High Angle – B-Side von Atsusa ================================================================================ Kapitel 36: Die Zeit läuft ab! ------------------------------ Als Zeph und sein Drachengeist Aquila sich in die Augen sahen, wussten beide instinktiv, dass von nun an alles anders sein würde. Die Verbindung, die vorher so schwach und dabei trotzdem immer so anstrengend war, wurde mit einem mal so intensiv, dass es Zeph so vorkam, als wäre Aquila völlig Eins geworden. Er streckte den Arm aus und ließ den Steinadler darauf landen. Einerseits fühlte es sich schwer an, den großen braunen Vogel mit den goldgelben Augen zu halten, andererseits aber auch nicht anders, als wäre ihm ein dritter Arm gewachsen, nur mit dem kleinen Unterschied, dass dieser dritte Arm fühlen konnte und in Gedanken zu ihm sprach. Endlich siehst du mich richtig! Und wie findest du mich? Zeph konnte den Stolz spüren, den die Adlerdame ausstrahlte. Das braune Gefieder, welches zu den Flügelspitzen hin ins Ockerfarbene verlief, wirkte viel gesünder und lebendiger, als es bisher der Fall war und zeigte keinerlei Anzeichen davon, dass sich Aquila bald wieder in Nebel auflösen würde. Doch war dies nicht der Grund, warum er überrascht die Augenbrauen hob. Was ihn wirklich zum Staunen brachte, war der stählerne Schienenpanzer, der eines römischen Legionärs gleich Brust und Rücken des Steinadlers bedeckte. Und auch der Kopf war nicht länger ungeschützt, sondern trug eine mit einem dunkelgrünen Helmbusch verzierte Stahlkappe. Die Krallen waren mit weiteren Stahlplatten gepanzert und so stark, dass sie mit einem einzigen Hieb einem Gegner die Brust aufreißen konnten. Unter der Schulterrüstung war ein ebenfalls dunkelgrüner Umhang befestigt, der leise im Wind flatterte.   Zephs schmale Lippen verformten sich zu einem glücklichen Schmunzeln. „Gut, nie?“, antwortete er seinem Kirit gewohnt knapp, der seinen Kopf daraufhin gurrend an seiner Schläfe rieb. Der Drache gähnte und kratzte sich träge mit der Hinterpfote am Bauch. Die allgemeine Regel für dramatische Kämpfe verbat es ihm, sich während der Einführung eines neuen Charakters auf seinen Gegner zu stürzen und so wartete er und wartete er und wartete er und wartete er, bis Zeph endlich sein Zwiegespräch mit seinem erstarkten Kirit beendet hatte und sich wieder mit voller Aufmerksamkeit dem Duell widmen konnte. Daraufhin knurrte das Ungetüm so laut, dass die bunten Kacheln aus dem Springbrunnen krachten und einzelne Dachziegel herabfielen. „Oh, oh“, jammerte Kermad mit besorgtem Blick, „das wird lange dauern, bis ich das wieder aufgebaut habe! Im Gegensatz zu euch Außenweltlern habe ich hier nämlich keine Hausratversicherung!“ Zeph war vielleicht nicht der Hellste, doch er verstand, worauf der Alte hinauswollte. Er hob katapultartig den Arm und ließ Aquila fliegen. Der Steinadler stieß einen gellenden Schrei aus und begann darauf in kreisenden Bewegungen um den Drachen herumzuflattern.   Zeph wusste nicht, wie sein Kirit es machte, doch Aquila glitt elegant wie eine Tänzerin im Uhrzeigersinn auf einem aufsteigenden Luftstrom, bis der Drache genervt den Hals reckte und nach ihr schnappte. „Bin also echt ein Anti-Zyklon, nie?“ Kermad verschränkte die Arme und nickte ihm freundlich zu. „Der Segen Gobbans macht aus dir einen stählernen Krieger, dessen Verteidigung undurchdringbar ist, mein Junge! Er ist...“ Wieder krachte es. Diesmal hatte das Ungetüm wirklich die Geduld verloren und sprang, ohne auf seine Umgebung zu achten, rücksichtslos Aquila hinterher. Aquila schraubte sich höher und höher, bis sie nur noch als Schatten vor der rotglühenden Nachmittagssonne zu erkennen war. Der Drache tat es ihr gleich und erhob seinen tonnenschweren Körpern mit ein paar kräftigen Flügelschlägen vom Boden, welche augenblicklich einen Sturm entfachten. Während Zeph felsenfest stehenblieb und sich nur die Hände schützend vor das Gesicht halten musste, um keine Staubkörner in die Augen zu bekommen, wurde Kermad durch die Druckwelle durch die Luft geschleudert, worauf er sich mehrmals um seine Achse drehte und schließlich mit voller Wucht gegen die Hauswand geschleudert wurde.   „Alles gut?“ Zeph eilte dem alten Mann entgegen und half ihm wieder auf die Beine. Aquila hatte sich inzwischen weit vom Anwesen wegbewegt und den Drachen dazu gebracht, mit ihr eine wilde Jagd über den Nachmittagshimmel zu veranstalten. Kermads Beine zitterten und er musste sich von Zeph stützen lassen. Beide waren einmal mehr staubbedeckt und überblickten für einen kurzen Moment schweigend das Chaos, welches der Drache hinterlassen hat. „Tut mir leid!“, entschuldigte sich Zeph kurz angebunden und half Kermad dabei, über den Schutt zu klettern. Jetzt, da der Drache sie nicht mehr beachtete, konnten sie endlich das Haus verlassen und sich auf den Weg zu den anderen machen. „Ach, das macht doch nichts!“ Der Greis winkte ab. „Hier draußen haben wir alle Zeit der Welt, weil wir nicht sterblich sind, wie ihr Menschen.“ Er zwang sich ein Lächeln ab, doch seine Beine schmerzten ihm sehr. „Eigentlich wollte ich sowieso mal wieder renovieren!“ Sie öffneten eine mit Runenschnitzerei verzierte Holztür und traten ins Freie. Vor ihnen breitete sich ein Garten mit verschlungenen Rosenbüschen aus, die alle in den wildesten Farben leuchteten und einen angenehmen Geruch verströmten. „Danke, mein Junge. Ich denke, ich kann jetzt wieder alleine laufen.“ Kermad löste sich von Zeph und deutete ihm an, ihm zu folgen. Zeph öffnete sein Haargummi und schüttelte sich den Staub aus den dunkelbraunen Locken, dann band er sich erneut die Haare zu einem Zopf zusammen. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in seinem Inneren aus. Aquila war inzwischen so weit weggeflogen, dass er kaum noch eine Verbindung zu seinem Kirit spüren konnte. Für einen Augenblick wurde ihm schwarz vor Augen und er schwankte bedrohlich hin und her, doch dann fing er sich wieder, schüttelte das unangenehme Gefühl ab und folgte Kermad in den Wald, wo der Rest der Gruppe auf ihn wartete. Doch seine Sorge, dass irgendetwas mit seinem Kirit geschehen würde, war unbegründet: In all den Minuten, die er schweigend hinter dem weißhaarigen Druiden lief, strahlte der Windmarker auf seiner Handfläche mit metallischem Glanz. Aquila musste also noch immer mit dem Drachen beschäftigt sein.   „Sfaticato, da bist du ja endlich!“ Balotelli klang besorgt und erleichtert zugleich, als der braunhaarige Pole endlich das Dickicht durchquert hatte und auf der kleinen Waldlichtung erschien. Er hatte sich verändert. In der kurzen Zeit, die sie voneinander getrennt waren, schien es, als hätte Zeph deutlich an Muskelmasse zugenommen. Er war zwar noch immer groß und schlaksig, doch wirkten seine nackten Arme gestählt wie nach monatelangem Krafttraining. Costas pfiff beeindruckt. „Und ich dachte mein Trainingsplan für euch wäre effektiv gewesen!“ Mit prüfendem Blick näherte er sich Zeph und kniff ihm in den Oberarm. „Ist ja krass! Dein Bizeps ist steinhart!“ Die Anderen bildeten neugierig einen Kreis um die Nummer Drei der Kite Knights. „Sfaticato, bist du das wirklich?“ Balotelli musterte ihn skeptisch von allen Seiten. Zeph nickte ruhig und wollte etwas sagen, doch Costas hatte nach seinem Oberteil gegriffen und schob es beherzt nach oben. „Der Wahnsinn! Seht euch mal diese Bauchmuskeln an!“ – „Hey! Gibt nix zu sehen!“, protestierte Zeph, doch ließ er es über sich ergehen, dass alle ihn zum ersten Mal wegen seines – bestimmt nicht schlecht aussehenden – Körpers anstarrten. „Mamma Mia!