Auf den zweiten Blick von Seira-sempai ================================================================================ Kapitel 68: Erzwungenes Geständnis ---------------------------------- Die Musik war laut und es waren viele Leute hier, die Luca noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Es waren wohl alles Freunde der Zwillinge, denn die beiden schienen sich super mit ihren Gästen zu verstehen. Ein paar Mal hatte einer von ihnen versucht, Luca anzusprechen. Der Blonde hatte sich jedoch hinter Nicholas versteckt, da er schnell gemerkt hatte, dass sie gehörigen Respekt vor dem Schwarzhaarigen hatten. Aber bei dem Mörderblick, den er den anderen zuwarf, war das wahrscheinlich auch kein Wunder. So hatte Luca seine Ruhe. Zwar wurde er immer noch von vielen beobachtet, wohl auch weil er vor Nicholas nicht zurückwich, aber keiner kam ihm mehr zu nahe, zum Glück. Vor einer Weile hatten sich René und Rebecka zu ihnen gesetzt. „Wie geht es dir?“, hatte das Mädchen versucht, ein Gespräch zu beginnen. „Ganz gut“, antwortete Luca. Wegen der lauten Musik musste er fast schreien, um noch verstanden zu werden. Auf Dauer war das bestimmt sehr unangenehm. „Was ist eigentlich genau passiert?“, wollte jetzt auch René wissen, „Ich hab nur irgendwelche wilden Gerüchte gehört.“ „Was hast du denn gehört?“, stellte Luca die Gegenfrage, um etwas Zeit zu gewinnen. René hob die Schultern. „Dass du einen Autounfall hattest, weiß ich. Da du schon wieder draußen bist, kann es auch nicht so schlimm sein, wie einige behauptet haben. Darum geht es jetzt aber auch nicht. Ich habe gehört, deine Eltern wurden verhaftet. Stimmt das?“ Luca fuhr erschrocken zusammen. Hatte es sich etwa schon bis hier her durchgesprochen. Zaghaft nickte er. Abstreiten würde nichts bringen, früher und später würde es eh herauskommen, also konnte er es auch gleich zugeben. Das würde ihm einiges an Ärger ersparen. „Wo wohnst du jetzt?“, fragte Rebecka. Mit dieser Frage hatte er gerechnet, weswegen es ihm nicht schwer fiel, zu antworten. „Bei meinem Vater.“ „Stimmt, deine Eltern haben ja nicht zusammen gelebt“, meinte Rebecka etwas nachdenklich. Doch anstatt weiter nachzubohren, lächelte sie nur freundlich, packte René am Handgelenk und zog ihn auf die Tanzfläche. Manchmal schien sie förmlich zu spüren, wenn ihm etwas unangenehm war. Fabian brachte ihnen Getränke. ein Bier für Nicholas und ein Mixgetränk für Luca, welches der Blonde misstrauisch begutachtete. „Wie viel Alkohol ist da drin?“ „Fast nichts. Das meiste ist Saft“, meinte der Zwilling grinsend. Der Blonde nahm einen Schluck und stelle überrascht fest, dass das Getränk gar nicht mal so schlecht schmeckte. Trotzdem würde er darauf achten müssen, was er trank. Bei seinem Gewicht und seiner sehr niedrigen Toleranz, brauchte er sicher nur halb so viel wie die anderen. Besser, er stieg danach erst einmal auf Saft oder Cola um. Dadurch, dass sowohl die Zwillinge als auch René und Rebecka normal mit ihm und Nicholas sprachen, hatten die anderen wohl einen Teil ihres Respektes verloren und rutschten ihnen jetzt auch näher auf die Pelle. Zwar hielten sie immer noch einen Mindestabstand, dennoch stellten sie Luca die eine oder andere Frage. Irgendwann wurde es dem Blonden zu viel und er floh unter dem Vorwand, sich ein neues Getränk zu holen, in die Küche. Dort angekommen, ließ er sich erst einmal auf einen der Stühle fallen. Seine Krücken lehnte er gegen den Tisch. Er atmete ein paar Mal tief durch, um sich wieder etwas zu beruhigen. Hier war die Musik deutlich leiser, was es ihm etwas erleichterte. „Hier bist du!“ Erschrocken fuhr Luca zusammen. Er drehte sich zur Tür und blickte in die Gesichter von Julian und Benni. Breit grinsend ließen die zwei sich ihm gegenüber auf freie Stühle fallen. „Wir haben dich gesucht“, meinte Julian, „Du warst plötzlich verschwunden.“ Der Angesprochene wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Deshalb bleib er still und wartete, bis die beiden weitersprachen, was sie nach einer Weile auch taten. „Du verstehst dich in letzter Zeit sehr gut mit Nicholas, kann das sein?