The Place Beyond The Fire von Elvea (Dank dir bin ich stärker denn je) ================================================================================ Kapitel 2: Die Wahrheit über Kusagakure --------------------------------------- Gedankenverloren streifte Kakashi durch die schmalen Gassen des Dorfes, ohne wirklich darauf zu achten, wohin seine Füße ihn trugen. Er registrierte weder die neugierigen Blicke der Dorfbewohner, noch die zunehmend fortschreitende Verwahrlosung der Gemäuer, die dicht aneinander gedrängt standen und teils von Efeu überwuchert wurden. An vielen Stellen hatte sich die Natur bereits zurückerobert, was ihr gehörte, indem das Gras zwischen den Ritzen der Steine herauswuchs, mit denen die Wege gepflastert waren. Schließlich erregte ein kleiner Imbiss mit ein paar wenigen Sitzgelegenheiten Kakashis Aufmerksamkeit und er ließ sich dort nieder, um etwas zu trinken zu bestellen. „Sie sind wohl nicht von hier?“, stellte der Inhaber beiläufig fest, während er Sake in einen kleinen Becher goss und diesen vor seinem Kunden hinstellte. Kakashi schüttelte den Kopf. „Ich bin nur hier, um jemanden zu besuchen“, sagte er unbestimmt. „Da haben Sie sich aber eine wirklich ungünstige Zeit ausgesucht“, stellte sein Sitznachbar fest, der sich über eine dampfende Schüssel Ramen beugte. „Hier findet nämlich gerade ein Machtwechsel statt und das könnte Chaos geben“. Überrascht stoppte der Jonin aus Konoha ab, als er den Becher gerade zum Mund führte, ließ sich aber ansonsten sein Erstaunen, dass die Neuigkeiten so rasch die Runde machten, nicht anmerken. „Wie meinst du das?“, fragte er stattdessen. Der Angesprochene antwortete nicht gleich, sondern wechselte erst einmal einen bedeutungsvollen Blick mit dem Wirt. Dieser nickte schließlich leicht. „Die Königin ist gestorben und ihre kratzbürstige Tochter übernimmt das Ruder“, antwortete der Mann hinter dem Tresen. „Hm…“, brummte Kakashi. Schweigend löffelte der Dorfbewohner neben ihm seine Suppe, während er sich seinen zweiten Becher einschenken ließ. Eine Weile saßen sie so beisammen, jeder seinen Gedanken nachhängend, bis Kakashi erneut eine Frage stellte. „Sagt mal, gab es hier nicht einst auch einen König?“. Wieder wechselten die beiden Einheimischen einen Blick, diesmal einen Tick länger, bevor der Wirt meinte: „Ja, aber dazu kann ich dir nicht viel sagen. Da solltest du dich lieber an den alten Jo wenden, der in dieser alten, verfallenen Hütte am Rand des Bambushains wohnt. Der weiß alles, was du wissen möchtest“. Mit einer kurzen Verbeugung bedankte Kakashi sich, legte das zu zahlende Geld auf den Tresen und verabschiedete sich, um den Mann aufzusuchen, von dem ihm erzählt worden war. Er wusste nicht weshalb, aber aus irgendeinem Grund hatte er das Gefühl, es sei wichtig, sich so viele Informationen wie möglich anzueignen. Schließlich hatte er gelernt, seiner Intuition zu vertrauen. Es war nicht schwer, den gesuchten Alten zu finden. Es gab nur eine, etwas breitere Handelsstraße, die in Schlangenlinien durch den Ort führte. Aus der einen Richtung war Kakashi gekommen, deswegen musste sich dieser Jo in nördlicher Richtung aufhalten. Des Weiteren waren der erwähnte Bambushain nicht zu übersehen, nur das Erkennen der gut getarnten Hütte im Unterholz bereitete ihm kurze Zeit Schwierigkeiten. Entschlossen klopfte er an die morsche, verwitterte Eingangstür und wartete das krächzende „Herein“ nicht einmal ab, bevor er eintrat. „Ah, jaja, ein Ninja aus Konoha…“, murmelte der Alte, der in einem Lehnstuhl in einer Ecke des kleinen Raumes saß und sich die Beine mit einer Decke eingewickelt hatte. Der kleine Raum wurde dominiert von einem riesigen Tisch in der Farbe der Hütte und einem Bett mit einem schmutzigen, leicht ergrauten Laken. Rauch, der von der Pfeife stammte, an der der Bewohner genüsslich zog, nahm Kakashi fast den Atem. Er zupfte kurz an seiner Maske und fragte: „Bin ich hier richtig bei… Jo?