Auf den zweiten Blick von Seira-sempai ================================================================================ Kapitel 51: Jochens Rückkehr ---------------------------- In den drauf folgenden Tagen war Luca noch öfter beim Haus seines Vaters gewesen. Aber nie hatte er sich getraut, die Klingel zu betätigen. Seinen Freunden hatte er davon auch nichts erzählt, obwohl er in den letzten zwei Wochen oft mit ihnen unterwegs gewesen war. Gerade saß der Blondhaarige auf dem Fensterstock in seinem Zimmer und beobachtete die Einfahrt. Vor einigen Stunden hatte es begonnen, zu schneien und der Schneefall war seitdem kontinuierlich stärker geworden. Luca mochte den Schnee. Ihm gefiel, wie die weiße Schicht alles zudeckte. Heute war Sonntag, das hieß gleich würde Jochen wiederkommen. Aber bis jetzt war nichts von dem Mann zu sehen. Draußen dämmerte es und Luca hatte extra das Licht nicht angemacht, damit sein Stiefvater ihn nicht sah. Mit etwas Glück war der Mann so müde, dass er ins Bett fiel und bis morgen durchschlief. Dann hätte er seine Ruhe und müsste morgen nicht mit neuen blauen Flecken in die Schule gehen. Seine Winterjacke hatte er in den Kleiderschrank gehängt. Falls Jochen ihn heute wieder einsperrte, hatte er sie wenigstens noch, wenn er aus dem Fenster kletterte und musste nicht ohne in die Schule gehen. Die Schulsachen hatte er ebenfalls bereits gepackt, falls er nach Jochens Ankunft nicht mehr dazu in der Lage war. Außerdem hatte er das Geld aus dem Versteck in der Matratze genommen und in seinen Rucksack gepackt, für den Fall, dass er überstürzt flüchten musste. Das war schon ein paar Mal vorgekommen und er wollte lieber vorbereitet sein. Dann, endlich, fuhr das verhasste Auto in die Einfahrt und blieb vor dem Haus stehen. Luca sah, wie sein Stiefvater ausstieg, das Fahrzeug mit der Fernbedienung abschloss und zielstrebig auf die Haustür zulief. Bitte lass ihn müde sein, flehte der Blondhaarige in Gedanken. Er schien Glück zu haben, denn im Haus blieb es ruhig. Allerdings hörte er auch nicht, wie Jochen die Treppe heraufkam. Er aß also wahrscheinlich noch mit Sonja zu Abend. Luca kletterte vom Fensterstock und schlurfte zu seinem Bett. Vielleicht ignorierte Jochen ihn auch einfach. Vielleicht hatte er in den letzten zwei Wochen vergessen, dass er existierte. Eine Weile blieb es still, dann hörte er, wie Jochen die Treppe heraufkam. Bereits an den Schritten erkannte Luca, dass der Mann wütend war. Er brauchte nicht lange zum überlegen, um zu wissen, aus wen. Hatte Sonja ihm etwas erzählt? Sonst interessierte es sie doch auch nicht, was Luca trieb, solange er ihr perfektes Leben mit Jochen nicht zerstörte. Die Tür wurde mit einem Ruck aufgerissen und der Mann stürmte ins Zimmer. „Was bildest du dir eigentlich ein?“, brüllte er. Er packte Luca grob am Kragen, zerrte ihn vom Bett und stieß ihn gegen den Schrank. Der Blondhaarige spürte, wie er den Griff in den Rücken bekam. Vor Schmerz stöhnte er leise. „Da bin ich einmal weg, und was tust du?“, schrie Jochen und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht, „Du hast nichts besseres zu tun, als deiner Mutter auf der Nase herumzutanzen und dich in der Stadt herumzutreiben! Wo bist du gewesen?“ Luca schmeckte Blut, ihm war wohl die Lippe aufgeplatzt. Jedenfalls fühlte es sich so an. Jochen packte ihn erneut am Kragen und stieß ihn mehrmals gegen den Schrank. „Rede endlich!“ Die Stöße waren so stark, dass dem Blondhaarigen die Luft wegblieb, doch sein Stiefvater hörte nicht auf. Immer wieder stieß er ihn gegen den Schrank. Als Jochen ihn nach einer gefühlten Ewigkeit losließ, sank er keuchend zu Boden, wo er regungslos liegen blieb. „Antworte gefälligst, wenn ich mit dir rede!