Auf den zweiten Blick von Seira-sempai ================================================================================ Kapitel 3: Die Sache mit der Toilette ------------------------------------- Der Rest des Sportunterrichtes verlief ruhig. Keine dummen Sprüche. Kein Geschubse. Auch auf dem Weg zur Schule wurde Luca in Ruhe gelassen. Den ganzen Morgen dachte Luca über Nicholas' Handeln nach. Warum hatte sein Klassenkamerad das getan? Wollte er ihm helfen? Oder hatte er sich von Thomas' Äußerungen nur ebenfalls getroffen gefühlt? Luca wusste es nicht. Als er im Schulgebäude angekommen war, ließ er sich auf seinen Platz fallen. Thomas, Leonie und ihre beiden neuen Freunde gingen ihm immer noch aus dem Weg, worüber er froh war. So konnte er sich wenigstens auf den Unterricht konzentrieren. Nein, er war kein Streber. Aber trotzdem waren gute Zensuren wichtig, fand er. Nur wenn er ein gutes Abitur machte, würde er später einen guten Job bekommen. Er wollte auf keinen Fall so enden wie sein Stiefvater, dem alle paar Monate gekündigt wurde und der sich dann jedes Mal eine neue Arbeitsstelle suchen musste. Da war er immer besonders reizbar gewesen. Auch in der folgenden Unterrichtsstunde ließen seine Peiniger ihn in Ruhe, doch als sie in der darauf folgenden Pause mit zusammengesteckten Köpfen in einer Ecke standen, ahnte Luca nichts Gutes. Sicher planten sie wieder etwas. Er beschloss, sich von ihnen möglichst fern zu halten und nirgends allein hinzugehen. Dann konnten sie nicht mehr tun, als ihn etwas zu beschimpfen und zu schubsen. Doch das war leichter gesagt als getan. Er musste dringend auf die Toilette, weshalb er wartete, bis keiner mehr zu ihm herübersah und sich dann schnell aus dem Zimmer schlich. Hätte er doch nur weniger getrunken. Auf dem Weg zur Toilette rannte er fast schon. Dort angekommen schloss er sich schnell in eine Kabine ein. Jetzt war er sicher. Aber irgendwann musste er wieder herauskommen und inzwischen hatten sie sein Fehlen sicher schon bemerkt. Hierbleiben konnte er allerdings auch nicht. Seine Sachen waren noch im Zimmer und er ließ sie nur ungern unbeaufsichtigt. Außerdem würde der Unterricht gleich beginnen und er wollte nicht zu spät kommen. Also öffnete er leise die Tür und lugte hinaus. Keiner da. Schnell lief er zu den Waschbecken, um sich die Hände zu waschen, und erstarrte. Hinter ihm, er sah es durch den Spiegel, standen Thomas, Jan und Martin und grinsten ihn an. Schnell drehte Luca sich um. Er wollte zur Tür rennen, doch sie versperrten ihm den Weg. „Wen haben wir denn da?", spottete Thomas, „Unsere kleine Schwulette!" Luca wollte zurückweichen, doch das Waschbecken in seinem Rücken hinderte ihn daran. Jan und Martin packten ihn jeweils an den Armen, während Thomas sich vor ihm aufbaute. „Du hast doch nicht gedacht, dass du mit der Sache heute Morgen durchkommst, oder? Du elende kleine Schwuchtel", fragte er spöttisch. Luca schluckte. Diesmal war Thomas echt wütend. Er gab seinen beiden Freunden ein Zeichen, woraufhin die ihn in Richtung der Kabinen zerrten. Luca, der inzwischen begriffen hatte, was sie vorhatten, begann, nach ihnen zu treten. Doch es half nichts. Gegen die drei hatte er keine Chance. Thomas packte ihn im Nacken, während die anderen Beiden nach seinen Armen und Beinen griffen und ihn so bewegungsunfähig machten. Danach wurde sein Kopf in die Kloschüssel gesteckt und die Spülung betätigt. Luca zappelte und trat, während die Spülung immer wieder betätigt wurde. Er bekam nicht mehr genügend Luft und musste husten, als er etwas Wasser einatmete, was seine Lage nur noch verschlimmerte. Seine Lunge brannte und ihm wurde schwindlig, während seine Bewegungen immer schwächer wurden. Das Rauschen der Spülung wurde immer leiser. Sein Körper erschlaffte. Mit dem Gedanken, dass sie ihn jetzt wohl endgültig umbringen würden, gab er sich der Schwärze hin, die ihn umfing. Als Luca wieder zu sich kam, wusste er zuerst nicht, wo er sich befand. Hatte sein Stiefvater ihn wieder verprügelt. Ihm war übel. Er schaffte es gerade noch bis zur Toilettenschüssel, ehe sich sein Magen leerte. Würgend blieb er hängen. Es dauerte, bis er sich wieder bewegen und spülen konnte. Langsam kehrten auch seine Erinnerungen zurück. Wie es schien, hatten die drei dann doch Schiss bekommen, als er sich nicht mehr gerührt hatte, und das Weite gesucht. Wie lange war er