Krieg & Frieden von blumenpups (Was sich liebt, das sprengt sich (ZoTa)) ================================================================================ Kapitel 1: Das, in dem Waffenstillstand geschlossen wird -------------------------------------------------------- Prolog: Das, in dem Waffenstillstand geschlossen wird „Es geht mir gut.“ Tashigi Jenkins schob die Hand des Polizeiseelsorgers entschlossen von ihrer Schulter herunter. Für einen kurzen Moment schien er ihre Reaktion persönlich zu nehmen, dann zuckte er bloß mit den Schultern und akzeptierte endlich, dass sie einfach nur in Ruhe gelassen werden wollte. Er versicherte ihr zum vierten Mal, dass sie jederzeit mit ihm reden konnte, steckte ihr seine Visitenkarte zu und wandte sich dem nächsten armen Schwein zu, das seine Hilfe gebrauchen konnte. Die junge Polizistin wartete noch, bis er außer Sichtweite war, dann zerriss sie die Karte in kleine Fetzen und ließ sie auf den Boden rieseln. Erleichtert atmete Tashigi durch. Ihr Atem produzierte in der Luft weiße Wölkchen und zum ersten Mal im Laufe der letzten chaotischen Stunden nahm sie die klirrende Kälte um sich herum wahr. Fröstelnd umklammerte sie den Plastikbecher mit Pfefferminztee, den einer der Sanitäter ihr vor ein paar Minuten in die Hand gedrückt hatte, fester, um ihre gefrorenen Finger zu wärmen. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf das Geschehen um sie herum. Das Einfamilienhaus, auf dessen Veranda sie mit angezogenen Knien kauerte, war trotz der späten Stunde hell erleuchtet. Blaulicht von Krankenwagen und Polizeifahrzeugen erhellten schauerlich blitzend den Vorgarten und auch die Presse trug mit ihren Blitzlichtern ihren Teil zur Beleuchtung bei. Hinter der weiträumigen, von ihren Kollegen schärfstens bewachten Absperrung kämpften Kamerateams von verschiedenen regionalen Sendern um den besten Blick auf das „Horror-Haus“ und neugierige Nachbarn versammelten sich in ihren Bademänteln auf der kalten Straße und versicherten sich gegenseitig, dass niemand damit hatte rechnen können. Wie denn auch? Tashigi hatte auch nicht damit gerechnet. Es hatte wie ein routinemäßiger Einsatz angefangen, ein stinknormaler Fall von häuslicher Gewalt, wie er in jeder Großstadt an einem Freitagabend dutzend Male vorkam. Doch bei ihrem Eintreffen war der Fall zu einer Geiselnahme mutiert, die schließlich ein blutiges Ende genommen hatte. Zwei Tote. Tashigi wünschte sich, sie hätte abgedrückt, bevor der Ehemann die Gelegenheit dazu gehabt hatte. Vielleicht würde die Ehefrau dann noch leben. Abwesend beobachtete Tashigi, wie die Sanitäter einen Leichensack auf eine Trage hievten, mit Gurten festzurrten und schließlich an ihr vorbei schoben. Ihr Blick blieb an dem Reißverschluss hängen, aus dem Blut tröpfelte und auf die vor kurzem gestrichene Veranda fiel. Sie erschauderte und schlang die Arme um ihren schlanken Oberkörper. Kurz fragte sie sich, ob es die Frau oder der Mann war, die in die Rechtsmedizin abtransportiert wurden, dann verdrängte sie die Frage wieder. Sie wollte die Antwort gar nicht wissen. Plötzlich fühlte sie sich unendlich einsam. Sie senkte den Blick hinab auf ihre blutverschmierten Arbeitsschuhe. Ihre Augen schwammen in Tränen, was in der Düsternis zum Glück niemand sehen konnte. Sie blinzelte ein paar Mal, erfolglos. Sie hätte früher abdrücken sollen. Nicht erst, als der Ehemann die Initiative ergriff und seiner Frau eine Kugel in den Schädel jagte. Tashigi, die kaum zwei Meter von den beiden entfernt gestanden hatte, die Waffe schussbereit in den Händen und doch zögernd, hatte gesehen, wie der Kopf der Frau vor ihren vor Schreck geweiteten Augen explodiert war. Blut, Hirnmasse und Knochensplitter waren ihr ins Gesicht gesprüht. Und noch während die Frau leblos zu Boden sackte, hatte Tashigi ihr Magazin auf den Ehemann entleert. Ihre Hände hatten nicht gezittert. Ihr wurde schlecht und sie schluckte heftig, während sich das Zittern dafür jetzt in ihrem gesamten Körper ausbreitete. Entschlossen, sich ihre Schwäche nicht anmerken zu lassen, besonders nicht vor ihren Kollegen, die im Haus ein- und ausgingen als herrschte Tag der offenen Tür, biss sie sich auf die bebende Unterlippe. Wieder und wieder fragte sie sich, ob sie anders hätte handeln sollen. Früher hätte schießen sollen. Sie hatte exakt nach Lehrbuch gehandelt, und was hatte es ihr gebracht? Absolut gar nichts. Tashigi fuhr erschrocken zusammen, als ihr jemand eine warme Lederjacke um die zitternden Schultern legte. Hastig fuhr sie sich mit dem Ärmel ihrer Bluse über die feuchten Augen. Dann erkannte sie den Geruch, der in der Jacke festhing. Sie lächelte schwach, und als Zorro sich schließlich neben sie sinken ließ und ihr wortlos den Arm um die Schultern legte, lehnte sie sich anstandslos gegen ihn und ließ ihren Tränen freien Lauf. Sanft strich er ihr über den Rücken und zog sie noch näher an sich heran, damit sie etwas von seiner Körperwärme abbekam. Er ließ sie weinen und sein T-Shirt vollrotzen, bis sie sich wieder gefangen hatte und sich schniefend mit den Ärmeln über das Gesicht fuhr. „Was machst du hier?“, fragte sie dann verschnupft und sah ihn zum ersten Mal an. Der Kopfgeldjäger zuckte mit den Schulten. „Ich höre euren Funk ab.