Kyo Kara Maou Novel: Reise zum Beginn - Abenteuer in Dark Makoku von KamuiMegumi ================================================================================ Kapitel 18: Kapitel 18 ---------------------- KAPITEL 18 „WOOOOOLLLLFFFFRRRRAAAAAMMMM!“, Ich kniete noch immer und schlug mit beiden Fäusten hart auf den Boden. Iossac und Adalbert stemmten sich mit aller Gewalt gegen den Stamm beim erneuten Versuch, die Türe aufzubrechen. Doch durch die immense Hitze der stählernen Türe fing auch bald dieser massive Baumstamm Feuer. Ich musste da rein! Ich musste zu Wolfram! Ich spürte eine Hand an meiner Schulter, die mich grob festhielt. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich aufgesprungen war und nur noch wenige Zentimeter von der glühendheissen Türe entfernt stand. Conrad, der mich gepackt hatte, riss mich erneut nach hinten: „Majestät! Es bringt niemandem etwas wenn ihr jetzt unüberlegt handelt!“ Der Boden erzitterte, die Wände um diese Türe erhielten Risse. Gwendal erhob sich. Schweiß perlte ihm von der Stirn. Er hatte sein Erdmaryoku schon zu oft angewandt. Er würde zusammenbrechen, bevor wir auch nur eine Chance hatten, durch eine beschädigte Stelle in der Wand zu brechen. Bevor wir auch nur eine Chance hatten, Wolfram zu retten. Bevor ich meinem Wolfram... „Diese Feuerbarriere ist magisch. Gwendals Erdmagie kann nichts ausrichten!“, seufzte Günter. Wasser, dachte ich, Wasser ist der natürliche Feind des Feuers. Und ich beherrsche alle Elemente, aber am Besten beherrsche ich das Wasser! Nur wie aktiviere ich diese Kraft in mir? Wolfram ist in Gefahr! Er war wegen mir hier! Er hatte dieses Verwechslungsspiel um Shinou gemacht nur um an das von mir benötigte Zepter zu kommen! Er ist in dieses Intrigenspiel und somit in deren Falle geraten weil er stets für mich da sein will und da ist und nun braucht er mich! Er braucht mich! „Geht alle zur Seite!“, sagte ich mit ernster, dunkler Stimme und trat genau vor die glutrote Tür. Meine Freunde spürten meine aufsteigende Aura. Sahen, wie sich meine Pupillen zu Schlitzen zogen. Ich holte tief Luft. Susannah Julia, ich weiß, dass du nicht mehr da bist, aber bitte erhöre mich. Bitte, hilf mir! Hilf mir die Kraft zu finden meinen Wolf da raus zu holen! Der Stein auf meiner Brust wurde glühend heiß. Er schien sich durch den Stoff meiner Uniform zu fressen um sich in mich einzubrennen. Diesen Schmerz ignorierend hob ich meine rechte Hand und schloss meine Augen. Dunkelheit. Laute panische Stimmen vor der Türe meiner Freunde und Begleiter. Und da hörte ich es. Hörte ich es wirklich oder war es mehr ein Fühlen. Ich fühlte Wolf! Umzingelt von seinen eigenen, unkontrollierbaren und beschworenen Flammen, am Boden liegend mit starken Schmerzen, verzweifelt nach Luft schnappend, mit langsam werdeneren Herzschlag, mit aussetzendem Puls, mit meinen Namen flüsternd auf den Lippen... „WOOOOOLFRAAAAAAM!“ Die Energie war so stark, dass sie alle Anwesenden nach hinten katapultierte. Nur Yuuri stand unangetastet vom Druck des Aufschlags, den sein Wasserdrache auf die Tür verübt hatte, da. Die Türe war zerborsten, das glühend heiße Metall hatte dem Druck der kalten Wassermaßen nichts entgegen zu setzten gehabt. Fünf weitere Wasserdrachen rasten in den Raum und erstickten sogleich alle Flammen. Der dadurch entstehende Wasserdampfnebel versperrte den Anwesenden die Sicht. Doch das hinderte Yuuri nicht. Blind lief er in den Raum hinein. Er schien Wolfram noch zu spüren. Noch! „Majestät!