Auf den zweiten Blick von Seira-sempai ================================================================================ Kapitel 36: Das beste Geschenk überhaupt ---------------------------------------- „Jetzt mach sie schon auf“, drängte Florian, der es scheinbar kaum erwarten konnte. Auch die anderen sahen ihn gespannt an. Vorsichtig öffnete Luca die kleine weiße Schleife, dann löste er das Paper ab. Zum Vorschein kam ein kleines Schmuckkästchen. Der Blondhaarige traute sich fast nicht, hineinzusehen, und wäre er allein gewesen, hätte er es wahrscheinlich auch nicht gleich geöffnet. Aber er war nicht allein. Behutsam, als könne das Kästchen zerbrechen, klappte er es auf. Zum Vorschein kam ein goldenes Armband, an dem viele kleine Plättchen hingen und das auf schwarzen Samt gebettet war. „Damit du dich immer daran erinnerst, dass du nicht allein bist“, erklärte Nicholas. Er nahm das Armband heraus und zeigte Luca eines der Plättchen. Dort stand fein und säuberlich in Handschrift sein Name. Vorsichtig nahm Luca das nächste Plättchen, es enthielt Rebeckas Namen, und er stellte fest, dass die anderen ebenfalls die Namen seiner Freunde trugen. Für jeden Freund ein Plättchen. Es hing sogar eins für Julian und eins für Benni mir am Armband. „Danke“, flüsterte Luca, während er das Armband zurück in die Schachtel legte. Er war so gerührt, dass ihm erneut die Tränen in den Augen standen. „Das ist das beste Geschenk, was ich je bekommen habe.“ Vor lauter Freude über das Geschenk, was er wirklich sehr schön fand, fiel er Nicholas, der ihm am nächsten stand, um den Hals. „Danke“, wiederholte er, „Danke.“ Nicholas schien damit nicht gerechnet zu haben, denn er versteifte sich kurz und atmete überrascht ein, hatte sich aber schnell wieder gefangen. Er legte seine Arme um Luca und zog ihn an sich heran. „Du weinst ja schon wieder“, stellte er nach einer Weile fest. Luca schüttelte seinen Kopf, ehe er sich von dem Schwarzhaarigen löste. Mit einer Hand wischte er sich die Tränen aus den Augen. „Ich bin nur so glücklich“, schluchzte er. Rebecka lächelte mitfühlend, während die Zwillinge den Tisch an den Rand den Rand stellten. Julian zog eine Leinwand von der Decke und Benni positionierte den Beemer und schloss ihn an einen Laptop an. „Welchen Film möchtest du scheuen?“, fragte René, der auf ein paar Stapel DVDs, die zwischen den Getränken gestapelt waren, deutete. Luca schaute die DVDs durch, sortierte gleich zwei Horrorfilme aus, die ihm wohl nicht so gut gefallen dürften, dann las er die Rückseiten. „Und, schon entschieden?“, wollte René wissen. Luca schüttelte den Kopf. „Welcher ist denn gut? Ich kenn mich da nicht so gut aus.“ René empfahl einen Film, den Luca dann auch nahm. Er klang recht interessant und war sicher auch spannend. Aber den Titel konnte er sich nicht merken. Wie er feststellte, hatte René recht gehabt, der Film war wirklich gut, actionreich und mit viele Specialeffekten, aber gut. Als er zu Ende war, schauten sie noch einen, diesmal eine Komödie, die Luca nicht so gut gefiel. Danach brachte Sheila ihnen das Abendessen, Spagetti mit verschiedenen Soßen, allerdings nicht, ohne Luca zuvor ordentlich zum Geburtstag zu gratulieren. „Lasst es euch schmecken?“, flötete sie fröhlich. Julian begutachtete das Essen skeptisch. „Wer hat das gekocht?“ „Samuel“, antwortete Sheila und zog einen Schmollmund, „Du kannst es also gefahrlos essen.“ Auch René und Benni atmeten erleichtert aus, während die anderen fragend zu Julian schauten. „Sheila kann nicht kochen“, meinte René, nachdem sie das Zimmer wieder verlassen hatte, „Und damit meine ich gar nicht kochen. Keine Nudeln, keine Fertigpizza, nichts. Ich weiß nicht, wie sie es macht, aber alles, was sie anfasst, ist am Ende ungenießbar.“ Die anderen Gäste nahmen das nickend zur Kenntnis, dann machten sie sich über das Essen her. Luca kam sich vor wie im Paradies. Erst das Eis, dann die Torte und jetzt Spagetti. Er konnte sich gar nicht entscheiden, welche Soße er zuerst probierte, weswegen er sich von jeder etwas auflud. „Jetzt spielen wir Flaschendrehen!“, verkündete Florian nach dem Essen. „Och nein“, stöhnte Rebecka, setzte sich aber wie alle anderen auch brav auf den Fußboden, damit sie einen Kreis bilden konnten. Zuerst hatte Luca geglaubt, der Boden sei zu kalt dazu, immerhin war er gefliest, stellte aber erleichtert fest, dass wohl eine Bodenheizung eingebaut war. Außerdem begannen die Zwillinge gerade, Sitzkissen und zusammengefaltete Decken auszuteilen. Nicholas nahm neben ihm Platz. „Damit wir es auch schön gemütlich haben“, meinte Fabian. Er zauberte eine Flasche hervor. „Wer möchte beginnen?