“ Das war die schnellste Methode, sich neue Aufträge zu sichern. Und es hatte den beruhigenden Nebeneffekt, dass man einer der ersten war, die erfuhren, wenn die Freundin in einen Schusswechsel geraten war. Tashigi schnaubte entrüstet, auch wenn sie unheimlich froh war, dass er hier war. Besonders, wenn man bedachte, wie eisig die Stimmung zwischen ihnen in den letzten Wochen gewesen war. Sie hatte Zorro bereits seit acht Tagen nicht mehr gesehen und noch länger kein Wort mehr mit ihm gewechselt, weil sie sich gestritten hatten. Worum es dem Streit gegangen und wer an der Reihe war, sich zu entschuldigen, wusste sie bereits nicht mehr. Jetzt war es auch egal. Wenn es hart auf hart kam, war er für sie da. Und das bereits seit mehreren Jahren. Erschöpft lehnte sie den Kopf gegen seine Schulter. „Sonst kommst du doch nicht angerannt, wenn was schief geht.“ Zorro schmunzelte. „Ich erkundige mich vorher. Bei jedem 444-er.“ 444 war ein Funkcode der Polizei. Er bedeutete, dass ein Officer in einen Schusswechsel geraten war. Tashigi spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde. Sie hatte nicht gewusst, das Lorenor die ganze Zeit über ein Auge auf sie hatte. „Wie lange machst du das schon?“, hakte sie neugierig nach und schmiegte sich geschmeichelt an seine Seite. „Seit ich dich kenne“, stellte Zorro klar und rubbelte ihr über die Oberarme, um sie aufzuwärmen. „Du bist eine wandelnde Katastrophe, schon vergessen?“ Sie boxte ihm liebevoll und empört gleichzeitig gegen die Rippen. Er schmunzelte nur. Sie blieben noch ein paar Minuten einträchtig nebeneinander sitzen und beobachteten das geschäftige Treiben, dass sie umgab. Spurensicherer in weißen Schutzanzügen, ausgestattet mit Koffern mit ihrem Einsatzwerkzeug, trotteten an den beiden vorbei, ohne sie zu beachten. Tashigi sah ihren Chef, Smoker, an der Absperrung Reporter abwimmeln. Sie stellte sich vor, was er wohl zu ihnen sagte, und musste schmunzeln. Bestimmt nichts Nettes. Schließlich nahm Zorro ihr den Plastikbecher Tee aus der Hand, schüttete ihn unter den vorwurfsvollen Blicken einiger ihrer Kollegen auf den Rasen und warf den Becher achtlos bei Seite. Dann rappelte er sich auf die Beine. Tashigi biss sich auf die Lippe, runzelte die Stirn und schluckte ihre Enttäuschung herunter. Wollte der Penner jetzt etwa einfach so wieder abhauen?! Er begegnete ihrem Blick und grinste dieses unverschämte Killer-Lächeln, dem sie nicht widerstehen konnte. Und sie hatte es versucht. Mehrmals. Und war jedes Mal kläglich gescheitert. „Zieh dir die Jacke an, wir gehen“, kommandierte der Grünhaarige nach ein paar Sekunden Schweigen und stapfte entschlossen auf die Absperrung zu, ohne auf sie zu warten. Völlig überrumpelt sah Tashigi ihm einen viel zu langen Moment einfach nur dabei zu. Erst, als der Kopfgeldjäger bei Smoker ankam, sprang auch sie auf die Beine, stopfte ihre Arme in die Ärmel von Zorro’s Lederjacke und stolperte ihm nach, um das Schlimmste zu verhindern. Ein Schusswechsel am Tag genügte ihr. Sie fluchte halblaut, als sie an einer Baumwurzel hängen blieb und ins Stolpern geriet. Kaum hatte sie ihr Gleichgewicht wieder gefunden, strebte sie weiter auf ihre beiden Lieblingsmänner zu. Die sich auf den Tod nicht ausstehen konnten. „Chief Smoker“, setzte Tashigi an, kaum dass sie die beiden erreicht hatten. Dann verstummte sie abrupt, als Smoker Zorro auf die Schulter klopfte. Am liebsten hätte sie sich die Augen gerieben. Kein Gebrüll? Keine wüsten Beschimpfungen? Kein „Dann schieß‘ doch, du Penner“ oder „Wenn du ihr weh tust, brech ich dir jede Rippe einzeln“? Tashigi blieb ungläubig wie angewurzelt stehen und wäre froh gewesen, wenn ihr jetzt jemand eine saftige Ohrfeige verpasst hätte. Der Bann war gebrochen, als die beiden Männer sie bemerkten. Beide verschränkten zeitgleich die Arme vor der Brust und blickten einander herausfordernd an. Schließlich wandte Smoker sich ihr zu und runzelte die Stirn. „Was machst du noch hier, Jenkins?“ „Ich…also, Chief, meine Aussage-“ „Die kannst du auch morgen noch machen“, unterbrach Smoker sie unsanft. „Jetzt schwing‘ dich mit dem Trottel auf seine Dukati und lass dich nach Hause fahren.“ Tashigi nickte sprachlos. Sie warf Zorro einen fragenden Blick zu, aber der zuckte nur stumm mit den Schultern, nickte Smoker knapp zu und griff nach ihrer Hand, um sie mit sich zu ziehen. „Vergesst das Navi nicht!“, rief Smoker ihnen noch schadenfroh grinsend nach, während Zorro sie ungeachtet ihrer stammelnden Proteste mit sich zog, weg von dem Haus, in dem sie vor zwei Stunden einen Mann erschossen hatte. Der Grünhaarige reckte ihrem Chef über die Schulter hinweg den Mittelfinger entgegen. „Was zum-“ „Frag nicht“, meinte Zorro knapp, während er sich unter dem Absperrband wegduckte und es für sie hochhielt. „Aber-“ „Nichts aber. Du hast ihn doch gehört“, unterbrach er sie erneut. Einige von Tashigi’s Kollegen warfen ihr mitfühlende Blicke zu oder tätschelten ihr die Schulter, während Zorro ihnen einen Weg durch die Menschenmenge bahnte und ihre Hand nicht losließ. Tashigi nickte resignierend, hielt sich dicht hinter ihm und blickte sich suchend nach der blauen Dukati um. „Wo hast du geparkt?“ Zorro blieb wie angewurzelt stehen, sodass sie beinahe gegen seinen breiten Rücken gerannt wäre. Suchend sah er sich um, drehte den Kopf von links nach rechts. Tashigi seufzte. Sie hätte es wissen müssen. „Du hast keine Ahnung, oder?