“, riefen Conrad und Günter zugleich und liefen nach. Wolf... Wolf... wo bist du? Ich spürte ihn schlagartig nicht mehr. Doch da. Ein schwacher Herzschlag wenige Meter vor mir! „Wolfram!“, schrie ich panisch und ließ mich an erfühlter Stelle zu Boden sinken. Diese Nebelschwaden versperrten mir die Sicht! VERSCHWINDET! Um mich herum bildete sich eine Windrose und all der Wasserdampf wurde nach oben hin weg gesaugt. Nach und nach lichtete sich der Raum. Er war gänzlich schwarz und verkohlt. Alles war den unaussprechlich heißen Temperaturen zum Opfer gefallen. Und genau dort, wo ich ihn erfühlt hatte, lag Wolfram in einer in den Steinboden eingebrannten Blutlache. Mein Herz setzte aus: „Wolf?“ Ich berührte ihn sachte am Oberarm. Sein Körper war heiß. Vermutlich noch durch die Hitze zuvor. Aber er regte sich nicht. „Wolf? Bitte!“ Seine Augen waren geschlossen. „Wolfram? Bitte bitte wach auf!“ Nichts. Neben mir landete Günter auf seinen Knien und drehte Wolf auf den Rücken. Er wich etwas erschrocken zurück, atmete schwer und laut hörbar ein und legte dann seine Hand auf Wolframs nackten Oberkörper. Ich legte seinen Kopf auf meine Oberschenkel. So hatte er es immer bei mir gemacht, wenn ich erschöpft war. „Jetzt hör schon auf mit dem Unsinn! Steh auf jetzt!“ Der Großteil seiner Kleider war verbrannt. Sein ganzer Körper wies weniger Verbrennungsspuren auf, als ich angenommen hatte. Das mochte daran liegen, das sein Element das Feuer war und seine Haut dadurch von Natur aus resistenter gegen Brandverletzungen. Dennoch konnte man deutlich die Spuren eines harten Kampfes erkennen. „Wolfram! Bitte!“, meine Stimme versagte langsam. Ich bekam keine Luft mehr. „Wolfram!“ „Ich spüre keinen Herzschlag mehr, eure Majestät!“, wisperte Günter neben mir. Ich hörte ihn kaum. „Wolfram... steh auf!“ Ich nahm seine Hand, doch leblos rutschte sie mir aus der meinen und klatschte zu Boden. Tränen stiegen in mir auf: „Wolfram! Ich habe gesagt du sollst aufwachen!“ „Majestät?“ „Weitermachen!“, schnauzte ich in Günters Richtung. „Aber Majestät!“ „WEITERMACHEN!“ Günter ließ seine Hand auf Wolframs Brust und konzentrierte weiter sein Maryoku. „Wolfram... wach auf... wach auf... bitte! Du sollst sofort aufwachen!“ Die Tränen liefen mir über das Gesicht. Immer wieder streichelte ich über seine geschundenen und zerkratzten Wangen. Conrad riss den Ärmel seiner Uniform ab und presste diesen auf die blutende Stichwunde an Wolframs rechter Bauchseite. „Ich brauche dich, Wolf. Bitte!“ Er wird es nicht schaffen!, hörte ich Shinous Stimme zögerlich in mir. „Sei still!“, fauchte ich und alle starrten mich an. Bald wurde ihnen aber wohl bewusst, das ich mit Shinou sprach: „Der Angriff galt dir! Er hat hier deine Rolle gespielt!“ In mir kochte Wut hoch. Warum Wolfram? Warum hast du das getan? Wir hätten doch einfach gehen können! „Komm, Wolfram! Steh auf und lass uns nach Hause gehen!“, flüsterte ich und fuhr durch sein blutverklebtes Haar. Wie hatten sie es wagen können, meinem Engel so etwas anzutun? Ihn so zu quälen? Ihn so zu beschmutzen? „Shinou! Mach ihn gesund! Rette ihn! Es ist deine Pflicht ihn zu retten! Bisher hast du uns nur Probleme gemacht! Rette meinen Wolfram!