Auf den zweiten Blick von Seira-sempai ================================================================================ Kapitel 81: Weihnachtsmarkt --------------------------- So ganz wusste Luca nicht mehr, was er sich dabei gedacht hatte, als er einen Tag vor Weihnachten allein über den Weihnachtsmarkt lief. Peter hatte ihm gestern Abend sein Taschengeld gegeben und er hatte vor, davon Geschenke zu kaufen. In einer Stunde würde er sich mit Nicholas, René, Rebecka und den Zwillingen an der Pyramide treffen. Hoffentlich hatte er bis dahin Weihnachtsgeschenke für sie gefunden. Bis jetzt sah es nicht da ach aus, als würde er fündig werden. Er wusste weder, was Nicholas mochte, noch ob er neben dem Kampfsport weitere Hobbies hatte. Warum war ihm das nicht früher aufgefallen? Warum erst jetzt? Er war so in Gedanken versunken, dass er nicht bemerkte, dass er stehen blieb. Jemand lief in ihn hinein und er fiel zu Boden. „Oh, Entschuldigung“, sagte die Person hinter ihm sofort. Die Stimme kam ihm seltsam bekannt vor. Luca traute sich erst nicht, die Person anzusehen, konnte allerdings nicht ewig auf dem Boden sitzen bleiben. Außerdem wurde es langsam kalt. Also schnappte er sich seine Krücken und versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, was sich als schwerer herausstellte, als er gedacht hatte. Die Krücken fanden auf dem Glatten Boden, es war wenige Grad unter null Grad Celsius, keinen Halt und rutschten ihm immer wieder weg. Er hatte schon vorhin bemerkt, dass er aufpassen musste, wo er hintrat. Ihm wurde eine Hand hingehalten. Dankbar nahm Luca sie an und ließ sich wieder auf die Beine ziehen. Er schaute sein Gegenüber an und erstarrte, als er erkannte, wer da stand. Thomas. Beinahe wäre er wieder nach hinten gefallen, hätte Thomas gegenüber ihn nicht festgehalten. „Woha!“, rief sein Klassenkamerad erschrocken und packte ihn an beiden Oberarmen, damit er nicht wieder auf dem Boden landete, „Vorsicht!“ Luca war sich sicher, er musste ein seltsames Bild abgeben, wie er mit starr dastand und seinen Klassenkameraden ansah, als sei er das erste Auto auf dem Mond. Thomas schien ebenfalls überrascht zu sein, hatte sich aber schnell wieder gefangen. „Na, wieder auf den Beinen?“ Er reichte ihm seine Krücken. Immer noch sichtbar verwirrt, nickte der Blonde. Er war sich nicht sicher, ob er in der Lage gewesen wäre, normal zu antworten. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie nah ihm Thomas eigentlich war. Schnell befreite er sich aus seinem Griff und wich einen Schritt zurück. „Hey, ganz ruhig.“ Beschwichtigend hob Thomas die Hände, „Ich tu dir nichts.“ „Als ob das so einfach wäre“, murmelte Luca, mehr zu sich selbst, froh darüber, endlich seine Sprache wiedergefunden zu haben. Doch Thomas schien ihn verstanden zu haben. „Bist du ok?“, fragte er. „Was wird hier gespielt?“, erklang eine genervte Stimme hinter Thomas, „Seit wann bist du mit der Schwuchtel auf gute Freund?“ Luca schluckte. So war er schon lange nicht mehr genannt worden. Er brauchte die Person nicht anzusehen, um zu wissen, dass es sich um Jens, einen ehemaligen Mitschüler von ihm handelte. Er und Thomas waren auf der Realschule gute Freunde gewesen und waren es wohl immer noch. Allerdings hatte Jens nie aktiv am Mobbing teilgenommen. Zwar hatte er ihn ab und an das ein oder andere Schimpfwort an den Kopf geworfen, Thomas aber öfter gebremst, wenn dieser zu weit gegangen war. Trotzdem traute Luca ihm nicht. Fast rechnete er schon damit, dass Thomas ihn jetzt ebenfalls beschimpfen würde, doch dieser wandte sich an seine Freund. „Lass das“, verlangte er, „Nenn Luca nicht so!“ Jens hob überrascht die Brauen. „Oh? Gibt es da etwas, was du mir erzählen willst?“ Gespielt ungläubig schüttelte er seinen Kopf. Allerdings zeigte das Grinsen auf seinem Gesicht, dass er nur Spaß machte. „Und ich dachte, du stehst auf Leute mit mehr Oberweite, Leonie zum Beispiel.“ Thomas spielte mit. Er trat einen Schritt zurück und betrachtete Luca gespielt kritisch von oben bis unten. „Nimm es mir nicht übel“, sagte er dann, „Aber du bist sowas von überhaupt nicht mein Typ.