“, stellte sie amüsiert fest. „Halt die Klappe“, wehrte Zorro entrüstet ab und stellte sich auf die Zehenspitzen, um einen besseren Blick über die Köpfe der Schaulustigen zu bekommen. Tashigi verdrehte die Augen und wollte gerade noch eine Bemerkung loswerden, als einer der Journalisten ihr ein Mikrophon unter die Nase hielt. „Officer Jenkins, Sie sind die Beamtin, die den tödlichen Schuss abgeben hat. Hätte der Tod von Mrs. Wood verhindert werden können, wenn Sie früher gehandelt hätten?“, stellte er die Frage, die Tashigi sich selbst auch schon die ganze Zeit stellte. „Ähm-“, setzte Tashigi unsicher an, während ihr sämtliche Farbe aus dem Gesicht wich, als sie die Kamera bemerkte, die direkt auf ihr Gesicht gerichtet war. Weiter kam sie auch gar nicht, denn in dem Moment bemerkte Zorro ihre Misere, versetzte der Kamera einen derben Stoß, der selbst den Kameramann zu Boden beförderte und baute sich gleich danach angriffslustig vor dem Moderator auf, den Tashigi von Channel 4 wiedererkannte. „Zorro…“, wiegelte sie ab und zupfte ihn am T-Shirt-Saum, aber er schien es gar nicht zu bemerken, sondern schob sie nur hinter sich. „Mr. Hackfresse, Sie sind der Idiot der diese seltendämliche Frage gestellt hat. Sind Sie Schuld daran, dass ihr Crewmitglied auf dem Boden liegt und teures Equipment zu Bruch gegangen ist?“, stellte der Kopfgeldjäger die Gegenfrage. Die besagte Hackfresse blickte entrüstet zunächst zu Zorro, dann auf seinen Kameramann und schließlich wieder zurück. „Das wird ein Nachspiel haben!“, fauchte er, aber Zorro schüttelte bloß genervt den Kopf, umfasste Tashigi’s Handgelenk erneut und wandte sich ab. „ICH WERDE SIE VERKLAGEN!“, keifte der Moderator noch einmal in ihre Richtung und drehte sich dann zu seinem Kameramann herum. „Hast du das auf Band?“ „Das hätte nicht sein müssen!“, zischte Tashigi Zorro zu, als sie aus dem Getümmel herausbrachen und auf der Straße standen. „Aber trotzdem danke“, fügte sie dann schmunzelnd hinzu und schlang ihm einen Arm um die Hüfte. Er beugte sich zu ihr hinab und drückte ihr einen Kuss auf die Haare. Dann rümpfte er die Nase. „Du musst duschen. Dir klebt da noch was in den Haaren“, erklärte er und zupfte etwas daraus hervor. „Was war das?!“, verlangte Tashigi mit panischem Unterton zu wissen und erinnerte sich an das Gefühl, als ihr das Innerste der Ehefrau ins Gesicht spritzte. Zorro linste zu ihr hinunter und schnippte Was-auch-immer auf die Straße. „Gar nichts“, log er unverblümt und deutete dann erleichtert auf seine Dukati, die unachtsam neben einem Polizeieinsatzwagen stand. Unverschlossen. Er hatte es eilig gehabt. „Lorenor!“, fauchte Tashigi, während sie sich dem Motorrad näherten. „Was hast du da aus meiner Frisur gefischt?!“ „Welche Frisur?“, maulte der Grünhaarige grinsend zurück und zwickte Tashigi in die Seite. Er würde ihr nicht verraten, dass es ein blutverschmierter Knochensplitter gewesen war. Sie würde bloß ausflippen. „Zu dir oder zu mir?“, fragte er dann, während er seine Hosentaschen nach dem Schlüssel abtastete. Tashigi tat das Gleiche bei der Lederjacke und reichte ihm den Schlüsselbund, den sie in einer der Innentaschen fand, gleich neben den Kaugummis und einer halbautomatischen Handfeuerwaffe. „Zu mir“, seufzte Tashigi, bevor sie sich den Helm über den Kopf zog und darauf wartete, dass der Grünhaarige die Maschine wendete. Sie sehnte sich nach einer heißen Dusche, einem großen Glas Wein und ihrem urgemütlichen Bett. Bei Zorro gäbe es nur einen leeren Kühlschrank, Bier und das kahle King Size Bett mit der durchgelegenen Matratze. „Sollst du haben“, bestätigte Zorro und klopfte auffordernd auf den Platz hinter sich. Tashigi zögerte nicht lange, schwang sich auf die Dukati und klammerte sich von hinten an Lorenor Zorro. Als er anfuhr, vergrub sie ihr Gesicht zwischen seinen Schulterblättern, unendlich froh, die Nacht nicht alleine verbringen zu müssen. Kapitel 2: Das, in dem der Haussegen schief hängt ------------------------------------------------- Das, in dem der Haussegen schief hängt „Scheiße!“ Zorro warf die Bettdecke von sich und sprang aus dem Bett. Dabei blieb er mit dem Fuß hängen, schaffte es gerade noch so, den Sturz mit den Händen abzufedern und stolperte durch das Schlafzimmer, auf der Suche nach seinen Klamotten. „Hier“, murmelte Tashigi träge und warf ihm seine Boxershorts zu. Routiniert fing er sie auf und schlüpfte hinein, während sie einen Blick auf den Wecker warf. Es war halb drei. Nachts. Murrend zog sie sich die Bettdecke wieder über den Kopf und strampelte frustriert mit den Beinen, während Zorro sich geschmeidig durch die Dunkelheit bewegte und sich Hose, Shirt und Lederjacke überzog. „Wo willst du denn so früh hin?“, brummte sie schließlich ins Kissen und öffnete die Augen einen Spalt breit, gerade so, dass sie seine Umrisse beobachten konnte. „Die Arbeit ruft“, erklärte Zorro, während er sich das Schulterhalfter umschnallte, sein Messer von ihrem Nachttisch nahm und es sich in den Stiefel schob. „Um halb drei?!