Auf den zweiten Blick von Seira-sempai ================================================================================ Kapitel 46: Streit und Aussprache --------------------------------- „Nach Hause“, antwortete der Blondhaarige ihm. Er wusste zwar noch nicht, ob Sonja ihn reinlassen würde. Aber hier wollte er nicht länger bleiben. Zügig lief er an seinem Klassenkameraden vorbei. „Warte“, rief Nicholas ihm hinterher. Luca machte den Fehler, kurz inne zu halten. Nicholas nutzte das, um ihn zurück ins Haus zu ziehen und hinter ihnen die Tür zu schließen. Er zog den Blondhaarigen bis ins Bad, wo er die Tür ebenfalls abschloss und den Schlüssel einsteckte. Jetzt konnte Luca nicht mehr fliehen. Der Schwarzhaarige drehte das Wasser in der Wanne auf. „Zieh dich aus, du bist ja völlig durchnässt.“ „Lass mich allein“, forderte Luca ruhig. Er ertrug es nicht, noch langer in der Nähe des Schwarzhaarigen zu sein. „Hör mal“, begann Nicholas, wurde aber von seinem Klassenkameraden unterbrochen. „Fühlst du dich jetzt cool? Du hast Benni und Julian gezeigt, dass du nichts von mir willst!“ Luca wusste nicht, woher die Worte kamen, aber als er sie ausgesprochen hatte, fühlte er sich etwas leichter. „Wenn es das ist, was du dir unter Freundschaft vorstellst, kann ich darauf verzichten!“ Nicholas schaute ihn erschrocken an. Er öffnete den Mund um etwas zu erwidern, doch Luca ließ ihn nicht zu Wort kommen. Er wusste, wenn er jetzt nichts sagte, würde er es nie tun. „Oder bin ich nur ein Projekt für dich? Ein Streuner, den du aufgelesen hast und um den du aus Pflichtgefühl meinst, dich jetzt kümmern zu müssen. Ich habe es dir schon einmal gesagt, ich will kein Mitleid. Erst recht nicht von dir!“ „Das ist noch lange kein Grund, einfach wegzulaufen! Rebecka ist fast durchgedreht, als du nicht zurückgekommen bist! Sie hat uns alle zum Suchen verdonnert!“, erwiderte Nicholas wütend. Erneut zog sich Lucas Herz zusammen. „Du hast also nur nach mir gesucht, weil sie es verlangt hat?“, wollte er wissen. Seine Stimme klang seltsam, so emotionslos. „Geh!“, verlangte er, „Ich will dich nicht mehr sehen!“ Als Nicholas nicht reagierte, lief er auf die Tür zu und versuchte, sie zu öffnen. doch Nicholas schien sie wirklich abgeschlossen zu haben, denn sie ging nicht auf. „Lass mich raus!“ „Warum bist du so wütend?“, fragte der Schwarzhaarige leise. Luca wandte sich um und sah ihn fassungslos an. „Das ist jetzt nicht dein Ernst!“ Ihm fiel auf, dass Nicholas‘ Wange noch immer von seiner Ohrfeige leicht gerötet war. „Eigentlich schon.“ Der Blondhaarige ging auf ich zu. „Vielleicht ist Rebecka ja so nett, dir auch das zu verraten. Und jetzt gib mir den Schlüssel!“ Fordernd hielt er seinem Klassenkameraden die Hand hin. Seine Hand zitterte, doch er zog sie nicht zurück. Wenn er jetzt nachgab, würde Nicholas ihn nicht ernst nehmen. Außerdem war er immer noch wütend. Der Schwarzhaarige rührte sich nicht. „Den Schlüssel“, wiederholte Luca betont ruhig. Aus Erfahrung wusste er, dass man Leute, die schrien und mit Schimpfwörtern um sich warfen, nicht so ernst nah, wie wenn sie ruhig blieben. Inzwischen war die Wanne gut gefüllt, doch der Blondhaarige schenkte ihr keine weitere Beachtung. „Luca, bitte…“, brachte der Schwarzhaarige nach einer Weile hervor. „Was?“, hakte der Angesprochene nach. „Es tut mir leid“, flüsterte Nicholas. Früher hatte ihm das gereicht, doch heute war es nicht genug, um ihn zu besänftigen. Zu sehr hatte Nicholas ihn verletzt. „Was tut dir leid?“ Nicholas vergrub sein Gesicht in seinen Handflächen. „Ich weiß es doch nicht!“ Er schien verzweifel. „Woher auch, wenn du es mir nicht sagst.“ „Keine Idee?“ Irgendwie kam sich Luca gerade ziemlich verarscht vor. So blind konnte doch kein Mensch sein! Der Schwarzhaarige schüttelte den Kopf. „Dir ist also nicht in den Sin gekommen, dass ich den Kuss vielleicht gar nicht gewollt habe?“, fragte er. Erneut schüttelte Nicholas den Kopf. „Es war doch nur ein Spiel.“ „Nur ein Spiel?