“, wollte Benni wissen. Deutlicher musste r nicht wissen, Luca wusste auch so, worauf er anspielte. Irgendetwas sagte dem Siebzehnjährigen, dass es besser wäre, jetzt einen taktischen Rückzug anzutreten, doch als er gerade noch seinen Krücken greifen wollte, kam Julian ihm zuvor. Er packte sie und legte sie, außerhalb Lucas Reichweite, auf den Küchenschrank. „Wir unterhalten uns jetzt mal in aller Ruhe“, erklärte er sein Handeln. Luca kam sich bedrängt vor. Instinktiv wich er ein Stück zurück. Ob er es auch ohne seine Krücken zurück ins Wohnzimmer schaffen würde? Es tat weh, wenn er mit seinem gebrochenen Bein auftrat und er konnte es noch nicht wieder richtig belasten. Aber einbeinig springen sollte funktionieren. Außerdem könnte er sich ja an den Schränken abstützen. Er wollte seinen Fluchtplan gerade in die Tat umsetzen, als er an den Schultern gepackt und zurück in den Stuhl gedrückt wurde. „Hiergeblieben“, bestimmte Julian. Der Blonde schluckte. Das sah nicht gut aus. Ohne Hilfe würde er hier nicht wieder rauskommen. Ob die anderen schon bemerkt hatten, dass er viel zu lange brauchte und ihn suchten? Zumindest Nicholas musste doch aufgefallen sein, dass er niemals so lange brauchte, nur um sich ein neues Getränk zu holen. „Ihr habt vorhin echt süß geschmust“, riss Benni ihn aus seinen Gedanken, „Und auch schon vor deinem Unfall ward ihr sehr nahe. Läuft da etwas, von dem wir nichts wissen?“ „Wir sind nur Freunde“, versuchte Luca, sich irgendwie zu retten. Außerdem log er nicht. Es war die Wahrheit. Nicholas und er waren nur Freunde, nicht mehr, egal wie sehr es sich manchmal wünschte. „So?“ Julian klang nicht, als ob er ihm glauben würde. Um seine Aussage zu bekräftigen, nickte Luca. Er wollte hier weg, bevor die beiden noch mehr unangenehme Fragen stellten. Er wollte zurück zu Nicholas und sich an ihn kuscheln. „Da läuft also rein gar nichts zwischen euch?“, hakte Benni jetzt ebenfalls nach, „willst du uns für dumm verkaufen? Wir kennen Nicholas schon seit Jahren! Seit er dich kennt, hat er sich verändert! Zum Positiven!“ „Da ist nichts“, beharrte Luca. Das stimmte nicht ganz, da er ja Gefühle für den Schwarzhaarigen hatte. Aber das musste keiner wissen, erst recht nicht die beiden. „Warum gibst du nicht zu, dass du in ihn verliebt bist?“, fragte Benni. Luca erstarrte. „Nein“, schluchzte er. Seine Hände begannen, zu zittern. Er ballte seine Hände zu Fäusten. Krampfhaft versuchte er, sich unter Kontrolle zu halten. „Du hast es nicht abgestritten“, stellte Julian fest, schien allerdings nicht wirklich überrascht zu sein. „Lasst mich in Ruhe“, verlangte Luca. Seine Stimme zitterte und er war sich sicher, dass er ein jämmerliches Bild abgab. Nicht mehr lange und er würde in Tränen ausbrechen. „Gib es zu“, entgegnete Benni, „Gib zu, dass du dich in Nicholas verliebt hast!“ „Was würde da bringen?“ Luca hatte nicht länger die Kraft, gegen die zwei zu kämpfen. Sie würden doch eh nicht aufgeben, bis sie ein Geständnis aus ihm herausgepresst hatten. Ein wenig wunderte es ihn, dass sie es nicht schon viel früher versucht hatten. „Es würde nur alles verkomplizieren. Er erwidert meine Gefühle nicht, also ist es besser, wenn er nichts von ihnen weiß.“ Das war es zumindest, was er sich seit Wochen einredete. Aber in Wirklichkeit hatte er Angst vor Nicholas Reaktion. Er hatte Angst, dass der Schwarzhaarige ihn abwies, nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Er konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Still liefen sie ihm über das Gesicht. „Du gibst es also zu?“, bohrte Julian mit einem seltsamen Grinsen im Gesicht nach. Es hätte ihn misstrauisch machen müssen, immerhin hatten sie ihr Geständnis bereits. Ihm hätte auffallen müssen, dass er mit dem Rücken zur Tür saß und jederzeit jemand die Küche betreten könnte. Aber er war gerade nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen, weswegen er wiederholte: „Ja, ich liebe Nicholas. Schon seit einer Weile. Seid ihr jetzt zufrieden?“ Hinter ihm zersplitterte ein Gegenstand. Erschrocken drehte Luca sich um und blickte in ein Paar geweiteter grüner Augen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)