Wings of emotion~ von Wei_Ying (Ereri~) ================================================================================ Kapitel 8: Survive ------------------ Fasziniert von dem leichten Lächeln in Rivailles Gesicht, welches dem Jungen einen Stich im Herzen gab, wäre Eren beinahe mit seinem Pferd in das Hinterteil des Vordermannes reingeritten. Er erschrak kurz und richtete seinen Blick nach vorn. Sie waren bereits viele Meter außerhalb und in der Ferne erkannte Eren auch bereits die ersten Titanen, unterwegs auf Beutezug. Direkt wurde es in seinem Magen wieder flau. Wie in Erwins Plan beschrieben scherten die Reiter aus und teilten sich in zwei Gruppen auf. Eren, dicht umrundet von den anderen, folgte seinem Vorgesetzten fast blind. Seine Augen fixierten den Schwarzhaarigen so sehr, dass es ihm schwer fiel, sich auf die nähernden Titanen und der eigentlichen Mission zu konzentrieren. Er bemerkte auch erst mit Verzögerung, dass sie auf einen Wald zuritten. Mikasa ritt die ganze Zeit neben ihm, bedachte ihren Bruder mehrfach skeptischen Blickes und immer wieder gab ihr sein Verhalten Fragen auf und es schmerzte ihr im Herzen. Sich vor den anstürmenden Riesen schützend, stürmte der Truppe in den Wald. Rivaille musste gar nicht großartig kommandieren, die Soldaten hinter ihm folgten ihm einfach geschwind auf die Bäume. Mithilfe ihrer Ausrüstung beförderte sich auch Eren ziemlich schnell auf einen Baum, war dabei aber auch nicht sehr geschickt, da er offensichtlich darauf fixiert war, auf dem selben Ast wie sein Vorgesetzter zu stehen. Der Junge rutschte mit einem Fuß halb nach hinten, und hätte er sich nicht mithilfe einer ulkigen akrobatischen Einlage, bei der er übel auf seinem Gesäß aufkam, gerettet, hätte er womöglich bereits als Titanenfutter enden können. Denn drei der Wesen waren ihnen in den Wald gefolgt. Einer von ihnen bewegte sich auf allen Vieren fort. Ein ‚unnormaler‘ Titanentyp, wie man solche mit spezieller Fortbewegung, Haltung, Handlung, Aussehen und anderen Merkmalen bezeichnete. Aber zum Glück waren sie alle drei für ihre Spezies gemessen eher klein, keiner überragte die Sieben Meter Marke, womit die Soldaten vorerst in Sicherheit waren. Die beiden Aufrechtgehenden Riesen hatten sich an zwei dicke Baumstämme gepresst, ihre hässlichen, hungernden Gesichter und ihrer großen, aufgerissenen Augen hatte die Beute entdeckt und sie versuchten, mit ihren Händen nach ihnen zu schnappen. Für die anwesenden Menschen ein immer wieder fragwürdiges, aber auch belustigendes Schauspiel. Eren sah mit zerknirschtem Blick zwischen den Titanen und Rivaille hin und her. Die Kämpfer rührten sich nicht und behielten zunächst in vermeintlicher Ruhe den Überblick. Andere Titanen waren nicht zusehen. „Wo ist der dritte jetzt?“ rief Jean wild umherwirbelnd vom gegenüberliegenden Ast aus, Erens Herzschlag begann wieder, wie verrückt zu pulsieren. Tatsächlich, der abnormale Titan war nicht mehr zu sehen. Warum wartete Rivaille auch so ewig mit dem Tötungsbefehl? Es war doch verrückt für sie, nahezu jeden Titanen gefangen zu nehmen, der auch nur irgendeine spezielle Verhaltensweise aufzeigte. Sie töten wäre für ihn das Einfachste! Die Hand des Jungen zuckte, aber er weigerte sich vehement, seine Titanenwandlung auszulösen, das würde nur unheilvolles Chaos verursachen. „Ihr da oben haltet die Stellung und konzentriert euch auf den Unnormalen!!