“, nun erst wurde mir bewusst, dass mir die Tränen über die Wangen liefen und auf Wolframs Brust, neben Günters Hände tropften. Nein, Wolf, bitte! Wenigstens einen Herzschlag! Bitte! Wolf! Ich brauch dich! Ich brauch dich wirklich! Mit wem soll ich mich denn sonst streiten? Shinou räusperte sich in mir: Ist das dein Ernst? Du willst mit ihm streiten? „Sei still! Was weißt du schon?“ Ich wusste, dass Shinou auch litt und meine Aussagen ungerechtfertigt waren. Wolfram war alles, was er noch hatte. Sein letzter direkter Nachkomme. Seine letzte lebende Erinnerung an sein Leben, an Rufus, an Henrik. Sein Grund, warum er sein Leben hier in Dark Makoku aufgegeben hatte. Ich weiß, dass du dich beruhigen solltest! Ich legte meine Hände neben Günters auf Wolframs Brust. Ich vertraute Günters hervorragenden Heilkräften. Schließlich war er ein Mitglied vom Volk am See. Aber auch ich verfügte über diese Fähigkeit und vier Hände erreichten mehr als zwei! Gwendal, Adalbert und Iossac überprüften vorsichtshalber den Raum um nach dem Verbleib von Wolframs Angreifern zu schauen. Murata stand dicht hinter Iossac, den Flakon fest in seiner Hand umschlossen. Das Leuchten von Shinous Seelenperle flackerte nur noch ganz schwach. Als würde es gleich verlöschen. „Hey, Wolf, nun sag doch was!“, ich versuchte mich zu konzentrieren. Ihm die Schmerzen zu nehmen. Aber da war so viel Schmerz! Sein Schmerz. Mein Schmerz, der mich durchzog. Sein Körper unter meinen Händen kühlte merklich ab! „Steh auf hab ich gesagt!“ In mir stieg nun auch Panik auf. „Steh auf! Das ist ein Befehl! Hörst du! Ein Befehl!“ „Yuuri, beruhige dich!“, eine Hand legte sich auf meine Schulter. „Fass mich nicht an!“, schrie ich und schlug Conrads Hand beiseite. Meine Tränen wurden mehr. Sie waren nicht mehr nur Tränen der Trauer und der Verzweiflung sondern nunmehr auch Tränen der Wut und des Zorns. „Majestät, ihr habt immer noch die Aura des Maous. Ihr solltet euch nicht zu etwas hinreißen lassen was unsere derzeitige Situation verschlimmern könnte“, gab Günter neben mir zu bedenken. Er hatte Recht. Noch hatte ich mich und diese Macht in mir unter Kontrolle. Es wäre fatal wenn nicht. Aber ich musste diese Macht doch irgendwie nutzen können! Was nutzte mir diese blöde Macht, wenn ich nicht die Menschen beschützen konnte, die ich liebte? Ja, ich war mir sicher. Ich hatte Wolf mehr als gern. Ich hatte gerade eindeutig nur an ihn gedacht als ich an den Schutz meiner von mir geliebten Menschen dachte. Verdammt! Ich Idiot! Ich hatte es ihm nicht gesagt! Ich hatte es ihm nicht gesagt! Ich Idiot! Ich hätte es ihm sagen müssen! Das ich ihn liebte! Das ich ihn so sehr liebte! Und nun machte er nicht seine Augen auf! „Wolfram! Ich hab's kapiert! Ich hab es endlich kapiert! Nun wach auf und nenne mich Waschlappen oder was auch immer weil ich so lange gebraucht hab um das zu verstehen!“ Nichts. Sein Mund schwieg. Nie wieder würde er mich Waschlappen nennen. Nie wieder wegen seiner Eifersucht mich einen Schwerenöter schimpfen. Nie wieder würde ich einfach nur seine Stimme hören, welche mir seine stetige Anwesenheit an meiner Seite bezeugte. Nie wieder würde er an meiner Seite sein können! Die Lider seiner Augen blieben geschlossen. Diese wunderschönen Augen in diesem wunderschönen Gesicht, welches trotz all der Blessuren die Unschuld eines schlafenden Engels aufwies. Sein Mund blieb geschlossen. Diese wunderschönen