Attack on Dust von sissyphos (Sauberkeit ist unsere größte Leidenschaft!) ================================================================================ Kapitel 1: Do not touch the captain; oder: Das Hentai-Yaoi-Tentakelmonster aus dem Klo -------------------------------------------------------------------------------------- Heute ist einer von diesen Tagen, an denen man am besten einfach mit dem Arsch im Bett geblieben wäre. Einer von diesen Tagen, wo man jedes verfluchte Mal, wenn man auf die Uhr guckt und es einem vorkommt als seien bereits Stunden vergangen, feststellen muss, dass gerade einmal fünf mickrige Minuten rum sind. Ein ganz typisches Phänomen für einen Montag – und bei mir typisch für jeden Tag der Woche, mit Ausnahme von Samstagen und Sonntagen, Ferien und Feiertagen. Es ist 8:23 Uhr an einem typischen Montagmorgen, dem ersten Tag meines zweiwöchigen beknackten Praktikums und ich versuche – während mich mein armselig knurrender Magen fast um den Verstand knurrt – mit Hauptmann Levi Schritt zu halten. Im Gegensatz zu mir kennt er sich in diesem verwinkelten Gebäude exzellent aus, biegt geschwind um jede einzelne Ecke, verschwindet kurz und taucht urplötzlich wie ein Gespenst wieder vor meinen Augen auf. Ich weiß längst nicht mehr, wo wir überhaupt sind, geschweige denn wie ich wieder zurückkäme. Das Innere dieses Unternehmens ist wie ein gigantisches überdachtes Labyrinth – kuschelig warm und ohne Wände aus zurechtgestutzten Hecken – dafür aber mit viel zu vielen Türen, die in die nächsten Gänge führen und Treppen, die bestimmt wie in Hogwarts nach Lust und Laune die Richtung ändern. »Wie weit ist es denn noch?«, rufe ich. Er ist mir gute fünf Meter voraus. Es kommt mir vor als wären wir bereits viele Stunden unterwegs, hätten Kilometer zurückgelegt und seien kurz davor, das ferne Ziel zu erreichen; endlich die Oase in der Wüste zu finden; das Rettungsschiff im unendlich weiten Ozean zu sichten – ich schweife ab. Inzwischen ist es 8:24 Uhr. Hauptmann Levi antwortet mir, indem er stehen bleibt und schweigend die Tür aufhält. Sofort steigt mir der betörende Geruch von Essen in die Nase, der mich – und vor allem meinen Magen – mit der unwiderstehlichen Gewalt eines gigantischen Magnets in die Kantine zieht. Es gibt diese sagenumwobenen Momente, wenn plötzlich etwas Hässliches, Unspektakuläres und eigentlich doch eher Stinkendes durch einen bestimmten Umstand – in meinem Fall durch den Umstand barbarischen Hungers – zum regelrechten Paradies wird. Kurz bevor man das zivilisierte Ich vergisst und durch Urinstinkte entweder die komplette Inneneinrichtung mit imaginärem Senf und Ketchup wie ein köstliches Schnitzel vertilgt oder zum nimmer satten Kannibalen mutiert. (Warum habe ich gerade jetzt ein Bild von Gollum vor Augen, während ich Hauptmann Levi ansehe und über diesen Bullshit nachdenke?) Obwohl es selbstredend eine Schande wäre, den Hauptmann zu verspeisen. Wer sollte in diesem Fall die vielen Parks in der Innenstadt von gebrauchten Kondomen und leeren Zigarettenschachteln säubern? Hah, witzige Vorstellung: Hauptmann Levi mit einer rostigen, quietschenden Greifzange in der Hand! Am besten eine von dem Kaliber mit dem wir unseren Schulhof säubern dürfen – die Greifzangen machen nicht, was sie sollen – greifen nämlich gar nichts -, wir machen natürlich auch nicht, was wir sollen – bewerfen uns lieber mit leeren Coladosen - und um überhaupt irgendwann einmal fertig zu werden, sammelt man den Dreck schließlich doch mit der Hand auf. Wahre Glückspilze sollen gelegentlich sogar ein rares paar Handschuhe ergattern können, so erzählt man sich. Richtig, es klingt nicht nur wie eine beschissene Legende, bislang ist es auch eine geblieben. Kein Wunder, dass ich mittlerweile jeden gottverdammten Tag Sagrotan in meinen Rucksack stopfe wie ein verdammter Hygienefetischist. Hauptmann Levi wäre bestimmt stolz auf mich. Mein Blick schweift kurz über Levis ernstes Gesicht, das mich für eine Sekunde über die Schulter hinweg im Auge behält. Wow, er ist echt ein kranker Kontrollfreak. Liegt das bloß am Job oder daran, dass er tatsächlich befürchtet, ich könne weglaufen? Mal ehrlich – wohin denn? Ich würde mich höchstens verlaufen und elendig in diesem Irrgarten krepieren. An der Essensausgabe halten wir inne. Vor mir erstreckt sich eine riesige Theke mit wahnsinnig vielen und unterschiedlich großen Metallbehältnissen, die viel Platz für das Mittagessen einräumen. Meine Fresse, wenn die alle gefüllt werden, damit könnte eine ganze Horde Solda-... Ah, ich verstehe. »Könnten Sie bitte von der Erde aufstehen und uns zwei Brötchen mit zwei Tassen Schwarztee reichen? Danke, Frau Blouse«, sagt Levi ins Leere und tippt ungeduldig mit den Fingerkuppen auf die Ablagefläche. Hinter der Theke kommt ganz langsam ein brauner Haarschopf zum Vorschein. Sie ist noch halb in der Hocke und dabei schon fast mit Levi auf Augenhöhe, bis sie sich schließlich ganz aufrichtet und in etwa mit mir auf Augenhöhe ist. Nickend macht sie sich an die Arbeit mit einem... trockenen Brötchen im Mund? Die einzig logische Reaktion wäre es doch eigentlich, das trockene Brötchen zumindest für den Moment zur Seite zu legen. Sasha Blouse klammert sich stattdessen daran wie an eine eiserne Ration, führt keine Bewegung ohne das Brötchen aus. Obwohl dieser Anblick, wie sich ihre Lippen sinnlich – obwohl ich dazu neige, das Wort sinnlich auszuklammern - um das Brot schließen, doch eher an einen Kuss oder... Äh, na ja – etwas anderes erinnert. Sympathische junge Frau. Lächelnd präsentiert sie uns schließlich ein Tablett mit Brötchen und Tee. Zumindest glaube ich, dass sie lächelt, hundertprozentig sicher bin ich mir nicht. Hochgezogene Mundwinkel kann man in ihrem derzeitigen Zustand nur erahnen. Levi nimmt das Tablett entgegen und dreht sich mit einer grazilen Bewegung, um einen der freien Tische anzusteuern. Die Auswahl ist groß, doch Levi weiß sofort, wo er hin will. Vermutlich sitzt er immer auf demselben Platz. Mit einem dumpfen Knall landet das Tablett auf meiner Seite des Tisches. Mir läuft das Wasser bereits im Munde zusammen und ehe wir uns beide niedersetzen, will ich ihm dankbar die Hand auf die Schulter legen, so als eine Art Danksagung im Sinne von: »Yo, Bro. Du hast mich vor dem Kannibalismus bewahrt!« So schnell wie ich mit dem Kopf auf dem Tisch lande, kann ich gar nicht gucken, geschweige denn reagieren. Festgenagelt wie Simba aus König der Löwen, liegt die Vorderseite meines Oberkörpers auf der breiten Holzplatte und ist zur absoluten Reglosigkeit verdammt. »Rotzbengel wie du, behalten ihre dreckigen Pfoten besser bei sich, verstanden?«, grummelt er mir ins linke Ohr und hält mich dabei in einem festen Griff. Was zur Hölle... »Blouse!«, ruft Levi. »Regel 43, Absatz 3!