“ befahl der Corporal nun endlich mit eisiger, aber effektiver Stimmgewalt. Die zehn höherstehenden Soldaten positionierten sich unweigerlich in Kampfhaltung und zogen ihre Klingen. „Und wir kümmern uns um diese Drecksviecher hier!“ Rivaille sprach in deutlichen, ernsten Ton und sein Blick drückte so sehr auf Erens Gewissen, dass es wehtat. Er durfte bloß keinen Fehler machen. Und er musste um jeden Preis seine Emotionen unter Kontrolle halten. Er nickte ihm zu und mit einem Mal schossen mehrere Soldaten nach unten, hochkonzentriert, das Adrenalin in den Adern spürend. Aber was sollten sie auch anderes tun. Sicher nicht auf Verstärkung der Riesen warten. Oder sich direkt fressen lassen. Mit einem irren wutentbrannten Gebrüll stürzte sich Eren auf den Nacken des Titans unter ihm. Ein weiterer Soldat flog in hohem Bogen über ihn her und versuchte, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Der monströse Riese polterte irritiert einen Schritt nach hinten, ehe er mit einer Hand irgendwo zwischen Eren und dem anderen griff. Der Junge zischte mit einer Schraube an einigen Haarspitzen des Wesens, welches nun mehr oder weniger um sich schlug und die Situation nicht einfacher machte, vorbei und feuerte einen Haken in Richtung seines Nackens, allerdings landete der Haken mehr auf der Schulter, zudem wäre Eren jetzt beinahe geschnappt worden. Hektisch zog sich der Junge an das umhertrampelnde Monster heran und kreuzte angriffslustig die Schwerter. Noch bevor der Titan sich umdrehte, um nach Eren zu schnappen, spaltete der brünette Junge ihm mit viel Blutgewirbel den Nacken. Dabei brüllte er kampfeslustig und adrenalinerfüllt rum. Einer weniger! Hektisch keuchend, ein paar Blutspritzer an der Uniform beklagend, schwang Eren sich durch den aus dem toten Titanenkörper aufsteigenden Qualm und erkannte im Augenwinkel, dass Mikasa soeben den anderen Riesen zur Strecke bringen konnte. Einen kleinen, inneren Erfolg für sein Ego konnte er verbuchen. Fast euphorisiert zielte Eren wieder auf ein paar höhere Äste, um sich erstmal wieder in Sicherheit zu bringen, doch ein scheppender Knall hinter ihm durchbohrte dieses Vorhaben. Es gab in Reihen der Soldaten mehrere Aufschreie. Eren wirbelte herum, sein Herz schlug ihm plötzlich bis zum Hals und ihm schwante Böses. „Corporal Rivaille!!“ hörte er eine quietschende Frauenstimme rufen. Eren schnaubte und landete aufgrund einer plötzlichen Schockstarre mitten auf dem toten Körper des anderen Titans. Rivaille hockte am Boden, seine Ausrüstung schien beschädigt, denn sonst würde er wohl kaum in Angesicht der Feinde auf dem Boden kauern. Noch mehr aber erschreckte den Jungen der blutende Arm seines Vorgesetzten. Wie war ausgerechnet ihm das so passiert? Rivaille war im Kampf gegen gewöhnliche Titanen absolut unfehlbar. „Duuu!