Auf den zweiten Blick von Seira-sempai ================================================================================ Kapitel 100: Grüße aus der Vergangenheit ---------------------------------------- Unsicher schaute Luca auf das Klingelschild, überle-gend, was er sich dabei gedacht hatte, dem Ganzen zuzustimmen. Er war nur schnell nach Hause gegan-gen, um einen Bissen zu essen und die Sachen, die er nicht benötigen würde, in sein Zimmer zu bringen. Dann hatte er sich sofort auf den Weg gemacht. Er atmete noch ein Mal tief durch, ehe er entschlossen den Klingelknopf drückte. Es dauerte nicht lange, dann hörte er Schritte und Thomas öffnete ihm die Tür. „Wow, das ging schnell“, begrüßte sein Klassenkamerad ihn und trat einen Schritt zur Seite. Unsicher betrat Luca das Haus, zog Jacke und Schuhe aus und platzierte sie an der Garderobe. „Mein Zimmer ist im Dachgeschoss“, verkündete Tho-mas, ehe er ihn die Treppe hinauf bis zu besagtem Zimmer führte. Das Haus war nicht weniger luxuriös eingerichtet wie Lucas neues Zuhause. Überall standen teure Desig-nermöbel oder andere Wertvolle Gegenstände, die Luca sich niemals trauen würde, anzufassen, aus Angst, sie kaputt zu machen. Thomas‘ Zimmer war ein typischen Jugendzimmer mit Postern von Fußballern an den Schränken, ungemachtem Bett und auf dem Boden herumliegende Schulsachen. Es war ein stück größer als das von Luca, allerdings nahm die ebenfalls mit Postern beklebte Dachschräge auch viel Raum in Anspruch. „Du hast ein Dachfenster“, sagte Luca, ohne nachzu-denken. Er ging darauf zu und warf einen Blick hinaus. „Nicht schlecht, die Aussicht“, meinte Thomas. Der Blonde stimmte ihm zu. Von hier aus konnte er fast das gesamte Wohnviertel sehen. „Dort hinten ist dein Haus“, erklärte Thomas und zeig-te in die entsprechende Richtung. Es dauerte nicht lange, da hatte Luca es gefunden. „Tatsächlich“, sagte er. Thomas grinste. „Bevor ich es vergesse: Möchtest du etwas trinken?“ Luca nickte. „Wasser wäre nicht schlecht.“ „Ich bin gleich wieder da.“ Sein Klassenkamerad ließ die Tür offen, als er in den Flur trat und die Treppe hinunter lief. Der Blonde packte inzwischen seine Notizen, Mathe-buch, Block und Stifte aus. Da der Schreibtisch voll-kommen zugestellt war, machte er es sich auf dem Boden bequem. Thomas schien das nicht weiter zu stören. Als er wie-derkam platzierte er das Tablett, beladen mit zwei Gläsern und einer Flasche Wasser, das er geholt hatte, einfach auf den Boden. „Bevor wir anfangen“, begann Luca, „wäre es vielleicht nicht schlecht, wenn du mir sagen könntest, bis wohin du den Stoff kannst. Was kannst du?“ Einen Augenblick schaute Thomas ihn schief an, dann schnitt er eine Grimasse. „Gar nichts?“ Luca ignorierte die Antwort und öffnete sein Buch. Er suchte sich eine Aufgabe, die Sie ganz zu Beginn des Stoffgebietes durchgerechnet hatten. „Versuch es mal mit dieser.“ Thomas tat, wie ihm geheißen. Er nahm sich Block und Stift und schrieb die Aufgabe ab, ehe er begann, sie zu lösen. Aber weit kam er nicht, da wurde er von Luca unterbrochen. „Wenn du die linke Hälfte einer Gleichung halbierst, musst du es auch mit der rechten tun“, wies er ihn auf seinen ersten Fehler hin. Thomas korrigierte es, ehe er sich am Kopf kratzte. „Sag mal, hat es einen bestimmten Grund, dass dort zwei Gleichungen mit jeweils x und y stehen?“ „Nicht dein Ernst“, murmelte Luca, leicht ärgerlich über die totale Unkenntnis seines Klassenkameraden, „Sag mal hast du von dem Unterricht der letzten zwei Jahre überhaupt etwas mitbekommen? So sehr kannst du doch gar nicht damit beschäftigt gewesen sein, Leonie in den Ausschnitt oder auf den Hintern zu glotzen!