“ „Ich!“, rief Florian, woraufhin sein Bruder ihm die Flasche reichte. Rebeckas Protest, das Geburtstagskind anfangen zu lassen, wurde ignoriert, worüber Luca erleichtert war. Er hatte nämlich keinen Plan, welche Regeln es in dem Speil geb. Fragen wollte er aber auch nicht, sonst würden die anderen vielleicht misstrauisch werden, also musste er versuchen, sie aus dem Spiel heraus zu verstehen. „Regeln wie immer“, erklärte Florian, während er die Flasche anschob, „Ihr wählt zwischen Wahrheit und Pflicht, aber nicht immer dasselbe nehmen.“ Die Flasche stoppte vor Benni. „Pflicht“, sagte dieser sofort. Florian grinste. „Du ziehst deine Klamotten mit der Innenseite nach außen an. Den ganzen Abend, bis wir nach Hause gehen.“ Benni brummte etwas Unverständliches, verließ dann aber den Partyraum. Wohl, um sich in Ruhe umziehen zu können. „Vergiss die Unterwäsche nicht!“, rief Fabian ihm hinterher, woraufhin die anderen lachten. Auch auf Nicholas‘ Gesicht war ein Lächeln zu sehen. Obwohl er nicht bei dem Blödsinn seiner Freunde mitmachte, schien es ihn dennoch zu amüsieren. Wenig später kam Benni, die Klamotten falschherum tragend, wieder zurück. Er setzte sich wieder auf seinen Platz und drehte seelenruhig die Flasche, die vor Luca stehen blieb. „Wahrheit“, sagte der Blondhaarige etwas unsicher. „Dann“ Benni verschränkte die Arme hinter dem Kopf und grinste ihn vielsagend an, „beschreib dein erstes Mal, mit allen schmutzigen Details!“ Prompt errötete Luca. „Ich- eh…“, stotterte er, „Ich hab noch nicht-“ „Wie, du hast noch nicht“, wollte Benni verwundert wissen, doch dann schien er zu verstehen, „Du hast noch keinen Sex gehabt.“ Gespielt mitleidig blickte er den Blondhaarigen an. „Dann hast du echt was verpasst, du armer.“ Da keiner der anderen mehr etwas sagte, nahm Luca die Flasche und drehte sie. Er hatte etwas Schwierigkeiten, ihr genug Schwung zu geben, damit sie lang genug in Bewegung blieb, denn seine Hände zitterten. Sein Herz raste und sein Mund war trocken. Er nutzte die kurze Pause, um sich wieder zur Ruhe zu zwingen. Hoffentlich fiel ihm etwas Gutes ein. Vor Nicholas kam die Flasche zum Stehen. „Wahrheit“, sagte der Schwarzhaarige. Kurz zögerte Luca, dann stellte er ihm seine Frage: „Wie ist dein Coming-out verlaufen? Wie hat deine Familie und deine Freunde reagiert und wem hast du es zuerst gesagt.“ Zuerst sah Nicholas ihn verwundert an, dann grinste er. „Ich hab es zuerst René gesagt. Er hat es ganz locker gesehen. Wenn ich mich recht erinnere, hat er ‚Cool, mehr Mädels für mich‘ oder so geantwortet.“ Die Zwillinge brachen in lautes Gelächter aus. „Echt jetzt?“ René grinste. „Was denn? Stimmt doch!“ „Samuel hat es auch ziemlich entspannt gesehen. Sheila war hellauf begeistert, noch jemanden im Haus zu haben, mit dem sie sich über Männer unterhalten kann. Meine Eltern haben es erst für einen Scherz gehalten, sich dann aber relativ schnell wieder eingekriegt.“ Danach war Julian dran, der eine Chilischote essen musste und danach sofort zu den Getränken gestürmt und sich eine Flasche Bier in den Hals geschüttet hatte. Geholfen hatte es allerdings nicht wirklich. Je länger sie spielten, desto müder wurde Luca und das Colabier, das normale Bier hatte ihm nicht besonders geschmeckt, zu dem Julian und Benni ihm überredet hatten, trug nicht gerade zur Besserung bei. Wäre es nur eine Flasche gewesen, ginge es vielleicht noch, aber sie hatten ihm jedes Mal, wenn er ausgetrunken hatte, eine neue gereicht. Inzwischen war er bei seiner vierten Flasche angekommen. Auch die anderen tranken, schienen den Alkohol jedoch besser zu vertragen als er. Erschöpft lehnte er sich gegen Nicholas, neben dem er immer noch saß. Zuerst beobachtete er noch das Geschehen, doch seine Augenlider wurden von Minute zu Minute schwerer. Irgendwann öffnete er sie dann nicht mehr, sondern hörte den anderen nur noch zu. Er bekam noch mit, wie Rebecka mit einem der Stühle flirten musste, dann wurden die Geräusche um ihn herum immer leiser und er driftete in einen leichten Schlaf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)