“ quietschte die Mädchenstimme über ihm lauthals. Eine blonde Kämpferin hatte sich über ihn in die Luft geworfen, Sekunden später legte sich ein großer Schatten über sie alle. Es ging alles so verdammt schnell, dass Eren kaum mitkam. Verdammt. Sie hatten die Situation aus ihrer Kontrolle verloren. Über seinen Kopf sprang der abnormale Titan plötzlich hoch in die Luft und entfesselte damit ungebremst Windstöße. Er hatte nun das blonde Mädchen fixiert, die ihm vor lauter Tumult fast in den Mund gesprungen wär. Jean schlidderte indes nur knapp an dem Nacken des Monsters vorbei, der die Haken in einem weiteren hohen, fast Froschartigen Sprung abschüttelte. Der aschblonde Junge landete etwas unsanft auf seinen Knien und wirbelte, mit einem zu Tode genervten Stöhnen sofort wieder rum, um den Riesen nicht aus seinen Augen zu verlieren. „Christa!! Weg da!!“ Beherzt sprang eine große Person mitten durch Erens Sichtfeld und schaffte es, das blonde Mädchen zu fangen und aus der Schussbahn zu befreien. Der Titan hatte sie fast gegriffen und um Haaresbreite zerquetscht. Doch so landete das Monster mit einem Scheppern auf dem Boden direkt neben dem paralysierten Eren. Jetzt hatte ihn das hässliche Geschöpf ins Visier genommen. Der Junge schnaubte, er spürte einen immensen Hass in sich aufflammen. Seine Hand zitterte. Ein Teil in seinem Kopf rief ihm zu, er solle sich verwandeln, doch seine Vernunft siegte – noch. „EREN!!!!!! DU DRECKSBALG VERPISS DICH VON DA!!!!“ Eren zuckte, sein Atem setzte aus. Rivailles Stimme! Der Junge zuckte, drehte sich, am ganzen Leib zitternd um und sah seinen Vorgesetzten humpelnd, aber mit einem unbändigen Drang, auf sich zu marschieren. Es rummste plötzlich, Rivaille und Eren verloren kurzzeitig den Halt und Ersterer bekam nur noch schwer Luft. Wieder war der Titan in die Höhe gesprungen – und seine Augen waren groß und versprühten die pure Essenslust. Kurz bevor Rivaille seinen schockierten Schüler erreichte, der scheinbar mit sich und seinem Drang, sich verwandeln zu müssen, kämpfte. Die Bilder der letzten großen Expedition schossen sich ins Gedächtnis des Jungen. Diese Bilder, als der weibliche Titan Rivailles Spezialeinheit gänzlich auslöschte und sie wie Fliegen zerlegt hatte. Bilder des puren Grauens, sein Herz wurde schwer wie Stein und er konnte sich nicht rühren – und das obwohl der Titan ihn – und auch Rivaille – jede Sekunde schnappen könnte. „EEEEREEEEN!!!!!!!!!!“ Überhastet zog der Corporal den Jungen an dessen Umhang weg. Der Junge spürte ein Ziehen im Hals, ein Stechen im Bein und er erstickte fast, als Rivaille ihn aus der Gefahrenzone schmeißen wollte. Doch etwas schnappte den Braunhaarigen an dessen Fuß und zog ihn in Windeseile in die Luft nach oben, sein Magen drehte sich mehrfach um, und ihm wurde auf der Stelle ganz flau. Der Titan musste ihn erwischt haben! Verflixt. Eren schnappte nach Luft, geistesgegenwärtig schoss er seine Haken nach unten, in der Hoffnung, sich direkt wieder losreißen zu können, doch das Vieh drückte und um fasste nun mit einer unsäglichen Kraft die Beine, dass ihm vor Schmerz fast schwarz vor Augen wurde. Nein! Ein Schrei des Monsters dröhnte dermaßen schrill und laut durch den Wald, dass es jegliche Adern gefrieren ließ. Ein Poltern verstärkte dies, Eren ballte sich binnen einer Millisekunde die Faust und wollte sich augenblicklich in seinen Finger beißen, doch dadurch, dass der Titan ihn plötzlich ruckartig runterriss, verfehlte er mit seinem scharfen Gebiss seinen Daumen knapp und ratschte sich stattdessen den Arm auf. Eine sofortige Titanenwandlung könnte ihn jetzt am Ehesten retten! Das