“, entfuhr es ihr frustriert. Zorro grinste, das fühlte sie, und beugte sich über das Bett, um ihr einen sanften Kuss auf die Stirn zu drücken. „Irgendwann muss ich ja mal arbeiten. Wir haben die letzten drei Tage im Bett verbracht“, sagte er dann, griff sich sein Handy und den Schlüsselbund und verstaute alles in seinen Jackentaschen. Wo er Recht hatte, hatte er Recht. Seit dem Vorfall war sie krankgeschrieben – Dienstvorschrift. Bis ihr ein Psychologe der Polizei bestätigte, dass sie wieder voll einsatzfähig war, und die Dienstaufsicht zu dem Ergebnis kam, dass ihr Schuss berechtigt war, würde sie sich die Zeit in ihren eigenen vier Wänden vertreiben müssen. Zorro hatte ihr dabei bisher Gesellschaft geleistet und seine Fälle an Johnny und Yosaku abgegeben. Jetzt war das Faulenzen anscheinend vorbei. Sie seufzte enttäuscht. „Ich bin nicht lange weg“, versprach Zorro und setzte sich auf die Bettkante, um die Stiefel zu schnüren. „Es ist halb drei“, wiederholte Tashigi dumpf und strich sich die Haare aus dem Gesicht. „Was zur Hölle willst du denn um halb drei erledigen?“ „Erst mal muss ich nach Hause, die Ausrüstung holen. Und dann treffe ich einen Informanten im Spider’s Café“, meinte er, ohne sich umzudrehen und kam auf die Beine. Tashigi gähnte. „Um halb drei?“ – „Japp.“ Sie rollte sich missmutig im Bett herum, aber ohne ihn war es nicht dasselbe. „Weißt du, es wäre viel einfacher, wenn wir zusammen wohnen würden“, murmelte sie verschlafen und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Zorro erstarrte mitten in der Bewegung, drehte sich langsam zu ihr herum und lachte ungläubig auf. „Glaubst du?“ Die Gegenfrage war absolut berechtigt. Es war nie einfach mit ihnen, nie gewesen. Seit sie sich kannten, terrorisierten sie sich, sobald sich die Gelegenheit dazu bot. Sie waren beide absolut unfähig, Fehler einzugestehen oder Kompromisse zu schließen, dafür waren sie viel zu stur. Keiner reichte dem anderen den kleinen Finger. Nicht selten brüllten sie sich an oder warfen mit Gegenständen. Einmal hatte sie ihn sogar mit einem Elektroschocker außer Gefecht gesetzt (was er ihr immer noch regelmäßig unter die Nase rieb) und mehrmals hatten ihre Arbeitskollegen an ihrer Haustür geklingelt, weil ein Nachbar sich beschwert hatte. Oder einen Mord vermutet, so genau hatten sie das nie klären können. Es hatte zwei Jahre gebraucht, bis sie sich ihre Gefühle zueinander eingestehen konnten und weitere fünf, bis ihnen klar geworden war, dass sie es miteinander einfach nicht schafften. Aber noch viel weniger ohne einander. Sie hatten unzählige Male miteinander Schluss gemacht und manchmal hatte sie das Gefühl, er trieb sie mit purer Absicht in den Wahnsinn. Aber sie liebten sich, zumindest das hatten sie mittlerweile akzeptiert. „Ja?“, maulte Tashigi und verfluchte sich im selben Moment dafür, dass sie nicht mehr Überzeugungskraft hineingelegt hatte. Zorro lachte, verstummte dann, als er bemerkte, dass sie es bitterernst meinte, und ließ sich wieder auf die Bettkante sinken. Eine ganze Weile schwieg er und ließ sich den Vorschlag durch den Kopf gehen. „Bist du dir da ganz sicher?“, fragte er dann zweifelnd nach. Empört setzte Tashigi sich auf. „Natürlich bin ich mir sicher! Oder ist die Vorstellung, mit mir zusammen zu leben, so unerträglich?!“, fuhr sie hitzig auf, stopfte sich ein Kissen in den Rücken und verschränkte die Arme vor der Brust. Zorro klappte den Mund auf, aber seine Antwort ließ zu lange auf sich warten. „ICH GLAUB’S JA NICHT!“, platzte Tashigi hervor, riss das Kissen wieder hervor und schleuderte es Lorenor an den hohlen Schädel. „DU WILLST NICHT MIT MIR ZUSAMMENZIEHEN?!!!“ „Hey!“, protestierte der Kopfgeldjäger und wehrte den Angriff mit einem erhobenen Arm ab. „Das hab ich nicht gesagt!“ – „ABER GEDACHT!“, fauchte Tashigi, ohne das Kissen loszulassen und drosch damit weiter auf ihn ein, bis es Zorro schließlich schnaufend gelang, einen Zipfel zu erwischen und es ihr aus den Händen zu reißen. „GIB ES HER!“ – „ICH DENK JA GAR NICHT DRAN!“, schnauzte er zurück und warf es hinter sich, irgendwo zwischen ihre auf dem Boden herumliegenden Klamotten, weit außerhalb ihrer Reichweite. Tashigi verschränkte frostig die Arme vor der Brust. Zorro seufzte genervt. „So war das nicht gemeint“, hob er nochmals hervor, musste sich aber eingestehen, dass das nach ihrem Ausbruch auch nicht mehr sonderlich glaubwürdig klang. Noch während er nach den richtigen Worten suchte, fiel sein Blick auf den Digitalwecker. Mittlerweile war es kurz vor drei und er sollte schon längst auf dem Weg sein. Er fluchte lauthals und sprang wieder auf die Beine. „Ich muss wirklich los. Lass uns später darüber reden“, bat er und beugte sich zu ihr hinab, doch sie ließ keinen Abschiedskuss zu. Er verdrehte die Augen. „Manchmal bist du echt kindisch!“, warf er ihr vor, während er das Schlafzimmer im Dunkeln durchquerte und nur einmal gegen den Schrank donnerte, bevor er die Tür fand. „Und manchmal bist du echt ein Arschloch!“, fauchte Tashigi zurück und beobachtete, wie sich sein Schemen durch die angelehnte Tür schob und nach rechts in den Flur abbog. „Die Haustür ist links, Schwachkopf!“ Zorro machte kehrt und zog die Haustür auf. „Bis später!“, rief er über die Schulter. „DU BRAUCHST HEUTE GAR NICHT MEHR HIER AUFZUSCHLAGEN, LORENOR!