“, wiederholte Luca ungläubig. Seine Stimme wurde von Wort zu Wort lauter. Er redete sich regelrecht in Rage. „Wie kannst du nur?! Das war mein erster Kuss, du ignoranter Mistkerl! Und dann hast du die Nerven, mich so zu behandeln! Ich hätte dir die Zunge blutig beißen sollen. Mann hätte meinen können, dass dir das genügt, aber nein, du musst mich auch noch vor deinen Freunden lächerlich machen. Ich habe jedes Recht, wütend zu sein!“ Mit jedem Wort, dass ihm Luca an den Kopf geworfen hatte, war Nicholas blasser geworden. „Scheiße!“, murmelte er. Erschöpft ließ Luca sich auf den Boden sinken und lehnte sich an den Rand der Wanne. Er hörte, wie das Wasser hinter ihm den Überlauf hinab floss. Ein warmes Bad wäre gar nicht mal so schlecht. Ihm war kalt und er wusste, durch seinen langen Aufenthalt im Regen war er so sehr ausgekühlt, dass sein Körper von allein nicht so schnell wieder warm werden würde. Doch vorher musste er die Sache mit Nicholas klären und da gab es noch eine Sache, die ihm auf dem Herzen lag: „Wenn du dich so sehr vor mit ekelst, warum hast du mich dann geküsst?“ „Wie kommt du darauf, dass-“ Nicholas brach ab. Er schien verstanden zu haben. „Scheiße!“, schimpfte er. Langsam lief er auf Luca zu und ließ sich neben ihm auf den Boden sinken. „Ich bin so ein Idiot. Die Ohrfeige hab ich mehr als nur verdient.“ Er legte Luca einen Arm um die Schulter und zog ihn an sich heran. Zuerst wollte der Blondhaarige sich wehren, doch er brachte nicht mehr die Kraft auf, die nötig gewesen wäre, um sich loszureißen. Deshalb ließ er es widerstandslos über sich ergehen. Nicholas griff nach seiner Hand und umschloss sie mit seiner. „Ich ekel mich nicht vor dir. Das hab ich nur gemacht, um Julian und Benni nicht noch mehr Feuer für ihre Verkupplungspläne zu geben. Aber du hast recht, ich hätte es lassen sollen. Es war mehr als nur unangebracht.“ Er zog den Blondhaarigen näher an sich heran, ignorierend, dass er nass dabei wurde, weil Luca seine nassen Klamotten noch nicht ausgezogen hatte. „Es tut mir leid. Wenn ich das gewusst hätte- Wenn ich gewusst hätte, dass du noch nie- Ich hätte doch nicht-“ Nicholas seufzte. „Jetzt hab ich deinen ersten Kuss ruiniert. Du wolltest ihn sicher mit jemandem haben, denn du liebst. Ich bin so ein Idiot.“ Wie schwer von Begriff konnte der Schwarzhaarige eigentlich sein? Sonst verstand er doch auch immer alles sofort. Luca schüttelte seinen Kopf. „Das ist es nicht. Es stört mich nicht, dass du derjenige bist, der mich geküsst hat“, flüsterte er leise, hoffend, dass er nicht zu viel verriet, „Mich stört auch nicht, wie es zu dem Kuss gekommen ist, obwohl es nicht wirklich optimal war und ruhig anderes verlaufen hätte können. Aber dass du das unter einem Kuss verstehst…“ Er spürte, wie Nicholas ihn vorsichtig an den Schultern packte und zu sich drehte. Als der Blondhaarige seinen Klassenkameraden anblickte, bemerkte er, dass dessen grüne Augen geweitet waren. Hatte er doch zu viel verraten? „Ist das dein Ernst?“, fragte Nicholas ungläubig, „Du bist nicht wütend, weil es dein erster Kuss war oder weil ich es war, der dich geküsst hat. Auch nicht, weil es in einem Spiel passiert ist?“ Luca nickte. „Ich bin wütend, weil du mich wie den letzten Dreck behandelt hast.“ „Ich bin echt ein Idiot“, stellte Nicholas erneut fest. Dann lächelte er plötzlich und fuhr dem Blondhaarigen mit der Hand über die Wange. „Also ist es okay, wenn ich das gleich tue?“ Noch bevor Luca die Chance hatte, etwas zu erwidern, legten sich Nicholas Lippen auf seine, diesmal spürbar sanfter. Ihm blieb das Herz fast stehen und er riss seine Augen erschrocken auf. Nicholas‘ Augen waren geschlossen, also schloss Luca seine ebenfalls. Zögerlich erwiderte er den Kuss. Er fühlte sich so viel besser an, als der letzte. Sein Bauch fuhr Achterbahn. Sein Herz schlug drei Takte schneller und seine Haut kribbelte. Nicholas löste sich wieder von ihm und grinste ihn schief an. „War das besser?“ Verdutzt nickte Luca. „Und wofür war das jetzt?“ „Das war die Wiedergutmachung. Ich hab deinen ersten Kuss versaut, also ist es nur logisch, wenn du als Entschädigung einen richtigen Kuss bekommst. Und jetzt ab in die Wanne, bevor du dich noch erkältest.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)