musste klappen! Vollkommen durch den Wind geschossen, mit mindestens zehn Knochenbrüchen in den Beinen, Schmerzen der Hölle und sicher nicht mehr weit vom Mund des gefräßigen Riesen entfernt, setzte der völlig aufgelöste Junge wieder zum Biss an – Und fiel, ehe er die Verwandlung auslösen konnte, einige Meter herab und kam mitten in einem Gebüsch auf. Gottseidank landete er einigermaßen weich und brach sich nicht viel mehr als ohnehin schon. Aber was war passiert, wenn er jetzt weder gefressen wurde noch selber zum Riesen geworden war? Der Junge spuckte seinen halben Mageninhalt aus, spürte seine eigenen Beine kaum noch und die Schmerzen vernebelten ihm immer mehr die Sinne. Die Dunkelheit der Ohnmacht übermannte ihn mehr und mehr. Er kratzte mühsam den Dreck unter sich zusammen und wartete, obwohl das kaum sein konnte, darauf, dass er gefressen würde. „H-Heichou… v…vergib mir….“ Keuchte er kraftlos und voller Reue. Er verdiente wohl wirklich nichts anderes als den Tod. … „Was tun wir jetzt am besten, Corporal Rivaille?“ – „Wir versorgen den kleinen Bastard noch ein bisschen, und dann kämpfen wir weiter gegen diese bestialische Horde da unten… was denn sonst, tse?“ Eren blinzelte, ihm fielen einzelne Sonnenstrahlen direkt in die Augen. Der Schmerz in seinen Beinen hatte deutlich nachgelassen, dennoch zog und brannte es immer noch ganz schön in seinen Gelenken. Unter ihm vernahm er lautes Getrampel, und besonders gemütlich lag er auch nicht. Sein Blick wanderte umher. Bei einem kleinen Mann mit schwarzen Mittelscheitel und verbundenem Arm blieb er stehen. Rivaille! Er starrte finster herab und richtete seine Ausrüstung. „Ist hoffentlich wieder funktionsfähig“ stellte er herablassend fest und wischte mit einem kleinen Tuch über den Gasbehälter. Es ging ihm wohl körperlich gut genug, dass er seinen Sauberkeitswahn zur Genüge ausleben konnte. Das beruhigte Eren tatsächlich ein Stückweit. „Eren!!!“ rief ihm eine wohlbekannte Frauenstimme von der Seite zu. „Du bist wieder zu dir gekommen… geht’s mittlerweile mit deinen Beinen?!“ – „M…Mikasa…“ er sah mit feuchten, leicht geröteten Augen zu ihr hoch. Nach Ewigkeiten hatte sie wieder mit ihm gesprochen. Er wollte sich schnurstracks erheben, um die Lage noch einwenig zu checken, doch seine Schwester hielt ihn zurück. „Du liegst hier auf einem Ast und unter uns sind hungrige Titanen! Pass auf dass du dich in deinem Zustand nicht zu sehr rührst!“ Eren tat wie geheißen, auch wenn ihn für gewöhnlich diese Bemutternde Art Mikasas total nervte. Aber sie verhielt sich ihm gegenüber wieder vollkommen typisch, und das beruhigte ihn. Die Tatsache, dass unter ihm weitere Riesen lauerten, ließ ihn innerlich aber wieder aufkochen. „Du dreckiges…. Widerliches…“ Rivaille hatte sich erhoben und blickte bösartig zu Eren hinab. Dessen Herz begann direkt wieder mehr, gegen seinen Hals zu pochen. „Mach das nie wieder!!!!!“ Er war im Begriff, seinen Fuß einfach demonstrativ auf Erens kaputtes Knie zu drücken und ihm Schmerzen der Strafe zuzufügen, doch dazu fehlte dem angsteinflößenden Mann scheinbar schlichtweg die Ruhe und Zeit. „Begibst du dich noch einmal in eine Solche Gefahr, bist du M-A-U-S-E-T-O-D!! Kapiert?!