Das Schmelzen von Eis von Norrsken ================================================================================ Kapitel 1: Ein Akt der wahren Liebe ----------------------------------- Nach der Rückkehr vom Eispalast, den Königin Elsa hoch oben am Nordberg errichtet hatte, befand Prinz Hans sich im Studierzimmer des ehemaligen Königs. In seiner Begleitung waren der Herzog von Pitzbühl und andere hohe Herrschaften, die zur Krönungszeremonie angereist waren und mit Arendelle in Vertrag standen. Die Reise zum Nordberg war in Hans‘ Augen ein Misserfolg. Er hatte sich auf den Weg gemacht um die Prinzessin zu finden, die das Gespräch mit ihrer Schwester suchen wollte. Ihm war bei dem Plan von Beginn an nicht wohl gewesen und lieber hätte er sie begleitet, doch er hatte auf Annas Wunsch davon abgesehen. Die Bürger von Arendelle waren aufgebracht, wussten sie doch nicht was der plötzliche Wintereinbruch zu bedeuten hatte, und brauchten eine sichere Führung. Sie hatte Hans für fähig befunden und ihm vertraut, weshalb er die Verantwortung auf sich nahm. Aber als das Pferd, auf dem Anna aufgebrochen war, ohne Reiter zurückkehrte, hatte es ihn nicht mehr halten können und er folgte ihr. Doch statt der Prinzessin fanden er und sein Gefolge den Eispalast und ein monströses Schneewesen, das ihn bewachte. Zu dem Zeitpunkt war zu viel auf einmal passiert, als das Hans auch noch an Anna hätte denken können, aber nun, da sie zurück waren, die Königin in ein verließ gesperrt und ohne jegliche Option dem Winter Einhalt zu gebieten oder eine Ahnung davon zu haben, wie schlimm es noch werden könnte, kreisten seine Gedanken unaufhörlich um sie. Anna hatte Elsa erreicht und hätte auf dem Rückweg sein müssen. Folglich hätte sie Prinzessin ihm entgegen kommen müssen, aber trotz weiträumiger Suche, war keine Spur von ihr zu finden gewesen. Hans erinnerte sich mit Unbehagen noch einmal an das Schneeungeheuer vor dem Eispalast. Es schien Besuchern nicht sonderlich freundlich gesinnt, was wenn Anna diesem Ding ausgeliefert gewesen war? Das viele Nachdenken machte Hans wahnsinnig. Nicht zu wissen, was mit Anna passiert war, machte ihn wahnsinnig. Er konnte nicht weiter tatenlos rumstehen. »Ich reite wieder los. Ich muss Prinzessin Anna finden«, informierte er die hohen Herrschaften und war schon auf dem Weg zu Tür, als er angehalten wurde, zu bleiben. »Das ist viel zu riskant«, erklärte Herzog Pitzbühl, doch von dem kleinen Mann, wollte sich Hans sicher nicht in seine Pläne reinreden lassen. Immerhin war er es, der unaufhörlich versuchte, die Königin zum Feindbild zu machen, und dessen Männer ein Attentat versucht hatten. Seine Schultern verspannten sich und nur mit größter Selbstbeherrschung schaffte es Hans, den Herzog nicht harsch anzugreifen. »Wenn ihr irgendetwas zustößt-« »Wenn ihr irgendetwas passieren sollte, seid Ihr alles, was Arendelle noch hat«, wurde er unterbrochen, und als sein Ärger und seine Sorge für einen kurzen Moment in den Hintergrund rückten, appellierte sein Verstand an ihn. Anna hatte ihm Arendelle anvertraut. Auch wenn es ihm schwer viel, musste er zu aller erst an das Königreich denken, welches nun in seiner Verantwortung lag. Seine persönlichen Bedürfnisse musste er zurückstellen, auch wenn das hieß, Anna für den Moment zurückzustellen. Es geht ihr sicher gut, versuchte er sich Mut zuzureden und ließ die Schultern sinken. Die Stille, die ihm Raum einkehrte, war bedrückend, bis das Türschloss, in Hans‘ Ohren unnatürlich laut, klackte. »Sie sind hier«, vernahm er die beruhigende Stimme von Kai. »Prinz Hans?« Ernsthaft interessiert, mit welchem Anliegen das Schlosspersonal an ihn herantreten wollte, wandte sich Hans zur Tür, und noch bevor er seine Frage gedanklich ausformuliert hatte, erkannte er, wen sie zu ihm gebracht hatten. »Anna!« Die Prinzessin hob schwach den Kopf und begegnete seinem Blick. Sie wollte zu ihm, doch als sie einen Schritt vor tat und sich dem Halt von Kai und Gerda entzog, fühlte sie, wie ihre Beine zitterten. Ihre Füße wollten ihr Gewicht nicht mehr tragen und Anna begann einzuknicken. Augenblicklich stürzte Hans zu ihr, fing sie mit den Armen auf und hielt sie fest an sich gedrückt. Trotz der vielen Kleiderschichten, fühlte er eine ziehende Kälte, die von ihr ausging. Ihre Lippen waren blau und sie zitterte – am ganzen Körper. »Du bist ja halb erfroren.« Kein Wunder, dachte Anna. Immerhin war sie dabei zu Eis zu erstarren. Sie konnte nicht einschätzen, wie viel Zeit ihr noch blieb, aber ihr war überhaupt nicht danach, es herauszufinden. »Hans, du musst mich küssen«, forderte sie und hielt sich am weißen Kragen seines Fracks fest. »Was?