“, brüllte Tashigi ihm nach und ließ sich frustriert zurück ins Bett fallen, als sich die Haustür mit einem leisen Klicken hinter im Schloss. Schon jetzt bereute sie ihre Worte. Genervt und zu allem Überfluss nun auch noch hellwach griff sie blindlings nach Zorro’s Kissen, presste es sich aufs Gesicht und schrie ihre Wut in die Daunen. Draußen, im düsteren Hausflur, hielt Zorro inne und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür. Er blinzelte verwirrt. War das gerade wirklich passiert? Hatte Tashigi ihn tatsächlich gefragt, ob sie zusammenziehen wollten? Ungläubig schüttelte er den Kopf und wünschte sich gleichzeitig, er hätte anders reagiert. Und das Ganze nicht für einen schlechten Scherz gehalten. Dann schüttelte er den Gedanken entschlossen ab, schmunzelte, als er Tashigi‘s gedämpfte Schreie hörte – das Kissen, ganz bestimmt das Kissen – und polterte die Treppen hinunter. *** Zorro bockte das Motorrad auf, verriegelte das Lenkrad, streckte sich einmal ausgiebig und fuhr sich müde durch das Gesicht. Es war viertel nach fünf, es war immer noch stockdunkel auf den Straßen und die Autos, die links und rechts der Straße parkten, waren von Frost überzogen. Nach dem Fahrtwind, der ihm auf dem Weg vom Spider’s Café hierher ins Gesicht geschlagen war, kam es ihm gar nicht so kalt vor, trotzdem rubbelte er sich kurz über die Jackenärmel und beobachtete, wie sein Atem weiße Wolken in der Luft produzierte. Das Treffen mit seinem Informanten war nicht so gelaufen, wie er sich das vorgestellt hatte. Um genau zu sein hatte er über eine Stunde vergeblich auf diese blöde Kuh gewartet, ohne dass sie aufgekreuzt oder sich auf seinem Prepaid-Handy gemeldet hätte, dass er sich extra für solche Momente zugelegt hatte. Also hatte er nur zwei Tassen Kaffee, schwarz, in sich hineingekippt und war unverrichteter Dinge wieder abgezogen. Kurzum: er war völlig umsonst aufgestanden. Und das wurmte ihn tierisch, denn wenn er einfach liegen geblieben wäre, wäre es nie zu diesem elenden Streit mit Jenkins gekommen, wo es doch die letzten Tage so gut zwischen ihnen gelaufen war. Womit er auch schon wieder beim Thema war. Entschlossen riss er sich aus seiner Starre, blickte sich einmal suchend um und stapfte dann schnurstracks auf eines der gepflegten Vorstadthäuschen zu. Mit dem Stiefel stieß er das schmiedeeiserne Gartentor auf, marschierte vorbei an liebevoll gehegten Petunien Sträuchern und Kletterrosenbüschen und machte sich nicht einmal die Mühe, seine Schuhe auf der „Home Sweet Home“-Türmatte abzutreten, bevor er seinen Finger mit allem Nachdruck auf die Klingel legte. Es läutete harmonisch, aber niemand öffnete ihm die Tür. Hinter der Haustür mit Glasfenstern lag alles im Dunkeln. Seufzend suchte er den Boden nach dem künstlichen Stein ab, hob ihn hoch und warf einen Blick darunter, aber der Schlüssel fehlte. Verdammt. Genervt presste er den Finger erneut auf die Klingel und hielt sie gedrückt. Es dauerte zwei Minuten, bis im Flur Licht anging, und weitere dreißig Sekunden, bis die Tür geöffnet wurde. „Wird ja auch Zeit“, bemerkte Zorro schnippisch und schob sich an Sanji vorbei ins Haus. Der Blonde blieb einen langen Moment wie betäubt im Türrahmen stehen, dann warf er die Tür zu und schlurfte in Pantoffeln und Bademantel zurück zu den Treppen. „Ich hasse dich“, bemerkte er träge über die Schulter gewandt und begann mit dem Aufstieg, geradewegs ins Schlafzimmer. Zorro folgte ihm, ignorierte die Anweisung, er solle sich gefälligst seine dreckigen Schuhe ausziehen, und ließ sich auf Sanji‘s Bettkante sinken. Sanji selbst hängte den Bademantel penibel im angrenzenden Badezimmer auf und kroch danach zurück unter die Bettdecke, von wo aus er Zorro gähnend, aber eisig, anfunkelte. „Ich hab gerade mal drei Stunden Feierabend, Arschloch.“ „Jenkins will mit mir zusammenziehen“, erwiderte Zorro, stützte sich mit den Händen nach hinten ab und streckte die Beine aus. „Schön!“, kommentierte Sanji pampig und zog sich die Decke über den Kopf. Zorro nickte kurz, dann runzelte er die Stirn. „Findest du?“ „Ja“, nuschelte Sanji in sein Kissen und wünschte sich, Zorro würde einfach die Klappe halten. Er tat ihm den Gefallen nicht. „Sie glaubt, ich will nicht mit ihr zusammen ziehen.“ Entnervt stöhnte Sanji, rollte sich auf den Rücken und warf die Bettdecke bei Seite. Zorro hatte gewonnen, er war wach. Herausfordernd blickte er den Grünhaarigen an. „Und? Willst du?“ „Ich weiß nicht“, gab Zorro nach kurzem Zögern zu. „Wo soll ich denn dann schlafen, wenn sie mich mal wieder rausschmeißt?“ „Auf ‘ner Parkbank? In der Kneipe?“, schlug Sanji vor, während er die langen Beine wieder aus dem Bett schwang. „Du kannst doch überall schlafen!“ Auch wieder wahr. Zorro ließ sich das durch den Kopf gehen, während sie hintereinander wieder die Treppen hinabstiegen. Er setzte sich auf einen der Barhocker vor der Durchreiche zur Küche, während Sanji ihnen Kaffee machte. Wenig später saßen sie einander gegenüber und brüteten schweigend. „Wo ist dein scheiß Problem?“, verlangte Sanji schließlich zu wissen, dem, den Kopf auf die Hände gestützt, beinahe die Augen zufielen. „Ich hab kein Problem. Sie ist wahnsinnig.“ „Das ist nichts Neues. Das bist du auch“, schmetterte Sanji seinen Einwurf ab und gab den vierten Löffel Zucker in seinen Milchkaffee. Während er sorgfältig umrührte, musterte er Zorro auffordernd und zog eine Augenbraue in die Höhe. „Also?