“ Er wies Mikasa auf, sich wieder in Kampfposition zu stellen. Mit einem letzten sorgenvollen Blick auf ihren Bruder tat sie wie befohlen und entschwebte zu einem anderen Ast. Rivaille drehte ihm den Rücken zu, blieb aber noch ein paar Sekunden auf dem Blattgewirr unter ihm stehen und blickte nahezu majestätisch auf Eren zurück. „Bleib hier und rühr dich ja nicht vom Fleck, du Mistkerl!“ drohte er ihm finster, sein eisiger Blick unterstrich diese Aussage perfekt. Eren nickte ehrfürchtig. „M-Moment! Heichou… was ist mit dem Abnormalen??“ warf er seinem Vorgesetzten gehetzt hinterher, als dieser grade zum Gehen ansetzte. „Den haben wir gekillt!“ schnaubte Rivaille kurz, und dann war er auch schon verschwunden, ehe Eren weiter nachhaken konnte. Schnaufend und noch immer ohne großartig Gefühl in den Unterschenkeln zu spüren, lehnte sich der Junge langsam zurück und schlug, wütend über sich selbst, gegen den Nebenliegenden Ast. Er hatte es schon wieder verbockt und war nun gezwungen, tatenlos daneben zu liegen, während seine Kameraden da unten um ihr Leben rangen. Besonders um den angeschlagenen Rivaille machte er sich Sorgen. Er knirschte verzweifelt mit den Zähnen, aber da er so unmöglich aufstehen konnte, war es wirklich sicherer, liegen zu bleiben. Er lugte stattdessen mit einem Auge durch das Ast- und Blättergewirr unter ihm. Nicht sehr weit unter ihm kratzte ein Haufen hungriger Titanen an der Holzrinde des Baumes und lauerten auf die Menschen da oben. Am liebsten hätte Eren ihnen von oben direkt in die hässlichen Fratzen gekotzt. Der Junge knurrte und wünschte sich nichts weiter, als dass seine Mitkrieger aus ihnen Kleinholz machen. Mehr als inständig hoffen und an sie glauben konnte er nicht. Wie auf Knopfdruck streckte Rivaille die Hand in die Höhe und blas zum Angriff. Alle unverletzten Soldaten waren in Reih und Glied auf den Bäumen versammelt und Parallel sprangen sie hinab, umkurvten geschickt die greifenden Hände der Titanen. Ein wirres Gemetzel folgte, die Titanen streiften wild umher, grabschten nach den kleinen Menschenwesen, doch keiner von ihnen ließ sich erwischen. Rivaille drehte in altbekannter Manier besonders viele Pirouetten in seinem Flug, ignorierte seine Armverletzung vollkommen und schoss mit einer Affengeschwindigkeit auf zwei Riesen zu, die zusammengeknubbelt nach Beute suchten. Hie und da schrien manche Kämpfer aus, alle sie waren hoch konzentriert, diese Monsterwesen nieder zu strecken. Mit einer nahezu unglaublichen Leichtigkeit schlitzte Rivaille den beiden Geschöpfen den Nacken auf und tötete sie, noch bevor diese ihn überhaupt in ihr Visier nehmen konnten. Mikasa machte es ihm gleich und brachte ebenfalls zwei Titanen zu Fall. Ein Schrei von der Seite forderte nun deren Aufmerksamkeit. Jean hatte ein paar Millisekunden nicht aufgepasst und war in die Fänge eines Titans geraten. Am Bein hielt das Wesen den Soldaten fest und sicher fackelte es nicht lange, um ihn sich in den Mund zu schieben. Der aschblonde Soldat schrie auf, versuchte sich, vehement sich mit seinen Händen rauszukloppen, doch die Finger des Titans waren stärker und drückten immer mehr zu. Heldenhaft sprang Mikasa dann vom nächsten Baum und zielte auf eben diesen Titan, der sich sein Futter bereits zurecht gelegt über das stinkende, große Maul hielt. Jean zappelte trotz immer stärkerer Schmerzen im unteren Körperabschnitt wie ein Fisch, den man an Land gezogen hatte und wollte sich nicht aufgeben. AAAAAAH!