“, rief Balotelli. Neil nickte anerkennend. „Und das ganz ohne Steroide, wage ich zu vermuten!“, sagte Angelo und rückte mit gewohntem Reflex seine Brille zurecht. Nur Wendy sagte nichts. Sie hatte sich peinlich berührt abgewandt, nicht in der Lage, den Anblick eines wohlgeformten Sixpacks zu ertragen. „Könnt ihr“, sie hüstelte nervös, „könnt ihr euch eure Peep-Show bitte für die Männerumkleide aufheben. Es gibt … Dinge … die ich nicht unbedingt sehen will!“ Traumatische Erinnerungen an die Penisparade in den Weihnachtsferien fanden ihren Weg zurück in ihr Gedächtnis. Oh nein! Nur nicht wieder daran denken! Denk an etwas anderes, denk an … Oh nein! Es geht nicht! Balotelli ließ sein Zahnpastalächeln hervorblitzen und klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter. „Bellissima! Nur keine falsche Scham! Wenn du Sfaticato fragst, darfst du sein Sixpack bestimmt auch einmal anfassen, ma si!“ Sie verzog das Gesicht und versuchte die Aufkommende Erinnerung an blonde Schamhaare zu unterdrücken. „Das hast du jetzt gerade nicht wirklich gesagt, oder?“ Der blonde Italiener nickte und berührte zur Bestätigung selbst Zephs Bauchmuskeln, zwischen denen sich eine dunkelbraune Straße bis hin zu seinem besten Stück entlangzog. Zeph murrte und entzog sich dem Griff der beiden Südländer. „Sind wir nicht wegen was anderem hier?“ Aquila kam zurückgeflogen und nickte dem schlaksigen Braunhaarigen zu, dann verschwand sie wieder in seiner Handfläche. Der Windmarker verblasste. Zeph ... danke! Wendy nickte ihm zu und Zeph antwortete mit einem ebenso unauffälligem Nicken.   Kermad trat in die Mitte seiner sechs Besucher und fuhr sich nachdenklich durch den weißen Bart. „Zuerst einmal entschuldige ich mich dafür, dass ich euch vorhin so einen Schrecken eingejagt habe. Ich habe noch einmal nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass es doch noch einen anderen Weg zurück in eure Welt geben muss!“ Er verstellte die Stimme und sagte mit halb zusammengekniffenen Augen. „Einen geheimen Pfad, mein Schatz, oh ja!“ Wendy rollte mit den Augen. Genug mit den Herr der Ringe Anspielungen! „Es gibt einen Weg, der ähnlich lang ist wie der, auf dem ihr hergekommen seid. Er ist nicht sehr angenehm zu laufen, aber auf jedem Fall so gut getarnt, dass euch der Torwächter nicht finden wird. Am Ende müsst ihr lediglich einen Felsblock beiseite schaffen, um wieder auf eurer Seite herauszukommen. Aber...“, Kermad grinste und klopfte ein paar Mal fest gegen Zephs Bauch, der mittlerweile ganz genervt davon war, dass er plötzlich so gut mit Muskeln bestückt war, „euer Man of Steel hier ist jetzt stark genug, um auch dieses Hindernis hier zu beseitigen!“ Zeph legte den Kopf schief. „Man of Steel? Klingt gut, nie?“ Ob er wohl in Zukunft auch Autos anheben können würde, ohne einen Wagenheber benutzen zu müssen? Balotelli trat hervor. „Es dauert also lange, ja?“ Kermad nickte. „Ich als Anführer würde kein Risiko eingehen, wenn es um die Unversehrtheit meines Teams geht, aber was sagt ihr?“ Er blickte fragend von einem Gesicht ins andere. „Kein Problem“, antwortete Zeph kurz angebunden und verschränkte die Arme, damit nicht noch andere auf die Idee kamen, ihn anzugrapschen. „Wenn's unbedingt sein muss...“, stimmte Wendy ihm zu, auch wenn sie lieber den kurzen Weg genommen hätte. „I-Ich denke, ich schließe mich d-den a-anderen an!“, stotterte Neil, weil es ihm unangenehm war, dass ihn plötzlich alle ansahen. Costas hob den Daumen und nickte bestätigend. Jetzt lag es an Angelo, die Entscheidung rechtskräftig zu machen. Vier Kite Knights, ein Betreuer und ein weißhaariger Druide blickten ihn an und warteten auf seine Antwort. Angelos olivgrüne Augen fixierten Balotelli, dann den Boden vor seinen Füßen und dann wieder Balotelli. Selbst Neil erkannte nun, dass der Teamtechniker mit der ebenholzfarbenen Kurzhaarfrisur ein Problem damit hatte, anderen Menschen ins Gesicht zu sehen. Schließlich atmete Angelo tief durch und verkündete sein Urteil: „Nein.