ – „Das glaubst du doch selber nicht!“ Er vertilgte das letzte Stück Pizza und leerte darauf sein Bier in einem großen Zug. „Ich verspreche dir: sollte das noch einmal passieren, darf sich Jaws gerne einmal mit Icarus messen!“ Er deutete auf den blauen Lenkdrachen mit den aufgezeichneten Glitzerflügeln. Vald verzog das Gesicht. „Soll das dann so 'ne Art Belohnung sein?“ Balotelli lehnte sich nach vorne, sah ihm tief in die Augen und seufzte theatralisch. „Zwei Jungs ganz alleine, das ist doch auf die Dauer gang schön langweilig, oder?“ Er zwinkerte und fuhr sich kokettierend durch das Haar. „Wenn du mal Abwechslung brauchst, dann kommst du einfach zu mir. Ich weiß schon, wie ich dir was Gutes tun kann...“ Vald wich angewidert zurück. „Alter, schwul mich nicht so an!“ Doch der Blonde kam noch näher. Valds Faust begann zu zucken, aber bevor er seinem Ärger Luft machen konnte, hatte er auch schon den Pizzakarton in der Hand. „Ich weiß doch, du magst, was ich tue. Melde dich einfach wieder bei mir, wenn dein Körper es nötig hat...“ Das hörte sich falsch an. So richtig falsch. „Du... Du Glitzer-Homo! Sag doch gleich, dass ich abhauen soll, anstatt mir so auf die Pelle zu rücken!“ Er wandte sich zum Gehen, blickte ihn aber noch einmal skeptisch an. Erst quetschte er ihn so aus und dann wollte er ihn auf einmal loswerden. Vielleicht war ja doch... „Adios!“ War ihn doch eigentlich egal. Dann war er verschwunden. Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, kroch der blonde Teamchef auch schon zu Wendy unter den Tresen. „Und? Wie war ich?“ Die Rothaarige starrte gereizt ins Leere. „Du bist echt ein Arsch, weißt du das?“ Er legte seinen Arm um sie und zog sie an sich heran, damit sie ihren Kopf auf seine Schulter betten konnte. „Bellissima, ich verstehe dich manchmal nicht. Vald ist doch ein netter Typ mit dem man auch dann noch reden kann, wenn er hungrig ist.“ Sie schnaubte abwertend. „Du hast doch echt keine Ahnung!“ Er lächelte ihr zu. „Und deswegen sitze ich jetzt ja auch hier, oder?“ Keine Antwort. „Als Anführer ist es meine Aufgabe dafür zu sorgen, dass es allen gut geht. Also, willst du mir nicht endlich einmal sagen, was wirklich los ist?“ Sie wollte sich losreißen, doch er drückte sie noch fester an sich heran. „Du lässt echt nicht locker, oder?“ Balotelli verneinte. Wendy schloss die Augen. „Es ist eigentlich eine ziemlich dumme Geschichte. Vald und ich kennen uns schon viel zu lange. Sagen wir so... Er hatte 'ne schwere Kindheit. Und als er in unser Land kam, hatte er gar nichts.“ Sie zog die Beine an sich heran. „Wir wohnten nebeneinander und ich hab ihm ziemlich viel geholfen. Dabei sich zurechtzufinden und die ganze Sache mit seinem Vater...“ Sie schüttelte den Kopf. „Das geht dich eigentlich nichts an. Jedenfalls hingen wir eigentlich immer zusammen ab. Jeden Tag. Vor der Schule. Nach der Schule. In der Schule. Hatten dieselben Freunde, fingen beide an Drachen steigen zu lassen, bis...“ Balotelli konnte spüren, wie schwer es ihr tat darüber zu reden. „Das war letzten Sommer. Ich war wie immer bei meinen Großeltern und hatte mich schon so darauf gefreut zurückzukommen. Doch als ich zurück war...“ In ihr arbeitete es. Wut gemischt mit Trauer bahnte sich langsam den Weg an die Oberfläche. „Als ich zurück war, war dieser Mistkerl einfach umgezogen. Einfach so. Ohne mal vorher etwas zu sagen.