Lippen. Ich möchte sie noch einmal spüren! Wieso hatte ich es nur so spät begriffen? Diese wunderschönen, sanften, weichen Lippen. Sie sagten nichts. Mir schoss der Kuss durch den Kopf. Als er, als Nanatsu, sich für eine Braut entscheiden sollte, wählte er mich. Er wählte mich. Er wählte stets mich! Ich Idiot! Nie wieder würde er mich so überrumpeln können. Nie wieder würde er mich Weichei nennen können. Nie wieder würde er im Nachthemd nachts in mein Bett schleichen... „Ich spüre weiterhin keinen Puls, euer Majestät!“, flüsterte Günter neben mir. „Wir machen weiter!“ „Aber Majestät!“ „Verdammt, Günter! Mach was ich sage!“ Ich konnte mich nicht erinnern, jemals so grob zu Günter gesprochen zu haben. Wolframs Arme lagen leblos neben seinem Körper. Nie wieder würde ich seine Hand nehmen können. Nie wieder würde er mich berühren. Nie wieder sich nachts in mein Kissen krallen und mir meine Bettdecke wegnehmen. Gwendal wandte sich ab. Er stand nun mit dem Rücken zu uns. Ich spürte seine Verzweiflung. Ich spürte seine Selbstvorwürfe. Auch Conrad schien gerade von den aufkommenden Gefühlen der Trauer übermannt zu werden. Sein Gesicht verlor jede Wärme. Im Augenwinkel bildeten sich Tränen, während meine sich unentwegt ihren Weg nach draußen bahnten. Seine Beine lagen bewegungslos und steif da. Nie wieder würde er mich durch die Gänge des Schlosses jagen. Nie wieder würde er mir auf Schritt und Tritt folgen. Nie...nie... nie wieder... „WOLFRAM!“, ich schlug heftig auf seine Brust, „Wie kannst du es wagen, mich hier alleine zu lassen? Du nennst mich einen Waschlappen? Ein Weichei? Einen Feigling?“, erneuter Schlag auf die Brust, „Wer ist hier feige? Wer haut einfach ab? Ich hab es kapiert! Ich hab es kapiert! WOLFRAM!“ Laut schluchzend warf ich nun meinen ganzen Kopf auf seine Brust und ließ alles nur noch raus. Du darfst mich nicht verlassen. Bitte. Ich überlebe das nicht! Ich brauche dich! „Majestät!“, Günters plötzlicher Ausruf ließ mich zusammenfahren, „Macht weiter!“ „Was?“, ich blickte verstört auf. „Ich habe einen ganz schwachen Puls!“ WUMM! Sieh an, sieh an... er findet das Licht nicht... wer hat das nur ausgemacht! Shinou! Ich erkannte ein leichtes Aufflackern unter meinen Händen. Shinou war in Wolframs Körper gefahren! Er hatte ihm tatsächlich geholfen! Das nun merklich abgeschwächte, flackernde Licht zog an mir vorüber zu Murata, der den kleinen Korken des geöffneten Flakons mit traurigem Lächeln in der Hand hielt und darauf wartete, das Shinous Seele in eben diesen zurückkehrte. Den Rest überlasse ich dir, Yuuri. Mehr kann ich nicht tun. Vermassel es nicht! Auch seine Stimme war schwach und leise. Hatte Shinou sich verausgabt? Ich sollte den Rest übernehmen? Aber was konnte ich denn jetzt tun? Wie konnte ich Wolfram jetzt nur helfen? Ich starrte auf meine Hände. Konnte ich denn noch mehr bewirken als nur einen Heilungszauber? In mir krampfte es sich zusammen. Ich musste doch irgendwas tun können! Murata schloss nun den Flakon und kniete ebenfalls neben mir: „Verbinde deine Seele mit seiner!“ „Das ist viel zu gefährlich! Majestät, ich bitte euch! Wir finden schon eine andere Lösung!“ „Wie mach ich das?“, unterbrach ich Günter ignorierend und starrte Murata an. Ich hatte absolut keine Bedenken. Es ging um Wolfram. Ich würde alles tun. „Shibuya, es wird die Hölle sein. Wenn ich von Bielefelds Zustand so sehe, wirst du nie geahnte Schmerzen durchleiden müssen. Willst du das wirklich?