Auf den zweiten Blick von Seira-sempai ================================================================================ Kapitel 47: Schweigen --------------------- Luca beobachtete, wie Nicholas sich erhob. Er drehte das Wasser ab, die Wann war schon seit einiger Zeit übergelaufen. Dann durchsuchte er das Regal neben der Wanne. Als er das Gesuchte gefunden zu haben schien, wandte er sie wieder dem Blondhaarigen zu. In seiner rechten Hand hielt er eine Flasche Schaumbad. Er wollte gerade etwas davon ins Wasser geben, als Luca ihn daran hinderte. Er griff nach dem Arm des Schwarzhaarigen und als dieser ihn ansah, schüttelte er den Kopf. Es war besser, wenn er ohne badete. Es würde sonst nur unnötig in seinen Verletzungen brennen. Außerdem hatte er keine Hoffnung, sie vor Nicholas verbergen zu können, selbst wenn er ihn bat, ihn allein zu lassen. Also konnte er es auch von vornherein zugeben. Nicholas stellte die Flasche neben der Wanne auf den Boden, seinen Klassenkameraden argwöhnisch musternd. Der Blondhaarige versuchte unterdessen, seine Jacke zu öffnen. Seine Finger waren noch immer etwas steif von der Kälte, weswegen es erst nach einigen Versuchen gelang. Nicholas nahm ihm die Jacke ab und warf sie ihn die Dusche, wohl, damit sie nicht auch noch den restlichen Boden nass tropfte. Als nächstes zog Luca seinen Pullover über den Kopf. Das ging leichter als die Jacke. Er hörte, wie Nicholas erschrocken nach Lust schnappte. Er schien Jochens Abschiedsgeschenk entdeckt zu haben. Der Blondhaarige ging nicht weiter darauf ein, sondern reichte ihm wortlos das Kleidungsstück. Vielleicht konnte er so die unangenehmen Fragen, die sicher gleich kommen würden, ein wenig hinauszögern. Danach folgte das T-Shirt. Es landete neben dem Pullover und der Jacke in der Dusche. Luca schluckte, ehe er sich Nicholas zuwandte. Der Schwarzhaarige starrte auf seinen entblößten Oberkörper. Sein Gesicht trug einen seltsamen Ausdruck. „Wer war das?“, verlangte er, zu wissen. Luca antwortete nicht. Stattdessen fuhr er aus seinen Schuhen und reichte sie ebenfalls an den Schwarzhaarigen Weiter. Seine Socken waren ebenfalls völlig durchnässt, stellte er fest, weswegen sie den Schuhen folgten. Jetzt kam er unangenehme Part. Obwohl Nicholas ihn bereits einmal nackt gesehen hatte, wollte Luca das nicht wiederholen. Trotzdem musste er aus den Klamotten raus. Nur widerwillig zog er seine Jeans aus, ehe er sich an Nicholas wandte. „Kannst du dich vielleicht umdrehen?“ Zu seiner Überraschung kam der Schwarzhaarige der Aufforderung sofort nach. Luca nutzte das, um schnell aus seinem letzten Kleidungsstück zu schlüpfen und in die Wanne zu steigen. Das Armband hatte er nicht abgelegt. Er zischte, als das Wasser, was sich schrecklich heiß anfühlte, seine Haus berührte. Trotzdem stieg er zügig in die Wanne, setzte sich in die Ecke, winkelte seine Beine an und schlang die Arme um die Knie. So war sichergestellt, dass Nicholas nicht alles sehen konnte, auch wenn er sich immer noch seltsam entblößt vorkam. Doch Nicholas beachtete ihn gar nicht weiter. Er begann, seine Klamotten in der Dusche aufzuhängen, damit sie besser trockneten. Seine Jacke hängte er gleich dazu, schließlich war er auch im Regen unterwegs gewesen. Dann schnappte er sich einen Mopp aus einem der Schränke und wischte den Boden notdürftig trocken. Erst danach setzte er sich zu Luca neben die Wanne. „Wer hat dich so zugerichtet?“, fragte er erneut. Aber Luca schüttelte nur seinen Kopf. „Ich will nicht darüber reden.