«, rutschte es dem Prinzen heraus, sichtlich perplex und etwas überfordert mit der Situation. Im Nacken spürte er die Blicke, der anderen Männer, die sich sicher ihren ganz eigenen Reim darauf machten. Anna schien dies wenig zu kümmern. Ihr Griff in den Stoff wurde energischer und mit drängender Stimme verlangte sie: »Jetzt. Sofort. Los!« Hans bemühte sich ruhig zu blieben, auch wenn es ihm schwer fiel. Das Verhalten von Anna machte ihn nervös. Auch wenn er sie noch nicht lange kannte, hatte er sie nicht so eingeschätzt, dass sie auf diese Art über ihn herfallen würde. Zumindest nicht grundlos. »Warte. Langsam. Ich-« »Los, bitte«, wisperte Anna mit schwindender Stimme. Hans blieb stumm, versuchte aus den Augen der Prinzessin zu lesen, aber fand auf die vielen Fragen keinerlei Antwort. Gerda fing die Blicke des jungen Paares auf und bedeutete den anderen Schaulustigen den Raum zu verlassen. »Meine Herren, kommen sie mit hinaus.« Der Prinz war ihr dafür merklich dankbar, und als er mit Anna allein war, die sich weiterhin an ihn klammerte, hoffte er, dass sie sich etwas beruhigte und er ein paar Antworten bekam. »Was ist da draußen passiert?« Er hielt sie fest an den Armen und ihr Griff entspannte sich. »Elsa hat mich mit einem Eisblitz getroffen«, erklärte sie zitternd. Auch wenn Hans ihr etwas Wärme spendete, zog die Kälte sich weiter klamm um ihr Herz. In den Augen des Prinzen spiegelte sich Entsetzen. »Du sagtest, sie würde dir nichts antun.« Nur aufgrund dieser Versicherung hatte er sie gehen lassen. Sie war so überzeugt von dieser Tatsache gewesen, dass er darauf vertraut hatte. Nun fühlte er sich in seinem unwohlen Gefühl bestätigt. Es war nicht so gekommen, wie er befürchtet hatte, aber es schien nicht wesentlich besser ausgegangen zu sein. »Ich hab mich geirrt.« Das war die bittere Realität und immer wieder, wenn Anna sich dies vor Augen führte, hatte sie das Gefühl, die Kälte in ihrem Herzen würde noch stärker. Sie wollte nicht glauben, dass Elsa in den letzten Stunden irgendetwas mit Absicht getan hatte. Da war stets diese Angst in ihren Augen gewesen, doch was der Auslöser dafür war, konnte die Prinzessin nicht erahnen. In der Hoffnung, ihre Schwester würde sich ihr öffnen, wenn sie ihr beteuerte, dass sie ihr immer noch vertraute, sie liebte und an sie glaubte, war ein Fehler gewesen. Die Angst war zu tiefsitzend, die Schwestern zu lange voneinander getrennt gewesen. Doch ihr blieb nicht die Zeit, um sich weiter Gedanken um eine Lösung zu machen. Im Augenblick musste sie vorerst an sich selbst denken, damit sie nicht für immer erstarrte. Hans trug sie behutsam zum Sofa, welches nahe dem knisternden Kamin stand. Die Wärme von außen, würde den Zauber nicht aufhalten, doch vielleicht verlangsamen. Zumindest fühlte Anna sich etwas besser und konnte ohne zu zittern Erklären. »Mein eingefrorenes Herz kann nur durch einen Akt der wahren Liebe gerettet werden.« Die Gedanken des Prinzen waren noch aufgewühlt, weshalb es einen Augenblick braucht, bis er die Bedeutung der Worte von Anna verstand. »Jemand, der dich liebt, muss dich küssen.« Das war die Antwort, um das Wohl der Prinzessin von Arendelle zu gewährleisten. Es schien als würden die meergrünen Augen von Anna im Schein des Feuers aufglühen und strahlten Hans voller Erwartung entgegen. Mechanisch zog er sich den Handschuh aus und strich ihr über die Wange, bevor er sanft ihr Kinn umfasste und den Abstand zwischen ihnen überbrückte. Ihre Lippen waren kalt, doch dies war nicht der Grund für das taube Gefühl, das sich in seinen Gliedern ausbreitete. Ohne es zu merken, hatte Anna den Atem angehalten, und als sie Hans‘ weiche und warme Lippen fühlen konnte, war sie sich sicher spüren zu können, wie die Kälte aus ihrem Herzen verschwand. Doch kaum, dass er die Liebkosung beendete, kam das klamme Gefühl zurück. Aber wieso? Auch wenn Anna ihre Frage nicht laut gestellt hatte, war es Hans klar, was sie dachte. Es hatte ganz offensichtlich nicht funktioniert. Sie saß immer noch zusammengekauert da, versuchte das Zittern zu kontrollieren. Nicht überraschend. Er hatte es gleich geahnt, dass die Zuneigung, die er der jungen Frau entgegenbrachte, für einen Akt der wahren Liebe nicht ausreichen würde. Doch ein kümmerlicher Funken Hoffnung in ihm hatte es ihn versuchen lassen. Konfus schüttelte sie den Kopf und zog die Augenbrauen zusammen. Es fiel ihr schwer, die Zusammenhänge zu begreifen. Was letztendlich daran lag, dass sie schlicht nicht glauben wollte, was so deutlich vor ihr aufgebrochen war. Hans liebte sie nicht. Nicht so, wie sie geglaubt hatte und nicht so, wie sie es in diesem Moment brauchte. Die Gefühle drohten über ihr zusammenzubrechen. Scham, Wut, Enttäuschung, Trauer, Bitterkeit – doch sie war wie gelähmt. Die Hoffnungslosigkeit und die Angst, was nun mit ihr passieren würde, beherrschten ihren Körper. Es gab keine Rettung für sie. Niemand konnte ihr helfen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)