« »Der Hauptmann wird nur unter besonderen Umständen angefasst, die sein Leben oder seine Sauberkeit maßgeblich gefährden, Sir!«, zitiert sie sofort wie aus der Bibel. »Schreiben Sie sich das hinter die Löffel, Yeager«, droht er, verdreht mir zur besseren Erinnerung nochmal den Arm und lässt dann von mir ab. Für die nächsten Sekunden dreht sich in meinem Kopf alles. Wie versteinert bleibe ich liegen, rege mich keinen Millimeter und versuche einfach nur, tief durchzuatmen und diese übertrieben brutale Reaktion auf eine freundliche Geste meinerseits irgendwie zu rechtfertigen, mir irgendwie zu erklären... Die einzig logische Erklärung ist und bleibt, dass der geschätzte Hauptmann nicht alle Latten am Zaun hat. »Essen Sie endlich Ihr beschissenes Brötchen, Yeager oder wollen Sie, dass ich Sie damit füttere?«, fragt er mit grantigem Unterton. Durch meinen Kopf rattert, dass er Erwin Smith als noch unausstehlicher beschrieb als sich selbst. Er würde mich nicht mit solchen Samthandschuhen anfassen, hat er gesagt. Aha... Konkret hieß das was? Ab in die Folterkammer, sobald ich mich falsch an der Nase kratze? Ich sollte meine Fresse in diesem Irrenhaus lieber nicht zu weit aufreißen. Auf einmal dringt das Geräusch von Fußgetrampel in meine Ohren. Nur Sekunden später schlägt die Tür auf. »Hauptmann Levi!«, ruft eine erstickte Stimme, die mir bekannt vorkommt. Mein Blick wandert zur Tür. Da steht der rebellische Jean Kirschstein, stützt sich erschöpft am Türrahmen ab und hat sich die Klamotten halb vom Leib gerissen, offensichtlich um seiner Lebenseinstellung mehr Ausdruck zu verleihen. Sein Anblick weckt meine Neugierde. Wie er das wohl gemacht hat? Es hängen nicht nur überall Fetzen seiner Kleidung herunter, nein, an manchen Stellen wirkt die Kleidung sogar wie... weggeätzt. »Unten im Labor...«, stöhnt Jean, »Petra...« Ich höre das Knallen eines Stuhls, der auf dem Boden aufschlägt. Hauptmann Levi ist im Bruchteil einer Sekunde aufgesprungen, plötzlich Feuer und Flamme. »Was ist mit ihr?«, will er wissen wie der Ritter in strahlender Rüstung, der der holden Maid zu Hilfe eilen muss und schiebt bei seinen Worten geschwind das rechte Hosenbein nach oben. Wenn überhaupt, wäre er höchstens ein Held auf einem Esel oder einem Pony. Langsam richte ich mich wieder auf, um beobachten zu können, was er da macht und sehe... eine halbe Waffenkammer, die sich eng an seinen Unterschenkel schmiegt. »Eins von Hanjis Experimenten ist schief gegangen«, antwortet Jean, der seine normale Atmung wiedergefunden hat. »Offensichtlich hat sie wieder irgendwas im Klo entsorgt und na ja, das Ding hat sich von den Keimen und Bakterien wohl ernährt... Jetzt ist es, tja, abartig groß und hat einen eigenen Willen entwickelt.« »Petra und ich sind Hanji zu Hilfe geeilt, weil wir beide gerade... äh... zufällig zusammen im Flur waren.« »Hanji und ich sind entkommen, aber Petra...«, er wendet betroffen den Blick ab, »wir konnten nichts machen.« Abwechselnd wandern meine Augen zwischen Levi und Jean hin und her. Stets warte ich auf den einen Moment, in dem einer der beiden anfängt zu lachen und mir sagt, dass das ein ziemlich blöder, schlechter Scherz war. Irgendwie kommt dieser Moment jedoch nicht. Also, nur um das Ganze nochmal zusammenzufassen: Unten im Labor lauert ein Monster, das aus dem Klo gekrochen ist und jetzt Menschen angreift? Ist das Jeans voller Ernst? Ist er überhaupt zurechnungsfähig? Vielleicht steckt sein Hirn auch in irgendeinem parallelen Star Wars-Universum fest. Levi poliert mit einem Taschentuch die Klinge seines Dolchs. »Irgendwelche Besonderheiten bei dem Vieh?