“ Zorro zuckte mit den Schultern. Tatsächlich hatte er überhaupt nichts dagegen, mit ihr zusammenzuziehen. Er hatte nur Schiss davor, dass das Experiment damit endete, dass einer von ihnen den anderen im Affekt umbrachte. Sie hatte ihm immerhin schon einmal 150 Volt durch den Körper gejagt, wer konnte schon sagen, was passieren würde, wenn das nächste Mal ihre Dienstwaffe in Reichweite lag? Sanji rieb sich genervt die Stirn und wartete auf eine Antwort, die nicht kam. Ihm platzte der Kragen. „VERDAMMT NOCH MAL! LIEBST DU DIE FRAU?!“ „J-Ja“, stammelte Zorro verblüfft blinzelnd. „DANN ZIEH MIT IHR ZUSAMMEN! UND VERBOCK’S NICHT“, forderte Sanji, stand ruckartig auf und suchte die Küche nach seinen Zigaretten ab. Er musste eine Rauchen. Der Kerl trieb ihn in den Wahnsinn. Was war denn daran jetzt so kompliziert gewesen?! „Okay, Prinzessin“, versicherte Zorro behutsam und wartete geduldig, bis Blondi die Zigaretten gefunden, sich eine angemacht hatte und wieder Platz nahm. Eine Weile schwiegen sie einträchtig und tranken ihren Kaffee. Sanji rauchte gedankenverloren und Zorro sah dem bläulichen Qualm zu, wie er sich in die Luft schlängelte, ohne ihn wirklich zu sehen. Plötzlich blinzelte Sanji, als wäre ihm gerade ein Geistesblitz gekommen, und er zeigte anklagend mit dem Finger auf Zorro. „Und wehe, das artet wieder in einem Krieg aus!“ Fragend hob Zorro eine Augenbraue. Sanji blickte finster zurück. Er erinnerte sich an unzählige Gelegenheiten, in denen die beiden sich vollkommen unnötig das Leben zur Hölle gemacht hatten. „Muss ich dich an die Sache mit dem UPS-Lieferwagen erinnern?“, fragte Sanji trocken. Zorro schüttelte hastig den Kopf. Nein, musste er nicht, danke der Nachfrage. Er würde nie vergessen, wie Ace wegen einem bescheuerten Playstationspiel den Paketlieferwagen von UPS geklaut hatte, samt Fahrer. Und es geschafft hatte, ihn in die Luft zu jagen – zum Glück ohne Fahrer, auch wenn Ace das vor allem Zorro zu verdanken hatte. Tashigi hatte ihn eine Stunde lang angeschrien und danach drei Wochen kein Wort mehr mit ihm gewechselt. Und danach auch nur, weil Zorro sie mit Handschellen an eine Heizung gefesselt hatte, damit sie sich seine Entschuldigung anhören musste. Im Nachhinein betrachtet hatte das die Sache noch schlimmer gemacht. „Kein Krieg!“, riss Sanji ihn aus seinen Erinnerungen. Zorro nickte zustimmend. „Kein Krieg. Hab’s verstanden.“ Sanji seufzte zufrieden. *** „Noch mal von vorne“, verlangte Nami, verschränkte die Finger ineinander und blickte Tashigi neugierig an. Die Polizistin saß, im Schlafanzug und die Beine im Schneidersitz übereinander zusammengeschlagen, auf ihrem Bett und stöhnte frustriert. „Aber das bleibt unter uns, klar?“ „Ich bin ein Buch mit sieben Siegeln“, lächelte Nami verschmitzt. „Er will nicht mit mir zusammenziehen!!!“, jammerte Tashigi und schlug mit der geballten Faust auf die Matratze. „Kannst du dir das vorstellen? Der Wichser hat mich angeguckt wie…wie…wie einen Autounfall!“ Nami lachte ungewollt auf, verstummte jedoch unter Tashigi’s anklagenden, verzweifelten Blick. Wohlwollend tätschelte sie ihrer Freundin das Knie. „Süße, es ist Zorro. Mittlerweile solltest du doch wissen, dass er ungefähr so wortgewandt ist wie drei Meter Feldweg.“ „Ich weiß!“, stöhnte Tashigi und ließ sich zurück in die Kissen plumpsen. Ohne hinzusehen nahm sie die Tafel Schokolade, die Nami ihr hinhielt, und biss davon ab. „Außerdem…wie viel Uhr war es noch mal, als du ihn gefragt hast? Halb drei? Sicher, dass er überhaupt wach war?“, hakte Nami schmunzelnd nach. „Ja!“, pflaumte Tashigi und richtete sich wieder ein bisschen auf, indem sie sich auf die Ellbogen stützte. Angespannt sah sie Nami an. „Ich hab ihn überrumpelt, stimmt’s? Ich habe alles kaputt gemacht!“ „Ja, du hast ihn überrumpelt“, stimmte Nami zu. „Aber nein, du hast nichts kaputt gemacht.“ Wie denn auch? Diese Beziehung war ohnehin so kaputt, wie sie nur sein konnte. Aber sie würde sich hüten, Tashigi diese Tatsache auf die Nase zu binden. Die Polizistin schien ohnehin damit beschäftigt zu sein, sich selbst zu martern. Mit perfekt gezupfter, steil hochgezogener Augenbraue beobachtete Nami, wie Tashigi noch einmal von der Tafel Schokolade abbiss und dann entschlossen auf die Beine sprang. „Mir reicht’s! Soll er doch zögern, bis er ganz verschimmelt ist“, fauchte Tashigi, blieb rast- und ratlos mitten im Zimmer stehen und sah sich suchend um. „Kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte Nami schmunzelnd. Tashigi zuckte mit den Schultern und deutete dann fast zögernd vage in Richtung ihres Kleiderschrankes. „Such mir was zum Anziehen raus – wir gehen einen Trinken“, beschloss sie und verschränkte energisch die Arme vor der Brust. Nami’s Augenbraue zuckte noch höher. Tashigi trank so gut wie nie, was vor allem daran liegen konnte, dass sie bereits nach einem Bier das Lallen anfing. Eine Kneipentour anzufangen, um zwölf Uhr Mittags, war so ziemlich der letzte Vorschlag, den man aus Tashigi Jenkins Mund zu hören erwartete. Aber wenn sich die Gelegenheit schon bot, würde Nami ihr die Bitte nicht abschlagen. „Alles klar!