“ „Das will ich dir auch geraden haben.“ Nicholas, der das Ganze wohl schon eine Weile beobachtet hatte, trat aus der Menschenmenge um sie herum heraus und schlang seine Arme von hinten um Luca. „Meiner!“ Nur kurz versteifte der Blonde sich, dann lehnte er sich vertrauensvoll gegen seinen Freund. „Was machst du schon hier? Wir wollten uns doch erst später treffen.“ „Nina hat mich angerufen“, antwortete Nicholas. Luca seufzte. „Ich hab ihr extra gesagt, dass sie das nicht tun soll.“ Wie sollte er jetzt das Weihnachtsgeschenk für seinen Freund kaufen? Er musste dringend mit der Freundin seines Vaters reden. Es konnte doch nicht sein, dass sie Nicholas hinter seinem Rücken informierte, wenn er ausdrücklich sagte, dass er das nicht wollte! „Wow, fühle ich mich willkommen“, brummte der Schwarzhaarige. Er schien es übel zu nehmen, dass Luca ohne ihn losgegangen war. Um seinen Freund etwas zu beruhigen drehte der Blonde seinen Kopf und küsste ihn kurz auf den Mund, ehe er die Hände in die Hüften stemmte, was sich mit den Krücken als nicht so leicht herausstellte. „Jetzt verrate mir mal, wie ich bitte dein Weihnachtsgeschenk kaufen soll, wenn du mir dabei über die Schulter schaust?“ „Oh...“ Die Wut war mit einem Mal verblasst. Schuldbewusst schaute er Luca an. „Daran hab ich nicht gedacht.“ „Du wirst mich heute also noch einmal kurz allein lassen müssen und wehe du spionierst mir nach“, bestimmte Luca, während er sich an seinen Freund kuschelte. Der Gesichtsausdruck mit dem Jens sie bedachte, war unglaublich. Ihm war der Mund aufgeklappt und er starrte sie ungläubig an, beinahe so, als würde er seinen Augen nicht trauen. Thomas lachte. „Darf ich vorstellen: Nicholas, Lucas Freund.“ „Freund wie Kumpel-Freund oder wie Freund-Freund, also mit einer Beziehung“, kam es von dem immer noch verwirrten Jens. Thomas' Lachen wurde lauter. Inzwischen hielt er sich sogar den Bauch und sein Oberkörper war leicht nach vorn gebeugt. „Freund-Freund“, brachte er mühsam hervor, „Die zwei sind zusammen. Hast du den Kuss eben nicht mitbekommen?“ Dann deutete er, nachdem er sich wieder gefasst hatte, auf Jens. „Das ist Jens. Wir waren in der Realschule in einer Klasse.“ „Hallo“, grüßte Jens höflich. Dann grinste er. „Wer von euch hat meinen besten Freund eigentlich einer Gehirnwäsche unterzogen? Ich habe ihn nicht so tolerant in Erinnerung.“ Wenn Luca ehrlich war, dann war Jens sehr umgänglich. Er war mit allen ausgekommen und hatte keine Feinde gehabt, obwohl er mit Thomas befreundet war. Eine Meisterleistung, fand Luca. „Hey!“, rief Thomas beleidigt, „Da sieht man sich zwei Monate nicht und du hast nichts besseres zu tun, als über mich herzuziehen! Nächstes Mal kannst du allein Weihnachtsgeschenke kaufen gehen!“ „Als ob du dich nicht über mich lustig gemacht hättest“, beschwerte sich Jens. Aber Thomas beachtete das nicht weiter. Er wandte sich stadtdessen an Luca und Nicholas. „Gut, dass ich euch hier treffe, sonst hätte ich heute Abend angerufen“, meinte er, „Eigentlich betrifft es nur Luca, aber ich schätze, dich geht es auch etwas an, Nicholas. Außerdem hätte Luca es dir eh erzählt. Ich habe Neuigkeiten von Leonie.“ Der Blonde versteifte sich kurz. Wenn Thomas das so sagte, dann bedeutete das wohl Ärger. Nicholas schien das ähnlich zu sehen, denn er zog den Blonden ein Stück näher an sich heran. „Was gibt es neues?“ „Also neu ist es jetzt nicht direkt“, druckste Thomas herum, „Es geht um Lucas Mutter und-“ „Nenn sie nicht so!“, unterbrach Luca ihn. Er wusste nicht, woher es kam, nur dass es ihn unglaublich wütend machte. „Ich will nichts mehr mit dieser Frau zu tun haben.“ „Sorry“, entschuldigte sich Thomas, „Jedenfalls scheint Leonie einiges über sie und ihren Mann zu wissen. Ich weiß nicht, bis wo es wahr ist und an welcher Stelle ihre Lügen beginnen, aber ich befürchte, der Großteil ist wahr.“ Luca nickte. „Ich weiß“, flüsterte er, „Sie hat damals eine Menge mitbekommen.“ Er wollte sich nicht erinnern. Bis jetzt hatte er es erfolgreich verdrängt, aber es schien, als hätte er keine andere Wahl mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)