«, fragt er nüchtern. Jean schüttelt den Kopf. »Das Übliche. Es ist weder männlich noch weiblich und scheint ein sexuelles Interesse an Menschen zu haben.« Mir klappt der Mund auf. Das Übliche[i/]? Sexuelles Interesse an Menschen? Weder männlich noch weiblich? Grundgütiger, bin ich in einem geheimen Lager von Area 51 gelandet? »Fein«, sagt Levi und sieht mit blitzenden Augen zu mir auf. »Hey Yeager, das klingt nach einem ersten Praktikantenauftrag.« Meine Augen weiten sich schlagartig; wie angewurzelt stehe ich ihm gegenüber und atme plötzlich wie ein gestrandeter Fisch. »Erledigen Sie die Bestie, Yeager. Hiermit«, sagt Levi und wirft das Messer nach mir. Kreischend mache ich einen Satz zur Seite. Klirrend landet das Ding auf der Erde. Himmel! Um ein Haar hätte sich das Teil durch meine Brust gebohrt! Der Typ ist geisteskrank! Geisteskrank! Hauptmann Levi mustert mich mit abschätzendem Blick. »Hören Sie mit dem albernen Paviangekreische auf und machen Sie sich gefälligst nützlich, Rekrut Yeager. Petra Ral schwebt vielleicht in Lebensgefahr.« »Ja, dann retten Sie sie doch! Das hatten Sie doch sowieso vor!«, brülle ich und fuchtle wild mit den Händen vor ihm herum. Grübelnd wandern Levis Pupillen nach oben. »Tatsächlich wollte ich die Sache zunächst selbst in die Hand nehmen, aber... Ich mache mir so ungern selbst die Finger schmutzig.« Mit eiskaltem Blick verschränkt er die Arme vor der Brust. »Wir haben keine Zeit für diese Diskussion, Yeager. Falls Sie das motiviert«, er verweist mit dem Zeigefinger auf meine Stirn, »dort, wo das her kommt, gibt es auch noch mehr davon.« Ich schlucke hart. Interessante Vorgehensweise, eine Drohung als Motivation zu verpacken. Wie ein Geschenk, in dem eine tickende Zeitbombe lauert. Gut, also habe ich zwei Möglichkeiten: Entweder ich lasse mich von dem widerlichen Vieh aus der Toilette belästigen und umbringen oder von diesem kranken Psychopathen persönlich zugrunde richten. Das Monster – ich spreche von dem aus der Toilette – dürfte eindeutig das geringere Übel darstellen. Hektisch greife ich nach der Waffe, wiege sie in den Händen. Mein Blick wandert zu Hauptmann Levi. Ich könnte ihn auch einfach mit dem Ding erdolchen und schnurstracks die Kurve kratzen. Was mich daran hindert? - Dieses heimtückische Leuchten in seinen Augen, das mir irgendwie suggeriert, dass er nur darauf wartet, von mir angegriffen zu werden... »Sie haben mich überzeugt«, versuche ich es mit einem kecken Spruch, der durch das Zittern in meiner Stimme jedoch gründlich kaputt gemacht wird. Argh, ich klinge, als wäre mir zum Heulen zumute. Dabei ist mir eher danach zumute, mir augenblicklich vor Schiss in die Hose zu pissen. Plötzlich steht Jean neben mir, legt freundschaftlich eine Hand auf meine Schulter. »Komm, Emil. Ich bring dich hin«, sagt er ehrfürchtig – auch wenn er meinen Namen reichlich schnell wieder vergessen hat - als geleite er einen Helden zum Schlachtfeld... Nein, halt! Eher, als geleite er einen Märtyrer zu seiner eigenen Hinrichtung. Heilige Scheiße! Selbstverständlich begleitet uns auch Hauptmann Levi. Stillschweigend läuft er gute zwei Meter hinter uns und bombardiert mich mit undefinierbaren Blicken. Wenn ich es versaue, sorgt er