“, rief Nami, klatschte begeistert in die Hände und stöckelte entschlossen auf den Kleiderschrank zu. Sie warf beide Türen auf und wühlte sich naserümpfend durch die Kleiderbügel, bis sie auf ein schwarzes Kleid stieß. Prüfend hielt Nami es sich vor den schlanken Körper und nahm ein wenig Bein weg. Ja, ein bisschen nuttiger konnte es ruhig noch sein. Plötzlich wieder ziemlich kleinlaut ließ Tashigi sich auf ihre Bettkante sinken. Ob das eine gute Idee gewesen war? Wahrscheinlich nicht. Aber gute Ideen hatte sie sonst genug, und was hatte es ihr schon je gebracht? Also fügte sie sich ihrem Schicksal und zog brav an, was Nami ihr vor die Brust warf. Allerdings fühlte sie sich in den knappen Klamotten nicht sonderlich wohl. Sie wusste ja kaum, wie sie sich in dem Fummel hinsetzen musste, ohne dass sie der Welt ihren Hintern präsentierte! „Ähm, Nami?“, stieß sie zögernd aus und zupfte vielsagend an dem Rock, der ihr gerade eben bis unter den Arsch ging. Eine falsche Bewegung, und er würde aufplatzen. Bei ihrem Glück dauerte das keine fünf Minuten. „Das muss so!“, fuhr Nami dazwischen und ignorierte die halblauten Proteste, die noch von der Polizistin kamen. Als Nami allerdings ihren Notfall-Beauty-Koffer im Handtaschenformat herauszog und sich ihr mit Kajal und Wimperntusche näherte, krempelte es Tashigi die Zehennägel hoch. „Also, muss das wirklich…?“, setzte sie an, aber Nami drückte ihr schlicht die Puderquaste ins Gesicht. Widerstand zwecklos. Nami war mit ihrem halben Gesicht fertig, als es an der Türe klingelte. Pikiert hielt sie darin inne, Tashigis Gesicht aufzuhübschen, und Tashigi kam erleichtert auf die Beine und versuchte, sich auf dem Weg zum Türöffner auf den hohen Schuhen nicht die Knöchel zu brechen. Etwas wackelig auf den Beinen zog sie dann die Tür auf und hätte sie am liebsten sofort wieder zugeschlagen, als sie sah, wer davorstand. „Hab ich dir nicht gesagt, du sollst heute nicht wieder kommen?“, entfuhr es ihr mechanisch, obwohl sie sich eigentlich freute, Zorro zu sehen. Auch, wenn er sich das dreckige Grinsen einfach nicht aus dem Gesicht wischen konnte und sie von oben bis unten musterte. Oder mit Blicken verschlang, das war schwer zu sagen. „Ich bin mir nicht sicher“, entgegnete Zorro, als er mit seiner Inspektion fertig war. „Meine Freundin sagte sowas in der Richtung. Ist sie da?“ Seine Mundwinkel zuckten verräterisch, als er ihr ins Gesicht sah. Verdammt, sie hätte vorher einen Blick in den Spiegel werfen sollen. „Zu viel Schminke?“, fragte sie seufzend, wandte sich von der Tür ab und ließ sie offen stehen, damit Lorenor ihr folgen konnte. „Buggy trägt zu viel Schminke. Aber du kommst schon ziemlich nah dran“, stimmte er zu und folgte ihr ins Schlafzimmer. Als er Nami entdeckte, zuckte seine Augenbraue missbilligend einen Millimeter in die Höhe. Das erklärte einiges. „Nami.“ „Lorenor“, grüßte Nami zurück und verstaute ihre Schminkutensilien leicht angesäuert an ihrem angestammten Platz. Das war’s dann wohl mit einen Saufen gehen, wenn Lorenor in der Nähe war, würde Tashigi’s ohnehin bröckelnder Tatendrang ins Nichts verpuffen. Das, oder Lorenor sagte genau das Falsche im denkbar schlechtesten Augenblick und weckte in Tashigi den Drang, sich das Hirn wegzutrinken. Nami schmunzelte. Die Chancen standen also 50:50. Zorro blieb mit verschränkten Armen im Türrahmen stehen, während Tashigi sich mit dem Hemdsärmel so unauffällig wie möglich Wimperntusche wegwischte. „Was willst du eigentlich hier?“, fragte sie dann skeptisch. Lorenor blinzelte zwei Mal verwirrt, dann fiel es ihm wieder ein. Mit einem breiten, selbstzufriedenen Grinsen griff er in die Innentasche seiner Jacke und tastete ein paar Sekunden erfolglos darin herum. Erst in der Hosentasche wurde er fündig und feierlich streckte er Tashigi Jenkins einen Schlüssel entgegen. „Hier.“ Tashigi sah nicht ganz so begeistert aus. Zögernd nahm sie den Schlüssel entgegen und musterte ihn von allen Seiten, ohne auf irgendetwas Besonderes zu stoßen. Verwirrt runzelte sie die Stirn. „Was soll das denn sein?“, hakte sie dann etwas ruppig nach und stemmte eine Hand in die Hüfte. Ihr schwante Übles. Falls er ihre Unsicherheit bemerkte, ließ Zorro es sich nicht anmerken. Vollkommen zufrieden mit sich und der Welt strahlte er sie warm an und sagte: „Das ist der Schlüssel zu unserer Wohnung.“ Nami entgleisten sämtliche Gesichtszüge und auch Tashigi hatte für einige wertvolle Sekunden keine Ahnung, was sie sagen sollte. Gerührt umklammerte sie den Schlüssel fester, bis…ihr einfiel, dass er innerhalb weniger Stunden wohl kaum eine Wohnung organisiert haben konnte. Jedenfalls bestimmt keine, die auch ihr gefiel. Dann kam ihr ein noch schlimmerer Gedanke. „Ist das…dein Wohnungsschlüssel?“, verlangte sie alarmiert zu wissen. „Unser Wohnungsschlüssel!“, verbesserte Zorro ohne Umschweife und bemerkte nicht, dass das die schlechteste Antwort war, die er geben konnte. Nach seinem Besuch bei Sanji hatte er sich noch für ein paar Stunden hingelegt und danach sofort einen Zweitschlüssel für Tashigi machen lassen. Von wegen, er wollte nicht mit ihr zusammenziehen! Er würde es ihr zeigen! Aber irgendwie hatte er mit einer anderen Reaktion gerechnet, ging es ihm durch den Kopf, als er in Tashigi‘s völlig entgeistertes Gesicht blickte. Ihr Auge zuckte. Das tat es immer, wenn sie verflucht wütend auf ihn war. Sekundenlang starrte Tashigi ihren Freund nieder und hoffte, er würde die Worte wieder zurücknehmen. Das tat er nicht. Ihre Freude schlug in Enttäuschung um. Anscheinend machte der Hornochse sich gar keine Gedanken darüber, wie ernst ihr der Vorschlag gewesen war – auch, wenn er ihr hinausgerutscht war. Dass er ausgerechnet mit einem Schlüssel zu seiner Wohnung anrücken musste…das war ein Drecksloch! Zorro’s Wohnung hatte noch nie einen Staubsauger gesehen, geschweige denn Insektenvernichtungsmittel. Nicht umsonst verbrachten sie die meiste Zeit bei ihr. Sie atmete tief durch, bevor sie auf die Haustür deutete. „RAUS!