“ Damit war das Thema für ihn erledigt. Nicholas schien zu verstehen, dass er keine Antworten bekommen würde. Er erhob sich wieder, nahm eines das Badetücher aus dem Regal und hängte es über die Heizung. Danach öffnete er Lucas Rucksack und holte dessen Schlafanzug, der natürlich langärmlich war, heraus und hängte ihn neben das Badetuch. Der Blondhaarige war froh, auch Socken und eine Unterhose zum wechseln eingepackt zu haben, sonst hätte er jetzt wohl ein Problem. „René hat mir eben geschrieben, dass sie wieder zurück sind. Rebecka und Fabian bereiten gerade heiße Schokolade für alle zu und die anderen kümmern sich ums Aufblasen der Luftmatratzen“, sagte Nicholas, wohl um ein Gespräch zu beginnen und zu signalisieren, dass er nicht weiter nachhaken würde, zumindest nicht heute. Luca nickte, als Zeichen, dass er es zur Kenntnis genommen hatte. Der Schwarzhaarige ließ sich erneut auf den Platz neben der Wanne fallen. „Wenn du mir schon nicht sagst, wer es ist, der dich immer so zurichtet, dann lass mich wenigstens deine Verletzungen behandeln“, forderte er. Luca war immer noch wütend auf seinen Klassenkameraden und so schnell würde er ihm auch nicht verzeihen. Trotzdem brachte er es nicht fertig, in noch länger von sich zu stoßen. Zu viel Angst hatte er davor, wieder allein zu sein. Er hob die Schultern. Daran konnte er seinen Klassenkameraden schlecht hindert. „Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht“, versuchte er es trotzdem. „Ich schau sie mir dann trotzdem an“, erwiderte Nicholas und Luca wusste, dass er sich nicht davon abbringen lassen würde. Besser er ließ ihn einfach machen und brachte es schnell hinter sich. Langsam spürte Luca, wie Leben in seine tauben Glieder zurückkam und auch das brennen, dass er gefühlt hatte, als er mit seinem ausgekühlten Körper in die Wanne gestiegen war, war wieder verschwunden. „Sag den anderen nichts hiervon“, flüsterte Luca nach einer Weile, „Ich will nicht, dass sie hiervon wissen. Es reicht schon, dass René es einmal gesehen hat.“ Nicholas seufzte. „Du weißt, dass es das nicht besser machen wird. Du kannst es nicht einfach totschweigen und hoffen, dass es von allein verschwindet.“ „Ich weiß“, antwortete Luca, „Aber sie machen sich bestimmt schon genug Sorgen, da will ich sie nicht noch damit belasten.“ „Sie wollen dir nur helfen“, widersprach Nicholas. „Sie können mir nicht helfen, das kann keiner“, murmelte der Blondhaarige. Der Schwarzhaarige schüttelte den Kopf. „Vielleicht nicht sie direkt, aber sie haben Beziehungen. Rebeckas Mutter ist Krankenschwester, Renés Onkel ein hohes Tier bei der Polizei. Mein Vater ist Anwalt. Einige wichtige Menschen schulden ihm noch den einen oder anderen Gefallen. Julian und Benni kennen eine Menge Menschen. Es muss etwas geben, was wir für dich tun können.“ „Mach mir keine Hoffnung“, schluchzte Luca leise. Schnell wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht, doch Nicholas hatte sie bereits gesehen. Seine Gesichtszüge wurden sanfter. „Wovor hast du Angst?“, fragte Nicholas. „Dass es nichts bringt. Dass es alles nur noch schlimmer macht.“ Der Blondhaarige war erstaunt, wie ehrlich er antwortete. „Dass du bemerkst, was für eine Last ich für dich bin. Dass ich wieder allein dasteh.“ Er spürte, wie ihm schon wieder die Tränen kamen. „Ich lass dich nicht allein“, versprach Nicholas und fuhr ihm mit der Hand durch sein blondes, leicht gewelltes Haar, „Egal, was passiert, ich bin für dich da.“ Bevor Luca wusste, was er tat, hatte er sich in der Wanne gekniet, zu Nicholas hinübergebeugt und ihn in eine Umarmung gezogen. „Danke“, flüsterte es. Der Schwarzhaarige war spürbar überrascht über diese plötzliche Geste, erwiderte die Umarmung aber trotzdem schnell und fuhr ihm mit der Hand durchs Haar. „Du machst mich noch ganz nass“, lachte er leise. Beschämt löste Luca sich wieder von ihm. Daran hatte er gar nicht gedacht. Nicholas erhob sich unterdessen und reichte ihm das inzwischen gut angewärmte Badetuch. „Ich glaube, du hast jetzt genug Wärme getankt. Zeit, zurück zu den anderen zu gehen. Deine heiße Schokolade wartet.“ Er schaute höflich weg, als Luca aus der Wanne stieg und das weiche Badetuch um sich wickelte. Die Verkündung der heißen Schokolade hatte ihn hungrig auf süßes gemacht, weswegen er sich schnell abtrocknete, und in seine Klamotten stieg. Gemeinsam mit Nicholas verließ er das Badezimmer wieder in Richtung der Zimmer der Zwillinge. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)