bewusstlos gewesen? Es gab in der Toilette nichts, woraus er die Uhrzeit schließen konnte. Hier waren noch nicht einmal Fenster. Als er versuchte, die Tür zu öffnen, stellte er fest, dass sie von außen zugesperrt war. Er würde also warten müssen, bis ihn jemand hier herausließ. Hoffentlich war es noch nicht so spät, denn wenn der Unterricht bereits beendet war, müsste er bis morgen warten und das wollte er nicht. Er wollte hier weg! In seinen Augen sammelten sich Tränen, die ihm wenig später über die Wangen liefen. Zuerst unterdrückte er sein Schluchzen, doch dann weinte er ungehemmt los. Es würde keiner hören. Er war allein hier und musste vielleicht die gesamte Nacht hier verbringen. Luca klappte den Klodeckel herunter und setzte sich darauf. Er zog die Beine an und schlang seine Arme um die Knie, während er wartete, ob ihn nicht vielleicht doch noch jemand herausließ. Sie mussten sein Fehlen doch inzwischen bemerkt haben, immerhin waren seine Schulsachen noch im Klassenzimmer. Warum suchte keiner nach ihm? Von seinen Mitschülern hatte er nichts anderes erwartet, aber hatten die Lehrer nicht die Pflicht, einen Schüler zu suchen, wenn dieser spurlos verschwand? Oder war es ihnen ebenfalls egal. Er betrachtete das Muster der Fließen. Wäre er doch nur nie hier hergekommen! Immer noch liefen ihm Tränen über das Gesicht. Er versuchte nicht, sie zu unterdrücken. Es sah doch eh keiner. Leise schluchzte er. Plötzlich hörte er ein polterndes Geräusch. Die Tür wurde aufgerissen. Erschrocken fuhr Luca zusammen und sah auf. Ihm gegenüber stand Nicholas. Auch er wirkte überrascht. Er musterte Luca. Sein Blick blieb auf dem Nassen Haar und dem verheulten Gesicht hängen. Es bedurfte keiner Erklärung. Nicholas wusste, was passiert war. Luca senkte seinen Blick. Er brachte es nicht fertig, Nicholas noch länger ins Gesicht zu sehen. Er murmelte ein leises „Danke", bevor er aufstand und an seinem Mitschüler vorbei ging. „Warum lässt du dir das gefallen?", rief ihm Nicholas hinterher, „Fang endlich an, dich gegen sie zu wehren!" Wie denn, hätte Luca am liebsten geschrien. Thomas und dessen Freunde waren doch so viel stärker als er. Doch er sagte nichts. Schweigend lief er zurück ins Klassenzimmer. Er war überrascht, es leer vorzufinden. Schnell rannte er zu seinem Platz und holte sein Handy, es war zum Glück noch da, aus der Schultasche. 15:53 Uhr. So spät schon? „Warst du so sehr mit heulen beschäftigt, dass du gar nicht mitbekommen hast, wie spät es ist?", fragte Nicholas. Er war ihm wohl gefolgt. „Ich war bewusstlos", antwortete Luca ihm leise, ehe er begann, seine Schulsachen einzupacken. Er wusste nicht warum, aber aus irgendeinem Grund hatte er das Gefühl, sich vor Nicholas rechtfertigen zu müssen. Als dieser nichts erwiderte, schaute Luca ihn an. Dieser lehnte nur wenige Schritte von ihm entfernt an der Wand und hatte seine Hände in den Hosentaschen vergraben. Sein Gesicht hatte einen nachdenklichen Ausdruck. Er unternahm nichts, als Luca mit geschulterter Schultasche und Sportbeutel an ihm vorbeiging und hinderte ihn nicht daran, das Zimmer zu verlassen. Nicholas folgte ihm nicht. Er stellte auch keine Fragen. Langsam lief Luca zur Bushaltestelle. Er brauchte sich nicht zu beeilen. Sein Bus war seit einer Viertelstunde fort. Er musste also auf den nächsten warten und das dauerte eine Weile. Hoffentlich bekam er keinen zu großen Ärger zu Hause, wenn er später heimkam. Darauf hoffen, dass sein Stiefvater wieder nicht zu Hause war, konnte er nicht. Das Glück stand eindeutig nicht auf seiner Seite. Während er sich also an der Bushaltestelle die Beine in den Bauch trat, dachte er nach. Vielleicht sollte er morgen schwänzen. Er wollte auf keinen Fall zurück an diese Schule. Am liebsten hätte er alles hingeschmissen, aber das traute er sich nicht. Sein Stiefvater würde ausrasten. Als der Bus endlich eintrudelte, stieg Luca ein, ließ sich auf den nächstbesten Sitz fallen und fuhr nach Hause, obwohl er viel lieber weggerannt wäre. Aber wo sollte er hin? Er hatte niemanden, der ihn bei sich aufnehmen würde, nicht einmal für ein paar Tage. Als er am Haus ankam, stand sein Stiefvater bereits mit verschränkten Armen vor der Tür. „Wo bist du gewesen?", donnerte er, ehe er Luca am Kragen packte und in das Haus zerrte. Heute war einfach nicht sein Tag. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)