“ Sie schlug mit der Faust auf den Boden. „War das alles?“ Balotelli konnte nicht glauben, dass sie sich so von einem eigentlich lösbaren Problem fertig machen ließ. Wendy schürzte die Lippen. „Das ist wirklich ein großes Problem für mich, okay?! Man zieht nicht einfach mal so um. Man plant das doch Monate im Voraus, aber es kam nichts! Er hat gar nichts gesagt! Dabei...“, ihre Stimme wurde mit einem Mal ganz leise, „dabei waren wir eigentlich fast schon wie eine Familie. Ich dachte immer, wenn man sich vertraut, dann würde man über alles reden können. Aber am Ende wusste ich gar nichts. Ich wurde so richtig gelinkt und verarscht!“ Was sollte man dazu nur sagen? Dass sie vielleicht einfach mal hätten reden sollen, bevor alles so verfahren war und sich keiner mehr traute, aufeinander zuzugehen? „Und dann sagt der auch noch, dass alle aus dem Club abgehauen sind! Unsinn! Auf Julius mag das vielleicht zutreffen, aber auf mich doch nicht! Ich wollte doch gar nicht weggehen, aber meine Eltern haben das einfach über meinen Kopf hinweg entschieden!“ – „Dann bereust du es also, dass du in meinem Drachenclub bist und nicht bei Ethan und Vald?“ Balotelli klang leicht enttäuscht, doch Wendy wurde wieder lauter. „Verdammt, nein! Du... Du nervst zwar manchmal ganz schön, aber du erkennst wenigstens, was ich drauf habe. Ich glaube...“, sie errötete, „ich bin bei dir viel besser dran!“ Das war zu viel für den Blonden. „Wendy, Bellissima!“ Er grinste strahlend und drückte sie so fest an sich, dass ihr fast die Luft wegblieb. „H...hey, hör auf! Es reicht! Ist ja peinlich!“ Doch eigentlich wehrte sie sich nur halbherzig und ließ es am Ende sogar zu, dass er sie richtig umarmte. „Ich hab einfach Angst, okay? Ich hab Angst, dass ich alles nur noch schlimmer mache, weil ich so wütend bin. Jetzt ist wenigstens Ethan noch nett zu mir, aber was ist, wenn der mich am Ende auch nicht mehr mag?“ Sie löste die Umarmung und kroch unter dem Tresen hervor. Balotelli tat es ihr gleich und klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter. „Ich als dein Teamchef werde schon dafür sorgen, dass alles wieder gut wird, si!“ Die Anspannung ließ nach. „Na toll... Und wie willst du das anstellen, Big Boss?“ Er musste nicht lange überlegen. „Wir sind schon so einen langen Weg gegangen. Wir sind gefallen und wieder aufgestanden und es hat uns stärker und reifer gemacht. Ich würde sagen, du musst einfach noch viel abgeklärter werden, Bellissima.“ – „Abge...klärter?!“ Sie hob skeptisch eine Augenbraue. „Si! Wenn du deine Gefühle besser kanalisieren kannst, dann werden sie sicher auch gehört werden. Und der beste Weg dazu ist, dass du noch viel mehr trainierst.“ Er nahm das fertige Dessert in die Hand, bereit es zu den anderen nach vorne zu tragen. „Weißt du was? Sobald wir alle wieder richtig erholt sind, werde ich Costas sagen, dass er sich mal mit dir duellieren soll!“ Wendy nahm ein Tablett mit Tellern und Besteck. „Du meinst, um mal richtig Dampf abzulassen?“ Er nickte. „Das wird dir bestimmt gut tun. Aber über eines solltest du dir im Klaren sein...“ – „Hm?“ – „Denk nicht, dass du eine Chance gegen ihn hättest.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)