“, schnauzte sie beherrscht, obwohl sie ihm am liebsten irgendetwas an den Kopf geworfen hätte. Zorro blinzelte sie verständnislos an. „Äh…was?“ „RAUS! RAUS! RAUS!“, wiederholte Tashigi lautstark, pfefferte ihm den blöden Schlüssel vor die breite Brust und schubste ihn dann von ihrem Schlafzimmer in den Flur. Es kam ihr sehr entgegen, dass Lorenor viel zu verblüfft war, um sich zu wehren, denn so schaffte sie es, ihn vor die Haustür zu schieben und die Tür hinter ihm zuzuschlagen. Rücklings lehnte sie sich dann dagegen, kochend vor Wut, und wechselte einen kurzen Blick mit Nami, die auch nur mit den Schultern zuckte und ihr mit Handzeichen deutlich zu verstehen gab, dass sie sich da raushalten würde. In dem Moment fand Lorenor seine Stimme wieder. „HALLO?! WAS IST DENN JETZT SCHON WIEDER?!“, brüllte er durch die geschlossene Tür und Tashigi konnte es nicht fassen, dass er auch noch fragen musste. Die Weisheit hatte der Kerl eindeutig nicht mit Löffeln gefressen. „DA FRAGST DU NOCH?!“, motzte Tashigi zurück und ihr Blut begann zu kochen. Als ob sie in diese geschmacklose Männerdomaine ziehen würde! Da reichte es nicht, zu renovieren, da konnte man direkt eine Bombe reinschmeißen, damit es wohnlicher wurde. „Aber…! HERRGOTT, DU WOLLTEST DOCH, DAS WIR ZUSAMMENZIEHEN!!“, entfuhr es dem Grünhaarigen frustriert und Tashigi sah es förmlich vor sich, wie er hilflos mit den Händen gestikulierte und sie wieder fallen ließ. „WILL ICH JA AUCH!“, brüllte Tashigi. Immerhin das hatte er verstanden, das war doch schon mal ein Anfang. „ABER WIE ZUM TEUFEL KOMMST DU AUF DIE IDEE, DASS WIR ZU DIR ZIEHEN?!“ „WIE ZUM TEUFEL KOMMST DU AUF DIE IDEE, DASS WIR DAS NICHT TUN?!“, versetzte Zorro aufgebracht. Da platzte Tashigi der Kragen. Er entschloss einfach über ihren Kopf hinweg, wohin sie ziehen würden? Der Kerl hatte doch nicht mehr alle Latten am Zaun! Wutentbrannt riss sie die Tür auf. Zorro zuckte unter ihrem feindseligen Blick beinahe zusammen, schaffte es jedoch noch, sich am Riemen zu reißen und schob trotzig den Unterkiefer hervor. Seine gesamte Gestik schrie „WAS JETZT NOCH?!“ und das trug nicht unbedingt dazu bei, Tashigi‘s Laune zu heben. „WIR. ZIEHEN. ZU. MIR! ENDE DER DISKUSSION!“, schrie Tashigi so laut, dass sich ihre Stimme überschlug, bevor sie ihm die Tür wieder vor der Nase zuschlug. Fassungslos blieb Zorro im Hausflur, wie bestellt und nicht abgeholt. Was die Situation eigentlich gut auf den Punkt brachte. Schnaufend atmete Zorro durch. Er kannte Tashigi lange genug um zu wissen, dass es keinen Sinn hatte, in diesem Zustand mit ihr zu diskutieren. Ganz egal, was er jetzt sagte, es würde das Falsche sein. Und trotzdem konnte er ihr das letzte Wort einfach nicht ruhigen Gewissens überlassen. Wenn auch leicht verspätet und ein bisschen kleinlaut schmetterte ihr ein: „DA HAB ICH JA WOHL AUCH NOCH EIN WÖRTCHEN MITZUREDEN!“, hinterher. „NEIN!“, drang es kurz und knapp aus der Wohnung hervor. „ABER-“, setzte er zu seinem schlagenden Argument an, doch weiter kam er nicht. „LORENOR! NOCH EIN WORT UND ICH ERSCHIEßE DICH DURCH DIE TÜR! ICH SCHWÖR’S!“, drohte sie ihm und er hörte sie in der Wohnung herumpoltern. Schnaubend verschränkte Zorro wieder die Arme vor der Brust. „MACH DOCH!“, stachelte er sie an, wohlwissend, dass ihre Dienstwaffe nach dem Schusswechsel letzter Woche noch in der Ballistik lag. Trotzdem trat er einen Schritt bei Seite, falls die Tür gleich aufflog und sie sich mit dem Schwert auf ihn stürzte. „DAS TRAUST DU DICH EH NI-“, wollte er noch hinzufügen, aber in diesem Moment zerfetzte der Knall einer abgefeuerten Waffe die Stille und hallte im ganzen Treppenhaus wieder. Ehrlich erschrocken machte Zorro noch einen Satz zur Seite und wäre beinahe die Treppe heruntergefallen, wenn er sich nicht noch am Geländer hätte festhalten können. In seinen Ohren piepte es nachdrücklich und fassungslos starrte er auf die Löcher in der Wand und den Schrot, der daraus auf den Boden rieselte. Verdammt, er hatte ihre Schrotflinte vergessen. Dann sackte die Erkenntnis, dass seine Freundin gerade auf ihn geschossen hatte. „BIST DU WAHNSINNIG?!!“, brüllte er aus seiner Deckung heraus, aber die Tür blieb – bis auf das Loch in Bauchhöhe – geschlossen. Immerhin lud sie nicht nach, das hätte er gehört, also linste er um die Ecke und durch das drei Zentimeter dicke Loch, dass sie durch die Tür geballert hatte. Mochte sein, dass er Sanji heute morgen etwas versprochen hatte, aber das war nun hinfällig. Das konnte er so nicht auf sich sitzen lassen. Durch die neue Türöffnung erhaschte er einen Blick auf seine Freundin, die wutentbrannt und mit rauchender Schrotflinte in den Händen hinter ihrer Wohnungstür stand. Wenn er ehrlich war, sah sie selbst ein wenig erschrocken aus der Wäsche. „Das bedeutet Krieg!“, informierte er sie. Als sie nachlud, fand er es an der Zeit, zu gehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)