“ Ein Erstaunen ging durch die Gruppe. „Aber Angelo, wieso? Wir machen das nur für dich!“ Es war das erste Mal, dass Angelo Balotelli widersprochen hatte. Der Schwarzhaarige zog die Schultern nach oben und wandte sich ab, um nicht länger den Blicken der anderen ausgesetzt zu sein. Dann begann er leise zu sprechen. „Weil wir keine Zeit haben...“ Costas legte die Hand ans Ohr. „Was hast du gerade gesagt?“ Angelo presste die Lippen aufeinander und wiederholte seinen Satz noch einmal lauter. „Weil wir … KEINE ZEIT HABEN!“ Seine Hände verkrampften sich, als er sich umwandte und sie alle ernst ansah. „Eigentlich sind wir schon viel zu lange hier und je länger ich hier stehe und spreche, desto schlimmer wird es. Wir sind nämlich in einem Zeitdilatationsfeld!“ … „HÄÄÄÄÄ~?!“ ... Niemand verstand, was der Teamtechniker der Kite Knights eben gesagt hatte, doch der eindringliche Blick in seinen Augen verriet, dass es etwas unfassbar Wichtiges gewesen war. „Zeitdili-dila-was?“ Neil erinnerte sich dunkel, in irgendeiner Science-Fiction-Serie schon einmal davon gehört zu haben, doch die Bedeutung davon blieb ihm schleierhaft. „Zeitdilatation“, korrigierte ihn Angelo. „Das Phänomen, welches auftritt, wenn sich Materie in der Nähe eines schwarzen Loches befindet.“ Er fasste sich ans Kinn und überlegte, wie er den komplizierten physikalischen Vorgang so erklären konnte, dass ihn sogar Zeph verstand. „Ein schwarzes Loch ist im Grunde ein sterbender Stern von großer Masse. Und diese Masse verzerrt den Raum um es herum. Aber nicht nur der Raum ist verzerrt, sondern auch die Zeit.“ Ratlose Gesichter. „Kurzum, je näher man dem Zentrum ist, desto langsamer vergeht die Zeit.“ Noch ratlosere Gesichter. Angelo räusperte sich einmal kurz, dann fuhr er fort. „Es muss nicht unbedingt ein schwarzes Loch sein, sagen wir … irgendein mysteriöses, magisches Ding … macht, dass hier bei Kermad die Zeit langsamer vergeht, als draußen in unserer Welt. Das nennt man dann Zeitdilatation.“ Balotelli schüttelte skeptisch den Kopf. „Ma no, warum kommst du denn auf so etwas, Angelo?“ Der Schwarzhaarige zeigte auf das Gesicht des Teamchefs. „Ich habe Beobachtungen angestellt. Zuerst einmal dein blaues Auge, Tornado“, er deutete nun auf Wendy, „und dein Sonnenbrand, Wendy!“ Beide fassten sich ins Gesicht und sahen sich gegenseitig an. „Dein Sonnenbrand!“ – „Dein blaues Auge!“ – „Sie sind weg!“ Wendy winkte ab. „Bestimmt ist das auch eine Nebenwirkung des komischen Lichtes, das uns in dieser Säulenhalle angegriffen hat!“ Doch Angelo verneinte. „Das dachte ich zuerst auch, aber dein Sonnenbrand war vorhin beim Essen noch vorhanden. Wie also kann es sein, dass der so plötzlich innerhalb einer Stunde verheilt?“ Die Rothaarige zuckte mit den Schultern. „Meine Salbe wirkt gut? Oder gute Gene?“ Angelo fuhr mit seinen Beobachtungen fort. „Zweitens! Das verschimmelte Brot!“ Balotelli musste es sich verkneifen, angewidert das Gesicht zu verziehen. „Vielleicht hat Zeph seine Tasche wochenlang nicht ausgeräumt?“ – „Hey, das ist nicht nett!“ Zeph schmollte. Immer wurden ihm die absurdesten Unterstellungen gemacht. Genau wie die Tatsache, dass er klaute, obwohl er doch eigentlich wirklich immer nur Glück hatte und ihm viele wertvolle Dinge einfach nur vor die Füße fielen! Wirklich! „Falsch!“ Angelo holte seinen Tablet-PC und die Taschenlampe hervor. „Von beiden ist der Akku binnen kürzester Zeit leer gewesen, seitdem wir den Grabhügel betreten haben, obwohl ich erst gestern, bevor wir zur Wanderung aufgebrochen sind, alles voll aufgeladen hatte. Das müsste normalerweise tagelang halten!