Auf den zweiten Blick von Seira-sempai ================================================================================ Kapitel 13: Unerwartete Hilfe ----------------------------- Als Luca sich endlich traute, die Augen zu öffnen, blickte er in das Gesicht von Nicholas. Dieser stand direkt vor ihm und starrte ihn aus geweiteten Augen heraus an. Dann streckte er die Hand nach dem Blonden aus. Luca erstarrte, ehe er schluchzend zurückwich und sich regelrecht gegen die Wand presste, um so viel wie möglich Abstand zwischen sich und sein Gegenüber zu bringen. Zuerst schien Nicholas verwundert über diese Reaktion, dann seufzte er. „Hey, ganz ruhig", flüsterte Nicholas, „Ich will dich nur losmachen." Erst danach griff er wieder nach den Fesseln. Dieses Mal wich Luca nicht zurück, trotzdem beobachtete er jede von Nicholas' Bewegungen genau. „Ich tu dir nichts, versprochen", fuhr Nicholas, der das beobachtet hatte, leise fort. Luca wusste, er wollte ihn beruhigen, doch es funktionierte nicht. Er war es nicht gewohnt, dass ihm andere Menschen so nah waren und fühlte sich dementsprechend unwohl. Mehrfach zuckte er zusammen, als Nicholas eine unerwartete Bewegung machte. Dann, endlich, waren seine Hände wieder frei. Luca versuchte, den Knebel zu entfernen, scheiterte aber, da er keinerlei Gefühl mehr in den Fingern hatte. Nicholas beobachtete seine Versuche eine Weile, ehe er nach Lucas Händen griff und sie vorsichtig zur Seite drückte. „Du bist ja ganz kalt", stellte er fest, ehe sein Blick an Lucas aufgeschürften Handgelenken hängenblieb. Darauf erwiderte Luca nichts, auch nicht, als Nicholas den Knebel entfernt und auf den Boden geworfen hatte. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Wenn er gekonnt hätte, wäre er weggerannt, aber sein Körper wollte sich nicht bewegen. Nachdem Nicholas auch seine Füße von den Fesseln befreit hatte, griff er nach dem Duschkopf, löste ihn aus der Halterung und drehte das Wasser auf. Mehrfach prüfte er die Temperatur, bis er sie wohl als passend befand und den Strahl auf Luca richtete. Das Wasser war warm, aber nicht so warm, wie man normalerweise duschte. Nicholas nahm also auf seinen ausgekühlten Körper Rücksicht. Nach und nach, stelle der Schwarzhaarige die Wassertemperatur etwas wärmer ein, bis Luca irgendwann aufhörte, zu zittern. Auch die Tränen stoppten irgendwann. Langsam lösten sich die Verkrampfungen in Lucas Gliedmaßen und er ließ sich erschöpft gegen die Wand sinken. Wenig später stellte Nicholas auch das Wasser wieder ab. „Warte kurz", sagte er, bevor er in die Umkleide zurücklief. Luca hörte, wie er in seinen Sachen herumkramte. Mit einem Badetuch in der Hand kam er wieder. Er reichte es Luca, woraufhin dieser sich sofort darin einwickelte, um seine Blöße zu verbergen. Mit einer Handbewegung forderte Nicholas ihn auf, ihm zu folgen. Doch Luca hatte sich kaum von der Wand abgestoßen, da gaben seine Beine schon nach und er sackte kraftlos auf den Boden. „Ich sehe schon, das wird nichts", stellte Nicholas neutral fest, kehrte um und kniete sich neben Luca. Er legte eine Hand um die Schulter des Blonden und die andere unter die Kniekehlen, ehe er ihn ohne große Anstrengungen anhob und in die Umkleide trug. Dort setzte er Luca auf eine der Bänke. „Du warst seit heute früh da drinnen, nicht wahr?" Nicholas ließ sich neben ihn auf die Bank fallen. Luca nickte. „Wie spät ist es?" „Dreiviertel Sieben", antwortete Nicholas. Dann deutete er auf die am Boden liegenden Fetzen. „Das waren deine Sachen, oder?" Wieder nickte Luca. Sein Blick wanderte zu seinem zerstörten Handy. Nicholas erhob sich, hob es auf und betrachtete er kurz. „Das ist hinüber", meinte er bedauernd. Luca senkte seinen Blick. Das Handy war teuer gewesen. Er hatte nicht genug Geld, um sich ein neues zu kaufen. Nicholas ging zu ihm zurück und legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter. In diesem Augenblick wurde die Tür schwungvoll aufstoßen. Da kein Türstopper angebracht war, knallte sie mit einem lauten Schlag gegen die Wand. Erschrocken fuhr Luca zusammen. Ohne wirklich zu realisieren, was er tat, griff er, am ganzen Körper zitternd, nach Nicholas' Oberteil und krallte sich darin fest. Auch sein Gesicht vergrub er in dem weichen Stoff. Zuerst erstarrte Nicholas und Luca glaubte schon, er würde ihn wegstoßen, doch dann legten sich Arme um ihm und er wurde an einen warmen Körper gezogen. Es fühlte