“. Sein Gegenüber musterte ihn einen Augenblick, bevor er ihn mit einer ausholenden Geste aufforderte, auf dem einzig freien Stuhl im Raum Platz zu nehmen. „Womit kann ich Ihnen dienen, junger Mann?“, fragte Jo und hustete. Sein langer, weißer Bart hüpfte bei jedem Keuchen auf seiner Brust, sein Kopf jedoch war völlig kahl und mit einigen Leberflecken überzogen. „Ich benötige… Antworten“, erwiderte Kakashi knapp. „Vielleicht wird es endlich Zeit, uns mal jemandem von außen anzuvertrauen…“, murmelte Jo leise und ergänzte, bevor Kakashi sich Gedanken zu diesen rätselhaften Worten machen konnte: „Es wird kein Zufall sein, dass Sie hier auftauchen, kurz nachdem unsere Regentin gestorben ist“. „Da haben Sie wohl Recht“, bestätigte Kakashi seine Vermutung förmlich. „Ich bin ein Abgesandter von Konoha, der in Erfahrung bringen soll, wie es in Kusa no Kuni weitergeht, und wenn nötig, beim Aufbau einer stabilen Regierung mit anpacken soll“. „Das wird so einfach nicht sein“. Der Lehnstuhl quietschte, als der alte Mann sein Gewicht verlagerte, um Kakashi besser ansehen zu können. „Rücken Sie mal ein Stück näher, mein Junge, so gut sind meine Augen nicht mehr“. Der maskierte Ninja gehorchte seiner Aufforderung und schob sich etwas näher mit seinem nicht gerade stabil erscheinenden Stuhl heran. „Ja, ich sehe schon, du hast vertrauenswürdige Augen, zumindest das eine, das ich sehen kann… Hier im Dorf wird nicht gern darüber geredet, aber was soll‘s…“, nuschelte Jo und ergriff mit seinen runzeligen, mit deutlich hervortretenden Adern überzogenen Händen nach denen seines Besuchers. „Wollen Sie die traurige Geschichte unseres Dorfes hören? Für die reicht mein Atem noch“. Kakashi nickte und Jo strich sich erfreut über den Bart, bevor er mit dem Erzählen begann. „In Kusagakure regierte seit jeher immer ein Ehepaar und niemals ein Mensch allein. Königin Nala, nach der unsere Königstochter benannt worden ist, und König Tosuke hatten gleichberechtigt das Sagen hier und entschieden niemals, ohne sich mit dem anderen beraten zu haben. Wir glauben an die Macht des Gleichgewichtes, an Ying und Yang, Tag und Nacht, Sonne und Mond und eben Mann und Frau. Dieses Dorf gibt es noch nicht allzu lang, doch seit Nalas und Tosukes Regentschaft wuchs und gedieh es wie jeder andere Ort auch. Das einzige, was ihm fehlte, war ein Nachfolger für das Königspaar. Umso größer war die Freude, als die beiden endlich eine Tochter bekamen, als sie die Blüte ihres Lebens bereits überschritten hatten. Sie nannten sie Rike, und gemäß der Tradition wurde sie mit dem gleichaltrigen Sohn einer Familie verheiratet, die das höchste Ansehen im Dorf genoss, kaum dass Rike alt genug war. Der Fortbestand der glücklichen Herrschaft Kusagakures war gesichert und es begann die Zeit der ausgelassensten Feste, die dieser Ort je gesehen hat. Womit jedoch niemand gerechnet hatte war, dass sich Rike verliebte… Jedoch nicht in ihren rechtmäßigen Ehemann, Takahiro, sondern