höchstpersönlich dafür, dass wir zwei fortan buchstäblich auf Augenhöhe sind. Verstört lege ich eine Hand an meinen Hals; schlucke, um das beruhigende Gefühl meines Kehlkopfs zu spüren. Verflucht, ich will meinen Kopf noch behalten. Zusammen steigen wir hinab in die Katakomben von ›Attack on Dust‹. Der Fahrstuhl bringt uns in die unterste Etage – in den Keller. Mittlerweile fühle ich mich wie ein Darsteller aus Resident Evil. Leider bin ich wohl keiner, der besonders lange die Leinwand schmückt, sondern eher einer von der Sorte ›unterhaltsames Zombiefutter‹. Die Luft wird dünner. Hier unten ist es sogar noch kälter als im sterilen Treppenhaus. Passend zum perfekten Horrorfilm-Feeling flackert zu allem Übel auch noch das Licht im Flur. Das macht doch jemand mit Absicht. Gnaaaahhhrrrn, schnarf, gnaaaahhhrrn, schnaaaaarf. Da ist doch irgendwas. Das sind merkwürdige... abnormale Geräusche. Monstergeräusche. »Vorwärts, Yeager«, zischt Levi und verpasst mir einen kräftigen Fußtritt in den Hintern. Auf wackligen Knien torkle ich ein paar Schritte nach vorn, die Sinne bis zum Äußersten geschärft und halte das Messer – allzeit einsatzbereit – vor meinen Körper; greife es mit beiden Händen fest umklammert. Mein einziger Schutz vor einem unbekannten Monstrum, das uns allen nicht nur an die Gurgel, sondern auch an die Wäsche will, ist eine zahnstochergleiche Waffe – wie beruhigend. Dies verspricht eine erfolgreiche Mission zu werden. Wir schleichen uns durch den langen Flur und halten vor einem breiten Durchgang inne. Mit rasendem Puls lehne ich meinen Rücken gegen die Wand und spreche ein paar letzte Gebete. »Ahhhhhhhh!«, schreit eindeutig eine Frauenstimme, die wohl nur Petra gehören kann. Just in diesem Augenblick huscht mit Blitzgeschwindigkeit ein Schemen an mir vorbei – Hauptmann Levi. Zügig, aber nicht hektisch, zieht er zwei Stahlgriffe aus seinen Hosentaschen hervor, betätigt einen Knopf und... Was zum Henker? Klingen schießen hervor und plötzlich hält er... zwei überdimensionale Cuttermesser in den Händen? Er stürmt jedoch nicht los - wie es sich mein actionfilmgeprägtes Hirn ausmalt - sondern bleibt stocksteif im Türbogen stehen. Überrascht rutsche ich näher an die Tür heran und riskiere einen kurzen Blick um die Ecke. Mir fallen fast die Augen aus den Höhlen. Dort steht Petra; umgeben von allerlei schleimigem Zeugs, das wohl ursprünglich dieses Monstrum formte. Ebenfalls mit zwei riesigen Cuttermessern bewaffnet, steht sie inmitten von... ähm... Tentakeln? Natürlich, was auch sonst. Doch viel wichtiger ist, dass sie ein ähnliches Schicksal erlitten hat wie Kollege Jean. Nur ist das Ergebnis um Welten erotischer. Ich sauge den Anblick ihrer zerrissenen Kleidung förmlich in mir auf. Mein Scanblick wandert einmal von oben nach unten. Verdammte Scheiße, ich kann ihren BH sehen! Mit Rüschen und in einem zarten Rosa und... »Autsch!«, brülle ich, als ich einen gezielten Schlag auf den Hinterkopf kassiere. Das war Jean. Jetzt fängt der auch schon so an. »Starr nicht so ungeniert auf ihren halbnackten Körper«, zischt er mir ins Ohr. »Sonst reißt dir Levi alle Gliedmaßen einzeln aus, mein Bester«, fügt er im Flüsterton hinzu. Wow, inzwischen hätte ich auf den Klopfer auch selbst kommen können. »Was du nicht sagst«, erwidere ich sarkastisch. »Er beschützt sein weibliches Personal vor jeglicher Form von sexueller Belästigung«, erklärt Jean. »Wie nobel von ihm«, antworte ich so leise, dass mich der Hauptmann ganz sicher nicht verstehen kann. Meine Worte sind nur für Jeans Ohren bestimmt. »Bestimmt revanchieren sie sich auch angemessen dafür«, spotte ich, doch Jean zuckt nur mit den Schultern. »Das geht weder dich noch mich etwas an. Genauso wie die Sache mit Komman-...