“, tobte der Mann und trat ihn in die Seite. Doch Luca schwieg. Dem einen Tritt folgten weitere, doch auch diese stoppten irgendwann. Der Blondhaarige wollte schon erleichtert ausatmen, weil er glaubte, dass Jochen die Lust vergangen war, aber er hatte sich getäuscht. Zum dritten Map packte der Mann ihn am Kragen und stieß ihn gegen den Schrank. „Ich sollte dich abmurksen, du widerliche Kakerlake“, zischte Jochen. Kalte Hände legten sich um den Hals des Siebzehnjährigen und begannen, zuzudrücken. Luca bekam Angst. so weit war der Mann noch nie gegangen! Verzweifelt versuchte er, gegen den Griff anzukämpfen, doch er konnte nicht die nötige Kraft aufbringen. Seine Bewegungen begannen, schwächer zu werden. Er musste etwas tun. Jochen würde ihn umbringen, das wusste Luca. Mit letzter Kraft holte er aus und stieß dem Mann so kräftig er konnte sein Knie zwischen die Beine. Jochen Keuchte vor Schmerzen auf. Der Griff lockerte sich etwas. Luca drehte seinen Kopf und biss ihm kräftig in die Hand. Gleichzeitig stieß er den Mann von sich. „Na warte“, schrie Jochen, „Das wirst du mir büßen! Wenn ich dich in die Finger kriege. Jetzt kannst du etwas erleben!“ Seine Augen blitzten vor Wut. Erst jetzt begriff Luca, was er gerade getan hatte. Scheiße, dachte er. Er musste hier weg, und zwar sofort. sonst würde er aus der Sache nicht mehr lebend herauskommen. Er stieß sich vom Kleiderschrank ab, öffnete ihn und griff nach seiner Winterjacke, danach nach den Winterstiefeln. Dann griff er sich seinen Rucksack, froh darüber, dass er vorhin noch das gesamte Geld aus dem Versteck in der Matratze in ihn gepackt hatte. So schnell er konnte, sprintete er zum Fenster, riss es auf und sprang hinaus. Im Augenwinkel sah er, wie Jochen nach ihm griff, ihn aber knapp verfehlte. Unsanft landete er vor dem Haus. Seine Verletzungen schmerzten bei dem Aufprall. Aber darauf konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen. Jochen würde bald die Treppe heruntergestürmt sein und ihn eingeholt haben. Luca begann, zu rennen. Er rannte, so schnell er konnte. Schneller, als er jemals gerannt war. Die Angst trieb seinen Körper zu Höchstleistungen. Seine Lungen brannten von der kalten Luft, die er einatmete, doch auch darauf nahm er keine Rücksicht. Durch den starken Schneefall konnte er keine zehn Meter weit schauen, doch das war jetzt ein Vorteil. Es bedeutete, dass Jochen es schwer haben würde, ihm zu folgen. Hinter sich hörte er Jochens wütende Schreie. Noch war der Mann weit genug von ihm entfernt, um ihn nicht sehen zu können, aber er würde ihn bald eingeholt haben. Als der Blondhaarige an der Bushaltestelle vorbeistürmte, konnte er seinen Augen kaum glauben. Dort stand ein Bus, die Türen geöffnet. Schnell drehte Luca sich um, um zu überprüfen, ob Jochen noch weit genug entfernt war. Der Mann war noch hinter der Wegbiegung verschwunden. Luca rannte auf den Bus zu, sprintete die drei Stufen hinauf, zog gleichzeitig seine Monatskarte aus einem der Winterstiefel, die er immer noch in den Armen trug und hielt sie dem Busfahrer unter die Nase. Er ließ dem Mann gerade genug Zeit, zu erkennen, dass die Karte gültig war, dann stürmte er weiter, ehe er sich auf der Beifahrerseite vor einen leeren Sitz kauerte. In dieser Position wartete, bis der Bus wenig später losfuhr. Sicherheitshalber blieb er auch noch bis zur nächsten Haltestelle so. Dann erst kletterte er auf den Sitz. Er atmete einige Male ruhig ein und wieder aus, um sich zu beruhigen. Als das endlich den gewünschten Erfolg brachte, stellte er seinen Rucksack neben sich und schlüpfte in seine Winterjacke. Glücklicherweise hatte er die Angewohnheit Mütze, Schal und Handschuhe immer im Ärmel zu verstauen, weswegen er sie auch jetzt bei sich hatte. Mit zitternden Fingern zog er sich an. Er tauschte noch seine Hausschuhe gegen die Stiefel und verstaute die Hausschuhe in seinem Rücksack. Erschöpft ließ er sich in den Sitz sinken. Er hatte sich gegen Jochen gewehrt. Er war vor Jochen geflohen. Er war von Zuhause ausgerissen. Nicht, dass er es jemals als Zuhause betrachtet hatte, aber jetzt hatte er keinen Platz mehr zum Schlafen. Wo sollte er also hin. Plötzlich fiel ihm sein schwarzhaariger Klassenkamerad ein. Nicholas hatte gesagt, er solle zu ihm kommen, wenn er Hilfe brauche. Vielleicht konnte er ihm helfen. Nicholas‘ Vater war Anwalt. Wenn er ihnen alles erzählte, könnten sie ihm vielleicht weiterhelfen. Und selbst wenn nicht, hatte er wenigstens ein warmes Bett für die Nacht. Nicholas würde ihn nicht im Stich lassen. Mit neuem Mut stieg Luca an der Haltestelle, die dem Haus seines Klassenkameraden am nähendsten war, aus und lief in die Richtung, in des Hauses. Umfrage --> http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/389611/322139/   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)