- Sich auf das schlimmste vorbereitend, kniff Jean die Augen zusammen, schrie und fiel plötzlich, wie ein Pfeil geradewegs nach unten. Für ihn waren die letzten Sekunden wohl gezählt. Er würde seinem besten Freund aus Trainingszeiten in den sicheren, grausamen Tod folgen. Sein einziger und letzter Trost. Schwärze erfüllte sein Herz. „JEAN!! Los, auf mit dir!“ Der junge Mann zwinkerte und fand sich nicht im Inneren eines Titans, sondern vor einem Gebüsch auf dem Schlachtfeld wieder, wo mehrere Riesenkörper tot aufeinander gestapelt waren und garstig riechenden Dampf ausstießen. Als er eine angestrengte Mikasa erblickte, hüpfte sein Herz. War er doch nicht gestorben? Auf Rivailles Befehl hin legte Mikasa ihre wärmenden Arme um den verletzten Jungen, der seine bestialischen Beinschmerzen durch die wohltuende Umarmung des Mädchens fast vergaß. Schnaufend beförderten die beiden sich wie alle anderen nach oben. Dort saßen die Kämpfer, die sich erstmal mit ein wenig Wasserproviant stärkten und neue Flüssigkeit tankten. „Und dabei dachte ich, du wolltest Eren mal wieder voraus sein“ zischte Mikasa neckisch rüber zu Jean, der nur entnervt stöhnte. Im Kampf gegen die widerwärtigen Titanen herrschten andere Gesetze, da war die Gefahr für jeden in Etwa gleich. Mit Eren wollte sich der junge Mann dennoch niemals auf eine Stufe stellen, schon gar nicht in Beziehung mit Mikasa. Dass Jean nun dorthin geschleppt wurde von ihr, wo bereits Eren kauerte und sich immer noch immense Vorwürfe machte, verbesserte seine Laune auch nicht grade. Eine Astbreite neben seinem Erzfeind wurde der Aschblonde gelegt. Mikasa sah zwischen den beiden Jungs hin und her, die sich gegenseitig bereits wieder einige giftige Blicke zu warfen. „Sonst sind alle ok?!“ wollte der Braunhaarige wissen, dessen Ungeduld in der Stimme förmlich zu explodieren schien. Das Mädchen wurde leicht rot auf den Wangen, nickte ihrem Bruder versichernd zu und verschwand dann, um Verband und Sanitärmaterial zu holen. Dazu sprang sie, nachdem sie sich umgesehen hatte, nach unten zu ihren Pferden, die sich etwas entfernt vom Weg in dem Wald geparkt hatten. Sie waren darauf trainiert, immer weit genug weg vom Schlachtfeld zu sein, damit sie samt der Beladung nicht ausversehen von Riesen zertrampelt werden. Ansonsten waren die Tiere für Titanen vollkommen uninteressant. Schnell schnappte sie sich alles Wichtige an Sanitärmaterial und zog sich wieder zurück hoch auf die Baumwipfel. Eren und Jean bedachten sich unterdessen durchgängig angreifender Blicke. Wie Hund und Katz verhielten sie sich immer wieder. „Hätte dich der Dreckstitan doch einfach gefressen!“ – „Spinnst du jetzt völlig?! Keiner von uns ist es wert von nem Titan geschluckt zu werden!!! Soweit kommts noch ey!“ giftete Eren aggressiv auf Jeans angewiderter Aussage zurück und ballte seine Fäuste. Sein gegenüber hatte die Finger wie Krallen in den Ast gefahren, um sich irgendwie davon abzuhalten, einfach auf den Braunhaarigen draufzuspringen und ihn vom Baum zu schubsen. „Ständig weißt du alles besser… und wenns dann drauf ankommt stehste nur dumm rum und verlässt dich auf andere… aber dann sone verdammte große Fresse haben! Wie ich das nicht ausstehen kann!!