«, er räuspert sich, »wie auch immer. Das geht uns nichts an.« Neugierig hebe ich eine Augenbraue. Wollte er gerade etwas Intimes und Geheimes über Kommandant Smith ausplaudern? »Sprich dich ruhig aus, Jean. Was ist mit Kommandant Smith und Hauptmann Levi?«, hinterfrage ich interessiert. Jean stöhnt. »Nichts, was einen in diesem Laden noch auf irgendeine Weise schockieren könnte und jetzt halt dein Maul, Emil.« »Eren«, korrigiere ich ihn. »Mir doch egal und wenn du Napoleon heißt. Ändert nichts daran, dass du jetzt die Klappe hältst«, sagt er und drängt sich dann an mir vorbei, um zu Levi und Petra aufzuschließen. Seufzend komme auch ich aus meinem sicheren Versteck hervor und erlebe gerade noch mit wie Hauptmann Levi herzallerliebst sein Hemd um Petras Schultern legt, um sie vor anzüglichen Blicken zu schützen. In der Bewegung halte ich inne, als mein Blick mehr beiläufig über seinen nun freien Oberkörper schweift. Was zum Henker? Kann mich mal bitte jemand kneifen und mir sagen, dass dieser Anblick nicht der Realität entspricht? Wenn das hier echt ist, dann ist der Kerl die Reinkarnation von Bruce Lee – kein Scheiß. Der garstige Gnom besteht ausschließlich aus Muskelmasse. Einen so trainierten und definierten Körper habe ich ja noch nie gesehen. Nicht einmal in dem Fitnessstudio, das ich zweimal die Woche besuche. Inzwischen habe auch ich so etwas wie Muskulatur aufgebaut, aber mit ihm kann ich beileibe nicht mithalten. Der Kerl ist ein richtiges Tier. Schmal und zierlich in seinen Klamotten, aber eigentlich ein pures Muskelpaket. Keine Ahnung wie er trainiert, aber er ist bestimmt wahnsinnig gelenkig und... Scheiße, ich schweife zu einem heiklen Thema ab. »Yeager, auch wenn Sie meinen Körper noch Stunden anstarren, wird das nichts an Ihrer kümmerlichen Hühnerbrust ändern«, streut er fleißig Salz in die Wunde. Er versteht sich wirklich hervorragend darin, anderen Menschen ihr erbärmliches Ich vor Augen zu führen. Leider hat er bis jetzt mit seinen Beleidigungen immer, tja, goldrichtig gelegen. »Vielen Dank, Sir«, bedankt sich Petra mit hochrotem Kopf. Mir kommt gleich das Frühstück wieder hoch – ach, halt. Da war ja was. Prompt erinnert sich mein Körper daran, dass ich immer noch nichts zwischen die Zähne bekommen habe und lässt meinen Magen munter drauflos knurren. »Sie sind wirklich eine schreckliche Plage, Yeager«, kommentiert Levi mein Magengrummeln und setzt sich wieder in Bewegung. Im Türrahmen – direkt neben mir – hält er noch einmal kurz inne und begutachtet den von oben bis unten vollgesauten Raum. »Jean. Petra. Trommelt die anderen zusammen und macht hier sauber... Ich bin in etwa zwei Stunden zurück.