“ „Ja, will ich!“ „Okay, ich kann eure Seelen verbinden. Diese dürfen während der Beschwörung nicht getrennt werden. Das kann zu euer beider Tod führen. Du übernimmst einen Teil von seinen Qualen um die Heilung zu beschleunigen“, erklärte er, „aber ich muss dir sagen, das noch nie eine solche Verschmelzung länger als drei Tage gedauert hat. Darüber hinaus kann ich dir keine Garantie geben. Es liegt wirklich dann an dir!“ Günter wollte gerade Einspruch erheben, da fuhr Gwendal schon dazwischen: „Und wenn ich es versuche?“ „Eure Kräfte dürften nicht ausreichen bei seinem Zustand“, er wies auf Wolfram, „ich bezweifle sogar, dass die Kräfte des Maous ausreichend sind um ihn auf den Weg der kompletten Genesung zu bringen. Er hat viel zu viel Rauch eingeatmet, ganz zu Schweigen von den inneren und äußeren Verletzungen!“ „Ich mach's!“, ich sah Murata durchdringend an. Ich wollte keine Zeit mehr mit Reden vergeuden. Wolfram brauchte mich. Und ich brauchte ihn. „Wir sollten uns damit beeilen und hier verschwinden!“, warf diesmal Iossac in den Raum, „Egal, gegen was oder wen er hier gekämpft hat, es ist nicht mehr hier. Weder tot noch lebendig. Aber es wird zurück kommen!“ Conrad nickte zustimmend: „Wir sollten von hier flüchten. Wenn dieses Attentat von ganz oben befehligt wurde sind wir hier nicht sicher und können euch dann auch nicht ausreichend den Schutz bieten, den ihr während der Verschmelzung braucht!“ „Lord von Voltaire und ich sondieren die Lage und planen die Flucht. Macht ihn irgendwie transportfähig, Lord von Kleist!“, Iossac wies auf Wolfram und der angesprochene königliche Haus- und Hofmeister hob Wolframs Körper vorsichtig vom Boden. „Ich werde mich um euch kümmern!“, flüsterte Conrads Stimme neben mir. „Warum?“, entgegnete ich. „Ich war bei einer solchen Verschmelzung schon einmal anwesend. Ihr werdet zu nichts mehr in der Lage sein!“ „Oh“, ein wenig verunsichert war ich nun doch, „Wie ist diese Verschmelzung ausgegangen?“ Seine silbergesprenkelten braunen Augen sahen mich eindringlich an: „Bei euch wird es besser verlaufen!“ Wieso konnte er denn nicht wenigstens jetzt einmal unehrlich zu mir sein? Gwendal und Iossac verließen den Raum. Murata nahm meine Hand und lächelte: „Du schaffst das, Shibuya. Wenn es einer schafft, dann du!“ Wow! So viel Vertrauen in mich hätte ich Murata nicht zugetraut! Mit seiner anderen Hand nahm er die Hand von Wolfram und legte diese in meine. Mit beiden Händen umschloss er nun unsere ineinandergelegten und flüsterte im Summton etwas mir vollkommen unverständliches. Conrad packte mich und hob mich auf seine Arme. Das war mir sehr unangenehm, aber ich vertraute ihm in dem was er tat. Somit standen er und Günter sich nun gegenüber mit jeweils Wolfram und mir auf dem Arm und Murata zwischen uns, weiterhin mysteriöse Formeln flüsternd. Meine Hand wurde heiß. Unangenehm heiß. So heiß, dass der natürliche Reflex nur noch wegziehen möchte. Aber ich wusste, dass ich das nicht dürfte. Diese unangenehme Hitze kroch nun hoch, erreichte meinen Ellbogen, dann meine Schultern. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass meine Beine abstarben. Es war kein Gefühl mehr in ihnen. Es war also doch ganz gut, dass ich auf Conrads Armen lag. Die Hitze und dieses Taubheitsgefühl trafen sich knapp über meinem Bauchnabel und dann schrie ich auf. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so laut geschrien. Mein Körper bäumte sich unkontrolliert auf. Conrad hatte alle Mühe mich zu halten. Adalbert half ihm und brauchte all seine Kraft um mich in Position zu halten. „Er schreit uns die Probleme noch her!“, hörte ich Adalbert schimpfen und spürte, wie er mir etwas weiches in den Mund stopfte. Diese Vermischung von Taubheit und Hitze setzte Schmerzen frei, die einem Gefühl des Zerrissenwerdens nahe kamen! Daher störte mich der Knebel nicht weiter. Und dieser Schmerz weitete sich nun vom Zentrum meines Körpers aus. Zuerst nur strahlenförmig, doch dann mit voller Wucht im ganzen Körper. Mein Verstand setzte aus und spielte nicht mehr mit. Ich bäumte mich noch einmal verkrampft auf und dann wurde mir schwarz vor Augen. Ich lief durch Feuer. Überall Feuer und kein Ende in Sicht. Meine Haut schmerzte zwar durch die Hitze, aber sie brannte genauso wenig wie meine Uniform. Ich hatte es also geschafft. Ich war in Wolfram! Und es schmerzte unglaublich! Machte ich jetzt auch alles richtig? Half ich ihm durch meine Anwesenheit? Vielleicht sollte ich jetzt irgendetwas tun! Natürlich sollte ich etwas tun! Dazu war ich ja hier. Das Feuer verursachte Schmerzen. Also musste das Feuer weg! Und wer konnte besser ein magisches Feuer bekämpfen als ich? Wenn da nur nicht diese Schmerzen wären, die mich von der für die Wassermagie benötigten Konzentration ablenkten! Shibuya, jetzt reiß dich zusammen! Versuch es! Es geht um Wolfram! Ich stoppte meinen Lauf durch die Flammen. Sie züngelten sich an mir hoch, doch außer den Schmerz war da nichts. Der Schmerz konnte nicht real sein. Er war Erinnerung! Wolframs Erinnerungen an den Schmerz, den er durchlitten hatte in der Flammenhölle. Auch ihn konnten die Flammen nicht verbrennen, aber ihn quälen. Und diese Qual musste ich nun von ihm nehmen. Ich streckte meinen Arm aus. Ich spürte die Kräfte des Maous in mir aufsteigen. Vor drei Jahren hätte ich diese Kraft noch nicht so kontrolliert aufrufen können. Eigentlich hatte ich sonst auch noch Probleme damit, aber jetzt funktionierte es ganz gut. Ich spürte, wie mich die aufsteigende Energie an den Fingerspitzen kitzelte. Den Schmerz weiterhin ignorierend konzentrierte ich mich nun auf die Form eines vollendeten Wasserdrachens. Und tatsächlich: Vor mir bildete sich das edle Geschöpf. Er schien zu brüllen, sein länger werdender Rumpf schlängelte sich in die Höhe. Mit einer ausschweifenden Armbewegung wies ich ihn an, sich über das Flammenmeer herzumachen, sich jede einzelne Flamme einzeln einzuverleiben und sie in ihrem Glutkeim zu ersticken. Um mich herum wurde alles blau und weiß. Mit jeder verschlungenen Flamme wurde der Drache größer und der entstehende Nebel dichter. Nach und nach verschwand auch das kleinste orangerote Schimmern und wich dem kühlen Blau. Ich atmete erleichtert aus. Die Schmerzen, die ich bisher versucht hatte, gänzlich zu ignorieren, waren verschwunden. Aber von Wolfram fehlte jede Spur. Ich musste also weiter suchen. Noch ehe ich einen Schritt machen konnte, spürte ich ein ruckeln, dann ein heftiges Holpern von unten. Ich schlug die Augen auf. Ich fühlte mich total benebelt. Ich lag. Soviel war klar. Ich sah geradewegs in Conrads Augen: „Yuuri, geht es dir gut?