“ Eren schlug wutentbrannt eine kleine Einkerbung in den dicken Holzast auf dem er lag und brachte diesen gefährlich zum Vibrieren. „Das sagt der Richtige, du heuchlerischer Schleimer!!!!“ brüllte er aufgebracht. „Ich werde Mikasa schon davon abbringen, weiterhin auf sonen Vollhorst wie dich zu setzen! Eines Tages wird sie hinter MIR stehen!!“ – „Wer steht wohl hinter wem, na, Jean?“ Der angesprochene Junge verstummte jäh und seine Gesichtsfarbe veränderte sich in ein hitziges Rot. Die Gestalt Mikasas war hinter ihm aufgetaucht, bewaffnet mit Verbänden und anderem Pflegematerial. Erens Mundwinkel zuckten triumphierend nach oben. Da hat sie ihn wirklich übel ertappt! „N-Nichts- I-Ich hab gar n-nix gesagt… vergiss es e-e-einfach“ stammelte er vollkommen wirr und peinlich berührt. „Es tut jetzt auch nichts zur Sache, ich werde euch beide gleich pflegen, im Moment seid ihr beide meine Verbündeten auf Soldatenebene“ erklärte die junge Frau ruhig und begutachtete Jeans Beine, die von Drückspuren, blauen Flecken, Blutergüssen und Schrammen nur so übersäht waren. Und im Gegensatz zu Eren heilten seine Wunden nicht von selbst. Während Mikasa ihn geduldig verarztete, wurde Jean noch viel verlegener. Er spürte seine Schmerzen wohl kaum, wenn er das Mädchen anblickte. Sein Gesicht, welches Eren sonst eher an den eines durchgeknallten Pferdes erinnerte, sah nun so aus, als würde er einen Engel auf Erden betrachten. Nachdem alle Soldaten sich gesammelt, ihre Kräfte zurückerlangten und sich genesen haben, versammelten sie sich zusammensitzen auf den Ästen, um einen neuen Plan zu entwerfen. Erens Beine waren wieder vollkommen ganz und er könnte sich von selbst fortbewegen, während Jean immer noch unter Schmerzen umher getragen werden musste. Die nächste Ungerechtigkeit, die ihm übel aufstoßen ließ. „In einer Stunde ungefähr wird die Sonne untergehen“ verlautbarte der offenbar wieder kerngesunde Rivaille mit ernstem Blick. „Wir sollten die Zeit nutzen und noch ein ganzes Stück weiter voran kommen!“ Er ließ seinen Blick nach rechts schweifen. Die Richtung, in die sie weiter reiten mussten. „In zwei Tagen sollen wir uns mit Erwins Trupp an dem eingerissenen Mauertor treffen. Wir dürfen nicht versagen… Also, alle bereit?! Los jetzt, auf!“ Sie salutierten allesamt im Gleichschritt und wenige Augenblicke später ließen sich alle Mann herab zu ihren Pferden. Auch der verletzte Jean wurde nicht zurückgelassen, auf einem Pferd reiten war soeben noch drin für den jungen Mann. Und so fackelten sie nicht lange, begaben sich zurück auf den Weg, hielten Ausschau nach umherstreifenden Titanen, doch zum Glück waren keine Monster zu sehen. Ein Ziel vor Augen habend ritten die Freiheitskämpfer weiter ihren Weg durch den Wald. Viel stieß den jungen, von Rivaille angeführten Menschen, nicht zu auf ihrem Ritt. Eren schweifte gelegentlich mit seinen Gedanken ab und dachte dabei nicht selten an seine eigenartigen, anzüglichen Gefühle für Rivaille. Er musste sich damit im Klaren werden. Er musste ihm unbedingt sagen, dass diese Intimlichkeiten für den Jungen wie Balsam auf der Seele waren, in schweren Zeiten wie diesen. So sehr ihm der Corporal immer wieder drohte oder ihm mit Schlägen Zucht und Ordnung