« Die beiden salutieren gehorsam den Disneylandgruß und Levi stolziert zufrieden an mir vorbei. »Nicht einschlafen, Yeager. Kommandant Smith erwartet uns bereits«, scheucht er mich, als ich nicht unverzüglich im Gleichschritt hinter ihm herlaufe. Der Kerl hat echt ein gewaltiges Problem. Irgendetwas verschenken Praktikanten zum Abschluss ihres Praktikums ja immer – meistens Süßigkeiten oder so einen Quatsch. Ich schenke ihm etwas Sinnvolleres: Die erste Stunde bei einem Therapeuten. Mit dem Fahrstuhl geht es wieder nach oben, wieder durch unzählige Gänge, wieder solange, bis ich nicht mehr weiß, wo wir überhaupt sind. Auf unserem Weg fällt mir ein junger Mann – etwa in meinem Alter – mit schulterlangen blonden Haaren und blauen Augen auf. Er ist nicht viel größer als der Kommandant, nur noch etwas zierlicher und diesmal sind das bestimmt keine versteckten Muskeln. Unter den Arm hat er einen dicken Ordner geklemmt und die Art und Weise wie er uns ansieht, ist irgendwie... süß. Offensichtlich ein schüchternes Kerlchen. Mein Blick folgt ihm über die Schulter hinweg und auch er dreht sich noch einmal zu mir um. Ich lächle; er erwidert es nicht, blinzelt nur überrascht. Cool, ich glaube, dass wir uns super verstehen könnten. Im nächsten Moment krache ich fast in den Hauptmann hinein. Zwischen uns liegen nur noch ein paar mickrige Zentimeter und sein äußerst appetitlicher Duft zieht mir sogleich wieder in die Nase hinein. Ah, vor allem jetzt, da seine Haut komplett unbedeckt ist. Kurz verschwindet er in seinem Büro und kommt mit einem dunklen Pullover wieder heraus, den er sich gerade über den Kopf zieht. Wenn er doch nur nicht so ein arrogantes Arschloch wäre. Aber wer weiß, vielleicht kann er bei anderen, bestimmten Personen ja auch ganz anders sein. Vielleicht ein bisschen weniger herablassend und beleidigend. Stillschweigend gehen wir weiter, bis Levi an der nächsten Tür inne hält auf der ›Geschäftsleitung und Controlling, E. Smith‹ geschrieben steht. Ich schlucke einmal und mache mich auf das Schlimmste gefasst, als Levi zweimal an die Tür klopft. »Herein«, antwortet eine tiefe, männliche Stimme aus dem Inneren des Raums. Der Hauptmann öffnet die Tür quälend langsam; mein Puls bringt mich noch um – was wird wohl dort am Schreibtisch sitzen? Eine Frau mit Damenbart? Ein Wesen das noch kleiner ist als der Hauptmann? Etwa ein Zwerg oder ein Hobbit? Schlussendlich trifft nichts von meinen Überlegungen zu. Hinter dem Schreibtisch sitzt ein großer, gut gebauter Mann, den ich auf Mitte Dreißig schätze und sieht mich direkt an. Auffällig sind nur seine buschigen Augenbrauen – wow, an seiner Stelle würde ich mir die mal zupfen oder besser gleich wachsen lassen. Fehlt nur noch die Monobraue, um das Bild zu vervollständigen. Er steht auf und sein Gesamtbild lässt sich treffend mit einem Wort beschreiben: Arisch. Irgendwie ist er mir durch diesen Grundgedanken bereits unsympathisch. Ich hasse das Militär und vor allem dieses Militär. Mit hinter dem Rücken verschränkten Armen kommt er auf mich zu. »Sir, das ist Eren Yeager. Unser neuer Praktikant«, stellt Levi mich vor und irgendwie wirkt das Wort ›Sir‹ aus seinem Mund etwas befremdlich. »Ah, Eren Yeager. Sehr erfreut«, sagt er förmlich und bleibt vor mir stehen. Mir wird ganz anders, als er mich von oben herab mustert. Plötzlich zieht er seine Hände nach vorne und hält ein...ähh... Körbchen in der Hand? Mit kleinen bunten Kuchen gefüllt, die auf eine hellblaue Serviette gebettet wurden. »Ich habe gestern Muffins gebacken! Möchtest du einen?«, fragt er mit einem zauberhaften Honigkuchenlächeln. Das ist also der schreckliche Erwin Smith... Fragt sich nur, was – außer seinen monströsen Augenbrauen und seinem arischen Aussehen – so schrecklich an ihm ist. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)