“ Meine Stimme versagte total, daher versuchte ich ein Nicken. Ich lag mit meinem Kopf auf Conrads Schoss. Es ruckelte wieder so seltsam. Nun bemerkte ich, dass wir wohl in einer Kutsche saßen. Conrad gegenüber saß Günter. Er hatte Wolframs Kopf auf seinem Schoss gebettet. Günter selbst schien auch zu schlafen. Bis auf ein kleines Licht war es in der Kutsche auch dunkel. Es war wohl Nacht. Murata lag schnarchend im Fußraum. Über seinem Kopf baumelten Wolframs und meine ineinandergelegten Hände. Anscheinend von Murata mit einem Tuch mehrfach umwickelt und dieses dann fest geknotet. „Er hatte Sorge, dass ihr euch einander verliert!“, flüsterte Conrad. Ein erneutes heftiges Aufhüpfen der Kutsche. Wir fuhren anscheinend mit sehr hohem Tempo. „A...a...“, ich räusperte mich, „alles in Ordnung?“ Das war mehr ein Krächzen. Conrad lächelte mild: „Ja. Iossac will nur unseren Vorsprung ausbauen, daher die Eile.“ Ich versuchte auch zu lächeln, war mir aber nicht so sicher, ob mir das gelang. Alles fühlte sich taub an. Ich wusste auch, dass mich bald eine neue Schmerzenswelle erreichen würde, denn Wolfram schien noch nicht über den Berg. „Ich danke dir, Yuuri“,Conrad strich mir über das Haar, „Ich war bei seiner Geburt dabei. Ich hätte seinen Tod nicht mit ansehen können. Das hätte mich zu sehr ...“ Er schwieg betroffen. In seinen Augen spiegelte sich der Glanz der kleinen Kerze aus ihrer Laterne über unseren Köpfen. „Conrad“, ich krächzte immer noch,wollte aber schnell weiter reden bevor mir die Sinne wieder schwanden, „solange ich lebe, so schwöre... ich... dir..., werde ich Wolfram...“, ich wurde wieder so müde, „...werde ich Wolf... mit meinem Leben... beschützen!“ Dann war auch schon wieder alles weg. „Und ich dich auch, Yuuri, ich dich auch!“, hörte ich ihn aus weiter Ferne noch leise sagen. Diesmal war alles schwarz. So schwarz, dass ich die Hand vor Augen nicht sah. Aber die hätte ich auch nicht sehen können. Ich war absolut bewegungsunfähig. Ich lag wie festgeschnürt auf dem Rücken und konnte mich trotz größter Anstrengung nicht rühren. Und dann fing es an. Plötzlich. Ohne Vorwarnung. Ohne eine leiseste Ahnung oder Vermutung wo es als nächstes passierte: Stiche. Wie mit 1000 Nadeln zeitgleich. Und ich habe Nadeln immer gehasst! Mutter hatte immer Probleme, mich zu einem Arzt zu bringen wenn ich wusste, dass in irgendeiner Form eine Spritze bei diesem Besuch zugegen war. Es stach mich so dermaßen und mit voller Wucht in den Rücken, dass ich dachte, man habe mich auf einer rotierenden Trommel aus Nägeln gespannt und diese rollte nun durch einen pechschwarzen Raum. Es tat so verdammt weh. Vor allem, weil ich nicht sehen konnte, von woher es jedes mal kam. Denn der Schmerz verstärkte sich durch den Überraschungseffekt. Ruhig bleiben, Shibuya! Konzentriere dich! Zunächst wäre dir geholfen, wenn du etwas sehen könntest! Ich brauche Licht! Ich brauche Feuer! Und woher Feuer nehmen? Ich war laut Günter fähig in allen Bereichen der Magie. Ich hätte mit allen Elementen Bündnisse abgeschlossen. Wasser- und Windmagie hatte ich schon verwendet, auch einmal Erdmagie versucht, aber noch nie Feuer! Warum auch? Ich hatte einen Feuerdämonen zum Verlobten. Den am Besten ausgebildeten Feuerdämonen im ganzen Königreich! Und dieser war mir ja nie von der Seite gewichen! Wenn Feuer benötigt wurde, hatte er sich darum gekümmert! Verdammter Mist! Wenn