einprügelte, so sehr liebte er ihn auch und ihn faszinierte vieles an dem Mann. Ja, das nächste Mal, wenn sie beide unter sich waren, würde er es ihm sagen. Der Anblick der untergehenden Sonne, die Weitsicht auf ein weites Feld, in dessen Ferne sich Titanen allmählich von der Bildfläche wegbewegten, verriet ihnen das Ende des langen Waldes. Rivaille stoppte ab, hielt den Rest seiner Mannschaft an und verordnete, dass sie hier am Waldrand ihr erstes Nachtlager aufschlugen. Es war bereits dunkel geworden, da teilte Rivaille die Zeltordnung ein. Sich zu zweit ein Zelt teilen, kam aufgrund Platzmangels nicht infrage. Eren hoffte dennoch, dass der Corporal ihn mit zu sich nahm. „Heinz-Gerd, du kommst mit zu mir und dem Jaeger-Bengel!“ verlautbarte Rivaille einem älteren, aber immer noch frischen und erfahrenen Krieger. Auf dessen Kampfkraft und Erfahrung man immer zurückgreifen konnte, wenngleich er nicht der Anführertyp war. Eren tappste ihm, innerlich lächelnd, hinterher und machte sich neben dem weißen Zelt seines Vorgesetzten breit, indem er seine Ausrüstung dort lagerte. Rivaille selbst seufzte nur angenervt. Sie nahmen ein letztes, kleines Mahl am Abend, ehe sie sich im Nachthimmel bettfertig machten. Zumindest die, die nicht Nachtwache schieben durften. Rivaille sah Eren bedächtig an. Am liebsten würde er das Risiko nicht eingehen und ihn für zweieinhalb Stunden unbewacht draußen dahin vegetieren lassen, wo ihm wer weiß was passieren könnte. Aber Pflicht ist Pflicht und dies gilt für jeden der Truppe. Es gab immerhin noch drei andere, die auch für die erste Nachtwache zuständig waren und im Fall der Fälle würden sie Alarm schlagen. „Sieh zu, dass du wach bleibst, und keinen Unsinn baust a la ich werde zum Titan… sonst kill ich dich, verstanden?!“ befahl der Corporal ihm mit durchbohrendem Blick, in seinen stählernen Augen spiegelten sich aber mehr und mehr Sorgen. Verlegen salutierte Eren, nickte und versprach, dass er seine Aufgabe dieses Mal verlässlich erfüllte. Zusammen mit dem älteren Heinz-Gerd, der nur noch wenige gräulich-braune Haare auf seinem Kopf hatte, verschwand der Ordnungsliebhaber im Zelt, doch noch einmal trafen sich die Blicke der beiden. Erens Herz pochte ihm bis zum Hals, denn selten sah er Rivaille so tief in die Augen wie in diesen paar Sekunden. Es war als hätte er ihm wieder, wie sonst so verdammt selten, seine Seelenwelt eröffnet. In den Augen des Corporals waren ganz klar Sorgen und Angst um seinen Schützling abzulesen. Aber auch erkannte der Junge einen gewissen Glanz der Zuneigung, den man für gewöhnlich niemals wahrnahm bei ihm. Es waren nur wenige Augenblicke, aber diese jagten dem Braunhaarigen Jungen ein ehrliches, herzliches Lächeln ab. Einen seltenen Glücksmoment wie diesen nahm er gerne auf in Zeiten des täglichen Überlebenskampfes. „Ich…liebe… dich, Heichou…“ flüsterte er ganz leise und fasziniert von der Ausstrahlung des Mannes und wurde dabei tomatenrot. „Sach ma, haste grade ein Reh gesehen oder was ist los, kleiner Spast??“ Erens aufgewärmtes Herz brach fast entzwei, als er die provozierende Stimme Jeans neben sich hörte. Er durfte doch jetzt nicht ernsthaft zweieinhalb Stunden mit diesem Angeber am Hals verbringen…? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)