The Place Beyond The Fire von Elvea (Dank dir bin ich stärker denn je) ================================================================================ Kapitel 4: Reden kann auch Gold sein ------------------------------------ Der Mond schien durch die breite Fensterfront, ließ das Bett, auf dem Kakashi mit hinter dem Kopf verschränkten Armen lag, jedoch völlig im Dunkeln. Er starrte den Baldachin des Himmelbetts an und ließ seine Gedanken in der Stille der Nacht kreisen. Hin und wieder war ein Eulenschrei zu hören, den er jedoch kaum wahrnahm. Er wurde nach wie vor nicht schlau aus der jungen Königin. Als er sie das erste Mal zu Gesicht bekommen hatte, hielt er sie für ein nahezu verwahrlostes Mädchen, das für ihre Pflichten noch nicht alt genug war, und mit dem er viel Arbeit haben würde, was das Beibringen des Regierungsgeschäfts anging. Doch nach der Rede, die er vom Inneren des Saals aus verfolgt hatte, konnte er mehr Zutrauen zu ihr gewinnen, auch wenn ihr Verhalten sie wie ein arrogantes, verwöhntes Gör wirken ließ. Kurz darauf war ihm klar geworden, wie viel von dem Fassade war, was Nala den Menschen darbot. Sie war weder verwahrlost noch verwöhnt oder arrogant, die Unsicherheit und eine tiefe Traurigkeit hatten sie bloß fest im Griff. Die Ablehnung von Hilfe bewies nur ihren Stolz und ihren Drang nach Unabhängigkeit. Vielleicht fühlte sie sich aber auch einfach nur einsam und verhielt sich deshalb so abweisend, weil sie anderen Menschen nicht traute. Es war nichts Ungewöhnliches in der Ninja-Welt, früh erwachsen werden zu müssen, weshalb er kein Mitleid mit ihr hatte, aber ihre Art faszinierte ihn, auch wenn sie in dem einen oder anderen Gebiet sicherlich noch etwas Nachhilfe benötigte. Derlei Gedanken nachhängend riss ihn erst das leise Geräusch der Tür aus seiner Starre und er richtete sich sofort auf. Aus Reflex griff er gleich nach dem Kunai in seiner seitlichen Hosentasche, doch es war nur Nala, die wie eine Geistererscheinung auf der Schwelle stand und leicht verstört wirkte. Ohne ein Wort zu sagen, ließ sie sich auf dem in Mondlicht getauchten Fußboden nieder und sah ihn an. „Kann ich mit dir reden?“. Auf einen Schlag hellwach, nickte Kakashi und setzte sich neben sie in den Schneidersitz. Ohne Umschweife begann sie zu erzählen. Über ihren Schmerz, ohne Vater aufgewachsen zu sein, über ihre dennoch glücklich verlaufene Kindheit, über ihr Gefühl der Einsamkeit, darüber, ihrer Mutter nicht gut genug gewesen zu sein, über ihre Angst, ihrem Amt nicht gewachsen zu sein und über die Trauer, nicht ein letztes Gespräch mit Rike führen zu können. Nala redete ohne Unterlass und Kakashi hörte ihr zu, ohne ein Wort zu sagen. Es musste ihr viel Kraft gekostet haben, all das loszuwerden, worüber sie offenbar noch nie gesprochen hatte, und irgendwann schlief sie mitten im Wort ein, während sie sich auf dem Fußboden ausstreckte. Eine Weile beobachtete Kakashi ihre ruhigen Atemzüge und die langen Wimpern, die dunkle Schatten auf ihre bleichen Wangen warfen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich unter dem Gewand vom Tage, das sie offensichtlich nicht abgelegt hatte, was bedeutete, dass sie sich gar nicht erst zum Schlafen hinlegen wollte. Einige Haarsträhnen wiesen ein dunkleres Braun auf als die anderen, was daraufhin wies, dass sie feucht aufgrund der Tränen waren. Kurz entschlossen schob er einen Arm unter ihre Knie und mit dem anderen stützte er ihren Rücken, um sie hochzuheben und in sein Bett zu legen. Nachdem er sie zugedeckt hatte, zog er sich einen Stuhl heran und nickte kurz darauf ebenfalls ein. Am nächsten Morgen erwachte Nala als erste. Ihr war schummerig und sie hatte