du auf einer einsamen Insel strandest und hast vorher Zeit drei Gegenstände mit zu nehmen, dann nimm kein Feuerzeug mit. Denn, mein kleiner Yu-chan, das Feuerzeug ist schnell leer und dann hast du den Wunsch verschwendet und kein Feuer. Nimm lieber eine Anleitung zum Feuermachen mit! Mutter, nicht jetzt! Ich denke nach! Und das ist schwer genug wenn man ständig aufgespießt wird! Moment! Anleitung zum Feuermachen! Klar, Wolfram hatte es mir doch unzählige Male vorgemacht! Mal schauen ob ich mir das gemerkt hatte: „Ich rufe alle Elemente des Feuers! Gehorcht den Dämonen, dem siegreichen Volk über die Schöpfergötter!“ Tatsächlich! In meiner Hand entflammte eine kleine Feuerkugel! Ha! Ich Genie! Siehst du das, Wolfram, siehst du das? Und nu? Ich konnte jetzt zwar meine Hand sehen, die nun hell erleuchtet war durch die brennende Kugel darin, aber ich war immer noch bewegungsunfähig. Wie steuert man dieses Ding? Vielleicht funktionierte es bei mir auch noch nicht so richtig. Oder das Feuer wollte nicht mehr den Dämonen dienen, weil es nun festgestellt hatte, dass wir die Schöpfergötter gar nicht besiegt hatten, sondern gerade durch deren Reich spazierten! „Werd größer!“, maulte ich die kleine Flamme an. Und tatsächlich! Sie schien etwas zu wachsen. In Gegenwart potenzieller Gegner sollte ich diese Technik nicht anwenden. Sähe seltsam aus, dort Gespräche mit seinem eigenen Feuerball zu führen! Ach, ich würde Feuer so wieso nicht mehr verwenden müssen, wenn ich erst einmal Wolfram wieder hatte! „Noch größer....aaaahhh!“, da stach es mich wieder ins Bein und vor Schreck ließ ich meine Feuerkugel fallen. Mist, dachte ich, aber erkannte dann, dass sie zu meinem Bein hinunterraste und dort eine kleine Nadel sich in Staub auflöste. „Das geht ja einfach!“; war mein erstaunter Ausruf und ließ mich den Schmerz schnell vergessen. Ich brauchte einfach mehr Kugeln! „Ich rufe erneut alle Elemente des Feuers! Gehorcht mir, dem Maou, beim Sieg über die Schöpfergötter!“ Einfach mal passend für mich umgeschrieben. Shinou möge es mir verzeihen! Und tatsächlich! Überall erschienen kleine schwebende Flammen um mich herum. Sie wirkten fast wie Glühwürmchen. „Wir müssen hier ein paar Nadeln auslöschen!“, wieso redete ich eigentlich mit denen? Ob Wolfram sehen konnte was ich hier drin, in seiner Seele und seinem Körper, so trieb? Wenn ja, würde er bestimmt wieder kopfschüttelnd und mit verschränkten Armen vor der Brust, aber lächelnd, sagen: „Glaubst du, so macht man das richtig? Yuuri, du Waschlappen. Das du die Magie aber auch immer so abartig entstellen musst! Kannst du denn nichts richtig?“ Doch, Wolf, doch! Ich kann dich retten und ich werde dich retten! Es hörte sich an wie das zischen von gerade gezündeten Silvesterkrachern, als meine Feuerglühwürmchenkugeln begannen, die Nadeln zu jagen und nach und nach einzuschmelzen. Mit jeder Nadel weniger war ich mehr fähig, mich zu bewegen. Bald darauf konnte ich aufstehen und stand in einem hell erleuchteten Raum. „Ich danke euch, meine Elemente des Feuers!“, ich verbeugte mich vor den Feuerkugeln, welche sich nun nach und nach in Luft auflösten. Und schließlich löste sich auch der Raum auf. Ich schritt auf ein blendend weißes Licht zu. Ich spürte, wie ich Wolfram immer näher kam. Gleich wäre ich bei ihm! Dann wachte ich auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)