“ Erst als er zu Ende gesprochen hatte, merkte er, was er gerade gesagt hatte. Das Blut schoss ihm in den Kopf und er errötete. Er war in letzter Zeit zwar etwas offener geworden, aber so direkt hatte er mit Thomas noch nie gesprochen. Hoffentlich nahm er es ihm nicht übel. Vielleicht sollte er ihn lieber ablenken. Also beugt sich der Blonde über das Mathebuch und begann, zu erklären: „Also, das ist so…“ Mit einer Aufmerksamkeit, die Luca ihm nicht zuge-traut hatte, hörte Thomas ihm zu, als er die Theorie noch einmal in Kurzform wiedergab. Sein Klassenka-merad machte sich sogar ein paar Notizen, ehe er sich erneut an die Aufgabe machte und sie diesmal, zu seiner Verwunderung, tatsächlich lösen konnte. Luca gab ihm noch drei weitere, ehe er auf die Seite blätterte, auf der die Textaufgaben standen, wie sie auch in der Klausur dran kommen würden. Auch die konnte Thomas nach kurzem Überlegen lösen. Ein paar kleine Fehler machte er noch, aber alles andere wäre auch seltsam. In den nächsten Stunden ging Luca jedes Themenge-biet noch einmal kurz mit Thomas durch. Er hatte recht gehabt, sein Klassenkamerad war nicht dumm, nur eben sehr faul. Der Blonde war sicher, dass Thomas es ohne Probleme mit einer guten Note durch die Klausur schaffen würde. Sie waren fast fertig, als die Tür schwungvoll aufgeris-sen wurde und mehrere Personen ins Zimmer polter-ten. Die Schritte stoppten, als sie den Blonden erblick-ten. „Was macht der denn hier?“, erklang eine gereizte, Luca bekannte, Stimme, die er seit Monaten nicht mehr gehört hatte. „Robert!“, wies Thomas seinen Freund und ehemali-gen Klassenkameraden zurecht. Robert und drei weitere Jungs, von denen Luca einen nicht kannte, hatten das Zimmer betreten. Der Blonde hatte sie seit der Abschlussfeier im Sommer nicht mehr gesehen und versucht, sie zu vergessen, doch sein Körper erinnerte sich schneller, als ihm lieb war. Dabei half es nicht, dass Jens zu den vieren gehörte und Luca gegenüber nicht feindlich eingestellt war, denn er hatte seine Freunde nur selten gebremst und nie ganz gestoppt. Luca spürte, wie sein Körper sich verspannte und sein Herzschlag schneller wurde. Er hatte Angst und wollte hier weg. Aber er durfte sich seine Angst nicht anmer-ken lassen, die anderen würden sie ausnutzen. Also blieb er ruhig am Boden sitzen, beobachtete die anderen aber genau. „Hallo Luca“, grüßte Jens ihn freundlich, als würde er die Spannung in der Luft nicht bemerken. „Hallo“, antwortete Luca aus Reflex. Robert schaute zuerst ihn, Jens und dann Thomas an. „Was wird hier gespielt? Seit wann gibst du dich mit dieser Schwuchtel ab?“ Luca schaute zu Daniel, der eine Klasse hatte wieder-holen müssen und deshalb in ihrer gelandet war, wo er sich sofort Thomas und Leonie angeschlossen hatte. Aus irgendeinem Grund verhielt sich sein ehemaliger Klassenkamerad seltsam. Früher hatte er Thomas und Robert in nichts nachgestanden, wenn es darum ging, Luca das Leben schwer zu machen. Auch sein Äußeres hatte sich verändert. Die Markenklamotten fehlten und sein vorher kurzes, dunkelbraunes Haar war um einige Zentimeter länger geworden. Daniel wich seinem Blick aus, die Hände ineinander verknotet, und sagte kein Wort. Zögerlich sah er zum letzten der Gruppe, dem, den Luca nicht kannte. Mit schnellen Schritten kam Robert auf Luca zu, der seine Angst nicht mehr kontrollieren konnte und vor ihm zurückwich. Thomas sprang auf und stellte sich zwischen ihn und seinen Freund. „Lass ihn in Ruhe!“, rief er. Die Bewegung kam so plötzlich, dass Luca erschrocken zusammenfuhr. Er versuchte, aufzustehen, aber Arme und Beine zitterten so stark, dass sie unter ihm nachgaben und er erneut auf dem Boden landete. „Luca!“ Thomas kniete sich vor ihn und streckte die Hand nach ihm aus. Er war zu nah. So konnte Luca sich unmöglich wieder beruhigen. Der Blonde kannte die Anzeichen und wusste, was ihm gleich blühte. „Nicht“, brachte er unter Anstrengungen heraus, „Bleib weg! Ich kann nicht-“ „Sieh an“, spottete Robert, „Die Schwuchtel scheint wohl eine Panikattacke zu haben.“ Der Blonde fuhr zusammen, als sei er geschlagen wor-den. „Hör auf“, forderte in diesem Moment Daniel. Wäre Luca noch Herr seiner Sinne gewesen, hätte ihn das sicher überrascht, doch im Moment nahm er es nur hintergründig wahr. „Sag bloß, du stehst auf der Seite von diesem Etwas!“, rief Robert. „Halt deine verfickte Klappe“, schrie Thomas, „Luca ist mein Freund. Wage es nicht, noch einmal so über ihn zu sprechen!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)