Schwierigkeiten, sich zu orientieren. Wo war sie? Wie war sie in dieses Bett gekommen? Dann erst erkannte sie Kakashi, der auf dem Stuhl saß und anscheinend noch schlief. Zumindest war sein Kopf auf die Brust gesunken. Sie sah an sich herunter und stellte fest, dass sie unter ihrem Gewand und der Decke in der Nacht ziemlich stark geschwitzt hatte. So leise wie möglich glitt sie unter dem Bettzeug hervor und machte sich auf den Weg ins Bad. Sanft schloss sie die Tür hinter sich und merkte nicht, dass Kakashi sie unter halb geschlossenen Lidern beobachtet hatte. „Verdammt, verdammt, verdammt“, fluchte sie, als sie sich im Spiegel betrachtete. Ihr Haar stand wie wild vom Kopf an und die verquollenen Augen sprachen Bände. So schnell sie konnte sprang sie unter die Dusche und stellte das heiße Wasser an, was ihr eine ideale Gelegenheit verschaffte, zu rekapitulieren, was letzte Nacht geschehen war. Deutlich erinnern konnte sie sich vor allem daran, wie sie unaufhaltsam von ihren Gefühlen überflutet wurde, als hätten Kakashis Fragen, die sowieso schon einen wunden Punkt getroffen hatten, die Schleusen bei ihr geöffnet. Bis tief in die Nacht hatte sie sich in ihrem Büro zusammengekauert und wie ein Schlosshund geheult, während sie fest der Meinung gewesen war, keine Gesellschaft zu wollen. Erst dann war ihr aufgefallen, wie sehr sie einen Gesprächspartner brauchte – es fühlte sich fast so an, als würde sie implodieren, wenn das so weiter ging. Deswegen hatte sie Kakashi aufgesucht. Offenbar tat es gut, sich alles von der Seele zu reden, denn trotz allem fühlte sich sich merkwürdig frisch und ausgeruht. Nachdenklich shampoonierte sie sich die Haare. Trotzdem musste sie heute die liegengebliebene Arbeit in Angriff nehmen. Vielleicht war es gar nicht so übel, eine erfahrene Hilfe zu haben, die ihr über den Anfang hinweghalf. Trotzdem widerstrebte es ihr, sich von jemandem unterstützen zu lassen, auch wenn ihr derzeitiger Zustand ihr deutlich aufzeigte, wie gut es ihr tat. In ein flauschiges, blaues Handtuch gehüllt und von dem Wasserdampf aus der Dusche umgeben kehrte sie in das Gästezimmer zurück. Kakashi saß nach wie vor auf dem Stuhl, las jedoch nun in einem orangenen Buch, dessen Titel Nala von ihrem Standort aus nicht erkennen konnte. Er schien ziemlich darin vertieft zu sein, denn ihr Eintreten hatte er gar nicht bemerkt. Was jemand wie er wohl las? Sicherlich keine leichte Lektüre. Erst als sie ihm forsch einen guten Morgen wünschte, sah er auf und ließ prompt sein Buch fallen. „Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken“, sagte sie ernst und lief durch das Zimmer, eine Tropfspur hinterlassend, ohne sich von seiner Anwesenheit stören zu lassen. Sich am Hinterkopf kratzend hob der Ninja das Buch auf und murmelte etwas vor sich hin. Erst da konnte sie einen Blick auf den Titel erhaschen. „Flirtparadies?!“, fragte sie irritiert und zupfte an dem Handtuch. Er musste sich räuspern, bevor er ihr antworten konnte. „Äh… Ja, eins meiner Lieblingsbücher. Ich habe es schon einmal gelesen“. Angewidert rümpfte Nala die Nase. „Bist du etwa auch so ein Perversling? Ich habe schon von solchem Schund gehört." „Quatsch. Ist bloß gut geschrieben“, erwidert er und packte das Buch weg. Trotzdem schien er immer noch etwas zerstreut zu sein. „Ist was?“, fragte sie, die Hand auf dem Türgriff. Vehement schüttelte Kakashi den Kopf und hustete. „Na dann. Wir sollten am besten gleich loslegen“. Sein sichtbares Auge weitete sich und eine leichte Röte überzog den Teil seines Gesichts, der zu erkennen war. Mittlerweile hatte er sich erhoben und ließ seinen Blick ziellos durch den Raum schweifen, tunlichst vermeidend, sie anzusehen. „Womit?!