“ Langsam redete sich das jüngste Clubmitglied in den Wahn und verblüffte damit alle, die in einem Kreis um ihn standen. „Kermad!“, wandte er sich schließlich auch noch dem weißhaarigen Druiden zu und holte eine leere Dose Ravioli hervor. „Du sagst doch, dass der Drachenmeister etwa dreimal im Jahr vorbeikommt und euch Proviant bringt, richtig?“ Der Alte nickte. „Oh ja! Und sein letzter Besuch ist gerade einmal zwei Monate her!“ Angelo tippte auf die Dose und zeigte sie den anderen. „Wie kann es dann sein, dass das Haltbarkeitsdatum seit über einem Jahr abgelaufen ist, wenn der Drachenmeister doch erst kürzlich frische Dosen vorbeigebracht hat?“ Langsam dämmerte es den anderen, was Angelo ihnen erklären wollte. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihrer Magengegend aus. Wenn das wirklich stimmte, dass die Zeit innerhalb der Dimensionsblase langsamer verging als außerhalb, dann waren sie, wenn sie acht Stunden lang unterwegs waren... „Mindestens eine Woche!“ Die Erkenntnis traf Balotelli wie einen Schlag und er musste sich auf den Boden setzen. „Mindestens.“ Angelo rückte seine Brille zurecht. Betretenes Schweigen trat ein. Niemand störte sich daran, dass sie scheinbar abgelaufene Lebensmittel gegessen hatten, so schwer wiegte die Erkenntnis über die gestohlene Zeit in ihrem Magen. „W-wenn wir so lange weg sind, d-dann sucht man bestimmt schon nach uns...“ Die Vorstellung, dass seinen Eltern und Großeltern vor Sorge um ihn das Herz gebrochen wurde, stimmte Neil unendlich traurig. „Und wenn wir den geheimen Pfad nehmen, dann sind wir mindestens noch einmal eine Woche lang verschwunden, ja?“, fügte Wendy hinzu und trat unruhig von einem Bein aufs andere. Eine weitere Woche, in der sich ihr Vater die Seele aus dem Leib heulen würde, weil seine einzige Tochter verschwunden war. Vielleicht würden sie sogar im Fernsehen davon berichten, dass sie vermisst wurden, und dann würde sicher auch Vald endlich einmal begriffen haben, wie gemein und unfair er zu ihr gewesen war und sich entschuldigen. Nicht, dass sie wollte, dass sie sich wieder vertrugen... Nein... Also... Doch! Blödmann! Raus aus meinem Kopf! RAUS! Balotelli fuhr sich nervös durch die Haare. „Wenn dieser geheime Gang denn wirklich nach draußen führt und es nicht nur ein Gerücht ist, dass er existiert...“ Kermad hob die Augenbrauen und nickte leicht mit dem Kopf. „Das könnte natürlich wahr sein! Ich halte es aber trotzdem für sicherer, den Pfad zu benutzen und es auszuprobieren, als am Ende im Magen eines Drachen zu landen!“ – „Ich aber nicht!“ Angelo hatte seine Entscheidung getroffen und jeder wusste, dass er so schnell nicht wieder davon abzubringen sein würde. Kermad legte ihm seine Hände auf die Schultern und sah ihm tief in die Augen. „Was bist du nur für ein mutiger Junge, Angelo!“ Sein Griff wurde fester. „Vielleicht funktioniert es ja wirklich, dass du dich am Torwächter vorbei schleichen kannst, während deine Freunde ihn mit ihren Drachengeistern ablenken. Oh ja, einen Versuch wäre es wert!“   Balotelli nickte fest entschlossen. „Worauf warten wir dann noch?“ Er streckte seine Hand aus und deutete an, dass sie darauf einschlagen sollte. Wendys behandschuhte traf auf Zephs hagere, Neils zitternde und Angelos relativ kleine Hand, dann legten noch Costas seine fleischige und Kermad seine faltige Hand hinzu. Es schien, als wären sie alle einen unsichtbaren Pakt eingegangen, der ihre Kräfte miteinander verband. „Kite Knights!“, begann Balotelli mit ernster Stimme. Sein italienischer Akzent war gänzlich verschwunden. „Das ist das wohl größte Abenteuer, das wir je miteinander erlebt haben. Und gemeinsam werden wir es auch überstehen!“  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)