dessen Bruder Hiroshi. Vorbei war es mit der Idylle, denn die Geschichte Kusagakures sieht eine Liebesheirat nicht vor und erst Recht keine Scheidung, nachdem ein Paar einmal den Bund der Ehe geschlossen hat. Aufgrunddessen geschah etwas Einmaliges – ein Bruder forderte sein eigen Fleisch um Blut zum Kampf um eine Frau auf. Für solch einen Fall existieren keine Gesetze, doch Takahiro sah sich in seinem Stolz beleidigt und willigte ein in der Annahme, dass er gegen seinen kleinen Bruder gar nicht verlieren könnte. Es kam wie es kommen musste und Hiroshi landete entwaffnet mit der Nase voran im Dreck. Auch wenn seine eigene Frau Takahiro nicht die gleichen Gefühle entgegenbrachte, liebte er sie doch von ganzem Herzen und hatte sich deshalb mit all seiner Leidenschaft in den Kampf geworfen. An der Leidenschaft seiner Frau änderte dies jedoch nichts… Zwei Jahre nach diesem Ereignis wurde Rikes Tocher geboren. Der Termin ihrer Zeugung jedoch musste zu einem Zeitpunkt gewesen sein, an dem der König für einige Wochen auf Reisen gewesen war. Zwar sah das Baby ihm ähnlich, dennoch wusste er, was es zu bedeuten hatte – sein Bruder und seine Frau hatten ihre Liebschaft nicht aufgegeben. Takahiro ertrug die Schmach und den Herzschmerz nicht, die ihm zugefügt wurden, und erhängte sich im gemeinsamen Schlafzimmer. Sie müssen wissen, dass die Dorfbewohner von all dem nicht viel mitbekommen haben. Sie wussten von der Liaison zwischen der Königin und ihrem Schwager, hielten jedoch überhaupt nichts von dem Ehebruch. Sie trauten sich allerdings nicht, ihre Regentin öffentlich zu verunglimpfen, und richteten deshalb all ihren Zorn auf ihren Liebhaber Hiroshi. Er habe ihr etwas unter das Essen gemischt, nachdem er von seinem Bruder öffentlich im Kampf besiegt worden war, und sie dadurch verführen können, womöglich hatte er sogar Takahiro umgebracht. Schließlich gelang es ihnen, Hiroshi aus dem Dorf zu vertreiben und zurück blieb die Königin, ein Mensch, der zum ersten Mal in der Geschichte Kusagakures allein regierte. Mit all der Professionalität, die sie aufbringen konnte, nahm sie die Geschäfte in die Hand und verschloss ihren Schmerz in ihrem Herzen. Entgegen aller Erwartung gab es keinen Einbruch in der Wirtschaft und den Einwohnern ging es besser denn je. Hiroshi jedoch konnte seinen ehemaligen Nachbarn, Freunden und allen anderen ihr Verhalten ihm gegenüber nicht verzeihen und schwor deswegen Rache. Worin diese Rache besteht, weiß niemand so genau. Ob er das Dorf zerstören will oder gemeinsam mit Rike verschwinden… Rikes Tod wirft jetzt natürlich neue Fragen auf“. Während der ganzen Geschichte hatte Kakashi sich kaum bewegt, um Jo keinen Anlass zu geben, sich zu unterbrechen. Es würde wirklich nicht mehr allzu lang dauern, bis er seine Augen für immer schloss. Erschöpft ließ sich dieser zurück in seinen Stuhl sinken und zog erneut kräftig an seiner Pfeife. „So ist das also gewesen…“, sagte Kakashi nachdenklich. Der Alte nickte nur erschöpft. „Aber woher wissen Sie das alles?“. Er seufzte tief, bevor er antwortete. „Ich bin der Onkel von Takahiro und Hiroshi“. Die Augen des Besuchers weiteten sich vor Erstaunen. „Und was ist ihre Ansicht zum Verhalten der Dorfbewohner?“. Ein tiefes Grollen erklang aus Jos Kehle, was er kurz danach als Lachen identifizierte. „Ich stehe auf der Seite von Vergebung und Verständnis, mein Junge, merken Sie sich das“. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)