“. „Na, mit der Arbeit, womit sonst? Ich gehe mir nur schnell etwas anziehen. Wir treffen uns gleich in meinem Büro“. Mit diesen Worten verschwand sie und ließ mit einem lauten Knall die Tür zufallen. Vielleicht würde das Kakashi endlich mal aus seiner Lethargie reißen, die ihn offenbar an diesem Morgen befallen hatte. Mit einem Schulterzucken suchte Nala ihr eigenes Schlafgemach auf und wühlte sich durch ihren Kleiderschrank, bis sie etwas Bequemes gefunden hatte. Heute würde sie die meiste Zeit in ihrem Arbeitszimmer verbringen, da konnte sie ruhig diese Aufmachung tragen. Sie band sich noch schnell die Haare zu einem Knoten zusammen und ließ das Handtuch über einem Stuhl hängen, damit es die Zofe nachher waschen konnte. Als die beiden sich erneut trafen, hatte Kakashi sich offensichtlich wieder gefasst. Jedenfalls wirkte er wieder so kompetent am Tag zuvor. Immer noch hatte keiner von ihnen Nalas Gefühlsausbruch und Rededrang erwähnt, aber die Arbeit hatte für sie momentan wirklich Vorrang. Sie musste ausnutzen, dass sie sich halbwegs ausgeglichen fühlte, und Kakashi schien sowieso nicht der Gesprächigste zu sein. Den ganzen Tag verbrachten die Königin und ihr Helfer damit, sich einen Überblick über die Akten zu verschaffen. Zwar hatten Rike und ihr Schriftführer keine Unordnung hinterlassen, dennoch war es nicht gerade leicht, sich durch all diese Dokumente zu wühlen. Die Sonne vollzog ihre Bahn über den Himmel und sie machten nur Pause, um etwas zu essen und zu trinken. Als schließlich der Abend hereinbrach, verabschiedete sich Kakashi mit dem Versprechen, ihr am nächsten Tag etwas über Organisation und Aufbau eines Landes beizubringen. Ohne noch viele Worte zu verlieren, verschwand Nala in ihr eigenes Zimmer und sogleich unter die Decke ihres weichen Betts. Es dauerte keine zehn Sekunden, da war sie vor Erschöpfung bereits eingeschlafen. Kakashi, der sich am anderen Ende des Flurs in dem Gästezimmer aufhielt, fand jedoch noch bis spät in die Nacht keinen Schlaf. Er wälzte sich hin und her und kam einfach nicht zur Ruhe, ohne den Grund dafür zu wissen. Weit und breit war keine Wolke zu sehen, nur die Sonne schien herab und wärmte alle, die sich draußen aufhielten, angenehm. Kakashi hielt sich bereits einen Monat in Kusagakure auf und hatte sich mittlerweile an seinen Alltag gewöhnt. Hin und wieder schickte er Botschaften an Tsunade und berichtete ihr, wie er mit seiner Arbeit vorankam. An diesem Tag überzeugte ihn Nala zu einem Spaziergang in der freien Natur, um ihm einen Ort zu zeigen, an dem sie als Kind oft gespielt hatte. Nach den ganzen Aufgaben und der Lernerei, die sie zu erledigen hatte, gönnte er ihr eine Pause und willigte ein. Kakashi hatte seine Weste abgelegt, weil die Wärme ihm sonst eher unangenehm erschien. Er streckte die Arme, bis es knackte, während er vor dem Palasteingang auf Nala wartete, die sich etwas Leichteres anziehen wollte. Aus den Augenwinkeln nahm er einen jungen Mann war, der mit undurchdringlicher Miene an einer Mauer lehnte. Das braunrote Haar fiel ihm in die Stirn und eine Nase war mit Sommersprossen gesprenkelt, was ihm ein offenes, freundliches Aussehen verliehen hätte, wären da nicht seine dunkle Augen gewesen, die einen hasserfüllten Ausdruck zur Schau trugen. Der Kerl wäre Kakashi überhaupt nicht aufgefallen, wenn er ihn nicht unverwandt mit einer spürbaren Intensität angestarrt hätte. Als Nala die Treppe hinuntergelaufen kam, war er für kurze Zeit abgelenkt, und als er wieder zur Mauer sah, war der Unbekannte verschwunden, so dass er die Königin nicht einmal fragen konnte, wer das gewesen sei. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)