sich gut an. Wann war er das letzte Mal umarmt wurden? Luca konnte sich nicht mehr daran erinnern. Schutz suchend presste er sich näher an Nicholas heran. „Shh", flüsterte sein Klassenkamerad und strich ihm sanft über den Rücken. „Oh", sagte eine Luca unbekannte Männerstimme. Die Tür wurde leise wieder geschlossen. Nicholas schnaubte. „Steh hier nicht so blöd rum! Mach dich nützlich! Ich brauche eine Decke und einen Verbandskasten. Ein Besen wäre auch nicht schlecht!" Der Mann murmelte etwas, was Luca nicht verstehen konnte, und verließ die Umkleide wieder. „Das war nur Andy", erklärte Nicholas, „Wir haben gleich Karate." Langsam beruhigte sich Luca wieder. Das Zittern ebbte ab und er schloss leise seufzend die Augen. Als Andy wiederkam, öffnete er die Tür vorsichtiger. Mit ruhigen Schritten trat er in die Umkleide. Vor Nicholas und Luca blieb er stehen. „Was ist hier eigentlich passiert?" „Wenn du nichts zu tun hast, kannst du gerne anfangen, dem Müll zusammenzufegen", brummte Nicholas. „Sklaventreiber", schimpfte Andy, kam er Aufforderung aber nach. „Ich muss mich um deine Verletzungen kümmern." Behutsam befreite Nicholas sich aus Lucas Klammergriff. Nur widerwillig ließ Luca von ihm ab, doch Nicholas' Argument klang logisch und er schien sich ernsthaft um ihn zu sorgen. Widerstandslos ließ Luca die Untersuchung über sich ergehen. Nicholas reinigte und verband seine Handgelenke. Die blauen Flecken und kleineren Schürfwunden begutachtete er mit kraus gezogener Stirn. „Wer hat dich so zugerichtet?", fragte er nach einer Weile. Anstatt zu antworten, schüttelte Luca den Kopf. Er wollte jetzt nicht darüber sprechen. Nicholas schien ihn zu verstehen, denn er wickelte Luca vorsichtig in die Decke und zog ihn in eine Umarmung. Luca ließ sich fallen. In Nicholas' Umarmung fühlte er sich geborgen und beschützt, dabei kannte er ihn nicht einmal. Aber es lang vermutlich weniger an der Person, sondern an der Geste, dass Luca so fühlte. „Ich will nicht mehr", flüsterte er erstickt. Er wollte so nicht mehr weiterleben. nicht mit der ständigen Angst, die er vor Jochen und Thomas' Gang hatte. Nicholas schien ihn zu verstehen, denn die zuerst noch lockere Umarmung wurde fester. Sachte wiegte er ihn hin und her. „Ich werf das Zeug in den Müll, okay?", erklang Andys Stimme. Luca spürte, wie Nicholas nickte. „Wer ist der Kleine eigentlich? Dein neuer Freund?", wollte Andy wissen. Nicholas antwortete nicht. Er löste die Umarmung und zog seine Trainingsklamotten an. „Wie heißt du überhaupt?", bohrte Andy weiter. „Luca", antwortete der Blonde leise und musterte ihn. Andy hatte, wie Nicholas auch, einen durchtrainierten Körper, kurzes, braunes Stoppelhaar, einen Dreitagebart und dunkelbraune Augen. Nach und Nach füllte sich die Umkleide mit den anderen Karateschülern, die Luca zwar nicht ansprachen, aber neugierig musterten. Verunsichert rutschte der Blonde näher an Nicholas heran, der das Ganze eine Weile beobachtete, bevor er seufzte. „Ich gehe schon mal in die Halle", meinte er an die anderen gewandt. Sofort streckte Luca eine Hand nach ihm aus. Er wollte hier nicht allein gelassen werden. Nicholas lachte leise, bevor er, wie schon vorhin, Luca an Schulter und Kniekehlen packte und aus der Umkleide trug. Die anderen sahen ihm mit teils belustigten und teils verwunderten Blicken hinterher. In der Halle angekommen setzte Nicholas ihn wieder auf einer Bank ab. Danach wandte er sich an den Mann, der gerade den Boden mit Matten bedeckte. Die beiden wechselten ein paar Worte. Als Nicholas zu Luca zurückging, sagte er locker. „Ich habe mit dem Trainer gesprochen. Er hat nichts dagegen, wenn du heute zuschaust." Erleichtert atmete Luca aus. Er hatte schon befürchtet, in diesem Aufzug auf die Straße zu müssen. „Danach nehm ich dich mit zu mir. Ich habe meinem Bruder eben eine Sms geschrieben. Er holt mich ab und bringt Klamotten für dich mit." Verdutzt schaute Luca sein Gegenüber an. Hatte er gerade richtig gehört? „Jetzt schau nicht so", meinte der Schwarzhaarige belustigt, „In deinem Zustand kann ich dich ja schlecht allein lassen." Luca wusste, dass er nicht nur das Fehlen der Klamotten meinte. Er begann sich zu fragen, seit wann Nicholas so nett zu ihm war. Letztes Mal hatte er ihn noch angefahren und jetzt half er ihm. Es war fast, als wäre Nicholas auf einmal ein völlig anderer Mensch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)